lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

  • 7

    Magnifizenz, excited, great, good.
    Schummeln, Mobbing, sexuelle Belästigung und Befriedigung, der ganz normaler Alltag in der Bildungseinrichtung des Grauens. Die moralische Säuberungsaktion des psychopathisch-netten Lehrers von neben an ist eine entsprechend kanalisierte Kulturkritik per Shotgun. Leben ist wenig wertvoll in diesem blutrünstigen Splatter-Amok-Schulfest. Das Serienkiller-Motiv wird leicht surreal bedient, persifliert und mit einem amerikanischen wie japanischen gesellschaftlich-kritischen Subtext unterlegt. Das sind keine wirklich neuen Inhalte im fatalistischen Miike-Universum, sie werden aber von ihm zynisch-erkaltet serviert wie in seinen besten Zeiten.

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    • 4

      Schade, im Prinzip eine schön-grausame Geschichte, die aber wie ein hübsch anzusehender Gummibaum der Genre-Klischees herüber kommt, an dessen Äste kleine Blätter der Geister-Mystik, Familientragödie und Medizinhorror wachsen, die aber wegen Sinnlosigkeit und Schwulst verdorren...

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      • 5

        1001 Filme, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist.
        D.W. Griffiths dreistündige Geburt einer Nation ist der erste epochale Historienfilm der Kinogeschichte und setzte 1915 mit seinen unzähligen filmsprachlichen Neuerungen weitreichende Maßstäbe für Hollywood. Ob Groß- und Nahaufnahmen, Kamerafahrten, Parallel-Montage, Orchester-Score und aufwendige Schlachtengemälde, dieser Stummfilm war formal weit seiner Zeit voraus.
        Inhaltlich allerdings weniger.
        Die narrative Struktur folgt einer Zusammenführung zweier Familien im Nord- und Südstaaten-Konflikt und schreckt nicht vor fiesen rassistischen Klischees und Stereotypen zurück. Ursache für den amerikanischen Bürgerkrieg sind die Schwarzen, bzw. Sympathisanten, die die Sklaverei abschaffen wollen. Retter der zweigeteilten Nation ist der Ku-Klux-Klan. Durch sein heroisches Eingreifen kann die Spaltung verhindert werden.
        So bleibt am Ende nur der zwiespältige Eindruck zurück, das hier kunstvolles Propagandakino mit Geschichtsklitterung und haarsträubender Aussage erschaffen wurde, dessen filmhistorischer Wert allerdings nicht zu unterschätzen ist.

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        • 6 .5
          lieber_tee 06.07.2014, 22:00 Geändert 20.09.2015, 00:05

          70er Jahre SF-Kino, das sich in seiner trivialen Form völlig ernst nimmt.
          Die nicht uninteressanten zukunfts-, geschlechter- und wissenschafts-kritischen Ansätze werden mit dem Holzhammer auf den Zuschauer einprügelt, mit Fortschritts- bzw. Schwangerschafts-Ängste kombiniert.
          Ein omnipräsenter und -potenter Super-Computer, der gerne menschlich sein möchte, vergewaltigt eine Frau um seine (männlichen?) Allmachtsphantasien auszuleben.
          Heftig-krudes Filmfutter, das der Produktionszeit geschuldet ist und heute einen durchaus faszinierenden, nostalgischen Nährwert hat.

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          • 6 .5

            Stolz und unabhängig flaniert die Göttin des Rokokos mit Kuhscheiße am Schuh durch eine Provinz, in der die Menschen offensichtlich ihren Verstand verloren haben. Im Trainingsanzugs-Land, wo alle als Schnäppchen geboren sind ist ein anderes Outfit ALLES, eine Weltanschauung, eine Überlebensstrategie. Mit der „Ich will was ich will“-Einstellung weist Kleidung den richtigen Weg, eingebunden im Phantasie-Ballon einer taffen Mädchenfreundschaft.
            Die Kamikaze-Girls sind sicherlich nicht pädagogisch wertvoll, dreschen knallbunte Phrasen unter die Marzipanhaube der Oberflächlichkeit, aber gerade dadurch dekonstruieren sie sie auch.

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            • 8 .5

              Meine 9 jährige Tochter konnte mit der teilweise schwarzhumorigen Parodie auf die heile Märchenwelt von Disney wenig anfangen, hat den Film nicht wirklich verstanden. Sie hatte Mitleid mit dem platzenden Vogel und aufgeblasenen Frosch und hätte sich gewünscht, dass die Prinzessin nicht hässlich-grün sondern schön-rosa bleibt... Ich habe mich mal wieder kringelig gelacht über diesen fulminanten Auswurf an kreativ-witzigen Ideen. Sie meinte am Ende, als ich voller Tränen unterm Sofa lag, ob mit mir alles ok sei und sagte höflich-nett, ja der Film ist gut, will die Fortsetzungen aber nicht mehr sehen...

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              • 8

                Ur-amerikanisches Werte-Kino, das sein Herz am richtigen Fleck hat und so selten geworden ist.
                Was bei „Stand by Me“ die Schienen sind, ist hier der Fluss.
                Das Leben. Die Jugend. Das Treibgut. Die Werte. Die Verantwortung.
                Melancholischer Film über das Erwachsen-werden, die Liebe, die Lebenslügen, die Freundschaft und die Familie.
                Großartiges Erzählkino, nahe am Menschen, psychologisch fein aus-tariert, in famosen Bildern eingefangen und in allen Rollen glaubwürdig gespielt.
                Wenn auch manch Symbolik, dramatischer Effekt und Männlichkeit etwas zu dick aufgetragen wird, „Mud“ ist ein Film, der die große Leinwand verdient und nicht als Video-Futter versauern sollte.
                Vielleicht bin ich schon ein zu nostalgisch vergrämter alter Klepper aber dieser Streifen ist großes Kino im kleinen Rahmen erzählt.
                Man muss schon völlig erkaltet sein um hier nicht berührt zu werden.

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                • Klasse Text von einem meiner Lieblings-Autoren hier auf dieser Seite.

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                  • 8

                    »SoulReaver und lieber_tee in den Untiefen des ganz normalen Genrewahnsinns«
                    #16
                    P…wie Politthriller

                    Der Politthriller beschäftigt sich mit terroristischen Anschlägen, Spionage oder kriminellen Machenschaften auf staatlicher Ebene. Eingebunden in fiktiven oder real-politischen Geschehnissen versucht das Genre Bezüge aus Vergangenheit oder Gegenwart eigenständig zu interpretieren. Seine Hochzeit hatte es in den späten 1960er und den 1970er Jahren, Zeiten des gesellschaftlichen Umbruchs und Misstrauens gegenüber staatlicher Gewalt.
                    Ein Killer aus dem Nichts ist das Zentrum in diesen Attentat-Krimi. Arrogant, technisch, funktional-nüchtern, nur für seinen Mord-Auftrag an Frankreichs Präsident Charles de Gaulle agierend, symbolisiert er eine unberechenbare Bedrohung für den Staat, ist zu gleich die pure Faszination des Bösen.
                    Verankert in die Situation des OAS-Terrorismus der 60er Jahre wirkt Politik, wie die Titelfigur, nicht (be-) greifbar, unmenschlich, nur von kalten Interessen der Institutionen getrieben.
                    Gegenspieler vom „Schakal“ ist die erst nach 40 Minuten eingeführte Reinkarnation eines cleveren Maigret-Polizisten. Leicht-bürokratisch, latent menschlich und mit Respekt vor der Intelligenz seines Gegners spitzt sich die Hetzjagd zweier verschiedener Typen bis in die letzten Film-Minuten zu.
                    Ähnlich wie der Assassin als unaufhaltsames Uhrwerk voranschreitet funktioniert Zinnemanns subtil-packender Thriller. Es gibt nur wenige Filme, die mit solch einer dokumentarischen Nüchternheit und gekonnten Präzision den Countdown der Spannungsdramaturgie verwirklichen. Nicht an äußerlichen Actionszenen interessiert, immer mit alltäglichen Momenten verbunden, tickt dieser formelhafte, lehrbuchartige Thriller wie eine exakte Zeituhr, bis auf das letzte Ticken inszeniert.

                    [http://www.moviepilot.de/liste/soulreaver-und-lieber_tee-in-den-untiefen-des-ganz-normalen-genrewahnsinns-soulreaver]

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                    • 5 .5

                      SPOILER
                      "Hast du sie in den Arsch gefickt? Was denn sonst. Muschis sind was für Schwule!"
                      Das selbstzerstörerische Leben auf der arroganten Überhohlspur ist ein Grab aus Suff, Sucht und Saustall.
                      Irvine Welshs Portrait einer manipulativ-sarkastischen Drecksau ist kein Trainspotting und Jon S. Baird, so viel er sich auch Mühe gibt, ist kein Danny Boyle. Der Spott beißt ordentlich zu, der sexualisierte Vulgär-Witz weniger. Als zynische Moral-Satire und drogen-induzierter Irrsinn gelungen, als empathisches Portrait eines bemitleidenswerten Schweinehundes eher mäßig. James McAvory spielt sich den bipolaren Wolf ab, so recht habe ich ihm das dissoziative Identitäts-Arschloch aber nicht abgenommen. Seine moralinsaure, sprunghafte Läuterung zum Ende hin verursachte bei mir nur ein Rülpsen.
                      Letztlich schrie mir die ganze misanthropische Chose zu sehr nach krampfhaftes Kult-Kino für bierselige Abende.

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                      • 6

                        Home-Invasion-Slasher, der sich um Glaubwürdigkeit bemüht und das Handicap der Protagonistin geschickt für sein perfides Katz- und Maus-Spiel benutzt.
                        Regisseur Richard Schenkman beherrscht das Einmal-eins des Spannungskinos tadellos, auch wenn er am Ende ein wenig über die Stränge zieht.
                        Bekommt sicherlich nicht den Bonuspreis für Innovation, hat mir aber gerade wegen seiner altmodischen und zitatenreichen Art gut gefallen.

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                        • 2

                          „Das Feuer sieht ganz gut aus – waren sie ein Pfadfinder?“
                          Mit Dialogen, die vor Dämlichkeit prahlen, mit einer Geschichte, die so stumpf ist, das man sie un-angespitzt in die Wand zu rammen möchte und mit Schauspielern, die offensichtlich aus einem Gonzo-Porno entsprungen sind, wird der Betrachter durch den üblichen Slasher- und Backwood-Eintopf gequält, der sich nie auf ein konkretes Bedrohungsszenario fokussiert, dafür aber einen sinnreichen Diskurs über Titten-Nippel bietet.

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                          • 2 .5

                            Hensel, Gretel und ein paar sexorientierte Jugendliche werfen als Mutprobe oder aus Langeweile Fenster eines Hexen-Lebkuchenhauses ein und werden deshalb durch den 80er Jahre Halloween-Grusel-Karneval-Fleischwolf gedreht.
                            Hui-Buh das Computer-Nachtgespenst als Kinderschreck-Mythos, in einem Film dessen vernebelten Horror-Versatzstücke den Betrachter vergammeln lassen, in einer Geschichte die einfach nur doof ist.

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                            • 4

                              Bilderkrawall von Nichtigkeiten im Superhelden-Modus.
                              In der dreist trivialisierten Re-Interpretation des alten Frankenstein-Mythos ist das Monster (Adam!) ein schlecht gelaunter Dämonen-Killer mit muskulösen Narben, der im Underworld-K(r)ampf-Modus das Böse erlöst und die Menschheit errettet. Religions-Trash trifft auf Edel-Trash ohne die Kunst des groben Unfugs zu beherrschen. Nach einer grellen Comic-Vorlage bekommt der CGI-Action-Grütze-geile Zuschauer eine hoch-mobile Kamera um die Augen gehauen. Ein schales Feuerwerk der Effekte mit einem Schatten an Geschichte.
                              Auch wenn diese PG-13 gewaltbefreite Monstershow oftmals angenehm durchgeknallt ist, in seiner knarzigen Ernsthaftigkeit und martialischen Hektik herrlich unfreiwillig komisch wirkt, diese un-inspirierende Aneinanderreihung von Künstlichkeit hat nur den faden Reiz der Oberflächlichkeit und verursacht Augenkrebs.

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                              • 6

                                Haunted House in einer Zeitschleife vom Genre-Enfant-terrible Vincenzo Natali, der hier wieder einmal beweist, dass er die Klaviatur des Schreckens beherrscht.
                                Zu Beginn eine originelle, andere Perspektive auf die vergeistigte Hütte um dann doch nur die Standards des Genres zu erfüllen.
                                Starke Bilder, zunehmend banale Geschichte.
                                Schade.
                                Als Kurzfilm hätte "Haunter" besser funktioniert, aber leider muss das übliche, x-mal gesehene Serienkiller-Einerlei mit Erlösungsende bemüht werden.

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                                • Na, da "Rim" sein Kind ist bleibt er hoffentlich dabei und steigt nicht wieder vorzeitig aus dem Projekt aus.

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                                    Ein Scharfschütze richtet Zivilisten vom Dach des Hiltons in Rom hin, verbarrikadiert sich im Hotelzimmer und nimmt Geisel. Er scheint ein hochrangiger Beamter der italienischen Botschaft und mit dem herbeigerufenen amerikanischen Agenten befreundet zu sein. Aber was steckt wirklich hinter dieser Entführung?
                                    Mit routinierter Hand von Damiano Damiani gefilmter, düsterer 70er Jahre Euro-Polit-Thriller, der durch den Fokus auf den arroganten, unmoralischen und zwielichtigen CIA-Agent (treffend Tony Musante) sich als überraschend-clevere Anklage gegen die Kälte und Risikobereitschaft der Geheimdienste und des Staatsapparates entpuppt.

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                                    • 4

                                      Im Prinzip ist die Prämisse des Films, dass eine literarische Erfindung irgendwo in der verschneiten Pampa von Nordamerika ihr reales Unwesen treibt, eine interessante Sicht auf das Dr. Frankenstein-Motiv.
                                      Auf der Suche nach dem Monster erschafft ein Ahne des Doktors seine eigenen Wahnvorstellungen und zieht das begleitende Dokumentationsteam in den Abgrund.
                                      Leider wird die Geschichte wieder einmal nach dem üblichen Fake-Found-Footage-Schema erzählt. Auch wenn das Personenarsenal etwas erträglicher als in vergleichbaren Produktionen wirkt, die Kamera nicht unter epileptischen Zuckungen leidet und die arktischen Bilder aussehen wie aus dem National Geographic-Magazin, der Streifen ist so packend wie ein Furz im eisigen Wind.
                                      Immerhin erzeugt Regisseur Andrew Weiner ein leicht bedrohliches Expeditionsszenario, dreht sanft die Spannungsschraube, kann aber die aufgebaute Erwartungshaltung des Zuschauers nicht erfüllen.
                                      Das Finale ist selten blöd, spätestens da stiert der Zuschauer phlegmatisch aus seinem Sessel in die Röhre und reibt seine eingeschlafenen Füße und Augen.

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                                      • 4

                                        Im Parkour der Niedertracht bedeutet Überrunden ins Gras beißen. Wird der Mensch durch ein Fegefeuer von explodierenden Köpfen getrieben zeigt er seine unsoziale, hässliche Fratze. Wie ein wildes Tier geht es ihm nur noch um das nackte Überleben. Paul Houghs rüde Parabel über den mehr als sinnbildlich visualisierten Kreislauf des (Über-) Lebens ist eine mit vielen visuellen Sperenzien aufgepäppelte Low-Budget-Groteske, deren arg schlichtes inhaltliches Konzept und schauspielerische Begrenztheit mit viehischen Abschlachten auszugleichen versucht. Die Schwachsinns-Auflösung raubt jegliche ernstzunehmende Absicht, auch wenn sie den menschlichen Überlebenswille in eine wahrhaft kosmische Dimension erhebt. Überraschend allerdings sind die Kompromisslosigkeit und teilweise wie aus dem Nichts kommenden intensiven, durchaus gelungen Sequenzen.

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                                        • 7

                                          1001 Filme, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist.
                                          Es ist schon beeindruckend wie viele Motive und Sequenzen in diesem 60er Gespensterhaus-Klassiker später in unzähligen ähnlich gelagerten Filmchen wieder zu finden sind, wirklich gegruselt habe ich mich allerdings nur selten. Der subtile Schnitt, die suggestive Montage und expressionistische Ausgestaltung von Horror ist grandios, die Verbildlichung verdrängter Ängste gelungen. Das ganze Figuren-Arsenal (der chauvinistisch-rationale Mann, die hysterische Frau usw.) ist gewöhnungsbedürftig, der unsägliche Off-Kommentar der Protagonistin verbalisiert zu oft vorher gesehenes. Ich mochte aber die Idee, dass der freudianisch-unterdrückte Irrsinn einer unter Mutter-Komplexen leidenden Frau mit ihrer sexuellen Verwirrung, die verspukten Tore eines Hounted House öffnet.

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                                          • 7 .5

                                            Happy Birthday, Gojira.
                                            Der 60. Monster-Geburtstag wird im US-Mainstream-Kino als archetypische, lustvolle, ernsthafte Hommage an die alten Riesenechsen-Filme aus Japan gefeiert. Als ein faszinierender (und zum Teil gescheiterter) Versuch, das Wesen des Originals mit dem erzählerischen Stil eines US-Blockbusters zu versöhnen.
                                            In entfesselten, überwältigenden, bild-starken Übergangsmontagen wird aus Sicht der Opfer ein Katastrophen-Film-Szenario entworfen, pseudo-realistische Erklärungs-Muster bemüht um in eine atomare Erlösungsphantasie zu enden.
                                            Der hochbegabte Newcomer Gareth Edwards wuchtet mal so locker ein 160 Millionen-Big-Budget und zeigt viel Herz, tiefen, ironiefreien Genre-Respekt für seine Monster. Nicht der (militärische) Mensch ist die Krone der Schöpfung, er wird zu einen hilflosen Beobachter reduziert, sondern Godzilla ist das was er immer schon war: Eine un-regulierbare Gewalt, ein fast mystisches Wesen, das hier symbolisch für das Gleichgewicht in der Natur sorgt, den Menschen für sein parasitäres Handeln bestraft. Was zunächst noch aus einer privaten Familien-Drama-Sicht erzählt wird ufert schnell in die große, apokalyptische Menschheits-Perspektive aus, findet Bilder, dessen ikonische Kraft so seit langen im großen Kino nicht zu sehen war.
                                            Die ausufernde Verzögerungstaktik dem Zuschauer seine Gier nach Zerstörungs-Orgasmen durch gezielte Aussparungen bis kurz zum Ende vorzuenthalten ist ebenso brillant wie gewagt. Wenn dann, mit lautem Brüllen, das größte Trampeltier der Filmgeschichte groß-reine macht freut sich der Monster-Nostalgiker wie ein kleines Kind und schaut gnädig darüber hinweg das nicht alles rund gelaufen ist, diese Ecken und Kanten aber höchst sympathisch sind.

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                                            • 6 .5

                                              Wenn einem die eigenen Kinder fremd werden, ihre Sexualität bedrohlich wirkt, das Übersinnliche Einzug in den “heilen“ familiären Alltag nimmt, ins unerklärlich okkultische abdriftet, dann sind wir hier in einer Art Neuinterpretation des Grusel-Klassikers „Picknick am Valentinstag“.
                                              Mit seiner schmutzigen 70er Jahre Inszenierung voller Querverweise erschafft Regisseur Adrián García Bogliano (I'll Never Die Alone) eine Spirale aus Andeutungen und Ängsten, legt ständig neue Spuren aus, die aus der Sicht der Eltern falsch interpretiert werden. Der fehlende Wissensvorsprung ködert den Zuschauer und erzeugt zugleich Unbehagen bei ihm.
                                              Oftmals ruppig, mit Gewaltspitzen garniert aber mit gezielter und begabter Absicht in Szene gesetzt, entsteht ein verstörender Psycho-Horror-Film, der leider zum Ende hin in banalen Genre-Motiven abdriftet.

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                                              • 6 .5

                                                Vergessene Film Noir-Perle aus den 60ern, die schulbuchmäßig in ihrer misanthropischen Ader schwelgt. Die famose Schwarz/Weiß-Kamera begleitet ein selbst-bemitleidendes Killer-Arschloch durch die un-fröhliche Weihnachtszeit einer Großstadt, bis in seinem Abgrund. Trotz knackigen 70 Minuten Laufzeit schleichen sich ein paar Längen ein.
                                                Für mich nicht der Ober-Burner den viele Cineasten abfeiern aber ein offensichtlich kraftvolles, rohes, klares Stück Genre-Filmgeschichte.

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                                                • 5 .5

                                                  Virtuelles Filmsofa-Gespräch zwischen Souli und Tee über den zeitgleich gesehenen Film.
                                                  #01
                                                  SoulReaver: Dieser penetrante Einsatz von Synthie-Pop geht mir jetzt schon etwas auf den Senkel.
                                                  lieber_tee: Naja, spielt nun mal viel in der Club-Szene...
                                                  SoulReaver: Stimmt, da wird ja auch immer die gleiche Mucke gespielt.
                                                  lieber_tee: Hypnotisch um sich die Birne wegzublasen...Refn hatte dafür 80er Jahre Synthi-Blubber- Sound...
                                                  SoulReaver: Mit meinem geliebten Refn hat der Musik-Einsatz hier nichts zu tun...
                                                  lieber_tee: Nicht musikalisch, im optischen Stil schon. Aber nicht nur mit Refn... Auch mit dem Hongkong-Kino und Film Noir. Na, palavern die Typen wieder über ihre Männerfreundschaft?
                                                  SoulReaver: Die machen doch nichts anderes. Und im optischen Stil fehlt mir da, anders als bei Refn, die audiovisuelle Sogwirkung, da kam alles aus einem Guss, war atmosphärisch. Das ist doch nur auf Hochglanz poliertes Abfilmen von Stroboskoplicht und dazu wird irgendeine x-beliebige Synthie-Mucke untergelegt.
                                                  SoulReaver: Und mitten drin zwei Typen, die rennen, saufen und blubbern..
                                                  lieber_tee: Wenig wohlwollend gesehen hast du Recht.
                                                  SoulReaver: Sehr prätentiös, sehr zerfasert. Aber gut, hab erst 5 Minuten. Mal sehen wie der Rest wird... Kleiner Spaß.
                                                  SoulReaver: Wirklich überraschend an PARIS COUNTDOWN: Luc Besson war nicht involviert!
                                                  lieber_tee: Stimmt, das merkt man, der hätte das treibender und noch trivialer zurecht gebürstet.
                                                  SoulReaver: Und die Optik wäre nicht so grell, sondern sehr purer Chrome.
                                                  SoulReaver: Aber warum Film Noir? Weil die Figuren nicht zur Identifikation bilden?
                                                  lieber_tee: Weil „Themen wie Absurdität des menschlichen Daseins, der Einsamkeit und Hilflosigkeit des Individuums, der Willkür des Schicksals und der Endlichkeit des Lebens“ (Oliver Nöding) über-deutlich angesprochen werden, leider nicht vertieft…
                                                  lieber_tee: Ja, auch wegen der Antihelden-Thematik.
                                                  SoulReaver: Absurdität des menschlichen Daseins...interessant.
                                                  lieber_tee: In allen Figuren mehr oder weniger auffindbar. Und bei dir und bei mir...
                                                  SoulReaver: Wahrscheinlich in jeder Figur, in jedem Menschen… Paris Countdown ist ja existenzialistisch geprägt, weil er Überleben auch als freundschaftlichen Kraftakt formuliert. Aber es ist so entsetzlich oberflächlich...
                                                  lieber_tee: Naja, so dumm finde ich das nicht. Der Faktor Mensch im Kontrast zur Künstlichkeit. Klar gewollt aber da gibt es schlimmeres.
                                                  SoulReaver: Von dumm habe ich auch nie gesprochen, er ist nur oberflächlich, Style über Substanz, aber ohne echten Sog.
                                                  lieber_tee: Der fehlende Sog, das wenig Berührende, die Trägheit ist das Hauptproblem des Films. Hübsch anzuschauen ist er.
                                                  SoulReaver: Ja, sein "langsames Tempo" ist hier eher negativ…
                                                  lieber_tee: Wenn die Figuren mich irgendwie berührt hätten, wäre das kein Problem aber so ist das emotionaler Stillstand. Die ambivalente Freundschaft war in der ersten Szene schon deutlich, da passiert dann menschlich nix. Schade, dabei erleben die Typen in einer Nacht so viel...
                                                  SoulReaver: „Und wir treiben durch die Clubs von Paris, Synthie-Pop schwabbt durch den hermetischen Raum, wir wühlen uns durch Massen von Feierwütigen, durch eine gesichtslose, schwitzende Horde. Wir, das sind der Zuschauer und unsere beiden Akteure. Würden wir uns unter das Volk mischen, mit Gewissheit würden wir sie ebenfalls nicht mehr wiederfinden zu würden. Selbst, wenn sie irgendwann zufällig wieder vor unsere Augen gelangen würden."
                                                  lieber_tee: Aha, beschreibst du schwülstig meine letzte Nacht im Berghain-Techno-Club-Berlin?
                                                  SoulReaver: So ist es.
                                                  lieber_tee: Aber im Ernst, der Regisseur hat sich beim Filmchen was gedacht. Ist halt nicht rund.
                                                  lieber_tee: Typisch für einen Debütfilm. Hoch-motiviert aber noch nicht alle Tassen im Schrank.
                                                  SoulReaver: Was bezeichnest du denn als "viel"?
                                                  lieber_tee: Viel, meint dass er ein gedankliches Konzept hatte, das er visuell bebildern wollte.
                                                  SoulReaver: Nein, "viel" erleben in der Nacht. Sie springen ab und an mal dem Tod aus der Schlinge, wachsen wieder zusammen...Ist pedantisch nun, aber viel? Gerade in dieser Aufarbeitung?
                                                  lieber_tee: Viel: Treffen sich nach Jahren wieder, morden, saufen, labern, rennen, haben Angst um ihre Familien, bluten, zerschlagen ihre Gesichter, wollen fliehen, spielen ein Doppelspiel, müssen entscheiden. Nach solch einer Nacht würde bei mir kein Aspirin helfen...
                                                  lieber_tee: Nicht das das eine typische Nacht bei mir in Berlin wäre...
                                                  SoulReaver: Ich finde den so schrecklich müde...Doppeltes Spiel...och…
                                                  lieber_tee: Und sehr konstruiert... Ich habe mir gleich zu Beginn überlegt warum die beiden Typen sechs Jahre so unbehelligt in Frieden leben konnten, nach dem sie so eine Scheiße gebaut haben. Aber, egal, der Film will nicht realistisch sein, sondern Männerfreundschaft in einer künstlichen Umgebung hoffieren.
                                                  SoulReaver: Einer verrät wohl immer…
                                                  lieber_tee: Wahre Männer / Freunde tuen es dann aber nicht...
                                                  SoulReaver:..um dann nur so zu tun.
                                                  lieber_tee: und sich aufopfern...
                                                  SoulReaver: "Das ist der neue Deal"
                                                  lieber_tee: Ich merk schon, der Film verkackt bei dir...
                                                  SoulReaver: Och, der Böse hat etwas Ähnlichkeit mit einem bärtigen Alec Guiness
                                                  lieber_tee: Ich fand den total knuffig, überhaupt nicht bedrohlich. Wie der liebe Opa von neben an, nur mit einer Wumme in der Hand.
                                                  SoulReaver: … /Küchenmesser
                                                  lieber_tee: Wie lang geht der Film bei dir noch?
                                                  SoulReaver: 4 Minuten.
                                                  lieber_tee: OK. Gleich Abspann, bleib mal sitzen...
                                                  SoulReaver: Gut, gebe eine 4. Gibt Schlimmeres, ist halt so ein Film der Gattung "egal".
                                                  lieber_tee: Gebe dem eine 5,5, weil für ein Debüt respektvoll gescheitert und wegen der Mucke und den schönen Bildern. Inhaltlich ist der mir auch egal.
                                                  SoulReaver: Und jetzt werde ich die Kritik dazu schreiben und dazu den Drive Soundtrack hören. Meta-Scheiss!

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                                                    „The Body“ ist die zombiefizierte Version der Kurzgeschichte „schwarzer Kater“ von E.A. Poe, in der ein Täter wegen seines schlechten Gewissens überführt wird.
                                                    Sehr klassisch, altmodisch flirtet Regisseur Oriol Paulo in seinem Debütfilm mit Hitchcock, in einem verregneten, nächtlichen Leichenschauhaus, das böse und klaustrophobisch erscheint. Souverän wird ein verzwicktes Beziehungs- und Krimi-Puzzle konstruiert, ein Kreisel aus Geheimnissen, Lügen, Intrigen, Drehungen und Wendungen, mit leicht gegruselter Stimmung, der am Ende ein wenig über seine konventionellen Fallstricke stolpert.
                                                    Fein fotografiert, geheimnisvoll und clever erzählt, so mag ich spanisches Thriller-Kino.

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