lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

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    Groß, dumm und laut.
    Dieser High-Concept-Actioner, der Gehetze mit Spannung verwechselt, ist eine hirnlose Aufregung, die offensichtlich an die ekelig-visuellen Exzesse (wütenden Schnitte und Kameraschwenks, Crash-Zooms und ein donnernder Soundtrack) eines Michael Bay's erinnert. Regisseur Tony Scott (ich weiß, man soll nicht über Tote übel reden) war schon damals maßgeblich daran beteiligt / prägend, das das heutige Actionkino so scheiße aussieht. „Unstoppable“ ist ein geistloser Popcorn-Film, der ebenso lange hektisch rast wie der außer Kontrolle geratene Zug. Die Facepalm-würdigen Helden-Drehbuchentscheidungen verursachen Kopfschmerzen und werden nur noch von den dummen Absurditäten getoppt. Eigentlich ist der Film nicht wirklich schlecht, hat einen gut geerdeten Katastrophen-Move, aber seine aufdringliche Art nervt.
    5 Güterwagons crashen.

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      lieber_tee 11.12.2022, 21:50 Geändert 12.12.2022, 00:31

      Die Hölle der Romantik.
      Guadagnino hat hier seine Vorliebe für Horror, die in seinem Remake von „Suspiria“ zum Vorschein kam, mit der zärtlichen Hingabe von „Call Me By Your Name“ verschmolzen. Entstanden ist poetischer Horror, Buddy-Comedy, Coming-of-Age-Drama und süße Romantik. Sein verträumter Roadtrip einer alles verzehrenden Liebe von kannibalischen Außenseitern ist eine Metapher für das Entfremdungsgefühl, eingebettet in die Reagan-Zeit. Das ist manchmal vielleicht etwas zu hip, aber der optisch dezente, metaphorische Blickwinkel, mit all seinem Herum-schlängeln, trifft gut die Wildheit des Leidens, zwischen Überschreitung und Transformation. Herrlich jenseitige Arbeit vom Meister.
      7,5 schmuddelige Liebesgeschichten.

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        lieber_tee 11.12.2022, 01:19 Geändert 12.12.2022, 00:33

        Zwischen Hammer und Hitchcock.
        Guillermo del Toros kuratierte Wunderkammer ist eine Nacht voller Gespenstergeschichten am Lagerfeuer mit aufwendig gestalteten Sets und talentierten Schauspielern. Diese vielleicht zu wenig wirklich beruhigende Vintage-Sammlung aus mysteriösen und kuriosen Miniatur-Horrorfilmen ist uneben, aber sehenswert. Jede einstündige Geschichte ist geprägt von der Handschrift des jeweiligen Regisseurs. Wie bei jeder Sammlung von Short-Storys funktionieren einige Segmente besser als andere, insgesamt sind die 8 Moralgeschichte angenehm von dunklem Humor durchzogen. Am besten hat mir die albtraumhafte Geschichte von David Prior und das schäbig-analoge Segment von Panos Cosmatos gefallen.
        7 gewichtige Präsentationen.

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          lieber_tee 11.12.2022, 00:06 Geändert 11.12.2022, 00:14

          Twitter-Horror.
          Die Teenager von Euphoria hacken sich (verbal) gegenseitig in Stücke. „Bodies Bodies Bodies“ will irgendwie lustig und irgendwie beängstigend sein, ist letztendlich aber weder lustig noch beängstigend. Der Whodunit in Scream-Tradition ist zu übereifrig darin, all seine (absichtlich) ekelhaften Figuren als empathielose, social-media-gestörte Arschlöcher darzustellen, die sich zeitgeistige Phrasen an den Kopf werfen. Das soll dann A24-Kunst-Kritik an der „Jugend von heute“ sein. Das wird schnell erschöpfend, da der Film weder als gemeiner Slasher noch als gemeine Satire scharf genug ist. Allerdings ist das Ganze recht flott im halbdunklen Handylichtschein zu einem soliden Thriller verdichtet.
          5 reiche Kindern ohne WLAN.

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            lieber_tee 10.12.2022, 23:32 Geändert 21.12.2022, 01:04

            Keine fröhliche Christnacht.
            In grobkörniger 16-mm-80er-Ästhetik gefilmtes, neon-nostalgisches Mashup aus „Silent Night Deadly Night“ und „The Terminator“, dass im Prinzip alles bietet was der end-weihnachtliche Horrorfan absegnen würde. Trashige Gore-Effekte, kopfspaltendes Gemetzel, ein knallhartes Final-Girl und stimmungsvoller Soundteppich. Der Anti-Feiertagsfilm will schäbig-nihilistischer Slasherterror sein, was ihm über weite Strecken, dank einer strammen Inszenierung, auch gelingt. Allerdings muss zunächst über eine halbe Stunde einer nervig-aufdringlichen, ständig fluchenden Protagonistin mit schlechtem Film- und Musikgeschmack zugehört werden, die den Zuschauer nur mit besoffener Scheiße volllabert. Die Vergötterung des psychotronischen Kinos aus Begos' Jugend fällt zum Abschluss auseinander, als der Regisseur entscheidet, dass er den Film einfach nicht enden lassen will, stattdessen wankt ein angegrillter Robo-Weihnachtsmann zu lange albern herum. Nuja, als blutiger Festtags-Punsch ok.
            5 durchgebrannte Synapsen.

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              über Troll

              Mangel an Nährwert.
              Ein tragischer, missverstandener Riesen-Troll stampft durch die norwegische Landschaft und Magie, hinterlässt einen Pfad der Zerstörung, der einem Kaiju-Film sehr ähnlich ist. Die eigentlich recht erfrischende Idee einen Katastrophen- und Monsterfilm mit skandinavischer Folklore zu kombinieren scheitert daran, das Roar Uthaug hier wirklich jedes bekannte Genre-Klischee, das Hollywood im Laufe der Jahre bis zur Erschöpfung abgelutscht hat, bedient und mit absolut nichtssagenden Figuren bevölkert. Jede einzelne Szene in Troll ist aus anderen Filmen geklaut, mehr als Hausmannskost mit solider Effektarbeit bekommt der Betrachter nicht.
              5 typografische Veränderungen.

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                lieber_tee 07.12.2022, 22:50 Geändert 08.12.2022, 15:04

                Heat in Hongkong.
                Das Katz und Maus Spiel zwischen Verbrecher und Cop, die beide von Ehrgeiz und fanatischer Professionalität zerfressen sind, erinnert grob an den zwei Jahre zuvor entstandenen „Heat“. Beide Filme verzichten bewusst darauf die Sympathien klar zu verteilen. Leider bietet „Full Alert“ aber in seinen Figurenzeichnungen nur dünn geschriebene Stereotypen und eher unspektakulär inszenierte Action. Das Dramatische steht im Vordergrund, weniger die Schauwerte. Diese Bodenständigkeit ist durchaus sympathisch, das Script hat aber nicht die psychologische Tiefe, die es gebraucht hätte, um einen wirklich fesselnden Film hervorzubringen.
                5,5 entschärfte Bomben.

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                • 6 .5
                  lieber_tee 06.12.2022, 22:01 Geändert 07.12.2022, 08:31

                  Speed für den Action-Junkie.
                  In „Verirrte Kugel 2“ hat der stur-obsessive Hauptcharakter Lino kaum Zeit zum Ausruhen und wird nach den etwas holprigen ersten 10 Minuten direkt in einen grimmigen Kampf, der vom Verlangen nach Rache geprägt ist, katapultiert. Der Film gibt den Fans von geerdeter Action-Film-Ware das was sie sehen wollen. Vin-Diesel-frei und ohne Anspruch auf erzählerische Ambitionen ist Regisseur Pierret ausschließlich an nicht zimperlichen Auto-Verfolgungsjagden und Nahkämpfen interessiert. Der ganze Film ist ein treibend-brachiales Stück aus Zerstörung und Bewegung, ohne Schnittgewitter und mit wenig Computereffekten. Das geht so ordentlich zur Sache, das einem die krude Story egal ist, der Mix aus irrem Tempo und Skrupellosigkeit funktioniert hier sogar noch besser als im ersten Teil. Primitiv aber kraftvoll, der Film.
                  6,5 Frontalschäden.

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                  • 6

                    Ein langer Trauermarsch.
                    Durch das frühe Ableben von Chadwick Boseman wirkt „Black Panther 2“, als ob der Zuschauer einer Beerdigung beiwohnt, wo die Gäste trauernd mit den Iron Man-Spielzeugen spielen. Das ist durchaus faszinierend, als typischer Comic-Film funktioniert das aber nur bedingt. Soll es wahrscheinlich auch nicht, denn nach einer Flut manischer Superhelden-Blockbuster als Action-Spektakel nimmt sich dieser überlange Film Zeit für so was wie Charakterentwicklung und Handlung, die nicht nur aus Stichworten besteht. Im Kern geht es um den Umgang mit Verlust. Jeder narrative Faden ist mit der Trauer verbunden, vom historischen Kolonialismus über die Ausbeutung der Umwelt bis hin zur politischen Unterdrückung. Auf einen krampfhaften Franchise-Aufbau, wo farbigen Frauen das Sagen haben, verzichtet er. Das steht nicht immer auf sicheren Beinen, ist ein wenig unhandlich, bietet aber eine der nuanciertesten Geschichten des MCUs.
                    6 mal kinetische Energie absorbieren.

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                      lieber_tee 05.12.2022, 00:00 Geändert 06.12.2022, 22:50
                      über Piggy

                      Brutalisierte Jugend.
                      Pereda's durchsetzungsfähiges Regiedebüt zwischen Elend und Humor, Verzweiflung, Wut und Scham will ein grimmiger Gesellschaftskommentar zu Body-Shaming und Mobbing sein. Bewusst bewegt sich der Film im traditionellen Exploitation-Territorium, erzählt als verdrehte Coming-of-Age-Geschichte mit psychologischen Körperhorror. Der durchaus gewagte Vorstoß in ein moralisches Vakuum ist teilweise spannend und intensiv, aber ohne Nuancen und emotionale Tiefe. Nach einer Weile fangen die Genre-Zahnräder an zu schalten und der zunächst subversive Kunstgriff verschwindet sobald er die Motive des blutigen Slashers bedient. Das exzellente Setup stellt die Genre-Erwartungen auf den Kopf, weicht dann einem überraschend banalen Terrorfilm, der seine verbildlichte Rachephantasie nicht konsequent auslebt. Die Stimme des feministischen Horrors wird zahm, ist letztlich nicht verstörend genug, bedient doch die gängigen Konventionen. Aber die Brillanz von Laura Galáns Leistung, wie sie mit brutaler Körperlichkeit die zentrale Rolle spielt, ist beeindruckend.
                      6 Blutwürstchen.

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                        lieber_tee 04.12.2022, 02:07 Geändert 06.12.2022, 01:14

                        Hau den Lukas in Ägypten.
                        Dieses wirres Durcheinander von einem Film erscheint als ob fünf separate Filme in 2 Stunden hineingequetscht wurden, damit die Figur Black Adam irgendwie in das zukünftige DC-Universum hineinpasst. Grundprinzipien des Schnitts, des Schreibens und der Charakterentwicklung gehen dabei verloren. Verloren gehen auch die interessanten Ideen an seinen Rändern, wie z.B. Kritik an postkoloniale Politik, Bezüge zum Arabischen Frühling und das Hinterfragen von Gewalt als Widerstand. Stattdessen explodieren die Computergrafiken. Als teures Superhelden-Starvehikel für Dwayne „The Rock“ Johnson funktioniert der Film dabei nur bedingt, denn ein rauflustiger, altägyptischer Bodybuilder mit Aggressionsbewältigungsproblemen ist bei weitem nicht so interessant wie die Drehbuchautoren ihn erdacht haben. So ist „Black Adam" nur eine weitere Spielzeugkiste aus CGI, von der Kinobürokratie erfunden und vom Regisseur mit überschwänglichen B-Movie-Schnörkeln erzählt. Naja.
                        5 mal Achselzucken.

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                        • 5

                          „Er sollte den Täter festnehmen, nicht weich klopfen!“
                          Plattfuß in Korea. Hau den Lukas Ma Dong-seok räumt wieder mal auf, erst in Vietnam (wo alle irgendwie doof sind), dann in Südkorea (wo alle dann mitmachen). Die Story ist egal, hier geht es darum möglichst mit kräftiger Tonspur, kräftigen Brutalitäten, in bester Bud Spencer-Manier, Polizeigewalt lustig zu finden. Der Humor ist so platt, dass er mit den Füßen getreten werden muss, selbst wenn er schon auf dem Boden liegt. Das ist ebenso unsympathisch wie sympathisch, allerdings da der Protagonist selbst nur ein „Comic Relief“ist, gerade noch so erträglich, weil die Action rein haut.
                          5 mal ordentlich die Fresse polieren.

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                            lieber_tee 01.12.2022, 00:29 Geändert 01.12.2022, 01:01

                            „Wir stecken Leute nicht ins Gefängnis. Das Gericht tut es.“
                            Ein weiterer Film, der von den Taten des russischen Serienkillers Andrei Romanovich Chikatilo inspiriert ist (siehe auch „Child 44“ oder „Citizen X“).
                            Im Mittelpunkt steht der Oberstleutnant Issa Davydov und seine Ermittlungen. Die Erzählung verwebt puzzelartig und unchronologisch verschiedene Punkte der jahrzehntelangen Jagd zu einer verschlungenen Geschichte. Regisseur und Mit-Autor Lado Kvataniya erschafft dabei einen faszinierenden Blick auf eine sehr spezifische Periode der russischen Historie. Seine düster-mürrische Herangehensweise erinnert dabei offensichtlich an „Zodiac“ und „Memories of a Murder“, inklusive der Idee der Profilerstellung und dem Spagat zwischen Idealismus und Zynismus langjähriger Polizeiarbeit. In den letzten 30 Minuten kommen dann aber einige Enthüllungen, die weit hergeholt wirken. Da ist das Skript nicht so schlau, wie es denkt. Letztlich vergöttert „Hetzjagd (Kazn)“ zu sehr die kulturellen Ikonen und klassischen Genretexte, kann den Vorbildern aber zu wenig eigenen Spin hinzufügen. Der Film ist von seinen eigenen erzählerischen Tricks mehr beeindruckt als von allem anderen.
                            5,5 mal den Mund mit Dreck vollstopfen.

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                              Hinter den feindlichen Linien ...
                              Obwohl „Shorta“ in Substanz und Form vertraut ist, haben die Regisseure Ølholm und Hviid hier ein knallhartes Regiedebüt abgeliefert. Seine Themen Polizeibrutalität, systemischer Rassismus und soziale Spaltung werden in einen multikulturellen Schmelztiegel verordnet. Der Film explodiert wie die dargestellten Unruhen, trägt voller Stolz die Handschrift von Walter Hill und John Carpenter. Die grob schematische Geschichte ist simpel im Bezug auf die rassistische Empörung, wird aber gut von seinen Hauptdarstellern verankert und ist als treibendes Stück Action-Kino in Szene gesetzt.
                              Ziemliches Brett, der Film.
                              7 bösartige Hunde.

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                                lieber_tee 28.11.2022, 23:25 Geändert 29.11.2022, 00:06

                                Frau gegen Wolf.
                                Paronnauds impressionistischer Comic-Stil verbindet den Schrecken der Vergewaltigungskultur mit einer Grindhouse-Geschichte. Aus der abgedroschenen Rape and Revenge – Prämisse macht er eine verdreht-launische Variation der Rotkäppchen-Fabel, die hier als Allegorie über das frauenfeindlich-mörderische Patriarchat gedacht ist. Die wilde weibliche Natur verharrt dabei allerdings nicht in ihrer vermeintlichen Opferrolle. Die oftmals enthemmt voneinander abweichenden Erzählstile sind gewöhnungsbedürftig und wirklich innovatives oder gar subtiles Gebiet betritt der Film nie. Als frecher, verdammt stylischer Thriller, mit schwarzen Humor funktioniert „Hunted“ aber tadellos.
                                7 Begegnung in einer Bar.

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                                  Ein Killer gerät in eine Gewissenskrise...
                                  „No Tears for the Dead“ ist effektiv, wenn es darum geht, das zu liefern, wofür südkoreanische Action bekannt ist. Der stilisierter Film des Autors und Regisseurs Lee Jeong-beom ist ein verschlungener Liebesbrief an das Heroic Bloodshed Kino vergangener Zeiten, inklusive einer tragischen Geschichte der Erlösung. Die erste Stunde ist uneinheitlich, ein wenig zu melodramatisch, aber einige der Actionszenen in der zweiten Hälfte können es mit The Raid 2 aufnehmen.
                                  7 Schutzengel.

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                                  • 6 .5

                                    Das lächelnde Gesicht des Bösen.
                                    Mit 17 Millionen USD Budgetkosten 214 Millionen USD Einnahmen zu generieren ist beeindruckend. Dieser unfassbare Erfolg kann nicht nur an der cleveren Werbekampagne liegen, scheinbar ist „Smile“ ein Horrorfilm, der abliefert, ohne dass sich das Publikum betrogen fühlt. Auf jeden Fall war er angesagte TikTok-Katzenminze für Jugendliche, um mit Freunden ins Multiplex zu gehen.
                                    „Smile“ verwandelt unser erkennbarstes Zeichen der Freude in einen Albtraum. Parker Finn dehnt seinen 11-minütigen Kurzfilm auf fast 2 Stunden, in dem er seiner verstörenden Grundidee einen Mystery-Plot gibt und mit dem Mittel der unzuverlässigen Erzählerin in die neblige Denkweise seiner Protagonistin eintaucht. Die Themen Trauma, Trauer und Schuld werden dabei viel Aufmerksamkeit geschenkt und in einen altmodischen und erwachsenen Horrorfilm verpackt. Dabei nimmt der Filmemacher das Genre ebenso ernst wie die Psychologie seiner Hauptfigur. Die Schockmomente sitzen passgenau, der Spannungsbogen hat einen langen Atem und das Finale ist schön weird.
                                    „Smile“ ist vielleicht kein großartiger Gruselfilm, aber angenehm fern der üblichen Teenager-Standard-Schreckenspakete, die seit Jahren das Kino verblöden.
                                    6,5 mal gruselig grinsen.

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                                      lieber_tee 26.11.2022, 18:50 Geändert 05.12.2022, 01:08

                                      Wumms aus vergangenen Zeiten.
                                      Hongkong-Kino aus den 80/90ern hat seinen Reiz, weil es Teil der Filmgeschichte ist und sich immer wieder im modernen Actionkino wiederfindet. Damals am Fließband produziert, ist "Tiger Cage 2" ein typischer Vertreter dieser oftmals grenzdebilen Gassenhauern. Neben einem (liebevoll formuliert) vor Albernheit und Primitivität strotzendem Drehbuch darf hier Donnie Yen bereits zeigen wie unfähig sein schauspielerisches Können ist, das er aber bei seinen kämpferischen Moves oberste Sahne bietet. Das verkrampfte Overacting aller Beteiligten wird nur noch vom übelst chauvinistischen Humor getoppt. Der Film ist ein typisches Ergebnis seiner Zeit, er lebt ausschließlich von seinen (mit 21 Bildern pro Sekunde gedrehten) Stunts und Blutbeutel-Explosionen. Die Actionchoreographie ist durchaus gekonnt, es kracht an jeder Ecke, eingebettet in ein fast schon nostalgisch zu verordneten analogen Hongkong.
                                      5 aufgerissene Augen, die Schauspiel bedeuten sollen.

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                                        lieber_tee 23.11.2022, 23:35 Geändert 24.11.2022, 10:16

                                        Wenn Amazonen die heutigen MeToo-Feministinnen sind...
                                        Eine vermeintlich gute Absicht, die männliche Domäne des monumentalen Actionfilms weiblich zu machen, also so was wie einen Braveheart mit Frauen zu drehen, macht noch keinen guten Film.
                                        „The Woman King“ nutzt historische Landes- und Personennamen, will aber keine Biografie oder korrekter Film über das Königreich Dahomey oder die Agojie sein, sondern nutzt dies als Inspiration für einen weiblichen Emanzipationsfilm. So bietet er alternative Geschichtsschreibung, um moralisch die Rolle einiger afrikanischer Völker im Sklavenhandel zu hinterfragen. Leider ist der Film aber nur eine dreist-romantisierte Vortäuschung falscher Tatsachen, denn die Dahomeys waren übelste Sklavenhändler, die auch noch weiter Handel mit Menschen betrieben um wirtschaftliche Vorteile zu erzielen, als dies in Afrika längst verboten war.
                                        Trotz der Andersartigkeit seines gewählten, afrikanischen Schauplatzes und der Aussage, das Frauen auch mächtig sein können, offenbart sich immer wieder die Mittelmäßigkeit der Geschichte mit seinen stereotypen Figuren. Woman King schafft es mitreißende Momente zu generieren, ist hervorragend gespielt, seine Epik ist aber nur schwülstiges Melodrama mit gewöhnlicher Kinematographie. Sein feministischer Subtext bleibt auf der Oberfläche, genauso wie die Abrechnung mit dem Patriarchat, aufgebaut auf eine filmische Lüge.
                                        5 mal singend und tanzend in den Krieg ziehen.

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                                          lieber_tee 22.11.2022, 01:01 Geändert 22.11.2022, 01:07

                                          Serie über Film über Film über Serie.
                                          Diese Ansammlung von Metaschichten ist Katzenminze für Cinephile und eine Selbstmystifizierung von Alicia Vikander. Irma Vep will eine lohnende Erweiterung des filmischen Œuvre des Autors und Regisseurs Olivier Assayas, eine witzige-verspielte Satire auf das Film- und Showgeschäft sein. Die Show hinterfragt ständig die Zukunft von Film und Fernsehen, erzählt über Kunst und Besessenheit. Gefüllt mit ausschweifenden Dialogen dreht sie sich allerdings 8 Folgen lang ständig im Kreis, irgendwo zwischen Seifenoper und Arthouse. Wirklich neue Sichtweisen, die Assayas in seine ähnlichen Werken bereits ausgiebig formuliert hat, gibt es aber nicht. Mal leicht und offen, dann nervig geschwätzig, ist die Serie halb so schlau wie sie sich gibt. Zig Handlungspunkte führen nirgendwohin hin, Irma kannibalisiert sich selbst. Hätte besser, fokussierter sein können, ist trotzdem gut.
                                          6,5 dampfende Koksnasen.

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                                          • 7 .5

                                            Nie wieder ein Airbnb buchen!
                                            „Barbarian“ ist ein kleiner, verdrehter Abstieg in die Hölle. Allein durch seinen Einfallsreichtum sticht er in einem überfüllten Horrormarkt heraus. Hier gibt es mehrere Gruselgeschichten zum Preis von einer, erzählt als narratives Schleudertrauma, dass die Erwartungen des Publikums mit entwaffnender Albernheit torpediert. Offensichtlich als soziale Satire über Geschlechterdynamik mit #MeToo-Untertönen gedacht, schafft der Streifen seine üblichen Genre-Tropen so zu kombinieren, das hier Bekanntes frisch wirkt. Letztlich geht Cregger einen unkonventionellen Weg auf vertrauten Pfaden.
                                            75 bewohnbare Quadratmeter in einer Immobilienanzeige

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                                              lieber_tee 22.11.2022, 00:23 Geändert 22.11.2022, 02:10

                                              Die Frauen von Stepford in Pleasantville.
                                              Es steht außer Frage, dass „Darling“ ein klarer Fall von Style über Substanz ist. Visuell in einer üppigen und lasziven Verpackung gehüllt, erschafft der Film mit seinen farbenfrohen Bildern eine geheimnisvolle Stimmung. Die zweistündige Black Mirror-Folge fesselt zunächst mit seinen beunruhigenden Untertönen in einem vergoldeten Käfig. Wenn sie langsam zu ihren Offenbarungen übergeht, ermüdet sie aber zunehmen in ihren wiederholenden Wiederholungen. Was in den Anspielungen versprochen wird, wird letztlich wenig überraschend halbgar aufgelöst, die Wendungen sind banal. Da wird der Film Opfer seiner eigenen Ambitionen, ein dystopischer Thriller mit feministischen Kommentar über das Ungleichgewicht der Geschlechter in unserer Gesellschaft zu sein. Unter seiner polierten Oberfläche bleibt nur ein eindimensionales Porträt vergiftender Männlichkeit übrig, das nie ganz dort ankommt, wo es hin will. Der Zustand von paranoiden Terrors ist allerdings über weite Strecken spürbar, gerade weil Florence Pughs zweifelsfreie Leistung den Streifen so glaubhaft macht.

                                              Halb so verstörend, wie er sein möchte, ist „Darling“ ein zu lang geratener, smarter Gesellschaftskommentar, verpackt als brauchbarer Popcorn-Film mit einem sehr starken Sinn für Ästhetik.
                                              6,5 leere Eier.

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                                                lieber_tee 20.11.2022, 00:36 Geändert 20.11.2022, 12:10

                                                Eine Übung im Elend.
                                                Edward Bergers Neuinterpretation von Erich Maria Remarques Antikriegsroman ist eine grausige Symphonie aus Schlamm und Blut, wo jugendliche Angst auf schreckliche Schönheit trifft. Technisch ist der Film auf dem neuesten Stand, wenn es darum geht die Nase des Zuschauers in ein realistisch wirkendes Gemetzel zu stecken. Der Regisseur konzentriert sich auf die zermürbende Sinnlosigkeit des Krieges. Er peppt das Grauen mit hohen Produktionswerten auf, fügt einen Horrorfilm-Soundtrack hinzu, verstärkt den Gore, um das Märchen vom heldenhaften Soldaten / Soldatentod zu dekonstruieren. Er beginnt grandios mit einer Sequenz, die die funktionale Kriegsmaschinerie perfekt auf den Punkt bringt. Auch im weiteren Verlauf schafft er es immer wieder das immersive Gefühl von Krieg spürbar zu machen. Allerdings inhaltlich und in der Figurendarstellung ist „Westen“ voller Manierismus und Oberflächlichkeiten.

                                                Der Film heißt „Im Westen nichts Neues“ und ist somit offiziell die dritte Romanadaption. Er muss sich Vergleiche mit dem literarischen Werk und besonders der ersten Verfilmung gefallen lassen. Und da ist er eine nahezu ärgerliche Verstümmlung der Vorlagen. Das Verstörende und Politische der Remarques Vision wird für die Sehgewohnheiten des breiten Publikums radikal verändert und zu einer blutigen Actionversion aufgepimt. Es werden Handlungsstränge neu erfunden, die sich im Drehbuch vielleicht besser lesen als sie im fertigen Film letztlich sind, weil sie den Figuren nur Oberflächlichkeiten bieten. Wesentliche, vertiefende Elemente des Romans werden dafür komplett weggelassen, so das selbst der Titel des Films am Ende keinen Sinn mehr erbringt.

                                                Letztlich generiert der Film nur Betroffenheit durch die Darstellung von brachialer Gewalt. Das macht er durchaus intensiv. Aber außer „Krieg ist Scheiße“ bleibt kaum was übrig. Die Demaskierung des Krieges durch den emotionaler Bezug zu den Figuren, wie sie im Roman und in der ersten Verfilmung erschaffen wird, schafft er nicht, dafür ist er von seinen Blut und Matsch-Ekel-Sckocks zu sehr fasziniert.
                                                6 verdreckte, ausdruckslose Gesichter.

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                                                  lieber_tee 19.11.2022, 01:57 Geändert 19.11.2022, 02:12

                                                  Körperhorror als Kunstgalerie-Installation.
                                                  „Crimes of the Future“ wirkt wie eine erotische Romanverfilmung, geschrieben von Franz Kafka und Philip K. Dick. Kryptisch, obszön, thesenhaft und geschwätzig ist Cronenbergs lang erwarteter Film ein futuristisches Retro-Stück. Der Meister greift dabei seine vertrauten Themen auf: Die Fixierungen auf Schmerz / Orgasmus und die transgressive Körperpolitik in einer weiterentwickelten Gesellschaft. So erfreulich es auch ist, das er zu den Obsessionen seiner früheren Werke zurückkehrt, das kreative Konzept und einige interessante Ideen bleiben nur Fußnoten zum Hauptteil von Cronenbergs Werk. Ähnlich wie der High-Art-Ekel seines Sohnes, ist die unterkühlte Künstlichkeit und Langatmigkeit gewöhnungsbedürftig. „Crimes“ lebt mehr von seinen abstrakten, fiebrigen Bildern und Stimmungen, weniger von seinen ansatzweise empathisch herausgearbeiteten Figuren. Dadurch geht die emotionale Wirkung der Themen und Ideen verloren, das Ganze ist eher faszinierend-rätselhaft als erhellend.
                                                  6,5 fleischliche Freuden.

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                                                    über Blond

                                                    Todesmarsch in Zeitlupe.
                                                    „Blonde“ ist Arthouse-Exploitation. Andrew Dominiks nekrotisches Biopic ist die grausame Chronik einer Viktimisierung, ein Strudel aus Emotionen und Effekten. Lust- und qualvoll stellt der Regisseur das ambivalente Verhältnis zwischen der privat leidenden Norma Jeane und dem makellosen Pinup-Mythos von Marilyn Monroe aus, um zu sagen, das beides sich gegenseitig bedingt hat. Fast drei Stunden bläht der Film die Entmenschlichung einer Kunstfigur auf, als ausbeuterische Anklage gegen Ruhm, toxischen Männern und den amerikanischen Hollywood-Traum. Die popkulturellen Highlights werden akribisch nachgebildet, praktisch jede Szene arbeitet dabei auf das gleiche Ziel hin, das erbärmliches Elend seiner Protagonistin zu zelebrieren. Zwischen tiefem Schwarz-Weiß und poppigem Technicolor werden visuell verspielt die Formate gewechselt. Dieser langer Weg in die Traurigkeit und Selbstzerstörung will ein edles Film-Experiment über den Wahnsinn des Ruhms sein. Seine irre Faszination eine Frau dabei leiden zu lassen wirkt allerdings extrem vulgär.
                                                    6 Aufnahmen von schwebenden Föten.

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