mikkean - Kommentare
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Alle Kommentare von mikkean
Och, Mikkean. Du alter Stänker-Fritze. Kannst du immer nur Meckern? Sag mal, hast was gegen Julien Maury und Alexandre Bustillo?
Blödsinn. Um auch mal etwas positives zu schreiben, will ich endlich aller guten Dinge sind drei spielen. Ich werde mich begeistert äußern und das über "Inside"!
Es gibt wohl nur wenige Filme, die es wirklich schaffen, die Zuschauer wie Zensur-Behörden gleichermaßen an die Schmerzgrenze zu bringen. Ob diese nun eher aus verweichlichten Gelegenheits-Horror-Betrachtern bestehen oder aus gestandenen Freaks mit gestählten Pupillen. Ja, "Inside" hat es damals geschafft.
Manche schrien laut "Wahnsinn" oder "Ekel", nachdem sie sich erst mal übergeben hatten. Andere wetzten sofort mit den Scheren und ließen den Film spirchwörtlich ausbluten, bis ihm fürs "deutsche" Publikum eine halbwegs erträgliche Fassung abgerungen werden konnte.
Was daran nun so anstößig, abartig und tief ins Unbehagens-Zentrum des Verstandes zielt? "Inside" ist nichts weniger als der Überlebenskampf einer hochschwangeren Frau, die in den eigenen vier Wänden von einer erbarmungslosen Psychopathin heimgesucht wird.
Oh Mann. Das ist ... anders. Es ist, es klingt schon hart. Das dann aber erst zu sehen, könnte durchaus neue Eindrücke und Futter für die persönliche Definition von Worten wie knallhart und blutrünstig liefern.
Was "Inside" dabei von den beiden Nachfolge-Werken von Maury und Bustillo spürbar abhebt, ist das Fehlen jeglicher Verträumtheit. An "Inside" gibt es kaum etwas, das irgendwie doppeldeutig und realitätsfern wirkt. Klar spielt dieser Film in einer imaginären Blase, einem eigenen Parallel-Universum, das dem unserem nur ähneln muss. Doch die Gangart dieses Films ist nahezu erbarmungslos zügig.
Bustillo und Maury geben einen kurzen und klaren Vorlauf. Lassen uns erkennen, wie beschissen und schmerzerfüllt die Lebenslage der werdenden Mutter Sarah ist. Aber dann, nach kurzer Zeit, taucht die mysteriöse Frau auf und es geht ab.
Und wie es abgeht. Cops tauchen auf und doch werden sie gemeuchelt. Es fließt wirklich einiges an Blut. Während nahezu in jeder Minute der blanke Horror erdrückend spürbar wird, der nun auf Sarah lastet. So kurz vor der Entbindung. Diese Pein, das Baby im Bauch.
Es kommt wahrlich nicht oft vor, dass ich behaupten kann, wenigstens für kurze Zeit (oder für Augenblicke) ein unangenehmes Ziehen in meinen Organen verspürt zu haben. "Inside" hat dies geschafft. Nur kurz und doch war es da, dieses Gefühl. Nicht bloß als Ahnung. Ich hoffte wirklich, dass Sarah dieses Psycho-Biest überlebt und dass ihrem Baby nichts geschieht.
An "Inside" gibt es zudem nicht viel zu rütteln. Der Film ist ein perfide, optisch abermals gut und dicht durchdachtes Kammerspiel. Mit kurzer, angemessener Laufzeit, wenigen Verschnaufpausen und eigentlich bleibt während des ganzen Rummels gar keine Zeit, um über Sinn und Unsinn nachzudenken. Dafür steht hier wirklich einmal der blanke Horror im Vordergrund.
Wie Julien Maury und Alexandre Bustillo schon mal selbst sagten: "Inside" ist nur ein kleiner, billiger Film von Fans des Genres. Aber es ist ein gemeiner wie bisweilen verstörender Streifen, der einigermaßen tief zielt und mit einem sehr fiesen Ende aufwartet. Nichts für Muschis, aber selbst für Freaks auch nicht gerade leicht verdaulich. Es sei denn, du hast den Clown, den du gefrühstückt hast, selber erlegt, gehäutet und zerteilt.
Okay, liebe Kinder. Habt ihr Bock auf franzözisches Terror-Kino? Wollt ihr euch ergötzen an Camembert-Horror?
Seid ihr Manns und Frau genug, um nicht vor dem Resultat zurückzuschrecken?
Dann willkommen zu "Among The Living", dem letzten Werk des Gespanns Alexandre Bustillo und Julien Maury. Nach dem puren Schwangerschafts-Horror von "Inside" und leidenden Ballerinen in "Livid", lassen Bustillo und Maury nun das Grauen ins Idyll der Kindheit platzen.
Ein Bestes-Freunde-Gespann seilt sich am letzten Schultag ab. Die Jungs haben kein Bock auf das widerwärtige alte Lehrer-Ungetüm und erst recht schenken sie sich das Nachsitzen. Der Trip soll ein amüsanter Streifzug durch die gemeinsame Spielwiese werden. Die Wälder und Orte, in denen sich unsere drei Knall-Erbsen nicht immer lustige Lausbuben-Streiche ausgedacht haben.
Anders als gedacht, endet der Spaß auf dem Gelände des verwaisten Blackwood-Filmstudios. Im Schatten eines großen Piraten-Schiffes und einer Western-Kulissen beobachten unsere Buben, wie eine entführte Frau von einer maskierten Horror-Gestalt verschleppt wird.
Sie entkommen dem Ungetüm, aber weder Polizei noch ihre Eltern wollen den Beschreibungen Glauben schenken. Na ja, das Leben geht weiter. Scheinbar. Aber das Monster ist längst auf den Weg zu ihnen.
Wow, so gesehen, klingt "Among The Living" gar nicht schlecht. Zumindest besitzt das Szenario ordentlich Potenzial für einen Schocker aus Kinder-Perspektive. Selbst wenn unsere Protagonisten schon mit einem Bein im Teenie-Alter stehen und deshalb nicht mehr die jüngsten sind. Egal, gut könnte es dennoch werden.
Wenn die Jungs nur nicht so unausstehliche Kackbratzen wären. Zumindest kommt zu keiner Minute besonders viel Sympathie für die drei Freunde auf. Daran ändern Alexandre Bustillo und Julien Maury auch nichts mit ihren minimalen Einblicken in die jeweiligen Elternhäuser und sehr unterschiedlichen sozialen Herkünfte.
So ziemlich alles an "Among The Living" könnte mit diesem netten Wörtchen minimal beschrieben werden. Die Spannung, die unterschiedlichen Atmosphären und Vibes in den wechselnden Handlungsorten. Ja, leider auch der Horror selbst ist abermals Ansichtssache. Und könnte schlimmstenfalls als sehr abwesend empfunden werden.
Vor allem den Begriffen Kohärenz und Logik verweigern sich Alexandre Bustillo und Julien Maury mit wahrscheinlich diebischer Freude. "Among The Living" ist formal betrachtet eine runde Sache. Kids treffen auf Monster, rennen weg, aber das Monster folgt ihnen jeweils nach Hause.
Im Film selbst geht schon dies mit einer offenkundig klaffenden Lücke einher. Wie bitte hat das Monster ihre Namen und Adressen herausgefunden? Ein Spoiler muss hier leider fallen gelassen werden, aber von einem Suchzettel auf die Anschriften und Identität aller Jungen zu schließen, WTF? Oder ist das äußerst unansehnliche Vieh mal schnell ins Internet-Cafe oder ins Einwohner-Meldeamt gegangen?
Pah, Doppel-Pah. Doch es bleibt nicht dabei. "Among The Living" ist scheinbar ein Film, der es liebt, seine Figuren und den Zuschauer gleichsam zu schikanieren. Wie sonst ließe sich erklären, das die schauerlichsten Momente des Films gleichzeitig oft die schwächsten sind?
Ob das Wesen nun im Haushalt den Lebenspartner angreift und das kleine Baby entführt oder ob es in der Tankstelle den Arschloch-Vater angreift und selbst einem Revolver standhält. Irgendwie alles geschenkt. Wie schon bei "Livid" geben sich Bustillou und Maury zu sehr dem Künstler-Drang hin. Sie bauen relativ einladende Augenblicke zu gekünstelten Sequenzen auf, in denen neben dem Monster auch das kopflose Verhalten der Opfer keinen Sinn ergibt.
Deswegen passiert in "Among The Living" so viel wie auch wirklich nichts Aufregendes. Als Horrorfilm schreit hier sehr wenig nach Terror und schlaflosen Nächten. Selbst wenn einzelne Motive wie aus "The Texas Chainsaw Massacre" anklopfen.
Der hünenhafte Riese als Sohn eines gestörten Ex-Soldaten bietet eine ausbaubare Fläche für Interpretationen. Wird aber nach einem äußerst starken Prolog nur noch verschenkt.
Künstlerisch kann das sein. Sicher. Dafür bieten die Macher am Ende auch ein halbwegs verständliches Bild, bei dem die Wesenszüge der gefallenen Kameraden auf den verbliebenden Lausbub übergehen. Aber selbst das wirkt so flach wie ohnehin unwürdig, um mit einem Anflug von Symbolik einen ganzen Film zu retten.
Sorry, "Among The Living" ist wahrhaft nicht die beste Kopfgeburt seiner Macher. Bustillo und Maury verschenken dafür einfach zu viel. Sie zaubern ein paar äußerst stimmungsvolle Bilder, aber ihnen gelingt es dieses Mal einfach nicht, nackte Angst zu verbreiten. Das bisschen "Stand By Me" ist eindrucksvoll fotografiert, die Todes-Kämpfe ebenso stark erdacht.
Aber dann wieder vergeht es alles viel zu schnell. Geschieht nichts Grauenerregendes im Bildausschnitt und wenn, dann fragen wir uns wieder Dinge wie "Warum bringt die Mutter den Hurensohn nicht einfach um?". Wer es durchgestanden hat, wird wohl wissen, was ich meine.
"Among The Living" ist per se kein schlechter Traum. Doch für einen wirklich eindrucksollen Horror-Streifen fehlt es an zu vielen Ecken. Gerade nach dem wirklich treibenden Startschuss geht viel zu schnell der zwingende Drive verloren und lässt auch das Treiben des Monsters einiges an Albtraumhaftigkeit vermissen.
Deswegen ist "Among The Living" einer dieser Filme, bei denen die Frage "Ist das Kunst oder kann das weg?" nicht immer mit dem gewünschten Ja beantwortet werden dürfte. Was deshalb schade ist, weil dieser Horror wirklich cool aussieht. Und doch ziemlich leblos wirkt.
Wir sind am Ende des Weges angelangt. Der im Titel beschworene Durchhänger ergreift Besitz von unseren Köpfen, unseren Herzen und Lungen. Das schallende Gelächter unbescholten prolliger Abende gehört der Vergangenheit an.
Der Spaß am Depp-Sein ist nur noch eine schemenhafte Erinnerung. Nichts mehr mit glitzernden und exotischen Schauplätzen, in denen sich drei verkaterte Idioten wie Godzilla mit Brumm-Schädel aufspielen dürfen. Am Ende führen alle Wege hierher – an den Punkt des toten Witzes. An diese staubige Weg-Gabelung namens "The Hangover Part III".
Und das war dann vielleicht zu viel des Guten. "The Hangover" ist eben nicht "The Godfather Part III". Chaoten-Dirigent Todd Phillips weiß das natürlich und gönnt seinem Wolfpack wenigstens eine finale Ehrenrunde, die sich von den beiden ersten Eskapaden abhebt. So glorreich das Rezept der ersten Nummern auch war, einen weiteren Aufguss hätte ich wohl nicht verkraftet.
Aber bei "Hangover 3" ist einiges anders. Einen Kater gibt es, aber resultiert nicht aus feuchtfröhlich verrückten Junggesellen-Abschieden und Männer-Runden. Nee, zur Abschluss-Runde holt unser Wolfsrudel die Scheiße voll ein. Und zwar in Gestalt von Gangster-Boss-Darsteller John Goodman. Dem dürstet es nach Satisfaktion. Am besten ausgedrückt im abgerissenen Kopf von Psycho-Asiat Lesie Chow.
So wird "The Hangover - Part III" für Bradley Cooper, Ed Helms und Zach Galifianakis zu einer Art "Mission: Impossible" für Voll-Honks, dem Spiel "Dumme Mäuse jagen der Grinse-Katze mit den verkohlten Synapsen hinterher".
Und dieses Spiel ist zeitweise ganz witzig. Vor allem dann, wenn Phillips seiner Geheim-Waffe Ken Jeong genügend Spielraum überlässt. Nichts gegen Bradley Copper und Ed Helms, aber neben Zach Galifianakis war Jeong einfach schon immer der absolute Gag-Garant der Reihe. Ob es nun Mini-Schwänze ging, Drogen, oder wie hier um Karaoke geht, Ken Jeong versteht es, dermaßen aufzudrehen, dass mir die Spucke kurzzeitig wegbleibt.
Das führt bei "Hangover 3" auch zur wohl abgedrehtesten Cover-Version der NIN-/Johnny Cash-Gefühlode "Hurt", bleibt aber heften. Dafür ist der restliche Film nicht mehr ganz so schrullig und ohne immer neue Erinnerungs-Stücke einer Amok-Party-Nacht, verbleibt "Hangover 3" irgendwie stets in einem Humor-Frühstadium.
Nicht alle Gags zünden und sowieso versuchten sich die Macher an Zurückhaltung und Eigenständigkeit. Genützt und geschaftet hat es "The Hangover - Part III" gleichermaßen. Der Film verläuft abermals vorhersehbar, wirklich große Lach-Anfälle und Fremdschäm-Attacken bleiben aus.
Mein Gesicht schwillt nicht mehr voller Schamesröte an, während ich kurzzeitig nicht auf die Reihe kriege, ob ich lachen oder weinen soll. Ja, dieses Gefühl lässt das letzte Abenteuer des Wolfpack wahrhaft vermissen.
Doch es geht auch in Ordnung. Denn immerhin geben sich Jeong und Galifianakis abermals alle Mühe, am Verstand und der Zurechnungs-Fähigkeit ihrer Figuren zweifeln zu lassen. Ob "The Hangover - Part III" nun glorios oder lahmarschig ausgefallen ist. Eine letzte Runde geht voll in Ordnung. Der Versuch der anderen Marschrichtung ist ein Lob wert. Und nun genießt den Ruhestand.
Wer den Namen eines erfolgreichen Franchise hütet, aber schon sämtliche Aspekte seiner Geschichten auserzählt hat, der kann sich immer noch auf den Ratgeber "101 Wege Aus Der Kreativ-Sackgasse" berufen.
Denn darin könnte unter anderem als goldene Regel stehen: Vor jedem Sequel kommt das Prequel. Machen wir also einen großen Schritt zurück. Bringen wir neue Gesichter ins Spiel, ohne die alten zu vernachlässigen. Aber vor allem, wenn dein Film in diesem Fall "Insidious: Chapter 3" heißen sollte, gib keines der Markenzeichen auf, mit denen dein Franchise bisher so gut beim Publikum ankam.
"Insidious: Chapter 3". Schon darüber nachzudenken hat mich ehrlich gesagt etwas ermüdet. Bis jetzt. Immerhin hatten James Wan und sein Partner In Crime, Leigh Whannell mit zwei Filmen alles zum Thema Geister-Spuk gesagt. Nun ja, "The Conjuring" nehme ich mal aus der Gleichung raus.
Da hätten wir dann zwei zusammenhängende Streifen rund um die heimgesuchte Familie Lambert, das Medium und Parapsychologin Elise und deren eigenwillige Helfer. Gönnen wir den Lamberts doch etwas wohlverdiente Ruhe. Dachte sich auch Leigh Whannell. Dessen Buddy Wan ließ inzwischen bei "Fast & Furious 7" die Motoren heulen, weswegen sich Whannell einfach solo auf Spuren-Suche in der Vergangenheit begab.
Wie schon erwähnt, wollte ich bei "Insidious: Chapter 3" mein Hirn runterfahren. Zu langweilig, selbst bei der Erwähnung des Prequel-Ansatzes. Hatten wir auch schon oft genug. Welche neuen Erkenntnisse sollten ein weiterer Einsatz von Lin Shaye als Geister-Flüsterin Elise Reiner denn bringen?
Womit schon bei der offensichtlichsten Schwäche von "Insidious: Chapter 3" wären. Es gibt nämlich keinen formalen Zugewinn. Inhaltliche Konstanten sind die Welt der Lebenden und die der Toten. Und natürlich wir Lebenden, von denen böse Seelen etwas wollen. Punkt.
Aber bleiben wir mal beim Grund für diese frühere Begegnung des Mediums Elise mit der Geister-Welt. Teenagerin Quinn kommt nicht über den Tod ihrer Mutter hinweg. Das Mädchen ist fest entschlossen, einen Weg zu finden, ein letztes Mal mit ihr reden zu können. Elise lässt sich überzeugen und startet eine Kontakt-Aufnahme mit der anderen Seite. Mächtig großer Fehler.
Denn natürlich ist es nicht die liebe Mami, die sich da meldet. Jemand ganz anderes hat die Fährte aufgenommen. Was Quinn nicht sofort ins Grab bringt, dafür aber ins Krankenhaus verfrachtet. Eine unheimliche Präsenz macht sich im Leben des Mädchens breit. Und verfolgt sie nach einem Unfall bis nach Hause, wo Quinn nach einem Unfall mit gebrochenen Beinen liegt.
Es gibt bei "Insidious: Chapter 3" also einen Hauch von "Das Fenster Zum Hof". Mit dem Dreh, dass weder der überarbeitete Dad, noch der kleine nervende Bruder, Quinns Beteuerungen anfangs Glauben schenken. Wie blöd, dass der Boogeyman in diesem Fall selbst Telefon und Internet nach Belieben kontrolliert. Oder mal das Licht ausdreht.
Größte Frage hierbei ist natürlich, was der finstere Gesell denn nun mit Quinn vorhat. Will er sie nur quälen, aus dem Grab ins Grab treiben oder wird es am Ende wieder so eine Body-Snatcher-Kiste?
Regie-Debütant, Autor und natürlich erneuter Neben-Darsteller Leigh Whannell hat sein Fach in dieser Hinsicht hervorragend verstanden. "Insidious: Chapter 3" legt seine Karten nicht nach kürzester Zeit auf den Tisch und lässt die gesamte Magie somit verpuffen. Quatsch, "Insidious: Chapter 3" macht tatsächlich das beste aus seiner Mixtur aus Vorgeschichte-Funktion und bekannten Scare-Tactics-Warenzeichen.
Wie bei jedem Horror-Grusler besteht die größte Herausforderung darin, aus dem Setup, der Kulisse und allen audio-visuellen Bausteinen effektive Schock-Momente zusammen zu basteln. Und siehe da, Whannell gelingt dies. Mal mehr recht überraschend, dann wieder wenigstens unter Einsatz markerschütternder Musik und hässlichen Gestalten vor der Kamera.
Dabei hat der Horror etwas weniger Hand und Fuß, als noch bei den Vorgängern. Zumindest belässt es Leigh Whannell mit gröberen Umrissen, wenn er dem Bösen ein Gesicht verleihen soll. Fies sieht der Bastard ja aus, seine Background-Story hingegen ist nebulöser ausgefallen.
Aber sei's drum. "Insidious: Chapter 3" ist ja hauptsächlich mit einer Zielsetzung entstanden: Dem Kanon der tapferen Elise und ihrer zwei Nerd-Recken ein weiteres Abenteuer hinzuzufügen. Und diese Möglichkeit kostet der Film vollends aus.
Was ihn für mich so besonders macht? Wahrscheinlich nicht viel. Aber was er bietet, macht er richtig. Whannell versteht sich darauf, einen für die Situation von Quinn zu interessieren. Das Mysterium um ihren, ich nenne es mal Stalker, schlägt sich in mindestens zwei, drei äußerst bemerkenswerten Horror-Momenten nieder. Und das sage ich als halbwegs erfahrener Horror-Fan, der nicht gleich bei gruseliger Musik und unterbelichteten Räumen aus dem Sessel hochspringt.
Generell muss ich einfach gestehen, dass "Insidious: Chapter 3" für mich den meisten "Paranormal Activity"-Nachklapps etwas voraus hat. Die Wege der alten Charaktere überraschen mich dabei weniger. Das verläuft routiniert. Aber mit Quinn und ihrer angeschlagenen kleinen Familie dreht sich alles wenigstens um Charaktere, deren Leiden ernster genommen wird, als bei so manchem anderen Sequel/Prequel.
Die emotionale Note von "Insidious: Chapter 3" ist die grundlegende Stärke dieses Films, der natürlich nicht nötig gewesen wäre. Und der neben unvorhersehbaren Schocks, wie seine Vorgänger funktioniert. Na und. Wenigstens hält das FInale einen Dreh bereit, wie wir ihn nicht alle Tage im Genre erleben. Mir fällt da spontan "Freitag Der 13. Teil 7 - Jason Im Blutrausch" ein. Der hatte eine ähnliche Wendung, ganz zum Schluss. Aber irgendwie ganz sinnvoll. Wie auch bei hier.
Und sollte die gute Elise von nun an auch endlich mal Urlaub machen dürfen, ich bin auch ganz dankbar dafür, dass "Insidious: Chapter 3" so ausgefallen ist wie er ist. Nicht revolutionär, nicht mehr die stärkste Frischzellenkur. Doch wenigstens ein ordentlicher Horror-Genuss, der nicht eins zu eins bei seinen großen Brüdern klaut.
Anspruchslos. Eindimensional. Verkrampft und uncharismatisch.
Na und?
Hätten wir uns von der Paarung Sylvester Stallone und Walter Hill jetzt wahrhaftig Shakespeare erhofft? Wohl eher nicht. "Bullet To The Head" a.k.a. "Shootout - Keine Gnade" ist straighter Old-School-Actioner.
Die Handlung ist minimal. Hat irgendwas mit Gangstern, Killern und Immobilien zu tun. Spielt in New Orleans und funktioniert im Wesentlichen wie ein Buddy-Movie. Sly, der knuffige alte Haudegen und "Auftrags-Arbeiter" schmiedet eine Allianz mit dem neugierigen Touri-Cop Sung Kang, der keine Ahnung von den Machenschaften der Polizei hat.
Der Rest ist draufhauen, abknallen und ab und zu einen guten Spruch reißen. Wobei die Qualität der Dialog-Zeilen natürlich zur Debatte steht. Aber um große Kunst ging es Walter Hill ja weniger. Der Mann hinter Krachern wie "Nur 48 Stunden" oder "Last Man Standing" liefert ein moderates Update eben jener ab. Nicht mehr, nicht weniger.
So wie "Shootout" nun mal ist, hätte er problemlos gleich nach "Lock-Up" oder "Stop! Oder Meine Mami Schießt" gedreht werden können. Die Zutaten sind entweder zeitlos oder entsprechend gealtert. Die Abwechslung vom Alltag bringt der Film jedenfalls mühelos fertig. Und er fährt mit Jason Momoa einen respektablen Endgegner/Ein-Mann-Killer-Armee auf. Also Klappe zu und Augen auf.
"Keine Angst mein Sohn. Ich hol dich da schon raus. Ich geh nur mal schnell beim Drogen-Kartell anheuern!"
"Nach wahren Begebenheiten ..." So steht es im Vorspann. Und ich dachte schon, jeder Film mit Dwayne Johnson sei ein Doku-Drama. Aber Spaß nicht ganz beiseite.
"Snitch" liest sich wie ein verdammt guter Stoff. Sohn landet als kleinste Nummer im Amateur-Drogen-Schmuggel hinter Gittern. Daddy ist fest entschlossen, die volle Härte des Gesetzes abzumildern, in dem er sich persönlich als Köder für ein großes Geschäft anbietet.
Ganz sicher, wenn sich jene "wahren Begebenheiten" auch nur halbwegs ähnlich zugetragen haben sollten, reden wir von einer echt ungewöhnlichen Geschichte. Der Film dazu ist aber einer der langweiligsten Streifen, für die sich Johnson hergegeben hat.
Zu unentschlossen hangelt sich die Story von Drama zum Undercover-Krimi und tackert natürlich noch schnell ein echtes Action-Finale an. Kurz, aber doch die überzeugendsten Momente von "Snitch". Denn davor fällt es schon schwer, überhaupt für die Absichten des Helden echtes Interesse zu verspüren. Es dauert halt zu lange, bis Johnson den ersten Kontakt zur Unterwelt aufbaut. Und es ist zudem unbeschreiblich naiv gedacht, dass da ein Mitarbeiter und Ex-Sträfling gleich zur Gang mit den besten Connections führt.
Selbst mit guten wie passenden Mimen (Susan Sarandon, Michael K. Williams oder Benjamin Bratt) besetzt, entwickelt "Snitch" weder moralischen wie unterhaltsamen Drive. Es gibt mal etwas kritische Anklänge am US-Justiz-System, mal gibt es aufs Maul. Aber dennoch bleibt der Film eine Spur zu öde. Schade, denn mit etwas anderem Drehbuch wäre ein guter Thriller über Drogen-Geschäfte drin gewesen.
Der Titel "Kino-Wunder des Jahres" muss 2015 wohl an "Ich Seh, Ich Seh" verliehen werden. Einem kleinen österreichischen Film, von dem anfangs nur die wenigsten Notiz nahmen. Und dann plötzlich erlebt diese "Rand-Notiz" eine ungeahnte Wieder-geburt als Everybody'a Darling.
International wohlgemerkt. Aus "Ich Seh, Ich Seh" ist "Goodnight Mommy" geworden und für nicht wenige Fans und Kritiker gilt dieser kleine Horrorfilm als der "beste", "verstörendste" und "unheimlichste" Vertreter, den dieses Genre seit Langem hervorgebracht hat.
Und ja, es ist eine ganz und gar unbehagliche Vorstellung, die "Ich Seh, Ich Seh" zugrunde liegt. Mami, die liebste Mami ist hinfort. Die Zwillinge Elias und Lukas sehen sich mit einer Frau konfrontiert, die jene liebevolle Warmherzigkeit vermissen lässt, die ihre Mutter auszeichnet.
Nein, diese "Mutter" kehrt mit einem bandagierten Gesicht heim ins schicke und abgelegene Haus der kleinen Familie. Sie verbietet ihren Söhnen lautes Herumtoben und Spielen. Sie verbannt das Tageslicht per Rollos aus und verbringt die meiste Zeit im Schlafzimmer. Am schlimmsten jedoch wiegt die Gefühlskälte, die jene Frau ihren vermeintlichen Söhnen entgegenbringt. Die Art, mit der sie immer wieder einen der beiden aus Gesprächen aussperrt und völlig missachtet.
Unmöglich, dass dieses Mumien-Gesicht wirklich die Mutter von Lukas und Elias ist. Es ist eine wahre Horror-Vorstellung, die sich schließlich in den Köpfen der Jungs manifestiert und sie dazu bringt, mit allen Mitteln die Wahrheit über den Verbleib ihrer geliebten Mama zu erfahren.
Aber halt, ich habe schon zu viel verraten. Womöglich zu viele Clous angedeutet. Doch ein Film wie "Ich Seh, Ich Seh" macht es einem nicht gerade leicht. Schließlich ist die Erzählweise nicht bloß eigenwillig. Was auch immer ihr über ihn hört und lest – er sei furztrocken, plätschert oder dümpelt vor sich hin – es stimmt. Nun ja, irgendwie. Und doch könnte nichts der Wahrheit fernerliegen.
"Ich Seh, Ich Seh" ist eine sehr spezielle Angelegenheit. Dieser Film lässt nicht nur sehr viel Zeit. Dem Regie- und Autoren-Duo Veronika Franz und Severin Fiala ist es hoch anzurechnen, dass sie ihre Vision beinahe schmerzhaft pedantisch verfolgen und eben dieser konsequent treu bleiben. Keine unangemessenen Einschübe, kein übereiltes Pushen des Tempos. Und erst recht kein Kniefall vorm institutionalisierten
Genre-Regelwerk.
Selbst mit langer Denkpause fällt mir kein wirklich ebenbürtiger Film zu "Ich Seh, Ich Seh" ein. Ein ähnlicher Horrorfilm, der seinem Publikum die Sichtweise und die noch wichtigere Gefühlsebene seiner Protagonisten aufdrückt. Ich sehe hierbei nicht großzügig oder verblendet über andere gefeierte Schmankerln wie "It Follows" hinweg. Nein, was ich meine ist eine sehr simple Feststellung: "Ich Seh, Ich Seh" funktioniert weniger als Horror-Streifen mit und über Kinder. DIes ist ein Film aus Kinder-Sicht.
Es ist wirklich noch nicht oft gelungen, in irgendeinem Genre die Welt aus Sicht von Minderjährigen und Heranwachsenden derart dicht wie beiläufig zu schildern. Was bedeutet, dass wir Lukas und Elias minutenlang beim Spielen beobachten dürfen. Mit ansehen, wie sie den angrenzenden Wald mitsamt seiner gruseligen Überraschungen erkunden.
Im Gegenzug vermittelt "Ich Seh, Ich Seh" mit einfachsten wie eindrucksvollen Mitteln die Atmosphäre in einem mondän eingerichteten Kerker. Und wie die beiden Jungs sich nach und nach diese bandagierte Gestalt immer mehr als Doppelgängerin und sogar Monster-Gestalt sehen.
Gleichzeitig erlaubt sich der Film auch den miesen wie effizienten Kniff, die Welt da draußen außen vor zu lassen. Nur sehr, sehr selten erhalten "Außenstehende" Einlass. Womit Franz und Fiala wiederum eindrucksvoll unterstreichen, wie die Kinder von Erwachsenen weder Ernst genommen noch richtig wahrgenommen werden.
Aber diese Analyse geht ein Stück zu weit. Und lässt uns nicht ohne Umweg zum wichtigsten und stärksten Dreh von "Ich Seh, Ich Seh" kommen. Denn für mich geht es nicht ausschließlich um die Idee, wie wir Erwachsenen verängstigten Kindern keine Beachtung schenken. Oder wie schrecklich es sein muss und ist, als Kind in einem furchterregenden Albtraum gefangen zu sein.
Seine wahre Natur zeigt der Film erst ganz zum Schluss. Und das ist fies, sehr fies. Denn immerhin muss ich jeden potenziellen Zuschauer warnen. Ich darf nicht Spoilern und will es auch nicht. Aber es geschieht doch:
Nach einem "Ausflug" in Folter-Gefilde offenbart "Ich Seh, Ich Seh" sich als eine schmerzhafte und niederschmetternde Abhandlung über unüberwindbare Verlust-Ängste und nicht bewältigter Trauer. Ich muss mir schon wieder auf die Zunge beißen.
Immerhin kann ich damit für mich eine Teil-Antwort auf die zwingenden Fragen bieten. Ob "Ich Seh, Ich Seh" überhaupt ein Horrorfilm ist oder nur langweiliger Psycho-Quark? Ja, er ist so sehr Horror, wie er sich gleichermaßen sämtlichen Spielregeln entzieht. Es braucht kein unnötiges Blut-Vergießen um uns zu schockieren. Schon klar. Klar, wie auch stets verblüffend, wie ein Horrorfilm einfach so auf kinder-fressende Monster-Clowns, üble Schatten-Kreaturen und Monster unterm Bett verzichten kann. Ja, einfach so. Weil es doch nichts Schlimmeres geben kann, als die Vorstellung, dass alles Böse in Gestalt unserer Liebsten lauert.
Um die Qualität dieses auch sehr eigenartigen Films erfassen zu können, empfiehlt sich allein das aufnahmebereite Ansehen. Unbefangenheit ist natürlich unmöglich. Dafür spaltet "Ich Seh, Ich Seh" sein Publikum und provoziert geradezu ausschweifende Verrisse bis gedämpfte Kritiken. Sei's drum. Es gibt auch Lobes-Hymnen wie diese, die daran erinnern wollen, dass Horror im eigentlichen Sinne auf psychologische Wirkung abzielt. Auf das Schüren tiefster Verunsicherung und ein konstantes Unbehagen, dass etwas nicht stimmt.
So betrachtet ist "Ich Seh, Ich Seh" ein verdammt guter Horrorfilm. Definitiv anders erzählt, langatmig und lang gezogen? Vielleicht das auch. Aber funktioniert er, selbst wenn er die Stimmung in diesem Haus ohne Holzhammer und Spukhaus-Ambiente bedrohlich und subtil düster einfängt? Ja und jetzt geht raus und guckt.
Ron Woodroof hält sich für einen typischen Texaner. Er arbeitet als Elektriker und reitet Rodeo. Hält nichts von Schwuchteln und lässt es sich auch gleich von mehreren Damen besorgen. Aber Ron sieht auch schon gleich zu Beginn von "Dallas Buyers Club" aus wie der Tod auf Latschen.
Abgemagert und kränklich wankt Ron durch seine kümmerliche Existenz. Dies ändert sich, als Ron umkippt und ihm die Ärzte eröffnen, dass er wie einer jener "Anal-Ritter" an AIDS leidet. 30 Tage bleiben ihm angeblich noch. Alles Leugnen hilft nichts.
Ron scheint dem Tode geweiht. Doch er will nicht aufgeben. Ron Woodroof, das unliebsame homophobe Arschloch, findet tatsächlich eine Möglichkeit, mit der sich die Folgen jener unheilvollen Diagnose medizinisch behandeln lassen.
Geld allein ist jedoch nicht das Problem. Es sind vor allem die Drogen- und Medizin-Gesetze der Vereinigten Staaten und der Einfluss der Pharma-Industrie, die eine wirksame Behandlung verhindern. Im titelgebenden "Dallas Buyers Club" organisiert Ron daher die illegale Einfuhr alternativer Medikamente und Wirkstoffe.
Eine Tätigkeit, die aus Ron nicht nur widerwillig einen anderen Menschen machen wird. Ron Woodroof – also der Echte – wird auch zu einem Kämpfer für eine Änderung der Gesetze und die schnellere Anerkennung von Medizin, die nicht von Konzern-Riesen verteilt wird.
Ja, "Dallas Buyers Club" erzählt eine ziemlich unglaubliche Geschichte. Eine Story von einem dramatischen Wendepunkt, eine langsame Läuterung und das beinahe heldenhafte Streiten eines Mannes, der vorher ein unausstehliches Schwein zu sein scheint.
Alles Klagen und Mäkeln nützt da nichts. "Dallas Buyers Club" verdient alles Lob und selbst Matthew McConaughey und Jared Leto untermauern mit ihrem jeweiligen Oscar-Gewinn nur die Bedeutung dieses Stoffes. Ich würde diese Sichtweise jedenfalls dringend empfehlen.
Ob ungesundes Abmagern nun unheimlich dumm und selbstzerstörerisch ist oder nicht. Leto und McConaughey heben mit ihren gespenstischen Erscheinungen die Darstellung kranker Menschen auf ein schmerzhaftes Niveau. Ob da nun gutes Make-up aufgetragen wird oder nicht. Die Auswirkungen auf die körperliche Konstitution und die Verfassung des Einzelnen werden in "Dallas Buyers Club" besonders unangenehm greifbar gemacht.
Und nicht nur in der Form seiner Darstellung trifft der Film ins Mark. Hier wird keine langatmige und schlimme Sterbe-Geschichte heruntergeleiert. "Dallas Buyers Club" ist die Summe der Bemühungen von "Philadelphia" und "Und Das Leben Geht Weiter".
Beide genannten Vorbilder kämpften für die gesellschaftliche Anerkennung von HIV und AIDS als eine Erkrankung, die doch nur Schwule betrifft und höchstens per Zufall auf "Normal-Bürger" übertragen wird. Vor allem "Philadelphia" verkörpert dabei nicht nur den Vorstoß in Sachen gesellschaftlicher Anerkennung. Es ist ist und bleibt auch die Geschichte des Kampfes eines Mannes um Gerechtigkeit.
So wie auch Ron Woodroof sich mit den Behörden anlegt, als sie ihm seine Medikamente entziehen. Mit der Erklärung, seine Präparate aus Mexiko erfüllen nicht den US-Standard und seien illegal. Natürlich stellt "Dallas Buyers Club" auch die Frage, inwieweit Pharma-Konzerne mit ihrem Monopol lange Zeit eine wirklich effiziente Behandlung der Erkrankung und ihrer Symptome verhindert haben. Und warum die Mediziner des Landes wider besseren Wissens – siehe anhaltender Sterbe-Rate und unerträglichen Nebenwirkungen – auf der Verwendung eines Wirkstoffs beharrten.
Damit klingt auch das Echo der unerhöhten Chronik in "Und Das Leben Geht Weiter" nach. Dort wie hier wird uns sehr genau geschildert, welche Parteien sich in einem unerhöhten Tauziehen um Lizenzen, Anerkennung und Erfolg, keinen Deut um die eigentliche Problem-Lösung kümmerten.
Nicht vergessen, "Dallas Buyers Club" zeigt, welche Mühen Woodroof auf sich nahm, um seines und das Schicksal tausend anderer Erkrankter zu ändern. Wenigstens einen denkbaren Aufschub vom Tod zu bekommen. Mittels Medikamente, die weniger von Gesetzeswegen her verboten bleiben sollten. Selbst wenn Woodroof wie ein Märtyrer rüberkommt, "Dallas Buyers Club" und vor allem McConaugheys Spiel machen es schwer, diese Bedeutung dieser Geschichte zu vernachlässigen.
Es ist selbstverständlich eine rührende Erzählung, in deren Verlauf sich Woodroof aus seiner hässlichen Schale einen Weg ins richtige Leben erkämpft. In deren Verlauf ein Arschloch sein Klientel aus "Schwuchteln", "Transen" und "Strichern" nicht mehr als Geldquelle ansieht. Aber gerade durch diese sehr persönliche Sichtweise verschafft uns "Dallas Buyers Club" auch einen nötigen Überblick auf die generelle Situation und Sachlage von HIV- und AIDS-Erkrankten während der achtziger Jahre.
Und dies ist wichtig. Verblassen unsere Erinnerungen daran oft allzu schnell. Verdrängen wir, dass dies kein Leid von Rand-Gruppen war, das sich seinen Weg in die Mitte der Gesellschaft gebannt hat. Wir lassen Fakten und Begebenheiten wie die unsagbar schlechte medizinische Versorgung dieser Tage unter den Tisch fallen. Womöglich weil wir uns schämen und wissen, dass Mittel wie das Pharma-Wundermittel AZT eher in einer riesiger Versuchs-Reihe verteilt wurden.
Vielleicht ist es noch wichtiger, sich auch in unserer modernen Zeit darauf zu besinnen, dass wir nur zu gern die allgegenwärtige Gefahr verdrängen. Und dabei oder deswegen in alte Denkmuster verfallen. Es kann ja nicht uns alle treffen, sondern nur die.
Um uns an solche unmöglichen und unerhörten Kapitel der Geschichte zu erinnern, braucht es kein tränenreiches Märchen mit allem Hollywood-Schnickschnack. Manchmal reicht ein ehrlicher und sehr guter kleiner Film wie "Dallas Buyers Club".
Khao Lak am 26. Dezember 2004:
Was als sonniger 2. Weihnachtstag im Paradies begonnen hat, verwandelt sich ohne Vorwarnung in die Hölle auf Erden. Familie Bennett lässt es sich gerade am Pool der schicken Hotel-Anlage gut gehen, da erfasst sie und tausende andere die volle apokalyptische Wucht der Flutwelle.
Wir kennen sie alle. Die Bilder des Tsunami 2004. Das Leid, die Zerstörung und noch immer mutet dieses Szenario irgendwie unwirklich an. Natürlich auch, weil nicht jeder von uns diese Katastrophe hautnah miterlebt hat. Weil nicht jeder von uns sich vorstellen kann, will und muss, wie es ist, von einem gewaltigen Strom erfasst und verschlungen zu werden.
Was ist das wohl für ein Gefühl? Plötzlich, aus heiterem Himmel Wasser in der Lunge zu haben. Keine Luft zu haben, die Augen und Ohren schmerzen. Kannst du überhaupt denken? Sorgst du nur mich oder auch um deine Liebsten?
"The Impossible" liefert uns Glücklichen und Verschonten natürlich keine Antworten auf diese unangenehmen Fragen. Wie könnte er auch? Trennt uns doch eine Leinwand von der Katastrophe. Wir müssen kein Wasser schlucken, werden nicht durchgerüttelt. Wir müssen nicht durch die zerstörten Überreste von Luxus-Siedlungen und Dörfern watten, den Geruch des Todes in der Nase. Die gequälten Schreie der Verletzten und die verzweifelten Rufe nach deinen Nächsten im Ohr.
Dies ist eine filmische Aufbereitung, die irgendwie versucht, uns das Ausmaß des Geschehens zu veranschaulichen. Und gleichzeitig natürlich erzählt "The Impossible" auch vom Silberschweif am Horizont, den es ebenfalls in jeder schweren Stunde gibt.
Familie Bennett überlebt und findet sich nach Tagen der Ungewissheit inmitten der Nachwehen dieser Katastrophe. Selbstverständlich könnten auch wir das sein. Hoffentlich werden wir es sein, wenn es uns treffen sollte. Es gibt vielleicht viele unglaubliche Geschichten wie diese, angemessen der Todeszahlen leider auch zu wenige.
Wie also soll ich "The Impossible" bewerten? Ist Objektivität hier wirklich nötig? Muss ich mich mit der Frage herumschlagen, ob Naomi Watts oder Ewan McGregor den Anforderungen ihrer Rollen gerecht werden? Soll ich die Effekt-Qualität der geschilderten Zerstörung bemessen und mich fragen, wie realistisch die gezeigten Leiden und Rettungs-Versuche wirken?
Oder kann ich es wagen und mich auf meine innere Stimme konzentrieren? Die sagt nämlich, dass "The Impossible" wirklich das Unmögliche zeigt. Eine unmögliche Katastrophe, undenkbare Qualen und Verluste. Aber auch die schier unmögliche Möglichkeit des Überlebens.
Happy-End will ich das nicht nennen. Selbst wenn "The Impossible" bisweilen etwas rührselig im Tonfall wirkt. Die Geschichte der Bennetts ist echt, das Geschehen ist real. Angesichts der schlimmsten Ereignisse brauchen wir auch die aufblitzenden Hoffnungs-Schimmer. Die wärmenden Sonnenstrahlen des aufziehenden kommenden Tages.
Mag kitschig und unglaublich naiv klingen. Ich nenne es eine menschliche Eigenschaft. Außerdem nennt mir nur einen besseren Film über dieses Thema.
Alaska, das gefrorene Herz Amerikas. Ein Hort der Kälte und Finsternis. Für einen Mann namens Robert Hansen war es jahrzehntelang ein Rückzugsort der Erholung, ein Jagdrevier und seine ganz persönliche Friedhofsstätte.
Hansen ist der Mann, dessen widerwärtige Taten als Vorbild für die Handlung von "Frozen Ground" dienen. Einen Film, der vor allem einen Abriss über die letztendliche Ergreifung eines Mannes mit zwei Gesichtern darstellt.
Robert Hansen, Familien-Vater und allseits beliebter Restaurant-Besitzer. Und Robert Hansen das perverse Monstrum. Ein Scheusal, das unzählige Frauen gequält, vergewaltigt und wie Vieh in der Wildnis erschoss und verscharrte.
Ich weiß. "Frozen Ground" klingt nach einem beinharten Schocker. Einem Serien-Killer-Thriller voller markerschütternder Horror-Bilder, erfüllt von schier unvergesslicher Grausamkeit. Das Gegenteil ist der Fall.
"Frozen Ground" ist ein eher typisches Kriminalfilm-Prozedere. Eine Art Re-Enactment der engagierten Ermittlungs-Arbeit. Adäquate Visualisierung der begangenen Morde, deren ganze düstere Bandbreite wir nur erahnen können.
Der wahre Clou hingegen ist die Besetzung. Nicolas Cage gibt den Mann des Gesetzes. Jenen Jäger, der Hansen unbedingt dingfest machen will. Und Überraschung, Cage spielt hier wieder mal gut. Nicht oscarreif, nicht aus der gesamten Fülle seines schauspielerischen Repertoires schöpfend. Doch die Leistung von Nicolas Cage in "Frozen Ground" ist dem Stoff vollkommen angemessen.
Ihr wollt noch eine Überraschung? Wie wäre es damit: Ausgerechnet John Cusack leiht Robert Hansen sein Gesicht. Cusack, dieser grundsympathische Typ, der in Whirlpools durch die Zeit reist oder betrübt durch seine Platten-Sammlung und Liebschaften streift.
Ja, ausgerechnet dieser kauzige Sonnyboy – ich nenne ihn einfach mal so – geht voll in seiner Rolle auf. Cusack wirkt abstoßend freundlich in seinem Restaurant. Eine Fassade, die noch grimmiger wirkt, wenn wir Hansens wahren Freuden beiwohnen müssen.
Filme wie "Frozen Ground" haben jedoch meist mit dem selben Problem zu kämpfen. Sie mögen sich noch so eng an die Original-Ereignisse halten, spannend macht sie das nur bedingt. Eine mehr oder weniger detailierte Chronik von Verbrechen, Verhören und Gerichts-Szenen können uns Zuschauer an der Nase packen. Oder sie bleiben halt irgendwie interessant. Wie eine deutlich unterhaltsamere Hollywood-Alternative zu schlechten Crime-Dokus.
In dieser Hinsicht macht "Frozen Ground" formal keine allzu groben Fehler – jedenfalls beim Haupt-Strang der Story. Jäger und Gejagten kennenlernen. Bestenfalls Abscheu für den Täter empfinden und dabei zuschauen, wie er gefasst wird.
Eigentlich eine runde Sache. Wenn auch nicht die innovativste Erzählweise. Aber es ist ja auch schwer, irgendwie überhaupt im immer noch spürbaren Schatten von "Sieben" aufzufallen. Leider versuchten die Macher von "Frozen Ground" eben dies mit der nebenbei abgehandelten Geschichte der Überlebenden Cindy alias Vanessa Hudgens.
Leider eine sehr banale Angelegenheit. Denn die Mischung aus Milieu-Studie, Jungem-Ding-Auf'm-Strich-Drama und Rettungs-Bemühungen durch Cages Figur können dem Publikum irgendwie herzlich egal sein. Ist es doch eher eine Randnotiz im Gesamtbild. Mit dem eher vorhersehbarem Sozial-Einschlag wird das Feuer von "Frozen Ground" jedenfalls nur bedingt geschürt.
Unterm Strich ist "Frozen Ground" deshalb ganz okay anzusehen. Nicht umwerfend, doch als True-Crime-Aufbereitung sehr passabel. Wer auf wirklich gute Thriller-Kost steht, sollte dennoch weiter Ausschau halten.
Ladies and Gentlemen: Die Zukunft.
Auf der Erde leben "die da unten". Unser blauer Planet hat sich mal eben so in einen riesigen, überbevölkerten Abfalleimer verwandelt. Ein dystopisches Auffang-Becken für den gesellschaftlichen Dreck, der natürlich 99% aller Menschen umfasst.
Für die Aussichten des zukünftigen Los Angeles hat sich seit "Blade Runner" also nicht viel ändert. Außer natürlich, dass schicke Apartements wie das Rick Deckard eben kaum vorhanden sind.
"Elysium" berichtet live aus der Müllhalde Erde. Alles schäbig, abgenutzt und für die Sicherheit müssen schon Cyborg-Einheiten Patrouille schieben. Das andere Ende der überspitzten Schere zwischen Arm und Reich schwebt derweil im Orbit und tummelt sich in Luxus und medizinischer Überlegenheit. Genau, die Elite, also die Bewohner des titelgebenden Paradieses Elysium sind nahezu unsterblich.
Doch das selbstsüchtige Pack mag nicht teilen. Und so verschanzt sich das eine Prozent aus Schönen und Reichen hinter einem Wall von Abwehr-Raketen. Schließlich gibt es immer wieder welche, die in klapprigen Shuttles die Festung am Himmel stürmen.
Auftritt Matt Damon. Unser charismatischer Beau verkörpert Max Da Costa, einen Jungen aus den Straßen des Drecks. Einen Fabrik-Arbeiter, der ganz plötzlich nicht nur von einem besseren Leben träumen will. Max muss handeln und ist fest entschlossen, sich seinen Weg nach Elysium freizukämpfen.
Get it? Neil Blomkamp lässt seinen zweiten Streich "Elysium" vielleicht im Jahre 2154 spielen, aber die Begebenheiten sind uns schon längst vertraut. Natürlich ist dies ein trauriger wie visionärer Blick auf eine Welt, in der die sozialen Unterschiede in einem permanenten Kriegs-Zustand gemündet haben.
Besonders deutlich wird dies in den ersten zwanzig Minuten. Gleich nach dem Rückblick auf die Kindheit. Zuerst Märchen, dann Action. Blomkamp bietet uns zum Auftakt einen dramatischen Blick auf die Unglücklichen und Verzweifelten, die sich aufmachen, die Mauern von Elysium zu überwinden.
Da sitzt ausgerechnet Jodie Foster als unmenschlich kaltherzige Chefin in der Kommando-Zentrale und befiehlt den Abschuss der Shuttle/Flüchtlings-Transporte. Und verfolgt mit uns auf dem Bidlschirm, wie die Eingreif-Truppen diejenigen verfolgen, die dennoch ins Paradies crashen. Dies sind unheimliche starke Minuten. Blomkamp erfüllt darin das Versprechen, das er mit "District 9" gab.
Im ersten Akt ist "Elysium" ein Film von "Star Wars"-Format. Klasse Optik mit sozialem Gewissen. Denn klaro ist das zerfallene Los Angeles eine herbe wie beißende Kulisse. Ein Moloch, der irgendwo aus den Abgründen brasilianischer Favelas, südafrikanischer Townships mit einem Schuss Beirut und Aleppo geformt wurde. Und erst die Bilder nackter Angst, wenn die mechanischen Sicherheits-Kräfte in Elysium Jagd auf die Eindringlinge machen.
Auch ohne die Ereignisse des Jahres 2015 und aller momentanen Krisen erscheint "Elysium" als böser Sci-Fi-Kommentar auf inhumane Flüchtlings-Politik und die Besitztums-Ansprüche der elitärer wie prosperierender Gesellschaften. Wie "Star Wars" halt, so cool wie klug.
Und dann? Bleibt der Film dabei? Nicht ganz. Oder leider nicht. Je nach Sichtweise wird deutlich, dass "Elysium" eben auch nur ein großspuriges Sci-Fi-Gesamtpaket. Edle Optik, tolle Effekte und halt Matt Damon und Jodie Foster als Superstars. Es mag auf der Erde zwar aussehen wie die direkte Nachbarschaft des Alien-Sperr-Bezirks und als würde hier bald die Menschheit kollabieren. Aber der Film ist halt auch Entertainment.
Und deswegen verwandelt sich Matt Damons/Max De Costas Kreuzzug nach Elysium dann auch irgendwie in zukünftiges Erlöser-Epos. Der lange und schwerfällige Weg unseres einsamen Heroen, der mit kybernetischem Body-Tuning den Kanonen von Elysium trotzt.
Am Ende ist es natürlich nicht allein der Weg eines selbstsüchtigen Mannes. Es wird die alles entscheidende Auseinandersetzung im Namen der Gerechtigkeit, die immer noch für alle Menschen gültig ist.
Bitte nicht wundern, wenn "Elysium" dahingehend etwas von der Galle vermissen lässt, die "District 9" manchmal erfüllt hat. Da waren die rassistischen Äußerungen und das brutale Vorgehen ja nur gegen Aliens gerichtet. Hier richtet Neil Blomlamp den Fokus auf die Beziehungen zwischen unseren eigenen Klassen und Systemen. Selbstredend sieht der Film aus wie das Update der fatalistischen Prognose von"Soylent Green". Es finden sogar grausame Verbrechen an der Menschlichkeit statt. Für die sorgt "District 9"-Star Sharlto Copley, der jetzt mal den Ober-Baddie geben darf.
Doch allzu tiefgründig wirkt "Elysium" dann letzten Endes auch nicht. Spätestens beim, natürlich spektakulären, Showdown, müssen wir folgendes eingestehen: Neil Blomkamp hat einen stellenweise verdammt guten Film gemacht. Und nicht etwa das soziale Gewissen auf Zelluloid gebannt. Die Atmosphäre des erstickenden Erdballs und dieser paradieschen Weltraum-Insel der Reichen sind klasse eingfangen, letztlich aber eben nur eine starke Kulisse.
Besitzt "Elysium" genügend visionäre Sprengkraft, um nachhaltig auf uns Publikum einzuwirken? Ich weiß es doch auch nicht. Es erscheint ja schon unmöglich, Filme wie diesen mit den großen Dystopien des Kinos zu vergleichen. "Der Omega-Mann", "Planet Der Affen" oder "Soylent Green" haben schon etliche Jahre mehr auf den Buckel. Produktionstechnisch betrachtet, trennen "Elysium" und diese Klassiker Welten.
Vielleicht wäre es am besten, "Elysium" einfach als klug gedachtes Entertainment zu klassifizieren. Ein dolles Stück Sci-Fi-Action-Märchen mit ernstem Hintergrund und einer beachtlich effizient ausgeführten Helden-Geschichte. Dramaturgisch vielleicht etwas vorhersehbar, aber welcher Film ist das nicht? Selbst die Zutaten für sein außergewöhnliches Szenario teilt "Elysium" ja auch mit dem Manga "Battle Angel Alita". Macht es den Film damit gleich einfallslos? Als Kenner des Comics sage ich nein und plädiere einfach für die Sichtung von "Elysium".
Denn nicht jeden Tag kollidiert eine eher seichte Erlöser-Träumerei mit ungewöhnlich fiesen und superb gemachten Bildern einer schrecklichen Zukunfts-Welt, in der wir wohl alle nicht mal freiwillig Urlaub machen würden. Vielleicht ist es sehr "Hollywood", aber Neil Blomkamp hat es auch hier wieder geschafft. Er zeigt uns etwas Neues und bereichert die Genre-Story-Muster um den einen oder anderen Dreh.
Tolle Würdigung eines schmerzlich vermissten Meisters.
Ich hab's versucht und doch kann ich nur scheitern.
Der Text war schon fertig. Er war ausführlich, die Worte mit Bedacht gewählt. Liest sich nicht schlecht und doch fühlt es sich noch nicht richtig an.
Wie soll ich dem Wunder namens "Philomena" nur gerecht werden?
Einem Film, der eine einfache und überschaubare Geschichte voller emotionaler Tragweite erzählt. Ohne deplatzierte prätentiöse Anflüge. Ohne Pathos und schwer verdauliche Rührseligkeit.
Schwer, dem ohne texterische Umschweife angemessen zu werden. Denn Stephen Frears erzählt in "Philomena" nicht weniger als gleich zwei parallel verlaufende Geschichten:
Eine davon handelt von der Spurensuche einer Frau, die dem Kind nachspürt, dass ihr einst von Ordens-Schwestern entrissen wurde. Die andere handelt von der langsamen, subtilen und doch spürbaren Annäherung zweier recht unterschiedlich gepolter Charaktere.
Diese wären eben jene Philomena Lee. Ehemalige Krankenschwester, Ehefrau und Mutter, die das Wissen um ihren Erstgeborenen jahrzehntelang nur im Stillen leidend mit sich trug. Und der Journalist Martin Sixsmith, der nach seinem eher unrühmlichen Jobverlust dringend Ausschau nach einem spannenden Thema ist.
Zufällig finden Philomena und Martin zusammen. Er anfangs noch auf seinem hohen Roß muss erst wieder daran erinnert werden, dass auch Menschen fernab des Tagesgeschehens und weitgreifenden Polit-Alltags, so ihre Geschichten zu erzählen haben.
So mag Martin die provinzielle Sicht Philomenas auf die Wunder der großen weiten Welt noch belächeln. Mit der Zeit werden die beiden nicht zu vielleicht gleich zu den neuen allerbesten Freunden, aber doch zu eng Verbundenen einer ganz besonderen Schicksals-Gemeinschaft.
Nein, ich will nicht fabulieren und große Worte aus dem hintersten Winkel meines Verstands schütteln. Doch so sehe ich "Philomena". Als ein nicht typisches und trotzdem ganz und gar Stephen-Frears'schem Meisterwerk. Eine Beobachtung der leisen Töne. Eine Straight Story, die mit ihrer einfachen und ungefärbten Linse tief ins Herz zielt. Simple Story müsste es wohl eher heißen. Aber was ist denn so einfach an einer Suche, die verlorene Jahrzehnte wieder gutmachen soll?
An einer Geschichte, die so stellvertretend steht für das verschwiegene, schändliche und schlicht kriminelle Treiben hinter Heiligen Mauern? "Philomena" will nicht ignorieren, aber auch anklagen. Es ist ein Film über Leid, Hoffnung und ein kleines bisschen spätes Glück. Vielleicht nicht die Erlösung durch ein Happy-End, aber durch ein wenig Seelen-Frieden.
Ich schwanke schon wieder. Sorry. Was soll ich sagen? Judi Dench und Steve Coogan (auch Co-Autor) verkörpern die perfekte Besetzung dieses absolut ungleichen Gespanns. Sie lassen uns sehen, hören und fühlen, aus welch unterschiedlichen Ecken Philomena und Martin kommen. Und wie beide doch mit der Zeit dank gegenseitigen Respekts etwas im jeweils anderen wach rütteln.
Tut mir leid, kürzer geht es einfach nicht. Ich kann "Philomena" nur empfehlen. Weil diese Geschichte traurig und auch froh stimmt. Sie ist wahr und wäre auch so schon interessant. Dieser Film ist unaufgeregt erzählt. Er ist ehrlich und wird nicht von einer fetten Schicht sentimentalen Zuckergusses erdrückt.
Ihr könnt ihn lieben oder hassen. Als langweilig oder eintönig empfinden. Macht ihn nieder oder genießt, wie ich es tat. Für mich triumphierem bei "Philomena" die Einfachheit der Dinge und die wahre Magie des Lebens, das selbst in filmischer Abwandlung nicht aufgeblasen oder verwässert werden muss. "Philomena" ist der Beweis.
Eines der gängigsten Thriller-Klischees lautet: Unser Held hetzt schwitzend, blutend und prügelnd durch die Gegend, während sein/e Kind/er und/oder Ehefrau von finsteren Zeitgenossen festgehalten werden. Natürlich immer parat ist das Handy, durch das unser Held von der Stimme des unsichtbaren Strippenziehers verhöhnt wird. Er schwört dem Abschaum Vergeltung ...
... und bekommt diese am Ende natürlich wohlverdient.
Aber was, wenn du nicht Liam Nesson bist. Und wir uns nicht grad im nächsten Teil von "Taken" befinden? Noch schlimmer: Was, wenn dies die Wirklichkeit ist und du deine Liebsten vielleicht nicht wieder sehen wirst?
Denis Vielleneuve widmet sich in "Prisoners" diesem beängstigenden Gedankenspiel in seiner ganzen qualvollen Bandbreite. Es geschieht nicht inmitten der Hektik der unüberschaubaren Großstadt. Es trifft nicht einen knallharten Einzelkämpfer mit mehrfachen Meistertiteln in Tötungs-Disziplinen. Nein, "Prisoners" lässt das Grauen auf zwei befreundete Nachbars-Familien in der Vorstadt niederprasseln.
Panik, Ohnmacht und Verzweiflung erfassen die Dovers und die Bruchs, als ihre Töchter einfach vom Erdboden verschwinden. Die Polizei beginnt eine großräumige Such-Akion, doch schon bald geraten alle Bemühungen ins Stocken. Es gibt einen Tatverdächtingen, doch der muss freigelassen werden.
Im Schatten der größten aller Ängste geht Hugh Jackman als Vater Keller schließlich bis zum Äußersten. Er schnappt sich den Mann, an dessen Schweigen womöglich das Leben zweier Kinder hängt. Drohungen folgen schnell blutige Taten. Aber mal ehrlich würden wir nicht alle so handeln, wenn wir es müssten?
"Prisoners" ist in mehrfacher Hinsicht ein außergewöhnlicher Film. Lang, sehr lang. Sehr intensiv und streckenweise mit unerträglich festgeschraubter Spannungs-Schraube. Die Intention dahinter, vermute ich, war nicht, das Angesicht des Genres nachhaltig zu verändern. Sondern eher, einen Film zu schaffen, der einen bleibenden Eindruck hinterlässt.
Natürlich ist die Ungewissheit über den Verbleib der eigenen Kinder eines der denkbar schlimmsten Schreckens-Szenarios überhaupt. Da braucht es schon keine Abartigkeiten oder ausgewalzte Gore-Szenen. "Prisoners" ist beklemmend, weil der Film zu gleichen Teilen Entführungs-Thriller und Drama ist.
Denn selbstverständlich bezieht sich der Titel "Prisoners" nicht auf das größtenteils abstrakte Schicksal der verschwundenen Mädchen. Hier sind alle Gefangene eines düsteren Story-Geflechts. Hugh Jackman, Mario Bello, Viola Davis und Terrence Howard als die Eltern, die zur Ungläubigkeit und Tatenlosigkeit verdammt sind. Jake Gyllenhaal als engagierter Ermittler Loki, der zum Gefangenen von Dienst-Vorschriften und einer widersprüchlichen Sachlage wird.
Und dann Paul Dano als Haupt-Verdächtiger mit niedrigem IQ. Wie vertretbar wäre es, jemanden, der so augenscheinlich einen Schuss weg hat, zu foltern? Mit Freiheits-Entzug und Gewalt Antworten einzufordern, wo der Gesetzweg versagt hat?
Eindeutigen Antworten und Farb-Schattierungen von Schwarz und Weiß entzieht sich "Prisoners" mit bewundernswerter Konsequenz. Das hier begangene Verbrechen zieht Kreise, deren Erforschung sich teilweise vorwagt in die dunkelsten Winkelgassen der menschlichen Psyche. Sowohl aufseiten der Eltern, die in jener Extrem-Situation Recht und Ordnung in die eigene Hand nehmen. Aber auch aufseiten des Bösen, dessen Ausmaß und Motive letztlich eigentlich nur verstörend sind.
Irrerweise nahmen sich Ahon Keshales und Navot Paushado in ihrem grandiosen "Big Bad Wolves" beinahe zeitgleich eines ähnlichen Plots an. Ließen einen Vater und einen Polizisten den vermeintlichen Killer foltern, nachdem die Justiz ihn nicht dingfest machen konnte.
"Big Bad Wolves" ist da noch fieser. Ist durchtränkt von einem Humor, der immer wieder jenes Treiben unterbricht. Derartige Pausen gönnt Denis Vielleneuve einem nicht. "Prisoners" bleibt ernst und nüchtern. Wie auch schon sein israelisches Quasi-Gegenstück, spielt "Prisoners" sowohl mit der Konvention und unserer Erwartungs-Haltung. Verzögert die positive Entwicklung, den rettenden Hinweis, den wir uns doch insgeheim wünschen.
Dabei ist der Film nicht sonderlich aufgeregt erzählt. Was natürlich nicht jedermann bei zweieinhalb Stunden gleichermaßen gefallen wird. Immerhin bleibt "Prisoners" auch hier seinen Prinzipien treu. Nicht jedes neue Indiz muss zwangsläufig im sofortigen Erfolg münden. Klar, beim "Showdown", übertreibt es der Film am Ende vielleicht etwas. Aber dies könnte auch dem Umstand geschuldet sein, dass "Prisoners" nun ein Thriller mit bekannten Namen geworden ist und eben kein zweites "Spurlos Verschwunden".
Ein rein negatives Ende wäre dann vermutlich zu vie gewesen. Doch selbst wenn es ein dramaturgischer Kompromiss sein sollte, verdient Denis Vielleneuves Film Lob für die Beobachtung menschlichen Verhaltens vor dem Hintergrund eines verächtlichen Verbrechens. Gerade weil die Fragestellung auch ans Publikum lautet, ob zumindest das Verhalten der betroffenen Eltern nun umoralisch und schon unmenschlich ist. Oder ob es gerade menschlich, da aus purer Anspannung und Orientierungslsosigkeit geboren?
Schwer zu beantworten, würde eine ehrliche Beantwortung doch auch viel über uns selbst verraten. Ein mulmiges Gefühl ist da schon vorprogrammiert. Und "Prisoners" wird dadurch zu einem der herausragendsten Beiträge im Thriller-Genre-Wald. Nicht weil er besonders mitreißend erzählt wird. Nein, der Film ist packend und clever. Langsam oder langatmiger als gewohnt. Aber eben auch mehr als nur eine Crime Story.
Zieh eine Karte, irgendeine Karte. Lass mich raten. Es steht "Now You See Me" darauf und dann "Now You Don't". Tadaa!!!
Goodbye Langeweile und Mainstream-Einerlei. Willkommen zur Mainstream-Zaubershow "Die Unfassbaren - Now You See Me". Eine maßgeschneiderte Taschen-Trick-Spielerei und Blenderei, die nicht klüger und gewiefter ist, als sie sein will. Aber dennoch irgendwie Charme besitzt und einem die Zeit vertreibt.
In dieser Houdini-meets-Robin-Hood-Chose stellen vier Illusionisten die Regeln der Physik auf den Kopf und gleichzeitig bringen sie wieder ein wenig Ordnung in eine Welt ruchlos kaltherziger Reicher und geschundener armer Leute.
Zaubern im Namen des Volkes und zu Ehren der Moral aller guten Trickkünstler? Wow, irgendwie war es ja nur eine Frage der Zeit, bis es so einen Film geben würde. Vier junge und ein älterer Kreuzritter zaubern besonders knifflige und fette Kaninchen aus dem Hut. Sie lassen Geld aus Banken und von Konten verschwinden und führen die Behörden vor.
Was für eine Story. Und was für ein Script. "Die Unfassbaren - Now You See Me" möchte gern so richtig trickreich und undurchsichtig sein. "Titanen"-Herr und "Transporter"-Raser Louis Leterrier hat dann doch nicht das Drehbuch des "Citizen Kane" aller Magier-Filme verfilmt.
Aber es ist doch wie mit einem echten Zaubertrick. Das Setup erscheint leicht. In diesem Falle wäre das die Darstellerriege – Woody Harrelson, Isla Fisher, Mark Ruffalo, Jesse Eisenberg, Dave Franco, Mélanie Laurent, Michael Caine und Morgan Freeman – und die mysteriösen Absichten hinter der Mega-Spektakel-Show. Ob es nun von Anfang an so wirklich interessiert oder nicht, the Four Horsemen kommen wie Geheimagenten mit magischen Kräften rüber. Keine üblen Typen und genau dies lässt uns auch die Durchführung des Tricks genießen.
Denn Aufnahmebereitschaft ist das A und O eines Tricks. Wen das Publikum keinen Bock hat, spielen weder Ergebnis noch Größe des Tricks eine Rolle. Wer bei "Die Unfassbaren" auf Fun und Zeitvertreib aus ist, wird genau das bekommen.
Am Ende offenbart sich der Film nicht als ausgeklügeltes Meisterstück dramaturgischer Architektur. Die Geschichte ist eigentlich sehr leicht zu entschlüsseln, aber wer sich auf einen Trick einlässt, macht sich dabei keine großen Gedanken darüber.
Das Ergebnis bei "Die Unfassbaren - Now You See Me" ist ein recht amüsantes Gauner-Zauberstück. Mal mit mehr trickreichen Wendungen, mal einfach nur gut getrickst in der visuellen Ausführung. Wer sich wirklich auf das Spielchen einlassen kann, wird schon erkennen können, warum der Film so erfolgreich an den Kinokassen war.
Weil selbst der simpelste Schachzug gut gemacht sein kann. Und damit maximale Unterhaltung erzielt werden kann. Und mal ehrlich, Augenwischerei muss nicht immer aus Autocrashs, einfallenden Riesengebäuden und sonstigem Firlefanz bestehen. Manchmal reicht das Rätselraten, welches Ass unserer Magier noch im Ärmel stecken hat.
And now for something completely different...
Are you ready?
Ready für einen Kiffer-Streifen, dessen breiter Held seine grauen Zellen anstrengen muss? Bereit für einen Krimi, dessen Fall größtenteils dem Zuschauer wie Protagonisten entzieht?
Seid ihr bereit für einen Trip in die vernebelten wie hippen Seventies, wie sie vom mysteriösen Mastermind und Autor Thomas Pynchon erdacht wurden? Dann begebt euch in die Hände von Paul Thomas Anderson und seiner Vision von "Inherent Vice"!
Die gute Nachricht zuerst: der gute alte Dude hat einen Nachfolger gefunden!!! Doc ist mindestens ebenso oft vernebelt. Läuft manchem Anhaltspunkt etwas länger hinterher, aber Doc ist stets cool und knackt die Nuss.
Selbst wenn die Sache ziemlich undurchsichtig erscheint. Und es ganze zweieinhalb Stunden braucht, bis die Story irgendwie Sinn macht. Aber was soll ich sagen? "Inherent Vice" erzählt uns was von abgetauchten Musikern, Spitzeln, geilen Masseusen, Golden Fangs, Zahnärzten mit einer Vorliebe für weißes Pulver und junge Mädchen. Es gibt aufs Maul und auf die Birne. Immobilien-Geschichten spielen eine Rolle, so wie kuriose reiche Typen, die mächtig abdrehen.
Und sowieso braucht "Inherent Vice" Minimum zwei bis drei Durchläufe, bis dieses Knäuel aus dubiosen Fällen entflochten werden kann. Paul Thomas Anderson liefert wirklich mit jedem Film etwas Neues ab. Mal tiefgründig, mal emotional, mal verschroben und skurril. Und nun eine Dope-Head-Hippie-Crime-Story.
"Inherent Vice" ist cool und beiläufig. Beiläufig cool. Neben Joaquin Phoenix läuft gleich eine ganze Schar an Stars und tollen Mimen zur schrägen Höchstleistung auf. Josh Brolin als schauspielernder Cop mit Hass auf Liebe, Frieden und Gras. Owen Wilson als Man of Mystery, der irgendwie ganz tief im Schlamassel steckt. Ja, sogar Reese Witherspoon oder Benicio Del Toro schauen rein. Richtig krass ist der Auftritt von Martin Short (fast vergessen was?).
Aber selbst wenn es mal kein Name von der A-List Hollywoods ist, beweist "Inherent Vice" Gespür für die genau richtige, prägnante Besetzung. Viele, viele Gesichter kennen wir. Ob kurz oder immer mal wieder. Bei "Inherent Vice" scheint es schon die größte Ehre zu sein, überhaupt eine Rolle ergattert zu haben.
Denn klaro ist dieser Film supercool und eigenwillig lässig. Und doch ist dies kein lahmer Möchtegern-Tarantino. Selbst wenn "Inherent Vice" so lang und vertrackt wie "Pulp Fiction" und "Jackie Brown" ist, die Coolness kommt aus einer ganz eigenen Ecke. In der raucht es, es ist dunstig und trotzdem passiert irgendwie was.
Mysteriös ist das alles ebenso. Nicht nur, weil viele falsch spielen oder die eine oder andere Wahrheit verbergen. Öfters erlaubt sich der Film auch, uns mit der Frage zu beschäftigen, ob Docs Kumpeline und Erzählerin Sortilège überhaupt real ist.
Deshalb lautet die Devise auch: Bitte mit großer Exerimentier-Freude begegnen. Und einer ausgeprägten Vorliebe für alles Strange. "Inherent Vice" ist abwegiges Kino. Eine Detective-Story für alle, die "The Big Lebowski" lieben. Und die auch auf linearem nicht-linearem Wege ans Ziel gelangen können.
"Inherent Vice" ist eine Marke für sich. Lässiger und cooler geht es nicht mehr. Auch mit klarem Kopf. Trotzdem werden diese Eigenschaften bei dieser Laufzeit, bedächtigem Voranschreiten und eigenwilliger Erzählweise nich bei jedem Klick machen können. So ist das halt mit Kultfilmen in Lauerstellung.
Das Leben der Anderen – Ist selbstverständlich ein Filmtitel. Es sollte aber auch lauten: Das Leben der Anderen ist interessant. Nicht nur jedes Land und jede Stadt hat seine und ihre Geschichte. Diese Geschichte wird von Menschen gemacht und jedes dieser Leben ist interessant.
Ob es die Geschichte eines jungen Lobby Boy ist, der das Glück hat, den perfekten Mentor und Freund zu finden. In Gestalt eines stets vornehmen wie galanten Concierges. Natürlich kann diese Geschichte auch von einem Land handeln, über das sich langsam, aber spürbar sicher der dunkle Schatten von Krieg und Umwälzung legt.
Oder es ist eine amüsante Kriminal-Geschichte. Ein Reigen voller Verwechslungen, falscher Fährten und unglaublicher Situationskomik.
Das alles und noch mehr ist "The Grand Budapest Hotel". Wes Anderson erschafft sich seine eigene kleine Welt aus vergangenen Tagen. Lässt alten europäischen Ruhm wieder aufleben und bevölkert diese famos einzigartige Kulisse mit einem herrlich obskuren Figuren-Kabinett. Guten Menschen mit Manieren, armen Menschen mit einem Herz aus Gold. Bösen Menschen, die nichts Gutes im Schilde führen. Und stellt sogar einen Charakter vor, dessen Wesen nicht zur Uniform passt, die ihn kleidet.
Ja, in diesem Traum von einem schrägen wie wundervollen Film-Universum widersetzt sich Wes Anderson gängigen Erwartungshaltungen und Seh-Gewohnheiten.
"The Grand Budapest Hotel" ist Magie. Ein Stummfilm vor Stummfilm-Kulisse. Gedreht aber in Farbe und mit gesprochenen Dialogen. Ein Film aus modernen Zeiten, getragen von den Techniken einer vergangenen Cinema-Ära.
"The Grand Budapest Hotel" ist ein Geschichten-Mosaik. Eine Sammlung aus Lebens-Ausschnitten, in der in jeder Episode wundervolle Dinge geschehen. Amüsante Begebenheiten oder schräge Zufälle. Ja, auch traurige Melancholie klingt an.
Und doch sind sie alle Bestandteile eines perfekten Ganzen. Sie gehören zu einem Film, der sich gerade in unserer Zeit so anders und nie gekünstelt anfühlt. "The Grand Budapest Hotel" ist ein Film, bei dem jede Zeile, jede Einstellung, jedes Kostüm und jede mimische Geste stimmt.
Ich halte mich bewusst wolkig in dieser Ausführung, damit ich niemandem die Freude an der Erstentdeckung nehme. Nie würde ich es wagen, die Facetten dieser Welt zu verraten. Die einzelnen Winkelzüge einer Geschichte vorwegzunehmen, in der es um nichts und doch wieder um alles geht.
Nur so viel, die Magie von "The Grand Budapest Hotel" ist mindestens so visuell opulent wie die einer jeden Space-Opera. Sie nimmt es mit jeder künstlichen Welt unter und über Wasser auf. Die wahre Magie liegt in einer Bedeutung, die sich vielleicht erst dann offenbart, wenn wir mal nicht aufgeregt nach oben oder unten schauen müssen. Sondern dahin, wo die wahren Geschichten stattfinden: auf dieser unserer Erde.
Lieber Theodore,
ich schreibe dir, weil ich dir danken möchte. Dir und Samantha. Ihr habt mir ein besonderes Geschenk gemacht. Habt mich daran erinnert, was wahre Liebe bedeutet. Liebe ist mehr als ein schönes Gefühl. Ihr zwei habt mir und jedem Zuschauer gezeigt, dass Liebe die Verbindung zweier Seelen ist.
Eine Bindung, die keine Grenzen kennt. Keine Definition benötigt, um anderen klar zu machen, dass hier mindestens zwei Gegenstücke zueinander gefunden haben.
Du Theodore hast mich daran erinnert, dass ich nicht die Erlaubnis von irgendjemandem brauche, um mich zu verlieben. Dass ich mich nicht dafür rechtfertigen muss, wen ich warum liebe.
Euer Glück ist aus etwas wundervollem spontanem entsprungen. In einer Zeit, die hochmodern ist. In der Menschen schon nicht mehr gedruckte Bücher lesen und sich jeder in seine oder ihre persönliche Komfort-Zone flüchten kann.
Und dennoch sind die Menschen nicht gefühlskalt geworden. Manche verstehen nur nicht, dass sich Liebe allen abgesteckten Grenzen entzieht und stetig weiterentwickelt.
Wenn du und Samantha mich an euren Gesprächen teilhaben lasst, eure Wünsche und Hoffnungen mit uns teilt, dann kann ich nicht anders. Ich muss mir eingestehen, dass Liebe etwas so Wundervolles ist, dass es nicht einmal ein greifbares Gegenüber braucht. Sondern schon die Vorstellung des anderen reicht, um mich für ihn oder sie zu öffnen.
Denn Liebe heißt auch Vertrauen teilen können. Und nicht wenige in meiner und eurer Welt haben in vielerlei Hinsicht nicht den Mut, dieses aufzubringen. Deine Geschichte, lieber Theodore, bedient nicht den Voyeurismus, einen Menschen aus Fleisch und Blut zu sehen, der sich in eine Maschine, die lediglich als Stimme existiert.
Nein, mir fällt es nicht schwer, Samantha sofort als ein gleichwertiges Wesen zu betrachten. Was spielen Prozessoren-Leistung, Server-Vernetzung und hochgradige Verarbeitung in Sekundenschnelle für eine Rolle?
In eurer Geschichte sehe ich einfach nur eines der schönsten Loblieder auf eine Emotion, ohne die kein Mensch auskommen sollte. Selbst dann, wenn die Liebe von ihrem Auf ins Ab sinkt. Wenn klar ist, dass nicht jedes Gespräch einen erfreulichen Anlass haben wird. Es wird Streit geben. Es wird Augenblicke spürbarer Unerreichbarkeit zwischen uns geben.
Liebe ist nichts Einfaches. Liebe lässt sich trotz aller Versuche nicht immer kategorisieren und sie trifft dich immer losgelöst von allen Erwartungen. Diese Lektion habt ihr, du und Samantha, mir erneut gelehrt. Ich weiß manchmal erst nach Anlässen wie eurer Geschichte, dass ich diese Erinnerung wirklich nötig hatte.
Aus dem Grunde meines Herzen, sage ich danke. Danke euch Samantha und Theodore. Für diese wundervolle Erinnerung an das Wesen der Liebe.
Eines meiner schönsten Kindheits-Erlebnisse in Verbindung mit dem Kino: das Ansehen von "Apollo 13" im gemütlichen Zuschauersaal des Toni. Mitfiebern mit den Astronauten Tom Hanks, Kevin Bacon und Bill Paxton. In die detailverliebte Auferstehung der Sixties eintauchen und sich trotz aller Tricktechnik oder eingestreutem Pathos nicht eine Sekunde lang von der Geschichte der Figuren ablenken lassen.
Ja, das ist das Wunder von "Apollo 13". Das ist die Handschrift von Ron Howard. Selbst bei diesen komischen Dan-Brown-Verschwörungs-Geschichten kann mich Howard mit seinem Händchen für Dramaturgie und Special Effects begeistern.
Howard kann wohl alles gut aussehen lassen. Ob abstrus größenwahnsinniges Bombast-Kino oder intime Biografie. Warum nicht also beides miteinander Kreuzen?
"Rush - Alles Für Den Sieg" hat die flottesten Karren, die sogar Vin Diesel weinend im Regen stehen lassen. "Rush" zeigt die vielen Facetten einer Rennfahrer-Karriere in der goldenen Ära der Siebziger. Als sich Niki Lauda alias Daniel Brühl und James Hunt alias Chris Hemsworth, eine erbitterte wie passionierte Schlacht auf der Piste lieferten.
Lauda und Hunt, zwei waschechte Speed Demons und grundverschiedene Rivalen. Der strahlende britische Sonnyboy, der zu keiner Party Nein sagen kann und den feschen Rennstahl-Hahn gibt. Und dann Lauda, der Österreicher mit dem sturren Schädel. Beide sind sie versierte Fahrer-Profis, technisch gesehen absolute Oberklasse. Nur Lauda ist weniger ein extrovertierter Party-Hengst. Stattdessen fährt er selbst seinen altehrwürdigen Sponsoren über den Mund, weil er mit seinem Blick für die Motoren-Technik keine Schludrigkeiten bei der Konstruktion duldet.
Natürlich zeichnet "Rush" das Bild einer Rivalität zweier Renn-Gockel, die sich keinen Punkt auf der Weltrangliste, keinen höheren Platz auf dem Siegertreppchen oder gar prestigeträchtigere Werbe-Partner gönnen. Aber "Rush" ist auch die Geschichte einer einzigartigen Bindung zwischen zwei Kontrahenten, absolut ebenbürtiger Gegner, die sich gegenseitig wertschätzen. Selbst wenn Lauda und Hunt in der Öffentlichkeit über den anderen herziehen mögen.
Beide verstehen den Rennsport weniger als aufregendes Event. Obwohl Howard in "Rush" vieles vom Geplänkel um den Boxenstall aufleben lässt. Die Girls, die Hochzeiten im Scheinwerferlicht oder die bodenständige Beziehung fernab davon. Doch natürlich führt alles immer wieder die Piste, wo sich Lauda und Hunt einen erbitterten Wettstreit liefern. Und dabei wie die getrennten Hälften einer Seele wirken.
Verkörpern sie wirklich das Yin und das Yang, die besten Eigenschaften des perfekten Rennfahrers. Wenn sie denn beide als ein und dieselbe Person geboren worden wären.
Und Ron Howard hat die perfekte Mischung aus Technik und Emotion gefunden, um diese Epoche und ihre Helden aufleben zu lassen. Das Zeitkolorit ist stimmig, die Klamotten, die Fahrzeuge. Und selbst beim Griff in die digitale Trickkiste wissen Howard und sein Team, wann es genug ist. Denn "Rush" nutzt alle modernen Hilfen, um das schwindelerregende Gefühl des Cockpits von der Leinwand oder dem Bildschirm auf den Zuschauersitz zu transportieren.
Wir werden durchgeschüttelt, beschleunigen mit und überschlagen uns. "Rush" ist einer der besten Adrenalin-Rausch-Streifen überhaupt. Actionreich auf der Strecke, dennoch akribisch wie eine Doku. Schließlich weiß Ron Howard, dass es hier nicht um Crash-Test-Dummies, sondern um echte Menschen geht.
Menschen mit Ambition, unterschiedlicher Auffassung von Fun und Erfolg. Trotzdem zwei Rivalen mit dem selben Ziel. Bei diesem Rennen stiehlt Daniel Brühl seinem Co-Star Hemsworth sogar öfters die Show. Denn schließlich erlebt Lauda nicht nur einen einzigartigen Aufstieg als Formel-1-Star, er übersteht auch eine der schlimmsten Katastrophen der Renn-Geschichte.
Was nicht bedeutet, dass Brühl mit extremen Brandwunden-Make-up einen Vorsprung genießt. Nein, Brühl wirkt öfters wie der vielseitigere Charakter der beiden Kontrahenten. Er ist ein Perfektionist, ein Über-Fahrer, aber auch ein Streithahn, der wohl keine Freunde braucht. Dennoch findet auch ein Niki Lauda sein Glück.
Hemsworth darf da mehr strahlen und ganz und gar in der Rolle der Glamour-Seite des Sports aufgehen. Auch wenn Hunt nie zur Karikatur eines selbstverliebten Dödels mit Talent wird. Siehe dazu den Absatz mit den zwei Hälften.
"Rush - Alles Für Den Sieg" ist wieder zum Meisterstück des Ron Howard geworden. Eine rauschende – Wortwitz voraus! – Geschwindigkeits-Orgie, die alle Stärken moderner Hollywood-Anstrengung in Sachen Technik mit dem intimeren Einblick in die Seelenwelt gleich zweier Legenden verbindet. Howard packt sein Publikum, reißt es mit und verliert dabei dennoch nicht die Personen und ihre Zeit aus den Augen.
Ein wirklich starkes Biopic, eine umwerfende Erfahrung und ein rasant actionreicher Rennfilm. Ich bin schon gespannt, welchem Thema und welchen Helden Ron Howard als nächstes ein solch imposantes Denkmal setzen wird.
Ja ja, die unerwiderte Liebe hat schon so manche Psycho-Bitch From Hell heraufbeschworen. Also, Vorsicht vor dem stillen, komischen Mädchen, das sich wie eine Klette an euch heftet.
Aber jetzt im Ernst. "Crush" gehört einer äußerst seltenen Gattung von Film an. Zuerst vorhersehbar, etwas zäh – passend zu den Darstellern und ihrem Mini-Versum einer langgestreckten Teenie-Soap mit verklemmten Charakteren gleich.
Und dann plötzlich – woosh – der Twist. Die Wende und alles ist doch irgendwie anders. Was zuerst unerträglich lahm und unoriginell schien, ist plötzlich genau gleich geblieben. Trotzdem ist das merkwürdige Mädchen nicht die böse Stalkerin.
Oh je, ich hab's verraten. Macht nichts, bitte nicht gleich auf eure Must-See-Liste setzen. "Crush" wird noch oft genug laufen. Der Film geht schon in Ordnung, reißt einen aber nicht gleich vom Hocker.
Fies, fieser, Eli Roth. Wer hätte gedacht, dass ausgerechnet Mr. Hostel-Schrägstrich-Green-Inferno, unsere Kindheitsphobien vor monsterhaften Clowns wieder aufleben lassen würde.
Na immerhin überlässt Roth dieses Mal anderen das Feld und begnügt sich mit dem Produzenten-Posten und einem Cameo (Augen offen halten). Ansonsten wäre "Clown" wahrscheinlich auch nicht das straighte, garstige Horror-Vergnügen geworden, dass uns, die wir anspruchsvoller Schauder-Unterhaltung und intelligenten Schock-Setups auch mal abschwören können, schauderhafte 100 Minuten bereiten kann.
Immobilien-Makler Kent hat ein Riesen-Problem. Der gebuchte Clown für die Geburtstags-Feier seines Sohnes hat kurzfristig abgesagt. Kurzerhand will Kent einfach selbst den Spaßmacher mimen. Nur lässt sich nichts finden, dass ihn schnell in einen ordentlichen Clown verwandeln könnte. Da stößt Kent auf eine mysteriöse Kiste, die im Keller des neuesten Hauses steht, das Kent gerade für den Verkauf aufpoliert.
Und der Inhalt? Jackpot – Kent findet doch tatsächlich ein waschechtes Clowns-Kostüm, eine Perücke und eine rote Nase. Er streift es über und rettet den Tag. Der coolste Dad der Welt fällt anschließend geschafft um und erwacht immer noch in lustiger Montur.
Doch so komisch ist es nicht mehr. Kent bekommt das Zeug nicht ab. Seine Haare scheinen wie festgewachsen an der kunterbunten Perücke. Die rote Nase sitzt wie zementiert auf seiner eigenen und auch das Kostüm scheint alle Auszieh-Versuche mit Schmerzen zu bestrafen. Kent wird panisch, verletzt sich und kriegt sein Clown-Ich nicht mehr los.
Und dann meldet sich sein knurrender Bauch. Immer größer wird sein Hunger, der sich bald nicht mehr mit normalem Essen besänftigen lässt. Nein, Kents Magen rumort immer lauter, wenn ein Kind in der Nähe ist. Während er und das Kostüm zunehmend eins zu werden scheinen ...
Puh, was ist das denn für kranker Scheiß? Habe ich zunächst auch gedacht. "Clown" erinnert tatsächlich ein wenig an die Verfluchungs- und Metamorphosen-Qualen aus "Thinner" oder "Die Fliege". Der arme, nicht mal sonderlich sympathische Kent durchlebt eine ultrafiese Wandlung vom Family Guy zum Mini-Kannibalen. Weniger Spaß für ihn, mehr Fun für uns.
Denn zu unseren Glück ist "Clown" weder besonders verkrampft auf noch tollere Schock-Überraschungs-Momente, noch auf einen kopflastigen mythologischen Nährboden aus. Derlei Ansatzpunkte knabbert der Film schnell ab. Sie sind vielleicht da, der Fokus liegt jedoch ganz deutlich auf bitterböse Ekelhaftigkeit. Auf einem ganz besonders fiesen Humor, der sich herrlich passenden Einfällen manifestiert. So wie beim Blut, welches sich bei Kents zunehmend drastischen Stoppungs-Methoden schließlich quietschbunt präsentiert. Oder dem Hund, der Kents Nase frisst und sich zunhemend merkwürdig verhält.
Besonders zweideutige Nuancen sind bei "Clown" nur bedingt auszumachen. Der Film stürzt sich mit diabolischer Hingabe auf seine tabu-behaftete Grundidee. Hier geht es nicht nur darum, EIN Kind zu töten. Nee, es müssen schon mehrere sein.
Keine Sorge, es trifft auch schon mal kleine Kackbratzen. Dennoch verwandelt sich unsere verfluchte arme Socke Kent Schritt für Schritt in ein blutrünstiges Monster ohne Erbarmen. Coole Idee übrigens – unser liebster Fieslings-Mime Peter Stormare darf zur Abwechslung mal sinister rüberkommen, zählt aber zu den Guten.
Dass wir uns nicht falsch verstehen: "Clown" ist kein modernes Meisterwerk. Keine bluttriefende Gedärm-Schleuder, bei der wir uns beim Anschauen die Augäpfel aus dem Schädel rupfen möchten.
"Clown" ist sehr viel weniger schlimm, als alles Beschriebene und beworbene vermuten lässt. Nichts daran ist wirklich neu. Aber versuchen wir uns doch zurückzuerinnern: Wie viele gelungene Killer-Clowns haben uns seit dem unvergesslichen Pennywise aus "ES" schlaflose Nächte und Zirkus-Koller bereitet?
Oder anders herum gefragt: Wie viele halbwegs gelungene Horror-Filme kommen in letzter Zeit raus, die einfach nur die Freude am brutalen Boogeyman zelebrieren? "Clown" möchte ich in diese Kategorie zählen, nicht nur der Abwechslung wegen. Sondern auch, weil der Film schlicht aufs Blut der Unschuldigen aus ist und gleichzeitig einen fiesen Thrill daran weckt.
Hier ist nix Kunst, nix schnöde Horror-Langeweile. "Clown" ist handwerklich okay. Macht dann Spaß, wenn Kents harmloses Ich mit seinem neuen dämonischen Ich kämpft oder wenn der Schuft das Spielparadies heimsucht.
"Clown" nimmt sich sogar etwas Zeit, um diesen Konflikt auszukosten, bis das erste Mal so richtig herzhaft in die Kinder-Überraschung gebissen wird. Ist der Film nun die RTL-II-isierte Verköperung der flachen Horror-Gaudi? Das Mc-Horror-Menü, bei dem die Kalorien über Nährwerte und die Liebe zur Zubereitung dominieren? Vielleicht, vielleicht auch nicht.
Eines ist "Clown" jedenfalls nie: Langweilig, öde oder ohne Biss. Habt keine Angst vor dem Abstieg in niedere Qualitäts-Gefide. "Clown" ist etwas mehr als ein Kandidat für den nächsten TELE-5-Programmfüller. Wer nicht zu viel erwartet, könnte angenehm überrascht werden.
Quizfrage: Was für einen Film dürfen wir bei folgenden Ingredenzien erwarten?
Die abgeschobene Tochter eines Filmstars, ein Serienmörder, die Schweizer Alpen, eine übersinnliche Verbindung zu Insekten und Donald Pleasence im Rollstuhl.
Na, klingt zu schrill, um wahr zu sein oder? Ich muss zugeben, diese Auflistung lässt die Alarmsirenen schrillen. Doch Entwarnung, wir reden von "Phenomena", einem echten Dario Argento. Nicht von einem irgendeinen trashig durchgeknallten Fantasy-Psycho-Thriller-Murks. Und selbst wenn, dann von einer Mischung mit Charakter.
Ich muss mich zunächst outen. So gerne ich mich immer wieder in meine persönlichen Argento-Lieblinge vertiefe, es gibt Kandidaten wie "Phenomena". Filme dieses einzigartigen Meisters der Spannung, unheimlichen Bild- und Ton-Komposition, die ich noch nicht erleben durfte.
Und es gibt Filme, bei denen ich am Ende sagen muss, dass sie mir nicht völlig zusagen. Diese Phase setzt für mich bei Dario Argento besonders gegen Ende der Achtziger ein. Irgendwann nach "Opera", spätestens bei "Stendhal Syndrome". Wo sich Argentos Werk bis dahin aus einer künstlerisch erlesenen, zeitgleichen Handhabung des Pinsels, des Taktstocks und des Skalpells auszeichnet, fehlt plötzlich bei mir auch mal der springende Funke.
Da bin ich nicht enttäuscht, sensuell bis mental überfordert oder gar gelangweilt. Bei Argentos letzten Filmen steht irgendwie die Erkenntnis, dass auch unsere Lieblings-Künstler nicht immer einen sensationellen Genie-Streich aus dem Hut zaubern können.
Aber reden wir doch von "Phenomena". Jenem Argento, den ich nun ganz jungfräulich betrachten durfte und der mich mit gemischten Gefühlen zurückließ.
"Phenomena" folgt einem überschaubaren Plot, der Serienmörder-Motive des typischen Giallo mit Elementen des Jugenddramas und einem Schuss Parapsychologie vermischt. Die junge Jennifer Connelley spielt Jennifer, Tochter eines bekannten Schauspielers, die ihren Aufenthalt am Schweizer Richard-Wagner-Internat antritt. Wie wir schnell merken, ist Jennifer nicht nur wegen ihrer sonst gewohnten Umgebung oder ihrer Art etwas anders, sie hat ein ganz besonderes Verhältnis zur Insektenwelt.
Da macht Jennifer auch schon die Bekanntschaft des Entomologen McGregor (Donald Pleasence). Der an den Rollstuhl gefesselte geniale McGregor hat sich geschworen, den Serien-Killer zu stellen, der seit geraumer Zeit Mädchen in der Gegend nachstellt. Was liegt näher, als Jennifer mit den ihr freundlich gesonnenen Insekten-Helferlein die Färhte des Monstrums aufnehmen zu lassen?
Es ist schon merkwürdig, "Phenomena" klingt nach kruder C-Movie-Unterhaltung. Nach einem Film, der heutzutage nur aus dem Syfy oder The Asylum stammen könnte. Aber 1985 gelang es Dario Argento, aus all diesen irrwitzigen Zutaten ein halbwegs gelungenes Ganzes zu zaubern. Und vermutlich hat er sogar die eine oder andere "Akte X"-Folge damit inspiriert.
Leider erweist sich "Phenomena" dann aber auch als nur halb so spannende Mörder-Hatz. Was zum einen daran liegt, dass schon die grauenvolle Eröffnung eher auf gewöhnliche Effekthascherei setzt. Ein eher durchschnittlicher Kill, wenngleich verammt gut gefilmt.
Argento verlegt sich von der unheimlichen Atmosphäre, die jede Einstellung, jeden Winkel dieser Parallel-Welten seiner Drei-Mütter-Epen, wieder auf gewohnte Spielorte. In "Phenomena" werden abgelegene Berghütten oder die erhabenen, gefühlskalten Hallen einer Elite-Schule in Blut getränkt, aber es sind Kulissen, die noch in unser nächsten Umgebung verortet werden können.
Doch nicht nur dies markiert eine künstlerische Abkehr. "Phenomena" ist auch nicht nur durchdrungen von einer steten Präsenz des unerklärlichen Bösen. Ist nicht mehr das Eintauchen in ein Labyrinth aus Phantasmen und dunkler Mystik. Nein, dies fühlt sich beinahe ganz und gar wie ein konventioneller Thriller an. Gelegentlich paranormal, aber nicht mehr bedrohlich bis verstörend betörend irreal.
So wechseln sich hier hauptsächlich zwei Muster immer wieder miteinander ab. Jene Momente, in denen Jennifer entweder den gehässigen Mädchen oder der Rektorin ihrer Schule ausgesetzt ist. Oder die Interaktion mit dem netten älteren Forscher im Rollstuhl, der sie dann auf die Suche nach dem Killer schickt. Dann wären doch Jagdszenen. Die schnellen und brutal beendeten Morde. Zwischenzeitlich spielt auch Jennifers zunehmende Schneidung durch ihre Fähigkeiten eine Rolle.
Derlei Schachzüge verdeutlichen aber irgendwie auch, dass sich "Phenomena" durch keinen wirklich überwältigenden Handlungsrahmen auszeichnet. Es ist eine geradlinige Angelegenheit, die kaum zum Mitdenken anregt und wenig Interpretations-Spielraum lässt. Diverse Nebenstränge wie die Flucht aus dem Internat oder der dubios wirkende Kommissar wirken der Monotonie entgegen, aber letztlich scheint Dario Argento nur Story-Fäden und Geistesblitze durcheinander zu würfeln.
Ganz so dröge ist "Phenomena" natürlich nicht. Aber eine bedrückende Anspannung und eine mörderische Furcht stellen sich allenfalls nur bedingt ein. Dafür wirkt "Phenomena" nach dem ersten Anschehen nur halb so gut, wie er hätte sein können. Argento selbst scheint sich der Frage nach Identität und Motivation nur halbherzig gewidmet zu haben. Jedenfalls fällt die Auflösung beinahe plump aus.
!!!Alle Nicht-Seher blenden bitte kurz aus!!!
Eine hysterische Psychopatin und ihr Monster-Gnom-Sohn schlachten die Mädchen also. Na toll. Überraschend oder tollkühn könnte das sein. Am Ende fühlt es sich halt nur wie eine Erklärung an, mit der Argento haarscharf am B-Movie-Universum vorbeischrammt.
!!! Ab hier heißt es Welcome Back!!!
Bei "Phenomena" kann ich Dario Argento nicht unterstellen, dass er in sämtlichen involvierten Bestandteilen – Skript, Kamera, Schnitt, Musik – nicht eifrig investiert hätte. Jennifers eigene Background-Story ist einmal mehr von Argentos persönlichen Erfahrungen erfüllt. Aber beim finalen Ergebnis reicht dieses Engagement irgendwie nur zu einem teils guten, teils konfusen Thriller, der spätestens beim Showdown nur noch auf optische Reize setzt.
Da wird jemanden aus dem Nichts krass enthauptet, nimmt Jennifer Connelly das vielleicht ekelhafteste Bad der Horrorfilm-Geschichte. Doch manche dieser Versatzstücke sind eher dem damals gängigen US-Slasher-Kino entliehen (besonders die Enthauptung könnte direkt aus "Freitag Der 13." stammen), als denn der Imagination des Genies Argento.
Was auch wieder passt, denn Pleasence hat seine Schimpansen-Dame Inge als Freundin und Assistentin. Vermutlich die Vorlage für George A. Romero's "Der Affe Im Menschen".
Hinderlich, bis etwas peinlich, kommt auch das Gehabe der eisigen Rektorin rüber. Ihr Gerede über "Drogen" muss schon zur Veröffentlichung 1985 antiquiert gewirkt haben. Ebenso holzschnittartig sind auch die Hänseleien der Schülerinnen. Derlei steife Einwürfe lassen die Stimmung des Films leiden.
Mit "Phenomena" mag Dario Argento einen interessanten Vorstoß gewagt haben. Statt zum "normalen" Giallo zurückzukehren, wollte der Meister vielleicht das Gewöhnliche mit dem Übersinnlichen anreichern. In der Tat blitzt das enorme Talent Argentos nicht nur stellenweise durch. Es ist ständig zu spüren, doch nicht jeder Pinselstrich hat am Ende einen vollwertigen Klecks Farbe auf die Leinwand gebannt.
"Phenomena" ist weit davon entfernt, eine Enttäuschung oder filmischer Müll zu sein. Aber auch einem Dario Argento darf mal, beim Umgang mit derart ungewöhnlichen Einfällen, ein wenig ins Straucheln geraten.
Die Rückkehr des ultimativen Leitfadens "1001 REZEPTE FÜRS BLUTIG-SCHAUDERHAFTE HALLOWEEN":
Rezept #1981: "Über Dem Jenseits" á la Lucio Fulci
Und wieder zieht es uns hin zur Höllenpforte. Erneut lässt Lucio Fulci die Grenzen zwischen der Welt der Lebenden und Toten verschwimmen. Die Grenze zwischen Rationalität und Schwachsinn, zwischen atmosphärischem dichten Grusel und heillosem Tohuwabohu, das sich als Kunst tarnt, verschwimmen da gleich mit. Denn wir sind nicht länger auf der Erde, sondern wir schweben "Über Dem Jenseits".
Fulcis Mittelteil der berüchtigten Gates-Of-Hell-Trilogie zeichnet sich abermals durch eine Fülle netter Einfälle, totalem Blödsinn und darunter einem fast zertrampelten Gespür für stimmungsvoll schaurige Bilder aus.
Nicht-Freunde des Genres und des Meisters Fulci werden sich da sofort an den schier unmöglichen Story-Ausrichtungen stören, die hier zusammenlaufen oder mit Gewalt zur Einheit gezwungen wurden.
Wer sich vor dem Genuss von "Über Dem Jenseits" etwas mehr informiert, wird vielleicht Fulcis Faszination über die Konzepte der Metaphysik, die Schnittstellen dieser Welt mit der nächsten und die Vision eines symbolbehafteten Inszenierungs-Stils stoßen. Da rotieren doch gleich die Vorstellungen zwingender bis schockierender Bildersprache im Kopf. Lucio Fulci war demnach ein Freund des nichtlinearen Plots und aussagekräftiger Symbolik, hier also blutiger Details.
Dies erklärt auch im Falle von "Über Dem Jenseits", warum Fulci die unheilvollen Türen ins Totenreich mit den Warnungen einer blinden Seherin und stumpfem Zombie-Horror mixte. Dunkle Mythologie trifft schockierenden Symbolismus trifft blutige Kopfschüsse.
Aber der Reihe nach. Im Sepiaton wohnen wir der Ermordung des Malers und vermeintlichen Hexers Schweick durch einen Mob bei. Das Jahr ist 1927, der Ort ein Hotel in Louisiana. Passenderweise heißt der Schuppen Seven Doors und wird Jahrzehnte später von der neuen Besitzerin Liza auf den Vordermann gebracht.
Just wird bei durch die Bauarbeiten das verschlossene Portal samt schimmeligen Schweick freigelegt. Was den Weg für verstümmelte Arbeiter und Familien-Angehörige freimacht und Liza die Bekanntschaft mit dem blinden Medium Emily machen lässt. Durch das Mädchen erfährt unsere Heldin die ersten Details über die grausige Vergangenheit des Hotels und sie begibt sich Stück für Stück in eine Welt aus mörderischen Untoten, lustigen Killer-Spinnen-Attrappen und ein wenig Lovecraft-Flair. Immerhin verspricht das Buch des Eibon, direkt der Cthulhu-Mtyhologie entlehnt, einige Antworten.
Natürlich beschränken sich diese Antworten auf relativ schlichte Thesen über das Öffnen der Pforten zur Hölle durch grausames Blutvergießen oder die Prophezeiung des Eintretens in eine Welt der Dunkelheit und Verdammnis. So oder so ähnlich jedenfalls. Was auch nicht weiter schlimm ist, denn "Über Dem Jenseits" beschränkt sich ansonsten nicht allzu sehr auf die kopflastige theoretische Ebene. Der Fokus liegt ganz klar auf der vorsichtigen Entfaltung einer düsteren Horror-Atmosphäre, die abermals die Gemäuer eines verfallenen Hauses erfüllt. Und natürlich lässt Fulci auch das blutige Handwerk nicht zu kurz kommen.
"Über Dem Jenseits" zeigt überdeutlich Fulcis Obsession mit den Augen. Wieder suchen uns die gefakten Augenlinsen der Erblindeten heim, selbts wenn sie dem einen oder anderem Akteur deutlich zu klein sind. Erneut reißen die Menschen ihre Glupscher panikerfüllt auf, bevor sie ihnen aus dem Schädel gedrückt, gespießt oder gerissen werden. In diesen Moment-Aufnahmen ist "Über Dem Jenseits" ein Fest ultraharten Horrors. Beinahe jedenfalls und dann vielleicht auch nur für alle, denen der Fakt "Alles nicht echt" keine Beruhigung verschaffen kann.
Allen anderen wird auffallen, dass sich Fulcis Heldin Catriona MacColl, wie auch in den anderen zwei Höllen-Filmen, in einem halbgar wirkenden Plot abmüht. In einer Geschichte, die öfters zum Mystik-Quark gerinnt, als für echte Schauer-Anflüge zu sorgen. Dafür verantwortlich ist höchstwahrscheinlich der Zwiespalt, den Lucio Fulci in Kauf nahm, um "Über Dem Jenseits" überhaupt drehen zu können. Sein erstes Konzept sah ein Haunted House vor und die Verfolgung durch untote Kräfte. Seine Geldgeber erwarteten jedoch etwas mehr Romero und so kam schließlich eine Horde Zombies dazu, die es im finalen Akt zu erledigen gilt.
Darin liegt auch die Tragik von "Über Dem Jenseits". Wann immer etwas halbwegs Unerklärliches etabliert wird, muss auch schon wieder handfester Gore her. Einem Helfer trifft der Schlag und Spinnen krabbeln herbei und knabbern sein Gesicht an. Nun ja, teilweise. Die Fake-Spinnen sind der Hammer, aus Trash-Sicht betrachtet. Bewegen sich zur Seite kippend, während die echten "Artverwandten" schon mal hinter Glas gefilmt werden.
Beim Blutvergießen kennt Fulci natürlich ebenso keine Grenzen oder Tabus. Die schlimmsten Szenen finden beinahe alle im Leichenschauhaus statt. Wo vor steriler weißer Kulisse die entstellten Toten zu neuem Leben erwachen oder schön drapiert auf dem Tisch liegen. Wenn es dann rot strömt, klingt es, als würde Wasser verspritzt. So eine Art Dauer-Tröpfeln begleitet die Bilder des vergossenen Blutes, was dadurch wiederum sehr lachhaft wirkt.
Ebenso wie die vielen störenden und sinnfreien Details, die bei "Über Dem Jenseits" besonders dann auffallen, wenn der Film eben nicht schockierend oder Angst einflößend wirkt. Wenn es dich belustigt oder gar anödet, hast du plötzlich viel Zeit, um beim Anschauen Logikfehler auszumachen. Warum zum Beispiel tröpfelt unentwegt die Säure aufs Gesicht der Witwe? Das Zeug strömt durch nur einmal aus dem Glas und plätschert nicht wie ein Wasserfall. Wieso schießt David Warbeck immerzu auf die Zombies, wo er doch einmal seinen Revolver leer geschossen hat? Plötzlich hat er wieder Munition, einfach so.
Das macht unter anderem klar, dass "Über Dem Jenseits" nicht der genialste Schocker oder Zombie-Streifen der Film-Geschichte darstellt. Es ist ein weiterer blutiger Klassiker mit endloser Verbots- und Indizierungs-Historie. Und an manchen Stellen sogar ein stimmungsvolles Horrorfilmchen vor schöner Kulisse. Seine erhoffte Wirkung aufs Publikum dürfte Fulci heute dennoch verfehlen. Zu strange und abstrus ist dieser Ausflug ins mythische Grenzland der Welt der Lebenden und der Toten. Zu wenig bietet die Rechnung, einen Haufen Untote und ein Buch hinzustellen und zu sagen: Das ist Horror, weil es im Buch steht.
Ob nun eigenständig, visionär oder einfach nur unbeschreiblich lächerlich – "Über Dem Jenseits" ist dennoch meine Lieblingsepisode der Gates-Of-Hell-Trilogie. Nicht, weil die Figuren besonders sympathisch sind. Nicht, weil mir die Untoten mit ihrem Pampe-Make-up Angst einjagen. Es ist irgendwie so unerklärlich wie das Grauen im Film selbst. Alles andere als ein Meisterwerk, widersetzt sich der Film dem gängigen Zombie-Schema-Z und kann durchaus als eines der besten künsterlischen Statements von Fulci angesehen werden. Selbst wenn die Meinungen bei Kunst weit auseinandergehen.
Die Rückkehr des ultimativen Leitfadens "1001 REZEPTE FÜRS BLUTIG-SCHAUDERHAFTE HALLOWEEN":
Rezept #1981: "Das Haus An Der Friedhofsmauer" á la Lucio Fulci
Die Vorspeise und ein Gang Junkfood waren noch nicht genug? Ihnen steht der Sinn nach besonderen kulinarischen Freuden? Vielleicht wären Sie dann empfänglich für etwas bluttriefenden Horror Italiano, der jeden Halloween-Speiseplan bereichert. Darum gönnen wir uns "Das Haus An Der Friedhofsmauer", Lucio Fulcis Potpourri aus modrigem Horrorhaus-Ambiente, frankensteinschen Experimenten und Kindern in der Shining-Ausbildung. Und nicht zu vergessen, Körper, die mit allerlei Hieb- und Stichwaffen zum Aderlass gebeten werden.
Schon nach fünf Minuten ist klar, warum "Das Haus An Der Friedhofsmauer" im Land von Goethe und Schiller einen zwiespältigen Ruf genießt. Für die einen kultiger Klassiker des beinharten Horrors, für die anderen klarer Gewaltschund und Kandidat für jede Verbotsliste. In Wahrheit jedoch ist Fulcis Schlussakt seiner eigenen Gates-Of-Hell-Trilogie nichts von beidem.
Es ist wie mit dem Genuss von fader Suppe. Du kannst noch so viele Löffel schlürfen, der Geschmack bleibt irgendwie aus. Selbst wenn die Ingredienzien noch so interessant klingen. Fulci erzählt die Geschichte der Familie Boyle, die es aus der Großstadt in ein verschlafenes Nest in Boston zieht. Hier soll Papa Boyle Nachforschungen über seinen verrückt gewordenen Kollegen Peterson anstellen. Dieser bewohnte zuvor das titelgebende Gemäuer, ermordete seine Geliebte und brachte sich schließlich selbst um. Wenn das nicht einladend klingt.
Ähnlich verhält es sich mit dem neuen verdreckten Wohnhaus in Friedhofsnähe. Nicht nur das Ambiente ist unheimlich, den Fußboden im Wohnzimmer ziert sogar eine Grabplatte. Und dann noch der stechende Blick des mysteriösen Kindermädchens. Welch Schaudern, welch Grauen. Und das alles hätten sich Norman und seine Frau Lucy sparen können, wenn sie auf ihren Sohn Bob gehört hätten. Der steht nämlich schon länger in Kontakt zu einem Mädchen, das für jeden anderen unsichtbar ist. Es warnt Bob eindringlich davor, das Haus zu verlassen.
Typisch Erwachsene, sie halten sich nicht dran. Also stapeln sich die Leichen. Und hier lässt es "Das Haus An Der Friedhofsmauer" bisweilen krachen. Kopf ab, Körper durchbohren und ausweiden. Ja, so wird das gemacht im blutroten Schlächterland. Nicht umsonst gilt Lucio Fulci als Meister brutal makabrer Tötungen. Aber er war auch alles andere als ein stümperhafter Amateur, der mangelndes Talent mit Eingeweiden und vergossenem Lebenssaft wettmachen musste.
In seinen Grundzügen verknüpft "Das Haus An Der Friedhofsmauer" Motive des Übersinnlichen, die beklemmende Enge eines unheimlichen Mörderhauses und das generelle Gefühl, jeden Moment könnte hier irgendwie jemand durchdrehen. Zur Stimmung tragen auch die Close-ups Fulcis auf die Gesichter und besonders die Augen seiner Figuren bei. Da stellt sich selbst beim einsilbigen Gespräch mit dem schweigsamen Dienstmädchen Paranoia ein.
Wenn Fulci sich generell um Atmosphäre bemüht, so zeigt sich, dass seine Handschrift es durchaus mit der eines Dario Argento aufnehmen kann. Auch wenn hier alles im Dekor ein wenig überschaubarer und kostengünstiger wirkt. Das Spukhaus wirkt über dreißig Jahre später nicht mehr derart angsteinflößend, dennoch
schreit nicht nur die Tür zum finsteren Keller lauthals: "Kehr um und renn weg!"
Dann wieder kippt so mancher bedeutsamer Zoom auf rätselnde bis stockende Gesichter in pure Komik. Was an den fehlgezündeten Schocks liegt, die viel zu oft keine und deswegen die Anspannung verpuffen lassen. Nein, "Das Haus An Der Friedhofsmauer" liegt nicht in Amityville und es lässt leider kaum das Blut in den Adern gefrieren. So richtig schockierend ist am Ende nur die ausgiebige Lust an der Zelebrierung des Tötens.
Wenn Fulci seine Opfer abmurksen lässt, dann werden sie gerne wie Fässer angezapft, und wie im perversen Bio-Unterricht zerpflückt. Dafür braucht es am Ende keinen rachsüchtigen Geist oder Dämon, das Monster ist hier ein verunstaltetes Etwas namens Freudstein. Ein Zwei-Meter-Koloss, der nicht einmal als hässlicher Cousin von Jason Vorhees durchgeht. Dafür verkörpert das brutale Ungetüm einen sich ständig regenerierenden Albtraum, dem es nach Spendern dürstet.
Guts and Gore, die andere Seite des Künstlers Lucio Fulci kommt hier zum Tragen. Am Ende ist "Das Haus An Der Friedhofsmauer" halt auch nur eine Schlachtplatte, bei der hin und wieder etwas mystischer Firlefanz in der Luft liegt.
Beinahe schmerzhaft daran ist auch die Sinnlosigkeit, mit der Fulci seine "Geschichte" vorantreibt. Voranahnungen und Visionen werden eingestreut, gerade die Gestalt von Ania Pieroni als Kindermädchen strahlt vor Geheimnissen und doch fegt es Fulci am Ende vom Tisch wie lästige Essensreste. Warum sollte der Babysitter die versperrte Tür aufbrechen, warum beseitigt sie die blutigen Überreste? Bevor das Rätsel noch größer wird, wird das Mädchen einfach gekillt. Aber auch das Verhalten des Ehepaars Norman und Lucy widerspricht sich. Da redet Papa Norman mit der Vermieterin und fragt seine Frau in einer späteren Szene, wer diese Frau sei.
Und so bald die Eltern Schiss haben und das Haus unbedingt verlassen wollen, ist diese Entscheidung am nächsten Morgen urplötzlich aus ihren Köpfen verschwunden. Als hätten beide einen Chip eingesetzt bekommen. Nicht nur die einzelnen Motive beißen sich also, auch in der dramaturgischen Kohärenz klaffen schwarze Löcher.
Dass sich Fulci, wie bei den zwei anderen Teilen seiner Höllenpforten-Reihe, ins Jenseits flüchtet, ist da beinahe zwingend konsequent. Schließlich bereitet "Das Haus An Der Friedhofsmauer" da schon längst eher Kopf- als denn Magenschmerzen.
Es zeigt sich, dass Lucio Fulci eben nur bedingt imstande war, die vermeintlich blutige Erwartungshaltung einer abgebrühten Zuschauerschaft und die Creepiness des klassischen Horror-Kinos miteinander in Einklang zu bringen. Im Gegenteil, so deftig es bisweilen auch zugeht, in Sachen Schauer und Schock hat "Das Haus An Der Friedhofsmauer" über die Jahrzehnte deutlich an Anziehungskraft verloren. Da sorgen ein komisches Drehbuch und viele lächerliche Details für deutlichen Punktabzug.
Die Rückkehr des ultimativen Leitfadens "1001 REZEPTE FÜRS BLUTIG-SCHAUDERHAFTE HALLOWEEN":
Rezept #2014: "V/H/S Viral" á la The Collective
Kennen wir das nicht alle? Da haben wir gerade einen vollgepackten Burger verputzt samt Fritten verputzt, die Soße klebt noch an den Lippen und dennoch sind wir hungrig. Die Krümmel auch dem Tablett reichen nicht aus, um das Knurren zu beenden. Wir wollen mehr, wir brauchen mehr.
Ganz bestimmt sind wir inzwischen nicht alle zu nimmersatten Monster-Mäulern mit Kuh-Mägen mutiert. Fast Food ist so schnell gegessen, wie es schon wieder zum zweiten Gang animiert. Diese Dinger, die sich Burger schimpfen, erweisen sich leider allzu oft als schlappe Brötchen, deren Bestandteile lieblos zusammen geklatscht wurden. Ist es da noch ein Wunder, dass es "V/H/S Viral" gibt? Den dritten Teil der hoffentlich nicht endlos laufenden Found-Footage-Remix-Schocker-Reihe? Ach bitte.
Es war schon klar, dass sich The Collective erneut in die Untiefen verwirrender wie blutiger Video Nasties begeben würde. In den Köpfen der Macher warten wohl noch so einige durchgeknallte Geschichten. Aber warum auch nicht, selbst fernab von Halloween besitzt die erbarmungslos abgefahrene wie sinnfreie Gangart ihren ganz eigenen Reiz.
Weshalb ich "V/H/S Viral" auch ganz klar auch allen servieren würde, die zum schamlosen Genuss der beiden Vorgänger stehen. Denn an der Rezeptur hat sich nichts Grundlegendes geändert. Aber halt, doch da ist doch was.
Für die dritte Runde zaubern die Macher plötzlich eine temporeiche und zunehmend apokalyptische Rahmenhandlung aus dem Hut. Bei der Betrachtung Hype- und Viral-verliebter Handy-Besitzer und Netz-User zieht sogar wieder ein bitterböser Hauch Selbstironie auf. Auf jeden Fall will ein Dödel besonders spektakuläre Aufnahmen einer Auto-Verfolgungsjagd machen und muss urplötzlich seiner entführten Freundin nachhetzen. Okay, klingt auf dem Papier nicht so berauschend. Auf dem Bildschirm jedoch ist ganz klar eine aufregendere Gangart zu den ersten Teilen erkennbar.
Alles geschieht nun in Echtzeit und sogar die Übergänge zu anderen Geschehnissen gehen nun als schneller Perspektiv-Wechsel vonstatten. "V/H/S Viral" macht da aber noch nicht Halt. Nicht nur live gedrehte Handy-Videos sind hier die Neuerung in der Geschmacks-Rezeptur. Bei "V/H/S Viral" geht nicht nur der herrliche Bullshit-Faktor der Geschichten durch die Decke. Auch mit dem Format selbst wird gespielt. Beweisstück A, die Story von Dante the Great. Einem wahrlich magischen Illusionisten und Mörder, dessen Taten als Mischung aus Video-Schnipseln und TV-Reportage beleuchtet werden.
Wer sich auch für Inhaltsstoffe und Nährwert-Tabellen interessiert, dem wird bei der Inspektion von "V/H/S Viral" sogar auffallen, dass sich mindestens zwei erfahrenere Namen auf den Regie-Stuhl verirrt haben. Gregg Bishop ("Dance Of The Dead") und Nacho Vigalondo ("Timecrimes") sind jedenfalls keine allzu unbeschriebenen Blätter. Ein Unterschied, der ihren Segmenten teilweise anzumerken ist, wenngleich auch hier wieder alles wacko und erst recht nicht rational ergründbar ist.
"V/H/S Viral" fällt insofern wie seine Vorgänger aus. Und ist doch wieder erbarmungslos eigen in seinem Bestreben, die gängigen Genre-Restriktionen und Erwartungshaltungen auszuloten und sich darüber hinweg zu setzen. Ein Experiment, das schon einmal in einer Story wie die über die Dogtown Boys münden kann, die sich plötzlich in der Nacht der reitenden Leichen wiederfinden. Banane, beknackt, sinnlos und vielleicht deswegen Freunden des schnellen Trash-Vergnügens zu empfehlen.
Dabei ist Trash eigentlich gar eine Beleidigung für diese Serie. Hier mag alles haarsträubend zusammengesetzt sein, aber es ist schon nicht mehr gut oder schlecht. Es ist halt "V/H/S", da ist alles möglich und rein gar nichts muss gefallen oder sinnvoll sein. Nur über so manchen miesen Effekt sollten wir uns mal unterhalten. Ansonsten heißt es: Reinbeißen auf eigene Gefahr. Vielleicht finden nur vorgedehnte Münder daran Gefallen.