mikkean - Kommentare

Alle Kommentare von mikkean

  • 6 .5
    über V/H/S 2

    Die Rückkehr des ultimativen Leitfadens "1001 REZEPTE FÜRS BLUTIG-SCHAUDERHAFTE HALLOWEEN":

    Rezept #2013: "V/H/S 2" á la The Collective

    Wer sagt eigentlich, dass sich nur die Video-Sammlung oller Familienfeiern unsagbar horrormäßig anfühlen muss? Immerhin leben wir in der Post-Found-Footage-Ära. Mal ehrlich, Schauer-Video-Tagebücher lassen nun keine Herzen mehr kurz aussetzen. Dafür gab es schon zu viele paranormale Aktivitäten. Rewind to 2012, als ein paar unerschrockene Nachwuchsfilmer mit "V/H/S" dem angemalten Subgenre ihren ganz eigenen Twist verpassten. Und der war schnell, unlogisch erzählt, dafür blutig und böse.

    Die kleine Horror-Anthologie unmöglicher Geschichten aus dem unheimlichen Keller voller Videotapes steckt immer noch voller abstruser wie auch teils genialer Ideen. Aber gerade die beliebig wirkende Struktur oder das schwankende Niveau der visuellen Effekte dürften so manchen Horror-Fan vom Reinbeißen abhalten.

    Fast Forward und schon wären wir bei "V/H/S 2" gelandet. Das Nachfolge-Modell präsentiert sich als verbessertes Big-Mac-Menü, das neben Dressing, Beef und Salatgürkchen auch mit einer Ladung Schinken aufwartet. Ja genau, "V/H/S 2" ist irgendwie das gleiche und doch größer, fetter und deftiger.

    Im Angebot haben wir wieder eine widerwartend unwichtige Rahmenhandlung. Aber wir reden ja auch nur von den Brotscheiben, die einen Inhalt saftiger Horror-Stories vom Auseinanderfallen bewahren. Gehen wir eine Geschmacksebene tiefer, dringen wir auch schon vor zum Sammelsurium blutiger Alien-Entführungen, Zombie-Übergiffe auf Kinder-Geburtstage oder selbstmörderische Sekten. Ferner wartet "V/H/S 2" mit der vielleicht widerlichsten Höllen-Ausgeburt seit Rosemary's Baby auf.

    Wenn wir ehrlich sind, wird der Genuss von "V/H/S 2" vielleicht niemanden zum Fan bekehren. Die Geschichten sind noch eine Spur abgedrehter geworden, leiden zunehmend aber auch an weniger berauschenden Effekten und Kostümen. Ganz persönlich gefragt, empfehle ich die Sekten-Geschichte als meinen klaren Favoriten. Das längste Segment kreuzt den mörderischen Irrsinn von Waco und Jonestown mit der Niederkunft des Anti-Christen und bleibt trotz allerhöchstem Gaga-Faktor teils beklemmend. Bevor es im Abgang natürlich wieder hektisch und unübersichtlich zugeht.

    Wie bei jedem Fast-Food-Menü geht es bei "V/H/S 2" nicht um den optischen Genuss oder die geschmackliche Raffinesse. Der Film ist ganz klar als Genre-Bastard zu verstehen. Ein kreativer wie handwerklicher Amoklauf, der beinahe im Schleudergang Ausflüge in die klassischen Welten des Horror-Genres unternimmt. Und jedes Mal in seinen kurzen Episoden ein Maximum an WTF-Momenten bieten will. Charakter-Tiefe, überzeugende mythologische Hintergründe oder einfach nur eine halbwegs zufriedenstellende Auflösung? Bitte, der Big Mac ist kein Fünf-Gänge-Menü im Sterne-Lokal. Das ist Reinbeißen, die Geschmacksrichtungen im Mund vermanschen und ab dafür.

    "V/H/S 2" ist damit wahrscheinlich eine der besten Fortsetzungen im Horror-Land. Sämtliche Stärken des Originals werden übernommen und teilweise sogar überholt. Im Gegenzug lassen die Geschichten den Sinn für Ironie vermissen, den "V/H/S" beispielsweise bei seiner Männerfresserin-Episode noch aufblitzen ließ. Doch sei's drum, dieser Gang ist ganz und gar dem Fast Food gewidmet. Und da geht es weniger um die perfekte Balance einzelner Zutaten, als mehr um das schnelle und wuchtige Geschmacks-Erlebnis. Insofern empfehle ich "V/H/S 2" als hübsche Abwechslung zum Biss in den mit einer Rasierklinge bestückten Apfel. Wohl bekomm's.

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    • 4
      über Autopsy

      Die Rückkehr des ultimativen Leitfadens "1001 REZEPTE FÜRS BLUTIG-SCHAUDERHAFTE HALLOWEEN":

      Rezept #2008: "Autopsy" á la Adam Gierasch

      Alle Mann festgeschnallt zum Blood Diner. Die Augäpfel aus den Höhlen gepult, die Zungen mit der Zange rausgestreckt. Bei unserem diesjährigem Festmahl gibt es mehr als nur eine Leiche zum Dessert.

      Um unsere Opfer, Pardon, Gäste in Stimmung zu bringen, servieren wir ein schauriges Aperitif: "Autopsy", einen Trip ins Psycho-Hospital. Die Zutaten dafür sind in jedem gut sortierten Supermarkt zu bekommen.

      Fünf wenig aussagekräftige Youngsters in Feierlaune, ein wahnsinnig gewordener Oberarzt und sein kleiner Stab grausam durchgeknallter Helferlein. Nicht zu vergessen ein altes Krankenhaus, dessen Gemäuer förmlich vor Geisteskrankheit und Massenmord trieft – et voilà, fertig ist unsere Splatter-Vorspeise "Autopsy".

      Ein preisgünstig produziertes Horror-Vergnügen, das wenigstens scheibchenweise ein wenig Stimmung und Atmosphäre aufkommen lässt. Gerade mal ein nennenswerter Star, nämlich Robert "T2" Patrick, hat sich in die Garde mehr oder weniger bekannter Fernseh-Gesichter verirrt. Die Kulissen zählt eine sehr überschaubare Zahl an karg ausstaffierten Räumlichkeiten – aber lassen wir uns diesen Stückchen billigen Horrors ein wenig auf der Zunge zergehen.

      Dass die Grundidee (angetrunkene junge Menschen bauen einen Unfall und verirren sich ins Horror-Hospital) stupide ist, geschenkt. Dass sich die darstellerische Leistung meist hölzern und eindimensional anfühlt, das sind wir doch schon gewöhnt. "Autopsy" besitzt dennoch einen äußerst trashigen Charme. Große Horror-Kunst wird hier wahrlich nicht geboten, dafür ist die Sache nach rund 80 Minuten auch schon wieder durch.

      Während dieser verdaulichen Laufzeit gibt es immerhin ein Final Girl zu bewundern, das den Schädel angebohrt bekommt, selber Köpfe zermatscht und Messer fuchtelnd den Wahnsinn der Belegschaft zu übernehmen scheint. Es gibt einige wenige unschöne Psychopathen-Eingriffe und kranke Organ-Entnahmen, die stellenweise schon den Blutdurst echter Gorehounds stillen dürften.

      Und am Ende steht sogar der Verdacht, dass "Autopsy" nicht nur für eben launige Horror-Freaks genießbar ist, sondern sogar starke Züge eines selbst-ironischen Low-Budget-Schwachsinns trägt. Halt eine Veranstaltung, die zunächst echt dröge scheint, um mit der Zeit plötzlich doch unterhaltsam zu werden. Jedenfalls, wenn klar ist, dass "Autopsy" weder zur Unter- noch zur Oberklasse des Genres gehören will und kann. Sondern einfach nur ein wenig crazy und ein bisschen bloody sein will, statt spannend oder gar revolutionär.

      Nichts starkes, nichts schwaches – "Autopsy" ist beileibe keine außergewöhnliche Vorspeise, aber trotzdem auch ein Horrorfilm von Fans für Fans.

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      • 6 .5

        Tja, meine lieben Spartiaten. Es kommt die Zeit, da erscheint die Welt des Guido Knopp zu klein und die gestelzten Spielszenen einer Terra-X-Doku viel zu harmlos. Es gibt Zeiten, da pfeife ich auf Faktentreue und historische Akkuratheit. Da will ich mich am liebsten selbst ins antike Schlachten-Getümmel stürzen. Mit Schwert und Schild voran, die Götter aus voller Kehle anrufend und die Schädel meiner Feinde spaltend.

        Aber bitte, haut doch nicht ab. Eure Köpfe will ich schonen. Bei "300: Rise Of An Empire" gehen mitunter die Kriegsrösser mit mir durch. Zeitweilig meine ich, den Gestank vergossenen Blutes und verbrannter Erde riechen zu können. Womit selbst der Rückzug von Bilder-Stürmer Zac Snyder auf den Produzenten- und Autoren-Stuhl nicht weiter unangenehm auffällt.

        Im Gegenteil, "300: Rise Of An Empire" sieht mindestens so stark aus wie sein Vorgänger. Der Film schafft es sogar, zeitlich als Prequel, Parallel-Handlung und Fortsetzung zu fungieren. Leck mich fett. Endlich erfahren wir, wie Xerxes vor der Ganzkörper-Haar-Entfernung aussah und warum die Perser über Griechenland herfallen.

        Wem es nicht der Bearbeitung dieser Fragen dürstet, hat vermutlich auch schon an "300" kein großes Interesse gehabt. Allen anderen Hunden des Krieges sei versichert, dass Neu-Regisseur Noam Murro seine Fuss-Soldaten angemessen zu inszenieren versteht. "300: Rise Of An Empire" ist ein imposantes Gemetzel, das sich glänzend in die Comic-Fantasie einfügt, die Schöpfer Frank Miller und das Znyder-Team zuvor erdacht haben.

        Erneut stellen sich Griechen und Spartiaten einem übermächtigen Heer unter Xerxes. Teils gigantischen Kreaturen, die wirken, als würde der selbsternannte Gott-König die Titanen persönlich kommandieren. Nur eines stört dabei: der Fluch, immer nur der ewige Zweite zu sein.

        "300: Rise Of An Empire" kann denn auch nur blutrünstig gute Bilder bieten. Die Handlung selbst ist flach. Was natürlich nicht bedeutet, dass "300" ein hoch anspruchsvoller Streifen war. Im Gegenteil, aber er sah verdammt gut aus. Und war damals als verfilmte Graphic Novel mal was anderes als die immerzu gleichen Superhelden-Epen.

        Und kontrovers erschien der Umstand, dass die Spartiaten im Grunde einer faschistischen Selektion schwachen Lebens und einer Ideologie des Krieges frönten. Als reine Vorsichtsmaßnahme wurden derartige Züge gleich unter den Tisch fallen gelassen. Unser neuer Held Themistocles wird nicht müde zu betonen, dass in diesen Schlachten nicht weniger als die Demokratie im freien Griechenland verteidigt wird.

        Ja ja, wie auch immer. "300: Rise Of An Empire" ist definitiv der beste Zeitvertreib für alle, die ihren Flatscreen in den dreckigen Farben des Kampfgeschehens aufleuchten lassen wollen. Und für alle, die sich an erstaunlich schwachen männlichen Charakteren nicht stören, solange es Frauen-Power gibt. Für die sorgen in diesem Fall dankenswerterweise Rückkehrerin Lena Headey und Neuzugang Eva Green. Letztere mausert sich langsam als Geheimwaffe für weniger gloriose Projekte, siehe "Dark Shadows" oder "Sin City 2".

        Also bitte, Ansprüche runter schrauben und dafür die Speere spitzen. Es darf bei diesem Ausflug ins Reich stahlharter Krieger und Fabelwesen im Blut gebadet werden. Optisch ist das eine Wucht, alles andere diskutabel. Danach darf es dann ruhig wieder erlesenere Film-Kost über dem Bildschirm flimmern.

        3
        • 5
          mikkean 20.10.2015, 01:42 Geändert 20.10.2015, 01:53
          über RoboCop

          Was habe ich nächtelang in mein Kissen geweint. Kerzen in der Kirche angezündet und gebetet, dass es doch nicht so weit kommt. Aber es passiert. Es gibt einen zweiten Film, der sich "Robocop" nennen darf. Dem Remake-Wahn Hollywoods werden wohl noch einige Kult-Werke anheimfallen. Bis vielleicht irgendwann klar sein wird, dass Updates, Anpassungen und Verdrehungen an den Zeitgeist und "moderne" Sehweisen eben nicht über Ideen-Armut hinwegtäuschen.

          José Padilhas "Robocop" musste ich glatt zweimal ansehen, bis ich mir eine halbwegs klare Meinung bilden konnte. Grund dafür ist vor allem der Umstand, dass Padhila durchaus eigenständigen Input ins Format der Neuverfilmung hineinpumpt. Der Vorwurf, hier würde nur die altbackene Geschichte nochmals schicker aufgeblasen, fällt somit eigentlich flach.

          Denn dieser "Robocop" erzählt zwar wiederum vom zukünftigen Detroit und dem Streifen-Cop Alex Murphy, der als stählerner Gesetzes-Hüter aufersteht. Es gibt auch einen Janus-köpfigen Konzern-Giganten, der für Profit und die Durchsetzung eigener Interessen über Leichen geht.

          Jedoch, dies ist auch die Geschichte über Meinungs-Mache und Manipulation, Massenmedien und moderne Konflikte. Wow, welch Alliteration. Das Detroit in diesem "Robocop" ist kein kriselnder Moloch aus Korruption und rechtsfreiem Kriegsgebiet. Es ist eine sehr saubere Großstadt, in der Vorzeige-Cop Alex Murphy sich mit dem großen Unterweltboss Vallon anlegt und in die Luft gesprengt wird.

          Vom Konzern-Riesen OmniCorp überredet, gibt Murphys Witwe die Überreste ihres Gatten für ein Experiment frei. Aus Alex wird Robocop, das Prestige-Projekt, mit dem OmniCorp die Öffentlichkeit von der Verlässlichkeit ihrer Roboter-Dronen und Kriegsmaschinen überzeugen will.

          Wow, spulen wir ruhig kurz zurück. Eine veränderte Background-Story, ein anderer Ansatz und nicht nur ein weitgehend neu gestalteter Titelheld. Anfangs macht "Robocop" sogar einen recht guten Eindruck. Nicht wenige Remakes nehmen sich freizügige Variationen und Veränderungen heraus. Diese bietet sogar einen starken Einstieg, aus dem ein interessanter Handlungsrahmen resultiert. Ein Konzern hat die Befriedung im Nahen Osten privatisiert und lässt Cyborg-Einheiten Patrouille schieben. Fast zynisch und böse erscheint da die Rolle von Samuel L. Jackson als Medien-Meinungsmacher Novak.

          Die wirkliche beste Errungenschaft des neuen "Robocop" ist die Weiter-Entwicklung der Fernseh-Unterbrechung. Statt Nachrichten und fiesen Spots darf Jackson pamphletisch gegen die Regierung wettern und schwört seine Zuschauer auf die Vorzüge der technischen Revolution in Militär und Polizei ein. Ob nun besonders kreativ oder einfach nur halbwegs gelungen weitergedacht, dieser Aspekt bleibt stärker im Gedächtnis haften als die Taten des Titelhelden.

          Was leider umso deutlicher wird, wenn das Geschehen vom Marketing-Gerede zwischen Michael Keaton – ich mache hier noch vor "Birdman" eine tolle Comeback-Leistung aus, immerhin toll gespielt – und seinem Team oder der Entwicklung und Testphase mit Gary Oldman, irgendwann auf die Streife wechselt. Mann, was ist das uninteressant.

          "Robocop" scheitert genau da, worin der Film so viel Anstrengung investiert. Das Vor-Geplänkel ist gut und vielleicht sogar echt vielschichtig. Aber sobald Murphy als Robocop in den Dienst geschickt wird, verpufft beinahe jeglicher positiver Eindruck der Neu-Verfilmung.

          So wird auch dieser Murphy von seinen Schöpfern zurecht programmiert. Er operiert zeitweise wie eine Maschine und unterdrückt, was er noch an menschlicher Empfindung zu verspüren scheint. Okay, schon geschnallt. Aber bitte bietet uns mehr als beliebiges Zahlen- und Fakten-Nennen von erfolgreichen Streifzügen. In dieser Phase des Films ist Robocop, der Held, ein sturer Blechmann, der ausführt und nicht hinterfragt. Was uns so auch erklärt wird, aber dann plötzlich, braucht es nur das Zureden seiner besorgten Frau und schon erlangt Murpy wieder völlige Autonomie. Was bitte?

          Dies ist die wohl störendste Logik-Lücke im Skript, die mich jedenfalls bis zum Ende beschäftigt hat. Ja, es war sogar ärgerlich, wie jedes Gelabere von Unterdrückung und Programmierung durch einen Augenblick zerstört wurde. Womit eben auch die technische Überlegenheit des Produkts Robocop von OmniCorp dahinschwindet.

          Dieser Bruch, die Wandlung vom tadellosen Uhrwerk zur Mensch-Maschine, erfolgt so plötzlich wie auch komisch. Aber irgendwann muss ja auch etwas anderes im Film passieren, nicht wahr? Und auch hier verfolgt die Neu-Auflage ein Motiv des Originals. Die Rache am Gangster-Boss und das Aufräumen mit seinen Drecks-Schergen. Leider ist dieser Abschnitt, wie die gesamte Story des Cops Alex Murphy, die belangloseste.

          Überraschungsarm und clean in Sachen Blutvergießen und Shootouts, versucht "Robocop", eine ziemlich langweilige Angelegenheit aufregend aussehen zu lassen. Was stellenweise zumindest optisch glückt, aber eben nicht denkwürdig ausfällt. Dafür ist diese Version zu eindeutig von allen fiesen Spitzen bereinigt worden. Aus einem einst erwachsenen Stoff ist ein jugendfreundliches Etwas geworden, in dem einiges passiert, aber nichts Umwerfendes. Nun will ich das Genre nicht abwatschen. Gewalt und Schimpfwörter sind keine Grundbedingungen. Ich meine trotzdem, dass Paul Verhoeven sie einst klug verwendete, um die wirklich abgründigen Handlungen von OCP und den Zustand von Detroit auch erträglicher zu machen.

          Derart doppelbödig ist dieser "Robocop" eben nicht mehr. Ich will das nicht als Verrat am originären Stoff brandmarken. Jedoch fällt bei dieser Interpretation das durchgehende Ignorieren echter Konsequenz auf. Ideen gibt es einige, doch nur die wenigsten werden wirklich zu Ende gedacht. Die Sache mit der Korruption in den Reihen der Polizei? Schnell abgehandelt, wie eine beiläufige Episode. Murphy im Maschinen-Modus, der als Papp-Bulle missbraucht wird? Siehe oben, es braucht nur gutes Zureden und schon ist er wieder er selbst.

          Sogar die eigentlich wichtige Figur des Gary Oldman leidet unter Schizophrenie. Mal Gutmensch, mal Handlanger, am Ende doch wieder der, der unserem Robocop hilft, den bösen Boss zu stürzen. Die Voraussetzungen fürs Remake sind wahrlich nicht die schlechtesten. Aus "Robocop" hätte ein wirklich sehr guter Film werden können. Wenn alle Karten richtig ausgespielt worden wären, dann hätten der Ausflug in den Nahen Osten, nach China und wieder nach Detroit, die Funktion des Fieslings Jackie Earle Haley und selbst die emotionale Verbindung zu Murphys Familie – ja, das alles hätte Verwendung in einem wirklich ansprechenden Film finden können. Die Zutaten sind erkennbar, die Rezeptur des Resultats ist leider zu verwässert.

          "Robocop" ist kein mieser Film geworden. Beileibe nicht, nein. Was den heutigen Standards an Murphys Design, dem schnittigen Polizei-Bike und modernen Action-Sequenzen alle Ehre macht, erfüllt leider nicht den Anspruch, dem Denkmal Robocop eine vollkommen ungekannte Note und würdige inhaltliche Neuerungen zu verpassen. Dieses Remake ist nun mal irgendwie okay, zieht an einem vorbei. Aber es ist und bleibt nur der Versuch einer Neu-Konzeption eines immer noch verdammt starken Originals.

          5
          • 8 .5

            Wenn du auf dem Mars stranden solltest, dann brauchst du vor allem zwei Dinge: einen Grünen Daumen und Disco-Musik.

            "Der Marsianer – Rettet Mark Watney" hat für mich ein Wunder vollbracht. Der Film brachte mich dazu, ins Kino zu gehen und mit einem gestärkten Glauben an die Science Fiction den Saal zu verlassen. Nicht die düsteren Szenarien vermüllter Megacity-Ruinen und sozialer Repression, wie sie beispielsweise Neill Blomkamp erforscht.

            Nein, "Der Marsianer" schaut weit nach vorne. So wie Stanley Kubrick und Arthur C. Clarke. Und so wie es Christopher Nolan zuletzt mit "Interstellar" getan hat. Wir werfen einen Blick auf die Zukunft der Raumfahrt und erleben auch, dass trotz großen Fortschritts immer noch großes Gefahrenpotenzial besteht.

            Das erlebt Matt Damon alias Mark Watney auf die harte Tour. Als der Botaniker der Mars-Mission bei der überstürzten Flucht vor einem gewaltigen Sturm von einer Antenne getroffen und für Tod gehalten wird. Watney erwacht gottverlassen auf dem Roten Planeten. Während der NASA-Chef der Welt seinen Tod verkündet, muss sich Watney angesichts knapper Nahrungs- und Energie-Reserven, schnellstens auf seinen Erfindungs-Reichtum und seine Botanik-Kenntnisse besinnen.

            Nun ist der Überlebens-Trip, den Ridley Scott in "Der Marsianer" zelebriert, natürlich auch ein Stück weit pathoserfülltes Kino. Das Schöne daran, es geht nicht um den Fortbestand der gesamten Spezies. Es gibt nur diese eine historische Bürde, dass ein Mann darum kämpft, nicht als erster Toter Astronaut auf dem Mars zu enden. Gleichzeitig ist es eine Geschichte darüber, wie Watney über Wochen und Monate hinaus versucht, mit der Erde Kontakt aufzunehmen. Und wie ein anfangs ungläubiges Team alle erdenkliche Hilfe zu leisten versucht.

            Das ist schon mal die schönste Überraschung des Films. Es ist keine zweistündige Zukunfts-Variante von "Castaway", bei der Matt Damon allmählich geistig und körperlich abbaut und auf Rettung hofft. "Der Marsianer" bietet einen teilweise launig erzählten Überlebeskampf. Mit einem gut aufgelegten Matt Damon als Helden, der als eine Art Bio-MacGyver seine Talente mit ungewöhnlichen Hilfsmitteln anzuwenden versucht. Und sich gleichzeitig mit den Klängen der Disco-Ära anzufreunden versucht.

            Mark Watney ist ein geerdeter Held. Ein lustiger Typ, der ein unterhaltsames Video-Tagebuch führt und selbst der dunkelsten Stunde noch einen guten Spruch entlockt. Wie realistisch seine geistige Kondition angesichts dieser Lage erscheinen mag, sei einmal dahin gestellt. Wir reden ja auch von einem Film, der in welchen Jahr spielt? Zweitausen-Einhundert-und-Was?

            Womit Ridley Scott außerdem punktet, das ist die Wechsel-Schaltung zur Erde. Ins NASA-Zentrum, wo sich unter anderem Jeff Daniels, Kristen Wiig und Sean Bean die Köpfe darüber zerbrechen, wie und wann Watney nach Hause geholt werden kann. Und auch hier ist "Der Marsianer" kein stocksteifes Stück Bibber-Kino. Wie schon bei "Apollo 13" wird gebrainstormt und getüfftelt, gerechnet und geredet. Aber auch an dieser Stelle wird nicht mit Humor gespart. Humor, ach was für eine Eigenschaft.

            Es wird sicherlich einige geben, die "Der Marsianer" gerade diesen Wesenszug ankreiden werden. Bei "Interstellar" wurde ja auch nicht gelacht, da wurde gelitten und gerettet. Doch Ridley Scott schafft für mich das kleine Wunder, einer bierernsten Ausgangslage einen Hauch von Bierlaune zu verleihen. Oder nüchtern ausgedrückt, einem Sci-Fi-Drama den richtigen Schuss Humor und Selbstironie zukommen zu lassen. Denn seit diesem Film denke ich beim Hören von Donna Summer's Hot Stuff nicht gleich ans Strippen aus "Ganz Oder Gar Nicht", sondern an Matt Damon und Plutonium.

            Selbst die Pathos-Kurve kriegt der Film in meinen Augen gekonnt hin. Klar muss es Jessica Chastain, Michael Peña oder Kate Mara anzusehen sein, dass sie ihrem Crew-Mitglied nachtrauern und Watney schließlich selber vom Mars abholen wollen. Trotzdem verkommt "Der Marsianer" nicht zum von Raumfahrer-Ethos durchtränkten Helden-Loblied. Auch wenn am Ende bilaterale Partnerschaften über alle Ideologien hinweg die Rettungs-Mission ankurbeln.

            Wenn ich da einzelne Versatz-Stücke aus "2010", "Apollo 13" oder auch "Gravity" herauslese, "Der Marsianer" ist ein gutes Stück großen Sci-Fi-Kinos geworden. Eines mit einer verdammt guten Grund-Idee und einer sehr leichtfüssigen, manchmal sehr tänzelnden Gangart. Aber wer sagt, eine der Grundfesten des Genres sei todernste Mimik und Rationalität. Ridley Scott hat sogar das noch größere Wunder vollbracht, was ihm mit "Prometheus" nur teilweise gelang: tolle Bilder und State-Of-The-Art-Effekte mit einer interessanten und starken menschlichen Komponenten zu bereichern. Es wird sogar bei "Der Marsianer" stark "gemenschelt", aber ohne diese Zutat würde eben kein grünes Pflänzchen sprießen. Weder auf dem Mars, noch sonst wo.

            Mag sein, dass die Buch-Vorlage von Andy Weir dunkler und intensiver daherkommt. Dass es dort ernüchterndere Story-Fäden gibt. Ein Film bleibt halt immer eine Interpretation. "Der Marsianer – Rettet Mark Watney" ist für mich einfach ein unterhaltsamer Science-Fiction-Film. Einer der mitreißt, unterhält und hin und wieder packt, ohne dass die Last der Verantwortung und des Heldentums das Geschehen zu erdrücken drohen. Bei aller Verneigung vorm Massengeschmack und schöner Happy Ends, die größte Errungenschaft von "Der Marsianer" ist der Triumph der positiven Emotion über die Verzweiflung. Nennt es doch spöttisch Wohlfühl-Kino. Na und, es ist dennoch Sci-Fi.

            5
            • 5
              über Parker

              Okay, eines muss ich zugeben. J. Lo, äh, Jennifer Lopez hatte ich nun schon lange nicht mehr auf dem Radar für ernstzunehmende Darsteller. Nun ist ihr Part in "Parker" nicht der beste und aussagekräftigste, aber er fällt angenehm auf.

              Denn "Parker" fühlt sich als Rache-Story unter Gangstern und Jason-Statham-Vehikel vor allem routiniert an. Sprich: es ist okay und doch nicht das Gelbe vom Ei. Böse Jungs bescheißen sich, böse Jungs erschießen sich. Da gehen selbst Nick Nolte und die gefährdete Herzdame des Titelhelden ein wenig unter.

              Regie-Veteran Taylor Hackford verlegt die Abrechnung zwar mal weg von düster-schäbigen Großstadt-Hinterhöfen ins sonnige Florida. Doch schnell macht sich bei "Parker" auch ein wenig Langeweile breit.

              Der große Überfall zu Beginn ist noch ganz cool, doch danach entwickelt sich das ganze schnell zu einer Stehauf-Männchen-Nummer. Statham gibt hier doch bestimmt nicht bloß einen gewitzten Gauner, der abgestochen und niedergeschossen wird und kurz darauf wieder tatkräftig rumlaufen und zulangen kann. Dieser Parker ist doch bestimmt ein Nachfahre von Connor MacLeod.

              Und doch bleibt "Parker" trotz der schicken Lokalität und der wundersamen Heilkräfte des Helden eher der nette Thriller für Zwischendurch. Alles halt, nur keine Wiederbelebung der Gangster-Nehmen-Rache-Motivs aus "Point Blank" oder "Payback". Dafür fehlt "Parker" dann doch etwas zu viel Substanz.

              • 2 .5

                Ach, ich würd so gerne Ghosten, wenn ich's brauch am mosten ...

                Wenn Vater und Sohn schon mal einen Ausflug machen, dann müssen sie ja auf einem feindlichen Planeten aufschlagen. Willkommen auf der Erde Jungs, willkommen zu "After Earth".

                Und was ist das für ein Stuss. Ein lahmarschiges Sci-Fi-Ding zwischen Robinson-Crusoenade, Smith-Show und Esoterik-Quark. Ein wenig wie "Avatar", nur ohne all das, womit James Cameron uns drei Stunden in seinen Bann schlagen konnte.

                Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass Will Smith das unsympathische Papa-Monstrum geben muss. Nein, er passt sich dem fehlendem schauspielerischen Charisma seines Sprösslings Jaden glatt an und kommt den gesamten Film über mit einer versteinerten Miene aus. Sohn Jaden nervt schon, weil er die ganz Zeit ausschaut, als wolle er drauflos heulen. Papa Will erlaubt sich eine der seelenlosestesten Performances ever.

                Storytechnisch wirkt "After Earth" wie einer der "Jugend-Romane" von Robert A. Heinlein. In deren Verlauf die Helden Gefahren durchleben und am Ende lernen, wie wichtig Disziplin für gute Weltraum-Kadetten, Starship Troopers oder whatever so ist.
                Schön blöd, dass "After Earth" in seiner Ausführung scheitert. Trotz Millionen-Budgets ist am Ende ein rein unspektakulärer Streifen entstanden, der weder denkwürdige Szenen, noch Ausflüge in digital gezauberte künstliche Welten bietet.

                Warum ausgerechnet der Name M. Night Shyamalan diesen Unfug zieren darf, bleibt ein Rätsel. So wie die Frage, ob dieser ganze "Angst-ist-eine-Wahl"-Murks nun in die L.-Ron-Hubbard-Gedenkhalle oder auf die Müllhalde geistiger Flatulenz gehört.

                "After Earth" ist vor allem verschwendete Lebenszeit, vergeudete Anstrengung und ein Haufen verbrannten Geldes, mit dem weitaus bessere Werke hätten gedreht werden können. Normalerweise können Sci-Fi-Stories unsere Träume aufhellen und in ungeahnte Höhen aufsteigen lassen. "After Earth" zermalmt diesen Schmetterling mit der Wucht gähnender Leere und Belanglosigkeit. Eine Schande für dieses Genre.

                6
                • 6 .5

                  Die verdammte Sache mit den Fortsetzungen schon wieder. Heutzutage bekommt ja jede halbwegs erfolgreiche und Erfolg versprechende Eintagsfliege ein Sequel spendiert. Also warum nicht auch eines fürs amüsante und schön laute Agenten/Killer-im-Ruhestand-Happening "R.E.D."?

                  Das war schließlich so doof wie spitze. Und es präsentierte uns einen Bruce Willis, von dem ich meine, dass er seine Action-Routine etwas erträglicher und lohnenswerter empfand. Vermutlich auch dank der Riege namhafter Co-Stars. Es könnte neben dem finanziellen Ausgleich auch die Rückkehr von John Malkovich, Mary-Louise Parker und Helen Mirren gewesen sein, die Willis für "R.E.D. 2" schwach werden ließ.

                  Was uns ein Segen sein soll, auch wenn wir nie ernsthaft an die Dringlichkeit dieses zweiten Teils geglaubt haben mögen. Aber wenn schon, dann bitte mit Bruce Willis als Frank Moses, der Super-Agenten-Tötungsmaschine im Ruhestand, die jetzt auf romantischen Hausmann-Modus umgeschaltet hat. Doch die Welt ist keine friedvolle, weswegen sich schon bald wieder ein Haufen Verfolger auf Frank und seine Liebste Sarah (Mary-Louise Parker) stürzen.

                  Dass es dieses Mal um irgendeine geheime Mega-Bombe geht, sollte keine Kopfschmerzen bereiten. "R.E.D. 2" hat keine allzu komplexe Handlung zu bieten. Aber dafür wird die Sache schon phasenweise kompliziert erzählt. Schon der Vorgänger war ganz auf die Dynamik der Rentner-Truppe zugeschnitten und die Romanze im Kugelhagel zugeschnitten. "R.E.D. 2" macht einfach da weiter, wodurch Willis alias Moses nicht nur die Welt retten, sondern auch gleich seine festgefahrene Beziehung wieder auf Valentinstag-Schiene bringen muss. Wobei letzterer Auftrag eindeutig der schwierigere von beiden ist.

                  Für die Liebe und den Frieden, zieht es Willis, Parker und natürlich auch Malkovich nach Europa. In Paris, London und Moskau finden sich die Puzzleteile, mit denen die Altherren und Dame (Mirren) eine böse Explosion vereiteln können und ihren inzwischen auf Todelisten-Niveau abgerutschten Ruf rehabilitieren können. Sagte ich einfache Handlung? Sorry, da muss ich etwas nachtragen.

                  "R.E.D. 2" kümmert sich wie schon der Vorgänger wenig um die inhaltliche Note. Zelebriert wird allein die Zerstörungs- und Tötungsfreude der in die Jahre gekommen Stars. Was im altbekannten Steigerungswahn eines Sequels auch das Auftauchen neuer Namen wie hier Anthony Hopkins und Catherine Zeta-Jones mit sich bringt. Es hat auch wieder zur Folge, dass Schießereien und Action-Sequenzen so gaga ausfallen wie die Story. Nicht die zugrunde liegenden Motive, sondern die Art und Weise, wie das alles voranschreitet.

                  Da darf Neal McDonough als eines der liebsten Bösewicht-Gesichter im Grunde das gleiche machen wie Karl Urban: Leute umbringen und Bruce Willis jagen. Keine neue Idee, aber in diesem Fall auch geradezu unnötig am eigentlichen Erzählstrang angeheftet. Bei "R.E.D. 2" gibt es ein paar solcher Einfälle, die – ob in ihrer Konzeption oder Ausführung – daneben greifen. Wie die Sache mit der blöden Russen-Proll-Uschi-Ex-Freundin Zeta-Jones. Schauspielerisch gibt es nichts zu bemängeln, aber wozu bloß das alles? Etwas behelfsmäßige Eifersucht einstreuen, eine rasante Verfolgungsjagd und dann dieser blöde Ausstieg. Na toll.

                  Weitere Beispiele gefällig? Bitte selber suchen. Ich möchte ja noch gnädig sein. Und lasse es mir deswegen gefallen, dass John Malkovich in diesem Fall so weitaus weniger durchgedreht durch die Gegend läuft und sogar Mary-Louise Parker ein paar Verrücktheiten überlässt. Warum auch immer. Es stößt mir auch nicht auf, dass Bruce Willis zwar immer noch in Topform ist, uns dafür aber verstärkt seinen Grummel-Vibe spüren lässt. Und ich erachte es mal weniger als verschenkte Chance, als denn als Trostpflaster, dass Helen Mirren und Anthony Hopkins ein paar hübsche Szenen geschenkt bekommen haben und trotzdem unterfordert geblieben sind.

                  So unnötig es vielleicht auch gewesen sein mag, "R.E.D. 2" ist trotz allem kein schlechtes Sequel geworden. Es könnte sogar als eines der würdigsten angesehen werden. Gerade die Ergänzung durch den Wirbelwind Byung-hun Lee sorgt mit für die frischten Momente des ganzen Films. Wie schon beim ersten Teil sollte die Devise "Augen zu(drücken) und durch" heißen, schließlich ist "R.E.D. 2" ein sinnfreier Spaß. Ein nicht ganz so ohrenbetäubendes Feuerwerk, das sich mehr um die Eigenheiten und Macken seiner Figuren dreht. Und nicht darum, nur möglichst vieles in kürzester Laufzeit in Schutt und Asche zu legen. "R.E.D. 2" ist dann auch eine nette Alternative zu den Expendables, wo die harten Kerle im Dauerfeuer etwas untergehen und blass bleiben.

                  Atemlose Action und sinnentleerte Materialschlachten bietet "R.E.D. 2" nur sehr wenig und gerade scheibchenweise. Was nicht schlecht kommt, selbst wenn vieles sehr vertraut vorkommt. Innovation war sowieso nicht Bestandteil der Mission. Es mag nach dem Genuss von "R.E.D. 2" sehr deutlich werden, dass Frank Moses und Co. doch endlich ihren Ruhestand genießen sollten. Aber wenigstens kann ich sagen, dass dieser zweite Teil auch beim zweiten Anschauen immer noch einen guten Zeitvertreib darstellt. Bruce Willis hat sicherlich bessere Filme in der letzten Zeit abgeliefert, aber eben auch schlechtere. Und dieser ist schließlich eine Gruppenleistung.

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                    Also, wenn meine nächste Familien-Feier von maskierten Psychopathen gestürmt wird, brauch ich unbedingt auch so eine Freundin ...

                    Ein Film, bei dem uns viele Ideen so schon einmal untergekommen sind? Normalerweise wäre dies ein klarer Fall von "Netter Versuch, aber langweilig" oder gar schlimmerem. Aber nicht so bei "You're Next", einem der besseren und amüsanteren Home-Invasion-Streifen der letzten Jahre. Vielleicht sogar mein Fan Favorite des gesamten Jahrzehnts.

                    Selbstverständlich ist "You're Next" zu Beginn wie ein ausgelutschter Drops. Familie Davidson findet im Ferien-Domizil zusammen. Da nicht jeder Sprösling des Clans so erfolgreich im Leben steht, beginnt das gegenseitige Zerfleischen schon am Esstisch.
                    Aber da beendet ein tödlicher Bogenschuss sämtliche Argumente.

                    Die Maskenmänner kommen und lassen keinen Zweifel daran, dass jeder auf der Abschussliste steht. Ob Familienmitglied oder Anhängsel. Fieserweise werden Funkverbindung und Fluchtwege sabotiert und im ganzen Haus befinden sich plötzlich Todesfallen.

                    Eigentlich wären die Davidson jetzt im Arsch, wenn nicht Sohn Crispian seine Freundin Erin mitgebracht hätte. Und Erin erweist sich erstaunlicherweise als größter Joker von "You're Next". Eine Freundin mit Survival-Erfahrung und einem Überlebens-Willen, der dem maskierten Killer-Trupp blutig Paroli bietet. Was für eine Frau!

                    Und welch Überraschung, die Macher von "You're Next" haben den Dreh raus. Natürlich ist das Szenario nicht neu. Im Gegenteil, inzwischen dürfte das Eindringen in die heimischen vier Wände nicht mal mehr als Aufhänger für eine TV-Epsiode reichen. Zu abgedroschen. Aber bei "You're Next" wird auf diesem Wege nur der Boden bereitet für ein höllisch garstiges Vergnügen.

                    Der Film erfüllt mühelos die gängisgten Horror-Kriterien dieser Sparte. Die Figuren sind grob umrissen und überhaupt bleibt jedem und jeder nur die Erfüllung des blutigen Schicksals. Surprise surprise darf geschrien werden, wenn ausgerechnet Barbara Crampton kurz als Familien-Matriarchin in Erscheinung tritt.

                    So richtigen Reiz entfaltet "You're Next" trotzdem erst, wenn die Davidsons aufgescheucht herumwuseln und ausgerechnet Erin den Überblick behält. Und beispielsweise den Angreifern das Eindringen durchs Fenster auf schmerzhafte Weise vermiest.

                    Tatsächlich braucht es gar nicht so lange, bis klar wird, dass die Tiermasken-Truppe nicht bloß entbüchste Psychos sondern waschechte Auftragsmörder sind. Oder dass es jemanden in den Reihen der Familie Davidson geben könnte, der vom blutigen Abschlachten profitiert. Derartige Kniffe sind nicht neu, dafür funktioniert "You're Next" auf handwerklicher Ebene. Dieser Film kann natürlich als x-ter Aufguss altbackener Ingredenzien betrachtet werden.

                    Dann würde er aber auch gleich sehr viel wenige Spaß machen. Sehen wir ihn aber als Variante und Ehrerbietung des klassischen Terror-Kinos an, so erweist sich "You're Next" als einer der frischesten Genre-Beiträge. Ob das Spiel mit Motiven und Story-Wendungen nun clever wie genial oder halt clever in den Mixer geworfen und durchgeschüttel wurde, ist am Ende fast schon egal.

                    "You're Next" fand nicht nur die großartige Sharni Vinson alias Erin den Weg in mein Herz. Nein, das fing schon in den ersten Minuten an, in denen sich uns der Filmtitel auf blutige Art und Weise präsentiert. Beinahe so memorabel und old school wie damals, als Freitag-der-13te-Schriftzug durch eine Glasscheibe geschossen kam.

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                      mikkean 13.09.2015, 16:24 Geändert 13.09.2015, 16:27

                      Anschnallen, Hirn ausschalten und das Gaspedal durchtreten: "Fast & Furious 6" ist am Start. Lange Zeit habe ich die "Fast"-Serie mit den Action-Reihen der Achtziger verglichen. Es ist natürlich schmeichelhaft für die Turbo-Freibeuter Diesel, Walker und Co., mit John McClane, Riggs und Murtaugh verglichen zu werden.

                      Doch "Fast & Furious" war für mich nie derart spannend aufgezogen. Noch habe ich einen direkten Draht zu den Figuren gewinnen können. Nun steht "Fast & Furious 6" an, mittlerweile lief sogar der siebte Teil. Und wie kann ich dem Franchise gerecht werden?

                      Will ich es niedermachen? Herabsetzen und für seine viele Lächerlichkeiten schelten? Könnte ich, kein Problem. Werde ich aber nicht.

                      Geben wir es doch zu. "Fast & Furious 6" hätte vor zwei Jahrzehnten keiner für möglich gehalten. Eine derart langlebige Action-Reihe, so lang wie die Slasher-Kollegen von "Halloween", "Freitag der 13te" und "Nightmare". Allenfalls hätte diese Vorstellung zum Witz gereicht.

                      Aber die Filme spielten immer wieder Geld ein und inzwischen ist die Angelegenheit ein Selbstläufer. Doch Sorry, "Fast & Furious 6" erlebe ich vor allem wie auf Autopilot.

                      Habe ich abgeschalten oder die Autoren? Eh egal, denn dieser Film verkörpert die Quintessenz des modernen Action-Spektakels: alles hat sich einigen überlangen Sequenzen zu beugen, deren Schauwert vor allem mit dem deutschen Wort furious zu beschreiben.

                      Sollte es uns da kümmern, dass dieses Mal nach Europa geht? Dass die Gegenspieler sogar Michelle Rodriguez aus dem Grab entsteigen lassen? Ja und irgendwie auch nicht. Die Rückkehr von Rodriguez ist sogar nur konsequent für diese Reihe, in denen Autos nicht nur Verkehrsvorschriften trotzen, sondern gleich allen Regeln der Physik und Vernunft.

                      Immerhin steht Vin Diesel damit vor einer amourösen Dreiecks-Wahl, denn er hatte sein Herz ja im letzten Teil einer anderen geschenkt. Ansonsten lässt es Regisseur und "Fast"-Veteran Justin Lin auch in diesem Teil wieder krachen. Und im Finale tretet unsere Crew sogar gegen das größte Militär-Flugzeug der Welt an.

                      Der Wow-Faktor sprengt somit eigentlich den Tachometer, selbst wenn ich zugeben muss, dass "Fast & Furious 6" mich nicht umgehauen hat. Er unterhielt mich, ob gut oder schlecht, ist dabei fast überflüssig. Fakt ist, für zwei Stunden hat die Mattscheibe geglüht und aus den Boxen kamen neben minimalen Dialogen vor allem eine Sinfonie aus Explosionen, Ballereien und quietschendem Gummi.

                      Es ist also alles beim Alten und das ist a) kein Wunder und b) auch ganz angenehm. Bei "Fast & Furious 6" geht es ja weder existenzielle Fragen noch um Wissenschaft. Was zählen sind Tempo, eine Menge zu fabrizierender Schrott und das Gefühl, dass wir einen Film lang jemanden anderes das Steuer übernimmt.

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                        mikkean 09.09.2015, 03:05 Geändert 09.09.2015, 03:10

                        Und wieder lauert das Grauen direkt in der lieben Nachbarschaft:

                        Ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass wirklich jeder halbwegs erfolgreiche und beeindruckende Film früher oder später für den US-Markt neu verfilmt wird. Weswegen allein die Ankündigung von "We Are What We Are" für keinen Moment des globalen Innehaltens sorgte.

                        Doch wenn ein Nachwuchs-Talent wie Jim "Stake Nation" Mickle sich dieser Aufgabe annimmt, besteht eine wage Hoffnung. Hoffnung darauf, dass uns ein hohles Remake erspart bleibt. Dass wir keine wiedergekäuten Handlungsstränge vorgesetzt bekommen und dass nur jegliches fremde Detail ausländerischer Produktionen in einen amerikanischen Kontext umgemünzt wird.

                        "We Are What We Are" erfüllt diese Hoffnung ebenso, wie es die grundsätzlichen Wesenszüge eines US-Remakes erfüllt. Mickle aber übersetzt die Motive des Originals und ordnet sie zu einem eigenständigen Werk neu an.

                        Nun finden wir uns im düster-kargen ländlichen Amerika wieder. In verregneten Wäldern und wahrhaft abgelegenen kleinstädtischen Siedlungen. Seit Tobe Hooper und Co. wissen wir ja, dass das Böse auch hier gerne residiert. Auch "We Are What We Are" ändert nichts an der kannibalischen Motivation der vorgestellten Familie, die hier Parker heißt.

                        Seit Generationen wird in den Reihen der Parkers ein düsteres Vermächtnis weitergereicht. Dabei spielt der Akt einer rituellen Schlachtung und Verspeisung von Opfern eine zentrale Rolle. Auch die Schwestern Rose und Iris wurden unterm Schatten dieses lebensnotwendigen Aktes erzogen. Bis jetzt, als plötzlich ihre Mutter unerwartet verstirbt und sich langsam zeigt, dass die Mädchen die Ansichten ihres herrischen Vaters vielleicht doch nicht mehr ganz teilen.

                        Ich muss gestehen, dass es schwerfällt, über "We Are What We Are" zu schreiben. Ausnahmsweise passiert hier zwar relativ betrachtet eher wenig. Dafür steckt der Film voller Facetten. Es ist sogar etwas zu viel, wenn wir bedenken, dass es eigentlich nur eine Neuverfilmung des mexikanischen Kannibalenfilms ist.

                        So einfach ist es dann aber auch nicht. Schließlich Jim Mickle wärmt nicht bloß ein altes Rezept neu auf. Er "erdenkt" das Konzept neu und gibt sich viel Mühe, dem Mysterium und den religiösen Motiven der Fresserei eine Grundlage zu verleihen. Deswegen beleuchtet diese Version viel ausführlicher, auf welch krankem Gedanken die Zeremonie beruht. Und welche Auswirkungen es auf die Familien-Struktur hat.

                        Nicht nur die Geschlechter-Rollen werden bei Mickle vertauscht. Auch die Mädchen werden viel stärker in einer Zwickmühle aus neuer Position als Schlachter und der Erwartungshaltung an ihre Rolle gezeigt. Immerhin gibt es hier einen kleinen Bruder und Oberhaupt Frank Parker tritt viel mehr als erpresserisch und despotischer Monster auf. Eine interessante neue Nuance, die "We Are What We Are" als eine Abhandlung über Wahn und Erziehung im bestialischen Sinne macht.

                        Ziemlich gut, wenn wir uns auch hier auf eine sehr gemächliche Gangart einlassen. Denn "We Are What We Are" ahmt sein mexikanisches Vorbild in dieser Hinsicht perfekt nach. Mickle ersetzt die Hetzjagd nach Fleisch und widmet sich den innerfamiliären Mechanismen. Wobei der nahende Tag der Opferung über allem schwebt. Aber auch die allmähliche Abkehr der Mädchen von der Überzeugung ihrer Eltern nimmt eine zentrale Rolle ein.

                        Was gerade Horror-Fans damit konfrontiert, dass eine brutale Handlung sich erst langsam anbahnt. Sehr langsam und das sei auch erwähnt, viel blutiger als das Original ist dieser Film nicht. Im Gegenteil, "We Are What We Are" funktioniert fast komplett auf psychologischer Ebene.

                        Dieser Brocken muss erst mal geschluckt werden. Zwar besteht kein Zeifel daran, dass wir abermals Kannibalen zuschauen. Aber sie wirken umso mehr mit ihren eigenen Querelen beschäftigt. Womöglich enttäuschend dürfte der Umstand, dass "We Are What We Are" sich in seinem abartig religiösem Gewand abmüht, aber dieses Motiv umso flacher abfällt.

                        Statt einer wahrhaft packenden Story, setzt Mickle viel mehr auf eher vorhersehbare Story-Kniffe und gebraucht den grimmigen Ursprung für eine recht überflüssige Rückblende. Da leistete selbst Kevin Smith in "Red State" überzeugendere Arbeit in seiner Darstellung extrem fehlgeleiteter (Un-)Gläubiger.

                        Leider wirkt nicht nur dieser Aspekt an "We Are What We Are" etwas zu beliebig. Auch der Umstand, dass der schnüffelnde Doktor (lustigerweise Michael Parks!) gerade zu diesem Zeitpunkt Knochen aus dem Fluss angespült bekommt. Es scheint, als hätte wirklich jede denkbare Entwicklung Verwendung finden müssen, um der Kannibalen-Sippe eine Art Showdown aufzuzwingen.

                        Deswegen bietet Mickle am Ende durchaus einen spannenden Schleudergang der Ereignisse, aber es ist weniger gruselig und vorstellbar, dass diese blutrünstige Familie derart unvorsichtig und unentdeckt tätig gewesen sein soll.

                        "We Are What We Are" ist eine durchaus ansehnliche "Re-Imagination" eines Originals geworden. Ein teils sehr lohnenswertes Stück anderen Horror-Kinos, bei dem sich die grausamsten Details im Inneren des Kopfes abspielen. Außerdem wandlelt Jim Mickle unbewusst oder ungewollt auf ähnlichen Spuren wie der Genre-Kollege "Jug-Face". Bei dem ging es auch um die Frage, ob wir uns dem religiösen Zwang unserer Eltern unterwerfen und wie wir davon entkommen können. Doch letzten Endes begnügt sich der Film auch nur mit einer teils spannenden Episode (mit etwas zu viel Zuspitzungen) und lässt das Ganze beinahe beliebig ausklingen. Es bleibt halt doch in der Familie.

                        Wem das schon zu langweilig klingt, sollte den Film wirklich nur antesten und dann entscheiden, ob er oder sie sich für diese Thematik erwärmen kann. Es ist nicht das langweiligste Stück Horror-Kino der letzten Jahre, aber leider auch nicht das am meisten aufrüttelnde.

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                          mikkean 09.09.2015, 02:00 Geändert 09.09.2015, 02:05

                          Der mexikanische Horrorfilm. Ich gebe zu, lange Zeit war die Vorstellung daran auch für mich hauptsächlich mit Klischees verbunden. Mit Bildern vom National-Helden und Wrester-Schutzpatron El Santo, der sich mit Vampiren, Azteken-Mumien oder dem Teufel persönlich kloppt. Oder es gab hin und wieder lachhafte Versuche von Monster-Filmen, die natürlich nicht an die Universal- oder Hammer-Vorbilder heranreichten.

                          Aber Mexiko ist eben auch das Land archaischer Hoch-Kulturen und eines blutgetränkten mystischen Erbes. Ein Land, in dem es niemanden verwundern würde, wenn auch heutzutage Kannibalen oder schwarze Hohepriester aus dem Schatten treten würden ...

                          "Wir Sind Was Wir Sind" von Jorge Michel Grau ist der Film, der diese schon
                          kindliche Vorstellung mexikanischen Horrors hinweg bläst und die grausigen Geister vergangener Rituale heraufbeschwört. Und plötzlich leuchtet Mexiko auf der cineastischen Landkarte knallrot auf.

                          Das liegt vor allem an der kompromisslos anmutenden Machart. Wie in einem albtraumhaften Fiebertraum entführt uns "Wir Sind Was Wir Sind" in den Alltag
                          einer beängstigenden Familie irgendwo im Herzen von Mexiko Stadt.

                          Unser Clan ernährt sich nämlich vornehmlich von Menschenfleisch. Denn nur durch
                          die Erfüllung eines nie näher beleuchtenden Rituals der blutigen Art beziehen die Familien-Mitglieder nicht nur volle Mägen, sondern sprichwörtlich Lebenskraft. Bis jetzt lag es am Oberhaupt, Opfer für diesen Festakt zu organisieren. Doch damit ist plötzlich Schluss. Nun müssen sich die Gebrüder Alfredo und Julián auf die Jagd nach Schlachtvieh begeben.

                          Scheiß auf Erklärungen. "Wir Sind Was Wir Sind" legt ohne Umschweife los. Gleich
                          in den ersten Minuten wird kotzend gestorben. Auch die Jagd nach Fleisch zeigt
                          einen widerlichen Streifzug durch die Abgründe der mexikanischen City. Da werden Prostituierte zum Freiwild wie Straßenkinder, die eh keiner vermissen würde.

                          Welch fürchterliches Szenario. Menschenfresser, die Opfer suchen. Abartig, widerlich und dennoch, "Wir Sind Was Wir Sind" weidet sich nicht an Ekel-Bildern. Der Krassheits-Level des Films resultiert vornehmlich aus dem Wissen um die böse Intention der Hauptfiguren.

                          Regisseur Grau ist damit ein echtes Kunststück gelungen. Er hat nicht nur einen relevanten, ernstzunehmenden Genre-Beitrag seiner Heimat geschaffen, sondern
                          auch einen Kannibalen-Film, der ohne Indio-Hintergrund, Trash und Selbstzweck auskommt.

                          Die Monster in diesem Werk sind keine lichtscheuen Monstrositäten und Höhlenbewohner. Aber auch keine Killer in überzeichneter mondäner Mimikrie.
                          Am schockierendsten an "Wir Sind Was Wir Sind" ist der Gedanke daran, dass derartige Ungetüme durchaus in unserer Nachbarschaft oder der Anonymität der heutigen Zeit lauern.

                          Erreicht wird diese beunruhigende Grundstimmung durch einen eher schnörkellosen Erzähl- und Inszenierungs-Stil. Wie auch schon in Sachen Gore, kommt der Film ohne unnötige Mätzchen und Spielereien aus. Spröde wäre auch ein anderes gutes Wort dafür. Denn "Wir Sind Was Wir Sind" unterscheidet sich in Sachen Tempo und Aufregung kaum von einem "konventionellen" Drama. Die Dinge passieren halt und Essen muss auf den Tisch gebracht werden.

                          Andererseits stellt sich dadurch auch die Frage, ob dieser Film nun tatsächlich packend und horrormäßig ausgefallen ist. Für mich zeigt sich da ein echter Zwiespalt. Halb ist der Film eine beklemmende Vorstellung urbaner Schreckens-Gestalten, mit denen wir Tür an Tür leben könnten. Das Ergebnis ist dann Wahnsinn, wenn wir uns ganz auf die bedrohliche Atmosphäre menschlicher Untaten einlassen.

                          Während wiederum die andere Seite der Medaille auch eine irgendwie gelähmt voranschreitende Erzählung darstellt. Eine Gangart, die auch etwas langatmig (oder gar langweilig?) rüberkommt und zumindest zum Finale hin, mit einer etwas dummen Polizei fast schon an der Parodie grenzt.

                          Vielleicht verunsichert an "Wir Sind Was Wir Sind" auch das Fehlen einer "traditionellen" Absicht. Wie jeder gute andere Film verläuft hier alles linear von Punkt A nach B. Aber gerade hier werden Charakterisierung und das Szenario sehr grob abgesteckt. Weswegen es an sich keinen klassischen Spannungsbogen im eigentlichen Sinne auszumachen gibt. Selbst Dialoge wirken ein wenig fragmentarisch und aufs Nötigste reduziert.

                          Dadurch wird der Film auch zu einer eher unterkühlten Angelegenheit. Einem Schocker, in dem wirklich nur Opfer und Schlächter vorkommen. Vom Zuschauer verlangt dies aber auch ein Einfühlungsvermögen. Die Bereitschaft, für neunzig Minuten ins Bestien-Gehege zu steigen und den Bewohnern beim Dinieren beizuwohnen. Revolutionär ist "Wir Sind Was Wir Sind" deswegen sicherlich nicht.

                          Aber es ist ein starker mexikanischer Genre-Beitrag, der sich auf kein vorgefertigtes Publikum verlässt. Es ist ein Film, bei dem sich nicht alles nach und nach erschließt und erschlossen werden will. Dies ist schon ein ziemlich eigenartiges Ungetüm. Wie beim Essen auch, eine gewöhnungsbedürftige Angelegenheit. Horror der etwas anderen Art, selbst wenn er wirklich den einen oder anderen kalt lassen dürfte.

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                            mikkean 09.09.2015, 00:15 Geändert 09.09.2015, 00:21

                            Nein, ich werde es mir verkneifen. "Lone Survivor" ladet einen geradezu dazu ein, sich über undifferenzierte Kriegsfilme, hohle Helden-Verehrung oder Verklärung zu ärgern. Darüber, dass "die Amis" zu gern solche Martyrien und Durchhalte-Stories bejubeln.

                            Nee, darüber ziehe ich nicht her. Das böse Wort "Propaganda" oder die unsichtbare Trennlinie dazu will ich nicht bemühen. "Lone Survivor" war ein gewaltiger Erfolg. Ein Kriegs-Action-Drama über einen missglückten Militär-Einsatz und ein brutal zerschlissenes SEALS-Team. Eine blutige Story, an deren Ende nur einer übrig bleibt.

                            Für Regisseur und Autor Peter Berg war der Film vor allem die Möglichkeit, sich mit einem "kleineren" Projekt von seinem versenkten "Battleship"-Flop zu erholen. Und in der Tat, objektiv betrachtet ist "Lone Survivor" gut gemacht. Der Film lebt von einem ordentlichen Schuss gnadenlosem Tempo und einer bedrückenden Aussichtslosigkeit, was die Überlebenschancen angeht.

                            Was ist dann "schlecht" an diesem Film? Hier vollführe ich mal einen Drahtseilakt. Denn ich will niemanden das Recht absprechen, Kriegsteilnehmer in einem "Helden-Epos" darzustellen. Auch Ridley Scott hatte kein Problem damit, seine "Jungs" in "Black Hawk Down" als Vertreter einer aufrechten Mission zu behandeln, die in einem fernen, teils wilden Land ihren Dienst leisten.

                            Insofern ist "Lone Survivor" ein durchaus geistesverwandter Streifen geworden. Der Sinn des Krieges wird nicht hinterfragt, es geht allein um das grausame Scheitern und das Wunder menschlicher Güte über Sprach- und Kultur-Barrieren hinweg.

                            Doch dadurch ist Peter Berg auch wiederum nicht viel mehr gelungen als eine engstirnig blutige Angelegenheit, die vor allem ans Ehrgefühl appelliert. Es gibt vornehmlich nur schwarz und weiß, die guten Soldaten und die brutalen Taliban-Hinterwäldler.

                            Natürlich ging es beim realen Ereignis auch nicht um viel mehr. Und unbestreitbar gibt es ein Publikum, dass nicht mehr braucht. Immerhin wirkt "Lone Survivor" wie die Art von Kriegsfilm, die Zuschauer einer Nation gern sehen, in der Militärdienst und Ehrerbietung so tief verwurzelt sind Erbgut sind wie das Recht auf Bewaffnung.

                            Nicht umsonst beginnt der Film mit einer Mini-Doku über die knallharte und erschöpfende Ausbildung von SEALS. Was wiederum dem Film einen leichten bis spürbaren Hauch "Eigenwerbung" verpasst.

                            Es wäre aber auch abseits aller brachialen Erklärungsversuche und blinden kulturell-analytischen Betrachtungen zu bemängeln, dass "Lone Survivor" wie die Real-Film-Adaption einer Runde "Call Of Duty"-Teammatch wirkt. Und nicht mehr bietet als eben das: Geballer und Sterben. Die Charaktere bleiben blass und geradezu zweitrangig, weswegen es mir als Zuschauer erschreckend egal sein kann, wer durchkommt.

                            "Lone Survivor" ist kein zweites "Green Zone", kein "Platoon" oder "Hamburger Hill" der Post-9/11-Generation des Kriegsgenres. Auch wenn der Film so hart daherkommt. Eher wirkt der Film wie der sehr offensichtliche Versuch, mit einer ausgeschlachteten Begebenheit das Gemeinschafts-Gefühl des heimischen Publikums zu berühren. Das ist Futter für alle Heimattreuen und nach Helden rufenden Politiker.

                            Deswegen ist "Lone Survivor" kein per se schlimmer bis haarsträubend ätzender Film. Er ist eben nur mit absoluter Vorsicht zu genießen. Ach ja, für einen Klassier-Kandidaten seiner Art halte ich ihn auch nicht gerade.

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                              mikkean 08.09.2015, 23:27 Geändert 08.09.2015, 23:32

                              Wow, Michael Bay macht einen auf Soderbergh und versucht sich neu zu erfinden. Schuld daran nicht zuletzt wir, die wir diesen für seine Transformers regelmäßig gescholten haben.

                              Mit "Pain & Gain" verabschiedet sich Bay also von riesenhaften Blechbüchsen und wendet sich aufgepumpten Schwachmaten zu. In einer verqueren Räuberpistole sucht das Bodybuilder-Gespann Wahlberg, Johnson und Mackie in Entführung, Folter und Mord die Erfüllung des amerikanischen Traums. Klingt schräg, basiert aber tatsächlich auf wahren Ereignissen. Hust hust.

                              Doch selbst mit einer derart abgedrehten Story und einer wirklich guten Besetzung (zu der auch Tony "Monk" Shalhoub, Ed Harris und die Allzweck-Humor-Granate Rebel Wilson gehören), vermag Michael Bay nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Häme für seine letzten Filme wohl verdient war.

                              Megan Fox oder Scarlett Johansson an Explosionen vorbei zu dirigieren ist kein Ausdruck von handwerklicher Brillanz. Genauso wie mich bei "Bad Boys II" das verboten lang gestreckte Nichts von einer Handlung nervte. Oder die durchweg unerträglichen Gag-Versuche von Will Smith und Martin Lawrence.

                              Auch bei "Pain & Gain" versagt Bay wieder beim Humor. Es ist durchaus eine große Überraschung, dass die Geschichte größtenteils aus der Sicht der teils brutalen, teils abartig verblödelten Übeltäter erzählt wird. Und weil das Mucki-Trio um Wahlberg nicht nur geradezu lustvoll die Kreuzung aus Adonis-Leib und Spatzenhirn zelebriert, macht der Film stellenweise richtig Spaß.

                              Das heißt, wenn die Gag-Latte nicht zu Schwuchtelsprüchen und diesem Vergewaltigung-Joke bei der Bürgerwehr abrutscht. Oder wenn "Pain & Gain" sich glatt an der Rezeptur verhebt und zu viele Off-Kommentare einbaut. Wie viele Charaktere können sich in einem einzelnen Film zu Wort melden? Ich hätte mich nicht gewundert, wenn plötzlich der Hund angefangen hätte zu sprechen.

                              Aber nicht nur dies fällt negativ auf. "Pain & Gain" zerbröselt letztlich, weil Bay selbst nicht so gewusst haben muss, ob er ernsthaft einen "waschechten" Film drehen oder eine Fingerübung vorlegen wollte. Ist das nun Comedy-Drama oder Satire? Sind die Deppen die wahren Helden oder ist das Kotzbrocken-Opfer nicht die wahre Leidensgestalt im Stück?

                              Was genau ich meine, ist der stetige Flash an doofen bis ganz coolen Sprüchen, knallharte Momente bis hin zur merkwürdigen Auflösung, bei der sich Michael Bay abermals einen exotischen Außendreh nicht verkneifen konnte. Bei "Pain & Gain" treffen die Genres wie auch die einzelnen Humor- und Genre-Bausteine aufeinander, ohne dass am Ende ein ausgewogenes Endprodukt entsteht.

                              Damit offenbart der Film auf schmerzliche Art und Weise, dass es Michael Bay eben nicht an Erfahrung als Action-Regisseur oder Planer mangelt. Selbst die nervigsten Dialoge außerirdischer Blechbüchsen an sich können noch verträglich sein. Nein, was immer wieder bei Bay auffällt, ist die Tatsache, dass optisch wie inhaltlich alles durcheinander gewurschtelt wird. Dass es einem bei teils fetzigen Kamerafahrten, einer coolen Optik und Mimen schwer fällt, im ganzen Konstrukt einen Funken Seele auszumachen.

                              Womit auch das Fehlen von ordentlich Wumms und durch die Luft fliegenden Autos und Straßenzügen gar nicht mal so auffällt. "Pain & Gain" ist trotz des scheinbar un-Bay'schen Ansatzes immer noch typisch Michael Bay: Laut, flott und manchmal stark. Dann aber auch wieder fast ungelenk und hohl. Steroide dürften eine höhere Halbwertszeit besitzen.

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                                Ein jugendlicher Held mit erschüttertem Selbstbewusstsein und die Last der Vorhersehung. "Percy Jackson 2: Im Bann Des Zyklopen" ist ja durchaus ein Mythen-Abenteuer-Mix, der fürs jugendliche Publikum maßgeschneidert wurde. Aber was für ein lahmes Vergnügen. Logan Lermon und seine jungen Kollegen mühen sich ab, doch was nützt schauspielerisches Talent, wenn dem großen Trick-Theater der Charme abgeht. Es fehlt an einer wirklich spannenden Umsetzung der Ausgangsidee und der dramatischen Lage, die unser Held zu lösen versucht. Fast beliebig und nervend lieblos werden hier Stationen wie Gastauftritte (Stanley Tucci oder Nathan Fillion) abgarbeitet. Und am Ende wird der oberböse Titan Chronos mit einem Hieb geschlagen. Nur, um dann schnell die Brücke zum möglichen dritten Film zu schlagen. Nein, nein, nein – "Percy Jackson 2" wirkt wie ein runtergekurbeltes Zwischenstück einer Trilogie oder Filmreihe, in das wirklich nur der allernötigste Tricktechnik- und Kraftaufwand inverstiert wurde. Und ich wette, selbst den anvisierten, jungen Fans wird diese Episode samt oberflächlicher Sorgen und Ängste der Hauptfiguren merklich egal sein. Es ist nicht Harry Potter und erst recht nicht göttlich. Es ist halt Percy Jackson, nuff said.

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                                  Neulich bei TELE 5. Ich schalt doch glatt mal bei den SchleFaZ rein und bleibe zum ersten Mal fast den gesamten Film lang hängen. Eine Heldentat, ich weiß. Und es sind natürlich nicht x-beliebige Anlässe, die solch übermenschliche Anstrengungen motivieren.

                                  Nein, "Roboter Der Sterne" ist nicht irgendeine Trash-Granate. Kein schlechter Film unter vielen. Dies ist Blödsinn, Bullshit und Schwachsinn in allerhöchster Vollendung. Es ist eine Absage und Beleidigung aller Grundfesten des cineastischen Handwerks, ein Verstoß gegen den Kodex, dass ein Film nie alle Sinne und Gehirnzellen seiner Zuschauerschaft beleidigen dürfe.

                                  Aber solche Einwände prallen an "Roboter Der Sterne" einfach ab, wie die Geschosse der feindlichen Mülleimer und Monster an den roten Spielzeugkameraden im Film. Der heißt "Magischer Ballermann" und stellt die einzige Waffe gegen die Horden einer bösen Alienrasse dar, die im Bermuda-Dreieck Schiffe versenken spielen und Menschen wegfangen oder töten.

                                  Na, wenn das nicht der geheime Ursprungsort des geistigen Eigentums von "Pacific Rim" ist. Und wahrlich, sogar die Power Rangers scheinen sich hier ordentlich was abgeschaut zu haben. Aber sie alle haben es besser, weitaus besser gemacht.

                                  Denn "Roboter Der Sterne" ist nicht einfach nur ein lachhaft getrickster, schlicht gestrickter Haufen geistigen Dünnpfiffs und ein grauenerregendes Relikt schlechter Siebziger-Jahre-Unterhaltung. Nein, bei diesem Machwerk wirken in einem Akt kosmischer Grausamkeit ganz viele Faktoren zusammen.

                                  Meines Wissens ist dies nämlich keine asiatische Co-Produktion. Stattdessen nahm sich irgendwer die Kinderserie "Super Robot Mach Baron" vor und ließ einfach irgendwelche Figuren in schlechten Kostümen vor nicht existenter Kulisse herumkaspern. Was auch erklärt, warum die Bösewichter und die Helden nie zeitgleich im Bild stehen. Sie entstammen komplett getrenntem Bildmaterial. Und was beim Standard der damaligen japanischen Serien-Unterhaltung schon nachhilfebedürftig getrickst wurde, wird mit ebenso lachhaften Ergänzungen gleich doppelt, dreifach so schlecht.

                                  Dazu kommt auch noch der Umstand, dass "Roboter Der Sterne" vermutlich selbst als Serien-Zusammenschnitt konzipiert wurde. Oder den einer gar unbekannten oder, zum Wohle der Menschheit vergrabenen, Serie handelt. Jedenfalls gibt es keine wirklich stringente Handlung. Nur Motive, wie Monster gegen den roten Riesen. Die schrille Deko (die Sitze!!!) oder die unsagbar schlechten Schaltflächen, die beispielsweise als U-Boot-Cockpit dienen, gegen der Güteklasse den Rest.

                                  Wenn da nicht noch der Schlägertrupp aus Footballspielern wäre. Oder der kauzige Dödel und Behilfs-Assistent namens Specki. Die dämlichen Handzeichen oder die Regenbogen-Farbpalette der unmenschlichen Über-Frisur des Bösewichts. Aber all das muss in den Hintergrund treten, wenn wir unsere Ohren kurz aufsperren und der deutschen Synchronleistung lauschen.

                                  Ich bin ja ein Kind der Neunziger-Jahre-Videotheken-Reißer und beziehe mich gern auf die zweifelhaften, ausdruckslosen Glanzleistungen von Splendid und Kollegen. Wo wehleidige Stimmchen sich nicht mal dabei abmühten, dem Kampfgebrüll in großen Eastern-Klassikern echte Emotion zu verleihen. Was aber bei "Roboter Der Sterne" passiert ist, macht mich echt fettich. Sinnentleerter Stumpfsinn. Amateurhaftes Gerede, das entweder ohne Dialogregie und/oder unter dem Einfluss von Substanzen gebrabelt wurde. Schon Sprüche wie der, nach dem die Aliens mit ihrer fliegenden Untertasse die Preise kaputt machen, herrje.

                                  Das macht Angst, lässt die Birne freiwillig gegen die Wand schlagen. Es ist schlimm, ganz ganz schlimm. Und natürlich wird "Roboter Der Sterne " damit zum Geheimtipp aller schlechten Filme überhaupt. Trotzdem warne ich davor. Genießen nur auf eigene Gefahr. Selbst Ed Wood wäre wohl schreiend davon gelaufen. Andererseits hat der "Film" vielleicht auch etwas gutes. Wer Angst vor realen Alien-Invasionen hat, kann das Teil ja ins Weltall senden. Als Abschreckung jeder überlegenen Rasse vor unserer hochkultivierten Rasse. Nur ein Scherz.

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                                    Bitte nicht gleich von den Ziffern in der Bewertung abschrecken lassen. "Sinister" ist tatsächlich finster, unheilvoll und böse. Der Film ist vor allem unheimlich atmosphärisch. Mittlerweile werden wir jährlich unter Fluten neuer Genre-Beiträge begraben. Und viel zu häufig tauchen wir enttäuscht wieder auf und stellen fest, dass es keine wirkliche Neuerung mehr gibt. Oder dass die Diagramm-Kurven der angezogenen Spannungsschraube und der des Gezeigtem leider nicht proportional zueinander verlaufen.

                                    Bei "Sinister" ist jemanden dann doch wieder mal gelungen, diesem Trend entgegenzuwirken. Zumindest im Ansatz, was ja einem echten Schocker ebenso zuträglich ist. Ethan Hawke spielt also einen Sachbuch-Autor, der sich mit blutigen Verbrechen beschäftigt und diese mit detektivischem Eifer aufschlüsselt. Das hat ihm einst Ruhm gebracht, nun hockt er mit Frau und Kindern in einer Mörderbude. Und findet Super-8-Heimvideos der besonders perfider Machart vor. Jemand macht sich den Spaß und löscht Familien seit Jahrzehnten brutal aus, während die Kamera schön draufgehalten wird.

                                    Langsam setzten sich die Bilder auch beim von Hawke gespielten Helden im Kopf fest. Je tiefer er mit seinen Recherchen in die Materie eindringt, deutet sich gar das unsagbar Böse persönlich als Urheber dieser Verbrechen an. Junge junge.

                                    Natürlich ist "Sinister" letzten Endes irgendwie Murks. Aber bis zum Abspann bietet der Film zwei nennenswerte Stärken. Co-Autor und Regisseur Scott Derrickson hat die definitiv bessere Variante von "Kinder Des Zorns" gedreht. Klar, sein Film basiert nicht auf Stephen King, trotzdem wird "Sinister" dem Motiv dämonischer Einflussnahme von Kindern besser gerecht als jeder Teil der schlechten Endlosserie. Auch schwingt bei den Gräueltaten ein wenig vom Geiste des unerreichten "Ein Kind Zu Töten" mit.

                                    Wenn "Sinister" kurzzeitig unsere kleinsten als unheimliche, diabolisch grinsende Schaueregstalten präsentiert, welche die Auslöschung ihrer Familien als Kinderspiel betreiben. Schockierend wie in den Siebzigern ist das vielleicht nicht mehr, dafür schön fies.

                                    Ebenso ist es Derrickson hoch anzurechnen, dass er sich auf Atmosphäre verlässt, als abgedroschene Spuk- und Horror-Taktiken aufzuzählen. "Sinister" ist wirklich ein Film, den ich als entfernten Verwandten von "The Shining" wahrnehme, als den als x-ten Wiedergänger eines Poltergeistes. Dabei müssen wir schon dankbar sein, dass keine Türen knarren oder Stühle von unsichtbarer Hand verrückt werden, um uns Angst einzujagen.

                                    Nein, "Sinister" besitzt nicht die Raffinesse eines Kubrick. Dennoch schlägt sich der Film ganz wacker, wenn er die Umgebung in eine fast undurchdringbare Schwärze taucht. Der Boogy Man quasi aus jeder Ecke auftauchen könnte.

                                    Womit wir auch schon bei der größten Schwäche des Films wären, die ironischerweise aus jener Stärke direkt resultiert. So subtil und unheimlich "Sinister" sich auch gibt, es passiert dann doch zu wenig. Ethan Hawke meint, langsam durchzudrehen, während der Dämon Burghuul ihn wirklich im Blick hat. Besagte Höllenkreatur sieht übrigens aus wie der Bruder von Slipknot-Gitarrist Jim Root, mit Maske, versteht sich. Doch so gut die Handhabung des bedrohlichen Untertons auch gelungen ist, außer Streitigkeiten mit der Frau und den verschenkten Angstzuständen des Sohnes passiert kein wirklich aussagekräftiger Schock-Moment.

                                    Bei "Sinister" schleicht das Grauen auf leisen Sohlen herum. Und vielleicht ist es auch die beste Idee, dass unser Held die Geister-Kinder nur "erahnen" kann. Dennoch ist es ein gar zweischneidiges Schwert, wenn ein "Horrorfilm" immer nur vom Horror erzählt und dann am Ende plötzlich losknallen will. Hier ist es der leider äußerst vorhersehbare Twist mit dem bösen Kind, das eben doch unter dem Bann des Mr. Boogie steht. Ja, das ist böse und gemein, aber nicht wirklich überraschend genug, damit sich "Sinister" dauerhaft als Spitzenreiter im Feld etablieren können wird.

                                    Nun muss ich noch gestehen, dass auch der packendste Streifen leidet, wenn er immer wieder in der Fernsehausstrahlung durch Werbeblöcke aufgebröselt wird. Vielleicht lässt da auch die Aufmerksamkeit etwas nach. Trotzdem bleibe ich dabei. "Sinister" fesselt zwischendurch, hat großes Potenzial und krankt leider doch am Schluss. Einer der besseren Genrefilme, wenn auch kein Überflieger.

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                                    • Wes Craven. Es gab Zeiten, da verband ich mit der Nennung dieses Namens Großtaten, die von einer Flut unwürdiger Auftragsarbeiten und Fingerübungen beinahe erstickt worden wären. Wer würde jetzt schon zur Rettung eilen und sich vor Werke wie "Mind Ripper", "Invitation To Hell" oder "The Hills Have Eyes 2" werfen? Es sind ganz bestimmt nicht derlei Werke, an die wir uns heute erinnern wollen.

                                      Nicht an diesem traurigsten aller Tage. Dem Tag, an dem uns die Nachricht vom Tode von Wes Craven ereilt. Trotzdem, auch diese Filme gehören zum Vermächtnis dieses einzigartigen Masters Of Horror. Und selbst diesen wohlverdienten Titel betrachte ich als etwas zu beschränkt gedacht. Wenn schon, dann war und ist Wes Craven für mich immer schon der Man Or Fear. Der Mann, für den es zwischen grobschlächtigem Horror und gezielt gesetztem Nervenkitzel keine Trennlinie gab. Ebenso für Lacher und Blutvergießen, wenn es sich anbot.

                                      Und noch eines hat Wes Craven uns gelehrt: Es gibt einen Unterschied zwischen deformierten und mental derangierten Ungeheuern und jenen Monstern, die in Vorstadthäuschen oder schicken Stadtwohnungen hausen und sich selbst zivilisiert nennen. Schon in seinem ersten Aufreger, dem unvergesslichen "The Last On The Left", lies Craven die trauernden Eltern eines ermordeten Mädchen auf ihre Bibel pfeifen und blutig Rache nehmen. Oder sie alttestamentarisch aufs "Auge um Auge" schwören, je nach Sichtweise.

                                      Wie seine Kollegen Hooper, Romero und Carpenter, erfroschten Cravens beste und weniger gelungenen Filme in der Zeit des New American Horror der Siebziger Jahre, all jene Ecken und Korridore des Schreckens, die abseits antiquierter Spukschlösser und Vampirgruften lagen. Das Grauen kehrte nicht nur in Gestalt von Michael Myers sprichtwörtlich heim, es brach sich endlich dort Bahn, wo es schon immer gelauert hatte. Deshalb ist nicht die alleinige Existenz des Kindermörders Freddy Krueger in "A New Nightmare On Elm Street" der pure Horror. Es ist viel mehr die Tatsache, dass sich eine Gemeinschaft von Vorstadt-Eltern in einen Lynchmob verwandelt und sich Gerechtigkeit verschafft.

                                      Neben den unheimlichen wie fiesen Fähigkeiten des "Traummeisters" Freddy Krueger erlag ich selbst früh der Faszination für diese schockierende zweite Ebene des Craven-Kultklassikers schlechthin. Eltern, die einen Menschen ermorden und das Verbrechen verschweigen. So gesehen ist das endlose Serial-Morden der "Nightmare"-Reihe nicht nur das Resultat einer perversen wie unzerstörbaren Höllenkreatur, es wurzelt auch in einer Erbschuld, die jenen Kindern der Elm Street auferlegt wird. Eine Dekade später sollte auch Neve Campbell sich mit einer ähnlichen Last konfrontiert sehen, die ihr in "Scream" vorgehalten wird.

                                      John Carpenter mag als erster die Untiefen der sauberen Kleinstadt entdeckt haben, Wes Craven jedoch schärfte unseren Blick dafür wie kein zweiter. Deswegen dürfte und müsste er als Stellvertreter eines "zivilisierten Horrors" in Erinnerung bleiben. Als der Mann, der immer wieder in die Regionen blitzblanker Reihenhäuser und weißer Zaunreihen zurückkehrte und deren wahres Antlitz offenbahrte. Das von Bewohnern, die schlimme Gräueltaten vollbringen und dabei auf Schlachterkittel, Kettensägen und Masken aus Menschenhaut verzichten können (wenn sie wollen). Dank Craven wissen wir, dass in diesen Vororten der Teufel, Kinderschänder, Nachwuchs-Frankensteins oder Hexen leben.

                                      Und was noch mehr überrascht, Craven besuchte diese dunklen Orte sogar im Auftrag des amerikanischen Fernsehens auf. Kein anderer Stellvertreter der jungen Wilden des Horrors hat so oft fürs TV gedreht. Es gab eine Zeit, lang lang ist es her, da liefen Titel "Chiller" sogar bei uns im Programm. Dabei ist es uninteressant, ob Wes Craven in dieser Zeit den Anschluss als ernst zunehmender Regisseur suchte oder ob er schlicht das Geld brauchte.

                                      Ja, es ist sogar egal, ob Craven Durststrecken durchlitt, in denen er seinen Namen und eine Investition für noch so schlechtes Videothekenfutter hergab. Denn Wes Craven gelang immer wieder der große Wurf. Die Leute interessierten sich nicht für "Die Schlange Im Regenbogen" oder lachten nicht über Eddie Murphy in "Vampire In Brooklyn"? Keine Sorge, denn wenn Craven all seine Stärken ausspielen durfte und den richtigen Stoff an der Hand hatte, dann kam auch plötzlich ein "Scream" zustande. Und schon war nicht nur ein ausgelutschtes Genre wie der Teenie-Slasher wieder in aller Munde, vor allem Wes Craven war dann wieder unanfechtbarer Meister des Horrors. Selbst dann, wenn wir über Sinn und Unsinn, die Qualität und Wiederholungsschemata der drei Sequels diskutieren, diese Reihe gehört einfach zu den besten Titeln des Craven-Vermächtnisses. Auch dann, wenn wir uns denken, dass dies eigentlich nur Massenware darstellt und nicht mehr die Genre-Grenzen pushte wie das fiese Familien-Duell "The Hills Have Eyes".

                                      Es sollte nicht nur an diesem schwarzen Tag egal sein. Wenn wir Wes Craven in Erinnerung behalten wollen, dann doch bitte als den Gentleman des Horrors. Den klugen und immer bedächtig auftretenden Mann mit höflicher Haltung, der sogar schon mal dem getrennten Paar Cox/Arquette am Set eine Eheberatung zukommen lässt. Wes Craven war, ist und wird es bleiben, der Meister des Grauens, der sich vielleicht nicht immer neuerfand, aber immerzu Abstecher in andere Gefilde suchte. Deswegen sei an dieser Stelle nicht unerwäht, dass dieser Mann, der mit Mördern, Dämonen und Kannibalen hantierte, auch "Music Of The Heart" mit Meryl Streep drehte. Eine Herzensangelegenheit.

                                      Vielleicht war Wes Craven kein selbsterklärter Monster-Man, der für sein Leben gern mit Ungeheuern arbeitete. Aber wie kein anderer verstand es der ehemalige Lehrer und Philosoph, diese Monster dort zu finden, wo wir uns, wohl auch wissentlich, nicht gern hinwagen. In jenen dunklen Ecken, wo der Verstand verstummt und die Angst regiert. In diese Sinne, ein von Schmerz und Kummer erfülltes Rest In Peace und Farewell Mr. Craven.

                                      Und als Huldigung eine Übersicht meiner liebsten Werke dieses einzigartigen Giganten. In einer perfekten Welt würden sich ARD und ZDF ihr Nachtprogramm damit auffüllen:

                                      A Nightmare On Elm Street
                                      A Nightmare On Elm Street 3
                                      The Last House On The Left
                                      The Hills Have Eyes
                                      The People Under The Stairs
                                      Shocker
                                      The Serpent And The Rainbow
                                      Scream 1-4
                                      Red Eye
                                      Deadly Friend
                                      Swamp Thing

                                      Music Of The Heart
                                      Vampire In Brooklyn
                                      Paris Je T'aime

                                      Und noch ein weiteres, trauriges Leben Sie wohl Mr. Wes Craven. Wir werden Sie vermissen.

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                                        mikkean 18.08.2015, 01:21 Geändert 18.08.2015, 01:28

                                        Schöne grüße vom Fantasy Filmfest 2015:

                                        Habt ihr euch schon mal gefragt, wie "The Descent" an der Oberfläche ausgesehen hätte? Nee, Corin Hardy hat's getan und entführt uns in "The Hallow" in die finsteren Tiefen der irischen Wälder.

                                        Dort, im abgelegenen Hinterland, haben die Einheimischen noch ein ganz Verhältnis zur Natur. Für sie sind die Wälder das Reich jener Wesen, die dereinst vom Eisen und Feuer der Menschen vertrieben wurden. Du müsstest schon ein Narr sein, um diese unsichtbare Demarkationslinie zu missachten und in dieses Reich einzudringen.

                                        Oder du bist Naturschützer und Baumdoktor wie Adam Hitchens. Der arme glaubt nicht an derlei Mythen und steckt im Wald ein zukünftiges Rodungsgebiet ab. Natürlich hat er dabei schon längst die Aufmerksamkeit des Waldes auf sich gezogen ...

                                        ... und "The Hallow" beschert uns damit einen soliden Schocker, der es sich ein wenig zwischen allen Stühlen bequem macht. Am Anfang beschwört Corin Hardy die Unheimlichkeit des guten alten Öko-Horrors. Mit einem unsichtbaren Gegner, bedrohlicher Umgebung und der Frage, ob der Wald nicht selbst lebendig geworden ist.

                                        Bald schon und dies ist absolut kein Spoiler, setzt es dann natürlich Gegnerhorden. Adam, seine Frau Claire und ihr Baby Finn müssen sich gegen die garstigen Hallow zur Wehr setzen. Um die Sache etwas interessanter zu machen, entwickeln bei "The Hallow" nicht nur die titelgebenden Kreaturen ganz fiese Eigenschaften und Fähigkeiten. Auch Adam bekommt bald etwas ab und es setzt einen kleinen "The Shining"-Einschlag (a little bit of "Here's Johnny!").

                                        Überhaupt fühlt sich "The Hallow" herrlich altmodisch an. Der Hauch Tradition kommt von der irischen Folklore und dem Gesang. Aber auch die Umsetzung der Monster lässt in Sachen Gestaltung und Aktion dem guten alten Make-up den Vorzug. Gar schröcklich widerliches Aussehen inklusive.

                                        Und selbst wenn sich die Geschichte auf vertrautem Terrain entfaltet, "The Hallow" setzt dem Ideenmangel einige gute Einfälle entgegen. Da stellt sich auch nicht die Frage, ob sich die Figuren vielleicht zu blöd verhalten. Colin Hardy und sein Team beweisen ein gutes Gespür fürs Timing und sparen sich allzu lange Expositionen oder ein trantütiges Finale, das kein Ende findet.

                                        Stattdessen gibt es neben fiesem Pilz-Befall und fiesen Mistviechern einige andere sehr gute Einfälle. Ein paar davon lassen "The Hallow" sogar in eine gewisse Nähe zu den Produktionen von Guillermo del Toro wandern. Dieser hätte vielleicht auch Gefallen an den Wesen und den mythischen Motiven des Films gehabt.

                                        "The Hallow" mag vielleicht nicht jeden packen werden, der damals bei "The Descent" oder anderen Titeln, hier und da mal kurz nach Luft schnappen musste. Aber die Invasion der unheimlichen Waldbewohner ist ein grundsolides Horror-Fest geworden. Mit guten Ideen und einer geradlinigen Umsetzung, die Atmosphäre und Spannung jederzeit im eisernen Griff behält. Versprochen.

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                                          mikkean 15.08.2015, 22:16 Geändert 15.08.2015, 22:20
                                          über Bite

                                          Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2015:

                                          Ein Hoch auf den Body Horror! Zweifaches Hoch auf den Frauenfilm!! Und ein dreifaches Hoch auf Filme über gestörte Frauenzimmer und die Ganzkörper-Mutation.

                                          "Bite" ist die Geschichte der baldigen Braut Casey. Mit ihren beiden besten Freundinnen will sie es kurz vorm Gang zum Traualtar in Costa Rica noch mal so richtig krachen lassen. Aber nein, dies ist nicht das Sequel zu "Brautalarm". Es geht einiges schief.

                                          Filmriss, Geld weg, Verlobungsring verschwunden. Zu allem Übel, geht Casey noch in einer abgelegenen Höhle baden und wird von etwas gebissen. Wieder daheim lösen die quälenden Fragen nach Sinn und Unsinn der Hochzeit, Kinderkriegen und keifenden Schwiegermüttern plötzlich durch unnatürliche Hautfarbe, Eiterbeulen und massig dahin gespuckte Flüssigkeiten abgelöst.

                                          Ganz richtig, Casey ist auf dem besten Wege, sich ins Ekel-Pin-up eines jeden Cronenberg-Fanatikers zu verwandeln. Bald darauf wird sie gewohnte äußerliche Züge ablegen, sich komische Öffnungen und Körperverlängerungen wachsen lassen ...

                                          Ein Zustand, der natürlich ihre Umwelt irgendwann beunruhigen sollte. Wäre da nicht das Rätsel dieser einen Nacht während des Costa-Rica-Trips, gelöschter Erinnerungen und mindestens eine Seele in Casey's Umfeld, die falsch spielt.

                                          Okay, "Bite" klingt auch auf dem Papier nach nicht viel Handlung. Diesen Eindruck kann ich nur bestätigen. Beinahe der gesamte Fokus liegt auf der rapide fortschreitenden Metamorphose der Hauptfigur. Auf ihrem körperlichen Zerfall, den schleimigen Ergüssen, die neuerdings ihren Magen verlassen und das langsame Gefühl, dass am Ende dieses Films eine neue Kreaturen-Kolonie entstanden sein muss.

                                          Einzig der Story-Strang um diese eine verhängnisvolle Partynacht sorgt für ein kontinuierliches Maß an Spannung und Interesse. Was ja auch nicht gerade das schlechteste ist. Denn so erweist sich "Bite" am Ende als ganz ansehnliches Porträt einer problembeladenen Titelheldin.

                                          Ein Handlungsrahmen, der sich um Unfruchtbarkeit, die große Frage nach dem Richtigen und falsche Biester im Freundinnen-Kostüm dreht. Ein Rahmen, der durchaus nach Fernseh-Schmonzette und Dramedy-Serie klingt, aber auf jeden Fall auch gut ohne die anschaulichste Transformation seit "Die Fliege" auskommen würde.

                                          Was nicht bedeutet, dass "Bite" durch seine Story-Bausteinchen und den eingeschobenen Horror noch besser werden würde. Vermutlich wird dieser Film sein Publikum gnadenlos spalten. In solche, die das zwar hammer ekelig und komisch, aber auch irgendwie komplett langweilig oder nichtssagend finden werden. Andere werden vielleicht genau dieses Misch-Verhältnis aus Drama, Hintergehung und Mutanten-Rache super finden.

                                          Eines jedoch ist unbestreitbar: "Bite" bietet für einen günstigen kanadischen Horrorfilm extrem gelungene Effekte und wird durch schon durch die Mutation von Casey zu einem der denkwürdigsten Titel des Jahres 2015.

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                                            mikkean 15.08.2015, 20:58 Geändert 15.08.2015, 21:04
                                            über Office

                                            Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2015...

                                            ... und willkommen zum Leitfaden des Serienmörders zur Bewältigung des stressigen Büroalltags.

                                            Seit Mr. Kim aus dem Verkaufsteam 2 seine Liebsten abgeschlachtet hat und abgetaucht ist, präsentiert sich die Angelegenheit eher als Fall eines Hammer-Mörders auf der Flucht.

                                            Detective Choi überkommt bei der Inspektion des Arbeitsplatzes und der Befragung der Arbeitskollegen von Herrn Kim dennoch eine unterschwellige Ahnung. Weil sich die Mitarbeiter im Großraum-Büro alle zu freundlich geben und keiner etwas böses über den flüchtigen Kollegen sagen will.

                                            Choi weiß da noch nicht, welch Schlangennest sich hinter der Vertriebsfirma verbirgt. Mit welchen Schikanen der Chef seine Untergebenen drangsaliert und aufreibt. In diesem modernen Irrenhaus der Wirtschaft schützt selbst ein höherer Rang nicht davor, vom Wolfsrudel niedergemacht und ausgestochen zu werden.

                                            Je mehr der Zuschauer in den Büro-Alltag eintaucht, desto weniger erscheint der Amoklauf von Mr. Kim nur als natürliche Konsequenz eines jahrelangen Martyriums. Und die Ermordung der Familie scheint nur der erste Schritt gewesen zu sein. Spätestens als der nächste Mitarbeiter im Konferenzsaal von der Decke baumelt, scheint sich Mr. Kim nun den Nattern des Büros anzunehmen.

                                            "Office" von Won-Chan Hong ist ein ganz besonderer Genre-Bastard. Bastard, weil sich die Mischung aus Psychopathen-Hatz, übernatürlichem Grusel und Gesellschafts-Kritik sich so cool, wie unausgeglichen und etwas schwer verdaulich präsentiert.

                                            Ähnlich wie schon Mike Judge mit "Alles Routine" oder Costa-Gavras in "Die Axt" aufzeigten, zeigt "Office", dass du im widerwärtig erbarmungslosen Mikrokosmos des Büroalltags nur durchdrehen oder abdrehen kannst. Fuck it all oder fuck them all. Wobei fuck them all gleich bring sie alle um bedeutet.

                                            Erzählerisch trumpft Regisseur Won-Chan Hong dann auch in den besten ruhigen Momenten auf. Wenn ein Team-Meeting ähnlich unverkrampft wie die Spanische Inquisition abläuft oder die entnervten Angestellten auf der unbescholtenen Praktikantin Mi-rae herumhacken. Ja ja, Rangordnungen sind doch was Feines. Gerade am Beispiel besagter Mi-rae wird mehr als deutlich, dass hartes Arbeiten, Verbeugen und freundliches Grinsen in der Welt der Wirtschafts-Bestien nicht allzu viel zählt.

                                            Weniger beeindruckend wird "Office" da schon diejenigen, welche auf mordsmäßig spannende Thriller und waschechten Horror stehen. Schließlich spielt sich der Großteil des Films in besagten Büroräumen ab. Und da bedarf es schon einiger Kniffe, um uns darüber rätseln zu lassen, ob Mr. Kim sich nicht doch irgendwo versteckt.

                                            ACHTUNG! Was jetzt kommt, fällt schon leicht in die Kategorie Spoiler: "Office" lässt sogar die Frage aufkommen, ob es nicht der Geist von Mr. Kim ist, der sein Unwesen treibt. ACHTUNG AUFGEHOBEN.

                                            Won-Chan Hong hat sich dafür schon einiges einfallen lassen. Hin und wieder strapaziert er unsere Nerven mit unheimlichen Momenten, in denen sich die Präsenz einer unheimlichen Kraft mörderischer Natur geradezu in den Raum drängt. Dafür fällt wiederum die eigentliche Spannung des Films geradzu erschreckend ab. Ist "Office" nun ein sarkastischer Brocken Gülle, der sich über die duckmäuserische und dreckige Art der Büro-Kultur ergießt? Oder will da nicht doch irgendwie ein Thriller an die Oberfläche gelangen?

                                            Zumindest die Ermittlungen des eingangs erwähnten Detective Choi spielen zeitweilig eigentlich gar keine Rolle mehr. Da nehmen bei "Office" eher die Betrachtung der Hackordnung und deren Teilnehmer die Zügel in die Hand. Was im Gegenzug auch die "RIng"- oder "Grudge"-Anleihe in Grusel-Momenten etwas blass auftreten lässt.

                                            Aus diesem Grund muss ich bei "Office" folgende Unterscheidung treffen:

                                            Eine 6 bis 6.5 für den satirischen bis schon niederschmetternden Thriller über die Hyänen des Büros, bei dem ein Cop eigentlich gar keine so bedeutende Rolle spielt.

                                            Auch deswegen, weil sich "Office" in gut zwei Stunden nicht immer deutlich festlegen kann, welcher Film bei knallhart fiesen Dialoge und spooky Schocks letzten Endes rauskommen soll.

                                            Eine 7 gebe ich trotzdem für diese bisher nicht gesehene Mixtur und dafür, dass hier Bürohengste und Karriere-Wetteiferer es ordentlich in die Fresse reingedrückt bekommen.

                                            Wie gesagt, "Office" ist schon vergnüglich und mal spannend. Erwartet bloß kein zweites "Into The Mirror".

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                                              Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2015:

                                              Dem schönsten Feiertag des Jahres kann ja gar nicht früh genug gehuldigt werden. Umso erfreulicher, dass mich "Tales Of Halloween" auf die Nacht der Ghouls, Hexen, Kürbisse und einäugigen Candy-Pirates eingestimmt hat, als das Thermometer unter unmenschlicher Hitze ächzte.

                                              Halloween, die Nacht des Grauens. All Hallows' Eve oder die Nacht von Samhain. Bis jetzt dachten wir, neben guten und schlechten Grusel-Schockern würde vor allem das spaßige Horror-Kabinett "Trick 'R Treat" den unheimlichen Mächten und schaurigen Gestalten dieser schwärzesten aller Nächte huldigen.

                                              Nun gibt es also "Tales Of Halloween". Und man, was ist das für eine Ausbeute. Stellt euch einen Eimer randvoll mit Süßigkeiten gefüllt vor. Jetzt noch schön darin wühlen und die Leckereien von ganz unten hochholen. So ähnlich fühlt sich dieses Sammelsurium verrückt durchgedrehter Geschichten an.

                                              Beschworen werden die bösesten und hinterfotzigsten Monster. Jene, die nimmersatt auch Gedärme kauen oder lustig blutige Spielchen spielen wollen. Es gibt Hexen mit Kinderwunsch, Killer-Kürbisse und wir lernen, dass selbst Höllenwesen ihre Freuden ausleben in dieser Nacht. Ach, Tipps für diese spezielle Nacht gibt es auch. So fragt doch den Verwandten von Jason Voorhess mal, ob ihr ungebetenem extraterrestrischen Besuch nicht auf Süßes anbieten solltet.

                                              Bitte, fragt nicht nach Einzelbewertungen. Dafür ist die Gaudi von "Tales Of Halloween" einfach zu abgedreht und groß. Das fachkundige Personal, bei dem unter anderem Lucky McKee, Neil Marshall, Mike Mendez oder Darren Lynn Bousman Regie und/oder Script handelten, macht sich mit spürbarem Elan über Mythen-Kataloge und Genre-Regelwerke her.

                                              "Tales Of Halloween" ist deswegen auch kein konsequent gehaltener Horror-Streifen geworden. Die einzelnen Episoden heben sich in Tonalität, Schockfaktor und Blutgehalt einfach zu herrlich schrill voneinander ab. Mal sind es kurze Schauer-Stücke, mal lustig groteske Blood- und Fright-Stories und mehr als einmal schlägt es in einen irrwitzigen Humor-Ausnahmezustand um, der uns kleinen und großen Schreckgespenstern zusagen dürfte.

                                              Wem die meisten Namen bei der Team-Nennung nichts gesagt haben, don't panic. Ihr kennt doch bestimmt "The Descent" oder "Saw" oder "The Women"? Wenn nicht, habt ihr doch vom einen oder anderen Titel gehört. Falls wirklich nicht, ist "Tales Of Halloween" vielleicht nicht das richtige für euch. Wer das Horror-Genre liebt, darf sich schon mal auf böse Fratzen, dämonischen Irrsinn und vor allem eine große Ladung unvorhersehbarer Horror-Exkursionen freuen. Denn "Tales Of Halloween" wildert mit seinen bösen Monstern, Psychopathen und Horror-Kindern herum und widersetzt mehr als einmal den Erwartungen von uns abgeklärter Zuschauerschaft.

                                              Und wer jetzt noch ein Bonbon als Einladung braucht: Gaststars! Adrienne Barbeau, Joe Dante und John Landis bringt sogar seinen gefräßigen "Sohn" mit!!! Wenn das kein Grund ist, um Halloween dieses Jahr vorzuverlegen.

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                                                Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2015:

                                                Quizfrage: Was kommt dabei heraus, wenn du deine alte Sega-Konsole, die VHS-Kassetten von "Cyborg", "Mad Max - Der Vollstrecker" und "Die BMX-Bande" mit flotter Synthie-Mucke in einen Mixer schmeißt?

                                                Die Antwort darauf kann nur "Turbo Kid" lauten.

                                                Es ist das Jahr 1997, lange nach der atomaren Apokalypse während der Achtzigerjahre. Strom und Geld sind für den Arsch. Die Ordnung ist dahin. Allerhöchstes Gut im Wasteland ist allein das flüssige Gold namens Wasser. Ah ja, und das Fortbewegungsmittel der Zukunft ist übrigens das Fahrrad.

                                                Unser Held jugendlicher Held The Kid durchkämmt die Ruinen unserer Zivilisation jeden Tag aufs neue nach brauchbaren Schrott oder pinken Flamingos. Natürlich muss er dabei einen großen Bogen um die Todeszone machen, Heimat der blutdürstigen Schergen des Despoten Zeus – gespielt von keinem anderen als Michael Ironside (Yeah Baby!). Dieser veranstaltet ganz besondere Pool Partys, deren unfreiwillige Teilnehmer auf Leben und Tod kämpfen müssen.

                                                Was The Kid erst richtig in den ganzen endzeitlichen Köpfe-Einhauen-Schlamassel reinreitet, ist das Auftauchen der quirligen Apple. Das anhängliche und zunächst erschreckend freundliche Mädchen ist auf der Suche nach einem neuen besten Freund und Beschützer. Dumm für The Kid, dass ausgerechnet er der Auserwählte für den Posten ist. Glück für ihn, dass er dabei schließlich auf die Rüstung des legendären Turbo Rider stoplern wird.

                                                Der Held seiner Comic-Träume beschützte dereinst in glorreichen Tagen die Menschheit vor den bösen Maschinen. Und er besaß den Turbo Glove, der sämtliche Gegner das Fürchten lehrt, indem er sie gleich platzen lässt. Wenn das verdammte Ding nur nicht Ladehemmungen hätte ...

                                                Alright, "Turbo Kid" ist das Freudenfest für alle, die sich schon immer nach einem "Mad Max"-Epigonen mit Fahrrädern und BMX-Bikes gesehnt haben. Und der Film erfüllt selbst die Gebete jener, die selbst nicht wussten, dass sie so etwas sehen wollten.

                                                Übersichtliche Schauplätze, drollige Fabrik- und Müllhalden-Kulissen und mittendrin die perfekte Kreuzung aus He-Man und Power Ranger als Held. "Turbo Kid" mutet eigentlich permanent wie ein bisher unveröffentlichter Albert-Pyun-Jugendfilm an. Diese Klamotten! Diese Rüstungen! Auch in dieser postapokalyptischen Zukunft tummelt sich ein bunter Haufen Barbaren, die Asia-Strohhütte, Football-Westen und was sonst noch zum neuen Chic erklärt haben.

                                                So billig das ganze auch anmutet, "Turbo Kid" reitet die Welle mit ungebrochenem Willen. Na, dann ist es halt günstig produziert und die Drehorte lagen nicht weit auseinander. Dann können wir uns eben keine zerstörten City-Panoramen leisten, wat solls! Selbst der graue Höllen-Himmel ist vielleicht nicht die beste Render-Arbeit aller Zeiten.

                                                "Turbo Kid" bereitet dennoch verdammt viel Freude. Denn was stimmt, das stimmt. Wie die gelungenen Sonic-Schüssen unseres Helden. Und weil die Hauptdarsteller sehr gut aufgelegt sind und neben einigen hübschen Splatter-Einlagen (neben den Baddies-Outfits das optische Highlight!), uns auch Einblick ins Seelenleben der einsamen Jugend im Wasteland gewähren.

                                                Als Kritikpunkt am Endprodukt fällt dabei höchstens etwas Leerlauf zwischen dem Gemetzel auf. Die zugegeben überschaubare Handlung wirkt auf anderthalb Stunden
                                                vielleicht zehn Minuten zu lang. Doch mit diesem Setup, Regelerklärung, Superhelden-Kräfteerlernen und Rachestory hätte auch ein durchaus müderer Brei rauskommen können.

                                                Unterm Strich ist "Turbo Kid" die wohl launigste Mischung aus "Mad Max"-Hommage und Persiflage aufs dumpfe Eighties-Videotheken-Amüsement. Eine überdrehte Veranstaltung, der es gelingt, jede noch so blöde Idee saucool wirken zu lassen. Ein irres Indie-Ding, bei dem selbst Robert Rodriguez nochmals Nachhilfe in Sachen Retro-Charme und gelungener Genre- und Stilistik-Reminiszenz nehmen könnte. Und jetzt schmeißt selber den Turbo an. Ihr werdet es nicht bereuen.

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                                                  mikkean 11.08.2015, 01:02 Geändert 11.08.2015, 01:10

                                                  Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2015:

                                                  METAL IS THE WWWAAAAAAAAAAAAAYYYYYYYYYY!!!!!!!

                                                  Wie viele Pommesgabeln brauche ich um die Geilheit von "DEATHGASM" (Kleinbuchstaben sind für Pussies) zu veranschaulichen? Zehn? Dreihundert? Selbst 666 scheinen noch nicht genug. Metal, Dämonen, Splatter und Neuseeland – muss ich noch mehr sagen?

                                                  So gut wie jedes Jahr macht sich mindestens ein Film daran, der Klasse und dem Witz von "Shaun Of The Dead" nachzueifern. Wer nur halb so gut sein will, muss natürlich sein Ding mit voller Überzeugung durchziehen, zu seinem Humor-Niveau stehen oder wenigstens ordentlich drauflos kübeln. Ob mit Körpersäften oder schrägen Einfällen.

                                                  "DEATHGASM" ist so ein Film. Mit Herz und Seele hat sich Regie-Debütant Jason Lei Howden der Evil Dead"-Schule verschrieben und huldigt auch seinem ehemaligen Mentor Peter Jackson so gut es nur geht. Statt der immer gleichen Zombie-Plage sind es hier die guten alten Kräfte der Finsternis. Alle ehrfürchtigen Hüter der Moral und Gottes-Prediger wissen es natürlich schon längst, im Heavy Metal steckt der Teufel drin.

                                                  Oder zumindest lassen sich mit antiken Notenblättern Dämonenkönige herbeirufen. Diese Lektion lernt Held und Metal-Außenseiter Brodi, als ihm zufällig eine Beschwörungsformel in die Hände fällt. Eigentlich wollte sich Brodi nur mit seinen einzigen Kumpels im stocksteifen Kleinstadtkaff den Frust von der Seele spielen. Metal is the way halt. Aber da muss erleben, dass dieses Stück Musik Kontakt zu dunklen Seite herstellt und Dämonen und Seelenfressern die Pforte öffnet.

                                                  Der beste Anlass, um die Sechssaiter-Streitaxt mit Bohrmaschinen aufzumotzen, Kettensägen ihrem einzig wahren Zweck (Verstümmelung!!!) zuzuführen und die verhasste Lehrer-, Nachbar- und Verwandtschaft niederzumetzeln. Oder zu enthaupten oder – Achtung Neuheit – zur Abwechslung mit Dildos und Liebeskugeln die Dämonenbrut wieder zur Hölle zu schicken.

                                                  Wie bitte? Was? Wer die letzten Jahre nur zwei oder drei Genre-aufrüttelnde Produktionen aus dem Land der Kiwis gesehen hat, der sollte wenigstens eine Ahnung haben, was hier auf ihn oder sie zukommt. "DEATHGASM" lässt nicht das Blut teilweise ordentlich sprudeln, sondern schmeißt auch dutzendweise Ideen durch den Raum. Mal geht es unter die Gürtellinie, mal wird dem Way of Metal mit seinen Songs, doll übertriebener Teutonen-Videoclip-Ästhetik und geilen Riffs gehuldigt. Immer trifft der Film dabei ins Schwarze. Selbst wer mit Heavy Metal sonst nix am Hut hat oder Lovestorys in Horror-Streifen nicht so gut findet (Ja, es gibt tatsächlich eine), dürfte "DEATHGASM" zum Schreien komisch und hammergeil finden.

                                                  Es braucht keinen ausgemachten Metalhead, um diese herrliche Comedy-Splatter-Farce gutzuheißen. Dem Lebensstil und einigen Metal-Genres wird ordentlich gefrönt und gehuldigt, aber auch den Freuden deftiger Horror-Schlachtplatten. Da lässt die blonde Schul-Schönheit gekonnt die Axt kreisen und überlegt, welcher Oneliner zum Schädelspalten passt. Oder der dem winselnden Schwächling wird angeraten, endlich über den grausam blutigen Tod der Familie hinweg zu kommen. Das wäre ja schließlich schon Stunden her. Und diese Gags kommen in gerade einer Szene kurz hintereinander.

                                                  Für wen guter Geschmack, politische Korrektheit und absolut schräge Situationskomik in eine deftige Horror-Comedy gehören, der wird in "DEATHGASM" vielleicht den heißesten Anwärter auf den Titel "Gemetzel-Komödie des Jahres" finden. Jason Lei Howden hat seine Hausaufgaben gemacht und lässt selbst rausgerissene Herzen noch höher schlagen.

                                                  Metal, Satanisten und das drohende Ende der Welt. "DEATHGASM" wirbelt neunzig Minuten durchs Feld und bietet überdrehte Unterhaltung deluxe. Dies ist nicht nur eine der amüsantesten Schlachtplatten seit "Braindead", selbst wenn Budgetbedingt der Bodycount nicht in den dreistelligen Bereich geht. Billig und lahm ist "DEATHGASM" ganz und gar nicht. Im Gegenteil, allein manche der Dialoge sind schon der Hammer, die herrlichen Sterbeszenen veredeln den Spaß noch. Wer ohne Romero-Gesellschaftsanalyse und dichtem Survival-Thrill auskommt, der kann sich blindlings ins Vergnügen schmeißen, die Speaker auf 11 drehen und METAL UP YOUR ASS brüllen.

                                                  Die Zombie-Komödie mag tot sein. Untot vielleicht. Ausgelutscht, von wegen. Lasst schon mal die Kettensäge warmlaufen.

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                                                    mikkean 10.08.2015, 01:48 Geändert 10.08.2015, 01:52

                                                    Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2015:

                                                    Sprach der Rabe: "Nimmermehr!"

                                                    Der alte Edgar Allan Poe mag zwar schon längst verstorben sein, seine Seele hingegen weilt immer noch unter uns. Als Rabe sucht Poe einen Friedhof auf und lässt sich prompt von der Stimme Cornelia Funkes aus dem Nichts in einen Diskurs verwickeln. Darüber, ob es lohnenswert ist, dieses Dasein weiterhin zu fristen. Oder ob sein Werk nicht schon vollendet sei.

                                                    Richtig geraten, der Rabe Edgar Allan Poe unterhält sich da mit dem Tod. Nicht die schlechteste Idee für eine Rahmenhandlung zu einer einzigartigen Anthologie wie "Extraordinary Tales". Auch wenn der Titel eher nach Achtziger-Jahre-Serial klingt, ist Raul Garcias animierte Sammlung von Poe-Klassikern das waschechte Revival des guten alten Gothic-Horrors. Klassisch vom Kopf bis zu den Zehen, wird "Dem Untergang Des Hauses Usher", "Dem Verräterischen Herz", "Die Tatsachen Im Fall Waldemar", "Die Grube Und Das Pendel" und schließlich "Die Maske Des Roten Todes" neues Leben eingehaucht.

                                                    Und was für Leben das ist. "Extraordinary Tales" ist schauerhaftes Horror-Kino für die Augen, die Ohren und den Kopf. Jede Geschichte wird von einem besonderen Erzähler gesprochen: Sir Christopher Lee, Bela Lugosi, Julian Sands, Guillermo Del Toro und Roger Corman. Jeder, der jetzt nicht sofort Blut geleckt hat und losgerannt ist, sollte sich folgendes vorstellen:

                                                    Eine Sammlung von klassischen Geschichten des Horrors, des Verbrechens, der Verdorbenheit der menschlichen Seele und des Todes – alle in Form echter Kunstwerke und Stilrichtungen animiert. Jede Episode ist ein formvollendeter Genuss. Mal erinnern die Gestalten und das Setting an creepy Puppen, die in einem Videospiel animiert wurden, dann wieder wird das Geschehen zum lebendig gewordenen Gemälde. Selbst die Ästhetik der schaurig schönen Comicstrips der fünfziger und sechziger Jahre wird stilecht beschworen.

                                                    Was die Sahne mitsamt fetter Kirsche, erst richtig auf den Kuchen packt, sind die stimmlichen und erzählerischen Darbietungen. Christopher Lee zuzuhören war schon immer ein Hochgenuss, "Extraordinary Tales" ist ein schönes Vermächtnis dieser Legende. Eine Erinnerung an die Fähigkeit, nicht nur intensiv in die Kamera zu schauen, sondern auch rein mit der Kraft der Stimme Atmosphäre, unterschiedliche Charaktere und natürlich Angst und Schrecken zu beschwören. Und auch Bela Lugosi, was für eine tolle Performance.

                                                    "Extraordinary Tales" schafft in jeder Episode das Kunststück, das Wesen der Erzählungen einzufangen und mit immer neuer Optik zu beeindrucken. Nein, zu verzaubern, zu verführen und zu hypnotisieren. Kaum zu glauben, dass diese Sammlung nicht mal auf achtzig Minuten Laufzeit kommt. Jeder Augenblick ist ein Hochgenuss. Vor allem, weil der Horror hier jederzeit subtiler Art ist und sich nicht in schrecklichen Monstern, Mutanten und schwarzen Männern manifestiert.

                                                    Raul Garcia ist es hier ganze fünf Mal in Folge gelungen, uns daran zu erinnern, was Horror im wahrsten, ursprünglichsten und besten Sinne bedeuten kann (sollte?). Angst entsteht eben nicht nur aus Blutvergießen. Die Furcht vor dem großen unbekannten, der Endgültigkeit des Todes ist viel verstörender. "Extraordinary Tales", das sind fünf beunruhigende, schaurig schöne Hörspiele mit tollem Visual-Bonus. Mehr als nur fünf gute Horror-Animations-Shorties. Es ist eine wundervolle Erinnerung und Rückbesinnung auf den Meister wahren Grauens. Schön, dass es diese Sammlung gibt. So können wir uns auch wieder zurück versetzten in jene Zeit, als Adaptionen von Roger Corman noch einen festen Platz im Schauer-Kino und Nachtprogramm hatten. Der Wahnsinn, also unbedingt vormerken.

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