Rajko Burchardt - Kommentare

Alle Kommentare von Rajko Burchardt

  • Ein besonders scharfsinniger "Die Seher"-User hat im Übrigen auch Scorseses Konzept der (subjektiven) Drogenvisualisierung gnadenlos als Filmfehler enttarnt...

    »Als Jordan vollgepumpt mit Drogen versucht im Clubhouse die Stufen runterzurollen, sieht man in einer ersten Einstellung, dass es nur 6 Stufen bis zum Lamborghini sind. Als er dann runterrollt, fällt er über 15 Stufen runter. Auch das Geländer wird mehr als doppelt so lang.«

    http://www.dieseher.de/film_wolf-of-wall-street-the_2086.php

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    • 6

      Kurz vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkrieges gedrehtes, von der ersten bis zur letzten Minute frohgemut beschwingtes Musical, in dem alle Figuren jedes noch so akute Problem mit freudestrahlender Leichtigkeit hinfort singen. Im Mittelpunkt der Liebeskomödie steht dabei die Samuraitochter Oharu, die ihr Leben ganz den Regenschirmen gewidmet hat! "Manche machen sie, andere tragen sie", heißt es da wohlweislich, und weil selbst die "Singing Lovebirds" dieses Films das so schön gesagt finden, genügen bereits kleinste Anlässe ("Nice line for a song, isn't it?"), um wieder hocherfreut die Stimmen erklingen zu lassen. Masahiro Makino, Regisseur von über 260 Filmen, feiert das Musical hier in einer sich ständig selbst motivierenden Form: trällernd emotional, immer versucht, Worte in rhythmische Wallung zu bringen. Frauen leiden da an der Krankheit der Liebe, Mädchen werden als Meisterwerke besungen, und sogar (blaue) Punkte auf einem Regenschirm haben große Bedeutung – wer ihn dann nämlich trägt, der sei eine untreue Seele! Auch wenn die angeblichen Parallelen zu Busby Berkeley am Film keinesfalls nachzuweisen sind, ist das alles vergnügliches Singsang-Kino, dessen entrückt choreographiertes Finale große Heiterkeit garantiert. Und die Frage, ob es statt kämpfende nicht eigentlich doch viel mehr singende und tanzende Samurai geben sollte, gilt es auch endlich einmal ernsthaft zu diskutieren.

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      • 5

        Von wenigen Ausnahmen vereinzelt zugänglicher Frühwerke bekannter Vorzeigeregisseure (etwa durch Criterions Eclipse-Serie) abgesehen, ist japanisches Kino aus der Stummfilmzeit selbst über einschlägige, cinephil-obskure Bezugswege nicht problemlos (ein)sehbar. Umso schöner, wenn zumindest die Berlinale alljährlich mit raren Kopien und potenziellen Entdeckungen einer Ära lockt, die selbst bei Japanfilmfreunden noch weitgehend unerforscht sein dürfte. "Light of Compassion", 88 Jahre nach seiner Entstehung erstmals (und mit Sicherheit auch einmalig) in Deutschland zu sehen, ist nun leider wahrlich kein gehobener Schatz der Filmgeschichte, und dennoch bin ich froh, ihn gesehen zu haben. Mit sozialmoralischem Anliegen inszeniert (und tatsächlich kultusministerial in Auftrag gegeben), ist die Geschichte eines verarmten Jungen, der durch die gönnerhaften Eltern einer ungleich wohl situierten Mitschülerin doch noch seinen Platz in der Gesellschaft findet, insgesamt schon schwer erträglich. Humanismus-Einmaleins aus dem Lehrbuch, das Aufstiegschancen als Selbsterniedrigung aus Fleiß und Bittstellerei missversteht, und die sozialen Gefälle eher bestätigt als aufbricht. Vom ideologischen Nonsens und der heute beinahe amüsant anmutenden Simplifizierung der Problematik abgesehen, ist das Soziallehrstück aber auch von einer Naivität beseelt, die wenigstens nicht wehtut. Und es gibt schlimmeres, als dem Regie- und Kamerapionier Henry Kotani (eine Schlüsselfigur in der Geschichte der Shochiku-Studios) bei der Arbeit zuzuschauen – denn wie gesagt: dass man es überhaupt kann, ist schon ein Gewinn.

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        • 2

          Vorbildlich gefertigter, also bis ins Detail unerträglicher Propagandafilm über eine nervlich und körperlich angeschlagene Soldateneinheit der japanischen Invasionsarmee in China, der sich via Infotafel gleich schon zu Beginn vorsorglich als "zeitloses Meisterwerk" ausruft. Kriegsgebeutelte Sentimentalitäten scheut "Five Scouts" ebenso wenig wie Bilder totaler Tristesse, deren eigentlich unverkennbar finstre Durchhaltelüge er aber gewissensstark bestätigt: in von disziplinärem Militärsprech dominierten, roboterhaften Dialogen, in akribischen Vaterlandsansagen von der Notwendigkeit des Gewaltsamen und auch in der bedingungslos richtigen Affirmation aller Bestrebungen, den Feind gefügig machen und Asien retten zu müssen. Zur Unsäglichkeit des gradlinig Propagandistischen gesellt sich noch der kriegsfilmtypische Widerspruch vom eigentlich ja bitteren, aber doch auch möglichst mitreißenden Spektakel – und wenn die Kamera mal nicht eindrücklich durchs Schilfgestrüpp schleicht, rückt sie die Soldaten als uniforme, kameradschaftliche Masse ins Bild. Solidarisch Luxuszigaretten paffen, bevor der Morgen vielleicht nicht mehr ist. Abmarsch!

          Für die Berlinale-Retrospektive "The Aesthetics of Shadow" mit Blick auf formalästhetische Gestaltungsmittel ausgewählt, können ebendiese als überhaupt erst essentielles Trägermedium alles Falschen natürlich auch keine Begeisterung entfachen. Und wenn den Schauspielern, so man dem Programmtext Glauben schenken darf, nach Vorbild von "Shanghai Express" das Führungslicht von oben majestätische Glorie verleihen soll, muss das dafür benötigte schwarze Make-up aber mindestens irritierend genannt werden: die japanischen Soldaten sehen aus, als seien sie mit Bräunungscreme eingeschmiert worden.

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          • 7

            Eine wunderbar spielerische Romanze, die ihre eigentlich nicht sonderlich unkonventionelle Liebesgeschichte zwischen dem rüden Schiffsarbeiter und einem selbstmordgefährdeten Hafen-"Girl" sowohl mit komödiantischer Schroffheit als auch existenziellem Ernst erzählt (verbunden durch geradezu lyrische Zwischentitel). Die Spielzeit umfasst dabei lediglich 24 Stunden (jenen Tag, den George Bancrofts schmutzübersäter Raufbold zu Lande verbringen darf), in denen getrunken, geprügelt, geheiratet wird – ehe ein gleichermaßen irreales wie beinahe sozialrealistisches Ende das Dock-Abenteuer beschließt. Überall, in und hinter jedem Bild, gibt es in Josef von Sternbergs vorletztem Stummfilm etwas zu entdecken, obgleich der Subplot um eine in der Hafen-Bar arbeitende und später zur Verzweiflungstat getriebene Frau fast reizvoller ist als das eigentliche narrative Zentrum des Films. Dass "The Docks of New York" für die unter dem Motto "The Aesthetics of Shadow" stehende Retrospektive der Berlinale ausgewählt wurde, ist seiner kontraststarken Kameraarbeit, der die Geschlechterdynamik akzentuierenden Beleuchtungsstrategie und auch den (besonders während der Apartmentszenen evidenten) Silhouetten hingegen schon ganz unmittelbar zu entnehmen (fast eine Dreiviertelstunde der 75 Minuten vergeht, ehe die Bilder auch vom anbrechenden Tageslicht geflutet werden). Zum Queer-Reading laden überdies eine seltsam asexuelle Nebenfigur und ein hinreißender, vermeintlich unschuldiger Kuss der beiden Protagonistinnen ein, der eigentlich noch schöner ist als jener in von Sterbergs ungleich bekannterem "Marokko".

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            • 7

              Nichts, das man als Freund des klassischen japanischen Studiokinos nicht schon kennen würde, aber auch nichts, das man missen wollte, wenn die emotionale Kraft solcher und ähnlicher Shomin-geki-Erzählungen einen immer und immer wieder in tiefes, leises Bestürzen zu zwingen vermag: die emotionale Entwurzelung, das vernunftwidrige Erdulden, alle unausgesprochene Unzufriedenheit, die in den großen Alltags- und Familienmelodramen zum Zerbersten der Gefühle führt. "When It Rains, It Pours", über ein Unglück also, das selten allein kommt, steht dabei deutlich in Tradition des Haha-mono, und die Mutter (großartig: Sadako Sawamura) muss hier schließlich grundsätzlich alles in Frage stellen: ihr Hotelgewerbe, ihre Kindererziehung, ihre ganze Existenz. Regisseur Noboru Nakamura, 1957 auf einem ersten Erfolgshöhepunkt seiner Karriere, lässt die Züge eines an den Herbergsschauplatz grenzenden Bahnhofs symbolbehaftet durchs Bild rauschen, um menschlicher Bewegungslosigkeit mechanische Wucht gegenüberzustellen. In den melodramatischen Effekten seiner Inszenierung – Lokomotivrauch, der die Figuren in die Unsichtbarkeit drängt, veräußerlichtes Leid, das sich nach dem kümmerlichen Griff zum Alkohol explosionsartig Bahn bricht – findet dieser Film vor allem während des letzten Drittels zu ausdrucksstarker Melancholie, die wieder einmal bestätigt: am schönsten seufzen lässt es sich immer noch im Kino.

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              • 4

                [...] Sonderlich neu erfindet "Jack Ryan: Shadow Recruit" die eigene Kinoserie nicht, im Gegenteil: Er ist so bieder und bekömmlich wie keine bisherige Clancy-Adaption. Suggeriert Spannung und Tempo, wo Spionage-Thrill gemütlich vor sich hinschleicht. Und erzählt eine unglaubwürdige Geschichte von anno dazumal - mit Nachbeben des Kalten Krieges, mit Wirtschaftsterrorismus und einem Anschlagsziel namens Wall Street, das so oder so dem Untergang geweiht ist. [...]

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                • Was soll man da sagen? Ein Trauerspiel, dieses Ergebnis. Auch ich muss mich dabei wohl der bitteren Wahrheit stellen, dass die allgemeine Berichterstattung ihren Teil zum Ausgang beigetragen hat – Larissa, die nicht nur in Umfragen führte, sondern auch insgesamt tatsächlich die meisten Anruferstimmen auf sich vereinen konnte (siehe RTL-Voting-Übersicht*), bereits im Vorfeld als Dschungelkönigin zu feiern, mag ihr letztlich dann doch zum Nachteil gereicht haben. Zu sicher galt sie als verdiente Siegerin, zu wenige fühlten sich auf den letzten Metern bemüßigt, dies auch noch mal mit einem Telefon-Vote zu bekräftigen. Mich eingeschlossen. Mea culpa!

                  Unverdienteste Dschungelkönigin ever, ever, ever! Aber es bleibt der Trost: Wann immer man auch über diese achte Staffel sprechen wird, so gelten alle Highlights und Erinnerungen Larissa – und nicht der Landpomeranze mit den Muschikugeln, die dieses Dschungelcamp in keiner Weise bereichert hat.

                  *http://kress.de/uploads/media/ibes-votingergebnisse.pdf

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                  • Ergänzung zum Text:

                    Gestern (also nach "Redaktionsschluss" der Kolumne) berichtete der HR über eine nun offiziell von Kinobetreibern verordnete Richtlinie über Filmtrailer, die zu viel preisgeben und spoilern würden (passt also auch zur Filmecke über die Trailer vom 04.09.13). Ab Oktober soll sie in Kraft treten - zwar freiwillig, doch fürchten Studios, dass sich Kinos dann weigern könnten, entsprechende Trailer zu zeigen.

                    http://tinyurl.com/pjqj496

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                      [...] Die Imitation von Krieg, das Herunterbrechen organisierten Tötens auf ein lustvolles Spiel der Gemeinheiten, übersetzen die beiden Filmemacher Jason Lapeyre und Robert Wilson in Bilder, die sich ganz der Vorstellungskraft ihrer Protagonisten verschreiben. Nicht immer ist die visuelle Grenze zwischen imaginierter und tatsächlicher Gewalt dabei klar abgesteckt, was diese Bilder kindlicher Zerstörungswut manches Mal schwer erträglich, aber auch ungemein ausdrucksstark macht. [...]

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                      • Mit freundlichen Grüßen auch von Armond White.

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                        • Haha! Gerade noch mal gut gegangen, das mit dem neuen deutschen Titel. Und diese Chuzpe des Verleihs nötigt mir beinahe Respekt ab.

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                          • Als Schauspieler absurd überschätzt. Als Type ausnahmslos unerträglich. Als Vater offenbar ein justiziables Monstrum. Klaus Kinski, eines der großen filmgeschichtlichen Missverständnisse.

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                            • 5

                              [...] Ron Woodroofs Engagement ist zweifelsfrei und leider auch ausschließlich als mit Geschick und Durchsetzungskraft geführter Kampf gegen das System, die Pharmaindustrie und Unterdrücker der von ihm so hoch gehaltenen Werte zu verstehen. In der Art, wie "Dallas Buyers Club" dabei eine tatsächliche Auseinandersetzung mit der Krankheit und ihren sozialen Folgen, der Erfahrungswirklichkeit der Betroffenen und deren systematischer Diffamierung scheut, ähnelt er "Philadelphia", der anderen von nun gerade einmal zwei großen Hollywoodkinoproduktionen über Aids. Beide Filme nehmen ihr Thema zum Anlass, um mit grobem Strich über gesellschaftliche Missstände, institutionalisiertes Unrecht und individuelle Freiheit zu erzählen, ohne dabei allzu konkret oder gar LGBT-repräsentativ vorgehen zu müssen. Queere Begehrlichkeiten spielen, wenn überhaupt, eine untergeordnete Rolle. [...]

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                                [...] "12 Years a Slave" ist nicht so schulmeisterlich wie "Lincoln", nicht so harmoniesüchtig wie "Amistad" und auch nicht so melodramatisch-naiv wie, sagen wir, "Fackeln im Sturm" (eine sonst aber selbstverständlich völlig unterschätzte Miniserie!). Natürlich ist auch dies nur Oscarkino, also gut gespielt und gut gemeint, aber eben nur begrenzt radikal, wagemutig oder herausfordernd. Und es bleibt abzuwarten, wann endlich die ersten Filme über Sklaverei gedreht werden, für deren Protagonisten der historische Verlauf kein Happyend vorgesehen hat. Oder die nicht nur von Einzelschicksalen, sondern überhaupt einer krankhaften amerikanischen Geschichte erzählen.

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                                  [...] Diese 83 Minuten wollen einzig mit Kalauern gefüllt werden, wie sie Friedberg und Seltzer ihrem Publikum nun schon seit geschlagenen 15 Jahren auftischen. Und damit eine Kinotradition der Filmparodie fortsetzen, die mit "Abbott and Costello" begann, mit Mel Brooks und ZAZ (Zucker, Abrahams, Zucker) ihren Höhepunkt erlebte – und nun in den Händen eines zwar wirtschaftlich rentablen, aber grauenhaft unkomischen Anti-Spaßkommandos zugrunde geht.

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                                    [...] Während Knautschgesicht Stallone einmal mehr den sanften Muskelklotz aus der Arbeiterklasse gibt, scheint De Niro als ess- und trinkwütiger Womanizer eher amüsiert gegen die Ähnlichkeiten zu seinem Jake La Motta anzuspielen. Spaß, im aufrichtigen und schlussendlich auch durchaus bewegenden Sinne, machen sie beide gleichermaßen. [...]

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                                      [...] Man könnte annehmen, der Film erzähle die Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre verortete Auf- und Abstiegsgeschichte Belforts, quasi als Biopic pünktlich zur Oscarsaison. Aber am spröden Wahrheitsabgleich schien das Kino von Martin Scorsese noch nie sonderlich interessiert, erst recht dann nicht, wenn die verko(r)kste Karriere des Titel gebenden "Wolf of Wall Street", wie die Presse Belfort einst taufte, ohnehin schon einem Irrsinn gleicht, der filmisch gar nicht mehr zu fassen ist. [...]

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                                        [...] Gefilmt ist das alles auch weiterhin in preiswerter Heimvideo-Ästhetik, versehen mit den üblichen Schockeffekten und Wackelbildern, produziert eben ganz nach Found-Footage-Gusto. Zu sehen gibt es wieder einmal nicht sonderlich viel, zu lachen aber dafür umso mehr. Kreisch, buh, Schwarzbilder. Und irgendwann kippt dann abermals die Kamera um. Abspann. Warten auf Teil 5. So geht Franchise. Es könnte schlimmer sein.

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                                        • 5 .5

                                          [...] Obwohl der Film konventionelle Coming-Out-Rituale streift (Fred verschlägt es in eine Szene-Bar, die er fluchtartig wieder verlässt), ist sein sanfter Zugang zu Bruchstellen der Heteronormativität immer ein bedingungslos eigentümlicher. Genauso etwa, wie Fred und Theo während einer regnerischen Nacht willkürlich in die Kirche am Ende der Dorfstraße stürmen, um sich das Ja-Wort zu geben, beschließen sie auch eine gemeinsame Reise zum titelgebenden Matterhorn – an dem sich, symbolisch ein wenig überspannt, die neu gewonnene Freiheit noch einmal bildlich festhalten lässt. [...]

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                                            [...] Mag die Show in ihrer akribischen, manchmal auch leicht ausgestellten äußeren Rekonstruktion der "Roaring Twenties" vielleicht mitunter tatsächlich ein wenig detailverliebt anmuten, so muss das ja noch lange nicht den Blick aufs Wesentliche verstellen. Insbesondere die gegenwärtige vierte Staffel zeigt eindrücklich, mit welch Hingabe "Boardwalk Empire" fähig ist, dank der epischen Länge und Fülle unterschiedlichste zeitgenössische Lebensentwürfe darzustellen. [...]

                                            Review Season 4: http://tinyurl.com/odkra4z

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                                            • 9

                                              Ein politischer Film solle offen legen, was er erfunden hat, heißt es im Schlussmonolog von Rithy Panhs "L'image manquante". Darum habe er das fehlende Bild, von dem der Titel spricht, angefertigt: Entworfen aus Erinnerungen seiner Kindheit im Gefangenenlager, als Pol Pot und die Roten Khmer die kambodschanische Bevölkerung gewaltsam zum Agrarkommunismus umerzogen. Und als sich das Regime mit eigenen propagandistischen Bildern (land-)wirtschaftlicher Produktivität und Guerillaformierung rühmte, aber Deportation, Zwangsarbeit und Massenmord in die Unsichtbarkeit zwang. Dieses Bild habe er gesucht und nicht gefunden, sagt Rithy Panh. Und trotzdem ist es nun da. Als ein Bild, das nicht nur sich selbst gehört. Ein Bild, das freigelegt ist. Ein Bild, das bleibt. [...]

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                                              • Jaja, immer dieser angebliche Rassismus. Das ist ja wie mit dem Sexismus, alles völlig überbewertet und so. Diese Gutmenschen, die ihre Kirche nicht im Dorf lassen können. Und wer denkt eigentlich mal an uns Weiße? Und an uns Männer? Und an uns Heterosexuelle? Wir werden schließlich auch immer diskriminiert, aber darüber spricht natürlich niemand!!!!111111

                                                Für das nächste Weihnachtsfest aber dürfen manche trotzdem schon mal dieses Buch auf dem Wunschzettel vermerken. Wenn auch mit Vorsicht, da akute Bildungs- und Sensibilisierungsgefahr!

                                                http://tinyurl.com/p537xnl

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                                                • 9
                                                  über Daniel

                                                  Aus dem "Buch Daniel" von E. L. Doctorow hat Sidney Lumet einen Film "Daniel" erarbeitet, der die fiktionalisierte Geschichte des denkwürdigen Rosenberg-Falls nicht nur in Kinobilder übersetzt, sondern als politisches Melodram noch einmal neu denkt. Die erweiterte Perspektive des Stoffes, in der die Rekonstruktion des schrankenlosen Antikommunismus und entsprechenden Schauprozesses mit der Verurteilung und Hinrichtung zweier, wie heute bekannt ist, unschuldig bzw. unzureichend angeklagter Rüstungsspione zu einem Erinnerungsszenario des Sohnes verdichtet wird, behält der Film bei. Daniel (wie immer sagenhaft: Timothy Hutton) muss sich, Jahre nach dem Tod der Eltern, dem schweren Kindheitstrauma entgegenstellen, es persönlich und aber auch historisch bewältigen. Die Suche nach einer Wahrheit inszeniert Lumet ebenso als Daniels Suche nach sich selbst, wie in seinem nur wenige Jahre später gedrehten "Running on Empty" erkundet er mit ruhiger Hand die seelischen Spuren, die Risse in der Persönlichkeit eines Heranwachsenden, die Frage nach der Identität eines Menschen, der eben nicht nur von den Eltern (politischer Aktivismus als private Tyrannei), sondern dem ganzen System im Stich gelassen wurde. Im Versuch eines narrativen Essays gelingt dem Film diese Verschränkung auf einfühlsamste, teils bitterste Art, immer eindeutig, aber auch immer klug. "Is there such a thing as too much hope?", so die suggestiv fragende, bestürzende Erkenntnis eines Jungen, in dessen trostlosem Blick sich die ganze fatale Verrücktheit der McCarthy-Ära spiegelt.

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                                                  • 7

                                                    »Die unsägliche Geschichte.« (Michael Ende)

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