Rajko Burchardt - Kommentare

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    Rajko Burchardt 09.12.2014, 11:29 Geändert 09.12.2014, 23:57

    [...] Man darf den beinahe pathologischen Gehorsam dieser Figur Franz Lang (bzw. Rudolf Höß) nicht dahingehend missverstehen, dass sie keine vollumfängliche Verantwortung für ihr Tun tragen würde. Im Gegenteil, erst die zugleich gewissenhaft durchgeführte wie moralisch achtlose Organisation und Verwaltung des Tötens vermittelt hier annähernd eine Idee vom eigentlich unerklärlichen Funktionalismus, mit dem die Nazis ihre Menschenvernichtung als industrielles Geschäft betrieben. Lang tritt eben nicht auf als ein bis ins Mark nationalsozialistisch ideologisierter Sadist, wie ihn Nazikarikaturen auch ganz seriös gedachter Geschichtsfilme allzu gern bemühen, sondern als serviler Strohmann, eingerichtet in einem System, das es zumindest mit ihm sehr gut meint. [...]

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    • 7

      [...] Obgleich der Film von einem großen humanistischen Grundverständnis geprägt ist, lassen sich die von ihm vollkommen hysteriebefreit inszenierten Stationen der Alzheimer-Krankheit doch nur schwer mit ansehen. Weil Glatzer und Westmoreland hier ein Material bearbeiten, das die Demenz der Figur nicht nur beiläufig oder durch fremde Augen erzählt (wie es sonst vergleichbare Geschichten tun, sofern sie sich überhaupt mit der Krankheit beschäftigen), stellt die Perspektive des Films eine besondere Herausforderung dar. Zugleich erlaubt sich der Film eine klare, keineswegs falsche Zuversicht: Zuletzt wird es Lydia sein, die ins Familienhaus zurückkehrt, um Alice liebevoll beizustehen. Es sind stille Momente einer Mutter-Tochter-Beziehung, so ehrlich und kraftvoll, dass sie noch weit über die Schlusstitel hinaus wirken. [...]

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      • 5 .5

        [...] Wer diese herzzerreißend stieselige Verwurstung der bekannten Sindbad-Erzählung zirka 1990 und vor allem in einem bestimmten Alter auf Video gesehen hat, dürfte sie vielleicht als aufwändiges Abenteuerepos in Erinnerung haben, dessen Schauwerte sich im Rückblick zu einem farbenfrohen Spektakel von höchsten Unterhaltungsgnaden verdichten. So zumindest erging es mir, der den Film einst mit großen Augen und dann für lange Zeit kein weiteres Mal bestaunte. Wagt man sich allerdings 25 Jahre später erneut an "Sinbad of the Seven Seas", kann die einstige Begeisterung über ihn nur bedauerlicher Ernüchterung weichen. Zugleich aber legt sie den Blick frei auf einen Film, der als italoamerikanische Genrekuriosität vielleicht zu den letzten seiner Art zählt. Und der schon bei seiner erst mehrere Jahre nach Fertigstellung der Dreharbeiten geglückten Veröffentlichung wirken musste, als sei er vollkommen aus der Zeit gefallen. [...]

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        • 1

          [...] Lange hält "St. Vincent" die eigentlich ganz erfrischende Misanthropie seiner Hauptfigur natürlich nicht aus. Sie muss irgendwie gebrochen werden, erst emotional und bald auch wirtschaftlich. Was also folgt, ist der mehr oder weniger anrührende Beginn einer intergenerationellen Freundschaft, in deren Verlauf Bill Murrays Griesgram Vincent MacKenna vom Drehbuch soweit psychologisiert werden muss, dass auch die letzte Kinoreihe noch versteht, wie es zur Verbitterung dieses Mannes kommen konnte. [...]

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          • 1

            [...] Titan Global Entertainment nennt sich die Produktionsfirma, mit der Mark L. Lester (!) offenbar in Konkurrenz zu The Asylum treten möchte (ein weiterer Billigfilm, diesmal mit Drachen und Rittern, ist bereits abgedreht). Augenscheinlich ergab sich aus den flopgeebneten Wegen, die er in den 90er-Jahren beschritt, keine andere Möglichkeit. Und nach "Pterodactyl", einem Monsterhorrorquatsch mit prähistorischen Riesenvögeln, scheint Lester Blut geleckt zu haben. So interessant es immer ist, Filme wie "Poseidon Rex" im Kontext ihrer Produktionsverhältnisse zu sehen, so wenig geben sie letztlich für eine sinnvolle Beschäftigung mit ihnen her. Die Geschichte eines urzeitlichen Dinosauriers, der von Tiefseetauchern versehentlich zum Leben erweckt wird, ist natürlich nicht der Rede wert, und wenn überhaupt, dann lohnt sich allenfalls ein Blick auf ihre etwas absonderlichen Details. [...]

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              • 3

                [...] Knapp 30 Jahre später also die Neuauflage eines Films, der selbst nur als Exploitation-Fußnote von Relevanz ist - und viel haben er und sein offizielles Reboot dann auch eigentlich kaum gemein. Erzählte das Original noch die Geschichte eines traumatisierten Kindes, folgt "Silent Night" akribisch der klassischen Slasherfilm-Struktur. Einige schön-schäbige Einfälle vereint auch dieses Remake auf sich, aber die einstigen Tabubrüche haben hier leider schon viel zu sehr Methode. [...]

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                • 1 .5

                  [...] Gags, Einfälle und selbst das Finale des Vorgängers imitiert "Dumm und Dümmehr" frech und frei, als könne man das alles einfach noch mal exakt so machen wie vor 20 Jahren. Weniger eine Fortsetzung, eher ein notdürftiges Remake. Gefangen in der totalen Wiederholung. Ist vielleicht alles als Fanservice gedacht, tut aber eigentlich nur noch weh. Besonders, wenn der Film ausgerechnet die altehrwürdige Kathleen Turner aus dem Kinoexil befreit, um sie als "gigantische Hure" zum unwürdigen Klamaukabschuss freizugeben. Sexismus und, wenn es gerade mal wieder gut passt, gern auch Homophobie, darin sind die Farrelly-Brüder tatsächlich immer noch ungeschlagen. [...]

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                  • 3 .5

                    [...] Es braucht viel Sitzfleisch, um "The Zero Theorem" ertragen zu können. Natürlich blitzen sie hier und da schön unbekümmert auf, die Gilliamschen Erkennungszeichen – sein abseitiger Humor, manch surreales Einsprengsel, ein auffälliges Setdesign. Doch vor der totalen Belanglosigkeit schützen sie dieses futuristische Kammerspiel nicht. Terry Gilliams verzweifelte Angst, vielleicht keine Filme mehr drehen zu können, sollte besser nicht dazu führen, sie um jeden Preis zu drehen. [...]

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                    • 1

                      [...] "Left Behind" empfiehlt sich als konsequent infantiler Weltuntergangsthriller nach Vorbild endzeitlicher Bibelauslegung. Nicolas Cage, dem zum Abbau seiner Privatschulden mittlerweile keine Rolle zu doof scheint (was ja eigentlich auch schon wieder toll ist, irgendwie), wirkt darin nicht einmal wie ein Fremdkörper: Der Film macht einfach da weiter, wo das hanebüchene Arche-Noah-Finale seines "Knowing" einst endete. Und Vic Armstrong, dessen letzter und einziger Spielfilm über 20 Jahre zurückliegt, hat als Erfüllungsgehilfe von apokalyptischen Gnaden zumindest alles gegeben. Sein "Left Behind" ist Christen-Trash, wie man ihn eigentlich nicht einmal der entsprechenden Zielgruppe zumuten möchte. [...]

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                        Hihi.

                        http://www.bildblog.de/61925/wie-dfb-medien-und-die-mannschaft-auf-einen-fake-hereinfielen/

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                        • 7

                          [...] Verstanden sich Ti Wests "The House of the Devil" und "The Innkeepers" noch als stilbewusste Repliken auf ein Horrorkino, das vor allem dem eigenen Neoklassizismus formschön zur Geltung verhalf, erweist sich "The Sacrament" als eine Art ästhetischer Ruhestörer: Er verknüpft den vom Genrekino der vergangenen Jahre großzügig beanspruchten Stil des "Found-Footage"-Films - der sich als unheimlicher Zusammenschnitt vermeintlich realer Aufnahmen ausgibt, die man irgendwo gefunden haben soll - mit den augenzwinkernden Mechanismen falscher Dokumentation, auch Mockumentary genannt. Herausgekommen ist dabei nicht etwa ein Gimmick-Film, schon gar nicht filmstudentisch-ironischer Ulk. Vielmehr scheint Ti West angetrieben zu sein von einer Lust am Irritationsmoment, das sich gegen jüngere Horrorfilmkonzepte und deren ausgestellt unzuverlässige Bilder wendet. [...]

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                          • Großartige Serie, wunderbarer Trailer. Hoffentlich wird's dieses Mal den verdienten Erfolg geben (ansonsten schaue ich mir die dritte Staffel aber gern auch in wiederum neun Jahren an, hat ja auch was).

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                            • 8

                              So ungestüm-schön inszeniert und erzählt, dass man wieder einmal gar nicht weiß, wo man zuerst staunen soll: Über das unbedingt sinnige, aber doch auch wunderbar impertinente Hinwegfegen plotfixierter Krimirumraterei im bereits nach halber Laufzeit enttarnten Mörderspiel? Über die aus der Tiefe der Zeit gehobene Körnigkeit ruhelos flirrender Bilder, wie sie noch im unscheinbarsten Schwenk auf Gesten, Gesichter, Gegenstände nach einer eigenen unheimlichen Bedeutung suchen? Der "Smoke on the Water" zieht seine Spuren hier zumindest so virtuos (das ins Negativ-Still gefrorene Foreshadowing, die grandios montierte Rückblende des Tatvorgangs) wie zugleich auch sanft (von trist-romantischen Musikerhinterzimmern bis zu den traurigen Augen der schönen Judith Bohle) durch einen Film, bei dem die Graf- bzw. Schütterschen Verrücktheiten (Spontanorgasmen, Narbenschau, ein Englischen Garten voller Nackedeis) im ganzen brand(t)gefährlichen Korruptionsalbtraum möglicherweise noch das Harmloseste sind. Anspielungsreich geht es ebenfalls zu, ich habe wahrscheinlich nicht einmal die Hälfte der Referenzvorbilder ausmachen können – auch das trennt diesen stürmischen Polizeiruf von einem vergangene Woche absurd belobten Tatort, der "Im Schmerz geboren" sein soll, aber als laues Lüftchen grobe Nachstellung klugen Verweisen vorzog. Es gibt eben nur einen Dominik Graf, selbst wenn das ganz offensichtlich längst nicht genug ist.

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                                [...] Dieses filmische Etwas, irgendwo zwischen brandenburgischem Splatter und sozialrealistischer Milieubeschreibung, nutzt seine Reize für maximal schönen Irrsinn. In der aus vager Erotik und suppendem Blut entfachten Coming-Out-Geschichte liegen verdrängte Begehrlichkeiten und verführerisch-brutale Todessehnsucht dicht beieinander. Und schließlich – nach rollenden Köpfen, loderndem Feuer, deutschen Genrebildern, wie man sie kaum mehr für möglich hielt – stellt sich alles Ringen dem Antlitz eines fröhlich in die Luft ragenden Schwanzes. Seit Robert Hiltziks diabolischem Slasher-Bastard "Sleepaway Camp" hat es im Horrorfilm wohl keine so unverschämt widersinnige Schlusseinstellung mehr gegeben. [...]

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                                  [...] Der blöden Annabelle-Puppe fehlt es an Charakter, Bedrohlichkeit, ja sogar an Präsenz. Und sie macht ja nicht einmal was! Ebenso gut (oder halt schlecht) hätte Produzent James Wan mit seinem "Conjuring"-Kameramann und jetzt eben "Annabelle"-Regisseur John R. Leonetti auch ein Spin-off jedes anderen beliebigen Gegenstandes des Geisterhaus-Hits über den Kinoäther jagen können. Etwa ein Spin-off für die toten Vögel, das gruselige Bettlaken, die olle Standuhr. Oder was sich sonst noch so im Arsenal von Ed und Lorraine Warren finden ließe. Aber wer weiß, kann ja alles noch kommen. So lange nur das Einspiel stimmt. [...]

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                                  • 3 .5
                                    über Oculus

                                    [...] An und für sich ist das erstmal eine schöne Prämisse, die Idee mit dem eigenwilligen Relikt, den verzagten Geschwistern, den ominösen Details: Pflanzen, die in Nähe des Spiegels eingehen, Menschen, die in seinen Bann geraten können, unbemerkte Änderungen der Wahrnehmung, sobald dessen Geistergriffel in die Wirklichkeit ausstrecken. Doch den schaurigen Verheißungen möchte "Oculus" offenbar unbedingt widerstehen. Statt kunstvoll verwoben wirken die nicht gerade spannungsförderlich übereinander gelegten Erzählstränge jedenfalls eher willkürlich zusammengepappt. In ausdauernden Parallelmontagen mischt der Film den zeitversetzten Spiegelhorror seiner Protagonisten derart beliebig, dass die gezielten Irritationen des Plotverlaufs vielleicht nur kaschieren wollen, wie schwer er es sich mit seiner lediglich kurzfilmtauglichen Idee macht. [...]

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                                      [...] Gern doch: Setzen wir dem sich entweder in autorenfilmischen Ernst oder eben Schweighöfersche Blödsinnigkeit gespaltenen hiesigen Filmkulturbetrieb ruhig ödipale Serienkiller, monströse Fratzen und viel schmierigschönen Irrsinn entgegen. Wenn sich da also ein junger Regisseur wie der Holsteiner Michael David Pate anstellt, gepflegte deutsche Filmlangeweile mit dem dick gepinselten Psychothriller "Gefällt Mir" wenigstens für einen kurzen Moment durcheinander zu bringen, ist das natürlich super. Würde es einem nur auch dieser Film nicht wieder so verdammt schwer machen. [...]

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                                          [...] Die Konfliktfrage, die sich aus der Geschichte ergibt, federt "Like Father, Like Son" über die konträre Haltung seiner Figuren ab: Je mühsamer sich die Restrukturierung des traditionellen Familienmodells gestaltet - und natürlich produziert der versuchsweise Austausch der "tatsächlichen" Söhne nur weiteren Unmut -, desto haltloser erscheinen die von Vater Ryota beschworenen Ursprungsmythen von Blutsverwandtschaft. Dessen Versuch, für oder gegen die Liebe zu einem Kind sowohl biologisch als auch erziehungshistorisch zu argumentieren, misslingt im wundersamen Schlussmoment jedoch aufs Allerzärtlichste. [...]

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                                            [...] Was soll man über den grausamen Tod der Filmparodie noch schreiben, ohne wie eine Schallplatte mit Sprung zu klingen? Seit die Spoof-Stümper Jason Friedberg, Aaron Seltzer oder eben ganz besonders Marlon Wayans das Genre kaperten, hat dieses keinen einzigen nennenswerten Film mehr hervorgebracht. Bei der angeblichen Horror- und Found-Footage-Parodie "Ghost Movie 2" nun von einem neuen Tiefpunkt zu sprechen, hieße allerdings, ein solcher sei mit dem grenzdebilen Vorgänger noch nicht erreicht gewesen. Doch wenn der Verstand kapituliert, legt Marlon Wayans erst richtig los. [...]

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                                            • 6 .5

                                              [...] In der Art, wie "Blue Ruin" seine Gewalt vorbereitet, ausführt, zelebriert, und als verrücktestmögliches Kommunikationsmittel seiner entwurzelten Figuren zur Disposition stellt, ist es einer der unberechenbarsten und klügsten Rachefilme seit langer Zeit. Nicht allein der Blick für entscheidende, absonderliche Details beansprucht hier Aufmerksamkeit wie Nervenkostüm, vielmehr ist dies eines der wenigen Beispiele für tatsächlich filmisch erfahrbar gemachten Nihilismus. [...]

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                                                [...] Anders als der schnauzbärtige Jeff Bridges in der 1986er-Scudder-Version ist Liam Neeson so ziemlich die Idealbesetzung der Rolle. Im Spätkarrieremodus eines neu entdeckten "anderen" Actionstars, der situative Überlegtheit jederzeit aggressiver Kinetik vorzuziehen bereit ist, macht er eine wunderbare Figur. Und tritt als gewaltscheuer Eigenbrötler auch noch einmal entschieden anders auf als zuletzt in "96 Hours". [...]

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                                                  [...] Würde Bruce Willis seine Handvoll Szenen, von denen er die Hälfte auch noch hinter einem Büroschreibtisch verbringt, einigermaßen spielfreudig bestreiten, könnte man "The Prince" vielleicht noch als leidlichen Fan-Service empfehlen. So aber steht dem Film die Unlust seiner unverblümt desinteressiert auftretenden Stars fest eingeschrieben, und das grenzt eigentlich an Zuschauerverachtung. Da "The Prince" auch inszenatorisch lieblos zusammengeschustert erscheint, braucht man sich da wirklich keine Illusionen zu machen. Und die Willis-Szenen seines nächsten Films "Vice" hat Regisseur Brian A Miller sogar gleich noch am selben Set abgedreht.

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                                                  • Aber die wahre Kunst ist doch überhaupt erst der Kitsch.

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