Rajko Burchardt - Kommentare

Alle Kommentare von Rajko Burchardt

  • 6

    [...] Divine, die in ihrem notwendigerweise aggressiven Exzess aus Bürgerschrecksaktionismus, dauerhaftem Drogenmissbrauch und medialer Gender-Verunsicherung vor allem als eine Unruhestifterin des US-amerikanischen Starsystems auftrat, ist schwer konventionell ehrbar. Die überraschend anständige Machart des Films irritiert. Sie verhindert mitunter tiefere Einblicke, verweigert sich aber vor allem formal wünschenswerter Umwege - obwohl Jeffrey Schwartz "I am Divine" als ein Projekt von und für Fans ankündigt hatte. Dass dem Film dennoch eine überaus sehenswerte, sogar höchst anrührende Hommage an Divine gelingt, ist so gesehen ein Kunststück (und vielleicht eines, das die gar nicht recht in Erzählform zu bringende Dragqueen vor allem selbst in ihr dokumentarisches Vermächtnis trägt). [...]

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    • 5
      über Fargo

      [...] Wie bereits der Film lebt auch die Serie von eigenwilligen Figuren, die an der Konfrontation mit dem Außerordentlichen zu verzweifeln drohen. Störenfried Billy Bob Thornton, als langjähriger Weggefährte der Coen-Brüder bestens mit deren lakonischem Humor vertraut, wirkt in dieser offen gelegten Kehrseite kleinstädtischer Idylle wie ein böses Prinzip: Er beobachtet und interveniert nach Lust und Laune, hält seine Protagonisten süffisant an der Leine. Das ist nicht allein eine großartige Figur, weil sie ihre gewalttätigen Griffel in die Wunden scheinbar unschuldiger Krämerseelen drückt, sondern weil sie selbst so herrlich ungewiss bleibt. [...]

      Review Season 1: http://tinyurl.com/leaxjwz

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      • Ich vermisse ja den "Kritik im Original"-Button auf Dashboard und Profilseite ein wenig. :-)

        8
        • 7

          [...] Die bekannte Geschichte "nach verschiedenen Erzählungen aus Hessen" besetzte Tim Burton ausschließlich mit japanischen Darstellern, von denen Michael Yama sowohl Hänsels und Gretels Stiefmutter als auch die böse Hexe (mit Zuckerstangen als Nase und Krückstock!) mimte. Es ist erstaunlich zu sehen, wie der Filmemacher schon anno dazumal queere Konzepte an manierliche Familienunterhaltung zu binden verstand, und auch Gepflogenheiten eines Konzerns (hier: Disney) zu unterwandern, ohne sie dabei zwangsläufig radikal zu destabilisieren – was ja eben bereits auf die viel zitierte "Subversion im Mainstream" verweist, die Burton später als eine Art auteuresken Schlüssel zum Erfolg nutzen wird. [...]

          8
          • 6 .5

            [...] Es sind kleine Details, die sich wie fatale historische Spuren durch diese gleich in mehrfacher Hinsicht von Aufstiegsträumen bestimmte Geschichte ziehen. Ganz so, als wolle Miyazaki uns auch keinesfalls den Kontext vergessen lassen, aus dem sie sich speisen: Vorzeichen der Naziherrschaft auf der einen, die bedrohliche Gegenwart der japanischen Polizeieinheit Tokko auf der anderen Seite – wenn der Wind sich hebt, lüftet er auch die Schrecken eines nahenden Weltkrieges. [...]

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            • 6

              Wenn es nicht so langweilig wäre, könnte man "Fast Company", diesen seltsamen Störenfried in David Cronenbergs ja doch sehr einheitlichem Schaffenswerk, gleich mehrfach in die Bestandteile seines Entstehungskontexts zerlegen. Könnte also auf frisch errichtete Steueroasen verweisen, die im Kanada der ausgehenden 70er Jahre kunstfremde Investoren zur Filmproduktion inspirierten. Könnte argumentieren, das Action-Drama sei lediglich als Rekrutierungsoperation künftiger Cronenberg-Weggefährten wie Ronald Sanders oder Carol Spier zu verstehen. Oder auch einfach nur den ziemlich simplen Umstand benennen, dass der nach "Shivers" und "Rabid" vorerst arbeitslose "King of Body Horror" (wie ich dieses Label übrigens hasse!) eine noch recht junge Familie zu ernähren hatte.

              Viel interessanter ist doch aber, wie Cronenberg mit dieser Auftragsproduktion umgeht: Da ist zum einen solch kursorisches B-Movie-Material, geschult an AIP-Exploitation Cormanscher Prägung, das es sich nicht anzueignen, sondern nur passend zu verkaufen galt, so Cronenberg dieses für ihn freilich rare Beispiel konventionellen Filmemachens gleich noch mit seiner persönlichen Leidenschaft für Motorsport zu verknüpfen wusste. Und da ist zum anderen die Geschichte eines lädierten Drag-Race-Profis (tiefenentspannt: William Smith), der nicht nur seinen Vorgesetzten (niederträchtig: John Saxon) erledigen, sondern auch Freundin, Kollegen, eine ganze Profession und, ach was, eigentlich das Land of the Free per se retten muss. "Fast Company" ist, wie später auch "A History of Violence", ein Western ganz ohne Colts und Cowboys. Ein bisschen eigen- und blödsinnig, aber voller Herzblut. Und Nicholas Campbell, der Mann mit den wohl schönsten Augen des Kinos, ist als Billy the Kid eine Entdeckung, auf die Cronenberg heute zu Recht stolz sein darf.

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              • 5

                [...] Tatsächlich halten die Konventionen der Highschool-Komödie einer schwulen Variation wie in "Date and Switch" stand, die zentrale Heldenkonstellation bleibt von ihr fast unberührt. Michael sucht ein Mädchen, Matty eben einen Jungen – und alles Queere lässt sich schon deshalb wunderbar mit dem Gewöhnlichen vereinbaren, weil sich das Normativitätsdenken darüber auch seiner eigenen Toleranz versichern kann. Der Film ist nicht sonderlich tiefsinnig, aber zumindest sehr charmant in seinem Bromance-Humor. [...]

                • 6

                  [...] Sieben Jahre Auszeit gönnte sich Jacob Aaron Estes nach dem gefeierten "Mean Creek", bevor er mit "The Details" seinen erst zweiten Film inszenierte. Es ist großartig, wie er diese aberwitzige Geschichte weder mit fatalistischer Melodramatik noch garstigem Zynismus erzählt. Ganz seltsam bleibt er zwischen den Dingen, ganz eigensinnig schlägt er immer wieder irritierende Töne an. Wenig verwunderlich, dass die hinter der Produktion steckende Weinstein Company damit offenbar nichts anzufangen wusste. In den US-Kinos ist der Film, nach entsprechend irreführender Vermarktung, zumindest grandios gefloppt. [...]

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                  • 0 .5

                    [...] Den Freifahrtsschein vermeintlich wahrer Begebenheiten nutzt "Gimme Shelter" für ein nur haarscharf am Armutsporno vorbeischlitterndes Teenagerdrama, das ganz auf seine theatral agierende Hauptdarstellerin zugeschnitten ist. Mit demonstrativ fettigem Haar und rebellischen Fake-Piercings spielt Vanessa Hudgens die 16jährige Agnes, genannt Apple, der das ärmliche Milieu vom Film sicherheitshalber schon mal deutlich auf die Stirn gekritzelt steht. Alles scheint sich hier lediglich um einen millionenschweren Kinderstar von einst zu drehen, der im Heroin chic mal zeigen soll, was er wirklich kann. [...]

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                    • 5

                      [...] So quadratisch, praktisch, gut die Prämisse des Films zunächst anmuten mag, so sehr bringt Takashi Miike sie nur augenscheinlich in eine konventionelle Form. Oder schafft es, anders gesagt, deren äußere Rahmenbedingungen zu nutzen, um hinter der absurden, die Handlung antreibenden Idee ein geradezu sittenstrenges Drama zu spinnen. An Thrill und Action zeigt Miike sich deshalb wenig interessiert, viel eher liegen ihm die Figuren der Romanvorlage von Kazuhiro Kiuchi am Herzen - für den Film ist das Fluch und Segen zugleich. [...]

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                      • 6
                        • Scott Mendelson von Forbes hat die Box-Office-Geschichte der X-Men-Filme sowie deren bisheriges Front-Loaded-Schicksal kürzlich recht schön analysiert.

                          http://www.forbes.com/sites/scottmendelson/2014/05/20/x-men-a-box-office-history/

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                          • Like für die (wenn auch eher verhalten) lobenden Worte zu Sandler!

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                            • 5 .5

                              [...] Nachdem er sich mit der Videospielverfilmung "Phoenix Wright - Ace Attorney" schon fast in die Gefilde familienfreundlicher Unterhaltung vorwagte, wirkt "Lesson of the Evil" im arbeitswütigen Output seines Regisseurs wie ein radikaler Befreiungsschlag. Der Film ist so gradlinig (und fatalistisch) im unausweichlichen Zynismus des Plots, dass Takashi Miike seine jüngeren Weltkino-Ambitionen auch gleich mit einem dicken "Fuck You" hätte überschreiben können. [...]

                              5
                              • 4 .5

                                [...] Wenn die eigene Mutter einen ganz selbstverständlich für schwul hält, man von Klassenkameraden schikaniert und wiederum anderen gleich für eine Frau gehalten wird, kann das mit der Selbstfindung schon mal etwas schwierig werden. Der französische Komiker Guillaume Gallienne hat diese Erfahrungen zu einem autobiographischen Theaterstück verarbeitet, das auch die Grundlage für sein Regiedebüt bildet. Zwar erhebt Gallienne, der nicht nur sich selbst, sondern auch seine Mutter spielt, nie den Zeigefinger (dafür wirkt der Film auch viel zu bekömmlich), aber er führt heteronormatives Schubladendenken ebenso entschieden wie zuweilen auch amüsant vor. [...]

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                                • 9
                                  über Birth

                                  [...] Zu den Eigenschaften einer jeden Kanonbildung gehört der Mythos des verkannten Meisterwerks. In einer gerechten Kinogeschichtsschreibung müsste "Birth" früher oder später als übergangener Ausnahmefilm, als großer Klassiker gefeiert werden, wenn einem das auch eigentlich vollkommen egal sein kann. Zumindest aber ließe sich darüber eine Parallele zu "Vertigo" ziehen, jenem einst schonungslos abgefertigten Melodram, das heute munter über Kritikerlisten thront. Beiden Filmen ist es zunächst nicht gelungen, das Publikum mit der irrelevanten Plausibilitätsfrage ihrer bizarren Romanze zu versöhnen. Und beide erzählen so entrückt rätselhaft wie anmutig schön von der Unmöglichkeit wahrer Liebe - oder eben, je nach Lesart, von deren immerwährenden, schmerzvollen Unendlichkeit. [...]

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                                  • RTL2 nahm Ang Lees Hulk ja schon einmal ins Programm und zeigte eine - wie soll man sagen - ganz eigene Interpretation des Films: http://www.schnittberichte.com/schnittbericht.php?ID=429478

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                                    • 6

                                      [...] Marc Pieschel bringt unterschiedlichste Sichtweisen zum Thema ein. Es ist spannend, diesen Menschen zu lauschen. Weil sie nicht nur moralisch und ethisch, sondern ganz vernunftgemäß argumentieren: Über die unbestrittenen Folgeerscheinungen von Fleischkonsum und Intensivtierhaltung, über Gesundheit und Umwelt betreffende Auswirkungen, ganz deutlich auch über multiresistente Keime, Regenwaldabholzung, CO2-Belastung. Das alles ist so konkret wie logisch. Und hat letztlich weniger mit alternativen Lebensweisen, als vielmehr mit klarem Verstand zu tun. [...]

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                                      • 2

                                        [...] Höhepunkte sind spärlich gesät in dieser satanistischen Babyverschwörung. Als ebendiese vergnüglich zu werden droht, laufen über "Devil's Due – Teufelsbrut" auch schon wieder die Schlusstitel. Für junge Muttis aus Berlin Prenzlauer Berg ist das mit Sicherheit ein Film gewordener Albtraum. Alle anderen werden diesen soundsovielten Wackelkamera-Grusel mit ausgeglichen niedrigem Ruhepuls ganz sorglos aussitzen müssen. [...]

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                                        • 0 .5

                                          [...] Was diesen unglaublich lieblosen Schwachsinn letztlich vom ambitionierten Fanprojekt oder auch einer eventuell begeisterten Amateurhommage trennt, ist dessen ausschließliches Interesse an sich selbst. Das ist kein Fan-, sondern ein Privatfilm. Nichts, das einem über Freunde und Bekannte des in ultranerdigen Gorebauer-Zirkeln operierenden Regisseurs Marcel Walz ("Seed 2") hinausgehenden Publikum irgendetwas zu vermitteln hat. Wenn überhaupt. [...]

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                                          • 4
                                            über Tokarev

                                            [...] Leicht hat man es als Fan von Nicolas Cage natürlich nicht, seinen dreimonatlichen Output an Videomarktware auch gegen die unbestrittenen Qualitäten dieses Leinwandwahnsinnigen zu verteidigen. Andererseits ist es ihm in den letzten Jahren gelungen, mit zwar qualitativ durchwachsenen, aber stets konsequent auf Crazy-Cage gebürsteten Produktionen ein stattliches Gesamtwerk an Genreirrsinn zu fabrizieren. "Tokarev", das jüngste als Kinofilm konzipierte und doch nur wieder ins DVD-Regal abgeschobene Cage-Vehikel, kann so gesehen eigentlich niemanden wirklich enttäuschen. Es ist nach "Stolen" sein zweiter Versuch, es Liam Neesons "Taken" nachzumachen, und der mindestens fünfte Film in Folge, bei dem Cages gewohnt wundervoll-anfallsartiges Schauspiel von einer uninspirierten Inszenierung überschattet wird. [...]

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                                            • 2

                                              [...] "3 Days to Kill", überdeutlich im Fahrwasser des EuropaCorp-Hits "96 Hours" angesiedelt, offenbart sich als mit aller Kraft und Härte auf Agenten-Ulk getrimmte Klamotte, so entfesselt wie leider auch nervtötend in Szene gesetzt. Die unterschiedlichen Ansätze (Actionthriller, Familiendrama und Komödie) ergänzen sich hier nicht zu einer reizvollen Variation auf bisherige EuropaCorp-Produktionen, sondern stehen sich allesamt gegenseitig im Weg. Das Ergebnis ist ein zähes, überlanges Kuddelmuddel unvereinbarer Ideen, saudämlicher Gags und schwachbrüstiger Action. [...]

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                                              • 1 .5

                                                [...] Regiedebütant Joe Begos ist natürlich kein John Carpenter, auch wenn die Schriftart der Titel, der basslastige Score oder das auf Pseudo-Breitwand gebrachte Scope-Format seines Films etwas anderes suggerieren wollen. Vielleicht reicht es gerade mal zum amerikanischen Timo Rose. Zur US-Provinz-Version eines Olaf Ittenbach. Maximal zur Coca-Cola-Ausgabe eines Andreas Schnaas. Die hierzulande wohl allesamt einen ganz ähnlichen Film abgeliefert hätten, würde man sie mit einem Rip-Off von "The Hidden" beauftragen. [...]

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                                                • 4

                                                  [...] Aus gutem Grund bleiben Ursprung und politischer Zusammenhang des schauerlichen Szenarios weitgehend unkonkret, über die Akteure und Gründe des Konflikts erfährt man nichts. "How I Live Now" nimmt konsequent die Perspektive seiner adoleszenten Figuren ein und umgeht damit jegliche Erklärungsmuster. Der Krieg selbst bleibt eine unbekannte Größe, was dem Film zweifelsohne zum Vorteil gereicht. Leider bricht das verheißungsvolle Konstrukt jedoch zunehmend auseinander. Die Liebesgeschichte ist ein denkbar ungeeigneter Motor des weiteren Handlungsverlaufs, weil Regisseur Kevin Macdonald sich zuvor kaum Zeit nahm, sie einigermaßen mit Leben zu füllen. Oder so auszukosten, als stünde nun wirklich etwas auf dem Spiel. [...]

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                                                  • 6 .5

                                                    [...] Die Männer in diesem Film, sie sind Lügner, Schläger und Mörder, sind gescheitert an jedweden romantischen Cowboy-Idealen, und vor allem daran, gute Ehemänner und Väter zu sein. Eine wehmütige, aber unausweichliche Erkenntnis, erst recht nach Nichols' letztem Film: In dessen "Take Shelter" ließ sich die Kernfamilie schließlich nur noch unter Androhung von Gewalt, im Luftschutzbunker einer vom Mann imaginierten Apokalypse, einigermaßen zusammenhalten. Wenn die konfliktgebeutelten Figuren von "Mud" wiederum jetzt nur noch in der unwirklich vergilbten Schönheit modriger Sümpfe, endloser Flüsse und kleiner Inseln der Hoffnung Zuflucht finden, dann sind sie nicht nur als Männer gescheitert, sondern haben auch als Menschen versagt. [...]

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