Rajko Burchardt - Kommentare
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Alle Kommentare von Rajko Burchardt
[...] Aber leider ist WINTER’S BONE eben doch ein Film der Mechanismen, ein sozialgewichtiger, trister und bitterer Film, der unterm Strich alles richtig machen und es gut meinen möchte. Egal wie schlimm die Geschichte eines 17jährigen Mädchens, das im amerikanischen Hinterland allein für seine zwei kleinen Geschwister aufkommen muss, auch sein mag: Aus dem Kino geht man irgendwie mit einem guten Gefühl. Die Schrecken der weißen Unterschicht werden wohl dosiert, mit Klischees verformt und durch Empathie goutierbar gemacht. Nur so vielleicht kann ein solcher Film funktionieren – bei den Oscars ebenso wie bei Mutti, die mit ihrer besten Freundin einen Kinoabend mit Anspruch eingeplant hat. White Trash, aber bitte nur mit Happy End. Die bedenkliche Proportionalisierung bzw. Verfremdung, mit der dieser und vergleichbare Filme ihre Sujets bearbeiten, ist so wenig neu wie nun sonderlich aufregend. [...]
Justin! <3
[...] Mit "Sucker Punch" feiert Regisseur Zack Snyder vorerst am Eindrücklichsten die Übernahme des Blockbuster-Kinos durch das schier Primitive. In diesem surrealen Lolitabilderrausch ist ihm nunmehr alles erlaubt. Alles heißt bei Snyder die totale Entfaltungsfreiheit von vorzugsweise fetischisierten Machtfantasien in scheinbar grenzenlosen digitalen Bilderwelten. Die Möglichkeit, mit dem Computer alles generieren zu können, geht bei ihm jedoch nicht zwangsläufig mit erzählerischer Freiheit einher. Stattdessen folgt der Film dem nochmals reduzierten Prinzip seines Vorreiters George Lucas: Je mehr Arbeit und Kreativität in Prozessoren umgesetzt wird, desto weniger inhaltliche Komplexität ist erlaubt. Daraus ergibt sich letztlich die einfache Formel, ohne jede über den reinen visuellen Eindruck hinausgehende Sinnstiftung Spektakel im Überwältigungsmodus programmieren zu können. [...]
Ebenso simpler wie effektiver Backwood-Thriller, in dem eine Gruppe von Jägern unvermittelt zu Gejagten wird. Gefilmt wie ein Privatvideo aus dem Camcorder, inszeniert Ti West "Trigger Man" als Überlebenstrip in hautnahen Bildern mit schmucklosen Einstellungen und hektischen Zooms. Die Handlungsarmut und der überwiegende Verzicht auf Dialoge gestalten insbesondere die anfänglichen Jagdszenen enorm unspektakulär, wobei West das Jagen nicht nur überdeutlich als das kennzeichnet, was es ist (nämlich wenig aufregend), sondern auch nicht ausgedienten Naturaufnahmen und anderen Ablenkungen erliegt. Stattdessen generiert er eine kompakte innere Spannung, die er auch in der temporeicheren zweiten Hälfte aufrechterhalten kann. Vergleichen mit nahe liegenden formalen und geistigen Vorbildern wie "Deliverance" geht der Film entschieden aus dem Weg, hier muss niemand erst in den Arsch gefickt werden, um die Evolutionsleiter herunterzupurzeln. West krempelt vielmehr noch abermals Genremechanismen um, erzählt behutsam, fast anti-narrativ und dennoch mit hoher Konzentration, unterstützt von einem stimmig-schiefen Soundtrack seines Stammkomponisten Jeff Grace. So etwas ist freilich schwer an den Mann zu bringen, weshalb die Vermarktung von "Trigger Man" als reißerische Hinterwäldler-Action komplett falsche Erwartungen schürt.
Experimenteller Horrorfilm, bei dem Regisseur Ti West unterschiedliche Genretopoi kombiniert und mit einer sichtbaren Vorliebe für altmodischen Grusel neu anordnet. Die Vermengung von Tierhorror-, Slasher- und Zombiefilm gerinnt dabei zum nahezu dialogfreien Stimmungsbild, das sich ganz seiner unheimlichen Spielräume, bizarren visuellen Einfälle und dissonanten Klanguntermalung verschreibt. West gelingen einige wunderschön obskure, nahezu genuine Bilder, die er ähnlich faszinierend kadriert und montiert wie in "The House of the Devil", den er vier Jahre später inszenierte. Zwar ist "The Roost" durchaus eine interessante Übung, aber nicht selten wirkt der Film unbeholfen, klischeehaft filmstudentisch und auch ein wenig prätentiös, beispielsweise wenn er die Handlung unterbricht und zurückspult (Haneke-Style). Solcherlei Albernheiten hat West doch eigentlich gar nicht nötig.
[...] "Der letzte Tempelritter" ist nicht so schlecht, dass er Spaß machen könnte, er ist einfach nur ganz normal schlecht. Und damit ohne Belang selbst noch für Cage-Fans, die von ihrem Schulden abtragenden Lieblingsschauspieler mit großer Konsequenz zu Jüngern des Camps konditioniert werden. [...] Der Film bringt zweifelsfrei die eine oder andere amüsante Anlage mit sich, aber aus irgendeinem Grund möchte Regisseur Dominic Sena die hanebüchene Geschichte mit erzählerischem Ernst und weitgehend konventioneller Inszenierung aufziehen. Er mag seine heldenhaften Figuren nicht für Ulk ausgestellt wissen und scheint den ganzen drögen Fantasy-Mumpitz offenbar spannend zu finden. [...] Die wenigen Schlachtszenen werden allesamt für die Exposition zusammenmontiert, und als besonders unabenteuerlicher Höhepunkt des Films muss doch tatsächlich die unspektakuläre Überquerung einer Hängebrücke herhalten - eine Szene, die bemüht zum großen Spannungsmoment aufgeblasen noch nicht einmal für einen halbwegs anständigen Schauwert zu gebrauchen ist. [...] Das klobige Resultat von "Der letzte Tempelritter" erklärt sich letztlich wohl nur aus der katastrophalen Produktionsgeschichte.
Einfältiger und höchst alberner Erbauungskitsch aus dem Hause Weinstein, der nach dramaturgischem Baukastenprinzip alle ausgedienten Boxfilmklischees noch mal neu aufsagt und sich in seiner Hollywoodesken Vor- wie Nachstellung von White Trash von einer Sackgasse in die nächste manövriert. Selbst noch als gähnend konventionelle Award-Winning-Chose betrachtet ist die verlogene Siegermentalität in Kombination mit ihrem sozialpornographischen Elendsanspruch eine reine Zumutung, die nur von ihrem hilflos in Armutskostüme geschmissenen Ensemble unterboten wird. Insbesondere Christian Bale changiert infolge erneuter Schauspieldefizite über die Grenzen des Over-Actings hinaus zwischen Körperschändung und Grimassenausstellung: Wie schon in "The Machinist" meint er sich in eine gebrechliche Figur einfühlen zu müssen, indem er sich eine Anorexie antrainiert. Statt einen abgehungerten Menschen zu *spielen*, will Bale also offenbar lieber ein abgehungerter Mensch *sein*. Das alte Method-Acting-Missverständnis noch mal um sich selbst gedreht. Zumindest stellenweise allerdings empfiehlt sich "The Fighter" dank einiger unmöglicher Gross-Out-Momente – in einer denkwürdigen und vollkommen sinnentleerten Szene prügelt beispielsweise ein Haufen Frauen aufeinander ein – als vergnüglicher Oscar-Trash.
[...] Was erst einmal einen nur allzu konventionellen und moralischen Eindruck macht, schlägt im Verlauf der Handlung ein Dutzend unerwarteter Haken. Die zunächst noch geradlinige Geschichte des Films löst sich mehr und mehr in eine streng subjektive Erzählperspektive auf. So wie Eddie unvermittelt in sein vollkommen absurdes Drogenleben stürzt, muss ihn der Zuschauer auf diesem Weg begleiten. Seine privaten und beruflichen Erfolge durchleben wir gemeinsam mit ihm, die Wahrnehmungslücken gerinnen auch für uns zu unerklärlichen Auslassungen. "Ohne Limit" zwingt sein Publikum zur Co-Abhängigkeit: Einem Trip gleich inszeniert Burger den Film als intensiven Fiebertraum, dem man kaum vertrauen und dennoch nur erliegen kann. Dies ist einer der verrücktesten, originellsten und wagemutigsten Hollywood-Filme seit Jahren. [...]
[...] Der Film hat mit Cravens einstiger Schnellschussfortsetzung mehr gemein, als man zunächst annehmen könnte. Beide erscheinen im Gegensatz zu ihren Vorgängern wesentlich konventioneller konstruiert und fügen sich deutlich der simplen Dramaturgie eines Slasherfilms. In Cravens Version von 1985 gerät eine Gruppe Jugendlicher in die Kannibalenwüste - nach und nach werden die schuldigen Kids dezimiert. Bezüge zum Original waren reiner Selbstzweck, letztlich unterschied sich "The Hills Have Eyes Part II" in seiner Beliebigkeit kaum mehr von einzelnen Ausgaben des "Friday the 13th"-Zyklusses. In der Neufassung gilt es deshalb nur die Teenager gegen eine Soldatentruppe einzutauschen: Der Rest ist nicht mehr als die Variation des ewig gleichen. Doch immerhin erhält der Film, dessen Drehbuch Craven gemeinsam mit seinem Sohn Jonathan verfasste, durch diesen Wechsel eine interessante Note: Der Kampf zweier Familien im Original und Vorgänger weicht für "The Hills Have Eyes 2" einer kriegerischen Auseinandersetzung zwischen blutjungen Gesandten des US-Militärs und barbarischen Terroristen. [...]
[...] Zu den Erneuerungen der Geschichte zählt auch die stärkere Betonung der möglichen Hintergründe der Missgebildeten. In einer optisch beeindruckenden (und dem Schlussbild von "From Dusk Till Dawn" ähnlichen) Szene wird ersichtlich, dass Familie Carter offenbar nicht die ersten Opfer der Hinterwäldler sind. Die Kamera fährt über einen gigantischen Atomkrater, in dem sich dutzende Autowracks versammeln - aus diesem totalen Dead End kann es keinen Ausweg geben: "You won't believe it, it's like the Twilight Zone." [...] Drehte schon Craven das Prinzip des Final Girls um, in dem er mit Martin Speer den im Schlussdrittel kämpfenden Vater, der sein Baby retten will, darstellte und sich somit von "The Texas Chainsaw Massacre" oder seinem eigenen "Last House on the Left" unterschied, unterstreicht Aja diesen Handlungsteil noch deutlicher. [...] Bereits in den ersten Dialogen kommt Ajas ironisch brechender Einsatz politischer Konnotationen zur Geltung, wenn Big Bob sich über den Schwiegersohn in spe aufgrund dessen Abneigung gegenüber Waffen belustigt: "He's a democrat, he doesn't like guns." Doch in Ajas distanzierter Sichtweise bleibt es nicht beim lockeren Schlagabtausch und so kann auch seine NRA-Mentalität Bob nicht vor dem Tod bewahren. Ein französischer Regisseur spricht eben eine andere Sprache.
Herr Caruso hat einen guten Filmgeschmack, dafür, dass er ein verdammt schlechter Regisseur ist. Bemerkenswert auch, dass es der erste Filmcheck-Teilnehmer ist, der Fellinis ACHTEINHALB in die Kamera hält - der eigentlich ein Schlüsselwerk für *jeden* Filmschaffenden ist. Die Dame kommt niedlich rüber, aber keiner ihrer Lieblingsfilme ist älter als 15 Jahre...
Vorhin mal kurz reingeschaut, aber die Synchro ist ja nicht zum Aushalten. Ich hatte bislang ja immer noch ein-zwei Prozent Restsympathtie für deutsche Synchronisationen, aber auch die sind jetzt endgültig dahin.
DAS ENDE O.o
<3 Justin! :*
Fortsetzung des unbekümmerten Versuchs, selige Backwood-Slasher Hand gemacht emulieren und gleichzeitig einen neuen Franchise-Killer heranzüchten zu können. Die Wald-und-Wiesen-Geschichte des Vorgängers erzählt Gore-Nerd Adam Green mit beachtlichem Urvertrauen in Genrekonzepte einfach noch mal nach – welch Glück also, dass die Wiederholung des ewig gleichen prompt als Treue zu den Vorbildern ausgelegt werden muss. "Hatchet II" ist dabei genauso trashig, unbeholfen und dilettantisch wie bereits der erste Film. Das Blut muss spritzen, aus allen Körperöffnungen und in alle Richtungen, und für kreischende Girls, ordentlich Titten und extravagante Doofheiten im Dialog sorgt Green erneut mit Verlass. Der Candyman und Jason Vorhees sind auch wieder mit von der Partie, Neuzugänge bilden "Halloween"-Urgestein Danielle Harris, AJ Bowen ("The House of the Devil") und kurioserweise Regisseur Tom Holland. Das alles ist natürlich abermals ausgesprochen infantil, entbehrt aber nicht einer gewissen Vergnüglichkeit.
[...] In die finale Bühnenshow im Madison Square Garden haben sich auch Kinderstarkollegen wie Jaden Smith oder Miley Cyrus verirrt, die offenbar ein bisschen teilhaben wollen am Bieber-Fieber. Im Gegensatz zu ihnen und Konsorten ist der 17jährige Kanadier kein Casting-Resultat, kein Disney-Produkt und kein Sohn berühmter Eltern. Zwar vertritt auch Bieber das anständige Bild eines adoleszenten, aber keimfreien, eines auf Teenie-Sexsymbol gebürsteten und doch ganz braven Jungen, vereint also die branchenüblichen Widersprüche in sich. Aber glücklicherweise kolportieren die Bieber-Macher keine Enthaltsamkeitsideologie und reaktionäre Sexualmoral wie die Jonas Brothers oder Hannah Montana. Sie vermitteln nicht den Eindruck, einen unschuldigen Jungen zum Teenie-Star gedrillt, sondern vielleicht einem bereits ausgeprägten Talent zum Erfolg verholfen zu haben. Das kann nicht mehr als Spekulation sein, aber Justin Bieber hat sich bisher eine gewisse Natürlichkeit bewahrt. Er ist unter all den geformten Americana-Kids der Musik- und Fernsehmaschinerien nicht nur der erfolgreichste, sondern auch der ungefährlichste. Eine Versicherung, damit vor dem ganz großen Absturz bewahrt zu werden, ist das aber natürlich auch nicht.
»Helga, I'm not mad at you, I'm mad at the dirt.«
»I work and work 'till I'm half-dead, and I hear people saying, 'She's getting old.' And what do I get? A daughter...«
»Christina. Christopher. Damn it.«
»Nobody ever said life was fair, Tina. I'm bigger and I'm faster. I will always beat you.«
»The biggest female star he's got... ever had... and he's burying me alive. Survive! Survive!«
»Hollywood royalty! Parted friends... everyone already knows! Box office poison! Box office poison! Class! You're... class... you're... class... box office poison!«
»Tina! Bring me the axe!«
»No*Wire*Hangers*Ever!«
---> »I don't think this is a campy movie. I don't think it's so bad it's good. I think it's so good it's perfect...
...except for a few peculiar lines that do go a little over the top.«
(John Waters)
[...] "Toast" ist eine britische Fernsehproduktion, die sogar schon in der BBC lief, es aber aufgrund ihrer Thematik und wohl auch mangels Alternativen irgendwie noch zur Berlinale-Sektion "Kulinarisches Kino" geschafft hat. Damit ist im Wesentlichen bereits alles gesagt. Die Geschichte ist zwar ganz schön und niedlich, wird aber von einer abwechselnd klebrigen und recht ideenlosen Inszenierung begleitet, die sich vor allem auf hübsch zubereitetes Essen konzentriert und gegen die auch die solide Besetzung kaum anspielen kann. Sämtliche Liebenswürdigkeiten der Geschichte werden leider mindestens drei Lagen zu dick aufgetragen, dazu Piano hier und Piano da, und ein Voice-Over darf auch nicht fehlen. Die tränendrüsige Baukastendramaturgie hätte "Toast" sicherlich nicht gebraucht. Und wer hat eigentlich irgendwann mal beschlossen, dass Kindheit und Jugend in gediegenen Qualitätsfilmen (oder Biopics) immer als pastellfarbene Feel-Good-Nostalgie verkauft werden müssen? [...]
[...] "Eine Serie von Gedanken" ist die Vermengung der strukturformalistischen Emigholz-Leitthemen, wie er sie in Ansammlungen von Texten, Zeichnungen oder Hörspielen entwickelte, zu Film – "Photographie und jenseits" heißt der entsprechende serielle Zyklus. Das dichotomische Bilderdenken, Justieren filmischer Räume und Konstruieren von Zusammenhängen zwischen diametralem Bild- und Tonmaterial bildet die formale Experimentiergewohnheit des Films und seines Regisseurs. Widersprüche werden aufgelöst, Verknüpfungen hergestellt, Ästhetiken erweitert. Aus Reduktion wird Oxidation, das Filmerlebnis zur selbständigen Wahrnehmungsbildung zwischen Denotation und Konnotation. Der schulische Erbauungsduktus und die leidenschaftliche Antidetermination von Filmsprache machen die Arbeiten von Emigholz zu reichhaltigen Gedankensammlungen, in denen Film und Rezeption auf faszinierende Art theoretisiert und schließlich unlösbar vereint werden. Im Anschluss zur Vorführung von “Eine Serie von Gedanken” eröffnete Emigholz das Berlinale-Q&A mit den Worten: "Inspiriert wurde ich von einem Bob-Dylan-Song".
Mich zwang es umgehend in die Waschräume, um mich einer dicken langen, aus dem Rückgrat gepressten Nougatstange zu entledigen. Ich habe meine Kamera laufen lassen und das Material mit von mir selbst eingesprochenen Kunstgeschichtsessays vertont, um es für das Forum Expanded 2012 einzureichen.
Mein Lieblingskino.
[...] In "The King’s Speech" geht es zunächst einmal um die Thronfolge von King George V. und den Amtsantritt seines jüngsten Sohnes nach dessen Tod, aber der Film erzählt statt vom Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, den politischen Umbrüchen im Königshaus oder anderer relevanter Dinge lieber eine Geschichte davon, wie es George VI. gelang, eine relativ stotterfreie Rede zu halten. Das folgt in erster Linie einer typischen Lehrer-Schüler-Dramaturgie, hier einmal zwischen sanftmütigem Logopäden und König in spe. Der gedeihende Lernerfolg wird, wenn sich nicht gerade die bewährte Schuss-Gegenschuss-Didaktik der Filmhochschule dazwischen drängt, in verlotterten Montagen erzählt, denn so formschön kann schweißtreibende Zeit nur im Kino vergänglich gemacht werden. Irgendwann schließlich wird ersichtlich, was der Film anfänglich wenig diffizil ohnehin schon Einstellung für Einstellung kolportierte: Des Königs Stimmbänder wurden einzig durch die unbarmherzigen Korsettschnüre britischer Adelsmeriten verengt – ein Glück also, dass Colin Firth seinen stotternden King George gleich zu Beginn als stocksteifen Tunichtgut exponieren muss, dem jede noble Geste einen Krampf ins Gesicht drückt. [...]
[...] Der franko-kanadische "En Terrains Connus" von Stéphane Lafleur vereint eine ganze Menge skurriler Einfälle, absurde Situationskomik und aberwitzige Figuren. Es gelingt ihm, daraus zu keiner Zeit eine ausgestellt freakige Provinzkomödie zu stricken, die unentwegt auf ihr ulkiges Potenzial verweisen müsste, sondern sich vielmehr als ganz stille und behutsame Tragödie zu positionieren. So abgenutzt es auch klingen mag, erzählt Lafleur nichts weniger als eine Geschichte, wie sie das ganz normale Leben schreibt. Damit reißt er gewiss keine Zäune ein oder präsentiert so etwas wie den originellsten Film der diesjährigen Berlinale, doch "En Terrains Connus" ist gerade dank seiner stilistischen Unauffälligkeit und seiner wunderschön leisen Pointen eine vergnügliche Reise ins verschneite Québec. Die sympathische Art, mit der dieser Film irgendwie vollkommen neben der Spur liegt, erinnert wohl nicht von ungefähr an "Fargo".
[...] Krüger hat sich als Regisseur deutlich weiter entwickelt, mit sicherer Hand und ohne Abschweife treibt er den Plot voran, was den Film von seinem Vorgänger stark unterscheidet. Sogar ein hohes Maß an komischen Dialogen und Situationen gönnt er sich. Trotzdem hinterlässt "Auf der Suche" einen etwas zwiespältigen Eindruck: Eingeführt als zentrale (Mutter)Figur, rückt Valerie aus unerfindlichen Gründen immer mehr in den Hintergrund. Ständig bleibt der Film bei Jens, folgt seiner Suche nach dem Ex-Freund, schneidet immer wieder zu ihm, wenn man sich nach dem überzeugenden Schauspiel von Harfouch sehnt. Krügers ausgeprägt schwule Ästhetik ist zudem wieder einmal mit besonders zerschlissenen Klischees durchsetzt – es gibt keinen dramaturgischen Grund, den Ex-Freund des verschwundenen Sohnes nackt unter die Dusche zu stellen, außer vielleicht, um wieder einmal der Pimmelquote des queeren Kinos einen Dienst zu erweisen.
[...] Regisseur Dante Lam, neben Johnnie To das zurzeit wohl populärste Aushängeschild des Actionkinos aus Hongkong, inszeniert die Geschichte von Polizist und Schützling als dramatischen Thriller mit Noir-Anklängen, spektakulären Verfolgungsjagden und brutalen Zweikämpfen. Sein Hauptaugenmerk liegt gleichermaßen auf ausgefeilten Visuals, wie auch auf den mit großem Sentiment erarbeiteten Charakteren, was die altbekannte und alle nur erdenklichen Genreklischees abgrasende Geschichte glücklicherweise in den Hintergrund verdrängt. "The Stool Pigeon" ist leider dennoch wenig aufregend. Der vor sich hergetragene melancholische Tonfall steht in keiner Beziehung zu den schablonenhaften Figuren, die vielen unausgegorenen Nebenschauplätze und narrativen Verdrahtungen des Drehbuchs stören den Genuss des Films als rein emotional-sinnliches Erlebnis. Der für den HK-Genrefilm nur allzu signifikante Hang zum plötzlichen melodramatischen Ausbruch bleibt darüber seltsam wirkungslos, die mitunter eindrucksvollen, aber nur angerissenen Actionmomente vermitteln einen unfertigen Eindruck. [...]
[...] Obwohl "Vampire" einige starke Momente hat, mitunter eindrucksvolle, unkonventionelle Bilder findet, und die moderne Blutsaugermär ähnlich wie George Romeros "Martin" einfühlsam und melancholisch vertont, kommt der Film nie auf den Punkt. Seinen schwerfälligen Rhythmus mag man noch unter Stil vermerken, insgesamt aber macht Shunjis US-Debüt einen komplett planlosen Eindruck. Die immens unsichere Schauspielführung ist womöglich der Sprachbarriere geschuldet (im an die Vorführung anschließenden Q&A hatte der Regisseur Probleme, auch nur einen einzigen Satz auf Englisch zu formulieren) und sicher nicht unbedingt problematisch, doch die wirklich enorm prätentiöse Inszenierung – inklusive eines mehr als kuriosen Epilogs, in dem ein Mädchen mit Luftballon auf einer Tiefkühltruhe tanzt – strapaziert das Sitzfleisch nachhaltig. Und dann drängelte er sich irgendwann vor, der meines Erachtens ja eigentlich viel zu inflationär und abschätzig genutzte Arty-Farty-Begriff. Er wurde erfunden für Filme wie "Vampire". So trostlos das Leben eines Vampirs (oder als Metapher verstanden: eines einsamen Jungen) auch sein mag, dieser Film ist noch tausendmal trostloser! [...]