Patrick Reinbott - Kommentare

Alle Kommentare von Patrick Reinbott

  • 7 .5

    Am Anfang ist das ja alles noch recht amüsant. Joaquin Phoenix verkündet das Ende seiner Schauspielkarriere und möchte als Rapper im Musik-Geschäft Fuß fassen, was von seinem Schwager Casey Affleck dokumentiert wird. Mehr und mehr verändert er sich. Der sonst so gut aussehende Schauspieler trägt auf einmal Vollbart, zottelige Haare und Bierbauch. Seine Live-Auftritte verkommen zur peinlichen Blamage. Er feiert heftige Partys in seinem Hotelzimmer mit Nutten und Koks. Doch irgendwann gleitet dieses Schauspiel immer tiefer ins Tragische ab und bei Phoenix zeichnet sich ein heftiger Nervenzusammenbruch ab, der zu einer kompletten Sinnkrise führt.
    Casey Affleck und Joaquin Phoenix haben mit "I´m Still Here" sicherlich den kühnsten Coup der jüngeren Filmgeschichte hingelegt, wenn es darum geht, Realität und Fiktion miteinander zu verschmelzen. Auch wenn das gesamte Unterfangen im Nachhinein als inszenierte Mockumentary offen gelegt wurde, war die öffentliche Täuschung trotz vereinzelter Skeptiker und vermehrter "Hoax!"-Rufer ein Volltreffer.
    Das schöne an diesem Film ist, dass er einfach da ist und jeder mit ihm anfangen darf, was er will. Die schonungslos dokumentierte Chronologie eines tief fallenden Künstlers eignet sich für viele Betrachtungsweisen. Ob als Satire auf das Existenzen zerstörende Showgeschäft von Hollywood, geglückte Medienschelte, amüsantes bis tieftrauriges Porträt eines Nervenzusammenbruchs oder teilweise Verarbeitung einer teilweise realen Sinnkrise.
    "I´m Still Here" mag zu weiten Teilen ein Fake sein, doch einige Geheimnisse bewahrt er sich vollständig. Inwiefern hier wer eingeweiht war, auftretende Stars wie Ben Stiller oder Sean "P. Diddy". Combs sich selbst spielen oder tatsächlich ahnungslose Teile eines Tricks waren, ist nie eindeutig und macht den Film so auch zu einem raffinierten Spiel mit der Wechselwirkung von Tatsachen und Lügen. Als Gesamtprojekt ein gelungenes Kunstwerk, nicht zuletzt durch die bedingungslose Hingabe von Hauptfigur Joaquin Phoenix, der hierfür knappe zwei Jahre als Method-Actor in der Rolle verweilte und mit einer Darstellung glänzt, die den zwiespältigen Eindruck nur noch weiter vertieft und etliche Menschen gekonnt hinters Licht führte.

    19
    • 6 .5

      Regie-Tausendsassa Takashi Miike zeigt auch nach ungefähr hundert Arbeiten, bei denen er sich in sämtlichen erdenklichen Genres austobte, immer noch kaum ersichtliche Ermüdungserscheinungen.
      Der Bandenkrieg zwischen Yakuza-Banden ist eine Thematik, die nur zu gern in Filmen behandelt wurde. Bei Miike hingegen regiert wenig überraschend mal wieder der ganz normale Wahnsinn, bei dem er den Zuschauer wieder einmal in sein bizarres Paralleluniversum einlädt. Hier gibt es Yakuza, die sich in blutlüsterne Vampire verwandeln. Oder einen Anführer in Gestalt eines schrägen Kappa-Dämons. Oder einen gefürchteten Terroristen, der in einem riesigen Frosch-Kostüm auftaucht. Oder eine weibliche Anführerin, der die Milch in Strömen aus den Ohren schießt. Oder... einiges mehr, das es selbst zu entdecken gilt.
      Die Art und Weise, wie Miike jegliche Art schlüssiger Narration aushebelt und absurden Unsinn aneinanderreiht, sorgt mit den immer wieder herrlichen Ideen für großen Spaß und weit aufgerissene Augen. Hätte er dieses Kuriositätenkabinett auf maximale Kurzweiligkeit komprimiert, wäre dieses Werk wohl sein gelungenstes seit einigen Jahren, doch die Laufzeit von gut zwei Stunden verhindert das leider.
      Über diese doch üppige Länge hinweg ergeht sich der Regisseur ständig in Nichtigkeiten, die zudem minutenlang ausgewälzt werden. Mit einer Geschichte, die lediglich ein notdürftiges Gerüst darstellt und nie für übermäßige Spannung sorgt oder großes Interesse an den Figuren zeigt, erschöpft sich dieser Reigen des albernen Wahnsinns auch mal und macht den Film hier und da gewiss zur Geduldsprobe.
      Starke Straffungen hätten hier sicherlich Wunder bewirkt. So bleibt "Gokudou daisensou" ein herrlicher Spaß mit groben Abstrichen, der für Fans des exzentrischen, eigenwilligen Japaners aber ohnehin Pflichtprogramm darstellen sollte.

      12
      • 5

        Ein junges Pärchen mitsamt Baby in einem Haus inmitten des Waldes. Unheilvolle Verkündungen, merkwürdige Andeutungen und ein mysteriöses Pilzgewächs, das Fragen aufwirft.
        Zu Beginn erzeugt Regisseur Corin Hardy in seinem Filmdebüt "The Hallow" eine dichte Atmosphäre, die sich vor allem aus der beunruhigenden Zuspitzung der Lage ergibt und einige gut platzierte Verweise auf irische Folklore enthält.
        Genutzt wird dieses Potential des spannungsträchtigen Einstiegs aber kaum. Nach dem ersten Drittel verkommt der Streifen bedauerlicherweise zu generischem Survival-Horror, bei dem der schaurige Gruselfaktor rapide in den Keller sinkt, just in dem Moment, in dem sich der (angenehm handgemachte) Schrecken zum sichtbaren Terror wandelt.
        Hardy hat ein Gespür für druckvolles Tempo und Grusel, doch hier in seinem Debüt wirkt das alles noch zu unüberlegt und auf Nummer sicher gesetzt. Zwar bemüht er sich um originelle Ansätze, wenn die Handlung im letzten Drittel nochmals eine Wendung hin zu ekligem Body-Horror vollzieht, doch man wird auch dann das Gefühl nicht los, das alles schon gefühlt dutzende Male gesehen zu haben.
        Dieser Hybrid aus Hütten-Terror, Creature Feature, Mythologie-Grusel und Body-Horror findet trotz Anspielungen auf Klassiker des Genres keine eigene Stimme, erzeugt trotz der soliden Inszenierung keine durchgängige Atmosphäre und opfert die sympathischen Figuren zugunsten altbackener Konventionen. Insgesamt ist "The Hallow" somit ein Debüt mit Potential, das zu unausgereift ausgefallen ist und daher in blankem Durchschnitt versumpft.

        13
        • 5 .5

          "American Ultra" ist als Gesamtwerk ein gescheiterter Film. Harte Worte direkt zu Beginn, aber sie sind angebracht.
          Regisseur Nima Nourizadeh, der sich zuvor mit dem schrillen Exzess-Inferno "Project X" einen Namen gemacht hat, bringt das unausgeglichene, zerfahrene Drehbuch von Max Landis nicht auf die richtige Spur. Zwar setzt er auch hier auf seinen markanten Inszenierungsstil, bei dem sich trip-ähnliche Montagen, geschärftes Editing und verspielte Kameraperspektiven in den Vordergrund drängen, doch gegen den Inhalt kommt er letztlich nur schwer an.
          Das große Problem an diesem Film ist, dass man gar nicht weiß, was er überhaupt darstellen oder ausdrücken soll, und das bis in die völlig überdrehten Credits hinein. Aus der Beziehung zwischen Hauptfigur Mike, einem verpeilten Kiffer und gleichzeitig eine als Schläfer getarnte Killer-Maschine des CIA, sowie seiner Freundin Phoebe möchte der Streifen eine möglichst berührende Liebesgeschichte formen, bei der tiefgehende Charakterprobleme und ernstzunehmende Konflikte geformt werden möchten.
          Auf der anderen Seite wiederum verliert sich die Erzählung ständig in derben Action-Szenen, in denen Ultrabrutalität geradezu genüsslich zelebriert und makabre Todesarten aufgefahren werden.
          Selbst wer sich von der Prämisse "The Bourne Identity" trifft "Pineapple Express", einen abgedrehten Spaß verspricht, dessen Erwartungen werden ebenfalls unterlaufen. Abgesehen von einigen Popkultur-Referenzen und wohlwollend eingestreuten Schmunzlern bleibt der Humor auffällig verborgen.
          Äußerst deplatziert wirken außerdem die ständigen Abschweifungen hin zu konstruiert wirkenden Konflikten innerhalb des CIA-Stabs, welche die Geschichte unschön ausbremsen und zum Ende hin vollkommen im Sand verlaufen.
          "American Ultra" ist zwar in seiner Summe ein Fehlschlag, doch ohne Reize ist er nicht. Viele Einzelmomente und Handlungselemente sind mitunter beeindruckend, auch wenn sie nie stimmig zusammenfinden. Man merkt, dass Nourizadeh ein Gespür für die richtige Atmosphäre in der passenden Szene hat, doch ihm fehlt schlichtweg ein strukturierteres Drehbuch, um diese voll auszuspielen. Jesse Eisenberg gibt sich mehr als bemüht in seiner Rolle und Kristen Stewart an seiner Seite spielt sogar sehr gut, sodass das zentrale Hauptdarsteller-Duo ebenfalls ein klarer Gewinn ist.
          So ist der Streifen einer dieser faszinierend gescheiterten Filme, denen man irgendwie nicht böse sein kann, denn trotz eklatanter Schwächen gibt es immer noch einiges zu entdecken, das einen belohnt.

          11
          • 6 .5

            Nach der erfrischenden Neuausrichtung, der radikalen Dekonstruktion und der charakterlichen Psychologisierung des Mythos "James Bond" wird mit "Spectre" nun gewissermaßen ein Kreis geschlossen. Geister der Vergangenheit spuken über dem Terror der Gegenwart, Bonds Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird auf sämtlichen Ebenen konfrontiert und der gesamte Sinn seines Daseins erneut in Frage gestellt. Ganz so problembeladen und mit finsterer Schwere versehen ist "Spectre" als Gesamtwerk aber ganz und gar nicht. Hier weht ein angenehm altmodischer Hauch durch die Setpieces, darf endlich wieder überzogene Action bewundert und Frauen verführt sowie Martinis geschlürft werden. Daniel Craig ist nun völlig auf Augenhöhe mit der Figur und bringt zu gleichen Teilen trockenen Humor, charismatischen Gentleman und harten Einzelkämpfer. Christoph Waltz, seit Jahren in der gleichen Rolle als er selbst zu sehen, funktioniert ebenfalls überraschend gut, wurde glücklicherweise an der Leine gehalten und trotz geringer Screentime als effektiv inszenierte Nemesis positioniert. Lediglich die entscheidende Motivation von Gegenspieler Franz Oberhauser passt nicht perfekt in das Gesamtbild und Léa Seydoux als Bond-Girl ist trotz Einführung als schlagfertige Instanz am Ende lediglich die typische Dame in Not. Ansonsten ist "Spectre" aber ein durch und durch gelungener Eintrag in das Franchise, der sowohl auf der Ebene des unterhaltsamen Eskapismus wie auch dem gegen Ende herbeigeführten Tiefgang hinsichtlich persönlicher Motive überzeugt. Und alleine die ersten zehn Minuten, mit der faszinierendsten und am besten inszenierten Pre-Title-Sequenz der Craig-Ära, muss man selbst gesehen haben.

            Zwei weitere Meinungen gibt es hier in der Triple-Review:
            http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/11/review-james-bond-007-spectre-das-ende.html

            18
            • 7
              über Dealer

              Regisseur Jean Luc Herbulot hat sich für "Dealer" nach eigener Aussage von der treibenden Kinetik eines "Lola rennt" und den Low-Budget-Produktionsbedingungen eines "Pusher" inspirieren lassen.
              Sein Film erfindet das Rad gewiss nicht neu und ist nur eine weitere Schilderung des nach und nach eskalierenden Kleinkriminellen-Alltags in den Ghettos von Frankreich. Drogendeals, Prostitution, Porno-Geschäfte, Prügeleien und ein rastloses Hetzen von einem Schauplatz zum nächsten stehen an der Tagesordnung. Doch irgendwann lockt der große Deal, welcher das Ticket raus aus diesem Teufelskreis verspricht und bei dem natürlich alles schief läuft, was schief gehen kann.
              Wer Filme mag, die wirken, als seien sie frisch von der Straße aufgekehrt worden, die Druck ausüben und bei denen man förmlich spürt, wie sich der Galgenstrick immer fester um den Hals des verzweifelt-überforderten Kleingangsters als Hauptfigur zieht, ist mit "Dealer" gut bedient.
              An einigen Stellen wünscht man sich zwar, der Streifen würde noch rasanter abdrehen und völlig aus der Bahn springen. Durch zahlreiche Stilmittel wie Texteinblendungen, Voice-over-Begleitung des Protagonisten, Spielereien am Farb-Regler, einen unglaublich frenetischen Schnitt und die richtige Mischung aus Tempo, Härte und Anspannung ist man allerdings mittendrin im Geschehen und die knackige Laufzeit von nur 75 Minuten ist genau richtig, um unnötige Längen zu vermeiden und stets geradlinig sowie schnörkellos nach vorne zu preschen.
              "Dealer" bemüht sich nie um Originalität oder gibt vor, mehr zu sein, als er letztendlich ist. Ein zügiger Ritt durch das schmutzige Low-Budget-Kino, ein Moloch-Konzentrat, voller schmieriger Figuren, zwielichtiger Geschäfte, schockierender Eskalationen sowie druckvollem Tempo. Mehr braucht es manchmal nicht.

              10
              • 7
                über Ant-Man

                Entgegen des Prinzips, immer noch eine Nummer größer aufzutrumpfen, tritt die Marvel-Verfilmung "Ant-Man" ganz gediegen die entgegengesetzte Richtung an.
                Der Blockbuster, der an einem bestimmten Punkt Edgar Wright verscheuchte, trägt die DNA dieses Regisseurs noch in gewissen Teilen in sich und ist auch mit Peyton Reed als Ersatz einer der unterhaltsamsten Vertreter aus der Marvel-Schmiede der letzten Zeit.
                Auch wenn das Konzept eines Superhelden, welcher sich auf Ameisengröße schrumpfen kann und trotzdem seine normale Kraft behält, zunächst etwas albern klingen mag, holt der Film vor allem visuell einiges aus dieser Prämisse hervor. Wie auch alle anderen Marvel-Filme ist "Ant-Man" auf Spektakel angelegt. Dieses erzeugt er allerdings im Ergründen kreativer Miniatur-Settings sowie irrwitziger Manöver im Schrumpf-Format mitsamt dressierter Ameisen-Helfer-Armee.
                Das Drehbuch leidet ansonsten an den üblichen Krankheiten, mit denen eine Origin-Story oftmals zu kämpfen hat. Zu viel Zeit wird für Einführung von Figuren und Funktionen ver(sch)wendet, unnötige Establishing-Dialoge reihen sich aneinander und einige vermutlich nachträglich eingebaute Querverweise zu und Begegnungen mit Teilen der "Avengers"-Truppe wirken zu erzwungen und überflüssig.
                Das sind aber glücklicherweise die einzigen groben Mängel, die man hier zum Vorwurf anbringen kann. Paul Rudd als Scott Lang ist ein sympathischer Protagonist, der, auch wenn er natürlich irgendwo wieder die Welt retten muss, vor allem für das Wohl seiner kleinen Tochter agiert. Auch die eigentliche Mission ist geschickt als Heist getarnt, bei dem Ant-Man alle neu erworbenen Fähigkeiten und Geschicke clever einsetzen muss, was vor allem im letzten Drittel für ordentlich Tempo, Spaß und gewitzte Einfälle sorgt. Inklusive einem tollen Showdown in einem Kinderzimmer und einem abgefahrenen Trip in eine subatomare Alternativ-Realität.
                Angenehm ist es auch, dass die humorvollen Stellen überwiegend durch Situationskomik oder Wortwitz (mit einem wohldosierten Michael Peña als Sidekick) funktionieren und auf deplatzierte Meta-Witzchen oder Anspielungen auf das eigene Superhelden-Konzept verzichtet wird.
                Wer von der typischen Marvel-Formel komplett übersättigt ist, könnte "Ant-Man" trotzdem mal eine Chance geben. Der Streifen hakt zwar inhaltlich etwas zu viel von der typischen Origin-Story-Schablone ab, hat aber einiges an kreativen und unterhaltsamen Ideen auf Lager, was ihn zu einem rundum gelungenen sowie erfrischenden Comic-Spaß macht.

                8
                • 8

                  Wer Nicolas Winding Refn als Regisseur liebt, sollte sich diese Doku auf keinen Fall entgehen lassen.
                  Refn´s Frau Liv Corfixen dokumentiert den Schaffensprozess von "Only God Forgives" und gibt dabei einige äußerst interessante Einblicke in die Arbeitsweise dieses besonderen Filmemachers.
                  Mit gerade mal 60 Minuten Laufzeit geht die Doku nie wirklich tief, doch es gibt einige Momente, in denen der unglaublich hohe Erwartungsdruck Refn geradezu in die Depression treibt und das zu verfolgen lohnt sich, um den Stress nachvollziehen zu können, dem er ausgesetzt war und der das ganze Familienleben herben Strapazen ausgesetzt hat.
                  Absoluter Luxus und Sahnehäubchen ist der Score, den Cliff Martinez eigens für die Doku geschaffen hat und der gewohnt hochwertigste Kompositionen enthält.

                  18
                  • 8
                    über Macbeth

                    "O, Full of Scorpions is My Mind"
                    Die im Vorfeld vielfach geäußerte Euphorie gegenüber der Besetzung von Justin Kurzel auf dem Regie-Posten für eine neue "Macbeth"-Adaption erweist sich als absolut berechtigt.
                    Der Australier, der bereits mit seinem aufwühlenden, hypnotischen Serienkiller-Drama "Snowtown" für Aufsehen sorgte, transportiert seinen Stil erfolgreich weiter und macht sich die Vorlage von Shakespeare insofern zueigen, als dass der Stoff erneut perfektes Material für die Ergründung abscheulicher Abgründe hergibt.
                    Auf der rein inszenatorischen Ebene zählt "Macbeth" sicherlich zu den beeindruckendsten Filmen der letzten Zeit. Düster ohne Ende, mit Bildern, in denen schmutzig gestorben wird, mordlüsternes Delirium regiert und grimmige Depression an der Tagesordnung steht. Hinzu kommt die fantastisch komponierte Musik vom Bruder des Regisseurs, die den Streifen in bedrohlich-melodische Klänge hüllt.
                    Das Stück funktioniert in seiner filmischen Aufbereitung ebenso gut als klassische Tragödie mit ergreifendem Ausmaß wie als fesselnde Charakterstudie. Große Schlachten, finstere Intrigen, Verrat, Reue, Vergeltung und Sühne sind allesamt enthalten, doch es ist das Ausloten von Macbeth´s schwer geschädigtem Innenleben, das Kurzel über gewohnt fieberhafte Montagen und wuchtige Bilder erkundet und an die Oberfläche befördert. Dabei bietet der Streifen unterschiedliche Anhaltspunkte wie drei mysteriöse Hexen, Einbildungen bereits verstorbener Menschen oder frühzeitigem Kindesverlust, die Einflussfaktoren für das Verhalten von Macbeth andeuten, aber trotzdem zu eigener Interpretation einladen.
                    Michael Fassbender ist Macbeth, mit jeder Pore seines Körpers und mit was für einer unglaublichen Präsenz er den von Psychosen und Wahnzuständen zerfressenen Krieger und späteren Königsmörder verkörpert, entfaltet eine einzigartige Wucht. Marion Cotillard verkommt als Lady Macbeth fast schon zur blassen Randfigur, so stark muss sie sich dem gewaltigen Schauspiel von Fassbender unterordnen und bleibt trotz bemühter Darstellung eine Nebenfigur.
                    An der ein oder anderen Stelle wünscht man sich fast, Kurzel hätte die bereits entschlackten Dialogpassagen, welche die Originaltexte aus Shakespeare´s Stück enthalten, noch radikaler runtergebrochen und reduziert. Seinen eigenwilligen, erneut im höchsten Maße hypnotischen sowie aufsaugenden Stil hätte das womöglich noch weiter intensiviert und das ohnehin fantastische Werk zu einem ganz besonderen Meisterwerk erhoben.
                    Für Kenner der Vorlage und Fans optisch überwältigender Filme ist "Macbeth" praktisch Pflicht. Die kunstvoll-hypnotische Inszenierung von Justin Kurzel, die unvergessliche Bilder kreiert, der konsequent grimmige Tonfall sowie starke Schauspieler machen aus dem Streifen eine ungewöhnliche Adaption des Stoffs, die fasziniert und auch nach dem Abspann noch lange im Gedächtnis bleibt.

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                    • Sehr schön. Greift exakt meine Gedanken zu diesem missverstandenen Blockbuster auf, an dem man so einiges mögen kann.

                      • 8

                        Kein einfacher Stoff, den sich Justin Kurzel da für sein Regie-Debüt ausgesucht hat. "Snowtown" ist ein im höchsten Maße beklemmender Film, der einen, hat er erst mal zugepackt, nicht mehr loslässt und den man nicht so schnell wieder vergisst.
                        Als Vorlage diente eine reale Begebenheit, bei der eine grauenvolle Mordserie die australische Stadt Snowtown Ende der 90er erschütterte. Anführer der Verbrechen war John Bunting, ein Pädophilen- und Homosexuellenhasser. "Snowtown" schildert aus der Perspektive des jungen Jamie, wie dieser aufgrund seines schwer gestörten Familienlebens in Bunting eine Art Ersatzvater findet und langsam in dessen bestialisches Treiben hineingezogen wird.
                        Die rein inhaltliche Ebene ist es schließlich auch, bei der man dem Streifen Vorwürfe machen könnte. Nach rund der Hälfte sind die wesentlichen Erzählpfeiler errichtet und die Handlung hat keine nennenswerten Neuerungen mehr auf Lager.
                        Inszenierung und Atmosphäre sind die ausschlaggebenden Argumente, die "Snowtown" so herausragen lassen. Kurzel findet gerade für ein Regie-Debüt einen unglaublich dichten Stil, der sich zwischen trockenem Realismus und hypnotisch-surrealen Montagen mitsamt eindringlichem Ambient-Dröhnen bewegt. Die emotionale Distanzierung sowie eisige Kälte, die dem Werk oftmals negativ angelastet werden, erweisen sich als wesentliche Stärke. Kurzel beschönigt zu keinem Zeitpunkt, weiß ganz genau, wann er eine Szene abzublenden hat und wie viel er zeigen muss, um die maximale Wirkung zu entfalten.
                        Der Film enthält zwei bis drei Momente, die aufgrund ihrer explizit dargestellten Härte verstören, doch die wahre Intensität spielt sich hauptsächlich am Rand der Gewalt ab.
                        Der Regisseur nutzt dafür die Gesichter seiner Figuren, in denen er immer wieder Reaktionen und Verhalten spiegelt. Wenn Jamie als machtloser Zeuge abscheulicher Taten zu zittern beginnt, Tränen über seine Wangen laufen oder er sich erneut übergeben muss, wird die Härte für den Betrachter persönlich noch viel spürbarer, als durch stumpfes Zelebrieren perverser Gewaltexzesse. Genauso verhält es sich mit Bunting, der von Daniel Henshall absolut fantastisch gespielt wird. So einen psychopathischen Killer erlebt man selten und Henshall spielt ihn mit einer faszinierenden Mischung aus gewitztem Charisma und unglaublicher Kälte sowie schockierender Entschlossenheit.
                        Man wird förmlich hineingezogen in diesen Strudel aus White-Trash-Vorort-Mentalität, abgründigen Handlungen und abstoßender Faszination. Eine Empfehlung im eigentlichen Sinne ist schwer, denn wer begibt sich schon gerne mit Vergnügen in die Hölle, doch Justin Kurzel ist mit "Snowtown" exakt dies gelungen. Ein Abstieg in die Hölle, aus der es kein Entkommen gibt.

                        22
                        • 7 .5

                          Regisseur Sean Baker betritt mit diesem Film zumindest auf visueller Ebene Neuland. Sein "Tangerine" wurde komplett mit dem iPhone 5s gefilmt und ist optisch äußerst aufregend. Der eingeschränkten, speziellen Smartphone-Optik wirkt Baker dadurch entgegen, dass er mit übersättigtem Color Grading, hektischen Schnitten und verspielten Einstellungen arbeitet und den Streifen auch durch den Einsatz extremer Musikrichtungen wie dröhnenden Dubstep-Nummern zu audiovisuellem Dynamit formt.
                          Doch auch abgesehen von seiner außergewöhnlichen Machart steckt "Tangerine" voller sonderbarer Eigenheiten und ist definitiv ein Film, wie man ihn so selten zu Gesicht bekommt. Mit afroamerikanischen, transsexuellen Prostituierten als Hauptfiguren, hysterischen Wortgefechten, einem hyperaktiv rastlosen Erzähltempo sowie der dünnen Gratwanderung zwischen trashiger Überdrehung, charmanter Verschrobenheit und dem Suchen von Poesie in abseitigen Winkeln der Gesellschaft kreiert Baker einen ganz eigenen, erfrischenden Film.
                          Eindeutig nicht ohne ein gewisses Maß an Anstrengung und Überforderung hat "Tangerine" das Herz am richtigen Fleck. In der Art und Weise, wie sich Baker seinen transsexuellen Figuren mit liebevoller Hingabe widmet, weht ein Hauch des früheren Harmony Korine oder eines John Waters durch das Werk, welche ebenfalls dafür bekannt sind, gesellschaftliche Außenseiter oder schräge Randfiguren in den Mittelpunkt ihrer Geschichten zu rücken und diesen mit Respekt und höchster Toleranz zu begegnen.
                          Nach einem wahren Wirbelsturm der flotten Schnitte, hitzigen Auseinandersetzungen und urkomischen Situationen kommt "Tangerine" schließlich zu einem ehrlichen, fast schon berührenden Ruhepunkt, auf dem der Film Emotionen frei lässt, die vorab im kinetisch überdrehten Rausch nur angedeutet wurden. Ein mehr als außergewöhnliches, nicht immer einfach zu erschließendes Werk.

                          14
                          • 5

                            Die Veröffentlichung des Meta-Remake-Sequels "The Town That Dreaded Sundown" hat dem gleichnamigen Original aus dem Jahr 1976 nachträglich einiges an Aufmerksamkeit beschert.
                            Regisseur Charles B. Pierce nahm sich den realen Ereignissen rund um die Mordserie des Phantom-Killers von Texarkana in den 40ern an und schuf eine eigenwillige Kombination aus Tatsachen-Rekonstruktion und fiktivem Slasher-Irrsinn.
                            Tatsächlich lässt sich anhand einiger Elemente kaum übersehen, dass sein Film sichtbare Spuren in nachfolgenden Slashern Ende der 70er und Anfang der 80er hinterlassen hat. So sind es allgemein eher einzelne Momente und Eigenschaften, die aus diesem Werk in Erinnerung bleiben.
                            Sei es der unglaublich prägnante deutsche Titel ("DER UMLEGER"), die Maske sowie das schwere Atmen des Killers und sein gelegentlich aus der Ego-Perspektive getriebenes Morden, welches bei den rar gesäten Auftritten stets für Atmosphäre und Suspense sorgt und dabei einige makabere Tötungsmethoden auf Lager hat.
                            Abseits dessen enthält der Streifen allerdings viel drögen Leerlauf, der aus lahmer Polizeiarbeit, ungelenken Komik-Einlagen sowie schlichter Nacherzählung der realen Ereignisse besteht.
                            So funktioniert "The Town That Dreaded Sundown" aka "Der Umleger" heutzutage viel mehr als staubig-krudes Relikt denn wirklich kultverdächtiger Genre-Vertreter, aus dem eher Einzelmomente statt dem großen Ganzen hängen bleiben.

                            6
                            • 4

                              Kurt Russell in einem Western im Kampf gegen kannibalistische Höhlenmenschen. Wer sich von der kuriosen Prämisse von "Bone Tomahawk" verständlicherweise in die Irre führen lässt und eine launige Spaß-Granate erwartet, wird von Regie-Debütant S. Craig Zahler bereits frühzeitig gewaltig überrascht.
                              Zahler hat sein Werk als vollkommen ernst gemeinten Western angelegt, der seine altmodische Stimmung vor allem direkt zu Beginn mit bedrohlichen Horror-Elementen unterfüttert. Ein Sheriff macht sich der Unterstützung einiger Cowboys auf den Weg, um eine junge Frau aus den Fängen eines gefährlichen Stammes zu befreien.
                              Mehr Handlung gibt es nicht und Zahler setzt die meiste Zeit über auf schnörkellose Geradlinigkeit, bei der er die ruhige Reise und sich anbahnende Charakter-Konflikte zwischen den Figuren schildert.
                              Eine reduzierte Erzählung sowie langsame Inszenierung hat grundsätzlich Potential, doch "Bone Tomahawk" scheitert insgesamt an seiner unglaublich misslungenen Struktur. Über geschlagene zwei Drittel hinweg bietet der Streifen abgesehen von netten Bildern und guten Darstellern nichts als gähnende, an den Nerven zehrende Langeweile, bei der jegliche Figurenzeichnung und Charakterentwicklung ins Nirgendwo verläuft und bis auf ein paar interessante Momente wenig erwähnenswertes geschieht.
                              Erst in der letzten halben Stunde des mit 132 Minuten Laufzeit ohnehin viel zu überlangen Films bauen sich Atmosphäre und Spannung auf und Zahler kann mit einigen gelungenen Einfällen sowie aufrüttelnder Härte in Form von rabiaten Gewalteinbrüchen punkten.
                              Wieso man sich für so einen gelungenen Schlussakt allerdings durch nichtssagende, überflüssige 90 Minuten kämpfen muss, bleibt ein Rätsel und macht "Bone Tomahawk" so zu einem nur teilweise geglückten Western-Horror-Drama-Mix, bei dem extrem viel Potential sinnlos vergeudet wird. Hätte der Regisseur nicht namhafte Darsteller wie Kurt Russell, Patrick Wilson und Matthew Fox vor die Kamera bekommen, würde der Film in der Bedeutungslosigkeit versinken.

                              10
                              • 5

                                Mit "We Are Your Friends" hat Max Joseph einen Film geschaffen, der sich im aktuellen Zeitgeist immer wieder geradezu suhlt.
                                Der zu unterschiedlichen Teilen aus Jugendkultur-Porträt, Coming-of-Age-Drama, Musik-Business-Studie und ausgelassenem Party-Exzess bestehende Film wird in zahlreichen Momenten von einer zügellosen Energie angetrieben, bei der sich Joseph inszenatorisch mitten in den Rausch wirft und den Zuschauer direkt mit dazu. Den Charakter der momentan Party-Szene fängt der Regisseur gelungen ein und selbst wenn man mit elektronischer Musik nicht viel anzufangen weiß, fällt mit Sicherheit für jeden der ein oder andere euphorisierende Moment ab.
                                Bei seiner eigentlichen Handlung, in der Joseph von gut aussehenden jungen Erwachsenen erzählt, die aus dem Mittelmaß ausbrechen und Ruhm oder Reichtum erreichen wollen, bewegt sich der Regisseur bedauerlicherweise selbst die meiste Zeit über im klischeebehafteten Mittelmaß. Wer sich eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Beruf des Deejaying als komplexe Kunstform erwartet, wird ebenso übergangen wie all diejenigen, die sich mehr erhoffen als die übliche Abhandlung von Aufstieg, Rückfall und Comeback.
                                Mit attraktiven Darstellern wie Zac Efron, der hier durchaus charismatisch agiert und weiter gegen sein unsägliches Sunnyboy-Image vorgeht, oder dem angesagten Model Emily Ratajkowski ist "We Are Your Friends" zudem treffend besetzt, denn die unterstützen das hier geschilderte Gesellschaftsbild der ständig propagierten Oberflächlichkeit.
                                Am Ende ist Max Joseph aber nun mal nicht Harmony Korine und "We Are Your Friends" ist kein "Spring Breakers". Zu glatt, zu klischeehaft und nicht aufregend genug, auch wenn oftmals kurze Momente des puren Rausches und der mitreißenden Euphorie durchscheinen.

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                                • 6 .5
                                  über Stay

                                  "Stay" ist eines dieser Werke, die sich an ihrer eigenen Struktur verheben und dadurch praktisch auf umgekehrte Weise selbst schaden.
                                  Während man es eigentlich gewohnt ist, dass sich ein Film im besten Fall vom Anfang über den Mittelteil bis hin zum Schluss steigert, ist es bei "Stay" genau andersrum. Der Einstieg, bei dem ein Psychiater den Fall eines jungen Kunststudenten übernimmt, welcher früh ankündigt, sich in drei Tagen um Mitternacht zu seinem 21. Geburtstag das Leben nehmen zu wollen, ist wirklich stark. Durch die gelungenen schauspielerischen Darbietungen von Ewan McGregor und Ryan Gosling baut man früh eine Verbindung zu den Figuren auf und beginnt, sich für ihre Verhaltensweisen und Entscheidungen zu interessieren.
                                  Mit zunehmender Laufzeit entfernt sich "Stay" allerdings bald von seiner anfänglichen Drama-Prämisse und entwickelt sich viel mehr zu einem verwirrenden Mindfuck-Trip, der Realität, Wahn und Déjà-vu´s miteinander vermischt. Regisseur Marc Foster inszeniert das wilde Haken schlagende Drehbuch von David Benioff in tollen Bildern, in denen er immer wieder kleine visuelle Bonbons verstreut, die ganz unscheinbar in verschiedenen Momenten wiederholt von Bedeutung sind. Auch der Schnitt ist hervorragend und gestaltet viele Szenenübergänge als optisch verblüffend.
                                  Gerade durch diese zunehmende Abfolge an kunstvoll vertrackten Bildern und dem inhaltlich unsicheren Ablaufen von labyrinthischen Irrwegen entgleiten die anfangs so stark aufgebauten Figuren mehr und mehr und der emotionale Faktor, der dem Film hin und wieder innewohnt, baut immer weiter ab.
                                  Ein herber Schlag ist schließlich die finale Auflösung, die für manch einen tolle Interpretationsmöglichkeiten bietet und dem Werk eine völlig neue Sichtweise verleiht. Man könnte aber auch nüchtern betrachtet zu dem Schluss kommen, dass dieses Ende auf ganzer Linie enttäuscht, eine der denkbar faulsten Auswegmöglichkeiten darstellt und große Teile der vorangegangenen Handlung mit einem Schlag verpuffen lässt.

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                                  • 7 .5

                                    [...] Welch Ironie, wenn mitten im Film und beim Einsetzen des Abspanns "Just (After Song of Songs)" von David Lang erklingt. Selbigen Song verwendete Paolo Sorrentino bereits 2013 in seinem einzigartigen Meisterwerk "La Grande Bellezza". "La Giovinezza" enthält nicht nur auf diese Weise eine Parallele zum vorigen Werk, sondern auch hinsichtlich der beiden Hauptfiguren, die dem charismatischen Zyniker Jep Gambardella aus "La Grande Bellezza" immer wieder sehr ähnlich sind. [...] Sorrentino formt aus dieser Handlung einen beinahe episodenhaft wirkenden Film, der tonal ständig zwischen wehmütiger Melancholie, zynischem Witz und sehr skurrilen Nebenfiguren und Situationen wechselt. Ganz gemäß dem höheren Alter seiner beiden Hauptfiguren verschrieben ist auch "La Giovinezza" immer wieder von einer gewissen Lethargie durchzogen, in der der Regisseur dazu einlädt, in den wieder einmal meisterhaft inszenierten Szenen viele kleine Momente zu entdecken, die entweder zum Nachdenken anregen, berühren oder äußerst witzig ausgefallen sind. Das ein oder andere Mal suhlt sich der Film dabei etwas zu arg in seiner eigenen Kunstfertigkeit und neigt zu prätentiösem Style-over-Substance. Auch die hohe Emotionalität und die extrem tiefgründigen Untertöne, für die Sorrentino sich sonst rühmen konnte, fallen etwas geringer aus. Nichtsdestotrotz sind sie auch hier vorzufinden, die typisch magischen Momente, für die man diesen Regisseur lieben darf. [...]

                                    Die ganze Kritik gibt es hier:
                                    http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/10/review-ewige-jugend-vom-schwelgen-in.html

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                                    • 6

                                      Laut allgemeinem Kritiker- sowie überwiegendem Publikumsecho kommt die Reputation des "Fantastic Four"-Reboots dem filmischen Antichrist gleich. Die gesamte Hintergrundgeschichte der Produktion soll hier jetzt nicht noch mal aufgerollt werden, aber soviel steht fest: Josh Trank wird in diesem Leben keine große Studio-Produktion im Hollywood-System mehr bekommen.
                                      Dabei war gerade die Verpflichtung von Trank vorab eigentlich eine aus künstlerischer Sicht gewinnbringende Vorstellung, denn mit seinem Debüt "Chronicle" ist es ihm gelungen, sowohl die Thematik "Superhelden/Übermenschliche Fähigkeiten" als auch die abgenutzte Found-Footage-Ästhetik gekonnt und mit frischen Impulsen in einem Film zu vereinen.
                                      Tatsächlich entpuppt sich auch "Fantastic Four" als positive Überraschung, die paradoxerweise genau wegen dem inhaltlich vorherrschenden Chaos, das aus dem Konflikt zwischen Dickkopf Trank und Studio-Richtlinien entstand, angenehme Seiten vorzuweisen hat. Vergleicht man den Streifen beispielsweise mit dem diesjährigen "Avengers"-Sequel, ist es schön, mal wieder Figuren zu erleben, die man als echte Menschen empfinden darf und die nicht zwanghaft einen platten One-Liner nach dem anderen abfeuern oder von einer ermüdenden Materialschlacht zur nächsten gehetzt werden.
                                      Die überlange, ausgedehnte Exposition, die beinahe ganze zwei Drittel der Gesamtlaufzeit in Anspruch nimmt, funktioniert aufgrund des wirklich gut vor der Kamera harmonierenden Ensembles aus talentierten Jungdarstellern und sympathische Darsteller wie Miles Teller, Michael B. Jordan oder Kate Mara verleihen ihren Figuren trotz der recht schlicht gehaltenen Dialogen Ausstrahlung und schaffen es, dass die charakterlichen Konflikte im späteren Verlauf Wirkung zeigen.
                                      Es gibt erstaunlich wenig Action, was auch dem Studio irgendwann aufgefallen sein dürfte. Wenn Trank die neu erworbenen Fähigkeiten seiner Figuren schließlich als absonderliche Mutationen darstellt, die eher Last als Geschenk sind, merkt man nach ziemlich genau einer Stunde, dass hier Schluss war.
                                      Von nun an gibt es häufigere Zeitsprünge und ein zerschossenes Erzählkonstrukt, bei dem auf extrem übereilte Weise schnell noch ein Bösewicht eingeführt wird, damit es (unfertig wirkende) Effekte und Action für das nach stumpfer Blockbuster-Unterhaltung lechzende Massenpublikum geben darf. Selbst Dr. Doom funktioniert trotz der lächerlich kurzen Screentime, denn dieser Bösewicht läuft unkontrolliert Amok oder lässt blutig Köpfe platzen und erweist sich trotz des unvorteilhaften Kostüms als ernstzunehmende Bedrohung.
                                      Egal, wie sehr der Film am Ende durcheinander gebracht wurde und nur noch ein Schatten der ursprünglich angedachten Vision von Josh Trank ist, "Fantastic Four" erzeugt gerade aus diesem rebellisch unkontrollierten Erzählprinzip frischen Wind im unsäglichen Marvel-Standard-Schema. Die geballten Hasstiraden und das finanzielle Versagen schmerzen da fast schon ein wenig, doch der süßliche Nachgeschmack eines überraschend positiven Seherlebnisses hat auch was.

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                                      • 8

                                        Joel Edgerton, den man bislang generell nur als Schauspieler kannte, legt mit "The Gift" sein Debüt als Regisseur und Drehbuchautor vor.
                                        Es ist ein überaus präzise geschriebener Film, der sich langsam aufbaut und immer wieder mit äußerst dichten Bildkompositionen purer Bedrohung aufwartet. Auch wenn gelegentlich der Eindruck entsteht, Edgerton habe sich bei gängigen wie effektiven Versatzstücken aus dem altbekannten Thriller-Repertoire bedient, mit denen er eine beklemmende Kulisse aus rätselhaften Geheimnissen, unbequemen Verfolgungswahn sowie schleichenden Terror bastelt, verfehlt "The Gift" seine atmosphärische Sogwirkung als überaus mitreißender Thriller zu keinem Zeitpunkt.
                                        Durch die sorgfältig ausgearbeiteten Figuren verleiht Edgerton seinem Werk darüber hinaus einen willkommenen Drama-Anstrich, bei dem vor allem das treffend besetzte, zentrale Figuren-Trio durch Jason Bateman (ungewohnt ernst und trotzdem sehr glaubwürdig), Rebecca Hall und Edgerton selbst glänzt.
                                        Zu Beginn des letzten Drittels schlägt die Handlung eine etwas andere Richtung ein, die nicht wirklich überraschend kommt, doch alle Fäden laufen gekonnt zusammen auf einen Schlussakt zu, der es wahrlich in sich hat. Das Herz schlägt schneller, der Atem stockt und ein mulmiges Gefühl macht sich in der Magengegend breit, wenn Edgerton zum finalen Schlag ansetzt und mit einer nahezu verstörenden Endnote abschließt, die sitzt.
                                        "The Gift" ist somit ein fantastisch gelungenes Debüt, mit dem sich Joel Edgerton auf einen Schlag im Bereich des atmosphärischen, anspruchsvollen Thrillers als talentierte Kraft behauptet hat.

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                                        • 7

                                          "First tickets to a movie theatre. Really exciting. Hope we come out alive."
                                          Wie wäre das, wenn die wahrscheinlich größte Leidenschaft von uns allen hier der wirklich einzige Lebensinhalt wäre?
                                          "The Wolfpack" ist eine faszinierende Dokumentation über sechs Geschwister, die aufgrund der alternativen Erziehung ihres Vaters komplett isoliert von der Außenwelt in einem New Yorker Apartment aufwachsen, das sie oftmals lediglich einmal im Jahr verlassen, und deren gesamtes Weltbild nur über das Schauen und Nachspielen von Filmen entstanden ist. Dabei nimmt die Dokumentation eine rein beobachtende Funktion ein und lässt den Betrachter selbst urteilen, wie er das Leben dieser wirklich außergewöhnlichen Familie bewertet.
                                          Einerseits versprüht der Streifen einen wirklich kreativen, warmherzigen Charme, denn die Geschwister sind unglaublich talentiert, basteln aufwendige Kostüme und spielen Szenen aus Filmen 1:1 originalgetreu und wirklich bemerkenswert geschauspielert nach. Ihre Leidenschaft für Filme ist ansteckend und natürlich kommen vor allem Filmfans immer wieder sehr auf ihre Kosten, wenn Szenen aus sehr bekannten Filmen mit Herzblut und aufrichtiger Hingabe an die Vorlagen rekonstruiert werden.
                                          Andererseits hängt hier stets eine gewisse Beklemmnis über den Aufnahmen, denn diese völlige Isolation, Abgeschiedenheit von der realen Welt und sonderbare Erziehung durch den Familienvater ist mehr als bedrückend. Der Großteil der Dokumentation zeigt ausschließlich das Apartment der Familie, nach einer Weile entsteht beim Schauen selbst ebenfalls der Eindruck von Monotonie, Tristesse und Abgeschiedenheit, während die Momente draußen in der großen Welt eine seltsame Faszination sowie neuartige Erlebensweise ausstrahlen.
                                          "The Wolfpack" ist eine wirklich sehenswerte Dokumentation. Eigenartig, sympathisch und besorgniserregend zugleich und mit außergewöhnlichen Menschen, deren Lebensgeschichte definitiv einen eigenen Film wert ist.

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                                          • 5

                                            Curtis ist sympathisch, gutaussehend und zieht die Leute durch ein Gespräch schnell auf seine Seite. Gerry ist einer dieser Loser, die man heruntergekommen an der Bar oder am Pokertisch sitzen sieht, verschwitzt und angespannt. An genau solch einem Pokertisch freunden sich die Männer an, die Sucht zum Glücksspiel und die oftmals frustrierende Pechsträhne vereint beide.
                                            "Mississippi Grind" ist ein Zocker-Drama, das den gemeinsamen Road-Trip von Gerry und Curtis schildert, die ihr ganz großes Los in einem vielversprechenden Spiel ziehen wollen. Es ist einer dieser Filme, die ein wenig aus der Zeit gefallen wirken und auf positive Art altmodisch erscheinen. Sehr dialoglastig und charakterbezogen öffnet der sich der Film nur langsam für den Zuschauer und offenbart zentrale Motive und persönliche Hintergründe seiner Figuren stückweise.
                                            Mit Ben Mendelsohn und Ryan Reynolds in den Hauptrollen hat man zudem zwei charismatische Treffer gelandet, denn die beiden harmonieren prächtig und verleihen ihren undurchsichtigen Figuren Profil. Liegen die Karten nach der Hälfte der Laufzeit erstmal offen auf dem Tisch und hat man als Betrachter die Charaktere weitestgehend für sich erschlossen, herrscht allerdings bedrückender Stillstand. Zeitweise wirkt die Handlung wie eingefroren, dreht sich in ihren Themen ständig im Kreis und bewegt sich kein bisschen von der Stelle.
                                            "Mississippi Grind" verkommt so geradezu zur Geduldsprobe, bei der sich jede Minute quälend lang anfühlt und trotz toller musikalischer Untermalung und ansprechender Inszenierung nie emotionale Anteilnahme am fortlaufenden Geschehen einstellen will.
                                            Trotz einiger großartiger Einzelmomente, in denen wirkliches Potential aufblitzt, versumpft die Geschichte vor allem gegen Ende und mit einem missglückten Schluss im erzählerischen Nirwana. Das macht aus "Mississippi Grind" einen dieser Filme, die man eigentlich mögen will, da er einem einiges anzubieten hat, in entscheidenden Momenten aber ständig einen Rückzieher macht und mit viel zäher Redundanz langweilt.

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                                            • 6

                                              [...] Auch wenn Depp hier ebenfalls nicht ohne markante Maske und Perücke auskommt, macht er sich den bleichen Teint und die eisigen, stechenden Augen zu Nutze. Dabei wirkt er stets wie eine Mischung aus Geist und Hyäne, die ständig irgendwo bedrohlich über den Dingen schwebt und ausgesuchte Opfer erbarmungslos in Fetzen reißt. Eine überaus eindringliche Performance, mit der der Schauspieler endlich wieder an die alten Zeiten anknüpfen kann. [...] Es hat allerdings seine Gründe, wieso man in Bezug auf "Black Mass" allem voran auf die Schauspieler zu sprechen kommt. Ansonsten ist der Streifen nämlich gerade mal solide Genre-Kost, die immer wieder gefährlich nahe am belanglosen Durchschnitt kratzt. Wäre der Film vor 20-25 Jahren veröffentlicht wurden, hätte er mit Sicherheit einen deutlich stärkeren Eindruck hinterlassen. So hingegen ist man gesättigt und mehr als bedient mit brillanten Vertretern aus dem Gangster-Genre, seien es die großen Werke eines Martin Scorsese oder epochale Erzählungen im Serienbereich wie "The Sopranos" oder "Boardwalk Empire". "Black Mass" genügt sich damit, seine sture Biopic-ähnliche Struktur abzuarbeiten und beschränkt sich auf loses Aneinanderreihen von einzelnen Stationen und Ereignissen, die alle durch Rückblenden mithilfe von in der Gegenwart getätigten Zeugenaussagen in die Gesamthandlung eingebettet werden. Dabei entwickelt der Film einen ziemlich eintönigen, repetitiven Erzählrhythmus. Bulger und seine Handlanger durchdringen neue Geschäftsfelder, schalten Konkurrenten oder Verräter aus den eigenen Reihen aus, das FBI nutzt ihn als Spielball und umgekehrt und hier und da werden Momente aus dem Privatleben entscheidender Figuren eingestreut, um ihnen auf menschlicher Ebene ansatzweise gerecht zu werden. Viel mehr bietet der Film über seine 2 Stunden Laufzeit nicht und wirklich mitreißen kann er ebenfalls nicht. [...]

                                              Die ganze Kritik gibt es hier:
                                              http://diedreimuscheln.blogspot.de/2015/10/review-black-mass-der-teufel-von-boston.html

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                                              • 6

                                                Ein rassistisches Cop-Arschloch, traumatisiert durch seinen Einsatz im Vietnamkrieg, macht es sich zur Aufgabe, dem organisierten Verbrechen in Chinatown den Krieg zu erklären. In seinen atmosphärischsten Momenten ist "Year of the Dragon" ein bestechender Noir-Thriller mit gut inszenierten Bildern. Wenn langfristig aufgebaute Konflikte eskalieren oder der ein oder andere emotionale Schlag tief sitzt, erreichen die mitunter hypnotisch inszenierten Momente auch den Zuschauer. Mickey Rourke, der hier so intensiv wie selten aufspielt, verleiht seiner oftmals verabscheuungswürdigen Figur ein Charisma, das diese auch bitter nötig hat.
                                                Leider ist der Film ansonsten zu stark an gewöhnliche Crime-Schemata gebunden und enthält sehr viele angestaubte Filler-Momente, die sich unglaublich ziehen oder die Handlung kein Stück voranbringen. Hinzu kommt, dass es schwer fällt, zu den Charakteren irgendwelche Bindungen aufzubauen, da hier vor allem die Hauptfigur dermaßen unsympathisch ist, dass es zeitweise nervt. Dem Drehbuch von Regisseur Michael Cimino und Oliver Stone gelingt es zwar ab und an, kluge Denkanstöße zum Thema Xenophobie einzubringen, doch es wird auf allen Seiten zu sehr mit schwarz-weiß gestrickt, vor allem hinsichtlich der doch arg stereotypen Figurenzeichnung.
                                                So ist "Year of the Dragon" ein mitunter atmosphärischer Noir-Thriller mit gelungenen Ansätzen, der durch seine langgezogenen und einfach gestrickten Handlungsabläufe viel an Potential einbüßt.

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                                                • 5

                                                  Bei den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes wurde er mit dem Preis für die beste Regie ausgezeichnet. Tatsächlich wäre keine Würdigung passender für "Nie yin niang", denn in erster Linie ist das Werk von Regisseur Hou Hsiao-hsien ein rein visuelles Spektakel.
                                                  Jede einzelne Einstellung wirkt strengstens durchkomponiert und jedes Bild ist ein Kunstwerk für sich. Zusammen mit dem reduzierten, aber äußerst markanten Sound-Design ist der Streifen ein regelrechter Inszenierungs-Rausch, der einen auf meditative Weise in das China des 9. Jahrhundert zurückversetzt.
                                                  Zwischen den Bildern verbirgt sich allerdings eine große Leere. Man merkt sofort, dass der Regisseur akribisch recherchiert hat, um vor allem in Sachen Ausstattung und Kostüme auf höchste Glaubwürdigkeit zu setzen, doch rein vom Inhalt her strahlt der Streifen keinerlei Emotionen aus, die den tollen Bildern Gehalt verleihen.
                                                  Die Handlung treibt in einem unglaublich langsamen Erzählfluss voran und bewegt sich immer wieder nahe am totalen Stillstand. Noch problematischer wird es hingegen bei der Geschichte selbst. Diese ist so verworren, komplex erzählt und auf unangenehme Weise unverständlich, dass man als Unkundiger chinesischer Geschichte bereits früh aussteigen wird und alles noch distanzierter verfolgt, als bereits aufgrund der gedämmten Emotionen in den Motiven der Figuren, die sich einem nur schwer erschließen.
                                                  Ein daher ziemlich frustrierendes Filmerlebnis, denn man wünscht sich ständig, dass einen diese prachtvollen Bilderfluten, mitunter kraftvoll choreographierten Kampf-Szenen oder wundervoll arrangierten Tableaus irgendwann auch mal packen, mitreißen oder irgendwie persönlich bewegen, doch man wartet vergeblich.

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                                                  • 8

                                                    Mit "The Act of Killing" hat Joshua Oppenheimer unbestritten einen Meilenstein geschaffen, der in der gesamten Geschichte der Dokumentationen von ebenso wichtiger Bedeutung und unvergleichlicher Eindringlichkeit verweilt und dessen Brisanz auch noch in Jahrzehnten bestehen bleiben dürfte.
                                                    "The Look of Silence" ist nun sozusagen das Gegenstück zu "The Act of Killing". Die Thematik des wahlweise glorifizierten, verdrängten oder totgeschwiegenen Genozids in Indonesien während der 60er-Jahre bleibt dieselbe. Diesmal verschiebt Oppenheimer lediglich die Perspektive und widmet sich den Hinterbliebenen der Opfer, welche die Geschehnisse trotz ihres teilweise extrem hohen Alters niemals verarbeitet haben oder bis heute nach Antworten suchen.
                                                    Die Erkenntnisse, die der Film dabei langsam an die Oberfläche befördert, sind im Vergleich zu seinem Vorgänger nicht völlig neu oder unterschiedlich, verlieren aber rein gar nichts von ihrer erschütternden Bedeutung. Wenn sich Adi, dessen Bruder bei den damaligen Massenexekutionen ebenfalls getötet wurde, nacheinander mit verschiedenen Tätern oder Anführern der Killer-Kommandos auseinandersetzt und diese befragt, um Antworten zu erhalten und diesen Menschen vor allem einen Funken an Reue oder Verantwortung zu entlocken, entstehen erneut unbeschreibliche Momente. Momente, in denen einem der Atem stock und bei denen man sich förmlich zwingen muss, weiterzuschauen und nicht vollkommen schockiert vor den Schilderungen der damaligen Verantwortlichen zu kapitulieren, welche zwischen unvorstellbarer Grausamkeit, konsequenter Tatsachenverdrehung bis hin zur völlig bizarren Selbsteinschätzung schwanken.
                                                    Bis heute sehen sich viele der damaligen Täter als Helden an, die Auszeichnungen verdient hätten, während sie mitunter hunderte Menschen kaltblütig ermordeten und bis heute wird dieses Kapitel der Menschheitsgeschichte gegenüber den realen Tatsachen verzerrt wiedergeben oder verschwiegen. Joshua Oppenheimer aber hat es geschafft, dass zumindest teilweise ein Umdenken stattfindet. Mit seiner taktvollen, sensiblen Herangehensweise an dieses unglaublich schwierige Thema und einer Inszenierung, die sich sogar als künstlerisch wertvoll bezeichnen lässt, hat er sowohl mit "The Act of Killing" wie auch "The Look of Silence" etwas Großes geschaffen, das unvergesslich bleiben wird.

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