Patrick Reinbott - Kommentare

Alle Kommentare von Patrick Reinbott

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    Inmitten dieses von staatlicher Gewalt und politischer Zensur beschädigten Flickenwerks namens "Na srebrnym globie" steckt irgendwo ein innovatives Science-Fiction-Epos.
    Regisseur Andrzej Zulawski allerdings erstickt jegliche Ansätze von Zugänglichkeit im Keim und schuf subjektiv betrachtet eines der wohl anstrengendsten Seherlebnisse überhaupt. Die allegorische Sci-Fi-Geschichte einer Zivilisation auf einem fremden Planeten schneidet Themen wie kulturelle Evolution, religiöse Allmachtsphantasie und andere philosophische Kernfragen um Identität, Bestimmung oder freien Willen an.
    Der Inszenierungsstil von Zulawski sorgt hingegen dafür, dass "Na srebrnym globie" über die gesamte Laufzeit wirkt, als wäre man in der Psychiatrie gefangen. Die Figuren schreien, brüllen oder jammern ihre unverständlichen Monologe gegen die Kamera und befinden sich in ihrem völlig überhöhten, gestelzt-theaterhaften Schauspiel durchgängig geradezu im Wahn.
    Hinzu kommt, dass die bereits schwer gestrickte Handlung, die eher einer undurchdringbaren Symbol-Orgie gleicht, öfters störend von nachträglich eingefügten Off-Erklärungen unterbrochen wird, da benötigtes Bildmaterial für immer zerstört wurde und der Film nie vollendet werden konnte.
    Die rasende, entfesselte Kamera sorgt durch einige imposante Kulissen und beeindruckende Kostüme immer mal für starke Bilder, doch der unglaublich hektische, wackelige Stil sorgt für gehörigen Schwindel und fast schon körperliches Unbehagen.
    "Na srebrnym globie" kann somit nur wirklich hartgesottenen Arthouse-Verehrern empfohlen werden, die sich zwischen theaterhaft überhöhtem Kunstwillen und sperrig-komplexen Thematiken wohl fühlen. Ansonsten kann der Streifen als fast schon ermüdend überforderndes, extrem anstrengendes Kunstwerk abgetan werden, welches mehr belastet als bereichert.

    8
    • 1

      Eines muss man Tom Six anrechnen: Er wiederholt sich nicht. "The Human Centipede" bot die richtige Mischung aus Schockfaktor, Kopfkino, Horror-Atmosphäre und überzogener Selbstironie. "The Human Centipede II (Full Sequence)" hingegen war voller menschenverachtender, selbstzweckhafter Gewalt, völlig ohne humoristische Komponente oder jegliche Form von sympathischen Einfällen und auf praktisch allen Ebenen ein unterirdisch schlechter Film. Mit "The Human Centipede III (Final Sequence)" kommt die Trilogie nun scheinbar zu einem Ende und wieder schlägt Six gegenüber dem Vorgänger eine andere Richtung ein. Der letzte Teil ist wenig überraschend ein Frontalangriff gegen sämtliche Grenzen des guten Geschmacks, in seiner Machart allerdings eine unglaublich absurde Farce, bei der wiederum rein gar nichts funktioniert.
      Dass Six wieder mehr auf Humor setzt, war zwingend notwendig, doch die Bezeichnung "Komödie" ist der Film nicht wert. Völlig überzogen und ohne jegliches Gespür für irgendeine Art von zündendem Gag schleudert der Regisseur miese Klischee-Witze in sein Drehbuch, bei denen vor allem frauenfeindliche und rassistische Sprüche an der Tagesordnung stehen und auch peinlichster Fäkalhumor nicht ausbleibt. Die Lacher sind es, die ausbleiben.
      Hinzu kommen erneut abgedroschene Meta-Späßchen, für die sich Six diesmal sogar selbst eine kleine, völlig überflüssige Rolle als er selbst in den Film geschrieben hat, und die Besetzung der Hauptdarsteller aus den beiden vorherigen Filmen. Die einzig nennenswerte Erwähnung gegenüber Laurence Harvey ist, dass er überraschenderweise sprechen kann. Dieter Laser war mit seinem trashig überzogenen Schauspiel damals einer der positiven Faktoren des ersten Teils. Was er in diesem Film abzieht, ist hingegen kaum zu ertragen. Seine Leistung ist so dermaßen übertrieben, dass die Bezeichnung "Overacting" noch eine extreme Untertreibung wäre und sein ständiges, langgezogenes Rumgebrülle zerrt so stark an den Nerven, dass es kaum auszuhalten ist.
      Hinzu kommt, dass sich die Geschichte selbst kaum für das Konzept des menschlichen Tausendfüßlers interessiert. Die eigentliche, völlig belanglose Handlung dreht sich hauptsächlich um Laser als menschenhassenden Gefängnisdirektor, der seine Insassen bei jeder Möglichkeit quält, was Six selbstverständlich für möglichst explizite Brutalitäten nutzt. Diese werden wieder einmal völlig ohne atmosphärischen Mehrwert oder irgendeine Form von Spannungsfaktor, dafür aber auf misslungen schwarzhumorig-nervige Weise zelebriert. Erst für die letzten 10-15 Minuten fiel dem Regisseur dann wohl ein, dass er schnell noch etwas bringen muss, was mit dem Titel der Reihe zu tun hat.
      Auch wenn Tom Six große Regisseure wie Lars von Trier, David Cronenberg, Takashi Miike und Pier Paolo Pasolini als seine Vorbilder nennt, ist er nach "The Human Centipede III (Final Sequence)" in einer Liga mit Uwe Boll und Jason Friedberg/Aaron Seltzer angelangt. Das einzig gute an dem Film ist das "(Final Sequence)" im Titel. Reicht jetzt auch mal.

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      • 8

        "Trydno byt bogom" von Aleksei German ist eines dieser Werke, welche die üblichen Maßstäbe normaler Filmkriterien sprengen.
        Über Jahrzehnte hinweg hat German an dem Film gearbeitet und verstarb dann kurz vor Fertigstellung. Seine Frau und sein Sohn schnitten das Werk für ihn zu Ende, damit es doch noch ein würdiges Erbe für den Regisseur darstellen darf. Und "Trydno byt bogom" ist mit Sicherheit ein Film, der diesem Anspruch gerecht wird und womöglich die Zeit überdauert.
        In etwa vergleichbar mit der visionären Bildgewalt eines Andrei Tarkovsky und dem bizarren Größenwahn eines Alejandro Jodorowsky schuf German einen dreistündigen, ebenso faszinierenden wie sperrigen Brocken, der konventionelle Elemente wie einen nachvollziehbaren Handlungsfaden, Spannungsbogen oder irgendeine Form von schlüssiger Kohärenz zugunsten der eigens kreierten Welt komplett unter sich begräbt.
        Der russische Regisseur zeigt den fremden Planeten Arkanar, der von der Art her seltsam und vertraut zugleich wirkt. Die Menschen scheinen in der Zeit stehengeblieben zu sein, genauer gesagt 800 Jahre zurück im Mittelalter. Eine Renaissance hat nie stattgefunden, denn jeder, der auch nur ansatzweise gebildet ist, wird aufgehängt, tot geprügelt, in der Jauchegrube versenkt oder sonst wie ausgelöscht. Übrig bleibt eine Gesellschaft, die in ihrem unfassbar primitiven Verhalten, der verarmten Lebensweise und eigenwilligen, kaum verständlichen Ritualen für Unbehagen sorgt.
        Die einzige Konstante zwischen all den kaum unterscheidbaren, abscheulichen Charakteren ist Don Rumata. Ein Wissenschaftler von der Erde, der von den Bewohnern des Planeten überwiegend wie eine Heiligkeit behandelt wird und als eine Art unantastbare Instanz über allen steht. Seine Beweggründe, bis auf dass er niemanden töten darf sowie eher eine observierende Funktion einnimmt, bleiben allerdings ebenfalls seltsam unklar. Wie lange er schon auf dem Planeten verweilt ist ebenso ein Rätsel wie die Frage, ob er eine Änderung der vorherrschenden Zivilisation anstrebt oder in seinem Über-Status als Gott nicht schon selbst den Verstand verloren hat.
        Schlamm, Regen, Nebel, Rauch, Exkremente, verschiedenste Körperflüssigkeiten und andere schmutzige Substanzen sind zusammen mit dem kraftvollen Schwarz-Weiß-Stil und plötzlichen, kurzen Gewalteinlagen die bestimmenden Elemente, die German in Dauerschleife kredenzt. Wenige Filme fühlen sich so dreckig an wie dieser. Über die Rahmenbedingungen seines Settings wird man nur sporadisch über Randnotizen aufgeklärt, ansonsten muss der Sinn des Großteils selbst erschlossen werden. Dialoge und Gespräche zwischen den Figuren bewegen sich durchgängig am Rande der Verständnislosigkeit, viele Aktionen sind kryptisch und allgemein muss man sich die gesamte Laufzeit über vollständig German´s kompromissloser Vision unterwerfen, was sich oftmals als zäh und anstrengend erweist.
        Trotzdem bleibt der Film bis zuletzt über die gesamte Länge ein faszinierendes Kuriosum. Ist man einmal gefangen in dieser Parallelwelt, in die man auch aufgrund der unvermittelten, genial-direkten Kameraführung und den eindrucksvollen Kulissen sowie Kostümen eingesaugt wird, wird man trotz der rational nicht-existenten Geschichte und beständiger Ratlosigkeit zahlreiche der überwältigenden Bilder schwer auf die Schnelle wieder los und bleibt hängen an diesem einzigartigen, intensiven, schmutzigen Trip.

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        • 6

          Betrachtet man deutsche Filme aus den 90ern, die hierzulande wie international für außerordentlichen Wirbel gesorgt haben, kommt man an "Lola rennt" von Tom Tykwer nicht vorbei.
          In der ersten halben Stunde lässt sich die oftmals geäußerte Begeisterung über dieses Werk komplett nachvollziehen. Tykwer macht dem Titel seines Films alle Ehre und hetzt eine agile Franka Potente durch seinen schnörkellosen Plot. Dabei zündet er vor allem durch die zahlreichen Stilmittel ein Feuerwerk für alle Sinne, welches durch das unglaublich hohe (Schnitt-)Tempo und den wilden, pumpenden Sound-Mix eine Achterbahnfahrt der audiovisuellen Thrills entfacht.
          Nach diesem atemlosen Segment stellt sich Tykwer allerdings selbst ein Bein, indem er seiner Geschichte einen erzählerischen Bruch hinzufügt, der den verbleibenden Rest des Films maßgeblich umformt und runterzieht.
          Von nun an beschäftigt sich "Lola rennt" mit den Möglichkeiten des filmischen Erzählens. "Was wäre, wenn...?"-artige Szenarien rücken in den Vordergrund, welche mögliche Zukunftsperspektiven einzelner Figuren beleuchten. Durch dieses eher irreal-spekulative Szenario zerschießt sich Tykwer einen maßgeblichen Anteil seiner anfangs so druckvoll etablierten Dramaturgie, verwendet seinen Erzählkniff mitunter für Figuren, die für die Handlung völlig irrelevant sind und lässt allgemein einiges an philosophisch angedeutetem Potential ungenutzt.
          Auch wenn der Streifen durch die nachwievor erfrischende, unangepasste visuelle Ausstrahlung weiterhin überzeugt und immer noch besser ist als das meiste, was man sonst so an öder, standardisierter Ware aus Deutschland geboten bekommt, merkt man einfach, dass Tom Tykwer womöglich sogar unbeabsichtigt Stil über Substanz gestellt hat. "Lola rennt" ist daher trotz seiner druckvollen Momente und dem herausragenden Anfangssegment nur halb so innovativ und clever, wie er wohl gerne sein möchte.

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          • 7

            Normalerweise ist es eine gängige Reaktion, sich desinteressiert und genervt abzuwenden, wenn wieder einmal eine neue Genre-Produktion aus dem deutschen Untergrund-Bereich auftaucht. Aufgrund der amateurhaften und billigen bis unfreiwillig komischen Herangehensweise der Macher gibt es in der Vergangenheit zahlreiche Negativbeispiele. Jörg Buttgereit, Andreas Marschall und Michal Kosakowski zeigen in ihrem Horror-Anthologie-Streifen "German Angst" hingegen, dass auch hierzulande noch ein anderer, frischer Wind durch das Genre wehen kann.
            Gemeinsam kombinieren die drei Härte, Atmosphäre, visuelle Versiertheit, künstlerischen Anspruch und gesellschaftskritische wie zeitgeschichtliche Hintergründe zu einem bisweilen impressionistisch anmutenden, aufwühlenden Horrorfilm, wobei jede der drei Geschichten stilistisch sowie inhaltlich markante Unterschiede aufweist.
            Bereits "Final Girl", der Einstieg von Jörg Buttgereit, erweist sich als Volltreffer. In beinahe poetischer Erzählweise vermischt der Regisseur extreme Close-Ups und einsame Totalen, streut Meerschweinchen-Missbrauchs-Metaphern in seine drastische, immer wieder nahe an unwirkliche Fantasie andockende Geschichte und zieht den Bildfokus meistens auf die Mitte scharf, während alles im Umkreis verschwommen bleibt.
            Nach diesem deprimierenden aber auch aufsaugenden Auftakt holt Michal Kosakowski zum wütenden Frontalangriff aus. Sein persönlich motiviertes, nicht gerade subtiles Segment über einen perversen Gewalt-Rausch zwischen Neonazis und einem taubstummen Pärchen ist ebenso radikal wie ernüchternd. Trotz Schauspielleistungen, die hier gelegentlich Karikaturen streifen, verfehlt Kosakowski seine angestrebte Wirkung nicht und liefert einen drastischen Reißer rund um zweifelhafte Rache-Motivation, blinde Ohnmacht und verachtenswertem Ausländerhass.
            Zum Abschluss darf Andreas Marschall ran, der sich in der jüngsten Vergangenheit mit dem gelungenen Neo-Giallo "Masks" bereits einen Namen in der Szene gemacht hat. Sein mysteriöser, ständig zwischen sexuellem Delirium, verstörendem Body-Horror und farbenfroher Nachtclub-Neonlichter-Ekstase tanzender Trip "Alraune" ist ein rundum stimmiger, sehr atmosphärischer Abschluss für ein Gesamtwerk, welches definitiv Eindruck hinterlässt innerhalb der deutschen Horror-Szene und Genre-Fans mehr als zufriedenstellen dürfte. "German Angst" ist konsequent wie künstlerisch zugleich und in seiner ernsthaften Ambition, bei der auch immer wieder persönlich motivierte Botschaften sowie tieferliegende Ambivalenz mitschwingen, äußerst sehenswert.

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            • 9

              Nach ganzen 30 Jahren konnte sich George Miller nun endlich einen lange verfolgten Traum erfüllen und bringt den vierten Teil seiner "Mad Max"-Reihe in die Kinos. Der Mann, der im vergangenen Jahrzehnt beispielsweise lediglich zwei familienfreundliche Animationsfilme drehte, kracht nun aber wieder mit voller Wucht in den Blockbuster-Sektor und liefert einen feuchten Traum für Action-Fans, der sich nach den größenwahnsinnigen Trailern bereits abzeichnete.
              "Mad Max: Fury Road" ist ein einziger Rausch aus röhrenden Motoren, zerberstendem Metall, umherfliegenden Körpern und krachenden Explosionen, bei dem Miller tatsächlich gute 100 der 120 Minuten das Gaspedal durchdrückt und den Zuschauer in ein hyperkinetisches, druckvolles Action-Inferno schleudert, von dem man sich eigentlich nur begeistert mitreißen lassen kann.
              Fernab von unübersichtlichen, auf Dauer ermüdenden Materialschlachten ohne jegliches handwerkliches Gespür scheint hier jeder Schnitt an der genau richtigen Stelle zu sitzen, ein Großteil sämtlicher Action-Szenen wurde erstaunlicherweise mit Practical Effects sowie echten Stunts realisiert und selbst bei dem sehr hohen Tempo, das ständig zwischen vielen Beteiligten hin und her springt, geht einem nie der Überblick abhanden. Der Score von Junkie XL ist ebenfalls eine absolute Wucht und unterlegt praktisch jede Szene mit der nötigen Stimmungsgewalt.
              Man spürt zu jeder Zeit, wie viel Leidenschaft Miller in dieses Werk gesteckt hat. Neben der Daueraction ist "Mad Max: Fury Road" auch beim visuellen Gesamtbild faszinierend. Die Kontraste zwischen der farblich übersättigten Wüste bei Tag und der monochromen Nachtstimmung, zwischen den völlig abgedrehten Freaks und den zarten Grazien in weißem Schleier, deren Rettung einer der Aufhänger der reduzierten Handlung ist, zwischen einem stoischen aber ultrapräsentem Tom Hardy als neuer Mad Max und einer überraschend fantastischen Charlize Theron als ebenfalls knallharte, aber auch gefühlvoll geerdete Furiosa, machen das Werk zu einer wunderbaren Endzeit-Apokalypse-Vision, der es neben satter Action auch nie an bizarren, eigenwilligen Einfällen fehlt, die den Streifen letztendlich zu einem garstigen B-Movie in der Verpackung eines 150-Millionen-Dollar-Blockbusters werden lassen.
              Selbst die wenigen ruhigen Momente und Verschnaufpausen, die Miller hier eingebaut hat, nutzt der Regisseur sinnvoll und verschafft den entscheidenden Figuren etwas Tiefe und Profil, wodurch sie nie plumpe Charakterschablonen sind, die stumpf von einem Action-Setpiece in das nächste gejagt werden.
              Wäre jeder oder wenigstens jeder zweite Blockbuster mit solch einer Leidenschaft und Konsequenz gemacht, müsste man zukünftig im Mainstream-Bereich gewaltig umdenken.
              "My name is Max. My world is reduced to a single instinct: Survive. As the world fell it was hard to know who was more crazy. Me... Or everyone else."

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              • 4

                Mit "Post Tenebras Lux", für den Carlos Reygadas 2012 den Regie-Preis in Cannes gewann, legt der Regisseur einen dieser Filme der Marke "Achtung: Kunst" vor, deren Zugang sich den meisten verschließen dürfte.
                Lose und in weitestgehend unzusammenhängenden Szenen geht Reygadas den Problemen seines Landes nach und zeigt in gesellschaftskritischer Weise Missstände auf.
                Dass er dabei visuell einige wirklich stimmige Ideen in sein Werk einbringt und die ein oder andere wirklich schön durchkomponierte Szene aufbringt, nützt in dem erzählerisch "schwierigen" Film ansonsten nicht viel.
                "Post Tenebras Lux" ist Kunstkino der prätentiösen und trockensten Form, bei dem nachvollziehbare oder annähernd tiefergehende Charakterzeichnung vergeblich stattfindet. Viele Elemente des Streifens wirken selbstzweckhaft und die übertriebene Ausdehnung der einzelnen Einstellungen, in denen nichts erwähnenswertes passiert, fängt sehr früh an zu nerven.
                Sämtliche Botschaften oder Aussagen dürfen selbst gedeutet werden und abgesehen von einigen gelungenen surreal-skurrilen Einschüben dürfte "Post Tenebras Lux" nur denjenigen zusagen, die sich auf dieses experimentell-herausfordernde, extrem speziell erzählte Werk einlassen können.

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                • 8

                  Alex Garland, der bisher vorwiegend als Drehbuchautor tätig war, hat mit seinem Regie-Debüt "Ex Machina" direkt für Wirbel innerhalb der Science-Fiction-Fangemeinde gesorgt.
                  Seine kopflastige und wundervoll durchgestylte Kreation aus ruhigem Sci-Fi-Gedankenspiel und beunruhigendem Psycho-Thrill führt durch eine facettenreiche Geschichte, in welcher der Regisseur dem Zuschauer wohl durchdachte Ansätze reicht, welche dieser ohne eindeutig vorgegebene Wertung weiterdenken darf.
                  Garland´s kammerspielartige Vision, in der ein millionschwerer, scheinbar angeknackster Firmenchef, ein zurückhaltender, labil wirkender Programmierer und eine künstliche Intelligenz mit völlig eigenständigem Bewusstsein in Form einer schönen Frau auf engstem Raum in eine steril-modische High-Tech-Villa eingepfercht sind, wirft früh die Frage auf, wer hier eigentlich wen nach seinen Gunsten manipuliert und welche Beweggründe hinter einzelnen Handlungsweisen verborgen liegen. In ruhiger Manier entfaltet sich eine knisternd intensive Chemie zwischen dem zentralen Figurentrio, welches von Oscar Isaac, Domhnall Gleeson und Alicia Vikander großartig verkörpert wird.
                  "Ex Machina" wird über die erste Hälfte der Laufzeit hinweg von einer mysteriösen Ungewissheit dominiert, während Garland den Zuschauer mit verschiedenen Theorien und Fragestellungen füttert, die vom uralten Schöpfer-Kreation-Zwist bis hin zur Trennlinie zwischen Technik und menschlicher Eigenständigkeit auf zeitgemäße Weise den Trend zur immer stärker werdenden Technologisierung beleuchtet und hinterfragt.
                  Nebenbei erweist sich der Regisseur auch auf dem Gebiet der ausgefeilten Dramaturgie als Könner, wodurch sich in der zweiten Hälfte nach dem zurückgenommenen Einstieg zahlreiche neue Entwicklungen und Erkenntnisse offenbaren, die dem Werk nochmal einiges an Spannung und Sogkraft hinzufügen bis hin zu einem überzeugenden, ambivalent-durchdachten Schlussakt.
                  Ein starkes Regie-Debüt, welches durch die selbstbewusste, durchdachte Erzählweise Aufmerksamkeit auf sich zieht und zum Nachdenken anregt und nebenbei auf schauspielerischer sowie inszenatorischer Ebene keinerlei Wünsche offen lässt.

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                  • 7
                    über Chappie

                    Neill Blomkamp geht seinen bislang eingeschlagenen Weg unbeirrt weiter. Auch für "Chappie" bewegt sich der Regisseur zwischen Big-Budget-Krawall und spürbar persönlich motiviertem, mit eigener Handschrift und Herzblut versehenem Autorenkino.
                    Mit erneut hochwertigsten Effekten erzählt Blomkamp in seiner Science-Fiction-Dystopie von einem Roboter, der durch eine innovative Software ein komplett eigenständiges Bewusstsein erhält, was für unterschiedliche Parteien von Bedeutung ist.
                    Der Regisseur bedient sich für seine Geschichte dabei bei bekannten Genre-Filmen wie "Short Circuit" oder "RoboCop", verfolgt aber gänzlich eigenständige Ansätze, die ihn wiederum aus der Masse der Mainstream-Produktionen herausheben.
                    So ist "Chappie" ein geradlinig inszenierter Sci-Fi-Actioner, in den Blomkamp aber ebenso existenzielle wie philosophische Grundfragen um den freien Willen, das Leben nach dem Tod oder das Befinden der Seele einstreut, nur um sich im nächsten Moment ganz und gar dem Trash-Appeal hinzugeben, mit dem er durch Unterstützung des ausgeflippten Rap-Rave-Duos Die Antwoord in entscheidenden Rollen ein groteskes Ghetto-Gangster-Spektakel zündet.
                    Dass der angestrebte Tiefgang hierdurch meist auf halber Strecke liegen bleibt oder über bloßes Andeuten nicht hinaus reicht, gleicht Blomkamp dafür mit dem nötigen Gespür für Emotionalität wieder aus. Chappie wird dadurch, obwohl er die künstlichste Figur ist, zum eindeutigen Sympathieträger und Fixpunkt des Films. Simple Regungen in seinen Bewegungen und die makellose Motion-Capturing-Performance von Blomkamp-Veteran Sharlto Copley genügen, dass der Zuschauer früh große Zuneigungen für den niedlichen sowie sympathischen Roboter entwickelt. Dem gesamten Handlungsverlauf, bei dem Blomkamp vor allem im letzten Drittel actiontechnisch wie gewohnt einige Zugeständnisse an die Mainstream-Erwartungen der Studios eingehen muss, verleiht der Regisseur so ein emotional standfestes Gerüst, das den Streifen abermals von seelenlosen Hochglanz-Produktionen trennt.
                    Auch wenn Neil Blomkamp den ganz großen Wurf weiterhin noch ausspart, ist er trotzdem nachwievor eine unverzichtbare und erfrischende Instanz im Mainstream-Sektor. Sein zwischen Sci-Fi-Action, Gangster-Groteske, emotionalem Drama und vielschichtigem Anspruch angesiedelter Hybrid "Chappie" hat trotz Defizite das Herz am rechten Fleck und genügend staunenswertes Reibungspotenzial, durch das er sich weiterhin als spannender und abwechslungsreicher Blockbuster-Regisseur behaupten kann.

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                    • 5
                      über Focus

                      Will Smith steckt seit vielen Jahren in der Krise. Dem Schauspielstar, der früher durch seinen Charme und Witz die Massen in die Kinos lockte oder in Serien zum Lachen brachte, will seit längerer Zeit kein wirklicher Hit mehr gelingen.
                      Nun hat er sich für "Focus" mit John Requa und Glenn Ficarra zusammengeschlossen, die mit "Crazy, Stupid, Love" eine der erfrischendsten und witzigsten RomCom´s der letzten Jahre schufen.
                      Durch die schwungvoll-spritzige Inszenierung, bei der die Regisseure Tempo, Hochglanzbilder, stimmige Kamerafahrten und schön gewählte Songs aufbieten, kommt bei "Focus" tatsächlich auch nie wirkliche Langeweile auf.
                      Ein viel größeres Problem ist das Drehbuch, das ebenfalls von Requa und Ficarra stammt. Dadurch, dass die beiden in einer penetrant neunmalklugen Art auf möglichst spektakulär platzierte Twists setzen, die inhaltlich zudem kaum abstruser sein könnten, wirkt ihre kurzweilige Trickbetrüger-Geschichte durch die vielen doppelten Böden im Gegensatz zum Titel des Films selbst die ganze Zeit über extrem unfokussiert. Der Streifen schafft es nie, einen wirklich mitzureißen, richtig zu überraschen oder zu bewegen, selbst die angestrebte lockere Unterhaltung bleibt auf der Strecke.
                      Das liegt vor allem daran, dass die Figuren, trotz bemühter und bisweilen durchaus charismatischer Schauspielleistungen erstaunlich leblos wirken, da sie stets Mittel zum Zweck sind, um die fintenreiche Handlung voranzutreiben, anstatt selbst ausreichend Profil oder Charakterzeichnung zu erhalten, damit der Zuschauer einen glaubhaften Draht zu ihnen erhält.
                      "Focus" ist kurzweilig, hat seine Momente und kann vor allem durch die gelungene Inszenierung punkten. Auch die Schauspieler geben sich Mühe, doch gegen das hanebüchene, chaotische Drehbuch, das auffällig oberflächlich mit sämtlichen Figuren verfährt, können auch sie nicht viel ausrichten. Der nochmals angestrebte Hit von Will Smith lässt weiterhin auf sich warten...

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                      • 10

                        4 Jahre hat sich Tetsuya Nakashima nach seinem überragenden, beeindruckenden "Kokuhaku" Zeit gelassen, bis er mit "Kawaki" nun nachgelegt hat. Eine Zeitspanne, die vergleichbar gering wirkt, wenn man feststellt, dass er erneut ein elektrisierendes, mitreißendes Meisterwerk geschaffen hat.
                        Alleine der Schnittaufwand dürfte bereits den größten Anteil der Zeit beansprucht haben. Nakashima testet bereits ab der ersten Minute die Grenzen seiner Zuschauerschaft, indem er durch extrem elliptisch-nervöse Schnittgewitter direkt erste Schläge austeilt. Alles bei der ersten Sichtung zu erfassen, ist eine wahre Herausforderung. Wer mal eben im falschen Moment blinzelt, verliert.
                        Dabei wütet der stilsichere Regisseur, dessen Wurzeln mehr als deutlich im Werbeclip-Bereich liegen, wie ein Berserker durch verschiedenste Genres und Stilrichtungen, als wäre es das gewöhnlichste überhaupt. Das Tempo wird ohne Unterbrechung ständig verändert, eingängigste Musikstücke auf die denkbar konträrste Art eingestreut sowie variiert und überhaupt ist hier zwischen mehrfach gewechselten Zeitebenen, abschreckender Brutalität, bitterbösen Humoreinschüben, stiller Poesie und aufrührender Dramatik schlichtweg nichts und niemand sicher vor diesem erschlagenden Mammutwerk.
                        Wo die Inszenierung alles übertrumpft, wird sonst der Aufschrei nach "Style over Substance" schnell laut. Dem entzieht sich Nakashima ebenso gekonnt. Fujishima (meisterhaft gespielt von Kôji Yakusho), ein Ex-Cop, der dem Alkohol verfallen ist und dessen Familienleben in Trümmern liegt, stellt rücksichtslose Privatermittlungen an, um seine vermisste Tochter aufzuspüren. Parallel wird in der Vergangenheit das Umfeld von Kanako, der Tochter, beleuchtet und die Befindlichkeiten der japanischen Jugendkultur satirisch wie ernst entlarvt. Die Handlung liefert keinerlei charismatische Identifikationsfiguren. Im Gegenteil, Fujishima ist ein kaputter Mistkerl und was er im Laufe des Films, neben seinen eigenen verachtungswürdigen Taten, im Zusammenhang mit seiner Tochter alles aufdecken wird, sprengt sämtliche Grenzen.
                        Wie Nakashima dies alles Stück für Stück aufschlüsselt, immer wieder Haken schlägt, Twist an Twist reiht und sämtliche Charakterzüge zwischen Toleranz, Ungläubigkeit, Tragik und Schockstarre in seinen pechschwarzen Figuren aufdeckt, ist spektakulär und sorgt in seiner konsequenten Ambivalenz und dem ausgeprägten Verständnis für zutiefst menschliche Gefühlsspektren für Begeisterung und Erschütterung zugleich. Selten wurde eine Rache-Prämisse derart raffiniert dekonstruiert und auf dem Höhepunkt in eine noch erdrückendere, nihilistischere Resthandlung umgekehrt, bei der jeder Funke von Hoffnung oder Mitgefühl im Keim erstickt wird und trotz allem eine zwischenmenschlich plausible Note beibehalten wird.
                        Ein Meisterwerk auf allen erdenklichen Ebenen, an dem man sich wenn überhaupt höchstens aufgrund der übergroßen Ambition stoßen kann.

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                        • 6
                          über Maggie

                          Die große Frage, die sich sowohl Fans wie Kritiker im Vorfeld von "Maggie" gestellt haben dürften, ist, ob sich 80er-Action-Ikone und One-Liner-Maschine Arnold Schwarzenegger in seiner Spätkarriere nochmal als ernstzunehmender Charakterdarsteller behaupten kann.
                          Um die Frage direkt zu beantworten: Er kann es. Trotz seines gewohnt starken Akzents, den er niemals ablegen wird, nimmt Schwarzenegger sich hier passend zurück und überzeugt in einer sehr ruhigen Rolle, bei der er vor allem mimisch überraschenderweise wirklich gut aufspielt.
                          Wer den Film allerdings wegen Schwarzenegger als Hauptargument schaut, dürfte dennoch enttäuscht werden. In seinem Regie-Debüt verteilt Henry Hobson den Fokus auf die entscheidenden Figuren zu gleichen Teilen, weshalb vor allem Abigail Breslin hier noch mehr zu leisten bekommt und noch stärker in den Vordergrund rückt als Schwarzenegger, allerdings ebenfalls mit einer wirklich stimmigen Performance.
                          In seinem abgenutzten Szenario, in welchem abermals eine postapokalyptische Zombie-Seuche herhalten muss, konzentriert sich "Maggie" in ruhiger Art auf die dramatischen Aspekte, welche einen Infektionsfall innerhalb einer Patchwork-Familie betreffen.
                          Dabei fällt neben den verwaschenen, stellenweise sehr gekonnt arrangierten Bildern vor allem das extrem langsame Erzähltempo auf, an dem sich schließlich die Geister scheiden dürften. Hobson verfolgt mit seinem inszenatorischen Stil eine spürbar depressive Erzählweise, durch die der Film immer wieder zwischen intensiven aber auch langatmigen Szenen pendelt. Es wirkt so, als wolle der Regisseur lieber Stimmungslagen und Gemütszustände abbilden und ausloten, denn wirklich tief dringt der Film zu seinen Figuren trotz häufig eingesetzten Close-Ups nicht durch, zu isoliert voneinander erscheint die Familie oftmals.
                          Das im typischen Indie-Style gehaltene Drama "Maggie" ist trotz figurentechnischer Defizite und einer diskussionswürdigen Erzählweise überzeugend. Die Darsteller fügen sich gekonnt in ihre Rollen ein, der Inszenierungsstil ist vor allem für ein Erstlingswerk auffällig gelungen und auch wenn das Zombie-Szenario mittlerweile stark abgegriffen ist, gelingt Henry Hobson mit seinem Fokus auf Dramatik, Charakterbezogenheit und depressiver Betroffenheit ein ordentliches Debüt.

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                          • 8

                            Ein hungriger Wolf zieht seine Spuren durch Brandenburg. Der biedere, verschüchterte Dorfpolizist Jakob liefert sich ein Katz- und Mausspiel mit einem feminin wirkenden Mann, der in Frauenkleidung und mit Katana bewaffnet für Chaos sorgt.
                            DFFB-Absolvent Till Kleinert mischt das deutsche Genre-Kino gehörig auf. Seine Abschlussarbeit "Der Samurai" ist ein intensiv-atmosphärisches Glanzstück, welches mit einigen bizarren Einlagen und der tiefgründig-wirren Ambivalenz begeistert.
                            Über gerade einmal 75 Minuten hinweg spannt Kleinert seinen kompakten, verdichteten Handlungsbogen, der praktisch aus einem einzigen ausgewalzten Showdown besteht. Handwerkliche Kriterien wie Lichtsetzung, Sound-Design und Kameraarbeit sind absolut großartig und der Streifen versprüht eine ungemein packende, mitreißende Sogwirkung.
                            Ohne Rücksicht auf Konventionen und durchaus mutig garniert Kleinert seinen überwiegend in der Nacht angesiedelten Krimi-Thriller-Horror-Bastard außerdem mit homoerotischem Subtext, allgemein wird hier viel mit Symbolik und dezenter Metaphorik gespielt, bei der unterdrückte Gefühle, isolierte Beklemmung und die Faszination mit der dunklen Seite ebenso ihren Platz finden wie abgetrennte Köpfe und albtraumhafte Visionen.
                            Schauspiel-Debütant Michel Diercks bringt hierbei direkt eine bemerkenswerte Leistung als zurückgenommener Polizist und liefert sich ein elektrisierendes Duell mit Pit Bukowski, der als transsexueller, agiler Schwertkämpfer eine extrem markante Aura versprüht.
                            Bleibt letztendlich nur zu hoffen, dass sich Till Kleinert seine künstlerische Handschrift nach diesem Volltreffer auch zukünftig bewahrt. Mit "Der Samurai" liefert der Nachwuchs-Regisseur ein fantastisches, unangepasstes wie mitreißendes Werk ab, mit dem er sich direkt als neue Genre-Hoffnung hierzulande empfiehlt.

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                            • 8

                              Josh Greenberg hat sich gerade von seiner Freundin getrennt, der er nun hinterher trauert. Zwischen Trennungsschmerz und neuen Herausforderungen im frustrierten Single-Dasein entpuppt sich das nächste Blind-Date schnell mal als schwedischer Troll und die Ex-Freundin bandelt auf einmal mit dem 126-jährigen Adolf Hitler an, der seinen Tod damals nur vorgetäuscht hatte.
                              Die Verantwortlichen hinter "Man Seeking Woman" liefern mit der ersten Season ihrer Serie kreative wie sympathische Brachial-Comedy ab, bei der öfters kein Auge trocken bleibt. Das Konzept jeder einzelnen der 10 äußerst kurzweiligen Episoden besteht darin, dass die Situationen und Gefühlslagen von Hauptfigur Josh immer in ein skurril-surreales Extrem übersteigert werden. Das führt dazu, dass man bei vielen Szenen in "Man Seeking Woman" aufgrund der abgefahrenen Kreativität teilweise mit aufgerissenen Augen oder ungläubigem Kopfschütteln bis hin zu brüllendem Lachen reagieren wird.
                              Pointen werden oftmals minutenlang ausgedehnt, was sowohl positive wie auch negative Aspekte an sich hat. Empfindet man den jeweiligen Gag persönlich als gelungen, wird dieser immer weiter ausgebaut und intensiviert. Problematischer wird es dann schon eher, wenn einer der Witze völlig daneben geht und man mehrere Minuten warten muss, bis ein inhaltlicher Kurswechsel erfolgt.
                              Trotzdem funktioniert diese erste Season aufgrund des radikalen Konzepts und vielen mutigen Versuchen fast durchgängig, was auch an der grundsätzlichen Sympathie und dem markanten Charme liegt, mit dem hier sämtliche Figuren gezeichnet und gespielt werden. Vor allem Jay Baruchel ist wie geschaffen für die Hauptrolle, aber beispielsweise auch Eric André als bester Kumpel von Josh ist eine wahre Entdeckung im Comedy-Fach.
                              Zusätzlich wird nicht nur durchgehend auf Witz und Humor gesetzt, an manchen Stellen schimmert auch immer wieder der ernsthafte Anspruch von authentisch nachvollziehbaren Stationen des wahren Lebens durch, welcher sich hinter den obskuren Metaphern und surrealen Gaga-Gags verbirgt.
                              Die erste Season von "Man Seeking Woman" ist also für Freunde des abseitigeren Humors eine klare Empfehlung. Eine derart eigenwillige, außergewöhnliche und trotzdem sehr lustige Comedy-Serie findet sich selten und ist ein mehr als wohltuender Ersatz für all die ausgelutschten 08/15-Sitcom-Formate, welche massenhaft produziert werden. Und trotz des immer noch eher unbekannteren Status wurde eine zweite Season glücklicherweise bereits bestellt.

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                                "We Were Once a Fairytale" bietet über den Status des experimentellen Kurzfilms hinaus mehr als lohnenswerte und reichhaltige 14 Minuten, in denen Spike Jonze das exzentrische Musik-Genie Kanye West völlig besoffen durch einen Nachtclub treibt.
                                Dieser macht sich ordentlich zum Kasper und feiert vor allem seinen eigenen Song, flüchtet sich halluzinatorisch zu den neblig-schwirrenden Klängen von Mayer Hawthorne´s "When I Said Goodbye" in die Arme einer netten Dame und muss sich schließlich in einem Moment der einsamen Selbsterkenntnis seinem Dämon stellen.
                                Für Fans von Kanye ist der Kurzfilm eine gelungene Visualisierung der Kernthemen seines damaligen Albums "808 & Heartbreak" und stellt die Selbstzweifel sowie Schattenseiten des ausufernden Künstlerdaseins in den Mittelpunkt, was von Jonze wiederum in eine Mischung aus aufdringlichem Musikclip und schließlich surrealer Stop-Motion-Skurrilität verpackt wird.
                                Kreativ, atmosphärisch, schräg und kurzweilig zugleich ist "We Were Once a Fairytale" vor allem für Fans von Kanye West und Spike Jonze mehr als nur einen Blick wert und stellt das Talent beider Künstler hervorragend unter Beweis.

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                                  Seit seinem Erscheinen genießt "Goodfellas" innerhalb des Gangster-Genres bis heute wahren Klassiker-Status. Martin Scorsese schuf auf Basis einer realen biographischen Vorlage eine präzise Milieu-Studie, die bereits auf rein formaler Ebene jeden Filmliebhaber begeistern dürfte.
                                  Durch die herausragende Kameraarbeit von Michael Ballhaus sowie exzellent ausgewählte und eingesetzte Musikstücke erzeugt Scorsese von Anfang an einen ruhelosen, mitreißenden Erzählfluss, mit dem er den Zuschauer genauso leicht in die Kreise der Mafia zieht wie Protagonist Henry. Dessen Faszination bestimmt ungefähr die erste Hälfte des Werks.
                                  Hier zeichnet Scorsese auf extrem authentische Weise die Strukturen und Bräuche des Mafia-Lebens, wobei er zunächst sämtliche Vorzüge wie Reichtum, ruhmreiches Ansehen und familiären Zusammenhalt beinahe schon glorifiziert. Einige äußerst brutale Zwischenfälle und fragwürdiges, unkontrollierbares Verhalten der Figuren erzeugen allerdings bereits erste Risse in der Fassade des Gangstertums.
                                  Über eine Zeitspanne von ungefähr 30 Jahren verfolgt Scorsese seine Figuren und lässt in dem 145-minütigen Film am Ende trotz glorreicher Wertevorstellungen der ersten zwei Drittel kein gutes Haar am kriminellen Weg der Protagonisten. Schonungslos schält der Regisseur im späteren Verlauf sämtliche Abgründe frei, zeigt die Mafia schließlich als Ansammlung kaputter Existenzen, die von Drogensucht, Paranoia oder Gewalt gezeichnet sind und unentwegt nach dem strengen, egoistischen Kodex der "Familie" leben müssen, um ihr Privatleben nicht plötzlich durch eine Kugel im Kopf zu verlieren.
                                  Neben der brillanten Inszenierung und dem großartigen Erzählfluss lebt "Goodfellas" aber auch von den Darstellern. Ray Liotta gelingt hier in der Hauptrolle praktisch ein Karrierehöhepunkt. Er verkörpert Henry Hill gekonnt in allen denkbaren Facetten, sei es verschmitzter Aufsteiger, souveräner Routine-Gangster oder nervöses Wrack. Neben einem wie eigentlich immer intensiven Robert De Niro, der sich fast schon ein wenig zurückhält, ist Joe Pesci wahrscheinlich das heimliche Highlight. Die Art, wie er seinen Tommy zwischen lustigem Clown und unberechenbaren, aggressiven Mörder spielt, macht seine Performance zu einer Meisterleistung und brachte Pesci zurecht den Oscar als bester Nebendarsteller.
                                  Egal ob als faszinierendes Stück Zeitgeschichte, präzise Milieustudie, brillantes Schauspielkino oder einfach nur fantastisch inszenierter Gangster-Film ist "Goodfellas" ein Klassiker des Genres, für den Scorsese wahrscheinlich auch wegen der treffsicheren Ambivalenz aus schillernder Fassade und verrottetem Innenleben zurecht immer noch gefeiert wird.

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                                  • 7

                                    Mark Hartley widmet sich in seiner Dokumentation "Electric Boogaloo: The Wild, Untold Story of Cannon Films" dem Filmstudio Cannon Films, das von den israelischen Cousins Menahem Golan und Yoram Globus betrieben wurde.
                                    Hartley gibt in seinem Film durch Archivaufnahmen, Filmclips und Interviews mit diversen Personen, die mit Cannon gearbeitet haben, einen flott geschnittenen Einblick in das abgedrehte, turbulente Schaffen von zwei enthusiastischen Arbeitstieren und leidenschaftlichen Filmfans.
                                    Golan und Globus ließen sich nie etwas vorschreiben, zogen konsequent ihr Ding durch und prägten mit ihren billigen, von Sex und/oder gewalttätiger Action durchzogenen B-Movies ganz wesentlich die Trash-Kultur der 80er Jahre. Trotz ihres auf Quantität statt Qualität ausgelegten Outputs, bei dem pro Jahr auch schon mal über 40 Produktionen entstanden, waren sie wahre Meister darin, Ideen und Projekte zu verwirklichen und die nötigen Leute dafür zu gewinnen.
                                    Vor allem jeder, dessen Herz für diese kruden, spaßigen Werke aus der mittlerweile vergangenen Videothekenkultur-Zeit schlägt, wird hier durch unterhaltsame, aberwitzige Anekdoten und viel nostalgischem Charme seine helle Freude haben.
                                    Auch wenn der durchaus sehr hektische Schnittstil, bei dem wild durch die prägnantesten Stationen von Cannon Films gesprungen wird, bisweilen fast schon zu überhastet wirkt und die Linie zwischen persönlicher Huldigung und leicht herablassender Belustigung manchmal schmal verläuft, ist "Electric Boogaloo: The Wild, Untold Story of Cannon Films" kurzweilig und unterhaltsam genug und nicht nur Trash-Fans werden auf ihre Kosten kommen.

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                                    • 6 .5

                                      Regisseur Peter Strickland versteht sein Handwerk als Regisseur. Nach dem großartigen "Berberian Sound Studio" ist auch "The Duke of Burgundy" wieder ein Beweis, wie virtuos der Regisseur Bild und Ton stets perfekt im Griff hat.
                                      Über den Bildern, die zwischen bittersüßer, träumerischer Melancholie und düsterer Formstrenge schwanken, liegt die gesamte Laufzeit über ein seltsam ungewisser Schleier, welcher das Werk atmosphärisch bereits sehr besonders und künstlerisch wirken lässt.
                                      Problematisch ist daran lediglich, dass die visuelle und akustische Brillianz von Strickland in "Berberian Sound Studio" ausreichte, um den gesamten Ton des Films, die Handlung und die Wirkungsweise maßgeblich anzuführen und den Zuschauer völlig gefangen zu nehmen. Bei diesem Werk gestaltet sich das allerdings schwieriger.
                                      Strickland interessiert sich in seinem Sadomasochismus-Drama wenig für die speziellen Praktiken dieser sexuellen Form. Subtil und ohne jeglichen Voyeurismus stellt er die S/M-Praktiken als mysteriös-sinnliche Rituale dar, in denen er vor allem auf die psychologischen Aspekte Wert legt, die dabei eine Rolle spielen zwischen den beiden weiblichen Hauptfiguren.
                                      Die Erzählweise, abseits der formalen Makellosigkeit, fühlt sich dabei allerdings fast den gesamten Film über sehr angestrengt an. Strickland weiß, wie er jede einzelne Einstellung zu komponieren hat und zeigt auch in der Schauspielführung erfreuliches Können, bleibt im Gegenzug aber hinsichtlich der Figuren stark an der Oberfläche und gestaltet seinen Film inhaltlich so oftmals sehr sperrig und leider auch ziemlich repetitiv.
                                      Der Film scheint sich oftmals im Kreis zu drehen und man wird den Eindruck nicht los, dass Strickland nie so richtig weiß, in welche Richtung er seine Geschichte lenken möchte, so dass erst auf der Zielgeraden vor dem Schlussakt noch auffälligere Höhepunkte gesetzt wurden, die etwas zu spät kommen.
                                      Stilistisch bleibt Peter Strickland weiterhin ein vielversprechender und besonderer Regisseur. "The Duke of Burgundy" ist visuell fantastisch und von allen, ebenfalls mal eine angenehme Abwechslung, ausschließlich weiblichen Darstellern wirklich gut gespielt. Diesmal stehen sich die visuelle Pracht und der inhaltliche Anspruch allerdings auffällig störend im Weg und es gelingt dem Regisseur nicht immer, den Zuschauer in seine in Ansätzen durchaus interessante, aber zu oberflächliche und sperrige Geschichte einzubeziehen.

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                                      • 2

                                        Schon länger hat es sich abgezeichnet, nun ist es Gewissheit. Andy Wachowski und Lana Wachowski sind am Tiefpunkt ihres künstlerischen Schaffens angekommen und untermauern dies mit "Jupiter Ascending" auf allen nur erdenklichen Ebenen.
                                        Vorbei sind die Zeiten, in denen das geschwisterliche Regie-Gespann durch kluge Ideen, visionäre Effekte, Atmosphäre und Timing Meilensteine wie "The Matrix" kreierten. Mit diesem Machwerk reihen sich die beiden in die lange Reihe von seelenlosen Hochglanzblockbustern ein, die kein bisschen Herzblut oder Ambition mehr erahnen lassen.
                                        Technisch agieren die Wachowskis immer noch auf einem guten Niveau und auch einige der Kreaturendesigns in "Jupiter Ascending" können sich sehen lassen. Inhaltlich ist der Streifen ansonsten aber dermaßen mies geraten, dass es einem fast schon schwer fällt, alle Ärgernisse aufzuzählen.
                                        Angefangen bei der ersten Hälfte, die aus nichts anderem besteht als müder Exposition und redundanter Fließband-Action im ständigen Wechsel gepaart mit extrem abrupten Szenenwechseln, die jegliches Gefühl von Konsistenz und Erzählfertigkeit vermissen lassen, über katastrophal banale bis schlechte Dialoge bis hin zu der konstanten Mischung aus Langeweile und Lächerlichkeit schufen die Wachowskis ein katastrophales Science-Fiction-Debakel, welches nicht einmal auf unfreiwillig komischer Ebene wenigstens so etwas wie Spaß oder Unterhaltung bieten kann.
                                        Die Musik von Michael Giacchino, der ansonsten bei seinen Arbeiten eher positiv auffällt, ist unfassbar aufdringlich und deplatziert und will die Stimmung oder Aussage jeder Szene so stark unterstreichen, dass es schmerzt. Ein Großteil des Casts ist fehlbesetzt oder spielt gelangweilt seinen Part runter. In einer ganz eigenen Liga befindet sich Eddie Redmayne, der so unterirdisch schlecht spielt, dass es kaum zu glauben ist und dabei jedem Anti-Schauspieler aus einer Asylum-Trash-Produktion ernsthafte Konkurrenz macht.
                                        Am Ende kann man hier nicht einmal mehr wirkliches Mitleid aufbringen. Lana und Andy Wachowski sind scheinbar in den 90ern hängen geblieben und haben jegliche Art von künstlerischer Entwicklung gekonnt umgangen. Anders ist es nicht zu erklären, wie ein derartiges Machwerk wie "Jupiter Ascending" zustande kommen konnte. Peinliche Dialoge, zusammengeklaute und komplett ausgelutsche Handlungs-Versatzstücke, eine sprunghaft-redundante Erzählweise, reihenweise fehlbesetzte Schauspieler und ein paar nette Effekte sind die Eigenschaften, die diesen Film auszeichnen. Bleibt nur zu hoffen, dass die Studios den beiden von nun an den Geldhahn abdrehen, damit sie sich endlich mal wieder mit einem ernsthaften Drehbuch auseinandersetzen müssen.

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                                        • 9

                                          Der Wahlkampf zwischen Obama und McCain läuft auch Hochtouren, die Fernseher und Radios berichten kaum von etwas anderem. Dass die leeren Worthülsen und aufgeblasenen Versprechen zu nichts geführt haben, ist heutzutage mittlerweile klar.
                                          Andrew Dominik, einer der interessantesten Filmemacher der Gegenwart, nutzt dieses Rahmenereignis aus dem Jahr 2008 in seinem Film "Killing Them Softly", um einen Blick in den Kriminellen-Mikrokosmos von New Orleans zu werfen und das dortige Alltagstreiben zynisch den ganzen glorreichen Reden der Politiker gegenüberzustellen.
                                          Sein Crime-Thriller wirkt wundervoll aus der Zeit gefallen und schert sich wenig um Sehgewohnheiten. Die ausufernde Dialoglastigkeit, bei der sich die Gespräche meist um banale Themen drehen, erinnert zunächst an den Stil eines Quentin Tarantino, der durch lakonische Dialogpassagen sowie die überspitzte Coolness und Stilisierung von Gangster-Mythen zum Kultfilmer wurde.
                                          Bei Dominik ist der Lack allerdings längst ab. Seine Figuren sind von dem Schlag, den man allgemeinhin als Abschaum bezeichnen würde. Vulgär bis in die ungewaschenen Haarspitzen, drogenabhängig oder sexbesessen und alles andere als intelligent präsentiert uns der Regisseur mit Frankie und Russell (herausragend von Scoot McNairy und Ben Mendelsohn verkörpert) gleich zu Anfang zerfallene Kleinkriminelle, die den Ton des Streifens maßgeblich definieren.
                                          "Killing Them Softly" ist die konsequente und schonungslos bittere Dekonstruktion des Macho-Mafia-Gestus, eine Beerdigung des gängigen Bildes, das Verbrecherleben sei geprägt von lässigen Gesten, schönen Frauen an der eigenen Seite (die Dominik hier, bis auf eine Prostituierte, direkt komplett ausspart) und spektakulären Auseinandersetzungen. Gestorben wird, gegensätzlich zum Titel des Films, meist sehr brutal und direkt und überhaupt hat kaum ein Thriller der vergangenen Jahre ein so niederschmetterndes Gangster-Porträt gezeichnet.
                                          Auf der anderen Seite ist "Killing Them Softly" auf formaler Ebene ein purer Hochgenuss. Auch wenn die finale 97-minütige Fassung um einige Nebenhandlungsstränge und Szenen erleichtert wurde, wirkt hier kein einziger Moment überflüssig, sondern alles perfekt und minutiös genau durchstrukturiert.
                                          Die makellose Kameraarbeit, aufregende Bildverfremdungen, fiebrige Schnittfolgen und der großartige Soundtrack machen aus dem Film ein audiovisuelles Erlebnis, das fernab von seinem dreckigen, trostlosen Inhalt pure Schönheit ausstrahlt.
                                          Brad Pitt´s Troubleshooter Jackie Cogan ist die einzige Figur, die so etwas wie kultige Facetten besitzt, aber auch nur, weil er der einzige ist, der Amerika als Geschäft verstanden hat und völlig nach seinen eigenen Regeln alles im Blick zu haben scheint. Ein besonderer Genuss sind außerdem noch James Gandolfini und Ray Liotta. Obwohl beide eher untergeordnete Screentime bekommen, ist es eine Bereicherung, wie Gandolfini eine noch viel heruntergekommenere Variante seiner Paraderolle Tony Soprano hinlegt, während Ray Liotta, der mittlerweile fast nur noch in C-Movie-Schund unterkommt, mit unglaublicher Spielfreude in seiner Rolle als Mafiosi aufgeht, obwohl auch er eigentlich das genaue Gegenteil seines sonstigen Figuren-Typus spielt.
                                          Dass Andrew Dominik mit "Killing Them Softly" finanziell am Ende gescheitert ist, verwundert kaum. Der Regisseur feuert mit diesem Hybrid aus dialoglastiger, düsterer B-Movie-Gangster-Dekonstruktion, zynischer und gleichzeitig offensichtlicher Gesellschaftskritik und einer makellosen Inszenierung mitsamt herausragendem Cast gegen zahlreiche Sehgewohnheiten und Erwartungshaltungen. Künstlerisch ist dem Australier jedenfalls ein Triumph auf allen Ebenen gelungen, der niemanden kalt lassen dürfte und mit dem er nach dem brillanten "The Assassination of Jesse James by the Coward Robert Ford" direkt das nächste Meisterwerk geschaffen hat.

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                                          • Dieser Film ♥ Und Danke für das Zitat aus meinem Kommentar :)

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                                            • 7 .5

                                              Regisseur Michael R. Roskam und Drehbuchautor Dennis Lehane führen in "The Drop" durch einen sozialen Brennpunkt Brooklyn´s.
                                              Hier, wo viele Menschen zurückhaltend und vom Leben gezeichnet vor sich hin leben, entspinnt sich langsam ein subtiles Drama um zerbrochene Existenzen, aufschäumende Kriminalität und wehmütige Reue.
                                              Roskam zersplittert den Plot zunächst in kleine Nebenschauplätze, baut die zurückhaltende Spannung ganz sachte Stück für Stück zusammen und führt bedeutsame Wendungspunkte und Zusammenhänge erst spät zu einem Gesamtbild.
                                              Dieser Verzicht auf eine gewohnte Dramaturgie erfordert Mut und Können zugleich, doch dem Regisseur gelingt es, durch das pointiert geschriebene Drehbuch von Lehane, seine dichte Inszenierungsweise und mit der Unterstützung des fantastischen Casts, aus "The Drop" ein stilvolles, höchst aufsaugendes Charakterdrama zu formen, in welchem die packenden Thrills behutsam an den richtigen Stellen platziert sind.
                                              Gerade die gewisse Schlichtheit der einzelnen Figuren, die durch ihre geerdete, präzise Zeichnung und die tieferliegenden Schichten, die sich schließlich noch offenbaren, große Sympathien sammeln, trägt einen bedeutenden Anteil daran, dass der Film so gut funktioniert.
                                              Im Mittelpunkt steht hierbei wieder einmal ein faszinierender, großartiger Tom Hardy, der mit seiner auffällig zurückgenommenen und trotzdem extrem ausdrucksstarken Art eine Charakterleistung der allerhöchsten Klasse abliefert. Die Chemie zwischen ihm und der ebenfalls tollen Noomi Rapace sorgt für eine Liebesgeschichte der erfreulichen Art, bei der auf große Schmachtereien und Klischees verzichtet wird und stattdessen zartes Annähern und kleine Gesten für authentische Lebensnähe sorgen. Auch James Gandolfini bekommt in seiner (letzten) Nebenrolle eine würdige Figur, in der er nochmal die volle Palette seines schauspielerischen Könnens aufbringen darf.
                                              "The Drop" ist im Zeitalter von schnellebiger Blockbusterware und temporeicher Genre-Vertreter an sich bereits eine Ausnahmeerscheinung. Das subtile, ruhige Charakterdrama setzt seine Thrills mit äußerstem Bedacht ein, packt aber dafür umso mehr durch sehr gut gezeichnete Figuren, Authentizität und Atmosphäre. Nicht zuletzt auch aufgrund der tollen Schauspielleistungen ein mehr als sehenswerter Film, bei dem man eine Sichtung nicht bereuen wird.

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                                              • 7

                                                Auch wenn nicht jede seiner Beteiligungen in den Filmen der letzten Jahre mit ihm von gleichwertiger Qualität sind und sich natürlich langsam leichte Abnutzungserscheinungen sichtbar machen , sei Liam Neeson sein zweiter Frühling als rauer Action-Held immer noch vergönnt. Vor allem seine wiederholte Zusammenarbeit mit Regisseur Jaume Collet-Serra hat zuletzt beispielsweise mit dem tollen Oldschool-Thriller "Non-Stop" einen äußerst erfreulichen Vertreter hervorgebracht.
                                                Nun haben sich die beiden für "Run All Night" wieder einmal zusammen getan und erneut ein routiniert-stimmiges Genre-Stück geschaffen, welches trotz des eher linearen, nicht sonderlich überraschenden Handlungsverlaufes einige wirklich erstklassige Momente bietet.
                                                Die schlichte Geschichte um einen ehemaligen Mafia-Killer, der mit seinem alten Auftraggeber aneinander gerät, was zudem noch mit familiären, intimen Wurzeln verbunden wird, nimmt sich genau an den richtigen Stellen genügend Zeit für ruhige Charaktermomente und langsamere Figurenbeziehungen.
                                                Nach einem etwas behäbigen Start findet Collet-Serra schnell genau die richtige Balance zwischen eben diesen charakterbezogenen Szenen, temporeichen Verfolgungsjagden, Shoot-Outs und physischen Auseinandersetzungen, so dass der fortlaufende Erzählfluss über die 114 Minuten Laufzeit eigentlich nie ins Wanken gerät und den Zuschauer durchgehend bei der Stange hält.
                                                Neben Liam Neeson als Hauptfigur, der grimmig und melancholisch zugleich mal wieder voll in seinem Element ist, macht allerdings auch der restliche Cast eine wirklich gute Figur. Vor allem Joel Kinnaman hat sich über die letzten Jahre hinweg zu einem veritablen Charakterdarsteller hochgearbeitet und mit Ed Harris bekommt Liam Neeson zudem eine mehr als ebenbürtige Schauspielgröße als Gegenspieler an die Seite gestellt.
                                                Auch das Setting, in dem Collet-Serra seine Figuren durch das nächtliche New York jagt, nutzt der Regisseur an regelmäßigen Stellen für atmosphärische, schön ausgeleuchtete Szenen und bietet, abgesehen von seltsam deplatzierten, animierten Ortungswechseln, abwechslungsreiche Inszenierungskniffe, die positiv hervorstechen. Vor allem das Finale in einem nebligen Waldstück ist absolut großartig und auf den Punkt genau umgesetzt.
                                                Wer Filme wie "Unknown Identity" und "Non-Stop" mag und allgemein nicht genug von Liam Neeson bekommen kann, ist auch in dem aktuellen Werk von Jaume Collet-Serra bestens aufgehoben. Die Kombination aus dem nächtlichen New York, einem immer wieder ruhig-zurückgenommenen Charakterstück und temporeichen Action-Einlagen machen aus "Run All Night" einen Action-Thriller nach Maß, der einem zwar keine großartigen Neuerungen und Überraschungen bietet, aber trotzdem durchgehend unterhält und zufrieden stellt.

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                                                  Innerhalb der Horror-Szene hat sich Adam Green mittlerweile eine eingeschworene Fanbase erarbeitet. Der vor allem für seine "Hatchet"-Reihe bekannte Genre-Regisseur versucht sich nun in "Digging Up the Marrow" an einem etwas ungewöhnlicheren Film.
                                                  Green hat diesen Streifen als eine Art Meta-Mockumentary angelegt, in welcher er seine Beziehung zu seinen Fans und somit seinen eigenen Status reflektiert und gleichzeitig eine Form von Liebeserklärung aufzieht an all diejenigen, die es lieben, Theorien über real existierende Monster zu verfolgen.
                                                  So gut wie alle hier zu sehenden Beteiligten spielen praktisch sich selbst und es gibt einige augenzwinkernde Anspielungen auf gängige Horror-Mechanismen, die mitunter wirklich unterhaltsam geworden sind.
                                                  Die einzige wirklich fiktive Figur wird vom immer noch äußerst charismatischen "Twin Peaks"-Veteranen Ray Wise gespielt, der auch hier wieder erstklassige Arbeit abliefert und für die besten Momente sorgt. Auch Adam Green selbst, der eigentlich kein Schauspieler ist, legt hier eine selbstironisch-sympathische Vorstellung an den Tag, die gefällt.
                                                  Das große Problem des Films ist allerdings, dass Green die Mischung aus humorvoller Persiflage und dem Versuch, ernsthaften Horror einzustreuen, nicht stimmig gelingt. Ein paar gelungene Gruselmomente und einige wirklich komische Einlagen reichen in dem Meta-Konstrukt aber nicht aus, um aus dem ansonsten ziemlich unspektakulären Film mehr zu machen, als einen weiteren im Found-Footage-Stil gehaltenen 08/15-Vertreter, der alles in allem nach altbackenen Schemata verfährt und niemanden so richtig vom Hocker reißen wird.

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                                                  • 7

                                                    "The Town That Dreaded Suntown" ist einer dieser Genre-Filme, die heutzutage eher seltener geworden sind.
                                                    Angelegt als Mischung aus Remake und Sequel gleichzeitig greifen die Verantwortlichen das Original von 1974 auf, welches wiederum auf realen Ereignissen basiert, und bauen dieses direkt in ihre Neuauflage ein.
                                                    Der ursprüngliche Streifen dient somit als Meta-Sprungbrett, durch das dieser Film immer wieder kleinere Anleihen nimmt an der Vorlage und allgemein zahlreichen Genre-Streifen aus den 70ern.
                                                    Das Konzept geht dabei aber nicht vollständig stimmig auf und abgesehen von wenigen Meta-Spielereien dient die Vorlage hauptsächlich dazu, sich an dem eng vorgegebenem Slasher-Gerüst zu orientieren und immer noch viel einfach nachzustellen anstatt vermehrt eigene Impulse zu setzen.
                                                    Glücklicherweise funktioniert diese Variante aber trotzdem immer noch auf erstaunlich eigenständige Weise, denn aufgrund der vorherrschenden Ernsthaftigkeit in Verbindung mit den heftigen Kills und dem flirrenden, atmosphärischen Südstaaten-Flair, den das Städtchen Texarkana versprüht, entsteht eine angenehm altmodische Horror-Atmosphäre. Hinzu kommt das Herzstück des Werks, die exzellente Inszenierung, welche durch die herausragenden Bilder von Kameramann Michael Goi und dem gekonnt abgestimmten Sound-Design moderne Kunstfertigkeit ausstrahlt, aber trotzdem den Independent-Spirit der Terror-Produktionen vergangener Horror-Jahrzehnte aufrecht erhält.
                                                    Zuletzt bekommt man mit Addison Timlin außerdem eine sympathische Hauptfigur, was für einen Horror-Streifen, bei dem der Rest des Casts meist eher blass bis nicht erwähnenswert ist, ebenfalls eine Menge wert ist.
                                                    So ist "The Town That Dreaded Suntown" bereits im Kern eine interessante Angelegenheit aufgrund seiner Meta-Remake-Sequel-Ambitionen, die nicht wirklich stimmig aufgehen, sorgt aber vor allem aufgrund der atmosphärischen, hervorragenden Inszenierungsweise für überzeugende Slasher-Kost, bei der sich der Genre-Fan gemütlich zurücklehnen kann und absolut gelungen kurzweilig unterhalten wird. Eine äußerst positive Überraschung trotz immer noch verschenktem Potentials.

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