Patrick Reinbott - Kommentare

Alle Kommentare von Patrick Reinbott

  • 8

    Hans Herbots hat mit "De Behandeling", der Adaption der britischen Romanvorlage von Mo Hayder, einen Film geschaffen, der wahrlich an die Substanz geht und einen nicht kalt lässt.
    Zunächst breitet der Regisseur fein säuberlich und in elegisch-schwelgender Erzählweise ein beklemmendes Krimi-Szenario aus, bei dem die Thematik der (Kindes-)Entführung im Fokus steht. Durch die einschnürende wie intensive Inszenierung versprüht der Streifen trotz der lediglichen Abwandlung gängiger, altbekannter Genre-Muster eine bereits von Anfang an überaus packende Atmosphäre.
    Doch dann, wenn man bereit ist, sich voll und ganz auf dieses Slow-Burner-Filetstück von einem Krimi-Thriller einzulassen, wird der Streifen immer noch besser und besser. Angetrieben von persönlichen, sehr leicht nachvollziehbaren Gefühlen verstrickt sich die ermittelnde Hauptfigur Nick Cafmeyer in einem Geflecht der menschlichen Abgründe und schier unerträglichen Perversionen.
    Cafmeyer ist es auch, der den treibenden Motor in diesem Werk darstellt. Die Leistung von Geert van Rampelberg ist absolut überragend und er spielt seinen Inspektor mit so unglaublich vielschichtigen Ecken und Kanten, dass es ein Hochgenuss ist, diesem Mann hier bei seiner grandiosen Arbeit zusehen zu dürfen.
    Gemeinsam mit ihm fällt es dem Zuschauer so nicht schwer, trotz gelegentlicher moralischer und logischer Anstößlichkeiten, mit dieser Figur zusammen hinabzusteigen, in eine Hölle aus Ohnmacht, Verzweiflung, Wut und Ratlosigkeit.
    Die kompromisslose Herangehensweise an die aufwühlende Thematik sorgt für die ein oder andere Szene, die einem schwer zusetzen wird, ohne explizit alles ausbuchstabieren oder zeigen zu müssen. Herbots arbeitet die Vorlage vor allem über die Bildsprache heraus, zeigt viel durch Reaktionen und Blicke der Figuren, streut immer wieder geschickt falsche Fährten und erzeugt somit trotz des zurückgenommenen Tempos einen rastlosen, spannenden Fluss, an dessen Ende, nach stetigem Mitfiebern, schockierender Betroffenheit und nachdenklicher Anteilnahme eine Auflösung wartet, die nachwirkt.

    12
    • Würdiger Kommentar der Woche! ;)
      "Jackie Brown" ist der einzige Tarantino, der nach jeder erneuten Sichtung immer noch ein bisschen mehr wächst bei mir. Er war mal bei 6.5 Punkten, mitterweile hat er schon 8.0... Mal schauen, wie viel da in Zukunft stehen werden :)

      4
      • 7

        Für ihren aktuellen Streich hat sich die Disney-Schmiede einen Marvel-Comic als Vorlage genommen und mit "Big Hero 6" eine Mischung aus Superhelden-Geschichte und Abenteuer-Fantasy geschaffen, die wie so oft bei den Kleinen und Großen punkten dürfte.
        Die Geschichte um den jugendlichen Hiro, der sich mit dem Pflegeroboter Baymax anfreundet und mit diesem aus persönlichen Gründen gegen einen Bösewicht in den Kampf ziehen muss, ist dabei alles andere als innovativ. Viel mehr haben die Verantwortlichen typische Disney-Elemente aus bekannten Werken neu zusammengesetzt und eine Handlung rund um Freundschaft, Zusammenhalt, Abenteuer und quirlige Charaktere gebastelt.
        Neben einigen durchaus gelungenen, mitunter überraschend emotionalen Momenten und der wie gewohnt großartigen Animationsarbeit ist der klare Star des Films aber Baymax. Jede einzelne Szene mit ihm ist pures Gold, lässt meist kein Auge trocken aufgrund treffsicherer Dialog- und Situationskomik und macht den Roboter zu der liebenswürdigsten, charmantesten Figur aus dem Disney-Universum seit einigen Jahren.
        Gegen Ende wird in Sachen Action etwas sehr dick aufgetragen und neben Hauptfigur Hero und Baymax bleibt der Rest der Figuren etwas eindimensional gezeichnet, doch das Konzept geht insgesamt doch noch einmal auf und unterhält kurzweilig über seine gut 101 Minuten.
        "Big Hero 6" gewinnt sicherlich keinen Originalitäts-Blumenstrauß und weist in Sachen Handlungsverlauf und Figurenzeichnung sicherlich deutlich erkennbare Mängel auf. Die bunte Mischung aus Spaß, Geschwindigkeit, der genialen Figur Baymax und einigen wirklich sehr witzigen Momenten sorgt aber trotzdem für einen kurzweiligen Filmspaß für zwischendurch, der nicht zu den allerstärksten Disney-Werken zählt, aber trotzdem wie gewohnt durch Kreativität und Liebe zum Material überzeugt.

        12
        • 7 .5

          Trotz seines mittlerweile recht hohen Alters wollte es Kultregisseur und Experimental-Legende Alejandro Jodorowsky noch einmal wissen. Mit "La Danza de la Realidad" zieht sich Jodorowsky aus seiner filmischen Depression, nachdem er 23 Jahre lang keinen Film mehr gedreht hatte und ihn die Flut an massenkompatibler, seelenloser Einheitsware unglücklich machte.
          Vergleicht man den Streifen mit seinen früheren Werken wie "El Topo" oder "The Holy Mountain", die fast schon bewusstseinserweiternde Ausmaße annahmen, wirkt dieser Streifen etwas zugänglicher und eine gewisse Altersmilde des Regisseurs schwingt hier ebenfalls mit.
          Dies bedeutet natürlich keineswegs, dass Jodorowsky sich auch nur ansatzweise Konventionen und Erwartungen anbiedert. Seine fantasievolle Reise durch spirituelle, religiöse und gesellschaftskritische Themengebiete ist vor allem in der ersten Hälfte sehr stark autobiographisch geprägt. Mithilfe von surrealen Bildkreationen, Rückbezügen auf sein bisheriges Schaffenswerk und von ihm gewohnten Stilmitteln aus dem Feld des Theaters oder der Pantomime arbeitet der Regisseur seine Kindheit auf. Dabei schildert Jodorowsky sowohl schöne Erinnerungen als auch wirklich tragische und bittere Zustände, wodurch er offensichtlich auf eine äußerst bewegte Vergangenheit zurückblickt, sich aber trotzdem jederzeit einen optimistischen Grundton bewahrt und das Leben als sich stetig entwickelnden Prozess beschreibt, bei man man unentwegt bereichernde Erfahrungen dazu gewinnt.
          Lediglich in der zweiten Hälfte verliert sich der Regisseur etwas zu sehr in Nebensächlichkeiten, verwischt die Grenzen zwischen biographischen und fiktiven Elementen zu unbefriedigend und bietet einige Szenen, die etwas arg anstrengend und gestreckt wirken. Aufgrund des vermutlich extrem hohen Ideen- sowie Tatendrangs, der sich bei Jodorowsky über die Jahrzehnte angestaut haben dürfte, sei ihm dies allerdings verziehen.
          Auch wenn er sich sehr lange Zeit gelassen hat, liefert Alejandro Jodorowsky im Alter von 84 Jahren noch mal einen sehr inspirierenden, kreativen und fordernden Film ab, den manch andere Regisseur, die halb so alt sind, nicht so hinbekommen. Eine Ode an das Leben, autobiographische Persönlichkeitsaufarbeitung und fantasievoll verspielte, surreale Odyssee zugleich.

          15
          • 9

            Alejandro González Iñárritu war schon immer ein Regisseur, dem es um Menschen ging. Seine bisherigen Werke waren alle von zutiefst menschlicher Aufrichtigkeit und der Hingabe an seine oftmals schwer leidensgeprägten Figuren bestimmt. Mit "Birdman" hebt der Meisterregisseur sein künstlerisches Schaffen allerdings nochmals auf eine neue Ebene und liefert ein facettenreiches Meisterwerk, welches bei einmaliger Sichtung kaum vollständig zu erfassen ist und vermutlich die Zeit überdauern wird.
            Zuerst muss die technische Seite dieses Films erwähnt werden. "Birdman" ist rein inszenatorisch eine absolute Revolution. Für sein Vorhaben, den gesamten Streifen wie in einer Einstellung gefilmt wirken zu lassen, konnte sich Iñárritu keinen größeren Künstler als Kamera-Virtuose Emmanuel Lubezki an Bord holen. Auch wenn solch ein Vorgehen nicht komplett neu ist ("Rope" von Hitchcock beispielsweise), hebt Iñárritu diese Inszenierungsweise auf ein neues Level, denn sein inszenatorischer Fluss ist nicht an Zeit und Raum gebunden. Stattdessen führt uns der Regisseur ohne sichtbare Schnitte und nur mit Kamerabewegungen- und perspektiven durch verschiedene Schauplätze, Handlungsstränge und sogar Zeit- sowie Realitätsebenen. Alles größtenteils unterlegt mit einem fiebrigen, beunruhigenden und fast schon ekstatischen Jazz-Drum-Score, wodurch ein filmisches Erleben entsteht, das einfach nur begeistert. Allein wie oft Iñárritu im ersten Drittel nur durch diese brillante Inszenierungsweise für kurze Verwirrung sorgt, indem er ausgeklügelt zwischen Theaterprobe und live stattfindendem Auftritt wechselt, ist einmalig.
            Trotzdem ist "Birdman" kein bloßer Technikblender, bei dem die überwältigende Umsetzung inhaltliche Unzulänglichkeiten kaschiert. Auch wenn es immer so schön heißt, dass zuviele Köche den Brei verderben, hat es sich hier voll und ganz ausgezahlt, dass neben dem Regisseur selbst noch 3 weitere Leute am Drehbuch mitgewirkt haben. So ist "Birdman" im Kern ein aufrührendes, tragisches Charakterstück, in dem die Seele eines gescheiterten, vom unendlichen Drang nach Ruhm und Anerkennung strebenden Mannes ergründet wird. Fast schon beiläufig wird hier allerdings nicht nur die Figur des Riggan Thomson in den Mittelpunkt gerückt, sondern auch noch das Innenleben weiterer vielschichtiger Charaktere beleuchtet, die sich nahtlos in das weitestgehend kammerspielartige Geschehen einfügen.
            Damit ist es allerdings längst nicht getan und "Birdman" offenbart noch mindestens 3 weitere tiefgehendere Schichten in seiner Erzählung, bei dem sich der Film außerdem als zynischer Abgesang auf Hollywood-Wahn, Star-Systeme, überzeichnete Öffentlichkeitswahrnehmung und Kritiker-Oberflächlichkeit entpuppt und zudem eine präzise beobachtete Meditation über Kunst vs. Kommerz darstellt.
            Dabei kehrt Iñárritu linearen Erzählpfaden gelegentlich auf gekonnte Art und Weise den Rücken zu und wechselt ausgeklügelt zwischen surrealen Einschüben, halluzinatorischen Konflikten und schizophrenen Wucherungen.
            Das all diese überbordenden Elemente stets in der Waage gehalten werden, liegt zuletzt noch an dem durchwegs herausragenden Cast. Die Besetzung von Michael Keaton als gescheiterter Schauspieler eines ehemaligen Superhelden-Franchises ist natürlich garantiert kein Zufall. Neben dieser geschickten Meta-Reflexion (Emma Stone und Edward Norton sind auch beide mehr als erfahren auf dem Big-Budget-Blockbuster-Sektor) leistet die Darsteller-Riege nichtsdestrotz durchgehend brillante Arbeit. Michael Keaton sieht man an, dass er sich mit ganzem Herzen förmlich die Seele aus dem Leib spielt. Edward Norton als manischer, unkontrollierbarer Method-Actor mit ungeahntem Tiefgang und eine zerrissene Emma Stone brauchen sich aber keineswegs hinter Keaton´s Wahnsinnsperformance verbergen und auch Zach Galifianakis war vermutlich nie besser als hier.
            "Birdman" ist auf sämtlichen Ebenen ein absoluter Triumph. Alejandro González Iñárritu´s vielschichtiges Drama ist revolutionär inszeniert, überragend gespielt und inhaltlich so weitreichend, nachdenklich stimmend und bewegend, dass es hier praktisch unmöglich fällt, auch nur irgendwelche Kritik anzubringen. Ein Meisterwerk, welches Klassiker-Potential besitzt.

            31
            • 0

              Immer wieder begegnen sie einem doch noch. Filme wie "Im Keller" von Regisseur Ulrich Seidl, bei denen man nachher nicht weiß, ob das alles so gewollt war oder weshalb man nun so einen gewaltigen Hass verspürt.
              Seidl wollte mit seiner Dokumentation urteilsfrei die Vorlieben seiner österreichen Landsleute schildern und zeigt in überwiegend statischen Einstellungen, welchen Hobbys sie vor allem in ihren Kellern nachgehen.
              Letztendlich ist es aber schier unmöglich, die Intentionen von Seidl irgendwie zu verstehen, wenn man sich durch diese 85 Minuten quält. Natürlich ist es nur richtig, dass Seidl auf jegliche Art von manipulativer Inszenierungsweisen wie reißerische Kamereinstellungen oder musikalische Untermalung verzichtet. Wenn er allerdings lediglich ein kurioses Klischee an das nächste reiht, frei nach dem Motto "Schaut mal, so stellt ihr euch sicherlich die bizarren Kellerwelten und sonderbaren Vorlieben der Österreicher vor", ist man irgendwann ratlos. Auch wenn es die ein oder andere Person gibt, deren Hintergründe etwas zum Nachdenken anregen oder aufrütteln, sind es zu großen Teilen nur Aufnahmen, die man wöchentlich zu sehen bekommt, wenn man Sendungen wie "Exklusiv - Die Reportage" auf RTL 2 einschaltet, in denen ungewöhnliche Fetisch-Vorlieben oder bizarre Sado-Maso-Praktiken am laufenden Band ausgeschlachtet werden.
              Hinzu kommt, dass hier viele Szenen keinesfalls natürlich erscheinen und Seidl nicht wie ein stiller Beobachter im Hintergrund wirkt. Viel mehr gibt es ständig irgendwelche seltsam forcierten Einstellungen von Menschen, die völlig emotionslos wie eingefroren in die Kamera starren, ohne auch nur irgendwelche Hintergründe über sie aufzuzeigen, was wie billige Provokation wirkt, um eine möglichst verstörende Wirkung zu kreieren.
              "Im Keller" hat einige wenige verstörende Impressionen und die ein oder andere nachdenklich stimmende Anekdote. Insgesamt ist Seidl´s Versuch einer möglichst urteilsfreien Aneinanderreihung von menschlichen Abgründen und Absonderlichkeiten völlig daneben, wirkt in den unerträglichsten Momenten wie eine auf kunstvoll getrimmte Version voyeuristischer Privatsender-Formate und ist letztendlich nichts weiter als quälendes Kunstgewerbe ohne jegliche Form von Mehrwert.

              10
              • 7

                Wenn sich zwei Fachmänner aus dem Stunt-Bereich zusammenschließen und gemeinsam einen Action-Thriller drehen, darf man bereits ziemlich genau erahnen, was für ein Film "John Wick" ist.
                Keanu Reeves glänzt als kalte, präzise Killermaschine, die auf ihrem wutentbrannten Rachefeldzug einen Gegner nach dem anderen gezielt und vorwiegend mit Kopfschüssen im Sekundentakt aus dem Weg räumt. Das Handlungsgerüst ist dabei nicht mehr als übliches B-Movie-Material, bei dem Überraschungen gänzlich auf der Strecke bleiben und der gesamte Ablauf relativ vorhersehbar ist.
                Trotzdem ist es gerade die entschlossene, rotzige Schnörkellosigkeit und geradlinige, kompromisslose Herangehensweise, die den Streifen doch recht gelungen erscheinen lässt. Stil regiert hier deutlich über Substanz und so dürfen sich Action-Fans an einigen wirklich sehr stylishen Sequenzen erfreuen, die von den Verantwortlichen nahezu spektakulär in Szene gesetzt wurden. Höhepunkt ist sicherlich ein in neonfarben gehülltes Nachtclub-Inferno, bei dem zusammen mit der ekstatischen Begleitmusik und dem ruhelos choreographierten Kugel-Ballett ein regelrechter Rausch entfacht wird.
                Ebenfalls gelungen und etwas überraschend nach dem anfangs sehr ernst etablierten Grundton sind einige wenige trockenhumorige Einschübe, die das Geschehen hin und wieder stimmig auflockern.
                Am Ende ist "John Wick" somit leider nicht ganz das erhoffte Genre-Highlight geworden, das der Film durchaus hätte werden können. Die Action ist zwar hervorragend inszeniert, doch aufgrund der weitestgehend überraschungs- sowie spannungsarmen Handlung und den gängigen B-Movie-Klischees bleibt insgesamt nur ein kurzweiliges Feuerwerk mit einem wirklich überzeugenden Keanu Reeves in der Hauptrolle und einer handvoll denkwürdiger Action-Momente.

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                • 9
                  über Mommy

                  4 Filme hat Xavier Dolan vor "Mommy" gedreht und mit jedem einzelnen konnte er überzeugen und Kritik wie Publikum zu weiten Teilen begeistern. Für seinen 5. Film erhielt er nicht nur den Jury-Preis bei den Filmfestspielen in Cannes, sondern kehrte nach dem Psycho-Thriller-Experiment "Tom à la ferme" wieder zu seinem gewohnten Stil zurück.
                  Wenn man direkt zu Anfang böse sein möchte, könnte man Dolan mittlerweile eigentlich ankreiden, dass ihm langsam ein wenig die thematische Vielfalt in seinen Dramen fehlt und "Mommy" handlungstechnisch lediglich eine umgekehrte Variation seines Debüts "J'ai tué ma mère" geworden ist.
                  Glücklicherweise ist das aber praktisch bereits alles, abgesehen von dem vielleicht etwas befremdlichen Zukunftsszenario, welches Dolan etabliert und das vielleicht gar nicht zwingend nötig gewesen wäre, was sich an negativem Beigeschmack aufführen lässt. Ansonsten vereint dieser Film alles, was man an dem jungen Meisterregisseur über seine bisherigen Filme hinweg bereits zu schätzen und lieben gelernt hat und ist so im besten Sinne eine Art Best-of seiner handwerklichen und erzählerischen Fertigkeiten.
                  Dolan erzählt eine ungewöhnliche Dreiecksgeschichte, in der sich eine Mutter der Erziehung ihres an ADHS und Hyperaktivität erkrankten Sohnes annehmen will und gleichzeitig die Nachbarin der beiden in ihr Leben tritt, die ebenfalls unter persönlichen Schwierigkeiten leidet.
                  Während "Laurence Anyways" bereits eine unglaublich feine Linie zwischen fordernden bis anstrengenden Konfrontations- und Streitszenen sowie unglaublich glücklichen, erheiternden Momenten beschritt, dürfte "Mommy" noch ein mal knapp einen drauf setzen und allein von den Charakteren her Dolan´s bisher aufreibendster Tour-de-Force-Ritt durch verschiedenste Gefühlswelten und Emotionslagen sein.
                  Wenn hier gestritten wird, fliegen dermaßen die Fetzen, wird gebrüllt, gewütet, auf mehreren Ebenen verletzt und alles mit der schonungslosen Direktheit des Regisseurs inszeniert. Hinzu kommt noch, dass Dolan seine Figuren in ein enges 1:1 Bildformat zwängt, was gemeinsam mit den zahlreichen Nahaufnahmen eine außergewöhnliche Nähe zu und Intimität zwischen ihnen erzeugt.
                  Natürlich wäre Dolan allerdings nicht Dolan, wenn er nicht erneut seinen überdeutlichen Hang zu großen Gefühlen mit opulenten Montagen ausleben würde. Bei der Musikauswahl greift er auf sehr bekannte, ältere Hits und mitunter auch Klassiker zurück, kombiniert diese teilweise mit Musical-ähnlichen Tanz- oder Gesangseinlagen seines Ensembles und lässt einzelne Songs auch gerne mal über die volle Länge ausspielen, wodurch er wieder einmal ein paar seiner markanten Movie-Magic-Moments erzeugt, die unter die Haut gehen und hängen bleiben.
                  Trotzdem verliert Dolan in seinem Stilwillen nie den Blick auf seine Figuren, zeigt mit vollster Liebe zu ihnen eine aufrührende Geschichte rund um die Feier des Lebens, das Genießen des Moments, aufwühlende Tiefschläge und die schwierige, bedingungslose Liebe einer Mutter zu ihrem Kind, was "Mommy", dieses emotionale wie opulente Pop-Melodram, letztendlich auch durch die fantastischen Schauspielleistungen zu einem typisch hochqualitativen Dolan-Werk macht, welches womöglich sogar zum besten zählt, was der Regisseur bisher geschaffen hat. Über die thematische Redundanz braucht man zudem erstmal keine weiteren Bedenken äußern, da sein nächster Film, der gleichzeitig sein englischsprachiges Debüt wird, eine Satire über Hollywood werden soll. Man darf weiterhin gespannt bleiben und sich überraschen lassen...

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                  • 9

                    Auch wenn im Nachhinein von schweren Produktionsbedingungen berichtet wurde und den Sendeverantwortlichen der Öffentlich-Rechtlichen nur bei der Erwähnung des Namens Dominik Graf mittlerweile Schweißperlen auf der Stirn stehen dürften, ist "Im Angesicht des Verbrechens" sämtliche Lobpreisungen wert, welche die Serie reihenweise abgesahnt hat.
                    Regisseur Dominik Graf und Drehbuchautor Rolf Basedow setzen hinsichtlich der gängigen deutschen Fernsehformate völlig neue Maßstäbe und liefern mit ihrem Berlin-Krimi-Epos eine Serie von internationalem Qualitätsformat, die von Beginn an begeistert und mitreißt.
                    Autor Basedow schrieb ein präzise gezeichnetes, ausgiebig recherchiertes Bild von Berlin, in dem sich Polizei und Russenmafia immer wieder Auseinandersetzungen liefern. So erhält der Zuschauer einen umfassenden Einblick in realistische Polizeiarbeit, bekommt aber auch ein authentisches Abbild der Russenmafia mit all ihren hierarchischen Strukturen, Bräuchen, Ritualen und Gewohnheiten. Inmitten dieser Grundstruktur gelang es Basedow aber zusätzlich, eine ganze Reihe unglaublich gut geschriebener, vielschichtiger Figuren zu platzieren, deren private Hintergründe und persönliche Schicksale optimal in die Handlung eingeflochten werden. Auch wenn die Einteilung in gut/böse recht offensichtlich ist, bekommen die Charaktere auf allen Seiten tiefgründige Facetten und reine Klischees oder platte Dialoge wird man vergeblich suchen. Die einzelnen Darsteller aufzulisten würde den Rahmen sprengen, aber hier trifft praktisch jeder durchgängig den richtigen Ton bei seiner Schauspielleistung und die Verantwortlichen haben es geschafft, einen absolut hochwertigen Cast zu versammeln, in dem eine Höchstleistung die andere ablöst.
                    Sicherlich könnte man nun immer noch argumentieren, dass es bereits zahlreiche Serien oder Filme gab, die sich diesen Thematiken annahmen. So ist das wahre Highlight dieser Serien-Perle sein Regisseur Dominik Graf. Mit zahlreichen Stilmitteln wie Zooms, elliptischen, schnellen Schnitten, unkonventionellen Blenden, farblich übersättigten Flashbacks, Split-Screens, Zeitlupen und zahlreichen weiteren inszeniert sich Graf förmlich ins Delirium und reißt den Zuschauer oftmals in einen wahren Rausch, bei dem es mitunter schwer fällt, sich bei all den audiovisuellen Bonbons noch auf die ausgefeilte Handlung zu konzentrieren, da man aus dem Staunen kaum rauskommt.
                    Die Balance zwischen rein erzählter Handlung, Charaktermomenten, fesselnder Spannung und dynamisch-packender Action ist optimal balanciert und wenn schließlich am Ende der 10 Folgen der Abspann ein letztes Mal beginnt, wirkt alles befriedigend fertig erzählt und es bleiben kaum Wünsche offen, außer dem nach mehr von dieser faszinierenden Ausnahme-Serie, von der es im deutschen Sektor wohl keine andere von diesem Format gibt.

                    9
                    • 3 .5

                      Bei manchen Filmen bleibt einem nichts anderes übrig, als sich fragend den Kopf zu kratzen und darüber zu grübeln, für welche Zielgruppe dieser nun eigentlich gemacht wurde und was die Verantwortlichen überhaupt bezwecken wollten.
                      "Hitchcock" von Sacha Gervasi ist ein solcher Fall. Sein Werk ist definitiv ein Biopic der besonderen Art, nämlich der mitunter völlig haarsträubenden, welches vor allem bei leidenschaftlichen Verehrern des "Master of Suspense" hauptsächlich für verärgerte Ratlosigkeit sorgen dürfte.
                      Dabei beginnt alles zunächst gar nicht mal so verkehrt. Über das erste Drittel hinweg sorgen die gelungenen Kulissen, passenden Kostüme und Frisuren für ein authentisches Bild der damaligen Zeit. Zusätzlich wirkt die Erzählweise anfangs interessant, verspricht eine Mischung aus dem Schaffensprozess von "Psycho" und persönlichen Einblicken in private Umstände von Hitchcock und seiner Frau Alma und schafft es durch eine Prise trocken-sarkastischem Humor für Stimmung zu sorgen.
                      Was dann allerdings folgt, ist an misslungenen Elementen, völlig unpassenden Momenten und fragwürdigen Inhalten kaum komplett zu erfassen. Nie dringt der Film ausgiebig zu den Figuren vor, belässt es bei plumpen, oberflächlichen Psychologisierungen und zeichnet vor allem von Hitchcock und Alma erschreckende Bilder. So ist Hitchcock durchgängig ein betrübter Egomane, ein lüsterner Voyeur und ein essensfixierter Spinner, über dessen eigentlich ausgefeilte, kreative wie intelligente Vorgehensweise beim Filmschaffensprozess kaum Wert gelegt wird. Noch schlimmer trifft es Alma, die im realen Leben von Hitchcock selbst als stets stille, unterstützende Muse und Kraft im Hintergrund beschrieben wurde und hier zu einer gänzlich unsympathischen, eifersüchtigen Zicke verkommt, die Hitchcock unentwegt darauf hinweist, lieber nicht noch mehr zu essen.
                      Bei der Handlung wird der Fokus viel zu stark auf die völlig alberne Beziehungsgeschichte zwischen Hitchcock und Alma gelegt, mitsamt obligatorischer Eifersüchteleien und potentieller Affären. Sämtliche Aspekte der Entstehung von "Psycho" werden lediglich angerissen und Figuren wie Anthony Perkins, Janet Leigh oder Vera Miles werden lieblos abgehandelt und verkommen trotz bemühter, lebhafter Schauspielleistungen von beispielweise einer Scarlett Johannsson zu bloßen Randnotizen. Lieber immer noch eine Szene mehr, in der sich Hitchcock den realen Ed Gein herbei fantasiert, was an Lächerlichkeit und Unrelevanz kaum zu überbieten ist.
                      "Hitchock" ist in beinahe jeder Hinsicht ein Dilemma. Von einem Biopic über Alfred Hitchcock darf man sich mindestens einen leidenschaftlichen Film über eine kreative Schaffenskraft mitsamt der ein oder anderen Macke erwarten. Mit dieser Art von dreister Persönlichkeits-Denunziation konnte aber sicher keiner rechnen und so bleibt einem nichts anderes übrig, als dieses Machwerk schleunigst zu vergessen oder vorab komplett zu meiden und sich lieber nochmal ein großes Werk wie "Rope", "Rear Window" oder "Vertigo" vom Meister persönlich anzusehen.

                      13
                      • 8

                        Bennett Miller, durch sein letztes Werk "Moneyball" bereits erfahren in diesem Genre, liefert mit "Foxcatcher" nun erneut ein Sportler-Drama, welches bereits als starkes Oscar-Material gehandelt wird.
                        Auch wenn der Streifen unbestreitbar Züge von typischem Oscar-Bait enthält, was in erster Linie an den höchst memorablen Schauspielleistungen und der geradlinigen Inszenierung mitsamt schwerer, gefühlsaufdringlicher Musikuntermalung liegt, überrascht Miller den Zuschauer mit seiner so beeindruckenden wie konsequent deprimierenden, depressiven Erzählweise und hierdurch erzeugten Atmosphäre.
                        Der Regisseur pervertiert den Gedanken des American Dream, diesen ständig zelebrierten "Verfolge deine Ziele und du kannst alles erreichen"-Gedanken, geradezu, legt seinen Blick voll und ganz auf die Figuren sowie die Beziehungen zwischen ihnen und zeigt eine sehr ungemütliche, stellenweise schwer erträgliche Sichtweise auf zerrissene Persönlichkeiten, verhängnisvolle Machtkomplexe, wechselnde Bezugsverhältnisse und abschreckende Ohnmachtsreflexe.
                        Auch wenn der Film nicht gerade dialogarm ist, sind es vor allem die stillen Momente und wortlosen Szenen, die am stärksten nachhallen und aufwühlen. Oftmals klebt die Kamera förmlich an den Gesichtern der Protagonisten, fängt ihre Blicke und Gesten ausgiebig ein, ohne dass konkrete Dinge ausbuchstabiert werden und vieles auf emotionaler wie menschlicher Ebene angedeutet und vage bleibt.
                        Da ist ein Channing Tatum, der als Wrestler Mark Schultz ziemlich massig und mit breitem Gang auftritt, aber im Gegenzug kaum verunsicherter und introvertierter sein könnte in seiner Art, zumal er außer seiner sportlichen Karriere menschlich kaum etwas vorweisen zu können scheint. Sein Bruder Dave, ebenfalls wunderbar von Mark Ruffalo gespielt, flüchtet sich in sein Familienleben und versucht seinem Bruder liebevollen Halt zu geben, wo er nur kann, womit er ihn aber immer leicht in seinen eigenen Schatten drängt. Steve Carell wirkt unter seinem starken Make-Up und mit der markanten Nase zunächst, als würde er sich als nächster Pinguin im Gotham-Universum empfehlen wollen, doch sein John du Pont entpuppt sich schnell als interessanteste Figur in diesem Film, ein millionschwerer, geistig und körperlich oft kurz vor dem Einschlafen wirkender Mann, der glaubt, seinen seelischen Knacks locker mit seinem finanziellen Status kitten zu können.
                        Miller´s Werk glänzt vor allem außerhalb der präzise choreographierten, ohnehin nicht gerade zahlreich vertretenen Wrestling-Szenen, eben dann, wenn er sich auf das zwischenmenschliche, oftmals sehr kalte, für den ein oder anderen vielleicht zu kühle und oberflächliche, Wrestling zwischen seinen Charakteren fokussiert. Wenn der Himmel, wie eigentlich von Anfang an, ständig von dicken Wolken getrübt wird, irgendwann angestrebte Ideale in Form von weißem Pulver mit einem Röhrchen durch die Nase gezogen werden und tragische Katastrophen nur noch eine Frage der Zeit sind, offenbart sich die maximale Schlagkraft von 'Foxcatcher", diesem unglaublich stark gespielten und konsequent bedrückend-depressiv erzählten, auf realen Tatsachen beruhenden Drama. Wenn schon Oscar-Bait, dann doch gerne so.

                        17
                        • 9

                          Das Kinojahr bei uns in Deutschland ist gerade erst frisch eingeläutet und doch kann man es vermutlich jetzt schon sicher verkünden: Nicht viele Filme, die 2015 noch bei uns in den Kinos starten, werden es mit der unbändigen, elektrisierenden Intensität von "Whiplash" aufnehmen können.
                          Regisseur Damien Chazelle gelingt mit seinem Musik-Drama ein von Beginn an ungemein mitreißendes Werk, welches über formale Aspekte wie die meisterhafte Schnitttarbeit von Tom Cross hinaus vor allem durch seine leidenschaftliche, verbissene Erzählweise und ein Schauspielduell von ungeahnt überwältigendem Ausmaß verblüfft.
                          Auf der einen Seite ist Andrew, ein junger Schlagzeuger, der nicht einfach nur spielen will, sondern mit seiner Hingabe für die Musik zu einer erinnerungswürdigen, geschichtsträchtigen Persönlichkeit werden möchte.
                          Er bekommt seine Chance in einer Musikhochschule mit einem extrem hoch angesehenen Ruf, die von Terence Fletcher geleitet wird. Fletcher ist in seinen positivsten Momenten ein vulgärer Mistkerl, der seine Schüler schikaniert. In seinen schlimmsten Momenten allerdings ist er eine unkontrollierbare Bestie, die nicht ruht, bis er seine Schützlinge über sämtliche psychische wie physische Grenzen hinaus getrieben hat.
                          Dabei dürfen die zentralen Schauspielleistungen natürlich nicht unerwähnt bleiben. Vor allem J.K. Simmons wird hier in Erinnerung bleiben und liefert eine Schauspielleistung der eindrücklichsten Sorte, so dass sein Fletcher in manchen Momenten eine weitaus furchteinflößendere Ausstrahlung besitzt als viele Massenmörder oder Psychokiller aus so manchen Horrorfilmen. Trotzdem wäre es unfair, Miles Teller hinten anzustellen, denn mit was für einer verbissenen, erbitterten Entschlossenheit und von fast schon nervöser Versagensangst und Verzweiflung getriebenen Motivation er seinen Andrew verkörpert, steht J.K. Simmons nur wenig nach. Fast schon unnötig anzumerken, dass er ungefähr 50% des hier dargebotenen Drummings selbst erlernte und absolvierte.
                          Chazelle entfaltet nach und nach ein erbittertes Duell zwischen den beiden, zeigt, was es für Menschen bedeutet, um jeden Preis seinen Träumen und Leidenschaften nachzujagen und erzeugt vor allem in den zahlreichen Probeszenen eine geradezu niederschmetternde Intensität. Seine Figuren sind weit davon entfernt, fehlerfrei zu sein und auf beiden Seiten gibt es in dem Film einige Entscheidungen oder Handlungen, die moralisch bedenkliche Regionen streifen.
                          Doch spätestens am Ende, wenn man diese Achterbahnfahrt der rabiaten Emotionsausbrüche beendet hat, gefühlt literweise Blut, Schweiß und Tränen vergossen worden sind und einen die erzählerische Reise durch euphorische Jazz-Musik, bedingungslose Hingabe für seine Träume, niederdrückende Rückschläge und erlösende Erfolgserlebnisse nicht mehr loslässt, ist eines gewiss: "Whiplash" ist überwältigende Filmkunst, die man einfach erlebt haben muss und für die man dankbar sein darf.

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                          • 6 .5

                            Mit "Les rencontres d'après minuit" legt Regisseur und Musiker Yann Gonzales, Mitglied der Electro-Band M83, sein Langfilmdebüt vor.
                            In einem äußerst verspielten, surrealistischen wie künstlerisch ambitionierten Stil breitet Gonzales ein Kaleidoskop aus verlorenen Seelen aus, die sich in der Nacht zu einer Sex-Orgie in einem Apartment eines Pärchens und deren transsexuellem Hausdiener treffen.
                            Durch ausschweifende Dialogszenen, die oftmals eher wie Monologe der Charaktere mit sich selbst anmuten, nähert sich Gonzales seinen Figuren an, die teilweise nicht einmal Namen erhalten, sondern mit bloßen Kategorisierungen wie "Die Schlampe", "Der Hengst" oder "Der Star" versehen werden.
                            Dabei bedient sich Gonzales bei seiner Erzähl- und Inszenierungsweise bei großen surrealen Vorbildern und verwebt das Geschehen immer wieder zwischen merkwürdigen Fantasie-Einschüben, vielseitig deutbaren Traumsequenzen und wehmütigen Erinnerungsfragmenten, wobei nie eindeutig ist, was davon auf welche Szene zutrifft. Die Musik stammt passenderweise von M83 selbst und weiß zu gefallen. Vor allem die Idee einer sensorischen Jukebox, welche die abgespielten Songs immer der persönlichen Stimmungslage des jeweiligen Nutzers anpasst, ist so kreativ wie gelungen.
                            Je weiter die Nacht voranschreitet, desto weiter entfernen sich die Figuren von ihrem eigentlichen Vorhaben und trotz einiger erotischer Intermezzi entwickelt sich die Handlung immer mehr zu einer selbsttherapeutischen Gruppen-Session, in der sich, mitunter in die Abstraktion verfremdete, tragische Schicksale und zerbrochene Existenzen offenbaren.
                            Gonzales´ Stil ist in den besten Momenten schön unangepasst und überraschend-irritierend wie aufregend, doch gerade sein unbändiger Inszenierungswille und sein Hang zu oftmals sehr schwülstigen, hochgestochenen, theaterartigen Dialogen ist immer wieder anstrengend und so bewegt sich sein Werk gelegentlich nahe an einem hochgestochenen Hipster-Kunstfilmchen, welches mit fortschreitender Laufzeit vor allem im finalen Drittel beinahe in verschwurbelte Bedeutungslosigkeit und Redundanz abdriftet.
                            Nichtsdestotrotz ist "Les rencontres d'après minuit" für aufgeschlossene Zuschauer einen Blick wert. Yann Gonzales hat hiermit erst sein Langfilmdebüt vorgelegt und weist für seine ersten Gehversuche bereits ein beachtliches Stilbewusstsein und einen Sinn für außergewöhnliche, spezielle Geschichten auf. Man darf sich überraschen lassen, was er im filmischen Bereich noch so abliefern wird.

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                            • 4 .5
                              über Ida

                              "Ida" von Pawel Pawlikowski war der große Abräumer des vergangenen europäischen Filmpreises und wurde von nicht wenigen als eine Art neuer Ingmar Bergman verehrt.
                              Solche überhohen Vorschusslorbeeren können aber auch Gefahren bergen, welche sich auch hier offenbaren. Selbstverliebt in seine zweifelsfrei makellosen, ästhetisch sehenswerten Stil verpasst der Film sämtliche Gelegenheiten, dem Zuschauer einen tiefergehenden Zugang zu seinen Figuren zu gewähren. Oberflächlich und irgendwie leblos schreitet Pawlikowski in seinem Drama von einem inhaltlichen Punkt zum nächsten, wobei einige der Thematiken, wie die Aufarbeitung der Vergangenheit, die gesellschaftliche Situation des von teilweise Antisemitismus gezeichneten Polens der 1960er Jahre oder ein Konflikt mit der eigenen Glaubensüberzeugung einiges an interessantem Potential versprechen, welches Pawlokowski ankratzt, aber nie erfüllt.
                              Auch die beiden Frauen Anna und Wanda, die sich auf eine Art Roadtrip in die eigene Vergangenheit begeben, werden von Agata Trzebuchowska und Agata Kulesza mit mäßiger Überzeugung gespielt. Während Kulesza ihrer Wanda durchaus ein paar wenige tiefere Facetten verleiht, kommt das lustlose, stoische Spiel von Trzebuchowska bisweilen lustloser Arbeitsverweigerung gleich.
                              "Ida" ist ein Film, der vermutlich viel aussagen wollte, aber durch seinen kunstvoll aufgeblasenen Stil und die inhaltlich ermüdende Oberflächlichkeit nie zu den tieferen Schichten seiner Themen oder dem Innenleben seiner Figuren vordringt.

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                                  Neben dem fantastischen "Tatort: Im Schmerz geboren" sorgte 2014 ein weiterer Film im öffentlich-rechtlichen Fernsehen für Aufsehen: Der von Dominik Graf inszenierte "Polizeiruf 110: Smoke on the Water".
                                  Unter dem Deckmantel eines Fernsehfilms schuf Graf aufregende, großartige Filmkunst, die mehr Kinoformat denn Fernsehformat vorweist. Mit eruptiv-verunsichernden Schnittfolgen, einer herrlichen Kameraarbeit, die wie aus der Zeit gefallen wirkt und einer wilden, ungestümen Musikuntermalung, die zwischen unbändigem Free Jazz und intensiven Drums pendelt, attackiert der virtuose Regisseur die Sehgewohnheiten einer Zuschauergruppe, die sonst eher altbackene, staubige Krimiformate goutiert, die in regelmäßigen Abständen stets gleiche Schemata runternudeln.
                                  Hinzu kommt ein von Günter Schütter geschriebenes Drehbuch, in dem sich neben einem geradezu antiklimatisch abgehandelten Mordfall auch politische Korruption, nebulöse, tödliche Verschwörungsgruppierungen sowie allerhand verwundernswerte Kuriositäten tummeln, wie beispielsweise ein bizarrer Narbenvergleich, Masturbation inmitten eines Wirtshauses sowie ein unbequemes Finale, welches wiederum von Graf in intensiv-fiebriger Weise als knapp 15-minütiges Psycho-Terror-Kammerspiel verwirklicht wird, in dem zwischen Mord, Folter und Vergewaltigung keine Grenzen gesetzt sind.
                                  Regisseur Dominik Graf und Drehbuchautor Günter Schütter loten somit die Grenzen aus, die im öffentlich-rechtlichen Fernsehen umsetzbar sind und liefern zusammen mit dem spielfreudigen Cast (absolut großartig: Matthias Brandt als Ermittler und Ken Duken als schmieriger, aber irgendwie auch charismatischer Politiker) ein wagemutiges, souverän inszeniertes und geschickt geschriebenes Stück Fernsehen ab, das sich selbst vor großen, deutschen Kinoproduktionen nicht zu verstecken braucht und viele dieser Vertreter sogar noch überragt.

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                                    Regisseur Jon Favreau hat es nach seinen ganzen letzten Blockbustern wohl geschafft, ein absolutes Wunschprojekt von sich zu verwirklichen.
                                    Anders lässt es sich nicht erklären, wieso "Chef" letztendlich, obwohl eine vergleichsweise kleinere, intimere Produktion, vielleicht sogar der beste Film ist, den Favreau jemals gedreht hat. Eine derart leidenschaftliche, mit hingebungsvoller Liebe durchsetzte Feel-Good-Komödie durfte man länger nicht mehr genießen. Die Geschichte um einen Küchenchef, der für sein Handwerk lebt und mit den strengen Vorgaben seines Vorgesetzten in Konflikt gerät, ist alles andere als innovativ und Favreau hat seinen Film auch durchgehend mit der aufgesetzten rosaroten Brille gedreht. Sprich, richtige Überraschungen wird man vergeblich suchen und Happy Ends sind vorprogrammiert.
                                    Trotzdem funktioniert der Streifen von Anfang bis Ende einfach perfekt und selbst wenn Favreau die gefühlt 30. Montage von verführerischem Food-Porn zelebriert, welche er allesamt mit unglaublich stimmungsvollen Samba-, Latino-, oder Reggae-Songs veredelt, ist man ebenso Feuer und Flamme für dieses filmische Luxusgericht wie Favreau selbst, der diesen Film nicht nur geschrieben und gedreht hat, sondern auch selbst in die Hauptrolle schlüpft.
                                    Weitere Höhepunkte auf der Speisekarte: Zahlreiche erfreuliche Gaststars in Nebenrollen und eine einfühlsame Vater-Sohn-Beziehungsgeschichte, die sich stimmig in die Haupthandlung einfügt.
                                    Den einzigen Fehler, den man begehen kann, ist sich "Chef" mit leerem Magen anzusehen. Jon Favreau kredenzt einen filmischen Hauptgang der allerfeinsten Sorte, der mit seiner extrem gut funktionierenden Kombination aus unwiderstehlichem Food-Porn und leidenschaftlicher, charmanter Feel-Good-Komödie in Verbindung mit fantastisch aufgelegten Darstellern trotz offensichtlicher Klischees in der Geschichte auf ganzer Linie begeistert. Eine positive Überraschung der erfreulichsten Art.

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                                      Regisseur Ruben Östlund wollte mit seinem Werk "Force Majeure" einen Film schaffen, der die Scheidungsrate in die Höhe treibt. Eine womöglich etwas wagemutige Aussage, doch Östlund enttäuscht keinesfalls und liefert ein subtiles wie oftmals aufrüttelndes Drama, das nachhallt und nachdenklich stimmt.
                                      Versuche, sich dem (Ehe-)Verhältnis zwischen Mann und Frau filmisch anzunähern, gab es bereits zahlreich und doch scheint dieses komplexe Thema wahrscheinlich niemals komplett auserzählt zu sein.
                                      Der idyllische Skiurlaub eines Ehepaars mitsamt Kindern wird nach einem bestimmten Vorfall zu einer Art Schlachtfeld, in dem die Konfrontationen die meiste Zeit über unangenehm unter der Oberfläche brodeln.
                                      Östlund dekonstruiert mal trocken, mal zynisch moderne Geschlechterrollenbilder und stellt vor allem das oftmals zu beobachtende Streben des Mannes nach einem gewissen Alphatierstatus innerhalb seiner Familie schonungslos in Frage. Auch wenn sich der Regisseur zunächst ausgiebig Zeit nimmt, um seine Geschichte in Fahrt zu bringen, beeindrucken die geschärften wie präzisen Dialoggefechte im späteren Verlauf umso mehr und sorgen vor allem in den mitunter sehr unangenehmen Konversationen zwischen den Paaren für gehörigen Zündstoff, durch den man als Zuschauer durchgehend aktiv dazu angeregt wird, Verhaltensweisen zu bewerten und sich selbst in die Lage der unterschiedlichen Beteiligten zu versetzen. Auch wenn der Film eigentlich keine als klassische Höhepunkte festzumachende Momente besitzt, gibt es eine obskure Passage gegen Ende, die so dermaßen irritierend wie beeindruckend ist, dass sie sich direkt in den Kopf einbrennt.
                                      Die Inszenierung von Östlund ist wie schon erwähnt subtil, aber seine Aufnahmen sind äußerst bildgewaltig und von einer formstrengen, intelligenten Ästhetik geprägt, die begeistert. Hinzu kommen fantastische Darsteller, vor allem Johannes Kuhnke und Lisa Loven Kongsli in den Hauptrollen sind perfekt besetzt.
                                      Die Beziehung zwischen Mann und Frau wird wohl auch weiterhin immer wieder mal ein fester Bestandteil in Filmen sein und auch Ruben Östlund gibt in seinem Film "Force Majeure" keine definitiven Erkenntnisse. Trotzdem ist sein präzise inszeniertes, großartig geschriebenes wie gespieltes Drama voll mit aufschlussreichen Momenten, unangenehmen Situationen und nachdenklich stimmenden Details.

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                                        • Wunderbar geschriebener Artikel und eine schöne Auswahl für die Liste. Alleine für die Erwähnung der unglaublich unterschätzten Perle "Resolution" kann ich nicht dankbar genug sein.

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                                          • 4

                                            "Love Steaks" gehört zu den deutschen Filmen, welche dieses Jahr mit am meisten für Aufmerksamkeit gesorgt haben, von diversen Kritikern mit Lob überschüttet wurden und einige Preise gewonnen haben.
                                            Regisseur Jakob Lass und seine Crew arbeiteten praktisch ohne zusammenhängendes Drehbuch. Lediglich einzelne Szeneninhalte standen vorab fest, der Rest durfte frei improvisiert werden. Diese Vorgehensweise, auch FOGMA genannt, wurde in Verbindung mit der unruhigen Handkameraführung, den abrupten Schnittfolgen und den Drehs mit echtem Hotelpersonal als authentisches, ungezwungenes und von roher Energie durchflutetes, frisches, deutsches Innovationskino angepriesen.
                                            Ein umso herberer Rückschlag ist es dann, wenn man sich den Film mit überhohen Erwartungen und großer Vorfreude ansieht. "Love Steaks" ist von vorne bis hinten kein bisschen durchgeplant, weder strukturiert, noch von irgendeiner bemerkenswerten Stringenz geprägt. Die Figuren sind mies ausgearbeitet und so reicht es auch, dass er (Franz Rogowski) schüchtern und tollpatschig ist, dazu natürlich lispeln muss, und sie (Lana Cooper) die ungestüme Rebellin ist, die kein Blatt vor den Mund nimmt und natürlich ein Alkoholproblem hat.
                                            Dass diese beiden Figuren, Clemens und Lara, Gefühle füreinander entwickeln, ist nicht das unglaubwürdigste. Viel schlimmer sind die frei improvisierten Dialogszenen, die zwischen talentfreier Planlosigkeit des Ensembles und absoluten Fremdschamorgien pendeln. Hier merkt man ständig, wie bitter nötig dieser Film ein Drehbuch gehabt hätte, aber diese Art des Filmemachens wird dann natürlich umgehend als revolutionär, erfrischend und innovativ für deutsche Maßstäbe gehandelt.
                                            Genauso wie die Inszenierung, die sich nie zwischen dokumentarischer, rauer Dogma-Ästhetik und Spielfilm-Look entscheiden kann. So werden vielversprechende Songs zur musikalischen Begleitung meist nur knapp angespielt, bevor sie sich überhaupt mal entfalten können, Schnitte bewegen sich zwischen wirr und amateurhaft und allgemein ist der Stil des Films nur als hässlich einzustufen.
                                            Wenn "Love Steaks" tatsächlich die neue, innovative Richtung darstellen soll, in die sich der deutsche Film in Zukunft bewegen soll, kündigen sich schlimme Zeiten an. Der Film hat hier und da seine Momente, die Chemie zwischen den völlig gegensätzlichen Hauptfiguren stimmt auch gelegentlich, doch insgesamt ist Jakob Lass´ Werk die meiste Zeit über durch seine improvisierte, unstrukturierte Art extrem anstrengend, laienhaft und einfach nur nervig.

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                                            • 7

                                              Dass sich Kult nicht zwanghaft wiederholen lässt, mussten schon viele Filmemacher schmerzlich feststellen. Kevin Smith allerdings geht mit seinem 12 Jahre nach dem Original gedrehten "Clerks II" erfreuliche Wege und liefert tatsächlich ein Sequel ab, das dem Vorgänger in praktisch jeder Hinsicht ebenbürtig ist.
                                              Mit einer spürbar liebevollen Energie versetzt Smith seine Protagonisten, die Fans des ersten Teils längst in ihr Herz geschlossen haben, in das neue Millenium. Dante und Randal sind optisch zwar sichtlich gealtert, charakterlich haben sich die beiden aber kein Stück verändert. So ist es auch erneut den hervorragenden Peformances von Brian O´Halloran und Jeff Anderson zu verdanken, dass man sofort wieder in die gewohnte Atmosphäre des Erstlings versetzt wird und die beiden ungleichen Freunde erneut mit großer Freude beobachtet.
                                              Smith überträgt sämtliche Markenzeichen und liebgewonnenen Elemente seines Debüts in dieses Sequel, ohne sich selbst zu krampfhaft zu wiederholen. So gibt es auch hier wieder etliche zum Brüllen komische Dialoggefechte, welche die ein oder andere extrem vulgäre Zote oder skurril dargebotene, erhellende Erkenntnis über die Filmlandschaft offenbaren. Vor allem die Interaktion mit der Kundschaft des Burgerladens "Mooby´s", in dem die beiden nun arbeiten, ist oftmals unglaublich komisch und es hätte ruhig noch ein paar mehr Szenen von der Sorte geben dürfen.
                                              Trotzdem ist "Clerks II" nicht einfach nur skurril, von vulgärem Humor durchzogen und auf absurde Gags ausgelegt. Smith verpasste seinem Werk außerdem noch eine teilweise fast schon schwermütige, melancholische Note, bei der er unter anderem großen Wert auf Beziehungsaspekte der Figuren legt und schöne Anekdoten über das schmerzliche Bewusstsein des Älterwerdens seiner Figuren einstreut. Dadurch gelingt dem Regisseur, neben einer unfassbaren, unangenehmen Fremdscham-Orgie als Höhepunkt, sogar ein emotional bewegendes Finale, welches man Smith noch zu Beginn des Streifens nicht wirklich zugetraut hätte.
                                              "Clerks II" ist eines dieser erfreulichen Sequels, bei dem eigentlich alles richtig gemacht wurde. Kevin Smith bietet erneut, diesmal auch in Farbe, sämtliche Trademarks, die den Erstling zum Kult machten und vetraut ganz auf seine großartigen Figuren und toll geschriebenen Dialoge, um den Zuschauer wieder über 97 Minuten pausenlos zu unterhalten und selbst ernsthaftere Aspekte sinnvoll unterzubringen. Der Überraschungsfaktor des ersten Teils fehlt zwar, doch besser hätte man dieses Sequel eigentlich nicht umsetzen können.

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                                                Der damalige Durchbruch von Kevin Smith mit seinem Debüt sei ihm auch heute noch gegönnt. "Clerks" ist nicht zu Unrecht ein Stück Independent-Kult, pures 90er-Jahre Kino, mit dem Smith zeigt, dass man auch mit kaum vorhandenen Budget großartige Filmkunst schaffen kann.
                                                Der Regisseur zeigt den Arbeitstag von Clerks, jungen Männern, die unterbezahlt hinter Kiosk-Theken versauern und dabei allerhand kuriose Begegnungen erleben oder Gespräche über Gott und die Welt führen.
                                                Der Trumpf dieses in spröden Schwarz-Weiß-Bildern und mit schlichten Kameraeinstellungen inszenierten Streifens liegt ganz klar in Smith´s grandios geschriebenem Drehbuch, in dem sich ein herrlicher Dialog an den nächsten reiht.
                                                Gerade durch die oftmals relativ banalen, mitunter vulgären Diskussionen, in denen sich teilweise auch zum Nachdenken anregende Kleinigkeiten verbergen, sowie authentisch gezeichnete, mit Ecken und Kanten versehene, aber unglaublich sympathische Figuren, in denen sich der Zuschauer mal mehr, mal weniger selbst wiedererkennen darf, kreiert Smith eine unwiderstehliche Atmosphäre, die er immer wieder mit erfrischender Situationskomik auflockert, während einen die pfeilschnellen Dialoge unentwegt bei der Stange halten.
                                                Und so ist es schließlich die simple Machart und charmante Erzählweise, durch die sich der Zuschauer am liebsten noch viel länger am Alltag von Dante und Randal beteiligen würde, ihren Gesprächen und Diskussionen lauschen möchte, nur um immer wieder zu merken, wie viel Wahrheit und Realität in vielen der leicht überzeichnet wirkenden Situationen tatsächlich steckt und wie präzise Kevin Smith das Porträt einer ganzen Generation gezeichnet hat, die den Film bis heute verständlicherweise verehrt.

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                                                • 7 .5

                                                  Ohne vorab die ganzen Kontroversen und den dadurch erzeugten Hype der letzten Zeit wiederkäuen zu wollen, stellt sich im Prinzip nur die eine Frage: Ist "The Interview" selbst das alles wert?
                                                  In der Tat lassen Seth Rogen und Evan Goldberg kein allzu gutes Haar am Diktator von Nordkorea und geben ihn bisweilen als Witzfigur ordentlich der Lächerlichkeit preis. Trotzdem ist es in erster Linie wichtig, gleich mal klarzustellen, dass "The Interview" als scharfsinnige, politische Satire nur wenig funktioniert. Ein paar Seitenhiebe gegen das nordkoreanische Regime und einige Anspielungen auf die Mediengeilheit der USA inklusive einiger amüsanter Cameos sind da schon das höchste der Gefühle.
                                                  Viel mehr ist die brisante Ausgangssituation, in der TV-Moderator Dave Skylark und sein Produzent Aaron Rapoport Kim Jong-un eliminieren sollen, eine Spielwiese für den typischen Rogen-Humor, wie man ihn zuletzt in Filmen wie "Neighbors" oder "This is the End" bekommen hat. Wer die mochte, wird auch hier wieder auf seine Kosten kommen und einiges zu lachen haben.
                                                  Die Chemie zwischen James Franco, dessen Dave Skylark nicht die hellste Kerze auf dem Kuchen ist, und Seth Rogen ist hervorragend und man sieht den beiden ihre Spielfreude in jedem Moment an. Das Drehbuch von Dan Sterling ist dabei gespickt mit schamlosen Dialogen, schräger Situationskomik, bizarren Einfällen und popkulturellen Anspielungen, wie man sie eben aus den anderen Werken mit Seth Rogen schon gewohnt ist.
                                                  Tatsächlich funktionieren die Passagen, in denen Kim Jong-un selbst gar nicht dabei ist, sogar am besten und es lässt sich sicherlich negativ auslegen, dass gerade die politische Schlagkraft des Streifens etwas untergeht angesichts der zahlreichen Gags. Randall Park ist in der Rolle des Diktators aber trotzdem eine Idealbesetzung und gibt seinen Kim Jong-un als Mischung aus sensiblem, überdrehten Kind und ernstzunehmendem, unkontrollierbaren Bösewicht.
                                                  Am Ende lässt sich sagen, dass "The Interview" keine wirklichen Kontroversen nötig hat und dass der Film auf lange Sicht betrachtet bestimmt niemandem weh tun wird. Anhänger des Rogen-Humors werden aufgrund der zahlreichen absurden, mitunter platten, aber wirklich gelungenen Gags erneut auf ihre Kosten kommen, dazu sind Seth Rogen selbst und James Franco in absoluter Höchstform. Wer sich allerdings eine satirisch wirklich tiefgehende Auseinandersetzung mit den politischen Verhältnissen zwischen Amerika und Nordkorea erhofft, dürfte enttäuscht werden.

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                                                  • 5 .5

                                                    Anstatt das Projekt einem anderen zu überlassen, verfilmten Lucky McKee und Chris Sivertson ihren Film "All Cheerleaders Die" aus dem Jahr 2001 12 Jahre später mit mehr Budget und anderen Schauspielern einfach selbst noch einmal neu.
                                                    Das ist vor allem in der ersten Hälfte auch durchaus unterhaltsam und sehr nett anzusehen. Mit schicken Montagen, deren Bilder förmlich Instagram-würdig sind und mit pumpenden Hip-Hop-Tracks unterlegt zelebriert das Regie-Duo High-School-Teenie-Stereotype und Klischees. Da wird munter in den verletzten Gefühlen eitler Cheerleader-Mädels verweilt, während die Jungs ebenfalls als cool aufspielende Macker charakterisiert werden, die überwiegend auf dem Sportplatz oder im Fitnessstudio abhängen.
                                                    Was bis hierhin aufgrund der überspitzten, selbstironischen Machart durchaus für spaßige Unterhaltung sorgt, wird ab der zweiten Hälfte definitiv diskussionswürdiger. Das ab hier aufgefahrene Genre-Potpourri bestehend aus Untoten-Gewusel, schwarzem Hokuspokus, Körper-Tausch-Chaos und Rachegelüsten nimmt sich zwar selbst nach wie vor glücklicherweise nicht allzu ernst, ist aufgrund der äußerst hysterischen, unentschlossenen Inszenierungsweise von McKee und Sivertson allerdings bisweilen arg anstrengend und wird von Minute zu Minute unübersichtlicher und nerviger, fauler Cliffhanger und obligatorisches Hintertürchen für Fortsetzungen inklusive.
                                                    Man sieht "All Cheerleaders Die" zwar an, dass alle Beteiligten ihren Spaß bei der Entstehung des Streifens hatten und vor allem die erste Hälfte ist auch durchaus unterhaltsam, doch hinten heraus baut der Film immer stärker ab und ist längst nicht die skurrile Trash-Horror-Komödien-Granate, die er hätte werden können.

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