Patrick Reinbott - Kommentare

Alle Kommentare von Patrick Reinbott

  • 2 .5

    Wohl kaum jemand kam an diesem Film vorbei, selbst wenn man nicht einmal Interesse hatte, ihn zu sehen. Der Hype um "Fifty Shades of Grey" war geradezu gigantisch und sicherte ihm vor der eigentlichen Veröffentlichung bereits den sicheren Erfolg zu. So lange wie es nur möglich war wurde er vor der Öffentlichkeit vorab unter Verschluss gehalten und zu einem fast schon skandalträchtigen Erotik-Werk hochgehandelt. Umso erstaunlicher ist es wieder einmal, was für eine gewaltige Kluft zwischen dem propagierten Hype-Produkt und dem Werk klafft, mit dem man es hier letztendlich zu tun bekommt.
    "Fifty Shades of Grey" ist ein unfassbares Nichts von einem Film, eine Beleidigung für jeden Filmfan, der auch nur ansatzweise Wert legt auf Charakterzeichnung, nachvollziehbare Dialoge oder einen ansprechenden Handlungsbogen.
    Sichtlich bemüht versucht Regisseurin Sam Taylor-Johnson das Maximum aus der plumpen Romanvorlage rauszuholen und streckt die völlig belanglose Geschichte über quälende zwei Stunden, die einfach kein Ende nehmen wollen.
    Das angeblich so provokante S/M-Erotik-Drama ist nichts weiter als eine in dieser Form bereits hundertfach erzählte Liebesgeschichte, die von platten bis katastrophalen Dialogen und einer ärgerlich oberflächlichen Charakterzeichnung (Verschüchterte Studentin verliebt sich in ultrareichen Billionär) alles bietet, was denjenigen Schmerzen bereiten dürfte, die sich vielleicht wirklich so etwas wie Stil, Brisanz und knisternde Leidenschaft erwartet hatten. Ein paar Klapse auf den Po und ein paar Peitschenhiebe sind bereits das anstößigste, ansonsten gibt es braven Kuschelsex von Mr. Christian "I don´t make love, I fuck... hard" Grey und das immer gleiche Hin und Her von "Er liebt mich, er liebt mich nicht, er liebt mich, er....".
    Ansatzweise tiefergehende Auseinandersetzungen mit der S/M-Thematik gibt es nicht, stattdessen wird das Verhalten des dominanten Multi-Billionärs mit einer Hintergrundgeschichte gerechtfertigt, die aus der tiefsten Psychologie-Klischee-Kiste gekramt ist.
    Ansonsten ist das alles in Hochglanzbilder gehüllt und mit einem Soundtrack angereichert, der je nach persönlichem Geschmack immerhin den ein oder gelungenen Song beeinhaltet, was diesen bereits automatisch über den eigentlichen Wert des Films hebt.
    Schade ist es da nur, dass vor allem Dakota Johnson trotz ihrer limitierten Rolle Potential aufblitzen lässt, das sie künftig durchaus für vielschichtigere, anspruchsvollere Figuren empfiehlt. Jamie Dornan hingegen ist eine glatte Fehlbesetzung und macht mit seinem immer gleichen, angestrengten Blick eher den Eindruck eines unheimlichen Stalkers als den des sympathisch-geheimnisvollen, anziehenden Traummannes, als der er hier verkauft wird.
    "Fifty Shades of Grey" ist praktisch in allen Belangen eine Katastrophe. Der als provokatives Erotik-Drama angepriesene Film ist nichts weiter als ein belangloses, extrem langweiliges Liebesfilmchen, bei dem vor allem die ärgerliche Schwarz-Weiß-Zeichnung der Figuren und die unterirdischen Dialoge stark an den Nerven zehren. Bis auf eine charismatische Dakota Johnson und ein paar nette Songs in der Soundtrack-Sektion gibt´s hier absolut nichts zu holen.

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    • 8

      Ryan Gosling hätte sicherlich einfachere Wege einschlagen können. Bei seinem inzwischen weltbekannten Star-Appeal hätte er sich für sein Regie-Debüt einen seichten, zugänglichen und massenkompatiblen Stoff aussuchen können, sein Name allein würde sein dazugehöriges leisten, um für einen Riesenerfolg zu sorgen.
      "Lost River" aber ist das genaue Gegenteil. Deutlich inspiriert von seinen persönlichen Regie-Vorbildern inszeniert Gosling eine märchenhaft angehauchte Reise in surreal-betörenden Bildern, die eine Atmosphäre zwischen geheimnisvoll, trostlos, abgründig, spannend wie hoffnungsvoll zugleich ausstrahlen.
      Gosling´s eigene Kindheit und die Erziehung durch seine alleinstehende Mutter sind hierbei Motive, welche sich in der mitunter spürbar intimen Geschichte wiederfinden. Verlorene Seelen, Existenzen am Abgrund und darüber hinaus sind die Charaktere, die Gosling hier abbildet. In albtraumhaft überzeichneten sowie zutiefst bedrohlichen Szenarien spiegelt er die Ängste, Sorgen und auch Hoffnungen seiner Figuren, die allesamt einen Ausweg aus ihrer jeweiligen Lage suchen.
      Auch wenn sich Gosling inszenatorisch auffällig nah an seinen Vorbildern wie Nicolas Winding Refn oder David Lynch orientiert, was praktisch der einzig wirkliche Kritikpunkt ist, ist "Lost River" vor allem für ein Erstlingswerk handwerklich auf einem fast schon unverschämt hohen Niveau.
      Die betörend schönen Aufnahmen von Kamera-Genie Benoît Debie bilden zusammen mit dem fantastischen Score von Johnny Jewel, Mastermind der Dreampop-/Electro-Band Chromatics, den perfekten Mantel für Gosling´s sprunghaft-unwirklichen Erzählton, bei dem Impressionen, Farben, Klänge und Stimmungen wie liquide Gemälde ineinander fließen. Eine ebenso unkonventionelle wie eigensinnige Filmsprache, welche Gosling, auch wieder ähnlich seiner Vorbilder, erhebliche Kritik und Herabwürdigung einbrachte.
      Am gewöhnlichsten gewählt ist hier am ehesten noch der Cast, der talentierte TV-Namen genauso aufbietet wie Newcomer und Indie-Lieblinge. Die agieren dabei zurückgenommen-eindringlich (Christina Hendricks, Iain De Caestecker als junge Gosling-Variante, Saoirse Ronan, Eva Mendes) oder absolut wahnsinng (Matt Smith, Ben Mendelsohn).
      "Lost River" ist also in vielerlei Hinsicht bemerkenswert und außergewöhnlich. Für seine toll besetzte, intim sowie mitreißend erzählte Geschichte ging Ryan Gosling in seinem Regie-Debüt definitiv Risiken ein, weshalb er sich inszenatorisch lieber noch stark an (meisterhaften) Vorbildern anlehnt. Sein verträumt-bizarrer Trip ist nichtsdestotrotz ungemein faszinierend und versprüht abseits surreal-mysteriöser Einlagen noch eine intime, gefühlvolle Note.

      19
      • Kann mich nur dem allgemeinen Tenor anschließen. Ohne Lynch auf dem Regiestuhl hab ich auch keinerlei Lust auf eine Fortsetzung. Trotzdem find ich es ein wenig schade, dass Mark Frost bei aktuellen Diskussionen und Meldungen um die neuen Folgen immer fast völlig vernachlässigt wird. Es ist ja bekannt, dass er ungefähr zu 50% mitverantwortlich war für das Gesamtwerk "Twin Peaks" und seine Rolle in dem Ganzen sollte man ebenso berücksichtigen wie die von David Lynch.

        9
        • 5

          Auf der regelmäßigen Suche nach herausstechenden Werken innerhalb des von leider oftmals sehr durchschnittlichen oder miesen Vertretern überfluteten Horror-Genre fällt ein Film wie "Starry Eyes" zunächst positiv auf.
          Während man in vielen Horror-Filmen öfters bemängeln kann, dass die erste Hälfte zu unspektakulär und ungruselig ausfällt, da viel zu lang unnötig Charaktereinführung betrieben wird, ist genau das die größte Stärke von "Starry Eyes".
          Sarah, die sich nichts mehr wünscht als einen Durchbruch im Schauspielgeschäft, ist eine überaus sympathisch und vor allem nachvollziehbar gezeichnete Hauptfigur. Sogar etwas länger als über die gesamte erste Hälfte hinaus nehmen sich die beiden Regisseure Zeit, um ihre Charaktereigenschaften, ihre Sehnsüchte und ihre Macken zu entwickeln, während sie gleichzeitig durch obskure Psycho-Terror-Einschübe für Unbehagen und Anspannung sorgen.
          Dabei kommen sie bei ihrer Inszenierung auch ohne lästige Jump-Scares aus und setzen eher darauf, den Horror aus den Bildern kriechen zu lassen und auf klassische Weise über Sound-Design und Musikuntermalung für Atmosphäre zu sorgen.
          So weit, so gut, doch im letzten Drittel bricht mal wieder alles in sich zusammen, was sich die Verantwortlichen bis dahin ziemlich gelungen aufgebaut hatten. Anstatt den subtilen Psycho-Terror und die eingestreuten Body-Horror-Elemente durchgängig auf einem Niveau zu halten, wollte man wohl noch unbedingt für einen Höhepunkt sorgen. So verkommt "Starry Eyes" im letzten Drittel kurz vor der Zielgerade zu einem konventionellen Slasher, der sich durch unnötig ausgedehnte und explizite Mordszenen auszeichnet. Weder inszenatorisch noch inhaltlich bietet der Film nun noch ansatzweise irgendetwas, das schockieren würde und vertraut stattdessen auf abgenutzte Standard-Szenen, die so schon gefühlt hunderte Male zu sehen waren.
          Auch der aufgesetzte, überzogene Schlussakt schießt über das Ziel hinaus und führt nichts von den anfangs aufgeworfenen Handlungselementen in irgendeiner Weise zu einem schlüssigen oder zufriedenstellenden Ende.
          "Starry Eyes" kann somit nur durch die gelungene erste Hälfte und die starke Hauptfigur punkten. Da ist es umso ärgerlicher, dass sämtliches Potential so stark geopfert werden für solch ein belangloses, ausgelutschtes Schlussdrittel.

          13
          • 8

            Ganze 6 Jahre hat sich Michael Mann nach "Public Enemies" Zeit gelassen, ehe er mit "Blackhat" seinen neuen Film veröffentlichte. Leider stellt sich mittlerweile auch unweigerlich die Frage, ob Zuschauer oder speziell seine Fans überhaupt noch nach ihm verlangen, denn bereits "Public Enemies" enttäuschte viele und "Blackhat" ging mit gerade mal 17 Millionen eingespielten Dollar bei einem Budget von 70 Millionen Dollar gnadenlos an den Kassen unter.
            Das Drehbuch von Morgan Davis Foehl, an dem Mann auch mitgeschrieben hat, mutet dem Zuschauer in mancher Hinsicht auf jeden Fall einiges zu. Der Plot um Hacking und Cyber-Terrorismus bietet die ein oder andere durchaus abstruse Angelegenheit, die man einfach als gegeben akzeptieren soll. Zudem gibt es auch hier, wie allerdings auch schon in den letzten Werken des Regisseurs, eine eingestreute Liebesgeschichte, für welche der eigentlich rasante Action-Thriller immer wieder zur Ruhe kommt und sich Zeit lässt. Alles Elemente, die dem Film mehr oder weniger negativ angelastet werden müssen. Aus der Geschichte, die viel Potential enthält für einen Diskurs über digitale Kriegsführung und moderne Technikversessenheit, folgt letztendlich "nur" ein Heist-ähnlicher Actioner, bei dem es überwiegend darum geht, von einer Location zur nächsten zu hetzen und den Spuren des gesichtslosen Gegenspielers zu folgen.
            Trotzdem fällt all das etwas weniger schlimm ins Gewicht, wenn man bedenkt, was Michael Mann für ein Regisseur ist. Einer, der vor allem visuell erzählt und mithilfe von Bildern und Tönen vermittelt. So ist auch "Blackhat" in seinen besten Momenten ein faszinierendes, furioses Zusammenspiel von Lichtstimmungen, atemloser Kinetik und begnadeter Schnittkunst. Mann ist immer noch derjenige, der die digitale Videotechnik so virtuos beherrscht wie kein anderer aktueller Regisseur. Nach "Public Enemies", wo dieser Stil nicht so recht mit dem Retro-Setting harmonierte, lebt Mann sein Gespür für nächtliche Atmosphäre inmitten von Großstadtgetümmel und schimmernden Lichtern wieder voll aus. Doch auch abseits der gelungenen Wechsel der Settings ist die filmische Ausgestaltung von Räumen und vor allem das unvermittelte Gefühl, bei dem die Kamera unruhig und ganz nah an den Protagonisten haftet, ein wahrer Hochgenuss. Von den wenigen Schusswechseln ganz zu schweigen, die mit ihrer direkten, rohen und unglaublich dynamischen Inszenierungsweise einfach nur überwältigend anzuschauen sind. Absoluter Höhepunkt dürfte hierbei der grandiose Schlussakt sein, in dem Mann sämtlichen digitalen Auseinandersetzungen eine Abfuhr erteilt und stattdessen einen knappen Showdown inmitten eines optisch überwältigenden Fackelmarsches in Jarkata aufzieht, bei dem auf analog-altmodische Weise Reflexe, überlegene Sinne und pure Physis über Leben und Tod entscheiden.
            Auch die Musikbegleitung, die mehr Ambiente als Score ist, wird von Mann erneut kongenial kontrolliert. Immer wieder wechselt er im Volumen, mitunter gibt es Momente, in denen Hintergrundgeräusche vollständig ausgeblendet werden.
            Schauspielerisch ist natürlich Chris Hemsworth besonders auffällig. Die Tatsache, dass der "Sexiest Man Alive" einen äußerst begabten, überaus intelligenten und dazu noch körperlich extrem durchtrainierten Hacker spielt, brachte dem Film fernab seiner Handlung bereits viel Spott ein. Tatsächlich funktioniert Hemsworth aber erstaunlich gut in der Hauptrolle, schaltet gekonnt zwischen stoischem Einzelkämpfer, frechem Womanizer und agilem Technik-Ass und zieht den Zuschauer, neben einigen charismatischen Nebenfiguren, gekonnt in das Geschehen.
            "Blackhat" wird den gewöhnlichen Zuschauern von Action-Thrillern Schwierigkeiten bereiten. Regisseur Michael Mann macht weiterhin keinerlei Abkehr von seinem eigenwilligen, einzigartigen Stil und schuf mit "Blackhat" einen vor allem auf inszenatorischer Ebene auftrumpfenden Streifen, der fernab von einigen Plot-Mängeln und marginalen Durchhängern nur diejenigen vollständig beglücken wird, die sich in dieser Form von besonders sinnlicher Action-Romantik und visuellem Thrill aus Bild- und Tonflüssen verlieren können.

            15
            • 3

              Filme wie "The Signal" werden gerne damit beworben, dass man vorab möglichst wenig über den Inhalt wissen sollte, damit sie ihre maximale Wirkung entfalten können.
              Im Falle dieses Werks ist das praktisch auch die einzig denkbare Verfahrensweise, denn würde man jemandem im Vorfeld nähere Details dieses völlig hanebüchenen Schwachsinns-Streifens erläutern, wäre dieser kaum bereit, freiwillig eine Sichtung zu wagen.
              Schon in den Opening Credits müssten eigentlich die Alarmglocken schrillen, denn hier werden gleich drei Leute benannt, die am Drehbuch beteiligt waren, was bekanntlich selten zu einem stimmigen Ergebnis führt.
              Regisseur William Eubank versucht sich in seinem zweiten Langfilm an einer Kombination aus Indie-Drama und Mystery-Thriller. Dieses Vorgehen, welches die meiste Zeit über fast ausschließlich auf viele Handlungswendungen abzielt, funktioniert kein bisschen. Schon die Struktur, mit ihrem Einstieg aus glattgebügelten Indie-Drama-Montagen, dem extrem zähen, vorhersehbaren Mittelteil und dem völlig wirren, unausgegorenen Schlussdrittel, ist völlig daneben.
              "The Signal" ist eines dieser ärgerlichen Beispiele, bei denen der Film ständig wirkt, als würde er so viel klüger sein wollen als der Zuschauer und versuchen, ihn so lange wie nur möglich an der Nase herumzuführen. In Wirklichkeit ist die Geschichte aber lediglich eine uninspirierte Ansammlung von altbackenen Genre-Versatzstücken, die mehr langweilt und nervt als wirklich für Interesse oder gar Spannung zu sorgen.
              Eigentlich ist der Film striktes B- oder C-Movie-Material ohne roten Faden, möchte aber unbedingt total innovativ und spektakulär wirken, was das Ganze noch viel schlimmer macht, als es in seiner Belanglosigkeit eigentlich ist.
              Die Krönung, neben einigen wirklich peinlichen, unfreiwillig komischen Einlagen, bei denen man sich fragt, wie auch nur einer der beteiligten Schauspieler freiwillig mitziehen konnte, ist ein lächerliches, unpassendes Ende, welches natürlich auch wieder besonders überraschend und clever daher kommen will.
              Völlig vernichten lässt sich der Film aber doch nicht ganz, denn optisch ist er wiederum fast schon fantastisch. Auch wenn die Musikuntermalung tief aus der Science-Fiction-Mystery-Klischee-Kiste zusammengestückelt wurde, sind die einzelnen Szenen überwiegend großartig gefilmt und geschnitten, was dann auch wirklich das einzige ist, was man dem Streifen positiv anrechnen kann.

              12
              • 5

                "Extraterrestrial" ist überraschenderweise einer dieser eher ungewöhnlicheren Genre-Streifen.
                Auf der einen Seite nehmen die Vicious Brothers ihren Mix aus Backwood-Slasher und Alien-Abduction komplett ernst. So wird der Einstieg, wie man es aus den meisten Horror-Filmen gewohnt ist, komplett dazu genutzt, möglichst viel Empathie für die Hauptfiguren zu erzeugen (mit nicht allzu großem Erfolg). Desweiteren konzentriert sich das Regie-Duo auf gängige Stilmittel innerhalb des Genres, weshalb auf viele Schocks und Thrill wert gelegt wird, was rein handwerklich auch gar nicht mal so schlecht geschieht und immer wieder durch geschickte Variationen in Sachen Tempo und Inszenierung erreicht wird. Auch das Set-Design einiger Locations und die Effekte sind für das schmal bemessene Budget akzeptabel, schwanken allerdings ab und zu zwischen ganz nett und daneben.
                Trotzdem ist der Film für einen geradlinigen Horror-Reißer nie spannend oder gruselig genug, was gleichzeitig im größten Streitpunkt begründet liegt.
                Neben ihrem Konzept, das wie schon erwähnt sehr ernst genommen wird, haben die Vicious Brothers teilweise unglaublich krude Ideen und äußerst skurrile Momente in den Film eingebaut, die man gar nicht erst vorweg nehmen will. Das führt vor allem anfangs zu einer regelrechten Unsicherheit, ob hier nicht unwissend durch schlampige Drehbucharbeit und schlichtweg Unfähigkeit unfreiwillige Komik entsteht und entpuppt sich erst nach und nach, spätestens sogar erst im Finale, als völlig kalkuliertes Element in diesem Gesamtwerk.
                Dadurch setzen sich die beiden natürlich zwischen sämtliche Stühle. Fans von augenzwinkerndem Fun-Horror werden hier genauso wenig bedient wie diejenigen, die sich spannenden und angsteinflößenden Horror wünschen. So ist diese Genre-Mischung am Ende schon irgendwie Quark, den man niemandem so richtig empfehlen kann. Das Ganze kommt in seiner wüsten Unentschlossenheit aber so sympathisch daher, dass man wiederum kein bisschen böse sein kann nach der Sichtung.

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                • Wow, ein ganz fantastischer Artikel! Ich mag Malick auch sehr gerne und freue mich wahnsinnig auf "Knight of Cups"...

                  1
                  • 8

                    Unangenehm mitgenommen ist wohl der Gemütszustand, in den einen "Going Clear" am häufigsten versetzt. Die von Alex Gibney für HBO gedrehte Dokumentation gewährt einem umfassende Einblicke in die Organisation von Scientology.
                    Mithilfe von befragten Ex-Mitgliedern, darunter auch einige prominente Namen, realen Ausschnitten oder wenigen nachgestellten Szenen kreiert Gibney ein erschreckendes Bild einer gefährlichen Sekte.
                    Angefangen von der Entstehung der Organisation, über die "Lockmittel", technologischen Gerätschaften, absurden Glaubensüberzeugungen und zahlreichen Stationen und erwähnenswerten Zwischenfällen hinweg schildert die Dokumentation äußerst detailliert Zustände, Eigenschaften und Verhaltensweisen der Sekte. Mehr als nur einmal kommt es daher zu wirklich bizarren Erkenntnissen, die teilweise an einen surrealen Horrorfilm erinnern, wenn man nicht wüsste, dass hier alles auf realen Tatsachen beruht.
                    Natürlich ist dieses Werk auch eine Art Aufruf, die bekannte Scientologen zu einem Umdenken bewegen soll. Ob sich allerdings aufgrund des unglaublich ausgefeilten, manipulativen und gefährlichen Netzwerks der Sekte in Zukunft viel ändern wird, bleibt offen. Erschreckend, extrem informativ und mitreißend ist "Going Clear" aber allemal und wer sich auch nur ansatzweise für das Thema Scientology interessiert, muss diese Dokumentation unbedingt gesehen haben.

                    12
                    • 8

                      In ihrem Langfilmdebüt "A Girl Walks Home Alone At Night" wählte Regisseurin Ana Lily Amirpour einen Genre-Mix aus melancholischer Romanze, Drama und Vampir-Horror, um von einsamen Seelen zu erzählen, die in einer überwiegend ausgestorben wirkenden Kleinstadt vor sich hin leben.
                      Die einfach gehaltene Handlung und unnötige Dialoge setzt Amirpour dabei bewusst nach hinten, reduziert sie auf ein Minimum und lässt viel lieber die Bilder sprechen. Und was für welche das sind.
                      Zu keinem Zeitpunkt macht sich bemerkbar, dass hier eine Debütantin am Werk war. In stilvollstem Schwarz-Weiß, mit langen sowie langsamen Einstellungen und unglaublich schön komponierten Aufnahmen stürzt sich die Regisseurin voll und ganz in eine rauschhafte Atmosphäre, bei der sie in hypnotischen Stimmungen schwelgt. Zusammen mit der einhüllenden Musikuntermalung schliff Amirpour so ein betörendes wie mysteriöses Filmjuwel, welches sich umgehend in die Tradition von äußerst künstlerischen Filmen einreiht, die mehr erfahren als gesehen werden wollen.
                      Sicherlich ein Werk, für das man in der richtigen Stimmung sein sollte, um sich darin verlieren zu können und eher nichts für Leute, die auf eine ausgefeilte Handlung und einen klassischen Spannungsbogen wert legen. Für alle anderen ist "A Girl Walks Home Alone At Night" eine sinnliche Seherfahrung, bei der surreale, atmosphärische Bilderfolgen und ein äußerst gelungener Genre-Mix auf einen einprasseln.

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                      • 8

                        "The Breakfast Club" von John Hughes ist einer dieser sogenannten "Zeitgeist"-Filme.
                        Hughes nahm sich dem Charakter einer ganzen Jugendbewegung an und schuf mit seinem unterhaltsamen und gleichzeitig feinfühligen Generationen-Porträt einen Kultfilm, der bis heute von vielen als Klassiker verehrt wird, vor allem natürlich von denen, die mit ihm aufgewachsen sind.
                        In dem Grundszenario, bei dem eine Gruppe Teenager an einem Samstag zum Nachsitzen verdonnert ist, arbeitet Hughes zunächst mit klaren Stereotypen. Dadurch, dass die einzelnen Figuren klaren Charaktereigenschaften zugeordnet sind (Der freche Rowdie, der verklemmte Streber, der selbstbewusste Sportler, das verzogene Prinzesschen und das verschwiegene Mauerblümchen), fällt es einem sehr leicht, sich mit ihnen zu identifizieren und mit Sicherheit auch eigene Züge in ihnen wiederzufinden.
                        Durch die spritzigen Dialoge und die gekonnt eingestreute Situationskomik aus Hughes durchdachtem Drehbuch erzeugt der Regisseur in der ersten Hälfte eine sehr lockere, unterhaltsame Atmosphäre, die das Lebensgefühl der damaligen Zeit auch aufgrund der passenden Kleidung und gut gewählten Songs sehr schön einfängt.
                        Die zeitlose Relevanz, die den Status dieses Klassikers erst so richtig untermauert, verleiht Hughes seinem Werk schließlich in der zweiten Hälfte. Wenn die vordergründigen Charakter-Klischees der einzelnen Teenager aufgebrochen werden, die Masken langsam fallen und Hughes durch die einfühlsame Dekonstruktion seiner anfangs aufgebauten Stereotypen zum vielschichtigen Kern der jungen Erwachsenen durchdringt, wird das wahre Talent dieses Regisseurs erst so richtig offenbart, dem es nun auch gelingt, weit über bloße Unterhaltung hinaus einen differenzierten, aufmerksamen Blick für die wahren Gefühle und Verhaltensweisen der Figuren zu zeigen.
                        Diese Mischung aus unterhaltsamen Nachempfinden und gleichzeitig einfühlsamen Verständnis für die Zielgruppe in Verbindung mit den tollen Darstellern und dem wunderbar transportierten Zeitgeist-Gefühl macht aus "The Breakfast Club" bis heute einen wirklich gelungenen Film mit verdientem Klassiker-Status, der neben anderen Meisterwerken wie "The Graduate" eine wahre Blaupause zahlreicher, nachfolgender Coming-of-Age-Generationen-Porträts wurde.

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                        • 6

                          Regisseur Brian O'Malley legt mit seinem Debüt "Let Us Prey" einen rauen, heftigen Horror-Reißer vor, in welchem er religiöse Ansätze und altmodisch umwehte Atmosphäre kombiniert.
                          Sichtlich beeinflusst von Arbeiten klassischer Genre-Regisseure wie John Carpenter überzeugt das Debüt des Iren durch eine bereits recht stilsichere Handschrift, bei der O'Malley abgründige Bilder, mitunter deliriöse Schnittfolgen und vor allem ein großartiges Sound-Design aufbietet, das hauptsächlich von dem druckvollen, treibenden Score bestimmt wird.
                          Neben der audiovisuellen Gestaltung lässt "Let Us Prey" bei der Handlung allerdings dann doch ein paar Wünsche offen. Die Höhepunkte des Streifens liegen klar im letzten Drittel, genau genommen im exzessiven, brachialen Finale. Wie so oft bei solchen Filmen, die auf einen späten Höhepunkt hin konstruiert werden, verläuft der Aufbau der Geschichte allerdings etwas schleppend. O'Malley verwendet viel Zeit darauf, Figuren einzuführen und große Teile des Horrors weniger aus beängstigenden Schockmomenten als viel mehr aus menschlichen Abgründen, fatalem Fehlverhalten und krimineller Schuld zu ziehen, was zusätzlich noch mit religiös-christlichen Anspielungen und Symboliken angereichert wird.
                          Dieser eher psychologisch getriebene Versuch, Beklemmung und Anspannung zu erzeugen, gelingt aufgrund der relativ einseitig gezeichneten, überwiegend sogar ziemlich unsympathischen Charaktere nur bedingt und so ist der Film vor allem in seiner ersten Hälfte zu zurückgenommen, verhalten und schlichtweg nicht mitreißend genug, was die bessere zweite Hälfte und vor allem den furiosen Schlussakt im Gesamteindruck doch merklich abschwächen.

                          7
                          • 7 .5
                            über Laura

                            "Laura" gilt als eine der Blaupausen des Film noir. Otto Preminger´s Werk von 1944 inspirierte zahlreiche Regisseure von Hitchcock bis Lynch aufgrund seiner ausgefeilten Erzählstruktur und einigen ikonischen Elementen.
                            Was zunächst als Krimi-Puzzle beginnt, in dem ein Detective im Mordfall einer Werbemanagerin ermittelt, gerät recht bald zu einem rätselhaften Geflecht aus undurchsichtigen Zeugenaussagen und zweifelhaften Rückblenden.
                            Laura, das Mordopfer, verdrehte aufgrund ihres guten Aussehens und ihrer liebenswürdigen Art den meisten Männern den Kopf und kommt dadurch dem klassischen Motiv der Femme Fatale nahe.
                            Ab der Hälfte kommt das Geschehen dann so richtig in Fahrt, wenn Preminger durch Wendungen und Charakterveränderungen Motivationen und Handlungsmuster aufwirbelt.
                            "Laura" wandelt sich so immer stärker weg von einem gewöhnlichen Kriminalfall hin zu einer Reihe von Charakterstudien, die aufgrund der knappen Laufzeit vielleicht etwas mehr Feinschliff vertragen hätten, aber nichtsdestotrotz bis hin zu der gelungenen Schlusswendung vor allem durch die starken Schauspielleistungen überzeugen.
                            Auch wenn das Gesamtwerk "Laura" kleinere Unstimmigkeiten enthält, lassen sich durch die gesamte Filmgeschichte bis heute einzelne Motive und Elemente wiederfinden, die Otto Preminger in sein Werk einbrachte und die seinem Streifen immer noch eine faszinierende Ausstrahlung verleihen, die zeitlos erscheint.

                            10
                            • 7

                              Der zweite Film ist bekanntlich der schwierigste für Regisseure, die mit ihrem ersten Film für Aufmerksamkeit sorgten oder überraschende Erfolge feierten. Aaron Moorhead und Justin Benson haben mit ihrem fantastischen Debüt "Resolution" einen originellen, cleveren wie unterhaltsamen Meta-Film über Horror-Mechanismen und Zuschauererwartungshaltungen geschaffen und somit mächtig vorgelegt.
                              Mit "Spring" legt das Duo nun nach und überzeugt weiterhin auf ganzer Linie. Benson beweist in seinem Skript erneut ein absolut großartiges Gespür für authentische Dialoge, liebevolle Figuren und erinnerungswürdige Momente.
                              Im Mittelpunkt steht Evan, gespielt von Lou Taylor Pucci, ein junger Amerikaner, der aufgrund einiger Schicksalsschläge beschließt, in Italien einen Neustart zu wagen. Hier trifft er nach rascher Eingewöhnung auf die attraktive Louise, gespielt von Nadia Hilker, die ihn durch ihre sympathische, aber auch mysteriöse Ausstrahlung fasziniert. Zwischen den beiden entwickelt sich langsam eine Liebesbeziehung.
                              "Spring" wird in erster Linie wieder dem Horror-Genre zugeordnet und auch wenn die Vorliebe der beiden Regisseure für dieses sichtbar wird, nutzen sie lediglich kleine Elemente aus dem Horror-Sektor, um stattdessen etwas völlig einzigartiges zu kreieren.
                              Es dürfte kein großer Spoiler sein, dass Louise ein dunkles Geheimnis hütet, welches Moorhead und Benson nur sehr langsam und Stück für Stück enthüllen. Viel mehr konzentriert sich das Duo auf die Romanze, die sich zwischen den beiden Hauptfiguren entwickelt. Pucci und Hilker haben eine großartige Chemie vor der Kamera und ihre gemeinsamen Szenen und Momente versprühen mehrfach eine zärtliche Intimität und einnehmende Dynamik. Gemeinsam mit der gekonnten Inszenierung, bei der das Duo nach ihrem Debüt nochmal merklich zugelegt hat und größtenteils wundervolle Aufnahmen komponiert, entfaltet das Werk eine sehr einnehmende und rätselhafte Atmosphäre.
                              Als der Fokus später mehr auf den übernatürlichen Twist gelegt wird, den Moorhead und Benson schließlich vollständig enthüllen und trotz des gering gehaltenen Budgets toll visualisieren, fügen sie ihrem Werk dadurch nur noch tiefgründigere Schichten hinzu.
                              "Spring" entwickelt sich letztendlich zu einer faszinierenden, berührenden Auseinandersetzung mit Themen wie Verlust- und Bindungsängste, der Tragweite von aufrichtiger Liebe zueinander und dem Schätzen jedes einzelnen Momentes, dem das Leben einem gewährt, was gekrönt wird von einer überwältigenden Schlussszene, mit der das Duo all diese Motive und Aussagen perfekt auf den Punkt bringt.
                              Während "Resolution" vordergründig den Kopf anregte, trifft "Spring" mitten ins Herz. Mit "Richard Linklater meets H.P. Lovecraft" wird der Film von der internationalen Kritik gerne beschrieben. Eine Schlagzeile, die den Kern dieses berührenden, mitreißenden und immer wieder vor rätselhafter Kraft strotzenden Liebesdrama-Horror-Streifens sehr gut erfasst und wodurch sich Aaron Moorhead und Justin Benson weiterhin als kreative, überraschende wie begeisternde Horror-Künstler der Neuzeit bewährt haben.

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                              • 8 .5

                                "Ôdishon" war der erste Film, der Regie-Berserker Takashi Miike international zu großem Durchbruch verhalf. Vor allem aufgrund des mitunter schwer erträglichen Schlussdrittels trieb der Regisseur massenweise Zuschauer aus den Kinosälen, was dem Streifen einen gewissen Skandalstatus einbrachte.
                                Wie so oft ist Miike aber ein Filmemacher, der sich zwischen den Genres und Stilrichtungen bewegt. So ist "Ôdishon" nicht eindeutig kategorisierbar und schwankt irgendwo zwischen Liebesdrama und Psycho-Thriller, was ihn aufgrund der radikalen Erzählbrüche weder für waschechte Gorehounds, die nur auf möglichst derbe Gewaltdarstellung aus sind, noch für Verehrer von reinen Arthouse-Dramen einwandfrei konsumierbar macht.
                                Fest steht, dass der oft kritisierte und kontrovers aufgenommene Schlussakt genauso wichtig für das Gesamtwerk ist, wie seine ersten zwei Drittel. Miike nimmt sich zunächst viel Zeit, um die Figuren einzuführen und weitestgehend zu charakterisieren. Mit den oftmals distanzierten Kamerpositionierungen, der zurückhaltenden Musikuntermalung und der ruhigen Inszenierungsweise setzt er eine sensible Liebesgeschichte in Gang.
                                Aoyama, der einsame Witwer, der sich nichts mehr sehnt, als noch einmal eine Frau zu finden. Asami, das Objekt seiner Begierde, ein zärtlich und zerbrechlich wirkendes, wunderschönes Mauerblümchen. Die Rollenverteilung scheint vordergründig klar festzustehen, doch mit fortschreitender Laufzeit nimmt die Fassade durch minimale Andeutungen und kleine, irritierende Elemente Risse.
                                Über allem, auch losgelöst von dem faszinierenden, surrealen Traum-Wirklichkeit-Wechselspiel, welches Miike später immer virtuoser in die Handlung einfädelt, ist "Ôdishon" nämlich eine wunderbar beobachtete, präzise charakterisierte Abhandlung über Geschlechterklischees, persönliche Traumata, zwischenmenschliche Missverständnisse und die oftmals schwer ergründbare Eigenheit von Liebe.
                                Selbst in seinem furiosen Schlussakt, zwischen schockierenden Folterexzessen, rätselhaften Halluzinationen und gnadenlosem Terror-Kino, bleibt Miike voll und ganz bei seinen Figuren und ihren Motivationen. Die Gewalt, so explizit Miike sie auch zeigt, ist lediglich eine Manifestation gequälter, verletzter Schicksale, die hier aufeinander prallen, aber einander nicht das geben können, was der eine vom jeweils anderen verlangt.

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                                • 7

                                  Matthew Vaughn hat sich mitterweile durch Verfilmungen wie "Kick-Ass" oder "X-Men: First Class" als überaus talentiert erwiesen auf dem Feld der Comic-Adaptionen. Mit "Kingsman: The Secret Service" hat er nun erneut einen Comic verfilmt.
                                  Weg von dem düsteren, ernsten Ton der neueren Agenten-Filme, zurück zu den spaßigen, augenzwinkernden Zeiten der älteren Spionage-Werke. Dieses Ziel verfolgen die Verantwortlichen hinter diesem Werk, was im Film selbst auch immer wieder mehr oder weniger offen angesprochen wird.
                                  Problematisch ist es nur, dass Vaughn die Gratwanderung zwischen komischen Einlagen und einer ernst gemeinten Geschichte nicht immer einwandfrei gelingt. Zunächst ist es etwas ernüchternd, dass etwas mehr als die Hälfte des ohnehin zu lang geratenen Streifens hauptsächlich für Exposition verwendet wird. Vor allem der Ausbildungsteil nimmt viel zu viel Zeit ein, ist von den Aufgabenstellungen her mitunter ansprechend gestaltet, aber bis auf einige wirklich tolle Einzelszenen wartet man schon irgendwie auf die großen Momente. Auch die Balance zwischen Komik und Drama ist nicht immer voll überzeugend, einige Gags geraten etwas zu albern, während die ernst gemeinten Momente durch die spürbare comichafte Herkunft des Stoffs nicht dramatisch genug wirken.
                                  Vor allem ab Beginn des letzten Drittels, wenn die mühsame Einführung der vielen Charaktere und Erzählstränge vollzogen ist, nimmt der Streifen merklich an Fahrt auf, bietet vor allem actiontechnisch einige wirklich schön choreographierte, äußerst überzogen brutale Szenen und löst all die Versprechen ein, die man sich den gesamten Film über schon gewünscht hätte bei einem stimmigen Mix aus witzigen Momenten, passenden Handlungswendungen und einem hohen Tempo.
                                  Das Finale, also die letzten gut 15-20 Minuten, sind es dann schließlich, die nach vorangegangenen Stotterern im Erzählmotor nochmal unglaublich viel rausreißen. Vaughn lässt seiner Inszenierungswut endlich vollständig freien Lauf, reiht einen herrlichen bis genialen Einfall an den nächsten und bietet einen dermaßen unterhaltsamen, furiosen wie brachialen Schlussakt, dass man eigentlich nur pure Begeisterung empfinden kann.
                                  Beim Cast liegt Vaughn ebenfalls kein bisschen daneben. Colin Firth ist hervorragend als vornehmer Gentleman-Agent, der bei Bedarf in den physischen Auseinandersetzungen ans Äußerste gehen kann. Michael Caine ist Michael Caine, Mark Strong liefert vor allem im späteren Verlauf eine wirklich tolle Leistung und Samuel L. Jackson in der Rolle des herrlich überzogenen Bösewichts war länger nicht mehr so überzeugend wie hier. Interessant ist auch Newcomer Taron Egerton in seiner ersten großen Hauptrolle, die der junge Darsteller ebenfalls einwandfrei meistert und dem die Gratwanderung zwischen komisch und ernst im Gegensatz zum Film selbst immer gelingt.
                                  "Kingsman: The Secret Service" bleibt alles in allem ein wenig hinter den Erwartungen und vor allem dem eigenen Potential zurück. Regisseur Matthew Vaughn lässt die Hunde viel zu lange an der Leine und auch wenn der Film als ganzes noch als kurzweiliges Vergnügen durchgeht, sind es erst das letzte Drittel und vor allem das brillante Finale, welche erahnen lassen, was für einen famosen Kult-Kracher man hier hätte abliefern können.

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                                  • 8

                                    Nach seinen ersten Gehversuchen in kleineren, sehr kurzen Filmen konnte sich David Lynch, der sich ursprünglich ausschließlich der Malerei hingab, einen Traum erfüllen. Das American Film Institute stellte ihm 5.000 Dollar zur Verfügung, mit denen er einen Kurzfilm ganz nach seiner eigenen Vorstellung drehen durfte.
                                    Das Ergebnis ist "The Grandmother", ein 33-minütiges Werk, in dem Lynch bereits alle Stilmittel unterbringt, die seine darauffolgenden, längeren Filme, vor allem "Eraserhead", prägen sollten. Dabei verwendet er stilistisch real gefilmte Szenen, in die er immer wieder Stop-Motion-Abfolgen von Trick-Sequenzen einfügt, die in ihrer Art ebenfalls aus Lynch´s Ursprüngen als Maler gestaltet sind, sowie befremdliche Klänge, Geräusche und Laute, die den ungewöhnlichen Charakter des Streifens optimal untermalen und die sphärische, traumähnliche Atmosphäre festigen, die Lynch weiterhin durch beinahe alle seine folgenden Werke verfolgt.
                                    Die sehr düsteren Szenenfolgen, die in ihrer stark surrealen, oftmals abstrakt wirkenden Umsetzung einen ziemlich bedrückenden Eindruck erzeugen, verwendet Lynch allerdings nicht ausschließlich für unzusammenhängende Kunstfetzen. Viel eher liegt dem Regisseur bereits hier eine Geschichte am Herzen, die er auf eine für ihn ganz eigene Weise erzählen möchte.
                                    Die Handlung um einen kleinen Jungen, der scheinbar von seinen Eltern misshandelt wird, da er immer noch ins Bett macht und sich daraufhin durch besondere Samen eine liebevolle Großmutter heranwachsen lässt, bringt Lynch´s Vorliebe für tragische Schicksale und menschliche Gefühlslagen zum Vorschein und zeigt neben der außergewöhnlichen, seltsamen Handschrift viel mehr als nur einen abstrakten Künstler, der nichts von menschlichen Aspekten versteht.

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                                    • 7

                                      Ein Blick auf das (deutsche) Cover und die zugrunde liegende Handlungsbeschreibung stimmen zunächst wenig optimistisch. Zu sehr lässt beides auf ein abgestandenes, generisches B-Horror-Filmchen schließen, als welches sich "The Canal" letztendlich aber kaum entpuppt.
                                      Viel mehr nutzt Regisseur Ivan Kavanagh bekannte Genre-Versatzstücke - das Haus mit Mordvergangenheit, in dem es augenscheinlich spukt, ein dem Wahnsinn nahe stehender Protagonist, möglicherweise verfluchte Filmaufnahmen, mysteriöse Geräusche und seltsame Halluzinationen -, um aus diesen einen äußerst effektiven, tatsächlich gruseligen Film nach größtenteils alter Schule zu basteln.
                                      Es fängt bereits damit an, dass Kavanagh sein Werk aus dem reinen Horror-Mantel herauslöst, indem er seine Geschichte nach anfänglich gemächlicher Einführung in einen mitreißenden Mix aus Psycho-Thrill und tragischem Drama führt. Durch die gelungenen Schauspielleistungen wirken die Figuren deutlich mehrdimensionaler als in üblichen Genre-Vertretern, die lediglich darauf aus sind, diese dem nächsten Schockeffekt oder möglichst brutalen Tötungsakt auszuliefern.
                                      Kavanagh, und das unterstreicht die gelungene Inszenierung, bei der auf überreizende Jump-Scares verzichtet und stattdessen auf atmosphärisch markante Stilmittel wie Lichtsetzung, Sound-Gestaltung und angsteinflößende Bildkompositionen gesetzt wird, ist wirklich daran interessiert, in die Psyche seiner Hauptfigur einzutauchen. Durch surreale Traumsequenzen, treffsicher platzierte Schockmomente und die ein oder andere heftige Einlage gelingt ihm das auch und er schafft es, für angenehm altmodischen Grusel zu sorgen, der mehr durch die panische und beunruhigende Atmosphäre, als durch Gewalt oder scheppernde Toneffekte bestimmt wird.
                                      Im Schlussakt legt der Regisseur dann sogar nochmal einen Takt zu und begibt sich durch den Einsatz moderner Effektnutzung fast schon auf Terror-Niveau. Auch wenn die zentrale Auflösung durchaus etwas mehr Pepp vertragen hätte und nicht allzu viele Genre-Fans großartig überraschen dürfte, ist das richtige Ende nochmal durchaus gelungen, schließt die Geschichte mehrdeutig und passt somit einwandfrei in das Gesamtbild des Films, das den Zuschauer aufgrund des Spiels mit altbekannten Genre-Mustern ohnehin ständig in die Irre führt.
                                      "The Canal" ist immer noch ein gutes Stück entfernt von einer richtigen Horror-Offenbarung und auch von einem Highlight kann man kaum sprechen. Der überwiegend klassisch, stilbewusst inszenierte Film ist aber trotzdem deutlich besser, als man zunächst vermuten könnte und versetzt den Zuschauer durch die gekonnte Regie, die starken Figuren und eine angsterzeugende, immer wieder irritierende Atmosphäre in die richtige Stimmung, um kurzweilig und gelungen von diesem Genre-Film beglückt zu werden. Und von wie vielen Exemplaren aus dem mittlerweile regelrechten Sumpf abgestandener, billig zusammengeschusterter Massen-Horror-Ware lässt sich das noch behaupten?

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                                      • 7

                                        Tief im verschneiten Norwegen begibt sich Stellan Skarsgård auf einen kompromisslosen Rachefeldzug. Regisseur Hans Petter Moland legt seinen mitunter grotesken Thriller "Kraftidioten" zunächst als geradlinigen Revenge-Actioner an, bei dem die Hauptfigur einen bösen Schergen nach dem anderen aus dem Weg räumt.
                                        Dabei inszeniert der Regisseur das Geschehen schnörkellos, ruhig und mit der ein oder anderen äußerst trockenen Pointe gewürzt, aber alles andere als abwechslungsreich oder besonders mitreißend.
                                        Moland reißt das Ruder allerdings spätestens nach der Hälfte nochmal merklich rum und ändert schlagartig den Handlungsrhythmus. Auf einmal rücken die Gangster selbst deutlich mehr in den Vordergrund und mit einer Mischung aus kühlem Gangster-Thriller und den beibehaltenen Einschüben von trockenhumorigen Spitzen konzentriert sich der Regisseur darauf, die unterschiedlichen Parteien gegeneinander auszuspielen sowie Intrigen einzufädeln, die wenig überraschend in neue, gewalttätige Eskapaden ausarten.
                                        Aufgrund der gut gewählten Darsteller, dem seltsamen, schrägen Handlungsgeflecht und der starken Kulisse wird man somit solide unterhalten, doch irgendwie fehlt dem Film einfach eine gewisse Stringenz, was ihm insgesamt einiges an Spannungspotential raubt. Gegen Ende zieht die Handlung nochmal an und vor allem das wüste Finale ist sehr gut gemacht, doch die spürbaren Durchhänger im Mittelteil machen aus "Kraftidioten" deshalb "nur" ein sehenswertes, skurriles Gangster-Rache-Thriller-Drama, das mit einem guten Cast, einer tollen Kulisse und einigen tollen Einzelszenen punktet, im Gesamtbild aber einige Schwächen besitzt. Es bleibt im Nachhinein der Eindruck, dass mit einem ausgefeilteren Drehbuch noch mehr drin gewesen wäre.

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                                        • 8

                                          Mit seinem Debüt "District 9" ist Regisseur Neill Blomkamp vor allem innerhalb der Science-Fiction-Fangemeinde erfreulich eingeschlagen und hat sich direkt großer Beliebtheit erfreut.
                                          Völlig nachvollziehbar, denn Blomkamp verbindet in seinem Werk gesellschaftskritische Ansätze, fantastische Effekte, harte Action und Dramatik zu einem kraftvollen Ganzen.
                                          Vor allem im ersten Drittel verwendet der Regisseur die meiste Zeit darauf, ein glaubwürdiges Setting zu kreieren, in dem Außerirdische in Johannesburg in Slums eingezäunt leben müssen. "District 9" versteht sich diesbezüglich als effektiv gezeichnete Parabel, die, basierend auf realhistorischen Ereignissen wie der Apartheid-Regierung Südafrikas, Thematiken wie Rassismus, Unterdrückung, Ausbeutung, Ausgrenzung und Abschiebung stimmig in einen originellen Science-Fiction-Mantel einbettet.
                                          Im weiteren Verlauf offenbaren sich im Handlungsverlauf kleine Unstimmigkeiten, wenn Blomkamp mit Body-Horror und Körper-Transformations-Dilemma genauso jongliert wie mit krachendem Action-Inferno, welches sich beinahe über das gesamte letzte Drittel zieht, doch angesichts einer Debüt-Arbeit kann man hier über solche Kleinigkeiten noch hinwegsehen.
                                          Hinzu kommt, dass sich Blomkamp inszenatorisch ebenfalls nicht festlegt und seinen Film so gemischt zwischen Mockumentary, Found-Footage und konventionellem Spielfilm umgesetzt hat, was dem Streifen eine gewohnungsbedürftige, aber in jedem Fall erfrischende und abwechslungsreiche Note verleiht.
                                          Dass der Film nur ein Budget von ungefähr 30 Millionen zur Verfügung hatte, macht sich abgesehen von limitierten Schauplätzen nie bemerkbar. Im Gegenteil, das insektenartige Alien-Design ist absolut großartig, die Action ist hervorragend choreographiert und vor allem bei der Gewaltdarstellung macht Blomkamp keine Kompromisse und lässt aufgrund der Lasertechnologie der Alienwaffen immer wieder den ein oder anderen Körper blutig zerplatzen.
                                          Beim Cast finden sich natürlich überwiegend unbekannte Namen wieder, doch Sharlto Copley funktioniert hervorragend in der Hauptrolle und trifft zwischen fast schon albernem, überheblichem Bürohengst, verzweifeltem Opfer und entschlossenem Einzelkämpfer alle richtigen Töne.
                                          "District 9" ist ein furioses Debüt, das von der kompromisslosen Herangehensweise und thematisch ausgefeilten Handlungsgestaltung des Regisseurs lebt. Neill Blomkamp hat sich für seinen ersten Langfilm viel zugemutet und balanciert nicht alle Elemente immer gleichermaßen ausgeglichen. Seine Rassismus-Parabel im Gewand eines Science-Fiction-Action-Thriller-Dramas ist aber so stimmungsvoll inszeniert, mit fantastischen Effekten ausgestattet und überzeugend gespielt, dass der damals ausgelöste Hype auch heute noch nachvollziehbar ist.

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                                          • 9

                                            J.C. Chandor ist einer dieser Regisseure, welcher sich bereits mit seinem fantastischen Debüt "Margin Call" eine völlig eigene, unverwechselbare Handschrift angeeignet hat. Nun bündelt Chandor nach dem ultra minimalistischen Überlebenskampf "All Is Lost" für sein mittlerweile drittes Werk "A Most Violent Year" markante Elemente aus seinen vorherigen Arbeiten und liefert mit dem genial-reduzierten, ruhig inszenierten und vor subtiler Spannung fast schon platzenden Thriller-Drama ein wunderbares Glanzstück für Freunde klassischer Gangster- und Milieustreifen.
                                            Dabei funktioniert der Film ebenso als äußerst authentisches Porträt eines New York City der angehenden 80er Jahre, das langsam von Korruption und Kriminalität geflutet wird, wie als eindringliche Charakterstudie, in dessen Mittelpunkt ein Geschäftsmann steht, der um seine Existenz kämpfen muss.
                                            Wie man es bereits fast schon von ihm gewohnt ist, treibt Chandor sein Ensemble zu absoluten Höchstleistungen an. Im Fokus ist Oscar Isaac als Abel Morales, der zwischen Beruf und Familie stehend trotz Überfällen, Korruption und Gesetzeskonflikten, die sein Geschäft belasten, auf möglichst legale Weise einen Durchbruch erzielen will. Neben Isaac, der womöglich nie besser agiert hat wie hier, bekommt man noch eine ebenfalls fantastische, teils ungewohnt kalte Jessica Chastain, die als Ehefrau von Abel zwar weniger Screentime erhält, dafür aber in diversen sehr entscheidenden Momenten eine Art Fels in der Brandung ist, was auch eine Verbindung zu den kriminellen Wurzeln innerhalb ihrer Familie zieht. In kleineren Nebenrollen begeistern außerdem noch David Oyelowo, Albert Brooks und Elyes Gabel.
                                            Chandor legt erneut einen zutiefst zurückgenommenen, langsamen Erzählstil an den Tag, bei dem er in perfekt gefilmten Szenen und unterstützt von einem wundervollen Score eine extreme Anspannung und Unruhe erzeugt, während sich die Schlinge um den Hals von Hauptfigur Abel immer fester zuzieht. Auch wenn der Streifen in höchstem Maße charakter- und dialoggetrieben ist, lässt der Regisseur die Atmosphäre in ganz rar gesähten Momenten auf erschütternd intensive Weise explodieren, was in herausragend inszenierten Spannungsmomenten resultiert, die aufgrund der ansonsten zurückhaltenden Art des Streifens umso mehr einschlagen. Mit vollendeter Konsequenz führt Chandor sein Werk zudem zu einem höchst beeindruckenden wie deprimierenden Schluss, der kaum stimmiger sein könnte.
                                            Mit "A Most Violent Year" hat J.C. Chandor seinen bisher wohl stimmigsten, besten Film geschaffen. Das unglaublich stark gespielte, makellos inszenierte wie ausgestattete Thriller-Drama vereint unglaublich treffsichere Milieustudie und elegisches, von subtiler Hochspannung durchzogenes Charakterstück zu einem beeindruckenden Meisterstück von klassisch-altmodischem Schlag, mit dem sich der Regisseur weiterhin als einer der interessantesten Filmemacher der Neuzeit beweist.

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                                            • 6 .5

                                              Dem ersten Anschein nach bedient Michael Goldbach in seinem Film "Daydream Nation" gängige Indie-Tragikomödien-Klischees.
                                              Typische Elemente wie gefühlvolle Songs, die stimmungsunterstreichend eingesetzt werden und eine Art Coming-of-Age-Geschichte, die sich um die Probleme einer heranwachsenden Teenagerin drehen, lassen sich auch hier deutlich erkennen. Trotzdem macht sich relativ früh bemerkbar, dass der Film dann doch irgendwie nach seinen eigenen Regeln spielt und immer wieder äußerst seltsame Details, beispielsweise ein Serienkiller oder ein nicht löschbarer Chemiebrand, in die Haupthandlung eingestreut werden. Immer wieder wirkt "Daydream Nation" inhaltlich so zunehmend zerfaserter und unausgeglichener, zerfällt in kleinere Nebengeschichten und erzeugt gerade dadurch einen eigenartigen wie gleichzeitig interessanten Erzählfluss, bei dem man nie wirklich sicher ist, was man nun davon halten soll. Auch die Figuren erscheinen teilweise wie Abziehbilder aus üblichen Teenie-Filmen, offenbaren aber stellenweise doch vielschichtigere Charakterzüge.
                                              Es gestaltet sich insgesamt ziemlich schwierig, diesen Streifen zu beschreiben. Auf der einen Seite bedient er verbrauchte Klischees, auf der anderen Seite werden genau diese Klischees wiederum ironisch gebrochen und mit so manch surrealer, merkwürdiger Randnotiz angereichert. "Daydream Nation" lässt sich kaum in vorgefertigte Schubladen einordnen, ist manchmal etwas nervig und irritierend, aber auch mitreißend, unterhaltsam, teilweise fantastisch inszeniert und gut gespielt. Den internationalen Vergleichen mit David Lynch oder "Donnie Darko" kann der Film nicht standhalten, doch er bleibt trotzdem eine skurrile, kleine Abwechslung mit Ecken und Kanten, die vielen aufgrund der Andersartigkeit zusagen dürfte.

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                                              • 8

                                                Regisseur Damián Szifron schuf mit seinem Werk "Relatos salvajes" einen Episodenfilm, der in sechs kurzen Geschichten zwischenmenschliche Entgleisungen innerhalb verschiedener Gesellschaftsschichten aufzeigt.
                                                Seine überaus gelungene Kurzfilmsammlung, in der jede der einzelnen Episoden handwerklich exzellent inszeniert ist, reichert Szifron mit einer gehörigen Portion schwarzen Humors an. In so gut wie jeder der sechs Kurzgeschichten beschreitet der Regisseur dabei gekonnt einen schmalen Grat zwischen zynischen Pointen, ehrlicher, menschlicher Tragik und subtilen Spitzen gegen gesellschaftliche oder politische Missstände in seinem eigenen Land.
                                                Es würde sich natürlich anbieten, auf jede Episode einzeln näher einzugehen, doch diese sind inhaltlich so kreativ, intelligent wie überraschend in ihren Wendungen, dass sie jeder Zuschauer für sich selbst unvoreingenommen erleben sollte. Oft wird man sich bei der Sichtung dann auch selbst dabei ertappen, wie man sich Fragen stellt wie "Würde ich nicht vermutlich genauso handeln?". Das stetige Verschieben von Identifikationsfiguren innerhalb der Episoden gelingt Szifron dabei ganz ausgezeichnet und oft wechseln eventuelle Sympathien für manche Figuren schneller, als man es für möglich gehalten hätte.
                                                Natürlich gibt es, wie es bei Episodenfilmen meist der Fall ist, kleinere Qualitätsschwankungen, doch grundsätzlich sind sämtliche dargebotenen Geschichten gut (Episode 1 und 2), sehr gut (Episode 4 und 5) bis teilweise überragend (Episode 3 und 6).
                                                Am Ende ist es dabei fast schon ein wenig überraschend, dass "Relatos salvajes" trotz seiner oft überaus bissigen, aneckenden Machart sogar für den besten fremdsprachigen Oscar nominiert wurde, den er mit Sicherheit verdient gehabt hätte. Damián Szifron ist ein sehr unterhaltsamer, aber auch nachdenklich stimmender, toll inszenierter wie gespielter Episodenfilm gelungen, der zwischen amüsantem Zynismus, einfühlsamer Tragik und treffsicherer Gesellschaftskritik durchwegs die richtigen Töne anschlägt.

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                                                • 8 .5

                                                  Da er nach den massiven Eingriffen in sein "Oldboy"-Remake sicherlich zurecht genervt war von Studio-Einschränkungen, nutzte Regisseur Spike Lee für sein nächstes Projekt das momentan recht beliebte Crowdfunding, um "Da Sweet Blood of Jesus" zu weiten Teilen über die Kickstarter-Plattform zu finanzieren.
                                                  Sichtlich befreit von beengenden Vorgaben und limitierenden Richtlinien wirkt Lee in diesem Film dann auch wie entfesselt. Seine moderne Sichtweise auf den Vampir-Mythos, wiederum ein Remake des eher unbekannteren "Ganja & Hess" aus den 70ern, ist ein völlig unkontrollierter Rausch aus visueller Brillanz, einem kongenialen Soundtrack-Mix, tollen Performances und einer wilden Mischung aus unterschiedlichen Genres sowie Gefühlsrichtungen.
                                                  Die Geschichte um einen afroamerikanischen Gelehrten, der durch ein verfluchtes Artefakt einen unstillbaren Durst nach Blut entwickelt, ist zugleich ein Drama um Sucht und Abhängigkeit wie auch eine charaktergetriebene Romanze. Lee bewegt sich im Erzählton eng zwischen stillem, edel inszenierten Arthouse-Anspruch, ungezügelten Exploitation-Elementen, die durch plötzliche Sex- und Gewalteinschübe in den Film einbrechen und auch einigen humorvollen Momenten. Dabei wirft der Regisseur musikalisch New-School-Hip-Hop von ungesignten Künstlern, brasilianischen Jazz oder wunderschön komponierte Piano-Melodien in den Ring, was den ohnehin sehr schwer festzulegenden Streifen definitiv zu einer außergewöhnlichen, speziellen Seherfahrung macht, die mit Sicherheit nicht jedem gefallen dürfte.
                                                  Gerade aber seine überraschende Unvorhersehbarkeit und der rotzige Independent-Faktor, mit dem Spike Lee seinen "Da Sweet Blood of Jesus" inszeniert hat, sorgen für einen ausgezeichneten, schwer unterhaltsamen und trotzdem äußerst gut gespielten Streifen. Von den Studio-Fesseln befreit hat sich der Regisseur einfach mal wieder so richtig ausgetobt und dadurch ein Werk geschaffen, das zu den originellsten Seherfahrungen der letzten Zeit zählt.

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                                                  • 5 .5

                                                    "Escape from Tomorrow" von Randy Moore ist eines dieser Werke, bei denen die Hintergrundgeschichte eigentlich genauso interessant ist wie der Film an sich.
                                                    Ohne offizielle Genehmigung drehte die Crew im Guerilla-Style Material im realen Disneyland in Paris. Aus diesen Aufnahmen und anderem Material puzzelte sich der Regisseur anschließend eine surreale Farce zusammen, mit der er den Konzern Disney scheinbar als Hort des Wahnsinns und der Korruption darstellen möchte.
                                                    Leider ist "Escape from Tomorrow" als Gesamtwerk betrachtet einer dieser Fälle, bei denen ein schaler Nachgeschmack bleibt, da massiv Potential verschenkt wurde. Während der Film in der ersten Hälfte noch eine reichlich bizarre, interessante Atmosphäre mit einigen durchaus gelungenen Momenten erzeugt, verläuft sich das Geschehen zunehmend in wahllos erscheinendem, beliebigem Surrealismus, der ohne richtige Schlagkraft und Wirkung verpufft. Zudem wurde das Konzept nur halbherzig durchgezogen und oftmals sieht man deutlich, dass mit (billigem) Greenscreen nachgeholfen wurde, was ebenfalls einen faden Beigeschmack erzeugt. Auch die Musikuntermalung, die anfangs sehr stimmig ist, wird später viel zu stark überzogen und überlädt das Werk.
                                                    Roy Abramsohn passt hingegen gut in die Hauptrolle und verleiht dem seltsam sprunghaften Erzählton immer wieder eine unterhaltsame Note, wobei man auch hier teilweise nicht genau weiß, ob manche Szenen lustig gemeint waren oder eher unfreiwillig komisch geraten sind.
                                                    Auch wenn das Konzept vielversprechend ist und der Film, vor allem in der ersten Hälfte, einige wirklich gelungene Szenen offenbart, ist "Escape from Tomorrow" insgesamt nur mittelmäßig geworden, da der kraftlose, beliebig wirkende Surrealismus irgendwann eher nervt anstatt mitreißt, verwirrt oder verstört.

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