Patrick Reinbott - Kommentare

Alle Kommentare von Patrick Reinbott

  • 7 .5

    Spike Jonze ist der Regisseur für unkonventionelle, außergewöhnliche Stoffe. Seine Adaption des Kinderbuchs "Where the Wild Things Are" von Maurice Sendak ist demnach auch kein reiner Kinderfilm, sondern eine fantasievolle, verspielte Parabel über das Kindsein an sich.
    Max ist ein kleiner Junge, der voller Energie und Aufmerksamkeitsdrang steckt und durch sein hohes Geltungsbedürfnis Probleme mit seiner Familie hat. Nach einer Auseinandersetzung flüchtet er sich in eine Fantasiewelt, in der er auf eine Gruppe wilder Fabelwesen trifft, die allesamt ebenfalls ihre eigenen Probleme haben.
    Über surreale, eindrucksvolle Bilderwelten nähert sich der Film dem Innenleben von Max an. Zusammen mit dem wunderschönen Soundtrack kreiert Jonze einige wirklich tolle Montagen und Momente, die einem die aufregenden Aspekte der Kindheit wieder etwas näher bringen. Gespickt mit einigen Skurrilitäten und den teilweise neurotischen Charaktereigenschaften der kauzigen Fabelwesen ist "Where the Wild Things Are" aber nur bedingt ein Werk, das ausschließlich für Kinder geeignet ist, sondern viel mehr aufschlussreich für erwachsenere Zuschauer, die sich gerne ein Stück ihrer eigenen Kindheit bewahren.
    Alles in allem fehlt dem Film letztlich nur der große, besondere Funke, den die meisten anderen Werke von Spike Jonze versprühen. Er schafft es zwar, einem Kinderbuch seinen ganz eigenen Stempel aufzudrücken und sich seine künstlerische Eigenheit zu bewahren, doch die Gratwanderung zwischen aufregender Kindheitsfantasie und lehrreicher Abhandlung über zwischenmenschliche Schwierigkeiten, die in Form des problematischen Wesens von Max selbst und den teilweise schwer zugänglichen Fabelwesen gezeigt werden, gelingt nicht immer perfekt.
    "Where the Wild Things Are" macht aber trotzdem viel richtig. Spike Jonze kreiert seine ganz eigene Vision eines Kinderbuchs, verpackt die Fantasien, Träume, Wünsche und Sorgen eines kleinen Jungen in kreative Bilderwelten und erschafft so ein märchenhaftes, skurril angehauchtes Abenteuer für die Kleinen, aber noch viel mehr für die Großen.

    12
    • 8

      Mit "Kis uykusu" konnte sich Regisseur Nuri Bilge Ceylan dieses Jahr die goldene Palme beim Filmfestival in Cannes sichern. Eine Auszeichnung, die bisher selten daneben lag und von der großen Qualität des jeweils prämierten Werks zeugte.
      Es ist eine regelrecht zermürbende Filmerfahrung, die Ceylan mit diesem Drama schuf. Zermürbend nicht wegen der langen 196 Minuten, die dieser Film dauert und bei denen man jede einzelne aufgrund der langsamen Erzählweise spürt, sondern in erster Linie wegen den gedehnten, ausufernden Dialogpassagen, in die Ceylan seinen Film einteilt.
      Schon früh zeichnet sich ab, dass hier keine wirkliche Geschichte erzählt werden soll. Viel mehr inszeniert Ceylan ein Charakterstück, es geht ihm um die Figuren. Diese zu schildern, innerlich zu sezieren und zu verformen ist das Anliegen des Regisseurs.
      Hierfür lässt er sein Ensemble in langen Dialogszenen immer wieder aufeinander prallen. Situationen, die zunächst dem schlichten Alltag entspringen, sorgen dafür, dass sich die Figuren mit ihrem Dasein auseinandersetzen müssen oder in ihren moralischen oder charakterlichen Überzeugungen erschüttert werden.
      Hauptfigur Aydin, ein gealterter, ehemaliger Theaterschauspieler, der nun ein Hotel besitzt, wirkt zunächst sympathisch aufgrund seiner ruhigen Art und der weichen Gesichtszüge. Stück für Stück offenbart sich, was für ein Mensch dieser Aydin eigentlich wirklich ist, wenn man erlebt, wie er mit seinen Mitmenschen umgeht, vor allem, wie er mit ihnen spricht. Seine Ehefrau Nihal ist wunderschön, deutlich jünger als er und kümmert sich um die Unterstützung von Hilfsprojekten oder ehrenamtliche Tätigkeiten. Zwischen Aydin und Nihal herrscht eine frostige Atmosphäre, aber auch sie könnte man aufgrund ihrer Ambitionen für eine ehrenwerte Frau halten. Doch auch bei ihr offenbaren sich Macken, tiefe Risse und spät im Film macht Ceylan dem Zuschauer in einem schockierenden wie aufrüttelnden Abschnitt deutlich, wie wenig Nihal eigentlich von ihrer Tätigkeit versteht, wenn sie mit den direkten Ausmaßen konfrontiert wird. Eine weitere maßgebliche Figur ist Aydin´s Schwester Necla, die einen alkoholabhängigen Ex-Mann hat und ohne irgendwelche Beschäftigung gelangweilt in den Tag hinein lebt. Auch hier wird es natürlich noch eskalieren.
      Immer wieder möchte man fast selbst dazwischen gehen als Zuschauer, wenn Ceylan erneut eine seiner scharf gezeichneten, pointierten Dialogpassagen über 15-20 Minuten erstreckt. Wünscht man sich, eine der Figuren würde endlich nachgeben, aufwachen oder inne halten. Hofft man, dass Ceylan ihnen zumindest so etwas wie Erlösung oder eine Form von Klarheit oder Erkenntnis gewährt.
      Die Auseinandersetzungen sind direkt, entlarvend, konsequent und niederschmetternd, ähnlich wie der Film an sich, der es einigen Zuschauern schwer machen dürfte. Trotzdem zieht der Regisseur gerade aus diesen eine zehrende Intensität und unterschwellige Spannung, zudem werden die Figuren durch die Bank weg fantastisch gespielt und die Schauspielleistungen sind mitunter von meisterhafter Güteklasse.
      Zwischen den gekonnt ausgeleuchteten Dialogszenen, die jeweils wie in sich geschlossene Kammerspiele wirken, liefert Ceylan zudem tolle Panoramabilder der eindrucksvollen Landschaften und reduziert den Einsatz von Musik auf ein Minimum.
      Am Ende hinterlässt Nuri Bilge Ceylan den Zuschauer mit seinem epischen, schweren Drama "Kis uykusu" mit offenen Fragen und zugleich erhellenden Erkenntnissen. Nicht alle aufgeworfenen Konflikte und thematisch weitreichenden Denkanstöße werden befriedigend zusammengeführt oder aufgeklärt. Trotzdem gelingt es dem Regisseur in seinem präzise inszenierten und mit ausufernden Dialogszenen angereicherten Film, dass man über seine Figuren mehr erfährt, als vielleicht über manche Menschen, die man schon sein eigenes Leben lang kennt, was trotz manch zäher Momente und der etwas sperrigen Grundatmosphäre sehr viel wert ist und nachdenklich stimmt.

      11
      • 7

        Da Wes Craven unzufrieden war über die immer mehr in eine komödiantische, alberne Richtung abdriftende Entwicklung der von ihm geschaffenen Figur Freddy Krueger, kehrte er für den 7. Teil des Franchises persönlich auf den Regie-Stuhl zurück.
        Craven besinnt sich auf die Ursprünge der Reihe zurück und führt Freddy dadurch wieder in die ernste, bedrohliche Position, die er bereits im Erstling inne hatte. Vor allem aber zelebriert der Regisseur seine Liebe zu den Figuren und den Mythen, die er erschaffen hat und huldigt allgemein dem Horror-Genre, seinem Genre.
        Hierfür hüllt er diesen finalen Teil in eine Verpackung, die mit verspielten Meta-Anleihen und cleveren Erzählkniffen angereichert ist, setzt aber vor allem auf eine durchwegs bedrohliche, ernsthafte Atmosphäre, bei der er jeglicher Art von Humor keinen Spielraum lässt und bei der Freddy selbst lange Zeit gar nicht zu sehen ist, sondern über reine Andeutung seiner Präsenz für Grusel sorgt.
        Craven lässt hier zwar schon leicht durchblitzen, in welche meisterhaften Ebenen er seine selbstreflexiven, cleveren Meta-Konstruktionen im später folgenden Meisterwerk "Scream" noch führen wird, doch "New Nightmare" funktioniert über weite Strecken trotzdem in erster Linie als geradliniger Horror-Thriller, dem seine Figuren wichtig sind. Gegen Ende und vor allem im Finale trägt Craven zwar etwas arg dick auf, doch insgesamt ist ihm ein versöhnlicher, qualitativ hochwertiger Abschluss für das von ihm geschaffene Franchise gelungen.

        11
        • 9

          Jim Carrey ist ein Phänomen unter den zahlreichen US-Comedians. Heutzutage kräht fast kein Hahn mehr nach ihm und seine besten Zeiten scheinen hinter ihm zu liegen. Vor allem aber in den 90ern gelangen ihm eine Reihe großer Erfolge, in denen er die Leute mit seinen bizarren Grimassen zum Lachen brachte. Doch es gibt auch noch einen anderen Jim Carrey, einen geerdeten Charakterdarsteller, der in Filmen wie "The Truman Show", "Eternal Sunshine of the Spotless Mind" oder eben "Man on the Moon" völlig neue Seiten von sich zeigte.
          Milos Forman huldigt in seinem Biopic einem der schrägsten, außergewöhnlichsten Künstler, welcher in den 70ern in den USA regelmäßig für Furore sorgte. Andy Kaufman erhitzte die Gemüter des Publikums, er war ein Grenzgänger, der Fans sowie Gegner mit seinem speziellen, anarchischen (Anti-)Humor, seltsamen Alter Ego´s und inszenierten Spektakeln vor den Kopf stieß.
          Man könnte bemängeln, dass Forman sich zu stark auf die Kunstfigur Andy Kaufman spezialisiert. Über den Privatmensch Andy Kaufman erfährt man als Zuschauer nur sehr wenig. Genau darin liegt aber eigentlich noch eine weitere Facette dieses liebevoll gestalteten Biopics, denn wahrscheinlich nicht einmal Kaufman selbst war sich bewusst, wer er eigentlich war. Stattdessen konstruiert Forman verschiedene Auftritte und Stationen von Kaufman´s Karriere nach, zeigt einfach dessen bizarre Auftritte, ohne ein klares Urteil abzugeben.
          Eine richtige Komödie ist der Film aber auch nicht, denn durch die detailgetreue Abbildung von Kaufman´s sehr spezieller Art ist Forman eher ein universelles Werk gelungen, das einen höchst interessanten Menschen beleuchtet, der sich nie verkauft hat, seine Vision zu jedem Zeitpunkt voll durchzieht und dabei oftmals einen Kampf zwischen eigener, künstlerischer Persönlichkeitserhaltung und kommerziellem Ausverkauf führen muss.
          Jim Carrey erweist sich in der Hauptrolle als absolute Idealbesetzung. Die Figur deckt ein weites Spektrum von Eigenschaften ab und trotzdem bringt Carrey sowohl die grotesk überzogenen, albernen, aber auch die introvertiert-verschüchterten und nachdenklich-gefühlvollen Facetten dieses Charakters perfekt rüber und begeistert mit einer vielschichtigen Performance, die sich zu seinen besten zählen darf. In Nebenrollen punkten zudem Darsteller wie Danny DeVito, Paul Giamatti oder Courtney Love.
          Am Ende ist "Man on the Moon" von Milos Forman ein besonderes, mit Respekt, Würde und Leidenschaft umgesetztes Biopic über einen außergewöhnlichen, interessanten, anstößigen sowie sensiblen Künstler, der sich stets treu geblieben ist. Eine inspirierende Ode an ein individuelles, kraftvolles Künstlerdasein, ein Statement für kommerzielle Unabhängigkeit und eine Liebeserklärung an seine Hauptfigur, welche durch die kompromisslose Herangehensweise des Regisseurs und die brillante Darbietung von Jim Carrey untermauert wird.
          "You don't know the real me. - There isn't a real you. - Oh yeah, I forgot."

          19
          • 7

            Jason Reitman hinterlässt in seinem beschwingt-frischen Regiedebüt "Thank You for Smoking" direkt mehrere Ansätze, die ihn als talentierten Regisseur klassifizieren.
            Seine Satire beleuchtet das Leben und die Arbeit eines Lobbyisten der Tabakkonzerne, der stets auf der Schwelle zwischen beruflichem Einsatz und persönlicher Überzeugung steht und dabei natürlich einiges an Gegenfeuer abblocken muss.
            Reitmans erster Film besticht durch seine Mischung aus massentauglicher, kurzweiliger Mainstream-Unterhaltung sowie anregenden, mitunter wirklich bissigen, satirischen Spitzen gegen Lobbyismus, Politik, Filmgeschäft und Medienwelt.
            Genau diese Gratwanderung ist es allerdings auch, mit der sich Reitman ein wenig selbst ein Bein stellt. Einige der eingestreuten Gags schießen leicht über das Ziel hinaus, zudem ist der Film zwar oftmals witzig, in seiner satirisch entlarvenden Funktion aber nicht konsequent und böse genug. Vor allem im späteren Verlauf greift das Element der familienkompatiblen, lockeren Standard-Komödie etwas zu stark über und verweigert dem Film gegen Ende somit noch schärfere Zoten oder gar finale, aufrüttelnde Zuspitzungen, die bei der eingeschlagenen Thematik und Herangehensweise wünschenswert gewesen wären.
            Ganz und gar verlassen konnte sich Reitman in seinem Debüt aber bereits auf eine hochwertig zusammengewürfelte Schauspielriege, bei der neben einem souveränen Aaron Eckhart in der Hauptrolle auch Darsteller wie J. K. Simmons, William H. Macy, Rob Lowe und noch einige weitere wirklich gekonnt aufspielen.
            "Thank Your for Smoking" ist kurzweilige Unterhaltung mit satirisch angereicherten Untertönen, bei der sich Jason Reitman aufgrund des leicht unentschiedenen Drehbuchs nur etwas verzettelt hat und sich nicht konsequent genug zwischen bissiger Satire und seichter Komödie festlegen wollte. Trotzdem ist der Film oftmals witzig, hinreißend gespielt und überzeugend inszeniert. Dass Reitman noch mehr kann, hat er außerdem danach noch zu Genüge unter Beweis gestellt, so dass ihm diese erste lockere Fingerübung auf jeden Fall als wirklich positiv angerechnet werden kann.

            8
            • 3
              • 7 .5

                Jemaine Clement und Taika Waititi schaffen es, mit ihrer schrägen Mockumentary "What We Do in the Shadows" dem Vampir-Genre frische Impulse zu verleihen.
                Durch ein angeheuertes Doku-Team erhalten wir in dieser Horrorkomödie einen Einblick in das WG-Leben von vier Vampiren, die allesamt ihre eigenen Charaktereigenschaften und vor allem Macken haben.
                Clement und Waititi ziehen den Charme ihres Films vor allem aus der wirklich sympathischen Figurenkonstellation, den gekonnt eingestreuten Referenzen auf geschichtliche Vampir-Mythen, die das Regie-Duo immer wieder amüsant persifliert oder mit gesellschaftlichen Marotten kombiniert, sowie vor allem durch Humor der schwärzesten Sorte, der häufig für gehörige Lacher sorgt.
                Dabei ist ihr Film erzählerisch nicht immer komplett stimmig, verlässt sich anstatt auf eine durchgängige Handlung eher auf eine Reihe von Einzelszenen, die lose verbunden werden und auch das Doku-Team, welches den Alltag der Vampire verfolgt, hätte ruhig noch etwas aktiver in den Handlungslauf eingebunden werden können.
                Das war es dann aber auch schon mit der Kritik, denn ansonsten ist "What We Do in the Shadows" oftmals einfach zu unterhaltsam mit seinen abgedrehten Ideen, einigen albernen Slapstick-Einlagen, dem mitunter richtig bösen Humor und den zutiefst sympathischen Figuren, die untereinander eine herrliche Chemie entwickeln. Alleine aufgrund der eingestreuten Verweise auf gängige (Klischee-)Vampir-Mythen und der respektvollen wie witzigen Herangehensweise an das Genre ist der Film für Fans von selbstironischen Vampir-Streifen auf jeden Fall eine Empfehlung und aufgrund der kurzen Laufzeit von 80 Minuten ohnehin ein kurzweiliger Spaß.

                13
                • 8

                  In "Zeit der Kannibalen" wirft Regisseur Johannes Naber einen schonungslosen, bissigen, unterhaltsamen sowie zugleich abschreckenden Blick auf die Welt der Unternehmensberater.
                  Kai Niederländer und Frank Öllers, zwei Unternehmensberater, reisen ständig um die Welt, halten sich praktisch ausschließlich in ihren Hotelzimmern oder Konferenzräumen auf. Zwischen Frühstück und Mittagessen beenden sie dabei in kurzen Meetings mitunter tausende Arbeitsverhältnisse und bringen Menschen an den Abgrund ihrer Existenz.
                  In fast schon kabinettstückartigen Kammerspielszenen setzt Naber seine Protagonisten in Szene. Die Dialoge der von Neurosen und rassistischen Vorurteilen geprägten Figuren reichen dabei von zynisch-bissig bis zu erschreckend ernst. Dabei wirkt "Zeit der Kannibalen" oftmals wie eine Groteske aus einer Parallelwelt, trifft die heutigen Zustände der von ausbeuterischem Kapitalismus und gleichgültiger Zwischenmenschlichkeit geprägten Wirtschaftswelt allerdings genau durch diese kompromisslose, aufrüttelnde Art präziser, als einem vielleicht lieb ist.
                  Musik wird äußerst spärlich eingesetzt und durch die sehr reduzierte, kammerspielartige Inszenierung lebt der Film hauptsächlich, neben dem fantastisch geschriebenen Drehbuch von Stefan Weigl, von den Schauspielleistungen. Naber treibt seine beiden Hauptdarsteller Sebastian Blomberg und Devid Striesow zu absoluten Höchstleistungen. Beide erschaffen mit ihren Leistungen verabscheuungswürdige Figuren, die trotz ihrer widerwärtigen Verhaltensweisen, fragwürdigen Methoden und herablassenden Äußerungen stets menschlich wirken, nie zu überzeichneten Karikaturen verkommen und sogar noch Raum für tiefergreifende Tragik bieten, die sich hinter ihren Charakteren verbergen. Dritte im Bunde ist außerdem noch eine tolle Katharina Schüttler als Bianca März, die als plötzlicher Neuzugang im Unternehmer-Team mit ihrer unvorhersehbaren Art zwischen kühler, aufstrebender Geschäftsfrau und unsicherem, von persönlichen Motiven geprägtem Mädchen für Zündstoff sorgt.
                  "Zeit der Kannibalen" ist mutiges, außergewöhnliches Kino aus Deutschland. Johannes Naber bohrt sich mit seiner bissigen Groteske mitten in das Herz des Spätkapitalismus, seziert seine Protagonisten, von Neurosen, Ängsten und Selbstsucht gezeichnete Geschäftsleute, die sich in ihren klimatisierten Hotelzimmern stets in Sicherheit wähnen, aufs Schärfste und geht seinen kompromisslosen Weg bis hin zum grandios fiesen Ende, bei dem endgültig sämtliche Masken fallen.

                  18
                  • 6

                    Mit "What Ti West did for the 70´s, Justin Russell has done for the 80´s" wird "The Sleeper", der den schmissigen deutschen Titel "College Killer - Gib acht, vor dem Hammermörder" erhalten hat, auf seinem Cover beworben.
                    Tatsächlich sieht man dem auf 80er-Retro gebürsteten Slasher von Justin Russell die Vorliebe des Regisseurs für schmutzige, harte Genre-Vorbilder der alten Schule an. Auch wenn sich Russell ein wenig zu sehr auf alteingesessene Slasher-Muster und stures Nachahmen verbeißt und so zu keinem Zeitpunkt an die souveräne Klasse eines Ti West heranreicht, stimmen bei dem Streifen die wesentlichen Punkte und sorgen so bei Genre-Fans für kurzweilige Unterhaltung für zwischendurch, nicht mehr und nicht weniger.
                    Die Optik stimmt, der Soundtrack mit einer Mischung aus klassischen Synthesizer-Melodien und älteren Songs (Music by Gremlin anstatt Goblin wie beim ehemaligen Maestro Argento) passt sehr gut und die Effekte sind handgemacht, wirken dadurch allerdings auch äußerst billig. Dass die Schauspieler hier allesamt eher durchschnittlich bis hölzern agieren, war in den meisten Genre-Perlen vergangener Tage auch nicht viel anders und hat niemanden gestört und so fällt es auch hier nur bedingt negativ ins Gewicht.
                    Störender ist da schon der etwas sehr redundante Handlungsverlauf mit einer Mischung aus Teenie-Techtelmechtel, Telefon-Terror, Psycho-Stalking und deftigem Gemorde, der meist nach dem immer gleichen Schema verläuft, bedingt Spannung erzeugt und vor allem mit einem von Beginn an eher unfreiwillig komischen Killer aufwartet, den man auf jeden Fall anders hätte gestalten sollen.
                    Spätestens wenn Russell im Mittelteil aber eine kurze Tanzeinlage einbaut, die praktisch völlig überflüssig und albern ist, aber trotzdem unglaublich charmant und sympathisch daher kommt, kann man ihm am Ende nicht wirklich böse sein. Insgesamt ist "The Sleeper" also eine kleine, nette Oldschool-Slasher-Hommage, die an einigen Mängeln krankt, mit der sich Justin Russell aber auf einem guten Weg befindet.

                    6
                    • 7 .5

                      "Sils Maria" von Olivier Assayas ist reduziertes Schauspiel- und Dialogkino, Reflexion über das Schauspielen an sich sowie präzise Beobachtung des heutigen Wechselverhältnisses zwischen Film- und Medienwelt zugleich.
                      Der Film funktioniert im weitesten Sinne vor allem über seine vielschichtigen Bedeutungsebenen, die hinter der eigentlich stattfinden Handlung zu beobachten sind. Juliette Binoche, selbst nicht mehr die allerjüngste Darstellerin, spielt eine Schauspielerin, die sich im Angesicht einer Neuinterpretation ihrer Rolle, welche sie früher berühmt machte, mit ihrer eigenen Situation auseinandersetzen muss. Stück für Stück muss sie schmerzlich feststellen, dass sie längst nicht mehr die Frau ist, die sie so lange glaubte noch zu sein.
                      Auch die Besetzung von Kristen Stewart ist keineswegs Zufall und auch ihre Figur weist erstaunliche Parallelen zu ihrem echten Leben auf. Wenn Valerie ihre offenkundige Bewunderung gegenüber einer skandalträchtigen Nachwuchsschauspielerin offenbart, die im Blockbuster-Bereich bekannt wurde und sich nun vom Mainstream distanzieren will, ist das Meta durch und durch und wird von Stewart ebenso einfühlsam, selbstreflexiv wie facettenreich dargestellt.
                      Kern des Films ist aber der Mittelteil, in dem sich Binoche und Stewart in ein Haus inmitten malerischer Berglandschaften zurückziehen und zusammen für das anstehende Theaterstück proben, in dem Binoche´s Figur spielen wird. Hier verwischt Assayas die Ebenen zwischen schauspielerischer Hingabe und realen Empfindungen seiner Schauspieler und gleichzeitig Figuren und auch wenn er sich mit zunehmender Laufzeit etwas in seiner Ausführung verrennt und häufiger in redundanten Passagen verweilt, bleiben seine Aussagen klar und intelligent.
                      Möchte man Vergleiche zu aktuelleren filmischen Werken ziehen, könnte man "Sils Maria" als Schnittmenge irgendwo zwischen "La Vénus à la fourrure" von Polanski und einer weitaus weniger bitteren, bedächtig beobachteten Variation von Cronenbergs "Maps to the Stars" einordnen. Olivier Assayas ist ein clever erzählter, vor allem von weiblicher Seite des Casts her hervorragend gespielter, stellenweise etwas redundanter Film gelungen, der eine Sichtung wert ist, auch wenn er der breiten Masse eher verschlossen bleiben wird.

                      9
                      • 8 .5

                        Ein Film über den unbändigen Drang nach Freiheit, das Ausbrechen aus gesellschaftlichen Normen, flüchtige Bekanntschaften, sonnendurchflutete Road-Trips und berauschende Drogenexzesse.
                        "Easy Rider" ist einer dieser Filme, die auf einer schmalen Linie verlaufen. Zum einen ist Dennis Hopper´s Werk ein zeitloses Dokument einer Generation, die sich im Wandel befand. Man wollte seinen Träumen nachjagen, sich nichts mehr vorschreiben lassen und einfach den Gedanken der grenzenlosen Freiheit leben. Diese Energie versprüht der Streifen bis heute und hat kein bisschen von seinem ungestümen Pioniergeist und rauem Biker-Road-Movie-Charme verloren.
                        Trotzdem zeigt Hopper auch die pessimistische Kehrseite der Medaille und zeichnet ein beunruhigendes Bild vom amerikanischen Traum der Unabhängigkeit und unbegrenzten Möglichkeiten, das vor allem gegen Ende bis hin zum finalen, konsequenten wie deprimierenden Schlusspunkt immer stärker verdichtet wird.
                        In seinen berauschendsten Momenten ist "Easy Rider" ein hypnotischer Trip aus Bildern und Songs, erinnert oftmals an ein Musik-Video und funktioniert vor allem mehr über die Ebene des Empfindens als rein über die erzählte Geschichte. Unvergesslich: Der Drogentrip auf einem Friedhof in New Orleans, den es in filmischer Hinsicht bis dahin so wohl noch nie zu sehen gab. Außerdem ein noch recht junger Jack Nicholson in einer Nebenrolle, der bereits durchscheinen lässt, was man von ihm zukünftig noch erwarten konnte.
                        Auch der verwirrende, mitunter sehr wüste Schnitt, der sich unter anderem aufgrund von Differenzen mit dem Studio ergab, verstärkt die fiebrig-flirrende Atmosphäre noch stärker und steigert die Faszination nochmals.
                        "Easy Rider" ist ein zeitloses Manifest einer wilden Generation, die sich im klaren Wandel befand und zugleich ein ungeschönter Abgesang auf all diese Werte wie Freiheit, gesellschaftliche Einigkeit oder Unabhängigkeit. Dennis Hopper schuf mit diesem Rock ’n’ Roll und Country geschwängerten Road-Movie der besonderen Art einen unvergleichlichen Trip, der maßgebliche Bedeutung in der Filmgeschichte erlangte und das völlig zurecht.

                        13
                        • 8

                          Der Begriff des Wunderkinds wird in letzter Zeit mit keinem Regisseur häufiger in Verbindung gebracht als bei Xavier Dolan. Einen kleineren, unaufgeregteren Film wollte er nach dem kräftezehrenden, mitreißenden Epos "Laurence Anyways" machen.
                          Nachdem sein Partner verstorben ist, fährt der junge Tom von der Stadt aufs Land zur Familie des Toten, um an der Beerdigung teilzunehmen. Probleme bei diesem Vorhaben: Die Mutter weiß nichts von der Homosexualität ihres verlorenen Sohns und der Bruder versucht mit harten Mitteln dieses Unwissen der Mutter, also eine konstruierte Scheinfassade, weiterhin aufrecht zu erhalten.
                          Aus diesem Figurendreieck, das aus der psychisch labilen, unwissenden Mutter Agathe, dem völlig unkontrollierbaren, physisch überwältigenden Bruder Francis und Tom selbst, der unsicher, verwirrt und teilweise ebenso schwer einschätzbar ist, besteht, schöpft Dolan die hauptsächliche Kraft dieses Films.
                          "Tom à la ferme" ist tatsächlich in so mancher Hinsicht anders als Dolan´s bisherige Werke. Ein subtiler Psycho-Thriller im schmalen Rahmen, ein intensives Kräfteringen um sexuelle Spannungen, brutale Auseinandersetzungen und unterschwellige Andeutungen sowie Geheimnisse, welches ohne Selbstinszenierung, überschwängliche Song-Montagen und markante Inszenierungsspielereien, wie die oft von ihm verwendeten Zeitlupen, auskommt.
                          Erneut beeindruckend sind die vielschichtigen Figuren, die zu keinem Zeitpunkt schwarz oder weiß gezeichnet sind und mehrere Facetten besitzen, die es zu ergründen gilt. Dabei buchstabiert Dolan seine Charaktere nie voll aus, belässt es oft bei nachdenklich stimmenden Möglichkeiten und hat neben der ambivalenten Hauptfigur Tom, die er zudem wieder einmal selbst spielt, vor allem mit Francis einen durch und durch faszinierenden Charakter geschaffen, der von Pierre-Yves Cardinal wirklich fantastisch verkörpert wird.
                          Die Inszenierung ist für Dolan-Verhältnisse deutlich zurückhaltender, bietet aber trotzdem reihenweise wunderbare Aufnahmen und Einstellungen. Der Film erinnert außerdem an klassische Thriller der alten Schule im Stile eines Hitchcock, was durch die gekonnte Musikuntermalung oftmals verstärkt wird.
                          Als Wunderkind braucht man Xavier Dolan also mittlerweile nicht mehr zu bezeichnen. Der junge Regisseur ist bereits nach 4 Werken eine feste Konstante in der Reihe aufstrebender, immer wieder aufs Neue begeisternder und aufregender Nachwuchskünstler geworden und untermauert diesen Status mit dem subtilen, von unterschwelliger Spannung und erotisch-sinnlichem Konfliktpotential durchzogenen sowie großartig inszenierten wie gespielten Psycho-Thriller "Tom à la ferme".

                          16
                          • 7 .5
                            über Comet

                            Regisseur Sam Esmail versucht sich in seinem Debüt "Comet" an einer innovativen Erzählweise eines Beziehungsfilms.
                            In seiner Struktur ähnlich einem "500 Days of Summer" springt der Regisseur zwischen verschiedenen Stationen einer Beziehung umher, ohne dem Zuschauer zunächst klare Anhaltspunkte zu geben, an welchem Punkt ihres Verhältnisses sich die beiden Hauptfiguren gerade befinden. Was allerdings von Anfang an klar gestellt wird, ist die Tatsache, dass dieser Film nicht einmal in der uns bekannten Welt spielt, sondern in einem Paralleluniversum, welches sich aber von unserer Welt sichtlich kaum unterscheidet.
                            Als wesentliche Reibungspunkte seines Debüts erweisen sich die von Esmail geschriebenen Charaktere und Dialoge, die in ihrer gekünstelten, überheblichen und bisweilen unnatürlichen Art manchmal ein wenig fremd und konstruiert erscheinen, während sich durch das anfangs sehr sprunghafte Wechseln der Zeitebenen erst Stück für Stück ein Gesamtbild formt und ein emotionalerer Zugang zu dem Paar langsam erfolgt.
                            Gegen diese Ecken und Kanten, die sich hier auftun, spielt das Hauptdarsteller-Duo Justin Long und Emmy Rossum wiederum mit voller Kraft und Leidenschaft an. Während Long´s Dell durch seine intellektuell-pessimistische und fast schon hyperaktive Art gelegentlich anstrengend wirkt, glänzt Rossum neben ihrer wunderschönen Ausstrahlung vor allem dadurch, dass sie in allen Zeitebenen praktisch immer eine andere Persönlichkeit spielen muss und ihr dies optimal gelingt.
                            Ansonsten ist es aber unbestreitbar, dass sich in diesem unkonventionellen Indie-Film einige wirklich geniale Momente und Elemente finden lassen. Die Beleuchtung einzelner Szenen ist teilweise von meisterhafter Güteklasse und erzeugt durch die spezielle Kamerapositionierung Momente, die fast schon zu schön wirken, um wahr zu sein. Zudem gibt es einige faszinierende und fein ausgearbeitete Aspekte über die Tragweite und Kraft der Liebe sowie gegen Ende, ohne zu viel zu verraten, einige weitere Erzählkniffe, bei denen Esmail neben der unchronologischen Vorgehensweise auch die Realität bzw. Wirklichkeit seines eigentlichen Narrativs geschickt in Frage stellt und seinem Film so mit simplen Mitteln kurz vor dem Schluss noch weitere Interpretationsebenen hinzufügt.
                            Man merkt dem Debüt "Comet" von Sam Esmail noch an, dass es ein typisches Erstlingswerk ist, das noch unter kleinen Mängeln leidet. In diesem Fall sind es die manchmal zu gekünstelten, unrealistisch konstruierten Dialoge und die gewöhnungsbedürftigen Figuren, die einer ansonsten cleveren sowie ambitionierten Erzählweise, stellenweise faszinierenden Einzelmomenten und einer durchgängig wunderschönen Inszenierung gegenüberstehen. Es bleibt spannend, was von diesem Filmemacher noch kommen wird...

                            5
                            • 7 .5

                              Für seinen ersten Film "The Disappearance of Eleanor Rigby" hat sich Regisseur Ned Benson ein äußerst interessantes Konzept erdacht. Sein Blick auf eine in Trümmern liegende Ehe sollte in drei Teilen veröffentlicht werden, jeweils eine Variante aus der männlichen sowie weiblichen Perspektive der Protagonisten und eine gemeinsame Fassung.
                              Veröffentlicht wurde bei uns nun bisher lediglich "The Disappearance of Eleanor Rigby: Them". Auch wenn hier in ca. 122 Minuten beide Blickwinkel verschmolzen werden, gelingt Benson die Gratwanderung zwischen den zwei unterschiedlichen Verhaltensweisen und Lebensabschnitten der Protagonisten und er schafft es, ein einnehmendes Ganzes zu formen.
                              Der Einstieg mag zunächst etwas holprig wirken und die Schnittfolgen zwischen den Szenen von Eleanor und Conor, dem Ehepaar, erscheinen anfangs leicht isoliert, doch nach und nach entblättert Benson die facettenreichen Schichten seiner Figuren. Hierbei erweist sich der Regie-Neuling ebenso als effektiver Geschichtenerzähler wie sensibler Beobachter, dem subtile Andeutungen, stille Gesten und nachdenkliche Momentaufnahmen bedeutender sind als forcierte Emotionsausbrüche, eskalierende Streitmomente oder endlos lange Diskussionsgespräche, wie sie in ähnlich gelagerten Filmen dieses Genres oftmals zu sehen sind.
                              Benson´s bedrückendes, einfühlsames und irgendwie auch optimistisches Liebes-Drama lebt zudem, wie könnte es auch anders sein, von einem absolut großartig aufspielenden Hauptdarsteller-Duo in Form von Jessica Chastain und James McAvoy, die hier beide in jeder Szene ihr Bestes geben und den Figuren mit ihrem nuancierten, kraftvollen Spiel eine enorme Präsenz und Chemie füreinander verleihen.
                              Während die Kameraführung gekonnt, aber an einigen Stellen fast ein wenig zu wackelig und unruhig wirkt, ist die musikalische Untermalung von Son Lux unbedingt noch erwähnenswert, denn die dezenten, melancholischen Klänge und wunderbar eingesetzten Songs passen hervorragend in den Film.
                              Abschließend bleibt nur zu hoffen, dass alle drei Schnittfassungen zukünftig noch in einem Gesamtpaket veröffentlicht werden. Die gemeinsame Variante "Them" wirkt zwar keineswegs unvollständig oder gar unbefriedigend, doch man kann sich fast sicher sein, dass das Gesamterlebnis "The Disappearance of Eleanor Rigby" erst durch die Sichtung aller drei Fassungen komplettiert wird und zu Vollkommenheit führt. Bis dahin bleibt ein subtiles, sensibles und wundervoll gespieltes Indie-Liebes-Drama, welches mehr von leisen Zwischentönen als großen Gesten lebt.

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                              • 4 .5

                                Unschöne Schlagzeilen begleiten das aktuelle Projekt von Regisseur Paul Schrader. Nachdem er seinen Film "Dying of the Light selbst geschrieben und gedreht hatte, mit Nicolas Cage in der Hauptrolle und unter anderem Nicolas Winding Refn als ausführenden Produzenten an Bord, wurde er vom Studio vollständig vom Schnitt ausgeschlossen und der Film wurde ohne seine Kontrolle neu geschnitten und musikalisch vertont.
                                Die jetzige 94-minütige Schnittfassung ist, es dürfte keine große Überraschung sein, ein unbalancierter, erzählerisch sehr zerfaserter Torso von einem Thriller-Drama, das definitiv einige Lichtmomente enthält.
                                Nicolas Cage passt sichtlich gut in die Rolle eines gebrochenen, alten CIA-Agenten, der an einer fortschreitenden Sonderform von Demenz leidet, die bei ihm immer wieder Launeschwankungen verursacht, während er alles daran setzt, einen tot geglaubten Erzfeind zu stellen. Cage sind auch die besten Momente des Streifens zu verdanken, wenn er zwischen angespannt und konzentriert oder überdreht und im für ihn typischen Overacting-Modus agiert.
                                Ansonsten kommt der Streifen als unentschiedene Mischung aus Charakterdrama, Anklage gegen den modernen Geheimdienstapparat und straighter Thriller daher, bei der all diese Aspekte angerissen werden, aber kein schlüssiges Gesamtwerk formen und Spannung sowie angedeutetes Figurenpotential komplett auf der Strecke bleiben.
                                Es lässt sich schlussendlich nur mutmaßen, wie eine andere, deutlich ausgefeiltere Schnittfassung von "Dying of the Light" funktioniert hätte. Der Streifen hätte vor allem auch deutlich mehr Laufzeit nötig gehabt, um seinem Hauptcharakter die nötige Tiefe zu gewähren und alle Handlungselemente stimmig in die Waage zu bringen. So wie er jetzt ist, ist der Film ein unentschlossener, abgehakter und formelhafter Thriller mit einigen lichten Charaktermomenten und einem gekonnt aufspielenden Nicolas Cage, bei dem es aber an allen Ecken und Enden hapert.

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                                  Regisseur Gerard Johnstone probiert sich in seinem Debüt "Housebound" an einem Horrorfilm, in welchem er sich außerhalb altbackener Genre-Begrenzungen bewegen will und so diverse Tonlagen und Erzählstile mischt.
                                  Auch wenn man ihm erstmal positiv zugute halten muss, sich nicht an festgefahrene Horror-Muster zu klammern, ist Johnstone´s Streifen letzten Endes leider doch nicht so stark, wie er von vielen Stimmen vorab gehyped wurde.
                                  Er kombiniert Haunted-House-Grusel, Murder-Mystery-Suspense, Thriller und schwarze Komödie mit unverbrauchten, frischen Figuren, doch die Vermengung dieser Genres und Elemente formt er nie zu einem stimmigen Ganzen. Aufgrund dessen ist der Film in der ersten Hälfte noch zu großen Teilen atmosphärisch überzeugend und kann mit einigen gruseligen Szenen und den interessanten Hauptfiguren punkten, doch spätestens ab der zweiten Hälfte entgleist der als intelligent angelegte und ständig auf Überraschung getrimmte Streifen zunehmend. Das Hauptproblem ist, dass der Film zwar stellenweise schaurig, aber nie richtig furchteinflößend ist, Schmunzler enthält, aber keine wirklichen Lacher platzieren kann und als gewollt mitreißender Thriller zu selten Spannung erzeugt.
                                  Da hilft es auch nur noch wenig, dass die Figuren vor allem am Anfang für das Genre eher ungewöhnlich wirken, wenn sie sich im späteren Verlauf zu großen Teilen so verhalten, wie übliche Klischeefiguren aus 0815-Horror-Streifen.
                                  "Housebound" bietet definititv abwechslungsreiche Ansätze mit Potential, doch Regisseur Gerard Johnstone trifft in seinem Debüt trotz einer Handvoll wirklich gelungener Momente nie den richtigen Ton zwischen Horror, Spannung und Unterhaltung, weswegen der Streifen nur leicht oberhalb des gewohnten Genre-Durchschnitts anzusiedeln ist.

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                                  • 8

                                    "I Origins" von Regisseur Mike Cahill ist ein Film, dessen Geschichte einige nicht gerade unproblematische Elemente enthält.
                                    Man merkt, dass Cahill mit viel Ambition zu Werke ging und so ist sein Streifen eine intime Liebesgeschichte, die sich unter einem Science-Fiction-Deckmantel zwischen den Grenzen von Wissenschaft und Glaube bewegt.
                                    Dabei geht Cahill regelrecht in die Offensive und streift gelegentlich nahe Kitsch und esoterisch anmutenden Theorien, die sich um Wiedergeburt, Seelenverwandheit und ähnliches drehen.
                                    Trotzdem schafft es der Regisseur durch sein auffälliges Gespür für bedächtige, wundervolle und oftmals poetische Bildcollagen, stark geschriebene Figuren und die richtige Mischung aus den bereits genannten thematischen Elementen ein Gesamtwerk zu formen, das zum Nach- sowie Mitdenken anregt, bisweilen wirklich berührt und einen nicht kalt lassen dürfte aufgrund einiger erzählerischer Überraschungen und motivischer Verzweigungen, welche die Geschichte trotz des eher langsamen Tempos stets unvorhersehbar und abwechslungsreich halten.
                                    Im Grunde braucht man sich also nur offen auf die im Film dargebotenen Theorien einlassen und man erhält mit "I Origins" ein nachdenkliches, ruhiges, ambitioniert angelegtes und vor allem sehr intimes wie berührendes Indie-Science-Fiction-Liebesdrama mit einem tollen Cast, allen voran ein wieder einmal unglaublich ausdrucksstarker Michael Pitt, welches trotz einiger gewagt angelegter und mitunter fragwürdiger Thesen beeindruckt und bewegt.

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                                    • 7 .5

                                      Regisseur Kevin Smith, der eigentlich schon öfter angekündigt hatte, sich nicht mehr in den Regie-Stuhl begeben zu wollen, legt mit "Tusk" nun doch wieder einen neuen Film vor. Und was für einen.
                                      Die Prämisse klingt ähnlich wie "The Human Centipede", nur eben mit einem Walross. Was Smith daraus allerdings formt, trägt unverkennbar seine verkiffte Handschrift und lässt einen wieder einmal wundern, wie ein Studio solch ein Drehbuch jemals finanzieren konnte.
                                      Wie auch schon in seinem nicht minder famosen "Red State" versteht es Smith vor allem erneut, Erwartungshaltungen zu unterlaufen. Der Film beginnt zunächst relativ geradlinig und wirkt wie ein gewöhnlicher Horror-Thriller, angereichert mit seltsamen Humor rund um kulturelle Unterschiede zwischen Amerikanern und Kanadiern. Gelegentlich bricht Smith die herkömmliche Erzählstruktur auf und nutzt Rückblenden, um seinen Figuren etwas mehr Profil zu verleihen.
                                      In der zweiten Hälfte kennt der Film allerdings dann keine Grenzen mehr. Smith spielt vollständig nach seinen eigenen Regeln, verweigert jegliche Spannungshöhepunkte zugunsten von extrem abgedrehten Over-the-Top-Einlagen, streut ein irrwitziges Cameo eines A-List-Darstellers in die Handlung, welches einen völlig überzogen großen Raum erhält, und springt vom Tonfall her ständig aus der Reihe.
                                      Obwohl die Hauptfigur ziemlich unsympathische Züge besitzt, fiebert und leidet man allerdings im späteren Verlauf trotzdem mit ihm mit, was wiederum ein deutliches Zeugnis von Smith´s Schreibetalent ist und an dem Schauspiel von Justin Long liegt. Michael Parks als komplett durchgeknallter Psychopath ist ohnehin großartig.
                                      Dass der Film finanziell komplett gefloppt ist, verwundert nicht. Manche werden an diesem Werk aufgrund der völlig albernen Überzogenheit und der unberechenbaren Sprünge zwischen Komik und Ernsthaftigkeit riesigen Spaß haben, andere werden den Streifen als komplett sinnfreies, plattes Machwerk verteufeln.
                                      Wie auch immer, Kevin Smith hat mit "Tusk" erneut auf ganzer Linie sein eigenes Ding durchgezogen und man sollte froh sein, wenn wenigstens einmal jährlich solch ein Film erscheint.

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                                        Regisseur David Ayer entwickelt sich so langsam zu einem Problemfall. Während sein intensives, authentisches Cop-Drama "End of Watch" immer noch ein Genre-Highlight ist, hat bereits der darauf folgende "Sabotage" mit Arnold Schwarzenegger schwer enttäuscht, was hauptsächlich an dem miesen Drehbuch von Skip Woods lag. Für sein aktuelles Werk "Fury" war Ayer neben der Regie wieder selbst für das Drehbuch verantwortlich. Gebracht hat das allerdings auch kaum etwas.
                                        In gewisser Weise verfolgt Ayer in seinem WWII-Drama stimmige Ansätze und sorgt vor allem anfangs durch ein paar sehr harte Einstellungen für einige aufrüttelnde Momente, welche den Schrecken des Krieges und die Verrohung der Soldaten verdeutlichen. Auch das Inszenieren druckvoller Action hat Ayer immer noch drauf und die Schlachtszenen sind kompromisslos umgesetzt. Ebenfalls als konsequent zu bezeichnen ist der praktisch durchgängig depressiv-bedrückende Erzählton und das stimmungsvolle Sounddesign.
                                        Leider war es das aber dann eigentlich auch schon mit den positiven Aspekten des Streifens. Ansonsten stimmt hier vor allem wieder in Hinsicht auf das Drehbuch vorne und hinten fast gar nichts. Ayer setzt dem Zuschauer eine Truppe von Hauptfiguren vor, die zu großen Teilen unsympathischer kaum sein könnten und dermaßen eindimensional gezeichnet sind, dass man oftmals nur ungläubig mit dem Kopf schütteln kann aufgrund vorhersehbarer oder ärgerlicher Verhaltensweisen. Dazu kommen oftmals haarsträubende Dialoge á la "Boy, you think Jesus loves Hitler?", etliche Längen und ein wenig überraschender Macho-Patriotismus, bei dem die amerikanischen Soldaten ihre deutschen Gegner, die gerade schreiend in Flammen stehen, lieber gröhlend qualvoll und langsam sterben lassen als sie schnell zu erschießen. Die deutschen Soldaten werden ohnehin überwiegend als schwach, demütig und wehrlos dargestellt, sind im Regelfall alle "fucking krauts" und über das hier gezeigte Frauenbild verliert man besser keine weiteren Worte.
                                        Das ist alles umso ärgerlicher, denn der Cast gibt sich teilweise wirklich Mühe und Darsteller wie Logan Lerman, Brad Pitt oder ein zermürbt wirkender Shia LaBeouf verleihen ihren Figuren zumindest ein wenig Profil und Tiefe.
                                        "Fury" bietet gelegentliche Anflüge von bedrückenden und aufrüttelnden Momenten aufgrund der harten, konsequenten Umsetzung. Ansonsten ist David Ayer´s Kriegs-Drama aber miserabel geschrieben, bietet dem Zuschauer aufgrund der mitunter verabscheuungswürdigen Figuren praktisch keinerlei Spannung, ist voll von haarsträubenden Dialogen, ätzendem Patriotismus und unreflektierter, stumpfer Brutalität und somit schlichtweg überflüssig in fast allen Belangen.

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                                        • 8 .5

                                          "Meshes of the Afternoon" lässt sich mit bloßen Beschreibungen kaum gerecht erfassen. Die Regisseure Maya Deren und Alexander Hammid griffen im Jahr 1943 die surrealistischen Wurzeln auf, die ihnen Filme wie beispielsweise "Un chien andalou" von Luis Buñuel vorgaben. Zusammen schufen die beiden eine bizarre, betörende Kurzfilm-Perle, die den Zuschauer mit ihrer sinnlich-abstrakten Symbolik verführt und zugleich durch die torkelnde, traumwandlerische Erzählgestaltung hypnotisiert.
                                          Gesprochen wird nicht einmal, die Musikuntermalung hingegen ist nicht in Worte zu fassen und verleiht den rätselhaften, verunsichernden Bildern eine noch intensivere Wirkung.
                                          Mehr kurzweilige, aber lange nachhallende Rauscherfahrung als herkömmlicher Kurzfilm ist "Meshes of the Afternoon" deshalb ein kleines Kunstwerk, das sich trotz der kurzen Länge in eine Riege mit ganz großen surrealen Klassikern einreiht und verständlicherweise zahlreiche Meister dieser Stilrichtung beeinflusste.

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                                          • 8

                                            Bereits die Prämisse von "The Mule" dürfte sich zumindest den ein oder anderen Originalitäts-Preis sichern. Doch es ist nicht nur die Grundgeschichte um einen Drogenschmuggler, der von den Behörden eine vorgegebene Zeit lang in einem Motelzimmer festgehalten wird, bis er seinen Stuhlgang verrichtet, welche den Film sehenswert machen.
                                            Den Verantwortlichen ist hier ein wirklich toller Thriller mit einer Portion schwarzem Humor gelungen, der auf diversen Ebenen überzeugt. Die Balance zwischen skurril-trockenhumorigen Einschüben, einigen wenigen Gross-out-Momenten, mitreißender Spannung und brutalen Einlagen funktioniert erstklassig und sorgt dafür, dass der Zuschauer wirklich gut unterhalten wird, aber auch die Story gespannt verfolgt.
                                            Einen nicht unwesentlichen Beitrag hierfür leistet auch die wirklich tolle Besetzung. Angus Sampson, der auch Regie mitführte und am Drehbuch beteiligt war, spielt die Hauptrolle des langweilig wirkenden Durchschnittstypen, der in die Kriminalität rutscht, hervorragend und auch weitere gute Darsteller wie John Noble, Leigh Wannell oder Georgina Haig leisten ihren Beitrag. Ein heimliches Highlight dürfte aber sicherlich Hugo Weaving darstellen, der sich genüsslich in eine Art vulgären "Agent Smith"-Modus begibt und mitunter für die besten Momente sorgt. Ebenfalls erstklassig ist auch die Musikuntermalung, die das Gesehene in jeder Szene perfekt unterstützt.
                                            "The Mule" könnte sich mit etwas Glück und Zeit zu einem kleinen Kultstreifen entwickeln. Dabei ist den Machern nicht nur die skurrile Prämisse anzurechnen, sondern in erster Linie, dass sie ihr spezielles und durchaus von einigen Ekelmomenten durchzogenes Konzept bis zum Ende super durchdacht haben und zusammen mit dem hochwertigen Cast eine optimale Balance zwischen trockenhumoriger Unterhaltung und mitreißender Spannung schaffen.

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                                              In einer Bar treffen zwei Menschen aufeinander. Der Barkeeper ist ein zeitreisender Agent, der Verbrechen verhindern soll, bevor sie geschehen. Die andere Person ist John, ein desillusionierter Autor, der als Mädchen geboren wurde.
                                              Die Brüder Spierig versuchen sich in ihrem Film "Predestination" an dem Thema Zeitreisen. Ein Thema, das aufgrund seiner Möglichkeiten immer wieder für Faszination sorgt, aber stets mit immensen Schwierigkeiten verbunden ist aufgrund fragwürdiger Paradoxen und Ungereimtheiten bezüglich der Logik.
                                              Die Brüder stellen den Zeitreise-Aspekt deshalb nach einem verwirrenden Einstieg erstmal in den Hintergrund und konzentrieren sich in der ersten Filmhälfte auf John, der seine bewegte Lebensgeschichte des Wandels von einer Frau zu einem Mann schildert.
                                              Dabei bleibt die Bedeutung dieses umfassenden Abschnitts für den Gesamtkontext der Handlung zunächst unklar, wird aber vor allem durch die tolle Schauspielleistung von Sarah Snook in einen emotional mitziehenden Rahmen gebracht und legt einen wichtigen Grundstein für das letzte Drittel.
                                              Erst hier tritt der Zeitreise-Aspekt wieder in den Vordergrund, die Figur von Ethan Hawke, der ebenfalls großartig agiert, wird schlüssig integriert und das Regie-Duo beginnt, in den zeitlichen Ebenen umherzuspringen und eine Geschichte zu entspinnen, die ebenso anziehend, verwirrend wie überraschend verläuft.
                                              Am Ende kommt es zwar wieder so, wie es bei zahlreichen Zeitreisefilmen der Fall ist, und vorhandene Risse hinsichtlich Logikfehler und verzwickter Paradoxa öffnen sich, doch der eher emotional eingeschlagene Weg, den die Spierigs gewählt haben und der von den beiden Hauptdarstellern gekonnt transportiert wird, lässt den Zuschauer trotzdem zufrieden und gleichzeitig vermutlich nachdenklich zurück.
                                              "Predestination" ist eine kleine, aber feine Science-Fiction-Zeitreise-Perle, die zwar die gleichen ärgerlichen Fehler macht wie die großen Vorbilder, aber nichtsdestotrotz von einer überraschenden sowie emotional konstruierten Geschichte und den beiden großartigen Hauptdarstellern getragen wird.

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                                              • 9

                                                Mit ihrem Kurzfilm "Un chien andalou" revolutionierten Regisseur Luis Buñuel und Maler Salvador Dalí die Filmhistorie.
                                                Das Werk ist einer der bedeutendsten filmischen Meilensteine aller Zeiten, durch den die Welle des Surrealismus in Bewegung gesetzt wurde. Eine Filmrichtung, die sich sämtlichen gängigen narrativen Konventionen verweigerte und stattdessen lieber auf eine gewisse Traumlogik vertraut, bei der keine Grenzen gesetzt sind.
                                                Buñuel und Dalí ließen sich dabei von ihren eigenen Träumen inspirieren und kreierten dadurch sprunghafte und abstrakte Szenenfolgen, die es in dieser Form noch nie zu sehen gab. Die Nahaufnahme einer Rasierklinge, welche das Auge einer Frau durchschneidet, Ameisen, die aus der Öffnung einer Handfläche krabbeln, ein ominöser Falter mit aufgemaltem Totenkopfsymbol und weitere Motive von niederen Trieben wie Sex und Gewalt. Dem Duo gelangen erinnerungsträchtige, künstlerisch hochwertige aber auch teilweise drastische Szenen für die Ewigkeit, die zahlreiche Filmemacher beeinflussten und bis heute nichts von ihrer rätselhaften, seltsamen wie kraftvollen und berauschenden Wirkung verloren haben.
                                                "Un chien andalou" ist ein zeitloses, wichtiges Kunstwerk, das eine der schönsten, kreativsten und freisten Filmrichtungen überhaupt belebte und deshalb von jedem gesehen sowie geschätzt werden sollte.

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                                                • 5 .5

                                                  Kaum ein Genre wurde in letzter Zeit so stark mit Filmen überflutet wie der Found-Footage-Horror. Meistens werden diese Wackelkamera-Streifen äußerst kostengünstig produziert, spielen aber ein Vielfaches ihres Budgets wieder ein. Das Resultat ist eine Welle etlicher miserabler, lieblos hingerotzter Filme, unter denen "As Above, So Below" zumindest teilweise mit etwas frischeren Impulsen punkten will.
                                                  Die Mischung aus archäologischer Schnitzeljagd, klaustrophischer Enge, wackeliger, panischer Hektik und surreal-mysteriösen Grusel-Einlagen versprüht in ihren besten Momenten auch durchaus eine wirklich grundsolide Atmosphäre, die den Betrachter zusammen mit dem Katakomben-Setting, nicht gerade unsympathischen Figuren, vor allem eine wirklich überzeugende Hauptprotagonistin, und einigen Verweisen auf mythologische Symbolik aus Alchemie und Okkultismus an der Stange hält.
                                                  Trotzdem krankt auch dieser Streifen leider unter den typischen Krankheiten, welche die meisten Vertreter aus dem Genre mit sich bringen. So sind es vor allem hanebüchene Charakterverhaltensweisen, völlig unlogische Perspektiven und eine unnötige Übertreibung in Sachen heftiges Kameragewackel in Verbindung mit panischem Geschreie, welche einen immer wieder aus der Atmosphäre rausreißen und den Gesamteindruck bzw. die vielen positiven Ansätze abwerten.
                                                  Nichtsdestotrotz gehört "As Above, So Below" sicherlich zu den besseren Vertretern eines mittlerweile komplett ausgelutschten Genres. Als eigenständiger Horror-Film betrachtet reicht das aber trotzdem nur für leicht überdurchschnittliche, ganz nette Grusel-Kost für zwischendurch, die man vermutlich schnell wieder vergessen hat.

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                                                  • 9

                                                    Durch den Erfolg von "El Topo" bekam Alejandro Jodorowsky fast eine Million US-Dollar Budget zur Verfügung und durfte komplett frei und ohne Vorlagen einen Film ganz nach seinen Wünschen drehen. Das Resultat ist "The Holy Mountain", ein so dermaßen künstlerisch übersprudelndes, verstörendes und berauschendes Werk, mit dem Jodorowsky etliche Leute brutal vor den Kopf stieß und seinen eigenen kommerziellen Erfolg schlagartig beendete, während der Film von der Fangemeinde bis heute als einmaliges Meisterwerk gefeiert wird.
                                                    Es gibt so gut wie keine anderen Filme, die sich in ihrer Wirkung und Machart mit diesem vergleichen lassen. "The Holy Mountain" ist eine Explosion kreativer Extravaganz, symbolischer Tableaus und spiritueller Motive, eine Reise in das eigene Unterbewusstsein und eine radikale sowie satirisch überhöhte, teilweise auch unterhaltsame Abrechnung mit sämtlichen kulturellen und gesellschaftlichen Bereichen wie beispielsweise Religion, Kunst, Konsum, politische Machtmissbräuche und vielem mehr.
                                                    Dabei stößt Jodorowsky mit seinen fantastisch entworfenen und ausgearbeitenen Sets und Kulissen, den in akribischer Weise gestalteten Kostümen und Décors sowie unzähligen kleinen Details in Sphären vor, in denen der Zuschauer faszinierende und zugleich verwirrende Bilderwelten in das Unterbewusstsein eingetrichtert bekommt, die er, egal ob die Reaktion begeistert oder abgestoßen ausfällt, womöglich nie wieder vergessen wird.
                                                    Das Zusammenspiel von Bild und Ton ist in einigen Momenten von nahezu einmaliger Perfektion und dem Regisseur gelingen so teilweise Szenen, die für die Ewigkeit bestimmt sind. Auch wenn sich, wie auch schon von "El Topo" gewohnt, leider ebenfalls einige wenige unfreiwillig komische oder alberne Einlagen in den Streifen verirrt haben, ist der überwältigende Fluss an Eindrücken kaum zu bremsen. Bereits die Eröffnungsszene gehört wahrscheinlich zu den eindrucksvollsten der Filmgeschichte und das ist gerade mal der Beginn.
                                                    Jodorowsky ging für dieses Werk noch weiter als jemals zuvor, verbrachte unter der Aufsicht eines Zen-Meisters eine Woche lang ohne Schlaf, lebte mit den Darstellern vor Beginn der Dreharbeiten einen Monat lang zusammen in einer Gemeinschaft und konsumierte mit ihnen gemeinsam ausgiebig bewusstseinserweiternde Substanzen. Das Ergebnis dieser wahnhaften Zustände sieht man dem Film jedenfalls in jedem Moment an.
                                                    Die Reise einer zehnköpfigen Gruppe zu einem heiligen Berg, auf dessen Spitze das Geheimnis der Unsterblichkeit verborgen sein soll, ist dabei allerdings kein esoterisches Geschwurbel, wie es zunächst den Anschein haben könnte. Auf dem Höhepunkt, falls man bei so einem Film überhaupt einen einzelnen bestimmen kann, wird jedes der Mitglieder mit den extremsten Abgründen der eigenen Psyche konfrontiert, bevor Jodorowsky seine Geschichte mit einem fast schon unerhörten wie überraschenden Schlusspunkt beschließt, der sich auch auf den gesamten Film beziehen lässt. Der abrupte Weg zurück in die Realität und zu sich selbst ist das schwierigste und zugleich wichtigste, wenn man diesen Trip von einem Film schließlich beendet hat.

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