Patrick Reinbott - Kommentare

Alle Kommentare von Patrick Reinbott

  • 8
    über El Topo

    Es gibt nur wenige Regisseure, die ihre Filme mit einer derartigen Radikalität inszenieren wie der längst Kult gewordene Alejandro Jodorowsky. "El Topo" ist ebenfalls eine Ausgeburt schieren Wahnsinns, ein spirituell-surrealer Italo-Western der anderen Art, mit dem Jodorowsky bereits den Verstand zahlreicher nach abseitiger Filmkunst dürstenden Filmfans penetrierte und die sogenannten "Midnight-Movies" ins Leben rief.
    Mit einer reinen Handlungsbeschreibung kann man sich dem Streifen praktisch kaum nähern. Jodorowsky kreiert viel mehr hypnotisierende, schockierende oder auch (über)fordernde Szenenfolgen, in denen er klassische Western-Elemente mystifiziert, biblische Zitate oder religiöse sowie kulturelle Einflüsse mit persönlichen Erfahrungen wie dem Pantomimespiel oder Kindheitstraumata mit seinem angesammelten Wissen aus allen möglichen Bereichen der bildenden Künste kombiniert.
    Dies hat einen extrem eigenwilligen, berauschenden Filmtrip zur Folge, mehr drogeninduzierte Reise als gewöhnliches Sehvergnügen, der zudem mit einem äußerst harten Gewaltgrad, fragwürdigem Tier-Snuff und allerhand anderen Explizitäten gewürzt ist.
    Etwas mehr als die erste Hälfte des Streifens kommt dabei einem klassischeren Italo-Western noch entfernt nahe. Mystische Pistoleros, verführerisch-verdorbene Frauenrollen, christliche Anleihen, packende bis irritierende Duelle und zermürbende Reisen durch die karge Wüste zusammen mit einer Musikuntermalung, die zwischen lieblichen Flötenmelodien, volkstümlicher Musik und einer bizarren Form von überlauten Tiergeräuschen schwankt, sorgen für durchgängiges Staunen.
    Ein faszinierender Zustand, der sich in der zweiten Hälfte etwas legt, wenn "El Topo" nach einem gewissen Bruch noch stärker zu einer religiösen, neutestamentarischen Erlöser-Geschichte mutiert, die keinesfalls zimperlich mit den Riten des Christentums verfährt und zwischen einigen überflüssigen bis langgezogenen Szenen und albernen Humor-Einlagen immer noch eine Menge beeindruckende Szenen beinhaltet bis hin zu einem ekstatischen Finale, das den Film würdig wie eindrucksvoll beendet.
    "El Topo" ist definitiv sehr spezielle Filmkunst, die nur Filmfans zu empfehlen ist, die sich auf symbolbeladene Bilder, verstörend-irritierende Elemente und unkonventionelle, surreale Szenenfolgen einlassen möchten. Genau für solch eine nischige Zielgruppe ist der Streifen aber ohnehin von Alejandro Jodorowsky konzipiert worden. Ein Regisseur, der Filme schaffen möchte, die nicht nur wie Drogen wirken, sondern selbst eigene Drogen sind, und dem das abschließende Zitat gebührt:
    “Most directors make films with their eyes; I make films with my testicles.”

    13
    • 7 .5

      "What the Fuck?"
      Dieser Satz ist nicht nur der letzte in "The Guest", sondern sicherlich auch die Reaktion einiger Zuschauer, sobald der Abspann beginnt.
      Regisseur Adam Wingard und Drehbuchautor Simon Barrett haben bereits mit der fein inszenierten und inhaltlich Haken schlagenden, kleinen Horror-Perle "You´re Next" für Eindruck gesorgt. Nun legen sie in ähnlich hoher Qualität nach.
      Vorab sollte man möglichst wenig über die Handlung wissen. Es geht um einen jungen Mann namens David, der bei der Familie Peterson unterkommt, da er nach eigener Aussage ein ehemaliger Militär-Kamerad ihres verstorbenen Sohns ist. David wirkt zunächst charmant und attraktiv, aber auch kühl und geheimnisvoll.
      Genau von dieser Wechselwirkung profitiert auch der gesamte Streifen. Erneut sehr überzeugend ist die wirklich gelungene Inszenierung von Wingard, der hier auf einen spürbaren Retro-Flair setzt, indem er sein Werk an Genre-Vorbilder aus den 80ern anlehnt und vor allem auf einen tollen Soundtrack setzt, der sich aus Synthie-Scores und Pop-Melodien zusammensetzt.
      Die Handlung lebt davon, dass man ständig rätselt, in welche Richtung diese verlaufen wird und was sich hinter der mysteriösen Fassade von David verbirgt. Dazu trägt vor allem das fantastische Schauspiel von Hauptdarsteller Dan Stevens bei, der mit seiner sympathischen, kühlen und gleichzeitig rätselhaften Art ein wenig an die Ausstrahlung eines Ryan Gosling erinnert und hier neben dem ansonsten ebenfalls gut gewählen Cast deutlich hervorsticht.
      Die Auflösung, die gegen Ende geliefert wird, ist allerdings nicht allzu originell und überzeugend. Die Schockwirkung und Wucht, die der Streifen aber im letzten Drittel dadurch entfaltet, dürfte viele Zuschauer kalt erwischen sowie für verwunderte Reaktionen sorgen und ist deshalb überraschend wie beeindruckend zugleich.
      "The Guest" von Regisseur Adam Wingard und Drehbuchautor Simon Barrett ist ein Horror-Thriller der außergewöhnlicheren Sorte. Auch wenn am Ende nicht alles zu 100% stimmig zusammengeführt wird und einige Ungereimtheiten übrig bleiben, ist der Streifen aufgrund der stimmigen Inszenierung mitsamt tollem Soundtrack, einigen überraschenden Einbrüchen und dem fantastischen Schauspiel von Dan Stevens unbedingt sehenswert.

      11
      • 10

        Regisseur Michael Mann, der selbst einige Jahre als ausführender Produzent bei der Serie "Miami Vice" arbeitete, musste für seine Filmadaption der Vorlage einiges an Kritik einstecken.
        In der Tat hat dieses Werk mit der gleichnamigen Serie so gut wie gar nichts mehr gemeinsam. Die beiden Hauptfiguren tragen zwar immer noch die gleichen Namen, doch anstatt Retro-Glamour, lässigen Sprüchen und schnittigen Anzügen liefert Mann einen extrem düsteren, knallharten Thriller, welcher durch und durch seine fantastische Handschrift trägt.
        Wie schon in seinem vorangegangen Meisterwerk "Collateral" setzt Mann erneut auf eine unruhige DV-Optik, stellt dabei unter Beweis, dass wohl kein anderer Regisseur die Technik so virtuos einzusetzen weiß wie er und kreiert auf visueller Ebene eine absolut berauschende Bilderflut, in der man sich einfach treiben lassen muss.
        Die eigentliche Handlung ist dabei relativ geradlinig ausgefallen und bietet kaum Elemente, die man nicht schon aus zahlreichen anderen Thrillern kennt. Trotzdem ist es die einzigartige Regie von Mann, die sich aus der faszinierenden Optik, der perfekten Locationwahl, überwiegend in der Nacht stattfindenden Szenen, der herausragenden Musikuntermalung und dem fiebrigen Schnitt ergibt, welche dem Streifen über weite Strecken eine unglaubliche Intensität verleihen.
        Überraschend und für viele sicher auch enttäuschend ist es zudem, wie wenig Action der Film letztendlich enthält. Mann konzentriert sich hauptsächlich voll auf den Undercover-Aspekt seines Ermittler-Duos, welches sich irgendwann gefährlich nah zwischen zwei Welten, zwischen Legalität und Verbrechen, wiederfinden, moralisch auf die Probe gestellt werden und wodurch ihre Privatleben massiv mit ihrer riskanten Tätigkeit in Kollision geraten.
        Die Besetzung von Jamie Foxx und Colin Farrell in den Rollen von Crockett und Tubbs ist ebenfalls riskant, doch die Wahl geht auf und auch wenn die Charaktere noch etwas mehr Feinschliff vertragen hätten und Foxx gegenüber Farrell ein wenig in den Hintergrund rückt, fügen sich beide optimal in ihre Parts ein.
        Gegen Ende lässt es sich Mann dann schließlich doch nicht nehmen, sein Werk für das Finale noch in einen wahren Rausch aus meisterhaft inszenierter Action zu verwandeln, wodurch der bereits sehr gute Film zu einem ausgezeichneten wird.
        "Miami Vice" erhitzt zurecht die Gemüter vieler Zuschauer, vor allem der Fans der Serie. Die mutige wie radikale Abkehr Michael Mann´s von der Vorlage resultiert aber nichtsdestotrotz in einem trostlosen, harten wie packenden Thriller-Glanzstück, das zwar inhaltlich die ein oder andere Schwachstelle besitzt und bei der Figurenzeichnung ruhig noch etwas feiner ausgearbeitet hätte sein dürfen, aber vor allem durch die rauschhafte, meisterliche Inszenierung begeistert, die Michael Mann weiterhin als einen der größten Thriller-Virtuosen unserer Zeit ausweist.

        9
        • 7 .5

          Der Hang von Regisseur David O. Russell zu unkonventionelleren Filmarten kommt in "I ♥ Huckabees", einem seiner früheren Werke, bereits sehr stark zum Vorschein.
          Aufhänger der Handlung ist ein poetischer Umweltaktivist, der dreimal hintereinander in unterschiedlichen Situationen dem gleichen Fremden begegnet. Dies nimmt er als Anlass, mithilfe von zwei Existentialismus-Detektiven die Bedeutung des Zufalls in seinem Leben zu ergründen. Hinzu kommen noch Diskurse über kosmische Zusammenhänge, ein frustrierter Feuerwehrmann, ein schmieriger Verkaufsleiter, eine französische Nihilistin und... Shania Twain.
          Was in seiner Beschreibung bereits ungewöhnlich anmutet, formt Russell zu einer äußerst schrägen Satire, die von Anfang an ein wirklich hohes Erzähltempo vorweist, mit einer gehörigen Portion bizarrem Witz angereichert ist und immer wieder zwischen warmherziger Tiefsinnigkeit und alberner Überzeichnung schwankt.
          Ein wenig lässt sich der Streifen entfernt mit den Werken eines Wes Anderson vergleichen. Genauso wie dieser kreiert Russell einen in sich abgesteckten Mikrokosmos, bei dem augenscheinlich alles aussieht wie man es aus der realen Welt kennt, in welchem der Regisseur aber trotzdem vollständig nach seinen eigenen Regeln spielt. Russell mischt zwischen die irrwitzigen Figuren und Dialoge gelegentlich surreal-irritierende Einschübe und sorgt so für ein wirklich spezielles, mitunter auch bewusst anstrengendes Werk, das in der zweiten Hälfte auch immer mal wieder über das Ziel hinausschießt oder bei dem das Konzept nach dem hohen Tempo vom Anfang gegen Ende etwas abgenutzt erscheint, dem man aber jederzeit das Herzblut ansieht, das der Regisseur hier hat einfließen lassen.
          Als Glücksgriff erweist sich außerdem die hohe Star-Riege, die Russell für seinen Film gewinnen konnte. Vor allem Darsteller wie Jude Law, Mark Wahlberg, Dustin Hoffman oder Naomi Watts sieht man selten in Rollen wie in diesem Film und alleine der Cast macht den Streifen neben der besonderen Erzählweise sehenswert.
          "I ♥ Huckabees" ist eine äußerst schräge, spezielle Satire, die aufgrund ihrer unkonventionellen Machart zurecht große Fans wie kritische Gegner hat. Trotzdem muss man Regisseur David O. Russell einfach respektieren, dass er seinen eingeschlagenen Weg in diesem Film von Anfang bis Ende komplett durchzieht und seine warmherzige, aber oftmals auch sehr überzogene Satire
          viel nachdenklichen Mehrwert und tiefgründige Zwischentöne besitzt, die es zu schätzen gilt.

          14
          • 4 .5

            In "The Last Showing" von Phil Hawkins bekommt Horror-Ikone Robert Englund mal wieder die Gelegenheit, an vergangene Schauspieltaten anzuknüpfen.
            Der von ihm gespielte Stuart ist ein frustrierter Kino-Mitarbeiter, welcher ein junges Pärchen terrorisiert, um seine ganz eigene Version eines Horror-Films zu drehen.
            Es ist Hawkins erstmal positiv anzurechnen, dass er nicht stumpf den modernen Trends des Genres nachrennt. Sein Werk ist eigentlich gar kein Horror-Film, sondern ein weitestgehend gewalt- und blutfreier Psycho-Thriller, der mehr auf eine sich ständig veränderne Handlung setzt als auf stumpfe Abschlachtorgien.
            Zudem gibt es gerade anfangs ein paar nette Seitenhiebe oder Anspielungen auf das moderne oder klassische Horror-Genre an sich und es ist eine gelungene Abwechslung, als Setting mal ein Kino zu wählen, ein Ort, an dem sich leidenschaftliche Filmfans sicherlich nur zu gerne aufhalten.
            Leider sind das auch schon die einzigen wirklich positiven Punkte, die sich dem Film anrechnen lassen. Neben einem recht gut aufgelegten Robert Englund, der sich gelegentlich genüsslich in den überdrehten Freddy-Krüger-Modus begibt, ist der Film insgesamt ein ziemlich unspannender, austauschbarer Thriller, der seine Reize fast ausschließlich aus der gewollt wendungsreichen Handlung ziehen will. Die meisten Wendungen kommen aber viel zu uninspiriert, konstruiert oder unspektakulär daher, weswegen der Film relativ spurlos am Betrachter vorbei zieht und keinerlei bleibenden Eindruck hinterlässt. Ein zusätzliches Problem ist außerdem der unsympathische Hauptdarsteller, dem man praktisch von Beginn an kaum Sympathie entgegenbringen kann, was allein schon ein äußerst schlechtes Kriterium für einen mitreißenden Thriller darstellt.
            "The Last Showing" ist eigentlich nur Hardcore-Fans von Robert Englund zu empfehlen, die ihren Star mal wieder in einer recht fiesen Rolle sehen wollen. Für den kurzweiligen Psycho-Thriller-Genuss für zwischendurch taugt der Film leider viel zu wenig, da die ausgelutschte Handlung trotz einiger positiver Ansätze einfach viel zu vorhersehbar, unspannend und konstruiert ausgefallen ist.

            5
            • 8

              Mit seinem Kino-Debüt "Forbrydelsens element" sorgte der damals noch junge Lars von Trier bereits für großes Aufsehen in der Filmlandschaft und schuf ein beeindruckendes Werk, das lange nachhallt.
              Die Geschichte um den Polizisten Fisher, der sich den Methoden seines alten Mentors bedient, um sich in die Gedankenwelt eines grausamen Kindermörders hineinzuversetzen und diesen aufzuspüren, ist eine Reise.
              Von Trier inszeniert das spannende Mörder-Mysterium als einen Rausch der Gedanken und Erinnerungen. Im Delirium schwebend und unter Hypnose rekonstruiert Fisher den Fall, bei dem er gefährlich nahe mit dem Bösen verschmelzen muss und gleichzeitig durch ein tristes, im Wasser versinkendes Europa irrt, was ihn an den Rand der menschlichen Belastungsfähigkeit führen wird.
              Seine Bilder taucht Von Trier in einen gold-gelben Farbton, während er sich stilistisch sehr deutlich an seinem großen Vorbild Andrei Tarkovsky orientiert, was den Szenen des Films trotz ihres oftmals surrealen Charakters eine sehr realistische, aber gleichzeitig auch beunruhigende Aura verleiht.
              Auch wenn der Erzählton eher langsam ausfällt, übt das Werk schnell eine große Faszination auf den Betrachter aus, der genauso wie Fisher früh in eine Art Dämmerschlafzustand versetzt wird, während er immer tiefer in das beängstigende Umfeld der bestialischen Morde abtaucht, das außerdem mit einigen rätselhaften Symbolen gespickt ist.
              Dabei nimmt Von Trier Nitzsche´s Zitat "Und wenn du lange in einen Abgrund blickst, blickt der Abgrund auch in dich hinein" wirklich ernst und bringt seine Geschichte schließlich zu einem schockierenden Abschluss, der, vor allem für damalige Verhältnisse, unglaublich mutig und radikal wirkt.
              "Forbrydelsens element" ist ein beeindruckender Einstand von Lars von Trier in der Filmlandschaft. Sein elegisches, im Delirium schwebendes Neo-Noir-Murder-Mystery-Drama ist ein finsterer Trip in seelische Abgründe, bei dem der Regisseur trotz offensichtlicher Einflüsse und Vorbilder eine ganz eigene Stilistik und Bildsprache entwickelt, die den Betrachter förmlich verschlingt.

              20
              • 7

                In "Jacob’s Ladder" von Regisseur Adrian Lyne wandelt ein traumatisierter Vietnam-Veteran durch einen nicht enden wollenden Albtraum zwischen Psychose, Paranoia, Wahnvorstellung und Erinnerung.
                Es wird bereits relativ früh klar, dass die Geschichte von Drehbuchautor Bruce Joel Rubin auf eine möglichst überraschende Schlusswendung ausgelegt ist. Diese ist allerdings nicht übermäßig spektakulär und immer wieder mal auch vorhersehbar, doch der Weg ist ja bekanntlich das Ziel.
                Dieser Weg wird von Lyne fast die gesamte Laufzeit über mit vor allem visuell sehr gut gestalteten Sequenzen gelegt, welche die eingeengte, verstörte seelische Verfassung der Hauptfigur gekonnt einfangen. Auch wenn diese Szenen, von denen es vor allem in der ersten Hälfte des Streifens zahlreiche gibt, von ihrer Machart her vor allem zum Zeitpunkt des damaligen Erscheinungsdatums des Films regelrecht innovativ wirken, mag der Funke trotzdem nicht vollständig überspringen.
                Dies liegt hauptsächlich auch daran, dass das ständige Springen zwischen Realität, Traum, Erinnerung und Einbildung einfach zu unsubtil dargestellt wird und der Zuschauer geradezu bombardiert wird mit solchen Momenten, wodurch sich selten eine wirklich stimmige Gesamtatmosphäre entfalten kann, da der Film dadurch letztlich zu sehr auf die horrorartigen Effekte und möglichst viele angebrochene Handlungsstränge in verschiedenste Richtungen ausgerichtet zu sein scheint.
                Tim Robbins hingegen überzeugt in der Hauptrolle auf ganzer Linie, trägt den Film ohne Probleme und gibt seiner psychisch äußerst verwirrten Figur das dazugehörige Gesicht.
                "Jacob’s Ladder" ist ein über weite Strecken wirklich überzeugendes Psycho-Drama, das vor allem durch die visuell sehr gut gestalteten Horrorsequenzen und einen großartigen Tim Robbins in der Hauptrolle punktet. Die Inszenierung an sich hätte aber trotzdem ruhig noch etwas subtiler und mit leiseren Zwischentönen angelegt werden können, zudem ist die finale Auflösung zwar relativ gelungen, aber auch nicht hundertprozentig überzeugend.

                14
                • 8

                  Das Erscheinen eines neuen Werks von Regisseur Christopher Nolan ist grundsätzlich immer ein Ereignis. Die Fans lieben eigentlich jedes neue Werk von ihm und feiern Nolan als eine Art Messias des (Blockbuster-)Kinos, während Kritiker immer wieder die selben Kritikpunkte herauspicken, die sich meist in jedem Film von ihm erneut finden, um diesen zu zerreißen.
                  Nolan bezeichnete "Interstellar" vorab als eine Art Spiegelbild zu seinem Film "Inception", was aufgrund einiger Überschneidungen und gleich gewählten Motiven durchaus eine treffende Aussage ist.
                  Der Film kommt in seinem ersten Drittel aber erst einmal ziemlich schwerfällig daher. Nolan zeigt uns in düsteren, blassen Aufnahmen Bilder einer Welt in der nahen Zukunft, die kurz vor dem Ende steht und den Menschen in absehbarer Zeit aufgrund extremer Ressourcenknappheit und Umweltproblemen keine Chance mehr zum Überleben lassen wird. Es ist neben dem unheilvollen Szenario aber auch die Geschichte eines Familienvaters, der seine Kinder schweren Herzens zurücklassen muss, um mit einer kleinen Gruppe die Reise durch ein Wurmloch zu wagen, um einen neuen, bewohnbaren Planeten ausfindig zu machen.
                  Immer wieder muss sich Nolan den Vorwurf gefallen lassen, seine Filme seien zu kalt und steril und die Figuren sowie Dialoge müssen sich jederzeit seinem überbordenden Interesse an mathematischen, wissenschaftlichen oder verkopften Theorien unterordnen, die er dem Zuschauer durch diese besserwisserisch an den Kopf wirft.
                  Mit "Interstellar" besinnt sich der Regisseur laut eigener Aussage auf die goldene Ära der Blockbuster im Stil von Steven Spielberg zurück, mit denen er aufwuchs. In der Tat ist dieser Streifen Nolans wohl emotionalster und in Teilen wahrscheinlich auch intimster Film geworden. Während die Beziehung von Dom zu seinen Kindern und der Verlust seiner verstorbenen Ehefrau in "Inception" eher Stoßpfeiler waren, um den ineinander verschachtelten Traumwelten und dem stringenten Thriller-Plot emotionale Eckpunkte zu verleihen, fußt das gesamte Konzept von "Interstellar" auf den Motiven der Liebe und der Verlustängste. Von Anfang an baut sich Nolan, der das Drehbuch erneut mit seinem jüngeren Bruder Jonathan schrieb, ein bewegendes Gerüst, das vor allem gegen Ende maßgeblich entscheidend wird.
                  Im zweiten Drittel kommt dann wieder mehr von dem Nolan durch, den man gewohnt ist und der sich vor allem durch das Inszenieren spektakulärer, aber trotzdem anspruchsvoller Blockbuster einen mächtigen Ruf erarbeitet hat. Die Szenen im Weltall sind visuell fantastisch, durchzogen von dem Drang des Zuschauers, der wohl in fast allen Menschen steckt, nach dem Entdecken und Erkunden neuer Welten oder Galaxien mit der Frage im Hinterkopf, was da draußen noch so alles verborgen liegt. Hier gibt der Regisseur dem Zuschauer dann auch einige astrophysikalische Theorien oder Gesetze mit an die Hand, um ihn jederzeit am Ball zu halten, überlädt seine Handlung aber nie damit. Im Gegenteil, auf geradezu emotional überwältigende Weise gelingt ihm beispielsweise durch die Kombination eines Zeitrelations-Aspekts und der Hintergrundgeschichte der Charaktere im Mittelteil ein atmosphärischer Geniestreich.
                  Lediglich gegen Ende des letzten Drittels offenbaren sich einige erzählerische Mängel, kleine Logikpatzer und ein kurzer Ausrutscher in unnötige Blockbuster-Mechanismen zur gezwungen wirkenden Konstruierung eines dramatischen Höhepunkts. Ansonsten bleibt der Streifen insgesamt aber relativ ruhig gehalten, verzichtet komplett auf ausufernde Action, die inszenatorisch ohnehin nie Nolan´s größte Stärke war und wirkt trotz der üppigen 169 Minuten Laufzeit am Ende deutlich kurzweiliger.
                  Dass die Effekte von höchster Qualität sind und der Cast durch die Bank weg hervorragend agiert, allen voran mal wieder ein Matthew McConaughey auf dem derzeitigen Höhenflug seiner Karriere, dürfte niemanden überraschen. Das macht schon eher beispielsweise Hans Zimmer, der nach seinen ganzen eintönigen, faden Arbeiten der letzten Jahre mal wieder mit einem dezenteren, stimmigeren aber dafür umso überzeugenderen Score aufwartet.
                  Diskussionspotential offenbart sich schließlich noch gegen Ende. Viele haben sich im Voraus mitunter nicht weniger als einen neuen "2001 - A Space Odyssey" erwartet und Nolan liefert dies bewusst nicht. Es wird eine Konfrontation mit einem schwarzen Loch geben, soviel sei verraten, doch während Kubrick mit seinem zeitlosen Klassiker die Unergründbarkeit sowie Faszination der mysteriösen Weiten des Universums zusammen mit diversen Fragestellungen verpackt als Höhepunkt servierte, bringt Nolan seine Geschichte auf mutige, für einige sicherlich auch enttäuschende, aber nur höchst konsequente Weise sozusagen "full circle", stützt sich endgültig und vollständig auf die emotionale Tragweite seiner Handlung und verlässt sein Werk optimistisch, abgerundet und mit nur wenigen bis kaum verbleibenden Fragestellungen. Es bleibt lediglich fraglich, ob die letzten 5-10 Minuten nötig gewesen wären und der Streifen ohne sie nicht vielleicht noch perfekter abgeschlossen worden wäre.
                  Auch wenn ihm mittlerweile ein Großteil der Massen zu Füßen liegt und seine Filme jedes Mal ein wahrer Kassenschlager werden, wirkt "Interstellar" trotz definitiv vorhandener, im Guten wie im Schlechten, Blockbuster-Elemente mehr wie ein intimeres, sehr persönlich motiviertes Werk von Christopher Nolan. Sein Science-Fiction-Epos über die Erkundung neuer Welten, astrophysikalische Theorien und die Errettung der Menschheit ist in seinem tiefsten Kern ein bewegendes (Familien-)drama rund um Verlustängste und den Kampf sowie die Reichweite um und von Liebe , welches sich als bisher emotionalster Film Nolan´s entpuppt und seinem bisherigen Schaffen somit, trotz altbekannter Qualitäten seiner bisherigen Werke wie die fesselnde Atmosphäre, grandios eingeflochtene visuelle Effekte und ein gewisser tiefgehender Anspruch, und kleiner erzählerischer Schwächen und Ungereimtheiten, neue begeisternde Facetten hinzufügt.

                  23
                  • 9

                    Mit "Touch Of Evil" setzte Orson Welles 1958 eine Art Schlusspunkt für den Film noir, welcher gleichzeitig, aufgrund erneut ärgerlicher Kürzungen des Studios, das Ende seiner Hollywood-Karriere markierte, von der er sich fortan verabschiedete.
                    1998 wurde glücklicherweise eine neue Restauration des Films erstellt, die so weit wie möglich der gewünschten Schnittfassung von Welles entspricht und "Touch Of Evil" schlichtweg zu einem Meilenstein des Genres erstrahlen lassen, ein Meisterwerk, mit dem Welles seiner Zeit wieder einmal weit voraus war.
                    Mit der gewaltigen Einstiegsszene, in welcher der Regisseur sein Werk mit einer 3-minütigen Plansequenz eröffnet, zeigt Welles noch mal eben, was ein Regie-Genie auszeichnet und sicherte sich allein dadurch bereits einen Platz in der Filmgeschichte.
                    Diese stilistische Extravaganz, die wortwörtlich mit einem Knall endet, ist allerdings erst der Grundstein, mit dem Welles den Zuschauer nach Los Robles führt. Eine Kleinstadt genau an der Grenze zwischen Amerika und Mexiko, die mehr einem verkommenen Höllenloch gleicht und in der brutale Verbrechen, Drogen, furchteinflößende Motels (Hitchcock nahm die Motel-Szenen als Inspiration für seinen Klassiker "Psycho"), korrupte Polizisten und zwielichtige Gestalten die Tagesordnung bestimmen.
                    Mit einer Inszenierung, die mit ihrer staunenswerten Brillanz aus perfekten Kameraeinstellungen, bedrohlichen Schattenspielen und der unvergleichen Musik von Henry Mancini begeistert, stößt Welles den Zuschauer mitten in einen hoffnungslosen, grimmigen Albtraum, in dem jeglicher Hoffnungsschimmer umgehend im Keim erstickt wird.
                    Der idealistische, mexikanische Drogenfahnder Vargas, von einem bizarr angemalten Charlton Heston gespielt, trifft auf den alten Polizei-Captain Quinlan, der desillusioniert und von bitterer Korruption geprägt ist. Quinlan wird wiederum von Welles selbst gespielt und ist vielleicht die beste Rolle, die sich der Regisseur jemals selbst geschrieben hat. Quinlan ist auf der einen Seite ein skrupelloses, eiskaltes Monster, das vor keinerlei Mitteln zurückschreckt, um einen Fall zu lösen. Auf der anderen Seite ist er selbst aber auch nur ein Produkt seines verkommenen Umfelds, in dem er sich 30 Jahre lang befindet und in dem er auch schon tiefschürfende Tragik durchleiden musste.
                    Es wird schnell klar, dass hier zwei Welten aufeinander prallen und alles in ein schonungsloses Duell führen wird, das von Welles immer wieder in unglaublich spannenden Sequenzen zu Höhepunkten geführt wird, die einem den Atem rauben und bei dem vor allem die ambivalente, durchdachte Figurenzeichnung beeindruckt.
                    Sämtliche Handlungsfäden laufen gegen Ende zusammen, ein Rädchen greift in das andere und rückblickend wirkt keine einzige Szene unnötig, so stringent ist die Geschichte von Welles durchgeplant worden.
                    Selbst der Schlusspunkt in "Touch Of Evil", diesem faszinierenden Meisterstück und düsterem Schlusspunkt des Film noir, ist ein zweifelhafter, denn trotz positiver Errungenschaften bleibt der Eindruck, dass jede Art von Hoffnung längst verloren ist.

                    13
                    • 8

                      "The Lady from Shanghai" wurde für Orson Welles persönlich ein Debakel. Sein Film-Noir wurde vom Studio derart verändert, dass von dem ursprünglich 2,5-stündigen Werk nur ein 87-minütiger Torso übrig blieb.
                      Betrachtet man den Film neutral für sich stehend, bleibt aber trotzdem ein überwiegend positiver Eindruck, denn Welles schuf erneut einen großartigen Film, der von seiner fantastischen Inszenierung, einer wendungsreichen Handlung und den tollen Darstellern dominiert wird.
                      Zunächst treibt Welles den Plot elegisch voran, genauso wie die Yacht, auf dem sich die Handlung anfangs abspielt. Durch brillante Kameraeinstellungen und die nebelverhangene Handlung, bei der vermutlich auch aufgrund der massiven, nachträglichen Eingriffe, viele Motive und Charakterzüge unklar bleiben, erzeugt Welles, der hier auch selbst wieder die Hauptrolle spielt, eine wirklich starke Atmosphäre, die den Zuschauer in ihren Bann zieht.
                      Auch im späteren Verlauf, wenn die Geschichte dann richtig ins Rollen kommt und eine Handlungswendung die nächste jagt, macht der Streifen immer noch einen recht wirren, unzusammenhängenden und fragmentarischen Eindruck, was den düsteren, geheimnisvollen wie fragmentarischen Flair des Werks weiterhin verstärkt und ihn keineswegs runterzieht.
                      Doch selbst, wenn man irgendwann nicht mehr bereit sein sollte, dem sprunghaften Plot folgen zu wollen, kann man für die Gestaltung einzelner Szenen wieder nur Staunen gegenüber Welles´ Können aufbringen. Allein die Szenen in dem Aquarium, einem chinesischen Theater und das fiebrig-packende Finale in einem Spiegelkabinett machen den Film zusammen mit der Darstellung von Welles, der hier einen irischen (!) Akzent auflegt und der sinnlich-verruchten Leistung der schönen Rita Hayworth als Prototyp einer perfekten Femme Fatale zu einem unbedingt lohnenswerten Film.
                      Trotz der massiven Kürzungen und Änderungen des Studios bleibt "The Lady from Shanghai" ein fantastisch inszenierter, vielleicht auch aufgrund seiner rigorosen Einschnitte, atmosphärisch packender wie rätselhafter Film-Noir-Vertreter der Extraklasse.

                      10
                      • 8

                        "Citizen Kane" von Orson Welles dürfte sicherlich jedem Filmfreund ein Begriff sein, taucht er doch bis heute in zahlreichen renommierten Listen der besten Filme aller Zeiten auf.
                        Tatsächlich ist es auch kein Wunder, dass der Streifen vor allem rückblickend Maßstäbe setzte und zahlreiche nachfolgende Filmemacher prägen sollte. Mit gerade einmal jungen 25 Jahren schuf Welles als Co-Autor, Regisseur, Produzent und Hauptdarsteller ein formal beeindruckendes Werk, das sein ganzes Können als geniales Multitalent unter Beweis stellte.
                        Vor allem die visuelle Gestaltung, insbesondere die opulenten Aufnahmen, für die Welles und sein Kameramann auf neuartige Weitwinkelobjektive zurückgriffen, sowie der innovative Schnitt und die markanten, expressiven Schatten bilden eine optische Klasse, welche für die damalige Zeit einmalig ist.
                        Die Geschichte um einen mächtigen Zeitungsmogul, der alles haben kann, was er will, aber am Ende trotzdem einsam stirbt und lediglich "Rosebud" als letztes Wort hinterlässt, ist zeitlos und zeigt eindringlich, wie Macht, Reichtum und daraus folgender Egoismus das Innerste eines Menschen verkrüppeln. Der Clou der Geschichte liegt allerdings in der Erzählweise.
                        Heutzutage ist es für den Zuschauer zwar keine Besonderheit mehr, doch damals war die besondere Erzählweise, bei der Welles die alteingefahrene Chronologie durchbricht und zwischen verschiedenen Zeitebenen und Perspektiven wechselt, ebenfalls eine absolute Neuheit, mit welcher der Film stets abwechslungsreich und dynamisch wirkt.
                        Zuletzt gehört vor allem Welles selbst als Hauptdarsteller großer Respekt. Durch seine fantastische Leistung, die sich auch aus einer hervorragend gestalteten Maske ergibt, gelingt es dem damals noch jungen Welles spielend leicht, sämtliche Facetten und Altersstufen - egal ob als junger, charismatischer Redner oder als verbitterter, alter Mann - seiner tragischen Figur Charles Foster Kane darzustellen.
                        Ist "Citizen Kane" der beste Film aller Zeiten? Eher nicht, denn das wird für jeden subjektiv gesehen ein anderer sein und kann nicht so allgemein festgelegt werden. Trotzdem ist es ohne Zweifel ein stilbildender, extrem einflussreicher Film, der durch die ausgefeilte Inszenierung, die innovative Erzählweise sowie die zeitlose Geschichte und das eindringliche Schauspiel von Regisseur Orson Welles zurecht Maßstäbe setzte.

                        13
                        • 7

                          Auch wenn es sich zweifelsohne anbietet, wäre es unfair, "Hard Eight", das Regiedebüt von Paul Thomas Anderson, an dessen anderen, zahlreichen Meisterwerken zu messen.
                          Für sich alleine betrachtet ist dieses Debütwerk von einem jungen Meister aber bereits ein rundum stimmiger, fantastischer Film, der sämtliche Kennzeichen enthält, für die man Anderson liebt.
                          Die Geschichte ist dabei zwar nicht allzu spektakulär ausgefallen, besticht aber durch das erzählerische Feingefühl, mit welchem der Regisseur vorgeht. Anderson lässt viele Motive oder Details lange Zeit im Unklaren und treibt seine von einer deutlichen Dialoglastigkeit bestimmte Handlung vor allem über die geschliffenen Wortwechsel, die starken Schauspieler sowie die atmosphärische, äußerst ausgefeilte Inszenierung voran.
                          Auch wenn der Streifen stilistisch noch nicht so extravagant ausgefallen ist wie seine nachfolgenden Werke und Anderson seine Sache hier noch sehr ruhig und langsam angehen lässt, weist auch "Hard Eight" bereits sehr gelungene Kameraeinstellungen, vereinzelte Tracking-Shots, elegante Steadicam-Fahrten oder stimmige Close-Ups auf. Auch das Timing, der markante Schnitt und die stets perfekt eingesetzte Musik verleihen dem Film, der überwiegend in Casinos, Hotelzimmern oder Restaurants/Cafés spielt, eine unwiderstehliche, edle Hülle, die einen großen Eindruck von Anderson´s Können vermittelt.
                          Die abwechslungsreiche, nicht unbedingt vorhersehbare Geschichte wird dazu noch von einem wirklich starken Cast getragen, bei dem Anderson bereits in seinem Debüt große Darsteller wie Philip Baker Hall, John C. Reilly, Gwyneth Paltrow oder Samuel L. Jackson für sich gewinnen konnte, welche ihren vielschichtigen Figuren allesamt die nötigen Facetten abgewinnen können und mit tollen Performances bestechen.
                          "Hard Eight", und jetzt kommt abschließend eben doch noch der kurze Vergleich, wirkt insgesamt hier und da noch etwas ungeschliffen und nicht so perfektionistisch wie die späteren (Meister-)Werke von Paul Thomas Anderson. Für ein Debüt ist der Streifen aber trotzdem ein großartiger Film geworden, der mit seiner durchdachten Erzählweise, abwechslungsreichen Handlung, edlen, atmosphärischen Inszenierung und richtig guten Darstellern punktet. Muss eigentlich jeder Fan von PTA und gut gemachten Thrillern zumindest einmal gesehen haben.

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                          • 5

                            "Rise of the Planet of the Apes" erwies sich im Jahr 2011 als waschechte Blockbuster-Überraschung, da in dem Streifen neben den opulenten Schauwerten vor allem eine emotional mitnehmende, weitestgehend sauber ausgearbeitete Geschichte nicht zu kurz kam.
                            Im Nachfolger "Dawn of the Planet of the Apes", nun von Matt Reeves inszeniert, ist die gut gemachte Tricktechnik immer noch vorhanden und auch Andy Serkis beweist wenig überraschend erneut, dass er Motion-Capturing wie kaum ein anderer beherrscht.
                            Schaut man allerdings dann auf die Geschichte, stellt sich bereits von Anfang an eine wachsende Ernüchterung ein, die bis zum Ende nicht mehr weichen wird. Der Streifen ist von A-Z nach dem üblichen, platten Blockbuster-Schema gestrickt, vollgepackt mit formelhaften Plattitüden, Klischees und Pathos sowie frei von jeglichen Überraschungen und Höhepunkten.
                            Dabei ist es geradezu erschreckend, wie egal dem Drehbuch die menschlichen Charaktere sind und wie einseitig gezeichnet beide Parteien sind. Selbst hochkarätige Darsteller wie ein Gary Oldman werden hier sträflich verpulvert und enttäuschen durch platte Charakterzeichnungen, die kaum noch als solche bezeichnet werden können.
                            Zudem zieht sich der Film über seine 130 Minuten wirklich an vielen Stellen, was vor allem an der erzwungenen Epik der Bilder liegt, die hier künstlich in die Länge gezogen werden, allerdings ohne richtigen Effekt. Im Gegenteil, Szenen wie Affen, die mit Maschinengewehren brüllend auf Pferden das Quartier der Menschen stürmen, wirken eher komisch als bedrohlich.
                            Auch wenn der Film letztendlich nicht wirklich schlecht ist, aufgrund einiger lichter Momente und den gut getricksten Effekten, bleibt insgesamt ein sehr enttäuschter Eindruck von "Dawn of the Planet of the Apes". Alles in allem ist es nur ein weiterer formelhafter Blockbuster unter vielen, der, schaut man hinter die gute Technik, lediglich mit einer vorhersehbaren, überraschungsfreien Geschichte und platten, schlecht gezeichneten Charakteren aufwartet.

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                            • 9
                              über Boyhood

                              Allein von der Ambition her ist "Boyhood" von Richard Linklater ein revolutionäres Filmprojekt, dem größte Beachtung gebührt.
                              Über einen Zeitraum von 12 Jahren versammelte der Regisseur jeweils für wenige Drehtage einen wiederkehrenden Stammcast, um das Erwachsenwerden eines Jungen sowie die Veränderungen seines Umfelds und seiner Familie zu schildern.
                              Dabei ist diese besondere Herangehensweise nur die Kirsche auf der Sahne. Viel beeindruckender ist es, wie es Linklater gelingt, aus den einzelnen Stationen und verschiedensten Szenen aus den jeweiligen Lebenslagen der Figuren ein in sich stimmiges Gesamtwerk zu formen, das sich qualitativ in die absolute Speerspitze des Coming-of-Age-Genres der letzten Jahre oder noch länger einreiht.
                              Vor allem erzählerisch ist der Streifen nicht nur wahnsinnig ambitioniert, sondern mit einer gewissen Feinfühligkeit und Reife umgesetzt. Linklater verzichtet auf jegliche Art von künstlichem Spannungsbogen, greift lose sowohl markante wie auch belanglos erscheinende Momente aus dem Leben auf, traut sich vor allem im späteren Verlauf auch einige Längen zu und erzeugt so einen faszinierenden Erzählfluss.
                              Es ist unglaublich gelungen, wie der Regisseur die einzelnen Abschnitte atmosphärisch an die zugehörigen Lebensgefühle anpasst. So ist vor allem die erste Stunde, in der Mason noch ein kleiner Junge ist, geradezu voll von staunenswerten Momenten, schnellen Veränderungen und von einer dynamischen Energie geprägt, genauso wie einem die eigene Jugendzeit rückblickend erscheint. Im Gegensatz dazu gibt es im letzten Drittel einige spröde, nicht gerade packende Momente, wenn nicht sogar auffällige Längen. Eine Zeit, in der Mason begreift, dass das Leben als Erwachsener Verantwortung mit sich bringt, öfters auch von Monotonie, Ziellosigkeit und Langeweile geprägt ist.
                              Gerade in seiner schlichten Einfachheit und mitunter fast schon banalen Gewöhnlichkeit liegt die Magie des Films, mit der sich Linklater so nah an das reale Leben annähert, wie es den wenigsten Filmen gelingt. Besonders toll ist die Art und Weise, wie der Regisseur die einzelnen Segmente zeitlich verknüpft oder einordnet. Statt plumpen Einblendungen streut Linklater immer wieder kleine, aber feine Details, sei es kulturell, technisch oder historisch, um seine Geschichte jeweils in einen greifbaren Zeitkontext einzuordnen. Einfache Kleinigkeiten wie der Gameboy Advance SP, "Dragonball Z" im TV, der Mitternachtsverkauf des 6. "Harry Potter"-Buchs, der Obama-Wahlkampf oder die Vielzahl an Pop-Songs ermöglichen es dem Zuschauer stets, das Geschehen zeitlich sofort einzuordnen und sich zudem an solch liebevollen Details zu erfreuen.
                              Inhaltlich ist der Film, den man fast schon als Coming-of-Age-Epos bezeichnen kann, vollgepackt mit vielen wichtigen, inspirierenden aber auch nachdenklich stimmenden Themen, die meist das Leben an sich betreffen, mit denen sich sicherlich mehrere Filme füllen ließen. Linklater schafft es, dass man förmlich an die Familie bzw. das Leben von Mason, der Hauptfigur, gebunden wird und trotzdem immer wieder Parallelen zu seiner eigenen Jugend erleben darf. Vor allem, wenn man selbst innerhalb dieser Zeitspanne aufgewachsen ist, dürfte es den ein oder anderen wohligen Déjà-vu-Moment geben.
                              Schauspielerisch ist der Streifen natürlich ebenfalls ein Erfolg auf ganzer Linie und es ist ein einzigartiges, aber auch ungewöhnliches Gefühl, wenn man die einzelnen Darsteller zusammen mit ihren Figuren vor der Kamera altern sehen darf.
                              "Boyhood" ist nicht nur hinsichtlich seiner Produktionsgeschichte ein filmischer Meilenstein. Richard Linklater gelingt zusammen mit dem sich stetig verändernden Cast ein denkbar gewöhnliches und schlichtes, aber dafür umso ergreifenderes Coming-of-Age-Porträt mit zahlreichen liebevollen Details, erinnerungswürdigen Momenten und einfühlsamen Möglichkeiten, welche die Reflexion der eigenen Jugend ermöglichen.

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                                Bereits in "Schwerkraft", seinem Debüt als Autor und Regisseur, blitzt das unbestreitbare Talent und der Mut zu einer gewissen Andersartigkeit von Maximilian Erlenwein durch.
                                "Das wars...5,4,3,2,1...Wiedersehen." Nach diesen Worten nimmt sich ein Mann vor dem jungen Bankangestellten Frederik das Leben, nachdem ihm dieser seinen Kredit kündigen musste.
                                Es ist eine Art Initialzündung, die Frederik, der in einer eintönigen Alltagsroutine zwischen heuchlerischem Bankjob, schick-steriler Wohnung und monotonem Heimsport lebt, zu einer Veränderung bewegt.
                                Zusammen mit seinem alten Bekannten und ehemaligen Bandkollegen Vince, den er zuvor zufällig nach langer Zeit mal wieder trifft, begibt er sich wiederholt auf Einbruchstouren. Dieser Abstieg in die Kriminalität weckt in Frederik einen völlig anderen Menschen, der neue Lebenskraft schöpft und zu sich selbst zu finden scheint.
                                Es ist vor allem das spannende Figurenverhältnis, das für Aufsehen sorgt und den Film so aufregend macht. Frederik, hervorragend gespielt von Fabian Hinrichs, der zunehmend mit größtem Vergnügen auf die schiefe Bahn gerät, auf der einen Seite. Vince, ebenfalls klasse von Jürgen Vogel gespielt, der gerade seine kriminelle Vergangenheit hinter sich hat, nun ein normales Leben führen will, aber seine Wurzeln nicht loswerden kann.
                                Die Situationen und Geschehnisse, die Erlenwein in seinem Debüt entspinnt, sind dabei oftmals von einem feinen, trockenen Humor durchzogen, der für erfrischende Lacher sorgt, während die Erzählung stets zwischen ernst und locker schwankt.
                                Nebenbei ist die Inszenierung sehr dynamisch und durch die stimmigen Bilder, den flotten Schnitt und eine gelungene Musikuntermalung mit fetzigen Gitarrenklängen kleidet Erlenwein seinen für deutsche Verhältnisse frechen und ungewöhnlichen Film in ein passendes Gewand.
                                "Schwerkraft" mag hier und da insgesamt vielleicht noch etwas unentschlossen wirken und meistert die Gratwanderung zwischen locker-lustiger, leicht satirischer Gangster-Komödie und ernstgemeinter, tiefgehender Charakterstudie nicht auf ganzer Linie. Regisseur Maximilian Erlenwein hat mit seiner unkonventionellen Mischung aber trotzdem ein starkes Einstiegswerk abgeliefert, das von seinem Können und Mut zu außergewöhnlichen Stoffen zeugt und vor allem von den guten Schauspielern und dem erfrischenden Humor lebt.

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                                  über Stereo

                                  Regisseur Maximilian Erlenwein setzt mit seinem deutschen Thriller "Stereo" viel auf eine Karte.
                                  Die Geschichte um einen Werkstattbesitzer, der von den Schatten seiner Vergangenheit verfolgt wird, nimmt Anleihen an bekannte Werke wie "Fight Club" oder "A History of Violence", bedient sich in höchstem Maße an der Ästhetik der letzten Werke von Nicolas Winding Refn und funktioniert trotzdem erstaunlich homogen als eigenständiges Werk.
                                  Zu oft läuft das deutsche Genre-Kino Gefahr, sofern überhaupt mal etwas gewagt wird, internationale Werke billig abzukupfern und den großen Vorbildern bemüht hinterher zu hetzen. Auch hier schreit die zunächst dargestellte Grundkonstellation geradezu nach einem der bekanntesten Twists der Filmgeschichte. Henry, welcher die Hauptfigur Erik ständig verfolgt und nur von diesem gesehen wird, stellt sich allerdings bereits im ersten Drittel ganz klar nur als Einbildung bzw. eventuelle Abspaltung seiner Persönlichkeit dar.
                                  Dieser Kniff ist nur der Katalystator für die darauf folgenden Ereignisse, in welcher Erik in einen wahren Strudel schmerzender Erkenntnisse und brutaler Gewalt gezogen wird.
                                  "Stereo" ist eine packend inszenierte, abgründig-atmosphärische Auseinandersetzung mit der eigenen Seele, ein Kräfteringen mit der dunklen Seite, bei der jegliche Versuche des Verdrängens nur zu noch mehr Chaos führen.
                                  In dieser Hinsicht geht Erlenwein seinen eingeschlagenen Weg konsequent bis zum Ende und nähert sich, abseits von dem brodelnden Score, der eine verblüffende Ähnlichkeit zu den musikalischen Kompositionen eines Cliff Martinez aufweist, seinem offensichtlichen Vorbild Refn vor allem hinsichtlich des schlussendlichen Brutalitätsfaktors an.
                                  Gewalt ist auch hier am Ende ein Akt kathartischer Erlösung, der finale Ausweg, um Angesichts der Akzeptanz der persönlichen Abgründe noch irgendwie der auswegslosen Situation zu entfliehen. Diese Erzählrichtung mag einigen sauer aufstoßen und viele werden darin eine Glorifizierung männlicher Macho-Brutalo-Klischees erkennen, doch man kann es Erlenwein nicht hoch genug anrechnen, am Ende keinen Rückzieher zu machen und mit seinem finalen Abstecher in einen surrealen Nachtclub und die Darbietung wüster Gewaltaktionen konsequent die gängig deutschen Erwartungshaltungen zu unterlaufen und zu begeistern.
                                  Neben dem schon erwähnten, grandiosen Score und den sehr düsteren, bestechend komponierten Bildern brillieren vor allem Jürgen Vogel und Moritz Bleibtreu in ihrer ersten Zusammenarbeit in einem deutschen Spielfilm. Lediglich Georg Friedrich als überzogener Bordellbesitzer und Gangster-Boss Keitel bewegt sich zu nah an der Karikatur und fällt etwas ab.
                                  "Stereo" mag hinsichtlich des auffällig großen Hypes um "Who Am I - Kein System ist sicher" dieses Jahr ein wenig untergangen sein, ist aber trotzdem der bessere Film und womöglich der beste deutsche 2014. Maximilian Erlenwein´s aus bekannten Versatzstücken konstruierter Psycho-Thriller ist ein furioser, fesselnder Trip in menschliche Abgründe, gespickt mit tollen Charaktermomenten, einer handwerklich bestechenden Raffinesse, erzählerischer Konsequenz und aufrüttelnder Härte.

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                                    "The Babadook" von Jennifer Kent ist ein Horrorfilm der etwas anderen Art, der sich grundsätzlich von zahlreichen Vertretern des Genres der letzten Zeit unterscheidet.
                                    Das Besondere ist, dass sich die Regisseurin vordergründig auf ihre beiden Hauptfiguren konzentriert. Der Streifen ist hierbei fast schon ein überwiegendes Zwei-Personen-Stück, bei dem eine Mutter und ihr kleiner Sohn im Mittelpunkt stehen und beide ein tragisches Schicksal verbindet. Als dann noch ein mysteriöses Kinderbuch mit gruseligen Pop-Up-Zeichnungen und beängstigenden Botschaften auftaucht, beginnen die Probleme erst so richtig.
                                    Der Horror entsteht durch den starken Fokus auf die Figuren deshalb hauptsächlich durch die Ängste und psychischen Probleme, die von den beiden ausgehen. Dabei sind auch die Schauspielleistungen von Essie Davis und Noah Wiseman auffällig, denn die agieren mehr als überdurchschnittlich gut innerhalb des gewohnten Genre-Niveaus und vor allem Essie Davis in der Rolle der überforderten, psychisch schwer angeschlagenen Mutter ist zunächst richtig klasse.
                                    Kent gelingt es über die ersten beiden Drittel ihres Films somit, zusammen mit schön gefilmten sowie montierten Bildern, dem geschickt konstruierten Mythos um das geheimnisvolle Wesen Babadook und den vielschichtigen Charakteren für eine starke Atmosphäre zu sorgen, die sich aus subtilem Spannungsaufbau, beunruhigenden Andeutungen und vor allem einem massiven Konfliktpotential im Figurengeflecht aufbaut.
                                    Umso ärgerlicher ist es dann, wie sie sämtliches Potential und vorher errichtete Grundsteine im letzten Drittel rapide über den Haufen wirft. Was nämlich dann durch unfreiwillig komisches, völlig überzogenes Overacting, entnervendes Gepolter, klischeehafte Momente und peinliche Einwürfe alles dargeboten wird, dürfte bei jedem leidenschaftlichen Genre-Fan nur für ungläubiges Kopfschütteln und ein müdes Lächeln sorgen.
                                    Wären der Einstieg und die erste Hälfte des Films nicht so gelungen, wäre "The Badabook" ein missratener Horrorfilm unter vielen, nach denen kein Hahn krähen würde. Diese Aussage schmerzt fast schon ein wenig, denn Potential war durchaus genug vorhanden. Trotzdem sind die Schmerzen, welche die letzte halbe Stunde verursachen, weitaus stärker.

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                                    • 7

                                      Es ist ein kalter Wind, der "A Most Wanted Man" von Anton Corbijn durchweht. Nicht nur, weil der Spionage-Thriller an sich bereits ein sehr kühles Werk ist, sondern auch, weil der große Philip Seymour Hoffman hier seine letzte Hauptrolle vor seinem plötzlichen Tod spielt.
                                      Hoffman ist es auch, der mit seiner niedergeschlagenen, desillusionierten und unglaublich konzentrierten Leistung den gelungensten Faktor dieses Films darstellt, denn ansonsten gibt es hier einige auffällige Mängel zu beanstanden. Es fängt schon bei kleinen Nebensächlichkeiten an, wie z.B. dass der Streifen fast komplett in Hamburg gedreht wurde und viele Figuren auch mit deutschen Namen und Herkunft versehen wurden, aber trotzdem durchgängig englisch sprechen, was an einigen Stellen sehr befremdlich und unpassend wirkt.
                                      Von solchen Kleinigkeiten mal abgesehen ist es die bereits erwähnte Kälte sowie gemächliche Langsamkeit, die den Film immer wieder extrem ausbremsen und runterziehen. Man ist es zwar eigentlich gewohnt, dass Adaptionen der Werke von John le Carré langsam und kühl ausfallen, doch im Gegensatz zum absolut fantastischen "Tinker Tailor Soldier Spy", bei dem die Kopflastigkeit, die packenden Charaktermomente und das subtile Brodeln unter der Oberfläche für eine durchgehend elektrisierende Hochspannung sorgten, stellt sich diese Atmosphäre bei "A Most Wanted Man" nur stellenweise ein.
                                      Corbijn versteht es zwar, durch seine toll komponierten Bilder den tristen Alltag des zermürbenden Spionage-Berufsfeldes mit sämtlichen Verwicklungen und Problematiken zu verdeutlichen, doch wirklich mitreißend ist die Geschichte nicht ausgefallen. Es ist dem sehr gut aufgelegten Cast zu verdanken, wie der bereits erwähnte, überragende Philip Seymour Hoffman oder tolle Darsteller wie Willem Dafoe, Robin Wright und Rachel McAdams, dass sie das Niveau über das eines gewöhnlichen, spannungsarmen Vorabend-Krimis heben.
                                      Auch wenn der Streifen alles in allem immer noch ganz gut ausgefallen ist, möchte man sich abschließend trotzdem leider fast schon wünschen, dass die Abschiedsvorstellung von Philip Seymour Hofmann, mit dessen Verlust einer der größten Charakterdarsteller der Neuzeit von uns gegangen ist, in einem anderen, besseren Werk als "A Most Wanted Man" geschehen wäre. Der Spionage-Thriller bietet zwar atmosphärische Momente subtiler Spannung, eine gekonnte Inszenierung und gute Darsteller, bleibt aber viel zu stark an der Oberfläche, reißt den Zuschauer kaum mit und ist aufgrund seiner kühlen Langsamkeit mit zahlreichen Längen behaftet.

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                                      • 8 .5

                                        "20,000 Days on Earth" ist nicht einfach nur eine Dokumentation über den Musiker Nick Cave und den Entstehungsprozess seines Albums "Push The Sky Away". Jane Pollard und Iain Forsyth kreierten zusammen mit dem Künstler ein sinnlich-melancholisches Porträt, das durch die wundervolle Inszenierung beeindruckt und definitiv neue Impulse im Dokumentarbereich setzt.
                                        Durch die Freiheit, die sich Nick Cave rausnehmen konnte, um sich so weit wie möglich selbst zu inszenieren, gerät solch ein Projekt schnell in Gefahr, allzu selbstverliebt und prahlerisch zu enden. Erfreulicherweise ist das hier aber keineswegs der Fall, ganz im Gegenteil.
                                        Aufgrund der besonderen Herangehensweise vermischen sich reale Interviews und Einblicke in Band-Proben sowie Live-Auftritte mit fiktiv inszenierten Einschüben, nachdenklichen wie selbstreflexiven Monologen sowie inspirierend-philosophischen Diskursen über den künstlerischen Schaffensprozess und das Leben an sich zu einem faszinierenden Erzählfluss, der den Betrachter förmlich aufsaugt.
                                        Selbst, wenn man vorher noch nie etwas von Nick Cave gehört hat, dürfte einen diese besondere Dokumentation nicht kalt lassen. Abseits der tollen, gänsehautreifen Live-Momente sieht man hier im Grunde das Porträt eines Mannes, dem die Musik bzw. die freie Entfaltung in seiner Kunst aus einer Lebenskrise halfen und der nun auf eindringliche Weise auf sein Leben zurückblickt, den Zuschauer dabei aber stets mit an die Hand nimmt, um sich selbst Gedanken über das eigene Leben zu machen und in höchst persönlichen Eindrücken schwelgen zu dürfen.
                                        Insgesamt ist "20,000 Days on Earth" also eine außergewöhnliche, herausragend montierte und inspirierende Doku-Erfahrung, die es so vielleicht noch nie gegeben hat und womöglich sogar zur besten Dokumentation des Jahres erklärt werden könnte.

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                                        • 8

                                          Regisseur Andreas Prochaska beweist mit "Das finstere Tal", dass deutsche bzw. in diesem Fall österreichische Filmproduktionen keineswegs immer internationalen Werken hinterher hängen müssen. Sein Film ist ein verschneiter Alpen-Western der alten Schule, der den Spirit vergangener Klassiker atmet und der gefüllt ist mit Kompromisslosigkeit sowie Leidenschaft zu den großen Vorbildern des Genres.
                                          Bereits der elegische Einstieg mit dem tollen Song "Sinnerman" von Clara Luzia gibt den Erzählton vor. Prochaska lässt sich zunächst Zeit, viel Zeit, um das Setting, die Figuren und grundlegende Handlungselemente in Position zu bringen. Auch die eigentliche Geschichte des geheimnisvollen, schweigsamen Loners, der in ein kleines Dorf geritten kommt und um Unterkunft bittet, aber natürlich ein Geheimnis mit sich bringt, ist nicht allzu innovativ.
                                          Trotzdem entwickelt der Streifen vor allem ab der zweiten Hälfte eine geradezu erschütternd mitreißende Sogwirkung, bei der Prochaska durch seine wuchtige, bildgewaltige und soundtechnisch überwältigende Inszenierung für einige intensive Höhepunkte sorgt. Die Mischung aus emotionaler Dramatik, fesselnden Shootouts und der handwerklichen Brillanz ergeben eine unwiderstehliche Mischung, der man nur schwer widerstehen kann. Dabei ist es außerdem vor allem die gnadenlose Härte, mit der Prochaska sein Werk durchzieht, die für Eindruck sorgt. Spätestens, wenn einem die minutenlange Schmerzensschreie eines eigentlich hassenswerten Bösewichts durch Mark und Bein gehen und man vollstes Mitleid für diesen verspürt, merkt man, dass der Regisseur alles richtig gemacht, vor allem Mut bewiesen hat und diese Linie konsequent verfolgt.
                                          Dabei muss sich der Streifen lediglich die Kritik gefallen lassen, dass er an einigen Stellen etwas zu überstilisiert wirkt und Prochaska mit seiner tonnenschweren Inszenierung vielleicht etwas arg dick aufträgt, doch im Gesamtbild stören diese minimalen Momente nur ganz wenig.
                                          "Das finstere Tal" zeigt, dass es nach wie vor Hoffnung im deutschsprachigen Genre-Kino gibt. Andreas Prochaska liefert einen leidenschaftlichen, im besten Sinne altmodischen und extrem grimmigen wie gnadenlosen (FSK 12!?) Alpen-Western, der von seiner fantastischen Inszenierung und den authentischen Darstellern lebt.

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                                          • 8

                                            In seiner Dokumentation "Searching for Sugar Man" beleuchtet Malik Bendjelloul die Hintergründe des Musikers Sixto Rodriguez.
                                            Wem dieser Name nichts sagt, braucht sich gar nicht wundern, denn genau dieser Fakt ist die treibende Kraft hinter einer Geschichte, die bereits interessant anfängt, sich dann aber immer überaschender und faszinierender entwickelt. Die genauen Hintergründe soll jeder für sich selbst sehen und erleben, doch soviel sollte gesagt sein: Wessen Herz für kraftvolle, mit höchster Leidenschaft kreierte Musik schlägt und wer wieder einmal sehen möchte, was für verblüffende Geschichten das wirkliche Leben formen kann, sollte sich diese sehr schön gestaltete Dokumentation nicht entgehen lassen. Mit toller Musik, einer geschickten Konstruktion der Ereignisse und der sympathischen, berührenden Geschichte ausgestattet verwundert es nicht, dass Bendjelloul den Oscar für den besten Dokumentarfilm mit nach Hause nehmen durfte.

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                                            • 9

                                              "Inland Empire", der bis dato letzte Film von David Lynch, ist praktisch nur noch richtigen Anhängern seiner anderen Werke zu empfehlen und selbst bei diesen könnte das Werk nicht durchgängig auf Gegenliebe stoßen.
                                              Es ist mindestens sein radikalster Streifen seit seinem Debüt "Eraserhead", über weite Strecken rohe, ungefilterte Angst, bei der man sich öfters unwohl fühlt oder mit einem Fragezeichen über dem Kopf verweilt. Da Lynch über die Jahre hinweg von Studios und dem allgemeinen System von Hollywood frustriert war, ging er dieses Werk fast im Alleingang an und übernahm so Regie, Drehbuch, Produktion, Musik, Kamera und Schnitt. Auf ein klassisches Drehbuch verzichtete er allerdings, viele Szenen wurden erst kurz vor dem Dreh geschrieben. Wer hier wiederum versucht, bei jeder Szene hinter irgendeine Bedeutung zu kommen, wird bereits früh an seine Grenzen stoßen. Auch wenn die Handlung rund um einen Filmdreh, der auf einem Drehbuch basiert, bei dessen ersten Dreharbeiten beide Hauptdarsteller ermordet wurden und das angeblich verflucht ist, zunächst ein wenig gewöhnlich beginnt, verlässt Lynch nach einem trügerischen ersten Drittel sämtliche nachvollziehbare Erzählstrukturen und legt erst so richtig los.
                                              Auch wenn die Aussage vielleicht etwas gewagt ist: Kein anderer Film schafft es, das Gefühl eines Albtraums so deutlich in Bilder zu fassen, wie "Inland Empire". Das Gefühl der Desorientierung, Verwirrung, Beklemmung, welches vermutlich jeder aus eigenen Erfahrungen im Zusammenhang mit schlimmen Träumen kennt, bannt Lynch hier praktisch über die gesamte Laufzeit hinweg auf Film. Szenenübergänge, einige Dialoge oder diverse abstrakte Einschübe wirken äußerst befremdlich oder ergeben bewusst keinen richtigen Sinn. Obwohl die Laufzeit üppige 3 Stunden beträgt, verliert man ab einem bestimmten Punkt völlig das Zeitgefühl, mal wirkt der Film langsamer, mal schneller und überhaupt ist der Streifen eine reine Seherfahrung, die jeder anders verarbeiten wird.
                                              Gewöhnungsbedürftig ist dabei die bewusst hässliche DV-Optik, die Lynch für sich entdeckt hat und die mit ihrer kriselnder Unschärfe, der Grobkörnigkeit und der oftmals irritierenden Überbelichtung einen merkwürdigen Look erzeugt, der maßgeblich für die Atmosphäre ist und über den man sicherlich streiten kann. Es wäre definitiv interessant gewesen, wie der Film im klassischen Filmlook geworden wäre.
                                              Eine große Stärke des Films ist zudem Lynch-Veteranin Laura Dern, die hier eine wahre Tour de Force durchleidet und schauspielerisch eine Glanzleistung abliefert, die zu ihren allerbesten zählt.
                                              Ansonsten lässt sich der Streifen eigentlich als verfilmte Essenz aller Lieblingsmotive des Regisseurs beschreiben. Sämtliche Elemente, die auch bereits seine anderen Werke geprägt haben, finden sich hier wieder und es ist eigentlich verständlich, wieso Lynch bis heute keinen weiteren Film mehr gedreht hat. In gewisser Weise ist "Inland Empire" nämlich so etwas wie Lynch´s Opus Magnum, bei dem sich die berechtigte Frage stellt, was nach so einem Film von diesem Regisseur noch kommen kann.
                                              "Inland Empire" ist David Lynch´s endgültige Abkehr von gängigen Filmkonventionen. Stattdessen liefert der Regisseur einen verfilmten Albtraum, einen einzigartigen Trip, der vor verstörenden, irritierenden Szenen nur so überquillt, dabei durch die dichte Atmosphäre und die ungewöhnliche Inszenierung aber stets fesselt und den Betrachter in einen wahren Rausch der Empfindungen stürzt. Nur wirklichen Lynch-Fans zu empfehlen, alle anderen dürften sich bereits nach einer Weile frustriert abwenden.

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                                              • 10

                                                Bereits der Einstieg - Befremdlich wirkende Fragmente eines Jitterbug-Contests und eine bildhübsche Frau, die nach einem seltsamen Zwischenfall nachts verwirrt über den Mulholland Drive irrt - deutet es an: Mit "Mulholland Drive" widmet sich David Lynch wieder der düsteren, abwegigen Seite des Filmemachens und kehrt nach dem hoffnungsvollen, geradlinigen "The Straight Story" zu seinen surrealen Wurzeln zurück.
                                                Ursprünglich als TV-Serie geplant, dann vom Sender abgelehnt und eher aus der Not geboren als eigenständiges Filmprojekt realisiert, entpuppt sich "Mulholland Drive" schließlich sogar noch als das vielleicht beste Werk von David Lynch. Basierend auf eigenen Erfahrungen im Filmgeschäft und inspiriert durch seine Lieblingsfilme wie "Sunset Boulevard" oder "Vertigo" schuf der Regisseur einen Film, der selbst wie eine Art moderne Version von Billy Wilder´s Klassiker wirkt, nur eben mit der einzigartigen Handschrift eines David Lynch.
                                                Die Handlung ist ein Spiegel, der einerseits die faszinierende, bezaubernde Oberfläche und den Glanz des Hollywood-Business veranschaulicht, auf der anderen Seite die Traumfabrik allerdings als das zeigt, was sie womöglich in Wirklichkeit ist: Ein nicht enden wollender Albtraum, ein verzweifelter Strudel, in dem sämtliche Ideale, Träume und Ambitionen ertrinken.
                                                Es ist schwierig, den Film in seiner Gänze zu besprechen, ohne auf seine nahezu perfekte Struktur einzugehen. Zunächst wirkt alles tatsächlich wie eine Art Prolog für längerfristig geplante Handlungsstränge. Im Prinzip besteht die gesamte erste Hälfte aus einer Aneinanderreihung brillant komponierter Einzelszenen, von denen jede entweder mit düsterer Dramatik, verwirrendem Surrealismus, rätselhafter Symbolik, einer Spur bissigem Humor, sinnlicher Erotik oder abgründiger Spannung gefüllt ist. Die Inszenierung braucht man bei Lynch mittlerweile eigentlich kaum noch erwähnen, so hebt er erneut sämtliche rationale Grenzen auf und wandelt zwischen Realität und Traum/Fantasie mit einer fesselnden Perfektion, die ihresgleichen sucht. Hinzu kommt wieder ein herausragender Score von Angelo Badalementi, der wie immer auf meisterlichem Niveau für perfekt passende musikalische Untermalung sorgt.
                                                Gegen Ende kommt dann der entscheidende Bruch, ein wahrer Game-Changer, der das Gehirn erst so richtig ins Rollen bringt, den Zuschauer aufruft, sich sämtliche Charakteristiken zu den entscheidenden Figuren selbst zusammenzusetzen und zu entwirren. Dabei lässt sich diesmal sogar ein gewisser roter Faden ausmachen, anhand dessen man sogar ein einigermaßen schlüssiges Bild erkennen kann, bei dem lediglich wieder einmal einzelne Elemente vielleicht auf ewig ein Rätsel darstellen. Als Beispiel seien hier nur der Club Silencio, die Winkies-Szene, die blaue Box mitsamt blauem Schlüssel oder das Rentner-Pärchen genannt. Szenen und Elemente, die sich unmittelbar beim Betrachter verewigen, die teilweise auch verstören und über die man sich am liebsten stundenlang den Kopf zerbrechen möchte.
                                                Bei den Darstellern offenbaren sich ebenfalls fantastische Leistungen, da die wichtigsten Figuren praktisch mehrere völlig unterschiedliche Facetten zeigen müssen, was vom Cast hervorragend bewältigt wird. Vor allem Naomi Watts, der mit dieser Rolle der verdiente Schauspieldurchbruch gelang, brilliert auf allen Ebenen.
                                                Über "Mulholland Drive" könnte man noch ewig weiter schwärmen. David Lynch schuf mit seiner ganz eigenen, einzigartigen Hollywood-Satire ein faszinierendes Drama, das mit viel düsterer Spannung, sinnlicher Erotik, vielschichtigen Figuren, einer Prise Humor, einer Vielzahl an brillanten, mitunter natürlich auch verwirrenden Einzelmomenten, einer insgesamt fantastisch konstruierten Geschichte und der handwerklichen Perfektion auf ganzer Linie für Begeisterungsstürme sorgt. Wahrscheinlich sogar sein stimmigstes, bestes Werk, was bei dem Namen David Lynch einiges bedeutet.

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                                                  Mit "The Straight Story" vollzieht David Lynch nach dem albtraumhaften, verschachtelten Mystery-Thriller-Puzzle "Lost Highway" eine extreme Kehrtwende, besinnt sich auf "The Elephant Man"-ähnliche Wurzeln zurück und schuf seinen gewöhnlichsten Film.
                                                  Vollständig ohne surreale, rätselhafte Elemente erzählt der Streifen die (wahre) Geschichte von Alvin Straight, ein 73-jähriger Mann, der auf einem Rasenmäher eine riesige Strecke antritt, um seinen Bruder zu besuchen.
                                                  Aufgrund des sehr langsamen Erzähltempos braucht der Film vielleicht etwas, bis er sich dem Betrachter öffnet, doch wenn es soweit ist, gibt es verschiedene Dinge, in denen man sich in diesem Streifen verlieren kann. Man verliert sich in den weiten, wunderschönen Landschaftsaufnahmen. Aber auch in dem wundervollen Soundtrack von Angelo Badalamenti, der immer wieder berührt. Am meisten wird man sich aber wahrscheinlich in der Figur des Alvin Straight und seiner Reise verlieren.
                                                  Wenn er immer wieder neue Menschen trifft, sich in Gesprächen mit ihnen öffnet und Details aus der Vergangenheit und dem Leben von Alvin offenbart werden, die zwischen emotionaler Wärme und tragischer Betroffenheit schwanken.
                                                  Spätestens dann kommt man nicht daran vorbei, dieses bedächtig langsame Road-Movie-Drama, das komplett kitschbefreit und so Lynch-untypisch ist, ein wenig in sein Herz zu schließen, da es so viel über das Leben an sich zu erzählen und zu zeigen hat.
                                                  Abschließend muss man allerdings noch Hauptdarsteller Richard Farnsworth erwähnen. Dieser spielt nicht nur die Figur Alvin Straight, sondern bringt offensichtlich viel von seiner eigenen Persönlichkeit in diese Performance ein. Farnsworth selbst stand während des Films am Ende seines Lebens und beging, nachdem er von seiner unheilbaren Krebskrankheit erfuhr und unter schweren Schmerzen litt, nach den Dreharbeiten Selbstmord. Allein diese Tatsache verleiht seiner Leistung nochmals eine immense Wucht und sorgt dafür, dass sein ohnehin schon fantastisches Schauspiel nochmals auf traurige Weise intensiviert wird.
                                                  "Well, the worst part of being old is rememberin' when you was young."

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                                                    Mit seinem längst zum Kult avancierten Film "Lost Highway" beförderte David Lynch seine Karriere nochmals auf eine neue Ebene.
                                                    Zwar waren bereits seine vorherigen Werke, mal mehr, mal weniger, mit markantem Surrealismus und irritierenden Einlagen gespickt, doch mit "Lost Highway" ging Lynch noch einige Stufen weiter. Er schuf ein mysteriöses, verstörendes Rätsel, ein düsteres, teilweise erotisches Psycho-Thriller-Puzzle, bei dem man sich während und nach der Sichtung den Kopf zerbrechen kann, aber wahrscheinlich trotzdem immer wieder um neue Fragen kreisen wird.
                                                    Selbst das Anreißen der Geschichte wird zur Herausforderung, denn im Nachhinein fragt man sich mit einem wohligen Schwindelgefühl, wer hier was zu bedeuten hatte, wo überhaupt Anfang oder ein Ende liegen und was Realität, (Alb-)traum und (gelenktes?) Unterbewusstsein der Figuren darstellt.
                                                    Dabei erweist sich Lynch wiederum als Meister im Ausloten von Gefühlen und Erzeugen ganz seltsamer Stimmungsbilder. Durch die perfekte Gestaltung der Sets, den genialen Einsatz von Score und eindringlichen Songs, diesmal viel Rock und Metal, sowie die spezielle Art und Weise, wie er mit Licht und Schatten spielt, kreiert er Momente, die eindringlicher und beunruhigender wirken, als die meisten Horrorfilme. Szenen wie die Sichtungen der Videobänder, das Treffen mit dem Mystery Man, die Kamerafahrten durch das Haus und Schlafzimmer bei Nacht, das brennende Haus in der Wüste und viele weitere wirken auf den Betrachter nicht plausibel oder logisch, erscheinen aber trotzdem real und wirklich, was zu einer ganz eigenen Atmosphäre führt, ähnlich einem intensiv durchlebten Traum, die sich durch den gesamten Streifen zieht.
                                                    Auch die Handlung, bei der sich eigentlich erst nach mehreren Sichtungen thematische Fixpunkte wie Identitätskrisen, sexuelle Frustration und Begierde, Spiegelungen bzw. Doppelgänger oder das Motiv der Möbiusschleife ausmachen lassen, verformt sich bei jeder Betrachtung in neue Richtungen und es wird wohl außer Lynch selbst niemandem möglich sein, eine zu 100% schlüssige Antwort auf alle interpretationswürdigen Elemente des Streifens zu finden.
                                                    Dabei ist es trotzdem eine ganz eigene Kunst von Lynch, seinen Film sowohl verstörend, rätselhaft und mitunter frustrierend zu gestalten, den Betrachter aber niemals auszuschließen oder mit zu sperrigen Passagen zu verärgern, sondern dessen Unterbewusstsein mit einer ganz eigenen Form von surrealer Eingängigkeit zu berühren und anzuregen.
                                                    "Lost Highway" ist ein faszinierendes Stück Filmkunst, das durch seine intensive, verstörende, oftmals traumähnliche Atmosphäre und die vielen rätselhaften Elemente Unterbewusstsein sowie Verstand gleichermaßen anregt. Wer bereit ist, David Lynch auf dem verlorenen Highway entlang zu folgen, wird mit einem einzigartigen Meisterwerk entlohnt, das zwar nicht immer einfach zu erfassen ist, aber dafür umso nachhaltiger und beeindruckender wirkt und bei dem es auch nach zahlreichen Sichtungen immer noch etwas zu entdecken oder hinterfragen gibt.

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