Patrick Reinbott - Kommentare
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Alle Kommentare von Patrick Reinbott
Angespornt durch die literarische Vorlage schuf David Lynch mit "Wild at Heart" ein Road-Movie der besonderen Art, welches man in dieser Form eher selten zu sehen bekommt.
Das eigentliche Grundkonzept ist alles andere als neuartig, da das Motiv des stürmischen Pärchens auf einer Reise durch das Land bereits in vielen Filmen verarbeitet oder gerne verwendet wurde. Lynch allerdings nutzt diese Konstellation und schickt seine beiden Hauptfiguren Sailor und Lula auf einen flammenden Road-Trip voller Rock n´ Roll, Sex & Gewalt.
Angetrieben durch ihre bedingungslose Liebe zueinander führt sie ihre Reise mitten in das finstere Herz Amerikas. Dabei sind weder Sailor noch Lula wirkliche Unschuldslämmer, sondern selbst geschändete Seelen, Produkte ihres verkommenen Umfelds, welche vielleicht genau wegen ihrer tragischen Hintergründe zueinander fanden.
Der Drang des Pärchens nach Freiheit und Gemeinsamkeit führt sie auf ihrer Reise durch ein fast schon pervertiertes Amerika, auf welchem sie Zeugen von tragischen Unfällen, unberechenbaren Psychopathen oder schockierender Gewalt werden.
Diesen halluzinatorischen Trip visualisiert Lynch erneut mit einer inszenatorischen Brillanz, die weiterhin ihresgleichen sucht. Ständig bricht der Regisseur radikal im Erzählton, traktiert den Betrachter mit assoziativen Schnittfolgen, wechselt das Tempo und die dazugehörigen, hervorragend ausgewählten Songs (Komponist war natürlich wieder der grandiose Angelo Badalamenti) immer wieder und bebildert die wilde Reise von Sailor und Lula mit zahlreichen eindringlichen Szenen, in denen selbst märchenhafte Anleihen an den "Wizard of Oz", eine gute und böse Fee, ein schwarzer Engel, bizarre Foltermorde oder skurrile Rückblenden ihren Platz finden.
Nicolas Cage und Laura Dern harmonieren hierfür geradezu perfekt als geschädigtes Paar, dessen feurige Liebe zueinander auf die schwerstmöglichste Probe gestellt wird, und gerade Cage als wüster Elvis-Verschnitt erinnert wieder einmal daran, was er vor allem in den 90er Jahren für ein toller Darsteller war. Ein kleines Highlight ist zudem Willem Dafoe als Gangster Bobby Peru, der Dennis Hopper´s Performance aus "Blue Velvet" gelegentlich gefährlich nahe kommt.
"Wild at Heart" ist erneut ein typischer Lynch-Film, der durch und durch dessen einzigartige Handschrift trägt. Ein surreales, düster-sinnliches Road-Trip-Märchen voller feuriger Leidenschaft, heftiger Gewalt, irritierenden Einlagen und einer fantastischen Inszenierung, das aufgrund der zahlreichen Details und skurrilen Elemente begeistert.
Nach seiner persönlichen Misere mit "Dune" meldete sich David Lynch 2 Jahre später mit "Blue Velvet" zurück. Ein Werk, das frei von jeglichen Studiovorgaben gedreht und ausschließlich von Lynch selbst geschrieben wurde und mit dem er einen wahren Klassiker schuf, der stilbildend für sein weiteres Schaffen wurde.
Das prägende Motiv des Films griff der Regisseur auch danach wieder auf, als er mit Mark Frost den TV-Meilenstein "Twin Peaks" kreierte. Inmitten der wohl behüteten Kleinstadt Lumberton bricht Lynch die bunte, friedvolle Fassade auf und legt Abgründe offen, die sich tief im Inneren verbergen. Bereits der Einstieg ist mehr als bezeichnend, wenn weiß gestrichene Gartenzäune, freundlich winkende Feuerwehrmänner und rot strahlende Rosenfelder einem Close-Up von Dreck und wühlenden Insekten weichen.
Lynch leitet die Handlung zunächst mit einem fast schon gewöhnlichen Krimi-Puzzle ein, in welchem sich der ahnungslose, unschuldige Student Jeffrey in ein Rätsel rund um ein abgetrenntes Ohr und eine ominöse Nachtclub-Sängerin verstrickt.
Nach dem bereits fesselnden Einstieg entfaltet das Werk allerdings erst seine wahre Wucht, denn dann erkennt auch Jeffrey, dass die heile Welt, die augenscheinlich immer existiert hat, eine Lüge ist. Bereits hier ist es schon zu spät und er verliert sich einem Strudel aus perverser Gewalt, sexuellen Obsessionen, Voyeurismus, wahnhaften Psychopathen und obskuren Erlebnissen.
Diesen Fiebertraum der bizarren, abgründigen Elemente inszeniert Lynch selbst mit einer einmaligen, faszinierenden Dualität. Durch eine kunstvolle Inszenierung, die sich aus den starken Bildern mit ihrer verblüffenden Farbdramaturgie, ausgeklügelten Sets und hervorragenden Kameraeinstellungen ergibt sowie einer Mischung aus fantastisch komponierten Stücken von Angelo Badalamenti und wundervoll ausgewählten Pop-Songs durchdringt der Regisseur immer wieder die schmale Linie zwischen einer handwerklich sinnlichen Schönheit und dem grauenvollen Horror der sich abspielenden Geschichte.
Ein weiterer entscheidender Faktor für den Triumph des Streifens sind außerdem die perfekt gewählten Darsteller. Kyle MacLachlan ist großartig als unschuldiger, sympathischer Junge, der sich leicht zur düsteren Seite verleiten lässt. Daneben brillieren eine zerbrechliche, sündig-sinnliche Isabella Rosselini als geschundene Nachtclub-Sängerin, eine Laura Dern als nettes, bezauberndes Mädchen aus der Nachbarschaft und als vielleicht größtes Highlight ein nicht zu bremsender Dennis Hopper als durchgeknaller Psychopath.
"Blue Velvet" ist ein absolutes Meisterwerk zum immer wieder neu entdecken und genießen. David Lynch schuf ein thematisch vielschichtiges, surreal angereichertes Werk rund um die trügerische Vorstadtidylle sowie verdorbene Abgründe der Gesellschaft, welches durch die brillante Inszenierung für zahlreiche unvergessliche Szenen sorgt, durch die tollen Darsteller begeistert und aufgrund der surreal verspielten Erzählweise immer wieder aufs Neue verblüfft.
"It's a strange world."
Über die Hintergründe und Entstehungsgeschichte von "Dune", der Adaption des Kultromans von Frank Herbert, gibt es wahrscheinlich mehr Diskussionen und Anekdoten als über den eigentlichen Film selbst.
Nachdem die Version bzw. das gigantische Mammutwerk, das Alejandro Jodorowsky plante, niemals zustande kam und Ridley Scott auch nach einer Weile das Regiezepter abgab, wurde David Lynch der endgültige Regisseur für den Stoff. Für den wurde das gesamte Projekt zu einem Albtraum und heutzutage meidet er es immer noch, überhaupt über diesen Film zu sprechen.
Wenn man sich das 135-minütige Werk ansieht, wird klar, dass diese Version nicht dem entspricht, was Lynch ursprünglich fertiggestellt hatte. Es gibt sie zwar immer noch, die brillanten, faszinierenden Szenen, welche den Film insgesamt immer noch sehenswert machen, doch das Gesamtwerk ergibt einfach kein stimmiges Gesamtbild.
Elemente wie die bewusstseinserweiternde, lebensverlängernde Droge Spice, die gigantischen Sandwürmer, meditative Einlagen und Voice-over-Gedanken sowie die mysteriöse Geschichte rund um politische Machtkämpfe, einen geheimnisvollen Erlöser und kryptische Visionen inmitten einer imposanten Science-Fiction-Struktur fesseln nach wie vor und strahlen die gewisse Faszination aus, die Lynch in fast allen seiner Werke liefert. Auch die Aufnahmen, trotz einiger angestaubter Effekte, sind stark und der Score von Toto sehr atmosphärisch.
Trotzdem merkt man, dass Lynch´s Ursprungsfassung vom Studio nachträglich heftig traktiert wurde und so musste dieser seine ca. 3,5-stündige Version auf etwas über 2 Stunden schneiden, Szenen neu drehen, entfernen oder nachträgliche Elemente einfügen.
Hierdurch wirkt die Handlung oftmals unentschlossen, oberflächlich, schlichtweg unrund und viele Handlungsstränge werden angerissen, wirken trotz ihrer vielversprechenden Ansätze aber nie vielschichtig oder mitreißend.
Abschließend lässt sich sagen, selbst wenn man "Dune" komplett ablehnt oder überhaupt nichts mit dem Streifen anfangen kann, obwohl er noch immer genügend gelungene und faszinierende Elemente enthält, muss man ihm doch eines zugute halten: Aus dem traumatischen Produktionsprozess ist ein völlig neuer David Lynch gewachsen, der fortan nur noch seine eigenen Visionen realisierte, sich stets den Final Cut seiner Werke sicherte und endlich anfing, seinen persönlichen Stil weiter auszubauen und zu perfektionieren.
Stellvertretend für "Dead or Alive: Hanzaisha" und allgemein die außergewöhnlichen Schaffenskünste von Regisseur Takashi Miike sind vor allem Anfang und Ende.
Der Anfang ist ein furios gefilmter und noch wilder geschnittener Höllenritt quer durch bizarre Brutalität, hemmungslose Sex- und Drogeneinlagen sowie das Gangster- und Nachtleben von Tokio, bei welchem dem Zuschauer aufgrund der audiovisuell irrsinnigen Flut und dem Überfluss an verschiedenen Charakteren leicht schwindelig werden kann.
Das Ende hingegen ist ein völlig überzogener WTF-Moment der Marke "Muss man selbst gesehen haben, um es zu glauben".
Da ist es fast ein wenig ernüchternd, dass der gesamte Mittelteil überraschenderweise ein fast schon banales, sehr ruhig erzähltes Yakuza-Cop-Thriller-Drama ist, welches lediglich von zahlreichen Inszenierungskniffen Miike´s für Aufsehen sorgt, auf der emotionalen und spannungstechnischen Ebene aber, bis auf einen actiongeladenen Restaurant-Showdown, merklich abflacht.
"Dead or Alive: Hanzaisha" präsentiert lediglich zu Beginn und am Schluss einen völlig entfesselten Miike, der sich durch abgedrehte, inszenatorisch atemberaubende Einstellungen in den Kopf des Betrachters fräst. Wäre der Mittelteil bis auf einige Ausnahmen inhaltlich nicht so unübersichtlich und wenig mitreißend, wäre der Streifen deutlich höher in Miike´s qualitativer Gesamtliste einzuordnen.
Nach seinem Debüt und Meisterwerk "Eraserhead" nahm sich David Lynch für sein nachfolgendes Werk einem Drehbuch an, das er gemeinsam mit anderen Drehbuchautoren schrieb.
Nach einer realen Vorlage schufen sie so "The Elephant Man", der Film von Lynch, der stilistisch und inhaltlich ganz anders ist als die meisten anderen seiner Werke, aber nicht minder großartig. Bis auf den hervorragenden Einstieg und die Endsequenz fehlen die sonst so bekannten surrealen Elemente von Lynch fast vollständig, dafür gibt es im Gegenzug eine tief bewegende, aufrührende Geschichte, in welcher der rätselhafte Surrealismus des Regisseurs einer real ergreifenden Erzählung rund um die Wichtigkeit von Gleichbehandlung, der Wertschätzung des Menschen und Nächstenliebe sowie Themen wie Sensationsgier oder Vorurteile weicht.
Die Inszenierung ist nichtsdestotrotz geprägt von Lynch´s sicherer Handschrift für starke, eindringliche Bildkompositionen, das Schauspiel vor allem von Anthony Hopkins als fürsorgender Arzt und John Hurt als Joseph Merrick, der Elefantenmensch, ist großartig. Vor allem John Hurt schafft es trotz seiner extremen Maske, so viele Facetten und Zwischentöne seiner Figur rührend auszudrücken. Rein von einem emotionalen Standpunkt aus betrachtet begab sich Lynch nach "The Elephant Man" kaum noch in derart menschlich fühlbare, nachempfindbare Gefilde.
Nicht unerwähnt bleiben darf zuletzt das fantastische Ende, eine Sequenz, die bittere Traurigkeit und harmonischen Frieden so gekonnt in sich vereint, wie es nur die wenigsten Filmenden schaffen.
Selbst notorische "Tatort"-Verweigerer dürften hier ihren Augen kaum trauen. "Tatort: Im Schmerz geboren" ist ein vor allem für deutsche Verhältnisse unfassbar atmosphärisches, visuell wie narrativ irrwitziges, beeindruckendes Werk geworden, das sich ohne Zweifel zu den absoluten Highlights der deutschen Fernsehlandschaft zählen darf.
Allein der Einstieg mit seiner theaterhaften Überspitzung und einer unglaublichen Leone-Hommage gibt den Erzählton an für einen Krimi-Thriller, der ein packendes, persönliches Duell zwischen dem LKA-Ermittler Felix Murot und dem Verbrecher Richard Harloff entfacht, das Action, Spannung, Tragik, galligen Humor sowie geschliffene Dialoge enthält.
Regisseur Florian Schwarz und Drehbuchautor Michael Proehl zitieren sich mutig und ohne Rücksicht auf Konventionen durch die Kunstgeschichte, mischen Hommagen an Shakespeare oder François Truffaut in ihr Werk und bieten eine kunstvolle, ausgefeilte Inszenierung, bei der Theatralik, klassische Musik, fantastische Kameraeinstellungen und ungewöhnliche Inszenierungstechniken eine fiebrig-fesselnde Einheit bilden.
Als Krönung gibt es fantastische Schauspielleistungen, in erster Linie von Ulrich Tukur als Ermittler und einem genialen Ulrich Matthes als intelligenter, psychopathischer Gegenspieler, der hier eine Performance von internationalem Spitzenformat abliefert.
Die 90 Minuten vergehen wie im Flug, die Inszenierung ist mutig, beeindruckend, fast schon befremdlich andersartig für deutsche Verhältnisse und die Handlung ist so packend wie intelligent. Zusammen mit dem brillanten Ensemble, allen voran ein herausragender Ulrich Matthes, ist "Tatort: Im Schmerz geboren" ein kleines Meisterwerk und ein eindringlicher Beweis, wie gut deutsches Unterhaltungsfernsehen, das eigentlich als abgestanden und überholt gilt, doch sein kann. Bitte in Zukunft mehr solcher Experimente!
Nach seinem fantastischen Meisterwerk "Garden State", welches auch gleichzeitig sein Regie-Debüt war, vergingen 10 Jahre und nach einer umstrittenen Crowdfunding-Kampagne stellte Zach Braff schließlich sein langerwartetes zweites Werk "Wish I Was Here" fertig.
Man durfte gespannt sein, ob es Braff noch einmal gelingen sollte, eine ähnlich geniale Indie-Perle abzuliefern wie sein vorheriger Film. Die direkte Antwort: "Wish I Was Here" ist weit von "Garden State" entfernt, aber auch weit von einem schlechten Film. Das größte Problem des Films ist sicherlich das Drehbuch. Da Braff durch die unabhängige Finanzierung an keine Studio-Vorgaben gebunden war, konnte er exakt das verfilmen, was er auch zusammen mit seinem Bruder schrieb, was sich im finalen Werk wiederum als Fluch und Segen zugleich erweist.
Thematisch ist der Film einfach etwas zu überfrachtet. Wieder geht es grob darum, ziellos und überfordert durch sein Leben zu driften, nur diesmal eben mit einem Familienvater in den mittleren 30ern als Hauptfigur. Braff versteht es als Regisseur und Hauptdarsteller erneut, viele kleine, berührende Facetten zu setzen, für die man ihn schon in seinem Debüt lieben gelernt hat. Leider hat er sich für seinen zweiten Film so viel vorgenommen, dass der Film letztendlich zu viele Themen etwas zu oberflächlich anschneidet und das gewisse "wie aus dem Leben gegriffen"-Feeling von "Garden State" nicht durchwegs aufkommt.
Der ziellose Alltag des erfolglosen Schauspieler-Vaters, die Erziehung und das Aufwachsen der Kinder, das Eheleben mit einer Frau, die für ihren Mann zurücksteckt und in einem monotonen Bürojob verkommt, der todkranke Vater, der zudem eine schwierige Beziehung zu seinen Söhnen hat, der Bruder, der gleichzeitig unglaublich intelligent und faul zugleich ist, religiöse und existenzielle Grundfragen und surreale Fantasiesequenzen.
Braff packt einfach zu viel in sein Werk, schafft trotz vieler durchaus berührender, unterhaltsamer sowie nachdenklicher Szenen den Spagat zwischen Tragik und Komik nicht so einwandfrei wie gewohnt, bietet neben einigen wirklich gelungenen Lachern auch einige flache Gags und setzt hier und da etwas zu stark auf die warme Instagram-Optik sowie mit schönen Indie-Songs unterlegte Montagen, die sich öfters etwas sehr stark am Rande des puren Kitsch bewegen.
Nichtsdestotrotz ist der Streifen insgesamt wirklich schön inszeniert, der Soundtrack kann wieder glänzen und die Figuren sind allesamt sehr gut besetzt, vor allem Kate Hudson als Ehefrau und Mandy Patinkin als krebskranker Vater erweisen sich teilweise noch vor Braff selbst als wahre Szenenstehler.
"Wish I Was Here" ist alles in allem eine wirklich sehenswerte, stark gespielte und schön inszenierte Tragikomödie mit vielen nachdenklichen, traurigen wie witzigen Momenten, die inhaltlich leider etwas zu stark überfrachtet ist, nicht immer eine klare Linie zwischen Witz und Tragik findet sowie einige zu kitschige Einlagen und platte Gags enthält.
Denis Villeneuve darf sich mittlerweile zu den Regisseuren zählen, welche in letzter Zeit die mitreißendsten, herausforderndsten Filme abliefern. Sein Amoklauf-Drama "Polytechnique" aus dem Jahr 2009 untermauert diesen Status weiterhin.
Basierend auf Tatsachenberichten und Schilderungen Überlebender der realen Tat, die als Vorlage diente, schildert Villeneuve in schön durchkomponierten Schwarz-Weiß-Bildern die schreckliche Tat, bei der ein Student aufgrund seines Feministen-Hasses an seiner Hochschule Amok läuft.
Dabei wechselt der Regisseur immer wieder die Perspektive und widmet sich verschiedenen Angehörigen des Vorfalls, zeigt das brutale Grauen immer wieder aus unterschiedlichen Blickwinkeln und springt außerdem auf zeitlichen Ebenen umher. Auch wenn das Werk relativ kunstvoll sowie stilistisch ausgefeilt inszeniert ist, wirkt das Geschehen nie überstilisiert oder gar glorifizert.
Viel mehr nutzt Villeneuve den Wechsel der zeitlichen Ebenen, bei denen er auch zeigt, was nach der Tat mit den Verbliebenen geschieht, dazu, für den unschätzbar hohen Wert des Lebens zu appellieren und zu verdeutlichen, wie kostbar jede Sekunde ist, die man hat.
So ist sein Film, der zwar sparsam mit Dialogen, aber dafür umso stärker durch seine Bildern wirkt, ein würdiges, eindringlich inszeniertes wie gespieltes Denkmal für die Angehörigen und Hinterbliebenen der realen Tat sowie ein intensives Drama, das sicherlich niemanden kalt lassen wird.
Bereits mit "Eraserhead", seinem Langfilmdebüt, schuf Regisseur David Lynch ein faszinierendes, einzigartiges Meisterwerk, welches viele Filmemacher so in ihrer gesamten Karriere nicht zustande bringen können.
Geprägt von einer einzigartigen Handschrift, der bedingungslosen Hingabe an das Projekt sowie seinem künstlerischen Stilbewusstsein kreierte Lynch einen surrealen, abstrakten Albtraum, der mehr erfahren als verstanden werden will. Bereits ab der ersten Minute wird der Zuschauer von der rätselhaften, verstörenden Atmosphäre förmlich eingesaugt und befindet sich mitten in einer audiovisuellen Reizüberflutung, in der Lynch anhand kraftvoller Schwarz-Weiß-Bilder, dem Spiel mit Licht und Schatten, den industriellen Settings sowie trostlosen Kulissen, nur spärlich vorhandener Dialoge und einer mitunter ohrenbetäubenden, intensiven Klangkulisse Szenen erschafft, die sich vielleicht auf ewig beim Betrachter einbrennen. Trotz des geringen Budgets und der äußerst schwierigen Produktionsphase, die Lynch mit diesem Film durchlief, treibt er diverse Spielarten des Surrealismus bereits hier auf die Spitze, vermengt Realität, (Alb-)traum sowie unterschiedliche Bewusstseinsebenen zu einem kaum definierbaren Raum- und Zeitgefüge und sorgt, obwohl sein Werk nicht einmal eindeutig dem Horror-Genre zuzuordnen ist, mehrmals für Gänsehaut, aufgerissene Augen oder offen stehende Münder.
Trotzdem wäre es falsch, den Streifen rein auf seine visuellen, atmosphärischen Schauwerte zu reduzieren, denn die mysteriös-vertrackte Geschichte ist zwar gespickt mit diskussionswürdigen Symbolen oder Elementen, liefert aber genügend Anhaltspunkte und Ankerpunkte zur Realität, so dass der Film keineswegs zu einer zu sperrigen Angelegenheit verkommt und man stets gefesselt am Ball bleibt. So hat die Geschichte zudem einen spürbar persönlichen Einschlag von Lynch´s eigenem Charakter. Dies beginnt schon beim Aussehen der Hauptfigur Henry, die optisch aufgrund der stürmischen Frisur durchaus Parallelen zu einem jungen David Lynch aufweist. Auch wenn die Interpretationsmöglichkeiten insgesamt breit gefächert sind, basiert das monströse Baby auf eigenen Erfahrungen des Regisseurs, wobei Lynch hier die Überforderung der damaligen, eigenen Vaterschaft reflektiert, da seine Tochter mit einer Behinderung zur Welt kam und das Gründen einer Familie für ihn damals nach eigenen Worten der blanke Horror gewesen wäre. Sehr verwirrend und gleichzeitig sehr sinnlich, fast schon verführerisch, ist außerdem das Element der sexuellen Obsessionen Henry´s gegenüber der attraktiven Nachbarin, ein Schlüssel, der sich ebenfalls durch viele spätere Werke des Regisseurs zieht.
Allein das Langfilmdebüt "Eraserhead" von Meisterregisseur David Lynch bietet Stoff für seitenweise Analysen und unzählige Diskussionen. Die künstlerische Bild- und Tongestaltung, die einzigartig intensive Atmosphäre, ein toller Jack Nance in der Hauptrolle sowie eine rätselhafte, faszinierende Handlung mit unzähligen Deutungsmöglichkeiten sowie einmalig surrealen Gänsehautmomenten sorgen für einen unvergesslichen Albtraum. Ein roher, ungeschliffener Diamant, der direkt den ersten Meilenstein in Lynch´s Wahnsinns-Filmographie darstellt.
"In Heaven, Everything is fine."
Mit der Roman-Adaption "Gone Girl" meldet sich Regisseur David Fincher mit einem mit Spannung erwarteten Film zurück, über den man im Vorfeld besser so wenig wie möglich weiß.
Es ist die Geschichte von Nick Dunne, dessen Frau Amy am Morgen des 5. gemeinsamen Hochzeitstags plötzlich verschwindet und ein verwüstetes Wohnzimmer hinterlässt.
Dieser knappe Anriss der Handlung genügt, denn was folgt, ist ein Film in typischer Fincher-Manier, der sowohl durch packenden Thrill, eine undurchsichtige Geschichte und eine überraschende Vielschichtigkeit punktet.
Es gestaltet sich als schwierig, über diesen Streifen zu schreiben, ohne bereits zu viel seiner Reize vorweg zu nehmen. In der ersten Hälfte ist "Gone Girl" ein labyrinthisch konstruiertes Krimi-Puzzle, bei dem durch eine fein arrangierte Struktur aus Perspektivwechseln, Rückblenden bzw. Hintergrundaufarbeitungen durch Tagebucheinträge und wiederholtes Verschieben der Identifikationsfiguren für eine Menge Rätselstoff und Denkfutter gesorgt ist. Durch seine dichte Inszenierung, die sich sowohl aus dem gewohnt kühlen Look, brillianten Montagen sowie dem großartigen, mitreißenden Score von Trent Reznor und Atticus Ross ergibt, nimmt der Regisseur den Zuschauer an die Hand und führt ihn durch ein Verwirrspiel rund um (Schein-)Oberflächen, trügerische Geheimnisse, eine detektivische Schnitzeljagd, feine Charakterzeichnungen und doppelte Böden.
In der zweiten Hälfte kippt der Film schließlich und erst ab jetzt offenbart sich die überraschend hohe Vielschichtigkeit, die Fincher und Drehbuchautorin Gillian Flynn in ihr Werk gepackt haben. Anhand neuer Erkenntnisse und Entwicklungen entspinnt sich eine mitunter irre Geschichte, in der Fincher perfide und mit teilweise zynisch-unterhaltsamen Spitzen verschiedenste Facetten einer Ehe rekonstruiert, sich auf die Wechselwirkung Medien vs. Öffentlichkeit fokussiert und so ein weitreichendes Bild entwirft, in dem er immer wieder das Erzähltempo variiert und geschickt zwischen Thriller, Drama und leichter Satire wechselt. Als Krönung gibt es zu einem gewissen Zeitpunkt einen wahren Schockmoment sowie ein perfekt gewähltes, bitterböses Ende, das die vorangegange Geschichte so konsequent, verunsichernd, mutig wie überraschend abschließt.
An seiner Seite steht Fincher dafür ein hervorragender Cast. Ben Affleck ist die Idealbesetzung und war selten so gut wie hier als verunsicherter, undurchsichtiger sowie zwischen Angst, Verzweiflung und mutiger Offensive wechselnder Ehemann in Not. Rosamund Pike übertrifft ihn fast noch und erhält eine derart vielseitige Figur, bei der sie sämtliche Eigenschaften ihres Charakters auf den Punkt spielt. Als größte Überraschung in den Nebenrollen, neben einem zwielichtigen Neil Patrick Harris, erweist sich Tyler Perry als Anwalt, der hier fernab seiner unsäglichen Komödien mit smartem Charme und bissigem Witz brillieren darf.
"Gone Girl" ist nicht nur ein Fincher-Thriller nach Maß, der mit Spannung, geschliffenen Dialogen, einer undurchschaubaren Handlung, einer dichten Inszenierung und einem toll gewählten Ensemble besticht, sondern auch mit seiner hohen Vielschichtigkeit überrascht, die den Zuschauer in einen wahren Sturm zwischen rätselhaftem Thriller, (Charakter-)Drama, Krimi, trockenhumoriger (Medien-)satire und zynisch-bissiger Abhandlung des modernen Eheverhältnisses schleudert.
Früher wäre es eine vielversprechende Voraussetzung gewesen, wenn man Robert De Niro und John Travolta zusammen in einem Action-Thriller sehen dürfte. Mittlerweile gibt es diesen Film, er heißt "Killing Season" und ist von Regisseur Mark Steven Johnson, der schon cineastische Meilensteine wie "Ghost Rider" oder "Daredevil" drehte.
Doch selbst, wenn man sich diesem Film mit Ironie annähert, wird man nicht weit kommen, denn "Killing Season" ist ein auf ganzer Linie gescheitertes Werk. Eigentlich klingt die Grundprämisse gar nicht mal verkehrt. Zwei Kriegsveteranen, die von vergangenen Taten und Ereignissen gezeichnet und traumatisiert sind, treffen mitten im Wald erneut aufeinander und eine Hetzjagd zwischen den beiden entbrennt. Es fängt aber schon damit an, dass der Film erzähltechnisch komplett unausgegoren ist. Einerseits will der Film ein ernstes Drama sein, in dem mit bedeutungsschwangeren Dialogen die Gräueltaten des Krieges heraufbeschworen und angeprangert werden sollen. Auf der anderen Seite bekommt man einen Thriller, der mit unnötig überzogenen Foltereinlagen komplett über das Ziel hinausschießt, fast nie für Spannung sorgt und bei dem man sich öfters fragt, wie oft zwei angeblich ehemalige Elite-Soldaten noch stupide in die Fallen des jeweils anderen tappen können.
Auch in der Wahl der beiden Hauptdarsteller liegen direkt weitere Probleme. Robert De Niro legt durch seine bodenständige, durchgängig ernst gemeinte Performance viel zu viel Ernst an den Tag, wohingegen ein John Travolta mit unpassender Frisur und Bart sowie einem aufgesetzten, unfreiwillig komischen Akzent als Serbe komplett unpassend wirkt.
Diese beiden komplett gegensätzlich angelegten Schauspieldarbietungen zusammen mit dem ebenfalls extrem unausgewogenen Drehbuch, das mit einer nicht gänzlich schlechten, aber meist viel zu verwackelten Inszenierung und stellenweise lächerlicher Symbolik umgesetzt wurde, ergeben letztendlich einen Film, der jegliches Potential im Keim erstickt.
Als psychologisch tiefgehende Verarbeitung über die Schrecken des Krieges viel zu plump und oberflächlich, als Thriller kaum spannend, unsauber inszeniert und mit unnötig langem Vorspiel, lächerlicher Symbolik und unpassenden Folterszenen durchsetzt sowie mit einem sehr schlecht harmonierendem Hauptdarsteller-Duo besetzt ist "Killing Season" selbst für große Fans von Robert De Niro und/oder John Travolta absolut keines Blickes würdig.
"Do the Right Thing" von Spike Lee ist eine auch heute noch brisante wie aktuelle Abhandlung über Rassismus und Konflikte verschiedener Kulturen.
In seinem ambitionierten, von purer Energie getriebenen Sittengemälde zeichnet Lee ein authentisches Porträt der damaligen gesellschaftlichen Zustände und schildert die Alltagssituation in einem Wohnviertel von Brooklyn, in dem überwiegend schwarze, aber auch italoamerikanische wie koreanische Menschen leben.
Sein Gesellschaftsporträt folgt dabei zunächst keiner stringenten Dramaturgie, sondern fängt lose Situationen und Stimmungen ein, die sich nach und nach schließlich doch noch zu einem dramatischen Höhepunkt formen. Dabei erweist sich der damals noch recht junge Lee als präziser Beobachter wie effektiver Geschichtenerzähler, der nach allen Regeln der (Inszenierungs-)kunst mit verschiedensten Stilmitteln, geschickter musikalischer Untermalung sowie teilweise unterhaltsamen Wortwitz für viel Atmosphäre sorgt.
Der Film als Ganzes wirkt dabei oftmals wie ein wilder Video-Clip, in dem Lee seine Szenen in Sachen Rhythmus und Dynamik öfters erstaunlich genau an die Musik anpasst und dabei ein Werk schuf, das selbst ein wenig die Struktur eines aufregenden Jazz-Stückes oder aggressiven Hip-Hop-Songs ausstrahlt. Hinzu kommt eine flirrende Spannung, die sich aus der extremen Hitze des Tages ergibt, an welchem sich die Handlung abspielt und an dem die Emotionen und Konfliktpotentiale immer stärker hoch kochen.
Lee entzieht sein Werk bzw. sein breit gefächertes Figurenensemble allerdings einer einfachen Kategorisierung, bezieht zu keiner Kultur eindeutig Stellung und zeigt ohne mahnenden Zeigefinger auf, wie Menschen auf allen Seiten Fehler begehen und durch fragwürdiges Verhalten Tragödien erzeugen.
"Do the Right Thing" von Spike Lee ist ein bestechend inszeniertes Plädoyer für gemeinschaftliche Einheit und gegen Vorurteile kulturell unterschiedlicher Personen. Durch den ideal eingefangenen Zeitgeist, der sich aus Lee´s präzisen Beobachtungen ergibt, und den authentischen Darstellern schuf der Regisseur eine starke Milieustudie, die auch heute noch wirkt.
Alexandre Aja, der sich bei Freunden der härteren Gangart mittlerweile durchaus beliebt gemacht hat mit seinen etwas derberen Filmen, liefert mit "Horns" einen Streifen ab, der Fans wie Kritiker spalten dürfte.
Der unausgeglichene Eindruck, der einem bereits durch den Trailer suggeriert wurde, bestätigt sich im finalen Film sogar noch stärker. Aja serviert dem Zuschauer mit diesem Werk eine Mischung aus ernsthaftem Drama, gefühlvoller Liebesgeschichte, Fantasy-Horror, Whodunnit-Rätsel und Rachefeldzug. Dabei springt der Regisseur geradezu zwischen den Erzählstilen und Gefühlslagen umher, wechselt andauernd den atmosphärischen Tonfall, mischt immer wieder kruden Humor, biblische Symbolik oder deutliche CGI-Elemente in einzelne Szenen und verzichtet fast durchgängig, bis auf das furiose Finale, auf die für ihn bekannten Splatter-Einlagen.
Das Kuriose dabei: Ist man bereit, sich auf den wilden Erzählstil von Aja einzulassen, funktioniert der Film über weite Strecken ziemlich großartig und macht gerade durch die vielen sonderbaren Elemente, Stimmungswechsel und unvorhersehbaren Handlungspunkte sehr viel Spaß. Es wird vermutlich sehr viele geben, die sich extrem an genau dieser Art des Streifens stoßen werden und ihn ablehnen, denn dazu lässt er sich einfach nie in eine feste Schublade stecken oder Richtung lenken. Hin und wieder schießt Aja dabei aber auch ein wenig über das Ziel hinaus, trifft nicht nicht durchwegs den richtigen Ton und auch hinten heraus haben sich kleine Längen in den Film verirrt.
Handwerklich ist der Streifen wirklich gelungen. Es gibt viele tolle Einstellungen, Montagen, stimmige Songs und inszenatorische Kniffe, welche die Handlung stets visuell auf Kurs halten.
Beim Cast gibt es ebenfalls wenig zu beanstanden und vor allem Daniel Radcliffe in der Hauptrolle weiß wirklich zu überraschen sowie zu überzeugen. Er legt seine nicht gerade simple Figur vielschichtig an und lässt zu keiner Sekunde mehr Erinnerungen an vergangene "Harry Potter"-Zeiten aufkommen.
"Horns" ist ein Streifen, der es definitiv keinem leicht machen wird. Die wilde Genre-Kombination, der abwechslungsreiche, unvorhersehbare Erzählstil sowie eine starke Inszenierung hinterlassen aber viel Eindruck und somit wird dieses Werk sicherlich niemanden kalt lassen, egal ob positiv oder negativ.
Mit seinem Thriller "Open Windows" wagt sich Regisseur Nacho Vigalondo in eine neue Form des Found-Footage-Genres.
Sein Film spielt sich praktisch vollständig auf dem Desktop eines Laptops und in Echtzeit ab. Mit verschiedensten Splitscreens und Kameratechniken wirkt der Film zunächst wie ein High-Tech-Update von Hitchock´s "Rear Window". Über das knappe erste Drittel hinweg geht das erfrischende Konzept auch auf und die Handlung rund um Voyeurismus, Celebrity-Obsession, Cyber-Terror sowie der Manipulation von Mensch durch Technik vermag aufgrund der stimmigen technischen Umsetzung durchaus zu gefallen und bringt frischen Wind in das abgestandene Found-Footage-Genre.
In der Hauptrolle bekommt man einen Elijah Wood, der erneut, wie auch allgemein in den letzten Jahren, lieber wieder in einer kleinen Independent-Produktion statt in einem Blockbuster mitwirkt und einen wirklich überzeugenden Hauptcharakter spielt. Ex-Porno-Stern Sasha Grey, die sich mittlerweile auch schon länger an einer ernsten Schauspielkarriere versucht, bekommt nicht ganz so viel zu tun und erfüllt ihren Part solide. Zuletzt fesselt Neil Maskell in der Rolle des Psychopathen, der überwiegend mit seiner markanten, ungemütlichen Stimmarbeit punktet.
In den letzten zwei Dritteln offenbaren sich dann allerdings die größten Schwächen des Streifens, der von nun an merklich abfällt. Das Technik-Gimmick nutzt sich etwas ab und wird vernachlässigt aufgrund extrem konstruierter, teilweise sehr unplausibler Handlungswendungen, die immer hanebüchenere Ausmaße annehmen, ein unnötig beschleunigtes Tempo, bei dem die Übersichtlichkeit aufgrund des Konzepts stark leidet und einem wenig überzeugenden Schlussakt, bei dem dann endgültig die Luft raus ist.
"Open Windows" präsentiert sich hinsichtlich seines Konzepts und der dazugehörigen technischen Umsetzung wirklich sehr stimmig sowie erfrischend und wird von einem guten Elijah Wood in der Hauptrolle getragen. Leider wird der Film mit zunehmender Laufzeit immer unlogischer, überzogener und endet in einem unübersichtlichen Twist-Inferno, das die wenigsten noch überzeugen dürfte.
Wahnsinn. Das wird die kultigste Komödie seit dem Dude. Mark my Words.
"The Graduate" ist einer dieser zahlreichen als Klassiker eingestuften Filme, die ihren Status wahrlich verdienen.
Hinter der eigentlich recht schlichten Geschichte, in der ein 21-jähriger von einer verheirateten Frau zu einer Affäre verleitet wird und sich später in deren Tochter verliebt, steckt ein Film, in dem sich so viele großartige Elemente verbergen und die den Streifen vor allem damals zu einem regelrechten Einschlag in die Filmlandschaft machten.
Zum einen ist der Film eine Abhandlung bzw. Spiegelung der damaligen gesellschaftlichen Zustände, in denen Jugendliche langsam anfingen, gegen das eigene Elternhaus zu rebellieren und sich keine Vorschriften mehr machen lassen wollten. Statt den strengen Vorgaben der Eltern sollte das Leben in eigen bestimmte Bahnen gelenkt werden. Auch das Handlungselement der verheirateten Frau, die einen jungen Mann verführt, war geradezu ein Aufschrei gegen die damals noch stärker vorherrschende Konservativität im prüden Amerika der 60er.
Zum anderen ist der Film trotzdem absolut zeitlos, denn das Gefühl, welches er transportiert, betrifft auch heutzutage noch viele. Vor allem Leute, die sich selbst in ihren Anfang 20er-Jahren befinden, kennen sicher das Gefühl der Ziellosigkeit. Man ist fertig mit Schule/Studium, hat keine Ahnung, wo das Leben hinführen und was man aus sich machen soll. Der Druck von Eltern oder dem Umfeld ist zermürbend und man fühlt sich einfach ständig überfordert.
All diese Elemente kombinierte Regisseur Mike Nichols und packte sie in einen Film, der trotz der wichtigen, mitunter ernsten Themen eine lockere, teils sehr witzige Komödie mit großartigen, spritzig geschriebenen Dialogen ist und zudem eine zärtliche Liebesgeschichte einfädelt. Allein die Inszenierung setzte Maßstäbe, ist auch heute noch unglaublich frisch wie unverbraucht und lässt den Film wirken, als wäre er vor 20-25 Jahren gedreht worden, aber nicht vor bald schon 50. Nichols fand für jede Situation und Gefühlslage die perfekten Bilder, spielte mit ausgefallenen Kameratechniken, wählte einen fast schon experimentellen Schnitt, der dem Streifen eine außerordentliche, stellenweise sprunghaft-erfrischende Vitalität verleiht und unterlegte viele Szenen mit der absolut fantastischen Musik von Simon & Garfunkel. Es ist überdeutlich, wie sehr der Streifen stilistisch zahlreiche, auch heutige Coming-of-Age-Komödien inspirierte und ohne ihn wären beispielsweise ein "American Pie" oder ähnliche Filme nie so entstanden.
Auch darstellerisch begeistert der Film mit einem Dustin Hoffman in der Hauptrolle, der zwar merklich älter aussieht als ein 21-jähriger, durch seine verschüchterte, unsichere Art aber perfekt in die Rolle des antriebslosen Drifters Benjamin passt. Hinzu kommt eine verruchte Anne Bancroft als Mrs. Robinson, die nur allzu verständlich sehr verführerisch auf den halb so alten Benjamin wirkt.
"The Graduate" ist völlig zurecht ein Klassiker der Filmgeschichte, der damals den Zeitgeist bzw. die Bewegungsrichtung einer ganzen Generation verdeutlichte, aber auch heutzutage für all diejenigen noch eine Entdeckung darstellen dürfte, die sich selbst orientierungslos und ohne Perspektive fühlen und nicht wissen, in welche Richtung ihr Leben verlaufen soll. Daneben ist der Film fast schon revolutionär inszeniert, mit lockerleichtem Humor und angenehmer Ernsthaftigkeit zugleich erzählt sowie hinreißend gespielt.
Mit "The Texas Chainsaw Massacre" drehte Regisseur Tobe Hooper einen Meilenstein des Terror-Genres und allgemein einen der besten Horror-Filme überhaupt. Ganze 12 Jahre dauerte es, bis eine Fortsetzung fertig war, die auch wieder von Hooper selbst inszeniert wurde.
Mit diesem Sequel stößt Hooper allerdings viele vor den Kopf und unterwandert sämtliche Erwartungen, denn statt blankem Terror und subtiler Brutalität gibt es hier überdrehtes Overacting, saftige Splatter-Einlagen von FX-Meister Tom Savini, seltsam abgefahrene, teilweise sehr platte Comedy-Elemente und eine Inszenierung, die zwischen charmanter Selbstreferenzialität, schamloser Kopie (die Dinner-Szene!?) und greller Parodie pendelt.
Die gesamte Einstiegsphase in den Film verläuft zunächst sehr holprig und stotternd. Die Atmosphäre durch den Texas-Hillbilly-Flair wirkt zwar durchaus stimmig, doch so etwas wie Spannung oder Horror kommt aufgrund der überdrehten Machart eigentlich nie auf.
Zumindest ab dem zweiten Drittel zieht Hooper aber ein konsequentes Tempo durch und garniert seine skurrile Achterbahnfahrt der Gefühle zwischen fragwürdigem Entsetzen, spaßiger Überzogenheit und ernsten Gewaltmomenten mit einigen durchaus intensiven Szenen.
Auch die Darsteller stimmen teilweise ratlos. So gibt es hier unter anderem eine Caroline Williams, die zwischen panischer, hysterisch kreischender Opferrolle und tougher Kämpferin schwankt, einen komplett überzogenen Bill Moseley als irrer Chop Top oder einen Dennis Hopper jenseits von gut und böse, der als völlig ernster Cop mit gleich drei Kettensägen im Anschlag auf Rachefeldzug gegen die Hinterwäldler-Sippschaft geht.
Trotz des radikal veränderten Tonfalls kann die Regie von Hooper selbst außerdem weitestgehend überzeugen und lässt allein von der Art der Schnitttechnik, Beleuchtung, Musikuntermalung und oftmals makabren Gestaltung der Sets und Kulissen sehr viel vom Talent des Regisseurs durchblicken.
"The Texas Chainsaw Massacre 2" ist ein waschechtes Kuriosum, welches nicht jedem bedenkenlos empfohlen werden kann. Das Sequel von Tobe Hooper ist zu keinem Zeitpunkt so spannend, schockierend und atmosphärisch wie der geniale Erstling, sorgt aber gerade aufgrund seiner schier grenzenlosen Überzogenheit, der stimmigen Regie und einigen wirklich gelungenen Einfällen für eine besondere Atmosphäre, die zwischen Faszination und völliger Ratlosigkeit anzusiedeln ist.
"The Homesman", die zweite Regie-Arbeit von Tommy Lee Jones, zeigt die Reise einer Frau und eines Manns im wilden Westen, die drei geisteskranke Frauen sicher durch die Prärie kutschieren wollen.
Die Liebe zum klassischen Western von Jones wird hier zu jeder Sekunde deutlich und so inszeniert er als Regisseur einen Film, der sich modernen Sehgewohnheiten verschließt. Durch die sehr langsame Erzählweise kommt der Streifen vor allem in der ersten Hälfte ziemlich sperrig daher und beschränkt sich mehr auf die Figuren und die Atmosphäre als auf ein rasches Voranschreiten der ohnehin schlicht gehaltenen Geschichte.
Es wirkt außerdem so, als hätte sich Jones nicht so richtig zwischen Drama und Humor festlegen wollen und bietet deshalb beides, was vor allem bezüglich der lustigen Momente teilweise ein wenig unpassend wirkt, vor allem wenn dann auch einige slapstickartige Szenen vorkommen. Trotzdem gibt es auch einige wirklich trockenhumorige, gelungene Momente, die definitiv zum Lachen animieren.
Insgesamt muss man Jones aber trotz der vorhandenen Schwächen Respekt zollen. Respekt, weil er seinen erzählerisch gewählten Weg konsequent bis zum Ende geht. Respekt, da der Streifen aus seiner sperrigen, kargen sowie trockenen Art eine ganz eigene, durchaus reizvolle Atmosphäre gewinnt, mit der durchaus an ältere Western-Vorbilder angeknüpft wird. Respekt, weil die Darsteller sehr gut gewählt wurden, allen voran eine wirklich starke Hilary Swank und Tommy Lee Jones selbst, der alleine durch seine melancholisch-zerfurchte Mimik meistens Aufsehen erregt. Und Respekt, weil Jones einige Handlungsverläufe wählt, die sehr unvermittelt und plötzlich kommen, teilweise sogar schockierend und mit voller Brutalität.
"The Homesman" ist ein sperriges, atmosphärisches Western-Drama, aus dem die Liebe des Regisseurs zu klassischen Western-Vorbildern quillt, welches aber gerade aufgrund dieser erzählerischen Konsequenz für viele zu kalt und befremdlich wirken könnte. Trotzdem hat der Film viele gelungene Einzelmomente, einen starken Cast, spannende Einlagen sowie schockierende Überraschungen und ist somit eine Empfehlung für Fans klassischer Western.
Für seinen Film "White Bird in a Blizzard" adaptierte Regisseur Gregg Araki den gleichnamigen Roman und schuf ein Coming-of-Age-Drama der besonderen Art.
Zunächst besitzt der Streifen eigentlich recht offensichtliche Kriterien, die sich durch viele bekannte Filme ähnlichen Genres ziehen. Im Mittelpunkt steht die von Shailene Woodley gespielte Kat, eine junge Frau, die sich an der Schwelle zwischen Jugend und Erwachsenwerden befindet. Dabei beleuchtet Araki vor allem das sexuell reifende Innenleben von Kat und das Verhältnis zu ihren Eltern, denn das plötzliche Verschwinden der Mutter ist der Auslöser für die eigentliche Handlung.
Letztendlich ist es die Inszenierung von Araki, die den Film zu etwas besonderem macht. Durch die Vermischung von Gegenwart, Rückblenden, Zeitsprüngen und Traumsequenzen sowie einer detailverliebten Ausstattung, welche durch die tolle Optik und einen hervorragenden Soundtrack ein besonderes Flair erzeugt, verwandelt der Regisseur sein mysteriöses Coming-of-Age-Drama-Krimi-Puzzle zu einer schlafwandlerisch-traumhaft anmutenden Reise durch die Seelenwelt eines bewegten Teenagers und vor allem die charakterlichen Einflüsse, die sich durch das Elternhaus eingeprägt haben.
Shailene Woodley überzeugt erneut mit einer starken Performance, die durch ihre diesmal etwas offenherzigere, freizügigere, aber trotzdem teilweise verschlossene, verschüchterte Art perfekt zu ihrer Figur passt. Eva Green hat etwas weniger Screentime, dreht in jeder ihrer Szenen aber voll auf und wirkt oftmals wie eine giftige, wahnhafte Furie. Innerhalb des allgemein sehr gut ausgewählten Casts sticht noch ein wirklich großartiger Christopher Meloni als Vater hervor, der so undurchsichtig und vielschichtig wirkt wie lange nicht mehr. Ein besonderes Highlight stellt ansonsten noch die sehr kleine Rolle von Sheryl Lee dar, die vor allem bei Fans von "Twin Peaks" für Entzücken sorgen dürfte.
"White Bird in a Blizzard" ist ein außergewöhnlicher, starker Film, der sich schlecht beschreiben lässt und deshalb umso mehr selbst erlebt werden sollte. Gregg Araki schuf einen Coming-of-Age-Film, wie es ihn nicht alle Tage zu sehen gibt, der zwischen altbekannten, fast schon banalen Mustern, faszinierenden Arthouse-Anleihen und einer brillanten, träumerischen Inszenierung schwankt und zusammen mit dem tollen Cast eine ungewohnte Mischung ergibt, die sich lohnt.
In letzter Zeit ist es scheinbar wieder regelrecht in Mode gekommen, ältere, für viele womöglich vernachlässigte Nischen-Genres in moderner filmischer Form wieder aufleben zu lassen. So schickt sich auch Ravi Dhar in seinem Regie-Debüt mit dem kernigen Titel "American Muscle" dazu an, dem schmuddeligen, kompromisslosen Grindhouse-Kino der 70er Jahre Tribut zu zollen.
Hierzu wühlt sich Drehbuchautor John Fallon durch sämtliche Trademarks des Genres, spickt seine schnörkellose, unkomplizierte Handlung mit einer Menge Gewalt und Sex und schickt seinen redeunfreudigen Protagonisten auf einen skrupellosen Rachetrip.
Dabei ist der Streifen eindeutig eher für ein Nischenpublikum konzipiert, das genau in diesem Genre gerne zuhause ist, denn Logik, Anspruch und Moral bleiben hier bewusst auf der Strecke.
Nicht ohne Grund wurde als Hauptdarsteller Nick Principe gewählt, der wohl eher aufgrund seiner optischen Merkmale - Glatze, Schnauzer, flächendeckend tätowiert, groß gewachsen und breit gebaut - besetzt wurde. Und es funktioniert, denn so rücksichts- und gnadenlos wurden im Mainstream-Sektor schon eine Weile nicht mehr Schädel zerschmettert, Genicke gebrochen, Körper zerschossen oder in kurzen Einlagen im Soft-Porn-Stil Damen mit Quickies beglückt.
Man sieht dem Film an, dass sein Budget niedrig war, doch Regisseur Dhar versucht auch hier ein wenig gegenzulenken, indem er den fiebrig-anarchischen Grundton seines Streifens um einige visuelle Spielereien erweitert, wie z.B. Unschärfefilter, Zeitlupen oder ausgefallene Kameraperspektiven. Die Hintergründe des Racheakts schneidet er zudem in kleineren Flashbacks immer wieder zwischen die Haupthandlung, um seinen brodelnden Protagonisten so schlussendlich emotional sogar noch stärker zu demolieren.
Völlig ernst und praktisch ohne jegliche Ironie lassen Regisseur Ravi Dhar und vor allem Drehbuchautor John Fallon ihre Liebe für das schmutzige Grindhouse-Kino aufflammen. In knackig-kurzen 74 Minuten servieren sie so einen sinnfreien, weitestgehend anspruchslosen Rachetrip, der aufgrund des markanten Hauptdarstellers und der derben, aber trotzdem versierten Inszenierung für Grindhouse-Fans eine kleine Empfehlung darstellt.
Gerade einmal etwas später als 1 Jahr nach seinem "The Tree of Life" legte Regisseur Terrence Malick bereits den nächsten fertigen Film "To the Wonder" vor, für seine Verhältnisse eindeutig ungewöhnlich und ein Rekord.
Die schnelle Veröffentlichung merkt man dem Streifen allerdings nur bedingt an, überhastet oder voreilig wirkt hier zunächst fast nichts. Die Regie von Malick und die Kameraführung von Emmanuel Lubezki sind mittlerweile zu einer festen Einheit verschmolzen und sorgen dafür, dass auch dieses Werk auf visueller Ebene der inszenatorischen Perfektion nahe kommt. Mit der Unterstützung von stolzen 5 Cuttern entstand der fertige Film somit wieder mehr im Schneideraum, als durch ein vorher klassisch angefertigtes Drehbuch, auf welches der Regisseur gleich komplett verzichtete.
Im Gegensatz zu dem thematisch fast schon überbordenden "The Tree of Life" kommt "To the Wonder" deutlich intimer und in einem kleineren Rahmen, dafür aber auch eindeutig weniger faszinierend daher, falls solch eine Kategorisierung bei Malick überhaupt noch Sinn macht. Der Regisseur widmet sich den verschiedenen Facetten der Liebe, vor allem den Licht- wie Schattenseiten. Dabei lässt er seine Figuren weitestgehend charakterlich unausgeformt, Dialoge finden überwiegend gar nicht erst statt oder werden von lauter Musik überlagert, stattdessen stehen wieder schwelgende Monologe im Fokus.
Malick stürzt den Betrachter erneut in einen wahren Sog der Bilder, in den man sich fallen lassen muss. Sein berauschendes Liebes-Poem verweigert sich praktisch vollständig gewöhnlichen Erzählkonventionen, nähert sich einem vollendeten Kino der Intuitionen fast komplett an und will mehr gefühlt als gesehen werden.
In dieser Konsequenz wirkt der Streifen teilweise sogar etwas unvollständig oder lückenhaft. Wieder zeigt der Regisseur eher Momentaufnahmen und fragmentarische Bruchstücke, übergeht dabei zeitliche Kontinuitäten und lässt die "Handlung" stets unkonkret zwischen Gegenwart, Vergangenheit, Wunschvorstellung oder Erinnerung pendeln. Wie sich die Liebe zwischen seinen Figuren entfaltet, weshalb eventuelle Streitigkeiten entstehen oder emotionale Beweggründe jeglicher Art bleiben unklar. Manche Figuren wirken somit außerdem wie bloße Randnotizen, wie beispielsweise die eigentlich starke Figur des von Javier Bardem gespielten Priesters, der im täglichen Angesicht von Krankheit, Armut, Kriminalität oder Drogenabhängigkeit im starken Konflikt mit seinem eigenen Glauben steht oder die bezaubernde Rachel McAdams als mysteriöse Ex-Flamme von Ben Affleck´s Figur.
Mit "To the Wonder" geht Terrence Malick seinen eingeschlagenen Weg in vollster Konsequenz weiter und verabschiedet sich fast gänzlich vom klassischen Erzählkino. Sein essay-artiges, intuitives sowie sinnliches Liebes-Poem dürfte somit bei vielen erneut auf wenig Gegenliebe stoßen, auch aufgrund seiner fragmentarischen, unausformuliert wirkenden gelegentlichen Unvollständigkeit, doch alleine für seinen radikalen poetischen Stil muss man Malick eigentlich weiterhin bewundern und darf gespannt sein, was von ihm noch folgt.
Für "The Tree of Life" nahm sich Terrence Malick wieder einige Jahre Zeit, allein 3 Jahre verbrachte er nur im Schneideraum.
Es ist erneut ein Mammutwerk, das Malick dem Zuschauer bietet. Der Regisseur hat viel zu erzählen, aber noch viel mehr zu zeigen. Genauso wie die einzigartige, faszinierende Kameraarbeit von Emmanuel Lubezki, der hier eine seiner besten Leistungen überhaupt abliefert, kreist Malick um verschiedene tiefschürfende Themengebiete.
Überwiegend aus der Perspektive von Jack, einem Architekten, der mit sich selbst im Unklaren ist, spannt der Regisseur erzählerisch einen Bogen rund um die Entstehung allen Lebens, Glaubensfragen, menschliche Konflikte, familiäre Wurzeln oder das Gleichgewicht zwischen Entscheidung und Vorherbestimmung.
In Verbindung mit der meisterhaft ausgearbeiteten, assoziativ-meditativen Schnittfolge und den einmaligen Bildern von Lubezki nähert sich Malick dem Wesen einer texanischen Familie in den 50er-Jahren an. Genauso fragmentarisch und fetzenhaft wie die Erinnerungsstücke von Jack bietet der Regisseur dem Zuschauer lediglich Eindrücke und lose wirkende Szenensprünge, die er selbst zu einem Bild formen darf.
Mutig scheut Malick ebenfalls keine inszenatorischen Grenzen und fädelt mitten in die Handlung eine fantastisch aussehende Passage ein, in der er seine eigene Version des Urknalls sowie der Entstehung von Planeten und Lebensformen präsentiert.
Im Kern geht es aber um die Kindheitserinnerungen von Jack, wie er mit seinen Brüdern aufwächst, wie die Jungs liebevoll und zärtlich von der Mutter aufgezogen werden, aber auch wie sie unter der strengen, autoritären Hand des Vaters (grandios von Brad Pitt gespielt) leiden. Dabei fällt es dem erwachsenen Jack schwer, ein Fazit über sein Leben zu ziehen, seine eigenen Hintergründe einordnen zu können und letztendlich zu verstehen, welche Entscheidungen und Einflüsse ihn zu dem Mann gemacht haben, der er schließlich wurde.
Aus diesem unkonventionellen Erzählfluss, der aus konkreten Rückblenden, träumerischen Erinnerungsfragmenten, Perspektivwechseln sowie den markanten, tiefgründigen Monologen und teilweise eingestreuten religiösen Zitaten besteht, formt sich ein thematisch tonnenschweres Werk, welches zusammen mit der faszinierenden Inszenierungs- sowie Schnittvorgehensweise und den authentischen Darstellern eine spezielle, einzigartige Seherfahrung formt, die bewusst spaltet.
Mit "The Tree of Life" schuf Regisseur Terrence Malick, der ohnehin noch nie für leichte Kost bekannt war, so ziemlich seinen kontroversten Film. Die Themenvielfalt, zusammen mit der genialen Inszenierung und der ambitionierten, philosophischen Betrachtungsweise seiner vielschichtigen, oftmals fragmentarischen Erzählung ergibt ein faszinierendes, polarisierendes Werk, welches jeder Zuschauer anders auffassen und verarbeiten wird.
Für "The New World" interpretierte Terrence Malick die Legende rund um Pocahontas auf seine eigene Weise.
Nach "The Thin Red Line" wirft Malick dem Zuschauer, zumindest im Director´s Cut, erneut einen Brocken vor die Füße, der an der 3-Stunden-Marke kratzt. Der Streifen bedeutet zudem die erste Zusammenarbeit des Regisseurs mit Kamera-Virtuose Emmanuel Lubezki, der praktisch perfekt zu dem poetischen, sinnlichen Stil von Malick passt.
Gerade im ersten Drittel gelingt Malick so erneut eine wuchtige Mischung aus fantastischen Bildern sowie einer erzählerischen Faszination, wenn die englischen Siedler die Küste Nordamerikas erreichen und so auf eine für sie völlig neuartige Welt treffen. Vor allem die aufkeimende Liebesgeschichte zwischen John Smith, sehr gut von Colin Farrell gespielt, und der Tochter des Stammeshäuptlings, ebenfalls hervorragend von der damals noch sehr jungen Q’orianka Kilcher gespielt, geht durch die feinfühlige Inszenierung Malick´s und die wieder einmal philosophisch wirkenden Voice-overs wirklich nahe.
Leider hat man sich dann aber recht bald an den tollen Bildern satt gesehen und Malick tritt spätestens ab der Hälfte seines Films erzählerisch gewaltig auf der Stelle. Das oft erhobene Argument, die Bilder erzählen hier die Geschichte, mag nicht mehr so richtig ziehen und selten gab es eine so starke Diskrepanz zwischen visueller und narrativer Ebene. Wenn im späteren Verlauf dann auch noch ein hölzern wirkender Christian Bale mit dazu kommt und die Geschichte wirklich kaum noch erwähnenswerte Richtungen einschlägt, kann man sich schwer von dem Gedanken trennen, dass hier ein zunächst fantastisches Werk erzählerisch extrem zerfasert ist, aufgrund dem unausgeglichenen Drehbuch und Malick´s unglaublich stringenten Stilwillen.
"The New World" beginnt und verläuft zunächst großartig, doch der unkonventionelle, eigensinnige Stil von Malick wird hier spürbar zu seinem eigenen Verhängnis in einem ambitionierten Werk, welchem es, trotz der durchgängig fantastischen Bilder, an erzählerischer Stringenz oder irgendeiner Form von Dramaturgie mangelt und das über einige Strecken, vor allem im späteren Verlauf, von extremen Längen durchzogen ist.
9 Jahre hat es gedauert, bis die Fortsetzung zum gefeierten "Sin City" von Robert Rodriguez und Frank Miller nun endlich erschienen ist. Zwischenzeitlich durfte man sich schon Sorgen machen, denn abgesehen von der eh schon langen Zeitspanne hatte Rodriguez erst die Fortsetzung zu "Machete" qualitativ in den Sand gesetzt, nur um dann noch seinen Kultfilm "From Dusk Till Dawn" mit einer unwürdigen Serienadaption zu "beehren".
Wer den ersten Teil bereits verehrt, braucht sich allerdings keine großen Sorgen machen, denn Rodriguez und Miller knüpfen vor allem stilistisch und atmosphärisch nahtlos an ihren Vorgänger an und bieten allen Fans des verdorbenen Sündenpfuhls Sin City einen rundum gelungenen Nachfolger. Als wären es nie 9 lange Jahre gewesen, darf man als Zuschauer erneut abtauchen, in die Stadt voll mit bemeitleidenswerten Geschöpfen, harten Kerlen und zarten Damen, die wie aus dem ersten Teil gewohnt zwischen Opferrolle und eiskalten Killerinnen angelegt sind.
Dem Stil, der damals für Begeisterungsstürme sorgte, geht mittlerweile natürlich der Überraschungseffekt ab, doch abgenutzt hat er sich dennoch keinesfalls. Die Mischung aus altmodischem, verrauchtem Film-Noir, pulpig-überspitzter, gewaltvoller Comic-Fantasie, jazzig-bedrohlicher Klangkulisse sowie oftmals mit schwerer Reibeisenstimme und kalter Verbitterung vorgetragenen Voice-over-Monologen als Versinnbildlichung der Gedankenwelt der Figuren funktioniert erneut durchgängig.
Inhaltlich erweitert Rodriguez seinen trostlosen, düsteren Mikrokosmos, in dem es überwiegend nacht ist und regnet, um vier weitere Geschichten, von denen zwei wieder haargenau bzw. fast Bild für Bild dem Graphic Novel entstammen, sowie zwei neue, von Frank Miller extra für den Film geschriebene Handlungsstränge.
Die Geschichten laufen erneut unchronologisch ab, womit der bruchstückhafte Effekt verstärkt wird, den man auch als Leser erhält, wenn man fragmentarisch durch die verschiedenen Kapitel der Comics blättert und zwischen den einzelnen Handlungssträngen, Figurenschicksalen sowie einem außer Kraft gesetzten, stringenten Zeitgefüge umher springt. Neben einem netten Einstieg mit Marv, für dessen Part Mickey Rourke wieder einmal kräftig aufdreht in einer seiner Paraderollen, und der tollen Geschichte rund um den Spieler-Glückspilz Johnny, stilvoll und smart von Joseph-Gordon Levitt verkörpert, der vom Regen in die Traufe kommt, nimmt die Geschichte um die Dame, für die man töten möchte, den Hauptplatz ein. Josh Brolin fügt sich super in die Rolle von Dwight ein, lediglich im späteren Verlauf erweist sich die Abwesenheit von Clive Owen als problematisch bezüglich eines gewissen Storyverlaufs. Dafür erhält man mit Eva Green eine fantastische Ava Lord, welche die verführerische, hocherotische Femme Fatale absolut brillant verkörpert und ein kleines Highlight im Ensemble darstellt.
Das zum Ende hin angefügte Schlusssegment rund um eine rachsüchtige Nancy Callahan wirkt ein wenig vorschnell angefügt und nicht immer glaubwürdig bezüglich der charakterlichen Wandlung von Jessica Alba´s Figur, außerdem fehlen dem Streifen einige fast schon surreale Over-the-Top Elemente des ersten Teils wie Elijah Wood´s schweigender Kannibale Kevin, der irrsinnige Yellow Bastard oder eine psychotisch-spannende "Buddy"-Autofahrt der besonderen Art. Dass eine geerdete, moralisch aufrichtige Figur wie Bruce Willis´ Hartigan nur als nebulöse Randerscheinung integriert wurde und somit fehlt, gibt dem Streifen wiederum einen noch deprimierenderen, niederschmetternden Touch, der sich wunderbar in der rauen, brutalen Gesamtatmosphäre niederschlägt.
Fans des ersten Teils können ihre Bedenken beiseite legen: Robert Rodriguez und Frank Miller retten ihren düsteren, deprimierenden und fesselnden Sünden-Mikrokosmos selbst nach langer Wartezeit überzeugend in die Gegenwart und knüpfen stilistisch sowie atmosphärisch nahtlos an den gefeierten Erstling an. Der Überraschungsfaktor fehlt, ein paar provokative, surreal überspitzte (Schock-)Elemente des Vorgängers ebenfalls, doch der Nachschlag fesselt erneut mit seinem konsequenten Stilbewusstsein, einem tollen Cast sowie gelungenen Storylines, die zwischen grimmig, fesselnd, abstoßend, erotisch und depressiv schwanken.
"This rotten town. It soils everyone."
Nach "Days of Heaven" zog sich Terrence Malick erstmal komplett aus der Öffentlichkeit zurück, um dann geschlagene 20 Jahre später mit seinem neuen Werk "The Thin Red Line" zurückzukehren.
Die lange Zeitspanne scheint der eigenwillige Regisseur allerdings gut genutzt zu haben, denn sein Anti-Kriegsfilm ist auf visueller wie inhaltlicher Ebene ein gewaltiger Film geworden, der einen über seine fast 3 Stunden Laufzeit hinweg mit verschiedenen Eindrücken beinahe erschlägt.
Malick gelingt es, den Schrecken des Krieges für den Zuschauer greifbar zu machen, ohne dabei jemals zu glorifizieren. Ein Fehler, den sehr viele Kriegsfilme machen. Krieg bedeutet hier einen nicht enden wollenden Albtraum für die Soldaten. Männer, die darauf getrimmt werden, andere Menschen zu töten und dabei unentwegt dem plötzlichen, eigenen Ableben ins Auge blicken müssen.
Neben den eigentlichen Gefechtsszenen, die Malick mit erschütternder Intensität inszeniert, steht vor allem das Innenleben der einzelnen Soldaten im Vordergrund. Mithilfe von markanten, mitunter philosophisch anmutenden Voice-over-Monologen und gelegentlichen Rückblenden unterstreicht der Regisseur die unterschiedlichen Gedanken, Gefühle und Sehnsüchte der Männer, egal ob es sich dabei um die schmerzhafte, aber hoffnungsvolle Erinnerung an die große Liebe oder das unstillbare Verlangen nach unberührter Natur und friedvoller Harmonie ist.
Gerade das Zusammenspiel der wunderschönen, meditativen Aufnahmen des Regenwaldes mit seinen Pflanzen und Tieren mit dem grausamen, deprimierenden Kriegstreiben ergibt eine innovative Herangehensweise an das Genre des Kriegsfilms, an dem bereits diverse Regisseure scheiterten.
Da ist es am Ende schon fast nur ein netter Nebeneffekt, dass scheinbar jeder Schauspieler mit Rang und Namen bei Malick Schlange stand und der Cast somit nur so von Hochkarätern wimmelt, von denen einige nur für wenige Minuten zu sehen sind.
Das einzige, was man "The Thin Red Line" ankreiden könnte, neben seiner allgemein gewöhnungsbedürftigen, unkonventionellen Inszenierungs- sowie Erzählweise, ist, dass man die anderen, zahlreichen (Anti-)Kriegsfilme, die letztendlich fast immer zu sturer Glorifizierung neigen, nur noch müde belächeln kann, denn Terrence Malick schuf ein meditatives, erschütterndes, zutiefst menschliches Epos rund um die Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges sowie die Auswirkungen auf die Seelen der Soldaten.