Patrick Reinbott - Kommentare
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Alle Kommentare von Patrick Reinbott
Mit seinem Spielfilmdebüt "Badlands" schuf Regisseur Terrence Malick ein außergewöhnliches Road-Movie-Drama, mit welchem er zahlreiche, später folgende Filme ähnlicher Art beeinflusste.
Auch wenn der Streifen stilistisch noch nicht so ausufernd und extravagant wie seine späteren Werke ist, lässt sich Malick´s Handschrift klar erkennen. Die Geschichte um ein junges Liebespärchen, das sich einen Weg aus der Zivilisation bahnt und eine Schneise der Gewalt durch das Land zieht, verbindet Malick mit dem von ihm geliebten Motiv der Natur und so spiegelt diese den Drang der Protagonisten nach Freiheit und Unabhängigkeit wieder.
Kraftvolle Aufnahmen prachtvoller Landschaften, Wälder oder Felder ergeben atmosphärische, beruhigende Bilderfluten, die immer wieder im Konflikt mit der brutalen, rohen Handlung stehen, die sich parallel dazu abspielt. In vielen Szenen, in denen Malick seine markanten Bilder, die fantastische Musikuntermalung sowie unschuldige, naive Voice-Over-Passagen von Sissy Spacek kombiniert, entsteht der Eindruck, man sehe ein fiebertraumartiges Märchen, in dem die Figuren blind und getrieben von der Liebe zueinander langsam vom Paradies in die Hölle wandeln.
Bei der Charakterisierung hat es sich Malick für sein Debüt ebenfalls nicht gerade einfach gemacht und bietet mit einem Martin Sheen als ungestümer, rauer Kit sowie einer Sissy Spacek als jugendlich-träumerische Holly zwei Hauptfiguren, die moralisch oft zwischen fragwürdig, sympathisch und unüberlegt schwanken.
"Badlands" ist ein wirklich starkes Debüt von Terrence Malick, der mit seiner kraftvollen, bisweilen poetischen Erzähl- wie Inszenierungsweise und den vielschichtigen, fast schon provokativen Figuren unbewusst eine Reihe anderer Filmemacher inspirierte.
In seinem Film "Maps to the Stars" wirft David Cronenberg zusammen mit Drehbuchautor Bruce Wagner einen Blick hinter die glänzende Fassade von Hollywood.
Im Prinzip glänzt hier mittlerweile allerdings auch keine Fassade mehr. Das Hollywood, welches Cronenberg schildert, ist ein verlassener, einsamer Ort ohne Innovationen und neuen Ideen, in dem Menschen meist isoliert voneinander in ihren eigenen Schäden und Problemen baden.
Dabei bestehen sowohl Regisseur als auch Drehbuchautor darauf, dass dieser Film auf keinen Fall eine Satire ist. Auch wenn die Idee mit dem abgründigen Spiegel der Glamour-Metropole sicherlich keine extrem innovative ist, passt Cronenberg das Konzept sehr gut an die Neuzeit an. Vor allem das erste Drittel, mit immer wieder kleinen Verweisen auf die Filmwelt und High Society gepaart mit den abgründigen Macken der Figuren, ist mit seiner schonungslosen Boshaftigkeit, teilweise tiefschwarzem Humor und dem bitteren Realitätshintergrundgedanken faszinierend wie abstoßend zugleich.
Im Vergleich zu seinem letzten Werk "Cosmopolis" ist "Maps to the Stars" nun wieder etwas zugänglicher, da (leider!?) weniger radikal und konsequent in der Ausführung. Nachdem die Protagonisten zunächst einzeln und ohne großen Bezug zueinander eingeführt wurden, wandelt sich der Film immer stärker zu einem ernsten Drama, bei dem thematisch die Geister der Vergangenheit im Mittelpunkt stehen und vor allem, wie eine Generation die eigenen Nachkommen systematisch vergiftet und ihrem verdorbenen Ebenbild angleicht.
Cronenberg´s Stil ist hierbei immer wieder auffällig konträr zum Drehbuch von Wagner. Die finsteren Abgründe bebildert der Regisseur überwiegend in klinischen, sauberen Aufnahmen. So wirkt der Streifen atmosphärisch stellenweise irritierend, wechselt von längeren Dialogpassagen zu beunruhigenden Bildern über kurze Einsprengsel von merkwürdigen Geistererscheinungen, fragwürdigen Special-Effects, expliziten Freizügigkeiten sowie unvermittelter Gewalt und erscheint erzählerisch somit oftmals sehr unkontrollierbar und wild.
Beim Cast kann der Streifen, wie zu erwarten war, wirklich glänzen. Auch wenn John Cusack in seiner Rolle etwas blass und eindimensional bleibt und Mia Wasikowska aufgrund der geheimnisvollen Aura ihrer Figur etwas zu oft im Dunklen verbleiben muss, überzeugen vor allem eine großartige Julianne Moore als einsame, gekränkte Diva und ein absolut fantastischer Evan Bird als arroganter, skrupelloser Kinderstar. Und Robert Pattinson sitzt diesmal nicht die ganze Zeit hinten in der Limousine, sondern darf sie gleich selbst fahren, ist als erfolgloser, ziellos umher streunender Nachwuchskünstler aber auch hervorragend.
"Maps to the Stars" ist erneut ein faszinierendes wie irritierendes Werk von David Cronenberg geworden. Im Vergleich zu seinen früheren Werken hat sich der Regisseur stilistisch zwar etwas verändert, doch sein kalter, bitterer Blick hinter die Mechaniken von Hollywood und die Konsequenzen, die sich daraus auf die Lebensweisen verschiedener Personen und Generationen ergeben, sorgt wieder einmal für ein diskussionswürdiges Werk mit zahlreichen Qualitäten, die es zu entdecken gilt.
Völlig berechtiger Hype. "True Detective" ist die beste neue Serie des Jahres und HBO hat wieder einmal völlig neue Maßstäbe im Serienbereich gesetzt.
Jetzt ist sie also erreicht, meine mittlerweile 1000. Filmbewertung. Auch wenn es die letzte Zeit schon ein paar Klassiker für mich gab, hab ich mir für Nr. 1000 trotzdem noch einen gefeierten Klassiker aufgespart: "Il buono, il brutto, il cattivo" aka "The Good, the Bad and the Ugly" von Sergio Leone.
Mit seinem Italo-Western schuf Leone ein unglaubliches Meisterwerk, das Maßstäbe setzte und aus dem oft kopiert oder zitiert wurde.
Zunächst nimmt er sich eine gute halbe Stunde Zeit, um die drei titelgebenden Hauptfiguren einzuführen. Clint Eastwood ist Blondie, der Gute, der mit zusammengekniffenen Augen, Zigarillo zwischen den Lippen und kühler Präzision den Prototyp des lässigen Antihelden verkörpert. Angel Eyes, der Böse, wird von Lee Van Cleef gespielt und ist mit seiner brutalen Art und den stechenden, markanten Augen ein brillanter Bösewicht, der seiner Charakterisierung alle Ehre macht. Zu guter Letzt gibt es noch den Hässlichen, Tuco, gespielt von Eli Wallach, der wohl so ziemlich die interessanteste Figur aus dem Trio ist, da er wirklich vielschichtige Charakterzüge erhält und man oft nicht weiß, ob man ihn aufgrund seiner dreckigen, boshaften Art hassen oder aufgrund seines grimmigen Humors und so mancher kantiger, zynischer Aktion lieben soll. Fest steht jedenfalls, dass sich Leone allgemein wenig um glatte, liebenswerte Revolverhelden schert, sondern für sein Werk lieber zynische, dreckige Anti-Helden versammelt.
Wer den Stil von Leone kennt und schätzt, wird sich hier ab der ersten Minute wohl fühlen. Die Geschichte rund um drei Outlaws, die auf der Jagd nach einer Geldkasse im Wert von 200.000 Dollar sind und sich so immer wieder in die Quere kommen, ist zwar nicht von einzigartiger Originalität gesegnet, doch es geht nicht darum, was, sondern wie Leone erzählt. Zudem ist der Streifen alles andere als unspannend und zieht seinen Reiz vor allem daraus, die Figurenkonstellation immer wieder durchzumischen und damit zu spielen, wann und wie das Trio auf- oder gegeneinander trifft.
Sein Gespür für breite, lange Einstellungen in Kombination mit der flirrenden Wüstenhitze, zahlreichen, intensiven Nahaufnahmen von Gesichtern und einem makellosen Schnittrhythmus sorgt für eine einmalige Atmosphäre, durch die Leone immer wieder für großartig inszenierte Höhepunkte sorgt. Mit das Glanzstück des Streifens ist außerdem der einmalige, gänsehauterzeugende Score von Ennio Morricone, der sich sicherlich zu den besten aller Zeiten zählen darf.
Tatsächlich könnte man dem Film im letzten Drittel hier und da sogar kleine Längen ankreiden, doch zum Ende hin bietet Leone schließlich einen unvergesslichen, alles überragenden Showdown auf einem Friedhof, der einen vor Spannung und Intensität fast erzittern lässt.
"Il buono, il brutto, il cattivo" ist ein Meilenstein des Western-Genres und allgemein als Film ein fantastisches Meisterwerk. Leone vereint einen perfekten Cast, seine einzigartige Inszenierung, den legendären Score von Ennio Morricone und eine tolle Geschichte gespickt mit intensiver Spannung, zynischem Humor und imposanten Höhepunkten zu einem Klassiker, den jeder gesehen haben sollte.
"You see, in this world there's two kinds of people, my friend: Those with loaded guns and those who dig. You dig."
"8½" von Federico Fellini ist ein Film, der bis heute in zahlreichen Bestenlisten vertreten ist und bei vielen als Klassiker gilt.
Grundsätzlich bietet der Streifen wirklich vielversprechende Ansätze. Erstmal ist "8½" ein Film über das Filmemachen an sich, was sowieso immer ein sehr interessantes Thema ist. Fellini brachte viele seiner persönlichen Erfahrungen und Einflüsse in den Film ein und schuf so die Geschichte des Regisseurs Guido Anselmi, der vor den Dreharbeiten seines neuen Films steht, persönlich aber in vielerlei Hinsicht vollständig überfordert ist und an einer kreativen Schaffenskrise zu zerbrechen droht.
Einen Ausweg sucht er, indem er sich in zahlreiche Tagträume und Fantasievorstellungen flüchtet, in denen er den Stress verarbeiten will. Auf dieser zweiten Ebene verleiht Fellini seinem Film eine extrem ungeordnete, fragmentarische, ruhelose Struktur, in der Realität und Traum meist nahtlos ineinander fließen.
Trotz dieser überwiegend positiv klingenden Aspekte macht es der Streifen dem Zuschauer alles andere als einfach. Fellini inszenierte dieses Werk zwar bei weitem nicht zu sperrig oder verkopft, sondern im Gegenteil eher unbeschwert und leichtfüßig, doch trotzdem fällt es schwer, einen Zugang zu dem Streifen zu finden.
Einige Passagen wirken unglaublich hektisch, fast schon gehetzt, was sicherlich wiederum das überreizte Dilemma unterstreichen soll, in welchem sich Guido befindet. Dadurch, dass Fellini aber verschiedenste Themenbereiche anschneidet, diese dann meist noch recht oberflächlich und die Grenzen zwischen Realität und Fantasie irgendwann so dicht verschwimmen, kann es schon mal passieren, dass man etwas das Interesse am Geschehen verliert.
Da hilft es dann auch wenig, dass die dargebotenen Bilder meist fantastisch sind, der Cast sehr gut gewählt und Fellini mit einigen wirklich gelungenen Einfällen aufwartet, es bleibt als Ganzes ein schwieriges Werk. Trotzdem ist es aber auch eindeutig ein Film, den jeder völlig unterschiedlich wahrnehmen und auffassen wird, weshalb es nur mit Worten allein ohnehin schwierig ist, ihn auch nur ansatzweise zu erfassen.
In ihrem Regie-Debüt "Honeymoon" verbindet Regisseurin Leigh Janiak Drama und Horror, was zu einem interessanten Film führt, der deutliche Stärken wie Schwächen hat.
Der gelungenste Aspekt des Streifens ist sicherlich das Hauptdarsteller-Duo Rose Leslie und Harry Treadaway. Die beiden spielen ein frisch verheiratetes Ehepaar, welches sich für die Flitterwochen zu einer abgelegenen, ländlichen Hütte begibt.
Anfänglich inszeniert Janiak ihren Film wie eine typische Indie-Liebesgeschichte mitsamt humorvoller Beziehungshintergründe und einem wirklich sehr sympathischen Paar, das durch die tolle Chemie zwischen den beiden Darstellern funktioniert.
Die zunächst sympathische Idylle währt allerdings nicht allzu lang und der Film kippt zunehmend in mysteriöse, ungemütliche Gefilde. Handwerklich hat Janiak definitiv auch einiges zu bieten. So vermeidet sie es, in vorhersehbare Slasher-Regionen oder ähnliches abzudriften, was sich bei dem Setting angeboten hätte und fokussiert sich lieber auf eine Art Horror, die komplett ohne nervige Jump-Scares auskommt und ihren Reiz eher daraus gewinnt, ein Szenario zu etablieren, in dem zwei sich liebende Personen durch unerklärliche Umstände gefühlstechnisch gestört und in ihrer Beziehung erschüttert werden.
Leider wirkt es dann gegen Ende immer stärker so, als wäre das Konzept nicht ausreichend zu Ende gedacht worden. Janiak liefert nicht nur viel zu offensichtliche Erklärungen, sondern auch eine unbefriedigende, dürftige Schlusspointe, welche wiederum dann doch zu abgestanden und altbekannt daher kommt und das vorher insgesamt runde und stimmige Werk deutlich abwertet und viel von dem vorangegangen Reiz zerstört.
"Honeymoon" ist ein durchaus vielversprechendes Debüt, das handwerklich, darstellerisch und zwischenzeitlich spannungstechnisch sehr gut gelungen ist. Es tut gut, dass Regisseurin Leigh Janiak weitestgehend auf Genre-Klischees verzichtet und stattdessen ihre eigene Vision durchsetzen möchte. Es tut dafür aber umso mehr weh, dass sie am Ende doch eingeknickt ist, ihr Konzept nicht gründlich genug durchdacht hat und schließlich doch noch in dürftigen Klischees versinkt.
Selbst nach fast 50 Jahren bleibt "Persona" von Ingmar Bergman ein wunderschönes, bewegendes, rätselhaftes wie sinnliches Drama, das uns aufgrund seiner Themenvielfalt, Komplexität und Vielschichtigkeit mit Sicherheit mindestens noch einmal so viele Jahre beschäftigen wird.
Nach einer der betörendsten und zugleich verwirrendsten Intro-Montagen überhaupt erzählt Bergman die Geschichte von zwei Frauen. Die eine ist Alma, eine Krankenpflegerin. Sie erhält die Aufgabe, die Schauspielerin Elisabet zu betreuen, die von einem auf den anderen Tag aufgehört hat zu sprechen, obwohl sie körperlich wie geistig eigentlich völlig gesund ist. Nachdem sie sich für die weitere Behandlung zusammen in ein Ferienhaus begeben, beginnt sich die offene Alma der schweigenden Elisabet immer stärker zu öffnen und berichtet in bestgelauntester Manier und voller sprudelnder Worte von ihrem Leben.
Dieses Szenario nutzt Bergman, um zunächst einen Seelenstriptease der eindringlichen Art zu entblättern, in welchem Alma immer stärkere Ähnlickeiten zu ihrer Patientin bemerkt. Im weiteren Verlauf entspinnt sich ein komplexes, mitunter sogar leicht erotisches Geflecht, bei dem der Regisseur das Wechselverhältnis zwischen den beiden Frauem vor allem auf psychologische Weise immer stärker vertieft.
Dieses Vexierspiel rund um wechselnde Persönlichkeiten, zweifelhafte Identitäten und tiefe Offenbarungen wurde von Bergman so vorbildlich inszeniert, dass sich bis heute in manchen Filmen Einflüsse aus diesem Werk erkennen lassen. Hauptsächlich durch die beiden grandiosen Hauptdarstellerinnen sowie den begrenzten Handlungsraum getragen und durch kraftvolle Schwarz-Weiß-Bilder sowie extrem eindringlichen Dialoge bzw. fast schon Monologe verstärkt, bei dem oftmals nur durch das Zuhören dazugehörige Bilder im Kopf des Betrachters entstehen, führt Bergman sein Werk zwangsläufig zu einem einschnürenden Höhepunkt.
Das Gesehene zu interpretieren und zu beurteilen bleibt anschließend dem Zuschauer überlassen, Ansätze bekommt man aber einige.
Die Sezierung der Persönlichkeiten zweier unterschiedlicher Frauen, die sich in manchen Merkmalen ähneln? Eine Frau, die der Abspaltung ihrer genau gegensätzlichen Persönlichkeit begegnet? Es bleibt ein Rätsel, welches jeder für sich selbst lösen darf.
"Solyaris" von Andrei Tarkovsky ist eines dieser Werke, welches das Medium Film als Kunstform in höchste Sphären hebt.
Am Anfang dieses Science-Fiction-Films steht zunächst die Frage, welche vermutlich jeden von uns beschäftigt: Gibt es unbekannte, nicht erklärbare Lebensformen oder Vorgänge außerhalb unseres Planeten und wie würde sich eine Konfrontation mit diesen gestalten?
Bereits mit dem äußerst faszinierenden, fesselnden Einstieg auf der Erde legt Tarkovsky den Grundstein für einen meditativen Trip, der den Psychologen Kris Kelvin auf eine Raumstation führt, die um den Planeten Solaris kreist. Dieser Planet ist ein außerordentliches Mysterium, denn scheinbar verfügt er über eine eigene Persönlichkeit oder Intelligenz.
Genau hier liegt dann schließlich der wahre Triumph des Streifens verborgen. Auch wenn "Solyaris" eigentlich dem Science-Fiction-Genre angehört, verbindet Tarkovsky die Suche nach dem Unerklärlichen mit der Konfrontation des eigenen, menschlichen Daseins.
Der Planet Solaris spiegelt die Erinnerungen und Sehnsüchte des Unterbewusstseins und projiziert diese in menschlicher Gestalt. Hierdurch hebt Tarkovsky sein Werk auf eine philosophisch-spirituelle Ebene, auf welcher die Hauptfigur Kris auf der Raumstation seiner ehemaligen Frau begegnet, die vor 10 Jahren verstarb.
Fortan wird "Solyaris" zu einer intimen, rätselhaften Sinnsuche rund um persönliche Bewusstseinsfragen, Unterschiede zwischen Wunschvorstellungen und realen Begebenheiten sowie das schmerzhafte Klammern an vergangene Ereignisse, die unentwegt das Gegenwärtige beeinflussen. So ist der Film nicht nur eine bewusstseinsanregende Erfahrung für seinen Protagonisten, sondern bezieht den Zuschauer aktiv mit in das Geschehen ein, damit er sich verschiedene Gedanken um die eigene Existenz bilden kann.
Auch wenn er nicht gerade viel Budget zur Verfügung hatte, kreiert Tarkovsky mit raffinierten Kamerafahrten und Schwenks sowie der ruhigen, mitunter quälend langsamen Inszenierungsweise eine höchst intensive, oftmals gänsehauterzeugende Atmosphäre, welche mit unglaublich starken Bildern aufwartet und zusammen mit der zurückgenommenen, aber immer wieder beunruhigenden Klangkulisse für Staunen sorgt.
"Solyaris" ist ein absolut herausragendes, komplexes sowie philosophisches Meisterwerk, in dem Andrei Tarkovsky den Zuschauer zusammen mit seinem Protagonisten auf einen anregenden, meditativen wie rätselhaften Science-Fiction-Trip schickt, der zu grundlegenden Fragestellungen des menschlichen Daseins zurückführt und das Innere des eigenen Gewissens mit Projektionen des Äußeren, nicht Erklärbaren kollidieren lässt.
In der letzten Zeit war es um Regie-Workaholic und Genre-Chamäleon Takashi Miike etwas ruhiger geworden, wenn man seine letzten Werke mit früheren Arbeiten von ihm vergleicht, die wesentlich anstößiger und radikaler waren. Mit "Aku no kyôten" zeigt Miike allerdings, dass er noch längst nicht zum alten Eisen gehört und immer noch überraschende, schockierende Filme drehen kann.
Nach dem überaus beunruhigenden, leicht verstörenden Einstieg gibt sich Miike aber stilistisch wie erzählerisch zunächst etwas bedeckt. Die erste Hälfte seines Films nutzt der Regisseur, um den gewöhnlichen Alltag an einer japanischen Schule zu zeigen. Schnell könnte man sich als Zuschauer dabei ertappen, wie man an den simplen, stereotypen Eigenschaften der Schüler, den bekannten Handlungssträngen rund um Betrügereien bei Prüfungen oder Mobbing, sprich der bekannten Normalität, Gefallen findet.
Doch bereits früh beginnt es unter der Oberfläche zu brodeln und zwar in Form des smarten, bei Schülern und Kollegen sehr beliebten Englischlehrers Hasumi. Dieser stellt sich rasch als ein alles andere als sympathischer Zeitgenosse heraus und beginnt, Jugendliche wie Erwachsene in sein Netz zu ziehen, gegeneinander zu intrigieren oder verschwinden zu lassen.
In der zweiten Hälfte splittert die vermeintlich glatte Fassade des Films und der urtypische Miike bricht durch. Der Zuschauer erhält neben wahnhaften, surrealen Einschüben einen Stich nach dem anderen, denn auf den gewalttätigen, kompromisslosen Exzess, den der Regisseur schließlich zündet, war man vorher schlichtweg nicht gefasst. Seien es Anleihen an die Literatur, die nordische Mythologie, musikalische Variationen von Bertolt Brecht´s "Dreigroschenoper", tiefschwarze Humoreinlagen, schrille Farbvariationen oder hammerharte Gewaltmomente. Miike geht gegen Ende immer stärker in die Offensive, verzichtet zudem auf eine klare Motivation bzw. Psychologisierung der zwiespältigen Hauptfigur und macht den Zuschauer so zu einem moralisch erschütterten Zeugen inmitten seines grotesken Spektakels.
Takashi Miike gibt sich in seinem Film "Aku no kyôten" zunächst unauffällig, spielt genüsslich mit Klischees und Banalitäten, nur um moralische Konventionen und wohlige Sehgewohnheiten später surreal, exzessiv und überzogen mit einer Schrotflinte räudig über den Haufen zu schießen.
"Happy Graduation!"
In seinem Werk "Belle de Jour" zeichnet Regisseur Luis Buñuel den Charakter einer gutbürgerlichen Frau, die sich immer mehr in ihren sexuellen Obsessionen verliert, was mit ihrem normalen Eheleben zunehmend kollidiert.
Abgesehen von der Inszenierung, bei der wie von Buñuel gewohnt die Grenzen zwischen Traum und Wirklichkeit fließend ineinander übergehen, ist die Protagonistin Séverine selbst vermutlich das größte Mysterium dieses Films.
Indem er seine Hauptfigur durch einen wahren Irrgarten bestehend aus ihrem Doppelleben zwischen braver, aber kühler Hausfrau und verführerischer, lüsterner Prostituierte, sadomasochistischen Wunschfantasien sowie kleinen Fetzen ihrer Vergangenheit bzw. Jugend taumeln lässt, kreiert Buñuel kleine Mosaiksteinchen, die sich der Zuschauer selbst zu einem Bild zusammenpuzzeln darf, um sich schließlich ein schlüssiges Bild von Séverine´s Persönlichkeit zu formen.
Catherine Deneuve passt perfekt in die Hauptrolle und schafft es, ihrer Figur die nötige Tiefe zu verleihen, sodass man bis zum Schluss nicht sicher ist, ob man das Handeln von Séverine nun verurteilen oder anerkennen soll.
Zusammen mit den anderen überaus gekonnt aufspielenden Nebendarstellern und der edlen Bebilderung schuf Luis Buñuel mit "Belle de Jour" ein faszinierendes Erotik-Drama, in welchem er auf seine gewohnt surreale, rätselhafte Weise den Charakter einer Frau ergründet, die zwischen Lust und Realität gefangen ist und bei dem das endgültige Urteil über Motivation, Hintergründe und Entscheidungen dieser Figur jedem Zuschauer alleine überlassen bleibt.
"Tystnaden" ist erneut fordernde, minimalistische und triste Filmkost von Ingmar Bergman.
Zwei Schwestern, Ester und Anna, und Johan, der Sohn von Anna, machen auf der Heimreise nach Schweden einen Zwischenstopp in einem Hotel, da Ester sichtlich krank ist und sich ausruhen muss. Die Sprache der Stadt, in der sie anhalten, verstehen sie nicht.
Bergman macht es dem Betrachter wieder einmal nicht einfach. Die Figuren bleiben zunächst unklar gezeichnet und ohne deutliche Hintergründe. Zudem bewegt sich die ohnehin bereits minimalistisch gehaltene Handlung extrem langsam voran und offenbart erst spät so etwas wie Höhepunkte.
Die sprachliche Barriere, die im Hotel zwischen den Figuren herrscht, nutzt Bergman, um die Persönlichkeiten und vor allem das Verhältnis zwischen den zwei Schwestern herauszuarbeiten. Völlig isoliert von der bekannten Außenwelt, auf sich allein gestellt und zum titelgebenden Schweigen verdammt offenbaren sich die wahren Gesichter der Figuren, vergangene Narben reißen schließlich auf und im Raum stehende, ausstehende Konflikte werden ausgetragen. Und inmitten dieser Ansammlung menschlicher Abgründe und Triebe zwischen Hass, sexueller Begierde und Schuld befindet sich noch der kleine Johan, ein Junge, der neugierig wie irritiert durch dieses Hotel wandelt und die Welt für sich erkundet. Zum Schluss gibt es zwar ein Ende, doch abgeschlossen, vor allem auf zwischenmenschlicher Ebene, wirkt rein gar nichts und der Zuschauer wird mit Fragen und Eindrücken dieses schweren Werks allein gelassen.
In seinem Werk "Smultronstället" erzählt Ingmar Bergman die Geschichte des 78-jährigen Professors Isak Borg, der anlässlich des 50. Jubiläums seiner Promotion geehrt werden soll. Zusammen mit seiner Schwiegertochter Marianne macht er sich im Auto auf den Weg nach Lund, wo die Feier stattfinden wird.
Diese Reise wird allerdings alles andere als gewöhnlich, denn bereits am Morgen vor der Abreise wird Borg von einem beunruhigenden Albtraum bewegt. Im weiteren Verlauf entblättert Bergman schrittweise die Persönlichkeit dieser Figur. Borg mag zwar vom Intellekt her herausragend sein, doch vor allem zwischenmenschlich ist er eine egoistische, kalte Person, die über die Jahre hinweg fast jeden Menschen in seinem Umfeld vergräult hat.
Auf seiner Reise nach Lund beginnt er, sein bisheriges Leben immer stärker zu reflektieren. Mit einer Mischung aus Erinnerungsfragmenten und verunsichernden Traumsequenzen passiert Borg prägende Stationen seiner Vergangenheit. Stationen, die ihn bewegt haben, die er nicht mehr vergessen kann und die an seinem Gewissen nagen.
Durch eindringliche Bilder und einige sehr ernüchternde, klare Dialoge formt Bergman das Porträt eines Mannes, der nun kurz vor dem Ende seines Lebens steht und schmerzlich erkennen muss, dass er Fehler begangen hat und im Leben Wege eingeschlagen hat, die er schließlich bereut. Trotzdem ist sein Film kein erschütternder oder deprimierender. Als Zuschauer wird man unweigerlich dazu gebracht, sich selbst mehr oder wenig stark in diese Geschichte einzubringen und über sein Leben nachdenken zu können. Wie Borg wird man aber auch erkennen, dass es nie zu spät ist, Fehler korrigieren zu dürfen und vor allem sich noch zu verändern.
Ingmar Bergman´s "Smultronstället" ist eine bewegende, nachdenklich stimmende Auseinandersetzung mit Leben und Tod, Vergangenheit und Gegenwart und vor allem der Schwelle zwischen erlebten Erinnerungen, verpassten Chancen und optimistischen Aussichten im Angesicht pessimistischer Erkenntnisse. Hervorragend gespielt, konzentriert inszeniert und schlichtweg zeitlos in seiner Wirkungskraft.
In seinem Werk "Det Sjunde inseglet" setzt sich Regisseur Ingmar Bergman mit den Themen Glaube und Tod auseinander.
Eingebettet in ein historisches Drama, welches im Mittelalter angesiedelt ist, schildert Bergman ein tristes Bild einer Zivilisation, die aufgrund der starken Pest von Elend und Leid gezeichnet ist. Im Mittelpunkt steht der Ritter Antonuis Block, der dem Tod in Person begegnet und in einer Schachpartie um sein Leben spielt.
Aus diesen Elementen formte Bergman einen Film, der äußerst sperrig daherkommt und den Zuschauer immer wieder durch höchst anspruchsvolle bis philosophische Dialoge fordert. Wirklich problematisch wird es aber erst dadurch, dass der Film zwar einige imposant inszenierte Szenen enthält und thematische Ansätze wie tiefschürfende Glaubensfragen und Abhandlungen über Leben und Tod bietet, diese aber meist seltsam oberflächlich anreißt und nie so richtig eine klare Linie zu finden scheint.
Hinzu kommen einige Momente, die unter Umständen möglicherweise sogar humorvoll von Bergman beabsichtigt waren, in diesem ansonsten sehr düsteren und ernsten Film aber dadurch umso fremdartiger wirken und zusätzlich verwirren.
Auch die eigentliche Schachpartie um Leben und Tod wird eher nebenbei verhandelt, stattdessen gibt es einige Nebenschauplätze zu sehen, die der Handlung auch eher befremdlich im Weg stehen wie beispielsweise der Nebenstrang mit dem betrogenen Schmied und dem Gaukler, der einige sehr merkwürdige Dialoge enthält.
Auch wenn "Det Sjunde inseglet" mit seiner gelungenen Inszenierung, den interessanten thematischen Ansätzen und der starken Symbolik einiges zu bieten hat, bleibt er erzählerisch wie inhaltlich teilweise seltsam sperrig, unausgeglichen und mitunter zu oberflächlich.
"Frank" von Regisseur Lenny Abrahamson ist eine tragikomische Band-Geschichte, in der man Michael Fassbender in einer höchst ungewöhnlichen Rolle zu sehen bekommt.
Zunächst geht es um Jon, einen jungen Hobby-Musiker, der zufällig als Keyboarder bei einer Band einspringen darf. Nach einem eher misslungenen Gig erhält er die Chance auf einen festen Platz in der Band und zieht sich mit der Gruppe in eine abgelegene Hütte im Wald zurück, um bei den Aufnahmen für das gemeinsame Album mitzuwirken.
Aus dieser Prämisse formt Abrahamson einen überwiegend wirklich sehr unterhaltsamen Film, der vor allem durch die schräge Exzentrik der fiktiven Band "Soronprfbs", bei der eigentlich alle Mitglieder ziemlich angeknackst sind, die Einblicke in den Alltag von extrem verkopft-künstlerischen Musikern und die ungewöhnliche Gruppendynamik lebt.
Dies gelingt auch durch den hervorragend zusammengestellten Cast, bei dem ein Michael Fassbender mit Pappmaché-Kopf, überdrehter Körpersprache und psychedelischen Rock-"Gesängen" nur die Spitze des Eisbergs ist.
Gegen Ende verzettelt sich die Handlung allerdings ein klein wenig und der bis dahin wirklich extrem gelungene Streifen mit seiner idealen Mischung aus zum Brüllen komischen Humor und dezent melancholisch bewegendem Einschlag kippt zu stark in dramatische Gefilde. Dieser spürbar schwerfällige, tragische Einschlag und die unnötige, leicht plumpe Dramatisierung, die das ansonsten so spritzig-freche Konzept leicht entmystifiziert, bremst den Streifen auf der Zielgeraden aus und verhindert, dass die vorher erzeugte ungewöhnliche Atmosphäre letztendlich auch zu einem durchgehend außergewöhnlichen Streifen führt.
Bis auf den vom Tonfall her stark abfallenden Schlussakt, bei welchem dem Werk etwas die Puste ausgeht, ist "Frank" ansonsten ein wirklich unterhaltsamer Streifen, der mit seinem schrägen Humor, den seltsamen, sympathischen Figuren und einer ausgewogenen Balance zwischen Witz, Melancholie und exzentrischem Künstler-Alltag überzeugt.
"The Great Dictator" ist nicht nur Charlie Chaplin´s Satire auf Adolf Hitler und den damaligen Nationalsozialismus, sondern vielmehr ein nachdrücklicher Beweis, dass Film eben manchmal nicht einfach nur Film ist, sondern über die Kunstform hinaus einen wichtigen Beitrag leisten kann.
Den Einstieg im 1. Weltkrieg nutzt Chaplin zunächst, um ein kleines, spaßiges Slapstick-Feuerwerk mitten im Kriegstreiben zu zünden. Die restliche Zeit des Streifens geht es aber dann darum, das damalige Geschehen während des Nationalsozialismus zu porträtieren. Chaplin ließ sich nichts vorschreiben und so wird aus dem Diktator Adolf Hitler bei ihm der Diktator Adenoid Hynkel. Chaplin spielt seinen Diktator dabei zwar überzogen und gibt ihn in herrlich unterhaltsamen Szenen immer wieder der Lächerlichkeit preis, nimmt ihm aber trotzdem nie den Schrecken und verharmlost nichts aus der damaligen Zeit.
Allgemein ist der Streifen sicherlich keine reinrassige Komödie, sondern wieder einmal eine schmale Gratwanderung zwischen ernster Tragödie und parodistischer Satire, über der trotz aller Komik, vor allem in Hinblick auf die damalige Veröffentlichung im Jahr 1940, oftmals eine bleierne Schwere liegt.
Neben der gewagten Thematik war es für Chaplin auch eine Neuerung, einen durchgängigen Tonfilm zu drehen, bei dem nun auch deutlich mehr Witz aus Dialogen entsteht, als wie sonst üblich aus purem Slapstick. Hierfür hat Chaplin auch die Figur des jüdischen Friseurs in den Film integriert, der am ehesten noch an seinen Tramp erinnert und immer wieder für auflockernde Momente sorgt. Die Szene mit den Münzen, die in den Puddings stecken, ist schlichtweg genial und entlockt selbst einer Situation, in der es praktisch um Leben und Tod geht, noch die größtmöglichste Komik.
Eine letzte Erwähnung gebührt aber trotzdem noch der Schlussszene: Es ist weder der Diktator, noch der Friseur, den wir am Ende sprechen hören. Ein Blick in seine Augen genügt, um zu merken, dass es Chaplin persönlich außerhalb jeder Rolle und mit ganzem Herzen ist, der diese Rede hält und schlussendlich nochmal so persönlich wie möglich seine optimistische wie humanistische Aussage unters Volk bringt.
Für viele Fans gilt "Modern Times" so ziemlich als bester Film von Charlie Chaplin. Es fällt nicht schwer, sich diesem Chorus anzuschließen, denn selten gelang es dem genialen Komiker, seine einzigartige humorvolle Art mit treffsicherer, bisweilen bissiger Kritik zu verschmelzen.
Chaplin zeigt uns in "Modern Times" eine Gesellschaft, in welcher der einfache Bürger zum Sklaven der Arbeit gemacht wird und vom fortschreitenden maschinellen Fortschritt der Industrialisierung geradezu verschlungen wird. Wer nicht schuftet wie eine programmierte, seelenlose Maschine, blickt Arbeitslosigkeit, Armut und Elend entgegen und wer sich gar ansatzweise gegen dieses System auflehnt, wandert umgehend in den Knast.
Selbstverständlich wäre dies aber kein typischer Chaplin-Film, wenn diese Thematiken nicht in grandios humorvolle Szenenabfolgen verpackt werden, bei denen neben dem erhobenen Zeigefinger das Zwerchfell nie zu kurz kommt. Vor allem im ersten Drittel wartet der Streifen mit einigen Momenten auf, die zweifelsohne zu den witzigsten zählen, die Chaplin jemals kreiert hat.
Auch technisch wirkt der Film noch ausgefeilter und runder als die bisherigen Werke von Chaplin und die dargestellten Effekte, vor allem im Bezug auf die maschinellen Szenen, sind großartig gestaltet. Das komödiantische Timing sitzt auf den Punkt und neben der herausragenden Mimik- und Pantomimearbeit von Chaplin passt die Musik wie angegossen zu den jeweiligen Szenen.
Mit seinem letzten Auftritt als charmanter, tollpatschiger und vom Pech verfolgter Tramp schuf Charlie Chaplin mit "Modern Times" einen Klassiker, dessen Humor und Relevanz absolut zeitlos ist und ein Plädoyer für die Erhaltung der menschlichen Individualität sowie zwischenmenschlicher Werte wie Liebe sowie Mahnmal gegen unmenschliche Industrialisierung, den stumpfen, monotonen Arbeitswahn sowie übergreifende Arbeitslosigkeit darstellt.
Auch wenn der Tonfilm kurz vorher bereits etabliert wurde, blieb Charlie Chaplin seinen künstlerischen Wurzeln treu und drehte mit "City Lights" erneut einen Stummfilm, der neben der musikalischen Untermalung nur ganz geringe Tonelemente enthält.
Sein Sträuben gegen den Tonfilm, der seiner Ansicht nach der pantomimischen, humorvollen Ausdruckskraft jegliche Austrahlung nehmen würde, machte sich bezahlt und seine Tragikomödie, in der sich der Tramp in ein blindes Blumenmädchen verliebt, ist erneut ein wirklich schöner Film geworden, bei dem sich zärtliche, gefühlvolle Liebesgeschichte und urkomische Slapstick-Parade immer wieder die Hand reichen.
Chaplin spielt den Tramp wieder als grundsympathische, charmante Figur, die aufgrund ihrer oftmals ungeschickten Art und dem ständigen Pech ein Verlierertyp mit Würde ist, der sämtlichen Aufwand und finanzielle Mittel nutzt, um der blinden Frau zu helfen.
Neben einigen Szenen, die auch heute noch für Lacher sorgen, wie beispielsweise Chaplin´s Abrechnung mit dem Tonfilm direkt zu Beginn, das Spaghetti-Essen, die verschluckte Trillerpfeife oder ein irrwitzig choreographierter Boxkampf, würzt Chaplin sein Werk zudem mit einer Prise Sozialkritik in Form eines Millionärs, der Chaplin im betrunkenen Zustand wie einen Freund behandelt und mit Geld beschenkt, im nüchternen Zustand wiederum nichts mit ihm zu tun haben will und vorgibt, ihn nicht zu kennen.
Als Krönung inszenierte Chaplin eine wirklich berührende, ergreifend gespielte Schlussszene, die gänzlich ohne Worte mehr Wirkung entfaltet als viele Tonfilme heutzutage.
Inspiriert von wahren Vorfällen rund um die große Goldgräberwelle vor Beginn des 20. Jahrhunderts schuf Charlie Chaplin den Film "The Gold Rush".
Den tragischen Hintergrund, dass eine Truppe von Goldgräbern im Schnee feststeckte und irgendwann sogar begann, sich gegenseitig zu essen, dreht Chaplin und macht aus einer Tragödie zunächst eine Komödie in seinem typisch slapstickartigen Stil.
Auch der von Chaplin gespielte Tramp macht sich auf in das eisige Alaska, um zu Reichtum zu gelangen. Als er wenig später mit zwei anderen Genossen in einer Hütte feststeckt, da draußen tagelang ein gewaltiger Schneesturm wütet, ist dies der Aufhänger für eine ganze Reihe großartiger Szenen, in denen Chaplin kreative Einfälle, Slapstick und sein unvergleichliches Mimikspiel verbindet und so Momente kreiert, die praktisch in die Filmgeschichte eingegangen sind.
Später fädelt er außerdem noch eine warmherzige Liebesgeschichte in seinen Film mit ein, bei der vor allem die Szenen sehr nahe gehen, in denen sich der Tramp für seine Angebetete krumm arbeitet, um ein Dinner zu organisieren, nur um dann erstmal versetzt zu werden. Hier erhält der Streifen durchaus traurige, bedrückende Töne, die von Chaplin ebenfalls hervorragend und damals eben noch ohne gesprochene Worte gespielt werden.
Die akribische Vorgehensweise bei der Gestaltung der anfänglichen Szenarien (vieles wurde nicht im Studio, sondern direkt vor Ort in den kalten Bergen der Sierra Nevada mit Komparsen gedreht), der wieder einmal vorzügliche Balanceakt zwischen Tragödie und Komödie, der für eine Reihe legendärer Einzelszenen sorgt, sowie das charismatische, wunderbare Schauspiel von Chaplin als Tramp machen aus "The Gold Rush" einen tollen Streifen, der erneut das geniale Können von Charlie Chaplin als Künstler unter Beweis stellt.
In "The Kid", dem ersten längeren Film von Charlie Chaplin aus dem Jahr 1921, reichen gerade einmal 53 Minuten völlig aus, um dem Zuschauer eine wunderschön erzählte Geschichte zu präsentieren.
Die Geschichte, in welcher der Tramp, die ikonischste Figur von Chaplin, ein ausgesetztes Baby findet und aufzieht, wird ganz einfach mit dem Herz am rechten Fleck inszeniert. Chaplin balanciert gekonnt zwischen charmanten Slapstick-Einlagen, bezaubernder Situationskomik, tragischen Zwischentönen und einer ergreifenden Beziehung zwischen (Pflege-)Vater und Sohn.
Zusammen mit der schönen Musik, die natürlich auch von Chaplin persönlich komponiert wurde, hangelt sich der Regisseur an sympathisch-episodenhaften Szenenfolgen entlang, bei denen Momente wie beispielsweise das gemeinsame Pfannkuchenessen oder eine surreal verspielte Traumsequenz zum Schluss hin direkt im Gedächtnis bleiben und das herzerwärmende Ende natürlich auch nicht fehlen darf.
Seth MacFarlane, der sich bei vielen einen regelrechten Kultstatus durch seine Serie "Family Guy" gesichert hat, drehte mit "A Million Ways to Die in the West" seinen zweiten Film, der ihm als großer Western-Fan sehr am Herzen lag.
In seiner ersten Regiearbeit "Ted" gelang es MacFarlane noch, den anarchischen und politisch unkorrekten Humor von "Family Guy" weitestgehend über Spielfilmlänge zu verteilen. Schaut man sich nun seinen zweiten Streifen an, muss man sich allerdings schon fast wundern, dass dieser Streifen ein regelrechtes Herzensprojekt von ihm gewesen sein soll.
"A Million Ways to Die in the West" wirkt insgesamt wie eine halbherzige, lustlose Auftragsarbeit, bei der vor allem in Sachen Gag-Qualität fast nie die sonst so treffsichere Handschrift von MacFarlane selbst durchschimmert. Er und seine beiden anderen Co-Autoren haben sich beim Drehbuch gehörig verzettelt, so dass der Film über die quälend lang wirkende Laufzeit von knapp 2 Stunden vielleicht eine Handvoll wirklich witziger Gags bietet. Ansonsten wirkt der Film sehr bemüht, setzt zwar auf viele Gags, von denen der Großteil aber extrem platt und schlicht unlustig geraten ist. Bei "Ted" gab es zwar auch schon eine spürbarere Auslegung in Richtung Mainstream, doch dieser Film ist neben den wenigen, aber komplett überflüssigen Fäkaleinlagen und einigen brutalen Momenten so erschreckend bieder und brav geworden sowie inhaltlich rein von der erzählten Geschichte her so simpel gestrickt und vorhersehbar, dass man angesichts der maßgeblichen Beteiligung von MacFarlane nur noch irritiert ist. Lediglich bei einem ausgiebigen Drogenrausch verlässt er mal ganz kurz sein eng eingeschnürtes Konventionen-Korsett und zündet einen ganz kurzen, surrealen Einschnitt, von dem der komplette Film viel mehr gebraucht hätte.
Bei der Inszenierung und Austattung seines Western-Settings zeigt sich MacFarlane bemüht, die Kulissen und atmosphärischen, staubigen Aufnahmen seiner Vorbilder einzufangen, doch die glatten, schicken Bilder und der ziemlich klassisch komponierte Score harmonieren kaum mit der niveaulosen Ausrichtung des Humors und den gestelzten Slapstick-Einlagen, so dass sich zwischen leidenschaftlicher Genre-Hommage und völlig überzogener Parodie mit Verweisen auf unsere heutige Zeit oftmals nicht mal mehr unterscheiden lässt.
Ein Problem ist auch, dass MacFarlane bisher eigentlich ausschließlich als Sprecher bzw. durch seine stimmlichen Leistungen punkten konnte. Als Hauptdarsteller in seinem eigenen Film wirkt er die meiste Zeit unbeholfen und blass, da kann auch die äußerst prominent besetzte Riege der anderen Darsteller wie beispielsweise Charlize Theron, Liam Neeson oder Amanda Seyfried wenig retten. Am lustigsten wirken hier am ehesten Giovanni Ribisi und Sarah Silverman im Zusammenspiel, doch auch die witzige Pointe ihrer Beziehung wird unentwegt wiederholt und breit getreten. Cameos gibt es auch ein paar, doch auch die wirken mehr erzwungen als überraschend und nur der allerletzte ist eigentlich wirklich gelungen.
"A Million Ways to Die in the West" enttäuscht auf ganzer Linie. Neben den witzigen Momenten, die sich praktisch an einer Hand abzählen lassen, gibt es zahlreiche wirklich daneben gehende und platte Gags, extrem viel Langeweile durch eine konventionelle, biedere, ausgelutschte Geschichte und auch der Cast, der gewillt wirkt, wird hier meistens lieblos verpulvert. Nicht nur für wirkliche Fans von Seth MacFarlane eine sehr misslungene Western-Komödie, die sich nicht mal eindeutig als Hommage oder Parodie einordnen lässt, so unentschlossen und lieblos ist der Erzählstil von MacFarlane hier geworden.
In letzter Zeit konnte Indonesien aus filmtechnischer Sicht immer wieder mal die Aufmerksamkeit auf sich ziehen und hat uns einige Perlen beschert.
Kimo Stamboel und Timo Tjahjanto, ein Regie-Duo, das sich selbst als The Mo Brothers bezeichnet, bringt mit "Killers" einen Thriller, in dem zwei Männer auf unterschiedliche Art und Weise Morde verüben.
Einer der beiden ist Nomura, ein psychopathischer Serienmörder, der sein krankes Inneres hinter einem attraktiven Erscheinungsbild sowie einer vornehmen Verhaltensweise verbirgt und so diverse junge Frauen lockt und schließlich bestialisch ermordet.
Der andere, Bayu, ist eigentlich ein gewöhnlicher Journalist, dessen Privatleben am Tiefpunkt angelangt ist. Eher versehentlich kommt er mit dem Töten in Berührung und entwickelt eine absonderliche Faszination für Morde, bei denen er aus seiner Sicht schlechte Menschen umbringen will.
Es wird schnell klar, in welche Richtung sich der Streifen bewegen will. Die Konfrontation zwischen diesen beiden Figuren, die auch früh auf die Taten des jeweils anderen aufmerksam werden, ist unvermeidlich. Umso bedauernswerter ist es, dass die Mo Brothers aus dieser Prämisse zwar einen ganz netten, aber letztlich viel zu unbedeutenden Streifen gemacht haben, der extrem viel Potential verschenkt.
Handwerklich merkt man zwar, dass die beiden ganz und gar nicht unfähig sind und vor allem das Sounddesign ist extrem druckvoll und intensiv. Erzählerisch ist der Streifen aber sehr unausgegoren. Ohne zuviel verraten zu wollen, aber die Prämisse des Streifens, unter der er auch überwiegend vermarktet wird, nämlich ein packendes Duell zwischen beiden Charakteren, ist eigentlich bereits eine Mogelpackung.
Die Mo Brothers zeigen uns auf der einen Seite eine Figur, die Morde aus psychotischer Leidenschaft und dem sadistischen Wahn wegen verübt, sich gleichzeitig aber immer wieder Teile eines gewöhnlichen Lebens und der Normalität herbeisehnt. Auf der anderen Seite ist eine Figur, die zu weiten Teilen der normalen Gesellschaft angehört, allerdings Stück für Stück weiter in menschliche Abgründe fällt und sich immer stärker einer mordenden Bestie nähert. Diese beiden Handlungsstränge inszenieren die Brüder parallel, ohne dass beide Figuren direkt in Kontakt zueinander geraten, was zu einer seltsam isolierten und distanzierten Erzählweise führt, die zu wenig fesselt oder mitreißt. Wer sich ein elektrisierendes, packendes Psycho-Thriller-Action-Duell erhofft, wie es beispielweise der meisterhafte "Akmareul boatda" bot, wird mit Sicherheit enttäuscht. Erst gegen Ende im Finale kommt es zur direkten Konfrontation.
Zudem wirkt der Film oftmals unentschlossen, ob er nun ein tragisches Charakter-Drama oder ein reißerischer, sehr brutaler Thriller sein will. Er streift das Innere der Figuren immer wieder, ohne tief genug zu ihnen vorzudringen, pendelt in den Gewaltszenen gelegentlich nahe am selbstzweckhaften Torture-Porn-Level, hat über seine überlange Laufzeit hinweg spürbare Hänger und wartet mit einigen fragwürdigen Verhaltensweisen der Charaktere auf, die nicht immer logisch nachvollziehbar erscheinen.
Obwohl "Killers" gut gespielt ist, einige intensive Momente aufgrund der gekonnten Inszenierung aufweist und eigentlich die richtigen Grundlagen bietet, haben die Mo Brothers aus ihrem Film inhaltlich viel zu wenig gemacht, spulen altbekannte Thriller-Drama-Zutaten diverser bekannter, ähnlich gelagerter Streifen aus dem fernöstlichen Filmgebiet herunter und schaffen es nicht, den Zuschauer in dieser unausgegorenen Mischung aus reißerischer Gewaltorgie und gewollt tiefgehender Charakterstudie zu fesseln. Die schlussendliche Moral: Gewalt ist immer schlecht, Gewalt führt immer ins Verderben. Sehr originell.
"Guardians of the Galaxy" dürfte mittlerweile eigentlich jedem ein Begriff sein. Die meisterwartetste Comic-Verfilmung zu einem der hierzulande eher unbekannteren Comics. Das Risiko, James Gunn als Regisseur an Bord zu holen, war ein Wagnis, das sich auf ganzer Linie ausgezahlt hat und Walt Disney Studios kann sich zurecht über den gigantischen finanziellen Erfolg freuen, denn "Guardians of the Galaxy" stemmt die Erwartungen und ist der spaßigste, unterhaltsamste Blockbuster des Jahres.
Die Einführung mag zunächst etwas sehr hektisch und überfrachtet wirken, doch Gunn findet ziemlich schnell eine ideale Zusammenführung seiner Charaktere und das Team ungleicher, eher unfreiwillig gebundener Outlaws ist schnell gebildet.
Einer der größten Triumphe des Streifens liegt dann auch direkt in dieser Figurenkonstellation. Die unterschiedlichen Charaktertypen sind so gegensätzlich, so dass sie sich gleichzeitig ergänzen und ständig aneinander reiben, was zu zahlreichen wirklich witzigen Szenen führt. Dabei nimmt Gunn seine Outlaw-Truppe aber jederzeit ernst und lässt sie nie zu bloßen Karikaturen verkommen oder nutzt sie für unentwegte Gags. Jeder einzelne bekommt Momente, in denen er auch eine sensiblere, tiefgründigere Note erhält und insgesamt wird hier die Charakterentwicklung keinesfalls vergessen. Neben einem absolut großartigen Chris Pratt, der Coolness, Sympathie und witzigen Charme praktisch in Perfektion verkörpert, ist es vor allem die Synchronarbeit von Bradley Cooper, der seinem Rocket Raccoon zu einer dermaßen lebhaften, zynisch-frechen Ausstrahlung verhilft und Vin Diesel´s ungewöhnliche Art, den herrlichen Riesenbaum Groot zu sprechen, die hier hervorstechen. Zoe Saldana als emotional hin- und hergerissene Gamora und Dave Bautista als toughe Kampfmaschine mit tragischem Hintergrund geraten da fast schon etwas gewöhnlicher, fügen sich aber trotzdem perfekt in die Truppe ein.
Atmosphärisch ist "Guardians of the Galaxy" eine Wohltat. In der aktuellen Post-Nolan-Dark-Knight-Ära, in der die meisten Comic-Verfilmungen zwanghaft auf ernst und düster getrimmt werden, Realismus und tiefschürfende Charakterdramatik im Vordergrund stehen, ist dieser Film mit seiner selbstironischen, mitunter rotzigen Art eine mehr als nötige Abwechslung.
Ansonsten ist der Film eine optimal ausbalancierte Mischung aus der tollen Figurenkonstellation, Action, erstklassigen Effekten und einem ausgezeichneten Design der verschiedenen Weltall-Settings, Tempo, Humor und einem fantastischen Soundtrack, der mit zahlreichen 70er und 80er Hits punktet. Da wird es schnell nebensächlich, dass die Story keinen Originalitäts-Preis gewinnt, manche Entwicklungen vorhersehbar sind, Bösewicht Ronan the Accuser auch nicht mehr ist, als ein gewöhnlicher Gegenspieler mit fieser Miene und Stimme und Obermotz Thanos wieder nur leicht angeteasert wird. Dafür gibt es einige Nebenfiguren, die meist ebenfalls von bekannten Gesichtern gespielt werden und mitunter für grandios komische Momente sorgen wie z.B. Michael Rooker als Yondu.
"Guardians of the Galaxy" dürfte eigentlich niemanden enttäuschen, der sich ansatzweise auf den Film gefreut hatte. Durch die gekonnte Regie von James Gunn, dem atmosphärischen Tonfall zwischen gelungenem Witz und ernsteren Einschüben, der herausragenden Figurenkonstellation rund um eine Truppe ungleicher Outlaws und die typischen Blockbuster-Qualitäten wie krachende Action, hohes Tempo und spitzenmäßige Effekte bleiben hier für Comic-Fans kaum Wünsche offen. Dieser spaßige, charmante und durchgehend unterhaltsame Space-Trip ist vielleicht die beste Marvel-Verfilmung bisher, auf einer Stufe mit den Avengers und liefert zahlreiche Gründe, sich auf die feststehende Fortsetzung mehr als nur freuen zu dürfen.
BadassMoFo
"Buffalo '66", das Regiedebüt von Vincent Gallo, ist im Prinzip ein Liebesfilm. Schaut man sich den Film allerdings nun mit diesem Genre im Hinterkopf an, wird man sich zunächst sicherlich erst einmal wundern.
Gallo, der auch selbst die Hauptrolle spielt, zeigt uns mit Billy Brown anfangs einen aufbrausenden, ungemütlichen Zeitgenossen, der frisch aus dem Gefängnis entlassen wird. Daraufhin entführt dieser erstmal eine junge Tanzschülerin, damit diese vor seinen Eltern, die Billy angelogen hat und die nichts von seinem Gefängnisaufenthalt wussten, seine Ehefrau spielt.
Aus dieser doch recht skurrilen Grundkonstellation formt Gallo dann im weiteren Verlauf allerdings, trotz einiger bissig-humorvollen Spitzen, eine wunderschöne Independent-Tragikomödie, die durch ihre ehrliche und unverfälschte Art sowie die kantigen, vielschichtigen Figuren zu begeistern vermag.
Wenn sich schließlich beim gemeinsamen Abendessen mit den Eltern offenbart, was sich eigentlich wirklich für ein Mensch hinter diesem Billy Brown verbirgt und durch gekonnt eingesetzte Rückblenden immer mehr seiner Vergangenheit und Persönlichkeit offen gelegt wird, ist das erst der Startschuss für eine hervorragend geschriebene Geschichte, bei der die scheinbar persönlichen Einflüsse und Eindrücke von Gallo zu einer melancholisch-sympathischen Odyssee durchs Nachtleben führen. Hierbei erweist sich Christina Ricci als Gegenpart für Gallo´s Figur als ideale Besetzung. Durch ihre liebenswerte, süße Ausstrahlung und die hervorragende Chemie zwischen ihrer Layla und Billy ergibt sich eines der ungewöhnlichsten, aber gerade dadurch charmantesten Leinwandpärchen der jüngeren Filmgeschichte.
Auch inszenatorisch gibt sich Gallo in seinem Debüt keine Blöße. Mit kleinen, aber feinen Kunstgriffen in Sachen Kameraperspektiven, Bildfiltern und Schnitttechniken verleiht er seinem Werk eine außergewöhnliche Note mit gelegentlichen wirklich kunstvollen Einschüben (die Stepptanzeinlage auf der Bowlingbahn!), ohne dabei jemals zu prätentiös, selbstverliebt oder überzogen künstlerisch zu wirken. Auch die musikalische Untermalung, bei der Gallo ebenfalls die Songs persönlich wählte, wirkt dezent, stimmig, überlädt den Film aber nie.
"Buffalo '66" ist eine wahre Independent-Perle. Im Gegensatz zu vielen Vertretern dieses Genres, die bei ihren Zuschauern sämtliche Gefühlsregungen geradezu forcieren wollen durch bemühte Montagen oder gezielten Einsatz von Musik, besticht das Regie-Debüt von Vincent Gallo durch authentische Figuren mit Ecken und Kanten, einer melancholischen, aber lebensnahen Geschichte und einer stilsicheren Inszenierung zwischen Authentizität und Kunst.
"The Rover" ist ein Endzeit-Thriller-Drama von Regisseur David Michôd, in dem Guy Pearce eine Bande Krimineller jagt, die sein Auto gestohlen haben.
Es ist ein unglaublich beklemmender, mitunter durchaus verstörender Film, den Michôd hier schuf. Sei es das karge, triste Endzeit-Setting im australischen Outback, der Verzicht auf das Erklären fast jeglicher Motive oder Hintergründe seiner Figuren, die minimalistische, sperrige Ausgestaltung der Geschichte, der unglaublich eindringliche Score oder die Performances von Guy Pearce und Robert Pattinson.
"The Rover" ist in vielerlei Hinsicht ein sehr schwer greifbares, aber genau dadurch umso fesselnderes Werk. Die anfängliche Einblendung "Australia. Ten Years After The Collapse" ist alles, was der Zuschauer als Hintergrundinformation über das entstandene Endzeit-Szenario an die Hand bekommt. Fest steht nur, dass die scheinbar spärlich verbliebene Anzahl von Menschen mittlerweile eine Gesellschaft gebildet hat, die sich fortwährend nach und nach gegenseitig zerfleischt und auslöscht.
Eric, hier erschreckend ausgemergelt von Guy Pearce verkörpert, ist zu allem bereit, um sein Auto wiederzubekommen. Auf seiner Verfolgungsjagd, bei der er sich eher unfreiwillig mit Pattinson´s Figur Rey zusammenschließt, häufen sich die Leichen immer stärker, oftmals auch sinnlos, ohne dass man eine Ahnung hat, was für einen Stellenwert das Auto überhaupt für Eric hat. In diesem Strudel der Gewalt arbeitet Michôd nach und nach immer klarer ein gesellschaftliches Bild heraus, in dem Misstrauen, übereilte Reaktionen sowie verzweifelte Existenzängste zu Chaos und Verderben führen. Neben einem fantastischen Guy Pearce, der die letzten Jahre eher in ungenügenden Nebenrollen verpulvert wurde, ist es vor allem Robert Pattinson, der am meisten Aufsehen erregt. Die Darstellung des naiven, eingeschüchterten, aufmerksamkeitsbedürftien Kleinkriminellen in Verbindung mit seinem extrem seltsamen Akzent verwischen mittlerweile auch die letzten Zweifel, dass in diesem Mann nicht doch ein absolut großartiger Charakterdarsteller steckt.
Michôd inszeniert seinen Film mit behutsamer Langsamkeit, wechselt innerhalb des Erzählflusses zwischen verunsichernder Stille, fesselnden Spannungsmomenten und schockierenden Gewalteruptionen. Dabei wird bereits von Anfang an deutlich, dass Michôd definitiv ein Regisseur ist, der die Wirkungsweise von atmosphärischen Bildern in Verbindung mit einer effizienten Klangkulisse beinahe in kompletter Perfektion verinnerlicht hat. Durch die staubige, trockene Wüstenatmosphäre und die düster-grimmige Grundstimmung gepaart mit gelegentlichen, dichten Shoot-Outs wirkt der Film zudem oftmals wie ein hitziger Neo-Western.
David Michôd´s schmutziges, beklemmendes Endzeit-Thriller-Drama "The Rover" verweigert sich durch die unklaren Hintergründe, die ruppige, minimalistische Erzählästhetik und die intensiv-sperrige Inszenierung einem Publikum, welches auf Daueraction, Tempo, simpel gestricke Charaktere und offensichtliche Erklärungen aus ist. Für alle anderen bietet der Film herausragend gespielte, vielschichte Figuren, intensive Momente am laufenden Band sowie eine flirrend-irritirende Atmosphäre, die gemeinsam mit dem geheimnisvollen, erschütternden Endzeit-Setting und der Kombination aus Thriller, (Charakter-)Drama und apokalyptischem Gesellschaftsporträt für eine herausragende Seherfahrung sorgt.
Fast schon bezeichnend und trotzdem traurig hingegen ist es, dass der Streifen, wie auch schon andere brillante Werke der letzten Zeit wie beispielsweise "Under the Skin" oder "Short Term 12", gar nicht erst in unseren Kinos startet, sondern neben einigen Festival-Screenings direkt auf Blu-ray und DVD veröffentlicht wird.