Patrick Reinbott - Kommentare

Alle Kommentare von Patrick Reinbott

  • 6 .5

    Mit seinem Debüt "Beyond The Black Rainbow" hat es Regisseur Panos Cosmatos mittlerweile auf einige Listen mit den bizarrsten oder verstörendsten Filme geschafft.
    Auf visueller Ebene ist der Streifen jedenfalls fast schon unverschämt gut. Cosmatos bedient sich offensichtlich an seinen liebsten Genre-Vorbildern und so wirkt sein rätselhafter, wirrer Sci-Fi-Mystery-Trip stilistisch wie eine Kombination von "2001: A Space Odyssey", "Enter the Void" und diverser anderer Filme, die hauptsächlich von ihrer Bildgewalt leben.
    Stilsichere Kamerafahrten, ungemütliche Verzerrungsfilter, extreme Farben und ein wirklich stimmungsvoller Score ergeben mit dem extrem langsamen Tempo einen ungewöhnlichen Film, wie man ihn nicht alle Tage zu sehen bekommt. Bei Filmen wie diesen bewegen sich die Regisseure allerdings stets auf dünnem Eis, denn auch hier ist die Handlung dermaßen symbolbeladen, vertrackt und schlicht unverständlich, dass zusammen mit den sehr oberflächlich skizzierten Figuren eine sehr abweisende, kalte Wirkung beim Betrachter entsteht.
    So kann der Streifen einfach nicht die intensive Sogwirkung entfalten, wie es andere Werke oder große Vorbilder schaffen und man wird ein wenig im Regen stehen gelassen. Relativ ärgerlich ist auch der Schlussteil, in welchem Cosmatos sein eigenes Werk schließlich durch eine ziemlich ausgelutschte, öde Storyrichtung fast schon selbst demontiert und kaum einen überzeugenden Abschluss für sein ansonsten außergewöhnliches, polarisierendes Gesamtwerk findet.
    Rein visuell hat Regisseur Panos Cosmatos mit seinem Debüt "Beyond The Black Rainbow" einen wirklich überzeugenden und bärenstarken Eindruck seiner Fähigkeiten abgeliefert. Nun muss es ihm nur noch gelingen, auch auf erzählerischer Ebene zu reifen und den Zuschauer über die Bildgewalt hinaus fesseln oder berühren zu können.

    7
    • 7

      Nachdem der erste "Captain America" noch mit einigen Anlaufschwierigkeiten zu kämpfen hatte, bügelt der zweite Teil einige der Mängel aus und profitiert vor allem von der in der heutigen Zeit angesiedelten Handlung.
      Das Regie-Duo Anthony Russo und Joe Russo macht es sich gut zu Nutzen, dass die wichtigsten Figuren bereits etabliert wurden. Nun gehen sie bei sämtlichen Beteiligten deutlicher in die Tiefe und verleihen nicht nur dem Captain selbst, sondern auch Nebencharakteren wie Nick Fury oder Black Widow merklich mehr an Profil.
      Dabei verkommt "Captain America: The Winter Soldier" aber natürlich nicht zu einer Charakterstudie, sondern bleibt selbstverständlich eine typische Marvel-Verfilmung mit allem, was die Fans glücklich stellen dürfte. Die Regisseure schlagen allerdings einen etwas anderen Weg ein als die bisherigen Marvel-Filme und verleihen ihrem Werk einen deutlicheren aktuellen Bezug in Hinsicht auf politische Vorgänge sowie Verwicklungen.
      So mutiert der Film über einige Strecken zu einem ernsthaften Agenten-Spionage-Thriller, bei dem es um altmodische Verschwörungen und brisante Enthüllungen geht.
      Die Action kommt nebenbei trotzdem nicht zu kurz und es ist fast schon überraschend, wie gut diese geworden ist. Mit treibender Musik, äußerst physischen Auseinandersetzungen und der üblichen Menge an krachenden Explosionen schuf das Regisseur-Duo tolle, dichte Action-Setpieces, die sich trotz gewohnt unblutigem PG-13-Niveau wirklich sehen lassen können. Auch der titelgebende Winter Soldier hat dabei vielleicht etwas wenig Screentime, stellt aber einen ebenbürtigen Rivalen für Captain America dar und glänzt bei jedem seiner Auftritte mit einer mehr als soliden Präsenz.
      Da fällt es insgesamt auch nicht allzu negativ ins Gewicht, dass der Streifen über die üppige Laufzeit von 135 Minuten hinweg hier und da durchaus einige Längen hat und neben der Eigenständigkeit etwas mühsame Vorarbeit für den kommenden, zweiten Teil der Avengers leisten muss.
      Schauspielerisch ist ebenfalls eigentlich alles im Lot. Chris Evans ist mittlerweile optimal mit seiner Rolle verwachsen und überzeugt zwischen brillanter, physischer Ausstrahlung und gegelentlich unsicherem Verhalten aufgrund seiner außergewöhnlichen Herkunft. Auch Samuel L. Jackson, Scarlett Johansson und als Neuzugang der überzeugende Anthony Mackie als Falcon können ebenfalls glänzen.
      "Captain America: The Winter Soldier" ist eine rundum gelungene Marvel-Verfilmung, die sich innerhalb der 2. Phase für den nächsten "Avengers"-Streifen durchaus im oberen Qualitätssektor ansiedelt. Eine ernstzunehmende Geschichte, starke Charaktere, tolle Action-Szenen und eine Prise Humor sorgen für eine Comic-Verfilmung nach Maß, die lediglich aufgrund kleiner Schönheitsfehler etwas ausgebremst wird.

      10
      • 7 .5

        Von Gia Coppola, der Nichte vom guten Francis Ford, kommt mal wieder ein Film über das amerikanische Teenager-Leben.
        "Paolo Alto" basiert auf Kurzgeschichten von James Franco, der hier auch selbst vor die Kamera durfte. Coppola verbindet dabei mehrere Handlungsstränge zu einem mehr oder wenigen stimmigen Gesamtbild. Auch wenn es in letzter Zeit gefühlt dutzende solcher Indie-Filme gab, die sich um junge Erwachsene, ihren Schulalltag und vor allem ihre privaten Problemchen rund um das "schwierige" Erwachsenwerden drehten, ist auch dieses Werk wieder durchgängig sehenswert geworden.
        Für ein Debüt beweist Coppolla bereits ein reifes, erfreuliches Gespür für Inszenierung und Charakterzeichnung, so dass der Film neben meist wunderschönen Aufnahmen und einem gelungenen Soundtrack Figuren bietet, für die man sich interessiert und die vom Cast sehr gut verkörpert werden. Vor allem Emma Roberts sammelt wieder mal starke Sympathiepunkte und auch Jack Kilmer, der Sohn von Val Kilmer, kann mit einer sehenswerten Performance überzeugen.
        So ist "Paolo Alto" ein typischer Indie-Streifen geworden, der zwar nicht der ganz große Wurf geworden ist aufgrund zahlreicher, ähnlicher Filme, die mittlerweile existieren. Durch die schöne Inszenierung, den Mix aus lustigen und etwas dramatischeren Momenten und die interessanten Charaktere lässt sich der Film aber trotzdem sehr gut und entspannt schauen und ist für alle Fans von Filmen dieser Art definitiv zu empfehlen.

        8
        • 8

          Mit "Black Swan" schuf Darren Aronofsky praktisch das Gegenstück zu seinem "The Wrestler".
          Erneut widmet sich der Regisseur einem Sport. Nach dem harten, brutalen Wrestling geht es diesmal aber in eine ganz andere Richtung. Das sinnliche, graziöse Ballett hat Aronofsky gewählt und wieder ist eine Spielfläche, um die innere Zerrissenheit und den krankhaften Perfektionswahn seiner Protagonistin zum Vorschein zu bringen.
          Es geht um Nina, eine schöne, junge Frau, welche außerdem noch fast perfekt tanzt. Für ihre ultimative Traumrolle reicht das aber nicht. Das brave, biedere Mädchen steht sich selbst im Weg und folglich muss sie ständig mit ihrer dunklen Seite kollidieren. Es wird deutlich, dass die größten Konflikte nicht durch Faktoren von außerhalb, sondern immer noch mit sich selbst entstehen.
          Aronofsky wählt eine sehr passende, fast optimale Bildsprache für sein Werk. Auf der einen Seite ist der Film wie schon "The Wrestler" zuvor mit intimen Handkameraufnahmen gefilmt und bleibt stets ganz nah an der Hauptfigur. Auf der anderen Seite bricht Aronofsky den Realismus auf, kehrt wieder mehr zu seinen Ursprüngen zurück und mischt viele surreale, psychotische Szenen in das Geschehen. Diese Mischung aus konzentriertem Charakterdrama und abgründigem Psycho-Thriller mit ekligen Body-Horror-Einlagen á la Cronenberg machen es dem Zuschauer einfach, sich durchwegs fesseln zu lassen. Hinzu kommt ein toller Cast, bei dem vor allem Natalie Portman in der Hauptrolle nicht ohne Grund mit dem Oscar ausgezeichnet. Körperlich gibt sie wirklich alles und auch die Gratwanderung zwischen verschüchterten Mädchen und düsteren Vamp gelingt ihr. Daneben können aber auch Vincent Cassel als undurchsichtiger, charismatischer Ballettdirektor und Mila Kunis als verführerische, augenscheinliche Rivalin glänzen.
          Trotz allem mag es Aronofsky aber auch diesmal wieder nicht gelingen, ein vollständig einwandfreies Meisterwerk abzuliefern. Zu oft trägt er einfach zu dick auf und traut dem Streifen nicht genug subtilen Thrill zu. So manche groteske Fantasie-Szenen sind deshalb leider etwas zu übertrieben und wirken manchmal fast schon unfreiwillig komisch. Hier wäre weniger einfach noch mehr gewesen.
          "Black Swan" ist eine fesselnde, düstere Mischung aus Charakterdrama und Psycho-Thriller, welche durch die routiniert hervorragende Inszenierung des Regisseurs und eine fast perfekte Natalie Portman glänzt und nur durch einige übertriebene, zu dick aufgetragene Momente etwas abgeschwächt wird.

          13
          • 8 .5

            Mit "The Wrestler" meldete sich Darren Aronofsky nach seinem komplexeren, kunstvoll inszenierten "The Fountain" mit einem mehr als überraschenden Film zurück.
            Erstmals nicht nach einem selbst geschriebenen Drehbuch verfilmte er dieses Drama. Auf die gewohnten inszenatorischen Merkmale verzichtete er ebenfalls. Stattdessen gibt es eine raue, unruhige Handkameraführung, die sich stets sehr nah am Protagonisten hält.
            Dieser ist ein in die Jahre gekommener Wrestler, der es außerhalb des Rings und Rampenlichts nicht packt, mit der realen Welt da draußen fertig zu werden.
            Aronofsky lässt uns am Leben dieser Figur teilhaben. Oftmals musste sich der Regisseur den Vorwürfen stellen, seine Filme seien meist zu arg "Style over Substance" und er könne keine wirklich stimmigen Geschichten mit authentischen Charakteren erzählen.
            Mit diesem Werk verweist er diese Kritiker in die Schranken, den "The Wrestler" ist ein intensives, ungeschöntes sowie fesselndes Drama wie aus dem Lehrbuch für gute Dramen und das komplett ohne pompöse und aufwendige Inszenierungsweise. Dabei ist der Film natürlich auch für Leute geeignet, die mit der eigentlichen Sportart nicht so viel anfangen können, obwohl der Streifen auch in diese einen erhellenden, interessanten und nahezu ernüchternden Einblick gewährt.
            Man kommt allerdings nicht drum herum, im Bezug auf diesen Streifen den Hauptdarsteller zu erwähnen. Für Mickey Rourke war die Rolle in diesem Werk ein Triumph auf ganzer Linie. Es fällt einem nicht wirklich schwer, einzuschätzen, wie viel er von seiner wahren Persönlichkeit in diesen Film transportierte. Durch seinen gezeichneten Körper und sein gebeuteltes Gesicht ist Rourke die absolute Idealbesetzung des Wrestlers, der nur noch ein Wrack ist. Dabei zieht der Schauspieler trotzdem sämtliche Register der Schauspielpalette und begeistert mit einer anrührenden Performance.
            "The Wrestler" ist nach "The Fountain" ein überraschendes, eher untypischeres Werk von Darren Aronofsky. Mit dem reduzierten Inszenierungsstil, den starken Darstellern, allen voran ein unglaublich guter Mickey Rourke und einer fesselnden Erzählweise bewies der Regisseur, dass er selbst als simpler Geschichtenerzähler ein Meister im Filmgeschäft ist.

            14
            • 8

              Nach seinem Meisterwerk "Requiem for a Dream" dauerte es eine Weile, bis ein neuer Film von Darren Aronofsky erschien. "The Fountain" ist ein Herzensprojekt des Regisseurs gewesen und es dauerte 6 lange Jahre, bis der Film schließlich fertig war.
              Man sieht dem Film seine lange Produktionszeit, das Herzblut des Regisseurs und vor allem die mächtige Überambitioniertheit definitiv an. Aronofskys Werk ist ein wahrer Bildersturm, der eigentlich ein mächtiges Epos wäre, würde der Regisseur nicht mit gerade einmal schlanken 96 Minuten Laufzeit auskommen.
              Aronofsky erzählt eine sinnliche, poetische Geschichte, die sich mit vielen schwerwiegenden und tiefgreifenden Themen wie dem Verlust der großen, einmaligen Liebe, sowie Schmerz und Trauer befasst. Dabei bedient er sich allerdings drei verschiedener Zeitepochen, über die er seine Handlung hinweg verteilt und die teilweise sogar in die Zukunft abtauchen. Dies sorgt dafür, dass vor allem der Einstieg in den Film vielen schwer fallen wird, da man erst einmal schwer dahinter kommt, auf was Aronofsky überhaupt hinaus will. Auch ein kohärentes Gesamtbild gelingt dem Regisseur durch das Wechseln der verschiedenen Zeitebenen nicht immer und einige dürften sich an dem starken, gefühlsorientierten Ton stoßen, weshalb der Streifen bis heute einer der kontroversten des Regisseurs geblieben ist.
              Auf der anderen Seite ist das Werk stilistisch durchwegs ein typischer Aronofsky, vor allem das Editing und der wundervolle Score von Clint Mansell tragen den Betrachter einhüllend durch die bombastischen Bilderwelten. Irgendwo zwischen Stanley Kubrick und Terrence Malick bietet Aronofsky dem Zuschauer zentrale Fragestellungen über Religion, Glaube und den Sinn des Lebens an. Dabei bleibt der Film aber stets auf einem intimen Level und konzentriert sich auf das sinnliche, großartig funktionierende Zusammenspiel zwischen Hugh Jackman und Rachel Weisz, die hier beide teilweise herzzerreißend agieren.
              Gleichzeitig niederschmetternd und aufbauend zugleich verdeutlicht der Film, wie wichtig das Hier und Jetzt sowie der Genuss des gerade stattfindenen Augenblicks ist, was Aronofsky in einer aufrührenden, für ihn ebenfalls typischen Abschluss-Montage intensiviert.
              "The Fountain" dürfte nach wie vor einer der schwierigsten, komplexesten Filme von Darren Aronofsky sein. Durch die Fantasy- und Science-Fiction-Komponenten werden sich viele schwer tun, die gesamte Schönheit und Tragweite über das Thema der Aufarbeitung von Verlust, Trauer und Schmerz hinter den vordergründig psychedelischen und metaphysischen Bilderfluten zu entdecken. Wer sich allerdings voll auf den Film einlässt, wird mit einem wundervoll inszenierten, intim gespielten sowie berührenden Drama der besondereren Art belohnt.

              15
              • 8

                Filme, die in limitierten Settings spielen, sind in letzter Zeit häufiger geworden. Regisseur Steven Knight hat mit "Locke" nun ebenfalls solch einen Film gedreht, bei dem er lediglich mit einer Autobahnfahrt, Tom Hardy in der Hauptrolle und einer Freisprechanlage auskommt.
                Betrachtet man mal die Filme der letzten Zeit, die überwiegend an einem einzigen Schauplatz spielten, fällt auf, dass diese meist Thriller waren. In Filmen wie z.B. "Phone Booth", "Buried" oder zuletzt "All Is Lost" ging es dabei auch immer um Leben und Tod. Bei "Locke" ist das nicht der Fall. Am besten weiß man bei diesem Film vorab so wenig wie möglich über die Handlung, dann kann er sich am optimalsten entfalten.
                Ganz grob geht es um einen Mann und Entscheidungen, die er kürzlich getroffen hat. Daraus resultierend trifft Ivan Locke, der Protagonist, neue Entscheidungen und muss sich fortan mit sämtlichen Konsequenzen auseinandersetzen, die nun auf ihn zukommen.
                Knight hält ohnehin vieles erst einmal sehr vage. Das volle Ausmaß der Motivation sowie Hintergründe über seine Hauptfigur werden langsam und erst nach und nach entblättert. Das ist auch wichtig, denn wären alle Karten bereits von Beginn an offen auf dem Tisch, würde der lediglich in einem Auto und zudem in Echtzeit spielende Film nicht so sehr funktionieren, wie er es letztendlich tut.
                Der größten Anteil am Gelingen des Streifens ist aber Tom Hardy. Dies ist voll und ganz sein Film, die Kamera verharrt nicht ohne Grund fast durchgängig auf seinem Gesicht. Hardy´s Schauspiel ist schlicht gigantisch und durch die Mischung aus seinem bemüht ruhigen, sprachlichen Auftreten sowie seiner zermürbten Mimik, die Bände spricht und meist das Gegenteil zu seinem Gesprochenen offeriert, verleiht er seiner Rolle eine unglaubliche Präsenz, die auch unglaublich wichtig ist, denn dieser Ivan Locke ist alles andere als eine einfache Figur, im Gegenteil. Bis über das gelungene Ende und den Abspann hinaus bleibt es dem Zuschauer überlassen, sich eine Meinung über diesen Charakter zu bilden und zu entscheiden, wie er nun moralisch zu diesem Mann stehen mag.
                "Locke" ist ein originelles Drama, das aus seiner begrenzten Prämisse das Maximum herausholt. Durch einen brillanten Tom Hardy, dichte Dialoge und den ruhelosen Erzählfluss über die nächtliche, von Lichtern durchflutete Autobahn hinweg hat Steven Knight einen wirklich gelungenen, vielschichtigen Film geschaffen, der sich lohnt.

                10
                • 10

                  Bereits mit seinem erst zweiten Film "Requiem for a Dream" schuf Darren Aronofsky ein eindringliches Meisterwerk, welches in seiner Wirkungsweise und Aussagekraft aufwühlt und erschüttert.
                  Wie schon in seinem Erstling "Pi" geht es um Getriebene, diesmal genauer gesagt Abhängige, die es nur noch ihren Süchten und Wunschvorstellungen nachtreibt. Anhand von vier Einzelschicksalen, die Aronofsky alle eng verknüpft und mit zahlreichen Montagen verdichtet, kreiert er einen abschreckenden Anti-Drogen Film, der einen zunächst kaum auf das vorbereitet, was im späteren Verlauf noch folgt.
                  Schon früh fällt auf, in was für einer meisterhaften Liga sich Aronofsky allein inszenatorisch bewegt. Der Streifen ist nicht nur brillant gefilmt, es ist vor allem die markante Schnitttechnik, die das Geschehen schon so besonders macht. Durch die so genannte Hip-Hop-Montage, bei der extrem viele, kurze Schnitte teils oftmals wiederkehrend und mit überlauten Geräuschen verknüpft werden, wirkt der Erzählfluss unglaublich dynamisch und lässt den Film noch kurzweiliger erscheinen, als er ohnehin bereits ist. Großen Anteil hat außerdem der göttlich-gute Score von Clint Mansell, den mittlerweile so gut wie jeder irgendwie mal gehört haben dürfte. Dadurch übt der Streifen selbst fast eine suchtähnliche, tranceartige Wirkung auf den Zuschauer aus.
                  Nebenbei kann sich Aronofsky noch auf einen fantastischen Cast verlassen. Dabei sind es gar nicht mal die beiden meist zuerst angepriesenen Darsteller Jared Leto und Jennifer Connelly, die sowieso souverän sind, die am meisten überraschen. Besonders begeistern Ellen Burstyn, die in ihrer TV- und Pillensucht nach und nach vollständig den Verstand verliert, und Marlon Wayans. Vor allem letzterer ist hauptsächlich durch seine klamaukigen Blödel-Rollen bekannt, doch hier konnte er beweisen, dass ein wirklich guter, ernstzunehmender Schauspieler in ihm steckt. Bis heute bleibt diese Rolle seine beste. Sämtliche Figuren sind weit entfernt von wirklichen Identifikationsfiguren, doch dem Regisseur gelingt es trotzdem, dass man sich ab einem bestimmten Punkt nicht nur für jeden interessiert, sondern sogar um alle sorgt.
                  Aronofsky spannt die Intensitätsschraube zunehmend immer dichter, bis er schließlich in den letzten gut 15 Minuten einen einmaligen, unvergesslichen Albtraum entfacht, welcher gewöhnliche Drama-Maßstäbe beinahe schon weit überschreitet und der in seiner schockierenden Wirkung viele überfordern dürfte. Dabei führt er seine einzelnen Charakterstränge aber lediglich zu einem konsequenten Abschluss, der nötig ist, um die mahnende Aussage des Streifens zu unterstreichen.
                  "Requiem for a Dream" ist in allen Belangen ein absolutes Meisterstück. Ein fantastisch gespieltes, visionär inszeniertes Anti-Drogen-Mahnmal, das mit seinen authentisch gezeichneten Figuren und der erschütternden Wirkungsweise zurecht mittlerweile zu einem Kultfilm avanciert ist und Darren Aronofsky in die Liga der ganz großen Filmemacher katapultiert hat.

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                  • 9
                    über Pi

                    Jeder kennt dieses Gefühl, wenn alles um einen herum einzustürzen scheint. Wenn der Kopf fast zu explodieren droht und man fast wahnsinnig wird vor schierer Überforderung. In seinem Debüt "Pi" zeichnet Regie-Genie Darren Aronofsky das Portrait eines Getriebenen, ein Motiv, das sich weiterhin durch beinahe alle seine Filme ziehen wird.
                    Max Cohen, ein genialer Mathematiker, vermutet hinter der geheimnisumwobenen Kreiszahl Pi den Schlüssel zu sämtlichen Vorgängen des Universums. Er versucht, die Vorgänge auf dem Aktienmarkt anhand dieser Zahl zu entschlüsseln. Dabei verliert sich das Genie in einem Strudel aus Paranoia, Wahn und beengter Beklommenheit.
                    Aronofsky machte gar keinen großen Hehl daraus, dass das Debüt "Eraserhead" von Meister David Lynch zumindest stilistisch die größte Inspirationsquelle für sein eigenes Erstlingswerk war. In körnigen, kriseligen, schwindeligen Schwarz-Weiß-Aufnahmen und mit einer hektischen, bisweilen provokativ-anstrengenden Schnitttechnik erzeugt Aronofsky in Verbindung mit dem treibenden, pulsierenden Score von Clint Mansell eine Drohkulisse, die sich in die tiefsten Nerven des Betrachters bohrt.
                    Dabei ist "Pi" aber keineswegs eine hochkomplex-überfordernde Kopfgeburt von einem Film. Selbst Mathematik-Muffel, die bereits bei Begriffen wie "Mitternachtsformel" mit den Augen rollen, werden bei den hier dargebotenen Theorien und Ansätzen in den Bann des Streifens gezogen. Dabei driftet Aronofsky mit seiner Geschichte sowohl in Bereiche der Naturwissenschaft, als auch in religiös-mysteriöse Gefilde, alles verbunden mit dem Ursprung faszinierender Zahlenfolgen und mathematischen Mustern.
                    Hierbei wird der Film fast schon zu einer One-Man-Show für Hauptdarsteller Sean Gullette, der den getriebenen, übernervösen und brillanten Mathematiker als faszinierend-beängstigenden Gejagten gibt, der immer stärker durch bizarre Tagträume, wahnhafte Paranoia-Szenarien und neurotische Schocks getrieben wird. Aronofsky balanciert oftmals, vor allem im späteren Verlauf, gefährlich nah an der Grenze, an der auch der Zuschauer völlig angestrengt und überfordert der Resignation nahe ist, schafft mit diesem intensiven Zustand der Verbindung des Zuschauers mit dem Stimmungsbild des Films aber einen konsequenten Zug, für den er zurecht bereits für sein Debüt weltweit Anerkennung fand.
                    Manchmal scheint dann eben doch nur noch der Griff zur Bohrmaschine zu helfen.

                    8
                    • 3

                      Während die Verantwortlichen bei Teil 2 aus Mängeln und Fehlern des Vorgängers gelernt hatten, ist "The Expendables 3" nun wiederum ein deutliches Statement, wie sehr die Reihe bereits überflüssig geworden ist.
                      Der Einstieg ist noch mit das gelungenste an dem Streifen. Die Integration von Wesley Snipes passt wirklich gut und Snipes selbst legt eine ordentliche Spielfreude sowie Charisma an den Tag. So gibt es neben den üblichen Sticheleien und Meta-Witzchen gegeneinander auch direkt Action, wobei allerdings sofort auffällt, wie sehr das PG-13 Rating dem Film schadet. Die Action-Szenen sind allesamt sehr blass und vollständig blutleer, öfters wird auch mal unschön weggecuttet in drastischen Momenten.
                      Nach dem Einstieg folgt dann auch schon die lange Dürreperiode a.k.a. der Mittelteil von "The Expendables 3".
                      Bis auf Stallone ist so gut wie niemand aus der Truppe überhaupt mal zu sehen. Stattdessen geht es hier um einen Clash zwischen der alten und jüngeren Generation. Die jüngeren Actiondarsteller, die hierbei eingeführt werden, sind allesamt relativ unsympathisch und austauschbar, was dem Film ebenfalls ungemein schadet.
                      Neuzugang ist unter anderem auch noch Antonio Banderas, der eine dermaßen katastrophale und zum Fremdschämen unterirdische Rolle verkörpern darf, dass es fast schon schmerzt. Auch Mel Gibson als Gegenspieler bleibt eher passiv und darf außer fiese Worte und Drohungen äußern kaum zur Tat schreiten. Harrison Fords Screentime kommt ebenfalls nur auf knapp 10 Minuten.
                      Selbst die gesamte Struktur des Streifens ist mittlerweile so vorhersehbar, dass es kaum noch schön zu reden ist. Wieder darf man sich bis zum finalen Showdown gedulden, der in den letzten knapp 15 Minuten abgebrannt wird, bis man dann mal das sehen darf, was man bei solch einem Cast gerne mal den gesamten Film über durchgängig sehen möchte.
                      "The Expendables 3" beweist eindrucksvoll, dass die Reihe bereits nach 2 Teilen und nun mit dem 3. Teil in fast allen Belangen am absoluten Tiefpunkt angelangt ist. Bis auf den Einstieg und den Showdown sowie einem charismatischen Neuzugang in Form von Wesley Snipes gibt es hier wieder unzählige Durchhänger, der Film ist mit 126 Minuten mindestens 20 Minuten zu lang, die PG-13-gezähmte Action ein Schlag für Fans von knallhartem Oldschool-Action-Kino, das hier eigentlich immer versprochen wird und einige Elemente des Films, z.B. ein verschenkter Mel Gibson und ein katastrophaler Antonio Banderas sind schlicht ärgerlich.

                      15
                      • 7

                        Mit "Cold in July" bekommt man einen weiteren Vertreter des Neo-Noir geboten. Michael C. Hall spielt einen Mann, der seine Familie beschützen muss, nachdem der Vater eines Mannes, den Hall aus Notwehr erschießt, Rache üben will.
                        Zunächst hat der Streifen eine relativ starke Spannungskurve, bei der sich die feine Kameraarbeit, der tolle, packende Synthie-Score und das stimmige Schauspiel sehr gut zu einem gelungenen Gesamtbild formen und in diesem dreckigen Texas-Neo-Noir-Spektakel durchaus desöfteren Spannung aufkommt.
                        Regisseur Jim Mickle macht dann aber den Fehler, dass er einfach zu viel in seinen Film packen wollte. Nach ungefähr der Hälfte wandelt sich das Geschehen in eine deutlich andere Richtung und es kommt zu einer Reihe von Twists & Turns, bei denen nicht alle geschickt eingesetzt wurden. So bleiben einige Handlungsverläufe und vor allem vorschnelle Charakterwandlungen etwas unnachvollziehbar. Ohne viel zu spoilern kann man sagen, dass sich der Film von einem Home-Invasion-Defense-Thriller zu einem Verschwörungskomplott-Krimi und schließlich noch zu einem deftigen Selbstjustiz-Reißer formt. So ist das Ganze zwar unvorhersehbarer, aber eben nicht wirklich ausgeglichener und wirkt etwas zerfasert, bevor die Spannungskurve gegen Ende wieder mehr in Richtung des starken Beginns verläuft.
                        Insgesamt bleibt "Cold in July" letztendlich ein recht gelungener, weil stark inszenierter, stellenweise spannender und stimmig gespielter Thriller, dem etwas mehr inhaltlicher Feinschliff und erzählerische Entschlossenheit sehr gut getan hätte.

                        8
                        • 7 .5

                          Abseits von Schauspielrollen in Komödien hat sich Ben Stiller schon mehrfach als Regisseur versucht. Sein Langfilmdebüt "Reality Bites" ist dabei ein Porträt einer ganzen Generation, in dem sich sicherlich viele Menschen wiederfinden können, die ihre Jugend in den 90er Jahren verbracht haben.
                          Ohne großen Hauptplot verfolgt Stiller das Leben einer Gruppe von jungen Leuten, die gerade mit der Schule fertig sind und auf die nun der Ernst des Lebens wartet.
                          Vorbei mit der schönen Jugendzeit sehen sie sich nun mit all den Problemen konfrontiert, die das Erwachsenenleben und der Alltag oftmals mit sich bringen.
                          Dabei schneidet der Film bewusst verschiedene, kleinere Bereiche an, wie etwa Perspektivlosigkeit, das Arbeitsleben, Dating und Liebesprobleme aber auch ernstere Themen wie Tod oder AIDS.
                          Hierdurch wird der Zeitgeist der 90er gut eingefangen und es entsteht ein schönes Bild der damaligen Zustände. Dabei kann sich Stiller, der auch selbst eine sehr gute Rolle in seinem Film spielt, voll und ganz auf den restlichen Cast verlassen. Vor allem eine junge Winona Ryder wirkt durch ihre quirlige, wunderschöne Ausstrahlung unglaublich sympathisch. Hinzu kommen viele Dialoge, die mal tiefgründig, nachdenklich aber auch witzig daher kommen und ein sehr entspannter, toller Soundtrack.
                          Mit der Mischung aus Komödie und Drama wirkt der Streifen zwar hier und da etwas unausgeglichen und manche Momente sind vielleicht ein wenig zu aufgesetzt oder überzogen in ihrer Kitschigkeit, doch alles in allem hat Ben Stiller mit "Reality Bites" ein weitestgehend authentisches, lockeres, aber auch teilweise tiefgehendes Gesellschaftsporträt gezeichnet, das sicherlich die Gefühle vieler Menschen anspricht.

                          9
                          • 6
                            über Brick

                            Bereits mit seinem Debüt "Brick" ging Regisseur Rian Johnson keine Kompromisse ein, um seine ganz eigene Vision durchzusetzen.
                            Sein Film ist eine äußerst merkwürdige, aber auch zutiefst originelle Seherfahrung, bei der die Wirkungsweise automatisch ein sehr breites Spektrum aufwirft. Johnson nutzt dabei das Film-Noir Genre der 40er oder 50er Jahre und verlegt dieses in ein modernes US-High-School-Setting. Dies hat zur Folge, dass der rätselhafte, düstere Krimi-Plot, der sich früh entfaltet, wie aus der Zeit gefallen wirkt.
                            Rein inszenatorisch kann man sich vor Johnson fast schon verneigen. Er überträgt die für das Film-Noir markanten Schnitte, Kamerabewegungen und vor allem die Musikuntermalung perfekt in eine eigentlich eher unpassende Umgebung. Wirkliche Probleme ergeben sich dann erst bezüglich der Figuren.
                            Alle Charaktere, vor allem die von Joseph Gordon-Levitt gespielte Hauptfigur, verhalten sich völlig untypisch verglichen mit ihrem vordergründigen Erscheinungsbild. Stattdessen wirken hier junge Erwachsene, die meist noch nicht mal 25 Jahre alt sind, wie über 30 oder 40 Jahre alte Personen. Hintergründe über die einzelnen Charaktere erfährt man kaum, es geht viel mehr um eine klassische Aufstellung von Stereotypen, wie man sie aus den guten, alten Klassikern kennt. Hinzu kommen Dialoge, die oftmals sehr gestelzt oder aufgesetzt wirken.
                            Johnson zieht sein Konzept wirklich von Anfang bis Ende zu 100% ernst durch, was in einigen Momenten zu sehr unglaubwürdigen, seltsamen oder auch komischen Szenen führt. Es gelingt ihm zwar, den Zuschauer durch einige spannende Szenen und vor allem die wirre, komplexe Figurenvernetzung bei der Stange zu halten, doch man wird das Gefühl nicht los, dass das Konzept zwar innovativ, aber nicht vollständig geglückt ist, wodurch sich der Film über weite Strecken sehr steril und kalt anfühlt.
                            "Brick" ist ein mutiger, anspruchsvoller und auf den ersten Blick wirklich innovativer sowie origineller Debütfilm. Durch den gewagten Genre-Mix trifft Regisseur Rian Johnson trotz der hervorragenden Inszenierung aber häufig nicht so wirklich die richtigen Töne und verhebt sich ein wenig an seinem Konzept, wodurch sein Streifen trotz einiger toller Elemente sperrig und kalt wirkt.

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                            • 7
                              über Masks

                              Eine deutsche Genre-Produktion allein sorgt schon für Aufmerksamkeit. Wenn es sich dann noch wie bei "Masks" von Andreas Marschall um eine lupenreine Hommage an den Giallo und Glanztaten eines Dario Argento handelt, werden Genre-Fans zurecht hellhörig.
                              Durch das ziemlich niedrige Budget, das Marschall wohl nur zur Verfügung stand, hat der Streifen die meiste Zeit über einen recht starken Amateur-Look, der manchmal an billige C-Movies erinnert. Hinzu kommen aufgesetzte Dialoge und so manch hölzerne Schauspieldarbietung.
                              Dies kompensiert Marschall allerdings mit einem feinen Gespür für die Umsetzung einiger wirklich feiner Giallo-Zutaten. Bisweilen wirkt der Film zwar etwas sehr stark von Argento´s "Suspiria" übernommen, so als hätte Marschall einfach seine persönlichen Lieblingsfilme nachgedreht. Nach und nach entwickelt sich durch die stimmige Atmosphäre, die oftmals sehr verstörend wirkt, die gelungene Bildgestaltung, den tollen Soundtrack sowie den markanten, amateurhaften Look aber eine gewisse Sogwirkung, die den Zuschauer durchaus in seinen Bann zu reißen vermag.
                              Spätestens wenn sich die Handlung, die anstatt der Ballettschule in "Suspiria" in einer Schauspielschule spielt, immer weiter von seinem Vorbild löst und die anfangs etablierte "Methode", ein mysteriöses Verfahren zur Einzelausbildung der Schüler, genauer ergründet, entwickelt sich "Masks" zu einem albtraumartigen, surrealen Psycho-Trip, bei der das Innenleben der Hauptfigur, von der Debütantin Susen Ermich wirklich gut gespielt, ergründet und erschüttert wird.
                              Die Mordsequenzen, die hier mit einem Degen anstelle eines Rasiermessers ausgeführt werden, sind hart und direkt. Die ausschweifende, beinahe opernhafte Inszenierung seiner Vorbilder trifft Marschall aber leider nur entfernt, stattdessen sind die Morde zu abrupt und zu sehr auf den schnellen Schockmoment ausgelegt.
                              Im Finale wiederum gelingt Marschall dann nochmal ein rundum gelungener Abschluss, der zwischen Spannung, absurden Auflösungsmotiven und schrillen Over-the-Top-Spitzen alles bietet, was das Genre-Herz verlangt.
                              "Masks" ist definitiv kein Film ohne Schwächen und hat einige Ecken und Kanten. Insgesamt gelingt Andreas Marschall trotz des niedrigen Budgets aber trotzdem eine atmosphärisch dichte, meist stilvolle Hommage an seine Giallo-Vorbilder, die zwischen bizzarem Psycho-Drama und abgründigem Slasher viel gelungenes zu bieten hat.

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                              • 4 .5

                                Bei den Filmen von Regisseur Terry Gilliam weiß man vorher selten, was man zu sehen bekommt und wird meist immer überrascht. Im Falle seines aktuellen Streifens "The Zero Theorem" ist die Überraschung aber eher unerfreulicherer Art.
                                Gilliam wirft den Zuschauer ohne Kompromisse in ein ausgeflipptes, überdrehtes Szenario, das zwischen abgefahrener Dystopie und verschrobener Parallelwelt anzusiedeln ist. Anfänglich ist es noch interessant, dem Regisseur durch die visuell außergewöhnlichen und ansprechend gestalteten Settings zu folgen und sich an den schrägen Einfällen zu erfreuen.
                                Doch bereits nach kurzer Zeit fängt der Streifen an, durch die extrem überdrehte Art anstrengend zu werden. Durch das anfangs hektische Tempo, die abgehakte Erzählart und die kaum greifbaren Figuren, die oftmals eher wie Karikaturen wirken, erscheint der Film teilweise wie ein hyperaktives Kind, das einen ständig belästigt.
                                Nach einer Weile spielt der Film zudem fast nur noch an einem Schauplatz, was wohl dem überhetzten Drehplan (gedreht in nur 36 Tagen) und dem niedrigen Budget (10,3 Millionen Euro) geschuldet ist. Aus der eigentlich gelungenen Grundidee, einen versessenen, abgeschotteten Freak nach dem Sinn des Lebens rätseln zu lassen, formt Gilliam aus dem dürftigen Drehbuch von Pat Rushin lediglich Ansätze in viele Richtungen und versinkt vor allem im letzten Drittel in Redundanz. Der Humor zündet kaum, hierzu sei vor allem die lächerliche Rolle von Tilda Swinton erwähnt. Nie will sich der Streifen zu einem stimmigen Gesamtbild formen, nie kommt auch nur sowas wie Spannung auf oder gar Empathie für die Figuren, speziell der Hauptfigur. Am Ende gibt es nur eine faule Auflösung und einen fade hingeklatschten Schluss, der kein bisschen überzeugt, falls man jemals einen Film von Terry Gilliam gesehen hat.
                                Christoph Waltz gibt sich in seiner Hauptrolle bemüht, doch der Figur des pessimistischen, abgedrehten Nerd, der hin und wieder etwas Tiefgang zeigt, kann er nur selten nachbleibenden Eindruck verleihen.
                                Generell fehlt hier einfach das Herzblut, der verspielte Charme, der selbst von Problemen hinter den Kulissen belastete Werke wie zuletzt seinen "The Imaginarium of Doctor Parnassus" noch so liebenswert und ausgefallen gemacht hat.
                                "The Zero Theorem" ist eine bittere Enttäuschung auf ganzer Linie. Trotz des stellenweise tollen Setdesigns und der ausgefallenen Optik, einiger netter Ansätze und einem bemühten Christoph Waltz ist der Film eine unausgegorene, über weite Strecken anstrengende bis langweilige sowie charmefreie Variation einiger bekannter Themen von Terry Gilliam, nur eben schwächer als jemals zuvor.

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                                • 4

                                  Arnold Schwarzenegger will sein filmisches Comeback zurück zu alten Action-Zeiten einfach nicht so wirklich gelingen, egal ob qualitativ oder finanziell. Zusammen mit Regisseur David Ayer, der beispielsweise mit "End of Watch" einen ganz hervorragenden Cop-Thriller gedreht hat, startet er den nächsten Versuch.
                                  Das Scheitern dieses Streifens ist allerdings weder Ayer noch Schwarzenegger eindeutig zuzuschreiben, sondern Drehbuchautor Skip Woods. Zunächst startet der Film eigentlich vielversprechend und gelungen. Durch die geradlinige, krachende Inszenierung von Ayer mit der unruhigen Kameraführung und dem pulsierenden Score bekommt man als Einstieg eine packende Action-Sequenz geboten, die sich sehen lassen kann.
                                  Problematisch wird es dann allerdings, wenn die ersten nicht einmal 10 Minuten schon mit das Beste des Films waren. Direkt danach beginnen schon einige der zahlreichen Patzer des Drehbuchs.
                                  Die Figuren sind durch die Bank weg extrem unsympathisch bis uninteressant geschrieben. Bis auf den Sympathiefaktor von Schwarzenegger, der hier durch eine Backstory zumindest noch so etwas wie geerdete Charakterzüge erhält, ist es dem Zuschauer eigentlich relativ egal, was mit den Figuren letztendlich passiert. Dermaßen unsympathische, grenzdebile Hauptfiguren wie die Söldnertruppe in "Sabotage" gab es schon länger nicht mehr in einem Film zu sehen.
                                  Im weiteren Verlauf wandelt sich die Geschichte von einem anfänglichen Action-Thriller zu einem faden, uninspirierten Krimi, der von Ungereimtheiten, öden Klischees und äußerst hölzernen Dialogen durchzogen wird. Eine klare Linie findet die Handlung nie so wirklich und ständig werden in neue Richtungen Haken geschlagen. Action gibt es kaum noch, stattdessen wird bei den vereinzelten Morden lieber auf eine fast schon bestialische, ultrabrutale Darstellung gesetzt, die den Streifen ebenfalls wenig bereichert. Nebenfiguren werden relativ überflüssig in die Handlung eingebaut, tragen aber kaum etwas sinnvolles zum Geschehen bei.
                                  So schleppt sich der äußerst düstere Film, trotz eines Casts, der sich eigentlich sehen lassen kann und bei dem einige Darsteller durchaus bemüht wirken, mühsam über seine Laufzeit zu einer relativ hanebüchenen Auflösung, nur um ganz zum Schluss nochmal eine kurze, durchaus gelungene Action-Sequenz zu bieten, die im Gesamtkontext aber ebenfalls überflüssig und hingeklatscht wirkt.
                                  "Sabotage" ist wieder kein geglücktes Comeback für Arnold Schwarzenegger geworden. Nach einem gelungenen Einstieg zeigt das missratene Drehbuch von Skip Woods dem Zuschauer eine lange Nase und langweilt mit einem zähen, klischeedurchsetzten und mit Ungereimtheiten gespickten Krimi-Plot, bei dem die überdurchschnittliche Inszenierung von David Ayer und das bemühte Spiel von Schwarzenegger wenig retten können.

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                                  • Sieht insgesamt wirklich sehr gut aus. Ich bin vor allem auf Neil Patrick Harris in einer scheinbar ernsteren Rolle gespannt, sein Auftritt im Trailer kam schon sehr überraschend.

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                                    • 7

                                      "Tutti i colori del buio" von Sergio Martino ist ein betörender Mystery-Psycho-Thriller im Gewand eines Giallo.
                                      Statt Rasiermessern und schwarzen Handschuhen gibt es hier okkulte Messen, satanische Symbole und haufenweise surreale Traumsequenzen.
                                      Eine bildhübsche Edwige Fenech darf als völlig überforderte, entkräftete Frau durch dicht arrangierte Szenen zwischen Paranoia, Verfolgungswahn und Albtraum wandeln. Martino versteht es, durch die hervorragende Kameraführung und den fantastischen Soundtrack von Bruno Nicolai einige wirklich atmosphärische Setpieces zu erzeugen. Der Streifen bewegt sich in manchen Szenen zwar stark an der Grenze zur Lächerlichkeit und bietet außer einem Wahn-Wirklichkeit-Wechselspiel kaum auffällige Facetten, doch die audiovisuelle Gestaltung reißt glücklicherweise einiges raus.
                                      Dialoge, Charakterzeichnung und vor allem die schlussendliche Auflösung schwächeln, doch für Giallo-Fans, die auch mal etwas andersartige Werke innerhalb des Genres sehen wollen, ist der Streifen aufgrund der gelungenen Inszenierung und Atmosphäre eine Empfehlung.

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                                      • 6 .5

                                        Mittlerweile gibt es innerhalb des Revenge-Genres sehr viele Filme, die sich mit der Thematik der Selbstjustiz beschäftigen. Ein Vertreter dieses Genres ist "Dead Man´s Shoes".
                                        Regisseur Shane Meadows zeigt die Taten eines Mannes, gespielt von Paddy Considine, der gegen eine Bande von Drogendealern vorgeht.
                                        Dabei wählt der Regisseur bewusst einen subtileren Weg. Action steht klar im Hintergrund, viel mehr geht es um die einzelnen Charaktere sowie deren Motive. Erst Stück für Stück deckt Meadows die Motivation und Hintergründe des Geschehens auf. In grobkörnigen Schwarz-Weiß-Einschüben wird der Zuschauer Zeuge des brutalen Schicksals, das dem Bruder der Hauptfigur widerfahren ist.
                                        Dadurch bleibt der Streifen einerseits zwar auf gewisse Weise undurchschaubarer und ein wenig spannender, auf der anderen Seite ist die Erzählweise von Meadows nicht gänzlich fehlerfrei. Im Mittelteil verkommt sein Film so zu einem recht gewöhnlichen Selbstjustiz-Reißer, bei dem die Ziele der Hauptfigur, also die Gangsterbande, relativ oberflächlich bzw. klischeehaft als größtenteils unterbelichtete Drogensüchtige dargestellt werden. Lediglich die künstlerisch etwas hochwertigere Inszenierung mit den eingebauten Songs und den wechselnden Sequenzen zwischen Vergangenheit und Gegenwart sowie die markante Präsenz von Paddy Considine können hier punkten.
                                        Auch die Hintergründe der Tat schaffen es nur schwer, ein berechtigtes Gegengewicht zu den brutalen Aktionen des Protagonisten darzustellen und die Frage nach Gerechtigkeit und berechtigter Selbstjustiz bleibt weiterhin im Raum stehen.
                                        Erst mit dem bärenstarken Finale geht Meadows einen Schritt weiter und traut sich, aus dem vorher geschaffenen Rahmenkonzept etwas auszubrechen und weiterführende Themen anzureißen bzw. auszuformulieren.
                                        "Dead Man´s Shoes" ist insgesamt ein sehenswerter Rache-Thriller mit einem sehr guten Hauptdarsteller und einer gelungenen Inszenierung wie oftmals stimmigen Herangehensweise. Inhaltlich kann Regisseur Shane Meadows sein Konzept allerdings manchmal nur schwer aus dem Fahrwasser stumpfer und gewöhnlicher Selbstjustiz-Reißer heraus manövrieren, erst mit dem Finale gelingt ihm der gewünschte, starke Abschluss.

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                                        • 8 .5

                                          Filme, die heutzutage noch ästhetisches oder erzählerisches Neuland betreten, findet man immer seltener. Die Dokumentation "Leviathan" von Verena Paravel und Lucien Castaing-Taylor allerdings ist mal wieder eine dieser Seherfahrungen, die vor allem für Dokumentar-Verhältnisse ein völlig neuartiges Seherlebnis bietet.
                                          Das Thema dieser Doku ist der Alltag von Fischern, die Tag für Tag ihrer Routine auf hoher See nachgehen, damit die Regale und Theken in Metzgereien oder Supermärkten auch immer mit frischem Fisch gefüllt sind.
                                          Die Art und Weise, wie diese Doku umgesetzt wurde, ist dabei geradezu revolutionär. Auf erklärende oder begleitende Off-Kommentare wurde vollständig verzichtet, auch Interviews der Beteiligten gibt es gar keine.
                                          Stattdessen lebt "Leviathan" einzig durch die Eindrücke, welche die beiden Macher eingefangen haben. Mit teilweise winzig kleinen Digitalkameras und haufenweise ungewöhnlichen, so wohl noch nie gesehenen Perspektiven, Einstellungen und Kamerawinkeln wird der Arbeitsablauf rund um die Fischer-Crew geschildert.
                                          Dabei kommen die Szenen manchmal einem abschreckenden Horrorfilm gleich. Wenn eben gefangene Fische minutenlang durch eine hautnahe, fast schon schmerzhaft intime Perspektive kleingehackt werden und sich die Schutzanzüge der Arbeiter nach und nach immer mehr verfärben durch das ganze Blut, macht sich schnell Unbehagen beim Betrachter breit. Manche Szenen wirken vielleicht etwas langgezogen oder unnötig ausführlich, doch genau dadurch wird der monotone Alltag der Menschen, die hier arbeiten, noch stärker verdeutlicht.
                                          Durch den Einsatz von wasserfester Technik bietet die Doku aber auch einen faszinierenden Blick rund um den Fischkutter herum und vor allem unter die Wasseroberfläche. Intensiver als in den meisten 3D-Filme taucht man während der Sichtung so persönlich hinab und kann das Wasser fast schon auf der eigenen Haut spüren.
                                          Auf Musikuntermalung wurde verzichtet, doch die metallischen, schrammelnden und mechanischen Klänge und Geräusche des Schiffs und der Arbeitsabläufe erzeugen eine ganz eigene Art von Klangkulisse.
                                          "Leviathan" ist ein besonderer, fast schon revolutionärer Dokumentarfilm, der auf jegliche Erläuterungen vollständig verzichtet. Stattdessen bekommt der Zuschauer eine intensive, außergewöhnliche Seherfahrung, bei der die innovativen Kameraperspektiven und die natürlichen, realistischen Geräusche fast schon eine Art abseitige Realität erzeugen, die aber trotzdem stets unsere (mitunter schmerzliche) Wirklichkeit abbildet, nur eben so wahrscheinlich noch nie erlebt.

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                                          • 5
                                            über Borgman

                                            Aus dem niederländischen Sektor hat es mit "Borgman" wieder einmal ein speziellerer Zeitgenosse von Film zu uns geschafft.
                                            Mit einer sehr nüchternen, geerdeten Inszenierungsweise erzählt Regisseur Alex Van Warmerdam eine seltsame Geschichte, bei der etwas Unvermitteltes, unerklärbar Finsteres Einzug hält in das Haus einer wohlhabenden Familie.
                                            "Borgman" ist die Art von Film, die von dem bekannten "Was geht hier jetzt schon wieder vor sich?" Gefühl lebt, das den Streifen die gesamte Laufzeit hindurch ausmacht. Bereits von Anfang an ereignen sich ständig merkwürdige Dinge, die sich kaum erklären lassen. Es wird zwar relativ gut ersichtlich, dass Van Warmerdam durch eine eher subtilere, künstlerische Vorgehensweise die Abgründe und Macken einer reichen, über der gewöhnlichen Gesellschaft schwebenden Familie hervorgraben möchte. Die Machart ist aber aufgrund des langsamen Tempos und dem eher anstrengenden Stil unglaublich gewöhnungsbedürftig und abschreckend.
                                            Die Figuren sind allesamt schwer greifbar bis unsympathisch und durch den nahezu brachial auf Kunst getrimmten Willen des Regisseurs wirft der Film die gesamte Zeit über mehr rätselhafte Fragen auf, als er beantwortet. Im Grunde wäre dies nicht weiter schlimm, gibt es doch sehr viele Filme, die gerade aufgrund ihrere mysteriösen Struktur und den surrealen Einschüben zu Meisterwerken werden.
                                            "Borgman" gehört aber mehr zu den trockeneren, unbefriedigerenden Exemplaren dieser Gattung, die nach der Sichtung relativ wenig Eindruck hinterlassen und kaum zu einer Nachbeschäftigung motivieren.

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                                            • 9

                                              Egal, wie man zu den Filmen von Regisseur Alejandro Jodorowsky steht, die Dokumentation "Jodorowsky's Dune" bietet einen hervorragenden Einblick in ein Projekt, das in dieser Form niemals verwirklicht wurde.
                                              Im Mittelpunkt der Doku steht natürlich Jodorowsky selbst. Neben anderen Menschen, die an dem Projekt beteiligt waren, kommt vor allem der außergewöhnliche Regisseur selbst am häufigsten zu Wort. Nach und nach erfährt man, was für ein gewaltiges, ambitioniertes Kunstwerk geplant war. Ein Film, mit dem Jodorowsky die gesamte Filmgeschichte revolutionieren wollte.
                                              Dabei erzählt der Regisseur auf fast schon fanatische, wahnsinnige, aber stets unglaublich sympathische und liebenswerte Art und Weise, wie er seine Adaption des Kultromans von Frank Herbert realisieren wollte. Namen wie Orson Welles, Salvador Dalí oder H.R. Giger kommen ins Spiel, der Regisseur selbst wäre damals vermutlich sogar für sein Projekt gestorben.
                                              Gegen Ende spannt die Dokumentation einen unangenehmen Bogen in die heutige Zeit und es wird ganz klar, woran dieses Über-Projekt gescheitert ist.
                                              "Jodorowsky´s Dune" schildert die Reise eines wahren Künstlers, von denen es heutzutage in der Regielandschaft zu wenige gibt. Alejandro Jodorowsky hätte mit seiner Verfilmung von "Dune" vielleicht tatsächlich die Filmgeschichte verändert. Dass er scheiterte, zeigt auf, was auch heutzutage in Sachen Studiostrukturen und finanziellem Denken in der Filmbranche falsch läuft.
                                              Am Ende bleibt trotzdem Optimismus, wenn man den abschließenden Worten des mittlerweile über 80 Jahre alten Regisseurs lauschen darf, nachdem man noch gezeigt bekommt, inwiefern das gescheiterte Werk trotzdem viele andere Filme, auch heute noch, geprägt hat und wie der Geist von Jodorowsky´s Dune immer noch weiterlebt.

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                                              • 9

                                                Man kommt nicht daran vorbei, sich den Lobeshymnen aus den USA und auch hier anzuschließen. "Short Term 12" ist tatsächlich eine der Indie-Sensationen, zu welcher er oftmals hochgejazzed wird.
                                                Dabei ist es wieder einmal fast schon bedenklich, dass dem Film bis heute immer noch ein regulärer Kinostart hierzulande verwährt bleibt, denn hier strotzt die hohe Qualität förmlich aus allen Poren.
                                                Hauptschauplatz des Streifens ist ein Heim für schwer erziehbare Jugendliche, in dem sich von missbrauchgeschädigten Kids bis hin zu psychisch gestörten Teenagern einige Problemfälle aufhalten. Regisseur Destin Cretton beleuchtet dabei die verschiedensten Facetten von Menschen rund um dieses Heim. Dabei geht es vor allem um die Angestellten und die Teenager.
                                                Es ist unglaublich, in was für wahre Gefühlsbäder der Film einen teilweise taucht. Wie das wahre Leben gleicht der Streifen einer ruckeligen Achterbahnfahrt, bei der es zudem viele heftige Stolpersteine gibt, die es zu überwinden gilt, bevor man die schönen Seiten genießen darf. Manche Szenen gehen dabei stark an die Grenzen der emotionalen Belastung und es bleibt an ganz wenigen Stellen etwas fragwürdig, ob es in einem 96-minütigen Film so viele derart einschneidender, hochdramatischer Momente bedarft hätte.
                                                Doch im Einklang mit den vielen gefühlvollen, tief bewegenden Szenen, die fast schon zu Tränen rühren, bilden diese schweren Szenen ein Gesamtkonstrukt, dem man sich einfach nicht entziehen kann.
                                                Besonders beeindruckend sind die unterschiedlichen Vorgehensweisen, mit denen die Teenager ihre innersten Gefühle in einigen Szenen zum Vorschein bringen, sei es durch einen Rapsong, ein Bild oder eine selbst geschriebene Geschichte. Diese Art des künstlerischen Umgangs mit diversen erschütternden Schicksalen ist fast schon einmalig und bleibt sehr eindrücklich hängen.
                                                Nicht genug loben kann man hier den Cast, bei dem auch alle Jugenddarsteller einfach nur dermaßen authentisch und einfach fantastisch spielen. Am meisten Eindruck macht aber sicherlich Neuentdeckung Brie Larson, die mit ihrer schauspielerischen Tour de Force, die oftmals einem intimsten Seelenstriptease gleichkommt, mit den ganz Großen der weiblichen Schauspielgarde mithält.
                                                "Short Term 12" kann man einzig und allein vielleicht ankreiden, dass er auf seine kompakte Laufzeit verteilt möglicherweise fast schon zu viel forcierte Gefühlsausbrüche auffährt. Durch die sensible, tief bewegende erzählerische Balancierung durch Regisseur Destin Cretton, den herausragenden Cast und die letztendlich zahlreichen Momente, die zum Weinen, Lachen, Freuen und Staunen einladen, ist der Film aber trotzdem eine absolute Perle des US-amerikanischen Independent-Sektors, die eigentlich jeder einmal gesehen haben sollte.

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                                                  Die Brüder John Michael McDonagh und Martin McDonagh bereichern die Filmlandschaft als Regisseure nun schon seit einigen Jahren mit ihren eigenwilligen, trockenhumorigen und teilweise tief berührenden Werken.
                                                  Der zweite Film von John Michael, "Calvary", vereint nun wieder die markanten Elemente der Brüder. Ein Priester bekommt im Beichtstuhl ein Ultimatum. Am Sonntag der folgenden Woche soll er sterben. Er selbst besitzt eigentlich eine weitestgehend weiße Weste, doch gerade deshalb und auch wegen traumatischen Hintergründen will der Unbekannte auf der anderen Seite des Beichtstuhls ein Zeichen setzen und für das Ableben des Priesters sorgen.
                                                  Eine gute Woche bleibt Father James Lavelle nun also, die er nutzt, um den Bewohnern seiner kleinen Dorfgemeinde Besuche abzustatten. Das präzise ausbalancierte Drehbuch von McDonagh führt dann zu tonal sehr unterschiedlichen und gegensätzlichen Szenen, in denen der Priester langsam in dunkle Abgründe vordringt.
                                                  Mit teilweise sehr schwarzhumorigen Dialogen oder bitteren Situationen legt McDonagh das verdorbene Herz einer Gemeinde offen. Hierdurch kommen manchmal Parallelen auf zu "Jagten", dem Glanzstück Vinterberg´s von 2012.
                                                  McDonagh gibt sich allerdings nicht mit einer einseitigen Betrachtung zufrieden. Neben den gewalttätigen, abgründigen Schicksalen, denen der Priester begegnet, gibt es auch immer wieder Licht am Horizont in Form von berührenden Momenten. Zudem ist auch der Charakter des Priesters selbst durchaus vielschichtiger, als es zunächst den Anschein macht und so besitzen hier alle Figuren meist vielfältige Seiten, die es zu entdecken gibt.
                                                  Für Brendan Gleeson ist die Figur des sympathischen Priesters mit Ecken und Kanten geradezu eine Paraderolle, die der stämmige Ire mit einer aufrührenden, einschnürenden Intensität verkörpert. Aus dem restlichen Cast kann sich allerdings auch praktisch jeder sehen lassen, durchwegs gibt es hier sehr starke Darsteller zu erleben.
                                                  Mit dem späteren Handlungsverlauf und vor allem den letzten gut 10 Minuten verlässt McDonagh die anfänglich eher humorvolleren Sphären, um den Zuschauer zutiefst aufgewühlt und sicherlich mit einigen Fragestellungen zurück zu lassen. Fragen über Glaube, Schuld, Vergebung und welche Werte das Leben überhaupt zu einem Sinn führen.
                                                  "Calvary" ist erneut ein Volltreffer aus der McDonagh-Ecke. Ein vielschichtiges, herausragend gespieltes Drama, bei dem zwischen zynischen Lachern, anmutiger Stille und tiefer Betroffenheit alles möglich ist.

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                                                    Bereits mit ihrem Debüt "Amer", einer wunderbaren, absolut kunstvollen Hommage an das wilde, italienische Genre-Kino der 70er und Elementen des Giallo, hat das Regie-Duo Hélène Cattet und Bruno Forzani auf sich aufmerksam gemacht. Mit ihrem nächsten Werk, das den poetischen Titel "L'étrange couleur des larmes de ton corps" trägt, vertieft das Duo den künstlerischen Stil und übertrifft den Vorgänger sogar noch.
                                                    Ihr zweites Werk ist erneut ein nostalgischer, tiefer Kniefall vor Filmen, wie sie ein Dario Argento in den 70ern gemacht hat. Auf visueller Ebene wird der Zuschauer fast schon von dem wuchtigen Film verschlungen. Cattet und Forzani werfen so intensiv mit Stilmitteln um sich, dass die Sinne beim Schauen des Films auf zärtliche Weise fast schon vergewaltigt werden.
                                                    Hektische Schnittorgien, langsame Kamerafahrten, Split-Screens, ein unglaubliches Farbenspiel, Schwarz-Weiß-Sequenzen, prachtvolle Architektur, Close-Ups auf Gesichter und natürlich schwarze Handschuhe und Rasiermesser. Hinzu kommt eine gewaltige Klangkulisse, bei dem das Duo eine Kombination aus "recycelten" Stücken von beispielweise Ennio Morricone oder Riz Ortolani verwendet, und extrem markante, penetrante Geräusche, welche die Nerven des Zuschauers bewusst zerreißen (Stichwort: Türklingel).
                                                    Die Geschichte um einen Mann, der von einer Geschäftsreise nach Hause kommt und seine Frau verschwunden ist, entwickelt sich zu einem undurchschaubaren, immer heftiger abdriftenden Mysterium zwischen rätselhaften Identitäten, brutalen Morden, Reisen zwischen Vergangenheit und Gegenwart, Traum und Realität sowie sadistischer Erotik. Die beiden Regisseure haben nicht ohne Grund David Lynch als große Inspiration für diesen Film genannt. Dabei bleibt es nach mittlerweile zwei Filmen der beiden weiterhin ungeklärt, ob die beiden keine logische, direkt nachvollziehbare Geschichte erzählen können oder einfach nicht wollen. Sinnvolle Ansätze sind trotzdem hier und da über den Film verstreut, so dass der Zuschauer nicht komplett verzweifelt in der Luft hängt, solange er stets aufgeschlossen dabei bleibt.
                                                    Es ist schon wirklich ein extrem spezielles, außergewöhnliches Werk, das Hélène Cattet und Bruno Forzani mit ihrem zweiten Film geschaffen haben. Als hätten sich ein Argento aus der "Suspiria"-Ära und ein surreales Skript eines David Lynch verbunden. Heraus kommt einer der visuell hypnotischsten, beeindruckendsten Filme seit langem, der mit seiner künstlerischen Bilderflut, der intensiven Klangkulisse und der faszinierend-abstrakten Handlung für ein Seherlebnis der Extraklasse zwischen Spannung, Schock, Angst und Ekstase sowie Arthouse und Giallo sorgt.

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