ThomasCine - Kommentare
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Alle Kommentare von ThomasCine
#Horrorctober 2015 - 7
„The Wolfman“ ist ein zweischneidiges Schwert. Auf der einen Seite gibt es erstklassige Schauspieler, die das Beste aus ihren Rollen machen. Auch die Atmosphäre und das viktorianische Setting sind perfekt ausgenutzt und sehr gut in Szene gesetzt. Auf der anderen Seite jedoch gibt es eine relativ flache Handlung mit abgenutzten Motiven und einem Wolfman Kostüm, was den Film doch arg auf die Seite kippt.
Tatsächlich wäre es im Nachhinein vielleicht effektiver gewesen, den Wolfman niemals in seiner zweifelhaften Pracht zu zeigen und ihn ganz der Fantasie des Zuschauers zu überlassen. Da diese Fantasie in der ersten Hälfte des Filmes, dank der tollen Schauplätze, freien Lauf hat ist diese erste Stunde wirklich gut gelungen. Die zweite Stunde zieht das Erzähltempo deutlich an und entwickelt „The Wolfman“ in gewohnten Bahnen zu seiner finalen Actionsequenz. Diese Sequenz kulminiert mit der Frage nach der Linie im Sand. Ab welchem Punkt ist der Mensch eine Bestie?
Diese Frage ist unbedingt wertvoll und birgt vor dem Hintergrund von Diktatoren und Terroristen, auch heute viel Stoff zum Nachdenken. Deshalb ist es schade, dass „The Wolfman“ Aspekte wie oben genannte Frage nur wild in den Raum wirft, ohne sich wirklich mit ihnen auseinander zu setzen. Ein besserer Film hätte es getan. „The Wolfman“ bleibt Durchschnitt.
#Horrorctober 2015 - 6
Wo andere Filme an einer Metaebene werkeln und oft auch daran scheitern, hat man bei „The Conjuring“ das Gefühl einfach einen Horrorfilm zu schauen. James Wan möchte nicht über große Themen sprechen oder nachhaltig zum Denken anregen. Dieser Regisseur möchte einfach schocken, gruseln und kurzweilige Unterhaltung bieten. Dass er zu dieser Art der Unterhaltung fähig ist beweist „The Conjuring“ von Anfang bis Ende.
Sicherlich ist es so, dass Wan mit diesem Film das Horrorrad nicht neu erfindet. Die Versatzstücke der Besessenheit, der Dämonen und des Exorzismus sind allgemein bekannt, doch „The Conjuring“ verbindet sie zu einem effektiven Ganzen. Die Erzählung wird dabei langsam und ruhig aufgebaut. Mit kleinen Handlungspunkten steigert Wan die Spannung nach und nach, um sie in der zweiten Hälfte konsequent auf den Höhepunkt zu steigern. Das ist clever gemacht und besitzt eine angenehme Abgeklärtheit, die sich auch in der Kameraführung und der Ausstattung wiederfindet. In letzterem Bereich darf auch ordentlich aufgefahren werden, schließlich ist „The Conjuring“ ein Historienfilm, der in den 1970er Jahren spielt und auf wahren Begebenheiten basiert.
Die Geradlinigkeit macht „The Conjuring“ sehenswert. Ob nach der Sichtung weitere Recherchearbeit hinsichtlich Ed und Lorraine Warren vorgenommen wird ist jedem selbst überlassen. In Bezug auf den verspürten Grusel gibt es diese Wahl nicht. Dieses Gebiet hat James Wan ganz in seiner Hand.
Tolles Gespräch mit C.A.:
https://www.youtube.com/watch?v=SSeKnyNVX9U
Horrorctober 2015 - 5
Dieser Film fällt aus der Zeit. Und wenn er nicht aus der Zeit fällt, dann ist er zumindest in einer Art Zeitkapsel gefangen. In dieser Zeitkapsel steckt auch die junge Hauptfigur Jay (Maika Monroe). Sie und ihre Freunde besitzen noch ein letztes Maß an Unschuld. Sie existieren in der Kapsel der Jugend, doch die Zukunft und die Welt klopfen schon an.
Jay schläft das erste Mal mit einem Jungen und für David Robert Mitchell ist dies der Moment, in dem die Kapsel gebrochen ist. Von diesem Moment an wird Jay von einer unbekannten, übernatürlichen Macht verfolgt. Die Handlung des Filmes arbeitet mit der Symbolhaftigkeit dieser Macht und natürlich ist die entscheidende Frage: Was ist es das da kommt? Auf diese Frage gibt es verschiedene Antworten und es ist gut, dass „It Follows“ sich hier nicht endgültig festlegt. Ist es eine Form der Angst vor dem Erwachsenwerden? Ist es der unausweichliche Tod, der in der Ferne heranschlurft? Oder ist dieser Film eine große Metapher für Aids und andere Geschlechtskrankheiten? Es gibt Argumente für all diese und weitere Interpretationen. Am Ende darf jeder Zuschauer selbst entscheiden.
„It Follows“ ist keine filmische Offenbarung. Dafür sind die Charaktere nicht tief genug und der gute Soundtrack zu plakativ eingesetzt. Trotzdem bietet Mitchell eine tolle melancholische Atmosphäre, eine souveräne Kameraarbeit und eine Metaebene, der man gerne folgen möchte.
#Horrorctober 2015 - 4
Interessanterweise im gleichen Jahr entstanden wie der erste Film der „Twilight“ Reihe, erzählt auch „So finster die Nacht“ von einer Romanze zwischen Mensch und Vampir. Tomas Alfredsons Film ist jedoch nicht nur geografisch weit von Hollywood entfernt. In großer Langsamkeit entfaltet er seine Geschichte ruhig und besonnen, aber auch mit einer selbstverständlichen Abgeklärtheit. Dabei gibt das eiskalte nordische Setting einen atmosphärisch tollen Hintergrund ab.
Doch „So finster die Nacht“ ist kein Film, der sich dem Zuschauer leicht öffnet. Die Erzählung ist an vielen Stellen arg schleichend geraten und das stilistische Laben an der Atmosphäre hilft der emotionalen Verfügbarkeit der Charaktere auch nur begrenzt. Trotzdem findet ein Zuschauer mit ausreichend Eigeninitiative eine (berührende) Geschichte über das Erwachsenwerden in schwierigen Umständen. Das man diese Geschichte jedoch in anderer Form schon effektiver, nachdenklicher und besser gesehen hat bleibt stets im Hinterkopf.
Ich bin doch auch dabei :(((( ;)
http://www.moviepilot.de/liste/horrorctober-2015-thomascine
#Horrorctober 2015 - 3
Die gute alte Zombieapokalypse. „28 Days Later…“ ist allgemein als einer der modernen Klassiker dieses Genres bekannt, doch mehr als 10 Jahre später wird er diesem Ruf in keiner Weise gerecht. Sicher, dass ist alles schön anzusehen und optisch liefert Danny Boyle beste Schauwerte. Auch die Atmosphäre, die er in den leeren Straßen Londons erzeugen kann ist interessant und gut umgesetzt. Unter dem Strich jedoch hat sein Film nicht wirklich viel zu erzählen.
Denn rein auf der Handlungsebene ist es tatsächlich die gute alte Zombiegeschichte mit allem was nun einmal dazu gehört. In dieser Hinsicht sorgt das Drehbuch kaum für erzählerische Höhepunkte und arbeitet sich mehr oder weniger gut an bekannten Motiven ab. Das weniger gute Abarbeiten resultiert dabei sowohl in erzählerischen Längen, als auch in erzählerischen Kürzen, die zusammen kein kohärentes Ganzes ergeben. Motive und auch Charaktere können dabei kaum Eigenschaften entwickeln, mit denen es sich zu identifizieren lohnte. Im Endeffekt bleibt es also, wie es eine Figur so schön ausdrückt, bei Menschen, die sich gegenseitig töten und bei einem generischen Genrefilm, der einzig auf der visuellen Ebene überzeugen kann.
#Horrorctober 2015 - 2
Irgendetwas stimmt nicht mit der Welt von „Eden Lake“. Von Anfang an erzeugt James Watkins eine Atmosphäre, die unmissverständlich klarmacht, dass es für unsere beiden Protagonisten sehr schlimm kommen wird. Diese Atmosphäre ist so intensiv, dass man in die Handlung eingreifen möchte. Das Paar, das Ruhe sucht möchte man zur Umkehr zwingen. Wie schlimm es dann tatsächlich kommt, lässt sich kaum in Worte fassen. Man kann sich kaum einen härteren Film vorstellen als „Eden Lake“.
Die Handlung des Filmes ist derart kompromiss- und hoffnungslos, dass sie den Zuschauer schon niederschmettert bevor die Situation vollkommen eskaliert. Als es dann so weit ist zieht „Eden Lake“ jeden Erzählstrang bis zu seinem bitteren Ende. Denn dies ist die Erfahrung die Watkins dem Zuschauer geben möchte. Er beschreibt eine Gesellschaft, die sich am Rande eines Abgrundes befindet. Hier geht es um die Verwahrlosung der Jugend und einer ganzen Gesellschaftsschicht, die kurz vor der Explosion steht. Ebenfalls geht es um die Schere zwischen diesem Teil der Gesellschaft und dem anderen, in dem ein vermeintlicher Wohlstand und Glück herrscht. In einer solchen Gesellschaft benötigt es nur einen kleinen Anstoß des Zufalls um das Grauen ins Rollen zu bringen.
Am Ende gibt es keine Hoffnung mehr. „Eden Lake“ ist ein Schlag in die Magengrube. Der Atem bleibt weg. Dieser Film ist Wahnsinn. Hoffnungsloser Wahnsinn, der so präsentiert wird, dass er uns hinter der nächsten Ecke auflauern könnte.
#Horrorctober 2015 - 1
Die Neuauflage des „Poltergeist“ beginnt wie so mancher Horrorfilm. Eine Familie zieht in eine neue Umgebung und in ein neues Haus. Dabei gibt es natürlich sowohl innerfamiliäre Probleme, wie auch den spukenden Hintergrund des Hauses. Ebenso wenig überraschend wie die Grundprämisse ist dann auch die Art und Weise der Fortführung der Handlung. Trotzdem kann Kenan in verschiedenen Sequenzen ein gelungenes Maß an Spannung und Terror erzeugen. Im Grunde ist es jedoch bezeichend, dass man diesen Horrorfilm am liebsten mit dem Wortlaut „ganz nett“ beschreiben möchte.
Ganz nett ist der familiäre Zusammenhalt der beschworen wird. Ganz nett sind die Anklänge von Sozialkritik, wenn die Familie plötzlich von der Elektrizität und den elektronischen Geräten beherrscht wird. Ganz nett sind auch die Spezialeffekte der Geisterwelt. Und schließlich ist auch das Schauspiel der unterforderten Darsteller ganz nett. Gerade Sam Rockwell kann so viel mehr. Im Endeffekt reicht all dies nicht für einen sehenswerten Film, sondern nur für 90 ganz nette Minuten.
Vollständig hier: https://thomasschroers.wordpress.com/2015/09/30/sicario-denis-villeneuve-2015/
[...]
„Sicario“ beschreibt eine Welt, die schon aus dem Ruder gelaufen ist. Betrachtet man das Szenario aus einiger Distanz, so ist klar, dass hier nichts mehr richtig läuft. Nichts steuert auf irgendein Ende zu. Ganz im Gegenteil. Mehrfach wird in diesem Film daraufhin gewiesen, dass weitere Eskalationen herbeigeführt werden müssen, um Fortschritt zu erzielen. Eine Welt, die von einer solchen Weltsicht lebt ist kaum noch gerade zu biegen. Kate ist pflichtbewusst und regelkonform, doch in der Welt des Filmes gibt es keine echten Regeln mehr. Passend dazu, werden Grenzen der Legalität einfach verschoben. Es ist nicht mehr das Gesetz, welches die Taten einschränkt. Es sind die Taten, die das Gesetz verschieben. Das wahre Problem und eine der Ursachen des Konfliktes rückt in einer solchen Welt weit in den Hintergrund. Interessanterweise zeigt Villeneuve in einem Film, der von einem Drogenkrieg handelt, keine einzige Droge. Einmal werden zwar ein paar Pakete ein- und ausgeladen, doch wenig später werden sie wortwörtlich links liegen gelassen. Auch die drei Hauptcharaktere kommen in keiner Weise mit Drogen in Kontakt. Das eigentliche Problem steht nicht mehr auf der Tagesordnung. Es geht nicht mehr um die Lösung, sondern nur noch um eine halbwegs annehmbare Verwaltung des Problems.
[...]
Denis Villeneuve gelingt mit „Sicario“ ein weiterer sehenswerter Film und es ist auch ein Film der zur rechten Zeit kommt. Es ist unmöglich diesen Film zu sehen und nicht nachzudenken. Es ist ebenfalls unmöglich „Sicario“ zu sehen und nicht an den Zaun, der zuletzt in Bulgarien errichtet wurde zu denken. Man sollte diesen Film als Beispiel für ein gescheitertes System sehen, in dem ein Menschenleben nicht mehr entscheidend ist. Auch in Europa hören wir das Dröhnen in der Ferne. Es ist ein Dröhnen, welches im Jahre 2015 stetig lauter geworden ist. Es wird Zeit, dass sich die Menschheit, ob an der Grenze in der Wüste, in Europa oder in Afrika und Asien, aus dem Griff des selbst gestellten Schraubstocks herauswindet.
Es ist wirklich zum verzweifeln. Kann man dem armen Terry nicht einfach mal ne Pause geben? Gute Besserung an John Hurt.
Vollständig hier: https://thomasschroers.wordpress.com/2015/09/23/tyrannosaur-paddy-considine-2011/
Die Welt ist im Arsch und Joseph erfährt das jeden verdammten Tag seines Lebens. Jeden Tag geht er mit einem Cocktail aus Wut und Jähzorn durch die Straßen und an den Rand der Kante. Die verdammte Welt hat sich gegen ihn verschworen. Die Penner in der Kneipe, die ihm auf den Sack gehen, wenn er eigentlich nur in Ruhe gelassen werden will. Die Kerle im Wettbüro, die hinter ihrer beschissenen Glasscheibe sitzen und ihn von oben herab wie einen Idioten ansehen. Der Vollpfosten von gegenüber, der den kleinen Jungen behandelt wie das letzte Stück Dreck. Auch sein bester Freund, an seinem beschissenen Krebs verreckt. Und zu guter Letzt der Tyrannosaurus, der unter der Erde liegt und der ihn, wenn er sich an ihn erinnert, das letzte Stück über die Kante treibt. Aber hey, sollen sie alle kommen. Joseph ist bereit und wird ihnen gehörig den Arsch aufreißen, oder nicht?
Hannahs Welt ist dabei sich in ein unscheinbares Nichts aufzulösen. Sie selbst ist dabei zu verschwinden, denn alle haben sie sich von ihr abgewendet. Der Wein, den sie abends zu Hause trinkt kann ihre Emotionen nicht so weit abstumpfen, dass sie nichts mehr spüren würde. Sie spürt die ganze erniedrigende Wucht ihres Ehemanns und sie kann nichts tun. Betäubung ist zwecklos. Gott hat sie schon lange aus dem Paradies verbannt und wird nicht zu ihrer Rettung kommen. Sie ist ganz alleine in ihrer Existenz und in ihrer Beziehung. Sie ist ganz alleine in ihrem Kampf gegen den übermächtigen Tyrannosaurus, den kein anderer Mensch sieht. Wenn es soweit ist, dann wird sich niemand für sie interessieren, oder?
Paddy Considine spielt in seinem unglaublich harten Drama „Tyrannosaur“ diese beiden Menschen und Lebenswege aus. Aus Gewalt, Trauer, Ausweglosigkeit, Schmerz und Liebe entsteht so ein grandioser Film, der sich schon nach wenigen Minuten im Innersten unserer Herzen befindet. Considine entwirft zwei Charaktere, die auf zwei abgezäunten Ebenen leben. Symbolisch zeichnet schon das kunstvolle Filmposter diese beiden Ebenen nach. Da gibt es die Oberwelt, wo der Mensch als Person steht. Wo er sich der Welt offenbart, zeigt und mit ihr interagiert. Und da gibt es auch die Unterwelt, wo sich seine Wurzeln fest verankert haben. Dort liegt auch das Skelett des Tyrannosaurus, den niemand sehen kann. Das Skelett liegt dort wie eine Gräte im Magen. Beide Charaktere würgen und kämpfen mit diesem übermächtigen Wesen. Erst in der Begegnung mit dem anderen Kämpfenden können die Ober- und die Unterwelt sich einander annähern.
Auf diese Weise entsteht in „Tyrannosaur“ eine spannende Studie über den Menschen und das menschliche Wesen. Es ist die Frage nach den Aspekten, die uns in unserem Menschsein definieren, die diesen Film transzendiert und für jeden Zuschauer greifbar macht. Beide Hauptcharaktere haben eine ziemlich genaue Idee von den Dingen, die sie selbst in ihrer Existenz ausmachen. Das Problem, welchem sowohl Joseph als auch Hannah sich gegenüber sehen, ist jedoch, dass sie diese Dinge nicht ertragen können.
Es sind die Dinge, die wir tun und die Dinge, die wir nicht tun und all jene Dinge, die dazwischen liegen, die uns definieren. All diese Dinge machen aus uns einen Menschen mit Stärken, Schwächen und durchschnittlichen Eigenschaften und sie formen auch einen Charakter in uns.
Joseph ist seine Vergangenheit ganz klar und deutlich bewusst. Er sieht alles, was er getan hat und immer noch tut, genau vor sich und es zerbricht ihn. Joseph ist ein Mann, der in den Spiegel sieht und dem sein eigenes Handeln in Momenten der Klarheit unglaublich zuwider ist. In diesen Momenten findet keine Identifikation, sondern nur Abscheu zwischen der Person und ihrem Spiegelbild statt. Sicherlich gibt es in Joseph den Wunsch nach einer Änderung seines Lebens und auch das Verlangen nach einem ganz anderen Lebensweg, doch die Werkzeuge, die es bedarf um einen wirklichen Wandel zu erzeugen kennt er nicht. Diese Beschreibung passt auch auf Hannahs Schicksal. Anders als bei Joseph jedoch hat sie keine bösen Taten begangen. Sie muss die Vergangenheit und ihre Taten nicht bereuen, weil sie etwas Unrechtes getan hat, sondern weil sie nicht den Mut aufbringen konnte etwas Rechtes zu tun.
Was dies betrifft ist die Frage nach der Definition unseres Charakters und unseres Menschseins auch für den Heilungsprozess der beiden Figuren entscheidend. Dieser Prozess beginnt nachdem sich Joseph und Hannah begegnet sind und muss, wenn es eine nachhaltige Besserung geben soll, dazu führen, dass die Vergangenheit zurückbleibt. Doch wie kann der Tyrannosaurus, der immer noch unter der Oberfläche lauert, zurückbleiben? Woher werden unsere Gefühle kommen, wenn er verschwunden ist? Woher unsere Ansichten? Wie kann eine echte Wandlung stattfinden und wie kann jeder den eigenen Lebensweg finden? Einen Lebensweg, der von den negativen Erfahrungen der Vergangenheit losgelöst ist.
In der Beziehung von Joseph und Hannah, die wunderbar von den Darstellern Peter Mullan und Olivia Colman portraitiert werden, liegt der Schlüssel. Für beide Charaktere entspringt aus dieser Beziehung ein neues Selbstverständnis und einen neue emotionale Welt. „Tyrannosaur“ erzählt von spezifischen Fragen und Antworten, die allgemeingültigen Wert besitzen. Man denke nur an Flüchtlinge, die nach negativen Erfahrungen einen neuen Lebensweg finden müssen. Man denke auch an Veteranen aus den verschiedensten Kriegen unserer Zeit. Aber es muss nicht immer so drastisch sein. Es kann sich auch um den neuen Lebensweg nach einer verlorenen Liebe handeln. Oder um die nächsten Schritte nach einer Schulzeit oder einem Studium.
Am Ende ist der Weg gerade und die Straße wird ihr Ziel finden. „Tyrannosaur“ zeigt auf emotionalste Art das Schönste und das Traurigste der menschlichen Erfahrung. Dieser Film zeigt es nicht nur, er ist das Leben selbst.
Toller Artikel über einen wunderbar vielseitigen Künstler. Neben vielen seiner Filmen haben mir auch seine beiden Romane sehr gut gefallen.
Übrigens wird es auch in der Beziehung bald wieder Nachschub vom Hawke geben. Am 12. November erscheint sein neues Buch "Rules for a Knight".
Die Inhaltsangabe liest sich dabei erneut vollkommen unerwartet, passt aber trotzdem erstklassig in das hawkesche Schaffen:
"When Sir Thomas Lemuel Hawke was a boy, his grandfather taught him how to be a knight. Now, on the eve of a battle from which he fears he may not return, Sir Thomas writes a letter to his children so that he may pass on all his hard-won lessons, deepest aspirations and most instructive failures."
Wer sich noch mehr für Hawke interessiert, der sollte den Namen mal bei Youtube eingeben. Mittlerweile gibt es dort so viele auschweifende Interviews und Gespräche, dass sich mit dem Zuhören einige spannende Stunden verbringen lassen.
Das Erwachsenwerden einer ganzen Gruppe von Charakteren wird hier zu einer wunderbar verträumten Erinnerung. Eine kleine, herzerwärmende Perle.
In voller Länge hier: https://thomasschroers.wordpress.com/2015/09/16/fury-david-ayer-2014/
[...]
Wichtig ist dabei, dass Ayer für die Präsentation seiner Geschichte einen klaren Blickwinkel wählt. Schon diese Wahl des Blickwinkels unterstreicht die Absichten des Filmemachers und sie unterstreicht auch das Gefühl, welches er uns für die Situation geben möchte. Der Zuschauer blickt durch die Augen einer amerikanischen Panzertruppe. Alles was in diesem Film passiert und auch die Welt in der es passiert wird aus den Augen dieser Gruppe von Menschen gezeigt und verstanden. Ayer wirft uns in den Blickwinkel einzelner Soldaten der Alliierten und unter dieser Einstellung muss „Fury“ verstanden werden. Die Beschimpfungen und Erniedrigungen der deutschen Feinde, die Wut, die aus den Taten dieser Soldaten spricht, all dies ist Teil des Blickwinkels. Ayer möchte keinen politischen Film machen, sondern einen Film der die Realität des Einzelnen, die unzähligen Einzelschicksale, die im Krieg passieren, anspricht.
Aus diesem Grund darf „Fury“, so wie es der deutsche Titel suggerieren mag, auch nicht als Hurra Propagandawerk auf amerikanischen Heldenmut verstanden werden. Die Charaktere verdeutlichen dies. Da gibt es den jungen Norman, der eigentlich gar nicht an die Front möchte, aber wie so viele andere junge Männer im Krieg zu grausamen Dingen gezwungen wird. Es gibt den bibeltreuen Boyd, der sich zweifelnd und verzweifelnd an seinen Glauben klammert um die Geschehnisse um ihn zu verstehen und dies doch nicht schafft. Auch Garcia, der ein Trinker ist und Travis, der in seiner sprunghaften Explosivität und seinem blinden Pflichtbewusstsein oft nur noch entfernt an ein menschliches Wesen erinnert, scheitern an ihrem Schicksal. „Fury“ präsentiert uns die Soldaten im Krieg vollkommen gebrochen und damit auf die einzig richtige und schonungslose Art und Weise. Ayer fragt sich anhand der unterschiedlichen Verhaltensweisen der Figuren, wie man einen Krieg überleben kann und die Antwort die er findet ist klar. Bis zu einem gewissen Maße ist schlichtweg kein Überleben möglich. Der Krieg ist kein logischer und fairer Wettkampf, sondern folgt einem grausamen Zufallsprinzip.
Zwei sehenswerte Interviews mit dem großartigen Eddie Marsan:
https://www.youtube.com/watch?v=33qc-ScasiA
https://www.youtube.com/watch?v=ClnvVlb-_Sc
"Hand of God" untersucht all jene Dinge, die wir in unserer Gesellschaft tun um ein geordnetes Leben zu führen. Diese Dinge sind so groß wie Religion und so klein wie das Rauchen von Marihuana. "Hand of God", das angeführt wird von einem großartigen Ron Perlman, ist sehr anregend und das ist, was ich mir vor allem von einer Serie wünsche.
Jeder Preis für Charlie Kaufmann ist ein guter Preis. Hoffentlich kommt "Anomalisa" auch bald/irgendwann nach Deutschland.
und noch ein interessantes Interview mit Sutter:
http://deadline.com/2015/09/kurt-sutter-the-bastard-executioner-sons-of-anarchy-prequel-and-spinoff-1201519194/
[...]
Valentine ankert die Selbstfindung Marias in der Realität und in der Gegenwart. Denn im Grunde ist die Meditation über Zeit und Leben genau dies, ein Selbstfindungsprozess. Das dieser Selbstfindungsprozess weitestgehend vor dem Hintergrund der atemberaubenden Natur der Schweizer Berge stattfindet ist kein Zufall. In der Abgeschiedenheit und in der naturalistischen Schönheit liegt der Schlüssel. Dort findet auch der Film, der nicht nur in der Natur eine sichere Kameraführung besitzt, einige seiner stärksten Momente. Wenn Assayas das Naturphänomen der Malojaschlange, welches auch den Titel des Theaterstücks stellt, in sein Werk einbindet, dann verbindet er Natur und Leben. Er macht die Natur zu einer Metapher und erschafft ein großes Bild, welches die Veränderung die Maria durchläuft unterstreicht. Ganz wie die Erkenntnis, die Maria zum Schluss des Filmes hat, kommt auch die Malojaschlange erst nach einer Weile und nachdem wir das Tal, durch welches sie zieht mehrmals vergebens aufgesucht haben.
Doch als sie kommt ist die Verwandlung vollständig. Wie eine Schlange hat sich die Gegenwart die Vergangenheit einverleibt. Die Selbstfindung Marias ist abgeschlossen. Sie kann ihrem Leben und der Sigrid und damit auch der jüngeren Schauspielerin nun gegenüber treten. Und während der Film so sein Ende findet sitzen wir vor ihm und denken nach. Die Klänge des Johann Pachelbel liegen uns in den Ohren und der Film vermischt sich mit der Zeit und dem Leben, mit der Vergangenheit und der Gegenwart und formt so das, was wir Realität nennen.
-> Vollständig hier zu finden: https://thomasschroers.wordpress.com/2015/09/09/die-wolken-von-sils-maria-olivier-assayas-2014/
Bis zum 16.9. gibt es bei Arte Online noch Gilliams Operninszenierung zu "Benvenuto Cellini" in voller Länge.
http://concert.arte.tv/de/benvenuto-cellini-de-berlioz-mis-en-scene-par-terry-gilliam
Toller Artikel über den ebenso tollen Kurt Sutter:
http://www.hollywoodreporter.com/features/bastard-executioners-kurt-sutter-his-817495
Auch zur dritten Staffel gibt es einen Blogeintrag: https://thomasschroers.wordpress.com/2015/08/26/rectify-staffel-3-zuruecklassen/
Ein Jahr ist vergangen, seit ich zuletzt über „Rectify“ geschrieben habe und es sind fast zwei Jahre vergangen, seit ich das erste Mal von dieser Serie berichtete. Für Daniel Holden ist viel weniger Zeit vergangen. Nachdem die erste Staffel der Serie in jeder Folge einen einzelnen Tag behandelte, löste sich die zweite Staffel leicht von diesem Konzept. Leicht, weil der erzählte Zeitraum weiterhin sehr begrenzt blieb. Auch in der dritten Staffel setzt sich dieses klar begrenzte Erzählen fort. Es sind vielleicht zwei Monate vergangen, seit Daniel aus dem Todestrakt entlassen wurde. Seit diesem Moment befindet sich Daniel wieder in der Welt, die wir kennen, aber er nicht mehr. Jede Staffel von Autor/Regisseur/Produzent Ray McKinnons‘ überragender Serie lässt sich unter einem Leitmotiv zusammenfassen. In der ersten Staffel ging es vor allem um Daniels neue Aufgabe des (Über)Lebens. In Staffel 2 veränderte sich diese Aufgabe leicht und es begann der Prozess des Weitergehens. In der dritten Staffel, um die es in diesem Text geht, wird dieser Prozess auf die einzig logische Weise fortgesetzt. Daniels neue Aufgabe ist eine des Zurücklassens.
Das Finale der zweiten Staffel hat tiefe Spuren in der Familie Holden hinterlassen. Erneut sind alle Charaktere von den Taten ihres besonderen Schützlings beeinflusst. Tatsächlich schaffen es die Autoren der Serie, die Leitmotive auf alle anderen handelnden Figuren zu übertragen. Auf unterschiedliche Art und Weise müssen sich Amantha und Jon, Janet und Ted, Tawney und Ted Jr. und sogar Jared den gleichen Aufgaben stellen wie Daniel. Diese motivische Gleichheit schafft eine Serie, die sich auf differenzierte Weise mit einem Thema auseinandersetzen kann.
Es gibt einige grundlegende Besonderheiten, die „Rectify“ auszeichnen und zu einer einzigartigen Serie in der heutigen Fernsehlandschaft machen. Zunächst ist der Fokus der Erzählung auf andere Aspekte ausgerichtet, als bei anderen Erzählungen. Bei „Rectify“ ist es kein Problem und vor allem kein Wunder, dass sich ein zentraler Erzählpunkt mit dem Renovieren einer Küche auseinander setzt. In dieser Tatsache liegt eine gewisse Banalität, doch der Akt des Renovierens dieser Küche ist nun einmal für das Leben der Figuren wichtig. Schon anhand dieses einen Erzählpunktes lassen sich familiäre Strukturen, charakterliche Besonderheiten und die Beziehungen zwischen den einzelnen Charakteren beobachten. Wer hilft zu welchem Zeitpunkt? Wer ist überhaupt der Initiator des Projektes? Wer ist am Anfang dabei und wer am Ende? Man könnte nun meinen, dass das alles nicht so weltbewegend sei, doch „Rectify“ besitzt einen ganz besonderen Blickwinkel auf derartige Dinge. Dieser Blickwinkel ist die Hauptfigur Daniel. Für Daniel, der fast 20 Jahre ein Leben außerhalb der Gesellschaft lebte, sind solche vermeintlich kleinen Aspekte ungemein wichtig. Die Aufmerksamkeit der Serie spiegelt hier die Verfassung des Charakters. Durch eine solche Erzählweise wird dem Zuschauer immer bewusst mit was für einer Figur er es zu tun hat. Daniel ist nach 20 Jahren kein Mensch wie du und ich. Ein Leben hat sich ihm eröffnet, dass er nicht kennt und mit dem er nie gerechnet hatte.
Wie ich zu Beginn schrieb ist das zentrale Thema der dritten Staffel, die leider nur sechs Folgen umfasst, das Zurücklassen. Das Wort „leider“ entstammt dem Sprachgebrauch eines Fans, aber eigentlich können wir froh sein, dass McKinnon uns kein unnötiges Fett aufzwingt. „Rectify“ ist konzentriert, ohne überflüssige Handlungen und eine präzise Vision und dies ist viel mehr wert, als weitere sechs Folgen. Also, Zurücklassen. Nach allem was wir über Daniel erfahren haben und nach allem, was in der zweiten Staffel passiert ist, gibt es für ihn am Ende nur diese eine Option. Er muss die Vergangenheit hinter sich lassen und sich von den Geschehnissen, die sein ganzes Leben beherrscht haben lösen. Dies ist eine Mammutaufgabe, die uns auch in der angekündigten vierten Staffel weiter begleiten wird. Daniel befindet sich stets in einem Stadium der Unentschlossenheit was das Anpacken dieser Aufgabe betrifft. Durch den besonderen Blickwinkel des Serienkonzeptes wird „Rectify“ so zu einer Meditation über Möglichkeiten. In einem Blick und in einer Tat liegen hier tiefe Gedanken. Da wäre zum Beispiel der Pool vor Amanthas Wohnbungalow, der gestrichen wird und ein Nebencharakter, der zuvor sagt, dass der Pool erst leer gemacht werden muss, bevor er neu gestrichen werden kann. Natürlich ist es offensichtlich, dass dies gemacht werden muss. Die Stärke liegt in der metaphorischen Kraft die eine solche Aussage auf die Situation Daniels hat. Hier ist erneut sehr wichtig, wer an dem Projekt beteiligt ist, wer zugegen ist, wenn diese Worte gesprochen werden. Klar ist, dass auch Daniel seinen Lebenspool leeren muss und zurücklassen muss, bevor er eine neue Lebensfassade anbringen kann.
Dies ist nur ein Beispiel für die tolle Nutzung von Metaphern in „Rectify“. Neben diesen metaphorischen Darstellungen schafft es die Serie, oft im gleichen Zuge, immer wieder große, visuell berührende Bilder für die Handlung zu finden. Dies passiert durchgehend und wird in der letzten Folge der Staffel auf eine neue Ebene gehoben. McKinnon positioniert die Kamera an einer Stelle ganz weit weg von Daniel und gibt uns ein großes, ungemein emotionales Panorama seines Blickwinkels. Wenig später sind wir dann wieder nah bei ihm, wenn er sich zum ersten Mal von seinem vorherigen Schicksal lösen kann.
Durch die dichte emotionale Welt, die hier erschaffen wird überkommen den Zuschauer in diesen Momenten stets eine tiefe Verbundenheit mit den Charakteren und eine tiefe Zuneigung zu ihnen. Wir verstehen diese Figuren und wir verstehen ihr Innenleben. Wir meditieren mit ihnen über die verschiedenen Möglichkeiten des Lebens und wenn dann auch einmal eine Figur noch ein wenig bleiben möchte, einen verfliegenden Moment festhalten möchte, dann kennen wir das Gefühl nur zu gut. „Rectify“ ist eine große Themenwiese. Ratlosigkeit, Träume, Hoffnung, Sehnsucht, Liebe, Angst, Schicksal, Rationales, Irrationales, Gefangenschaft, Vergangenheit, Zukunft, Geschwister, Partner, Ehepartner, Politik und so viele Themen mehr werden am Ende ein großes Konstrukt, eine große Serie.
Im dritten Anlauf ist es immer noch schwierig wirklich über „Rectify“ zu schreiben. Im besten Sinne kann diese Serie nicht vollkommen beschrieben werden. Jeder einzelne Charakter könnte einen eigenen Artikel füllen. Alles an „Rectify“ hat Gewicht und alles ist wichtig. „Rectify“ kann nicht einfach in Worte gefasst werden. „Rectify“ muss erfühlt werden. Es muss gesehen werden.
Fesselt mich seit geraumer Zeit als Hauptdarsteller, der ebenso fesselnden Serie "Ray Donovan".
Hier gibts einen großartigen, tiefgründigen Portrait Artikel über Schreiber: http://www.mensjournal.com/magazine/how-liev-schreiber-fixed-himself-20150707
Die Idee und auch die Außführung sind nicht das Besondere. Toni Servillo ist das Besondere und das unterstreicht er auch in diesem Film. Netter Film mit einem der tollsten Hauptdarsteller.