Abrechnung 2010 - The good, the bad and the meh

01.01.2011 - 12:01 UhrVor 12 Jahren aktualisiert
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RaBatzman hat auch dieses Kinojahr überstanden und wirft einen Blick zurück nach vorn. Was taugte 2010 wirklich?


Die Zeit der Abrechnung ist gekommen. 2010 liegt in den letzten Zügen und es war mit Ausnahmen nicht eben das rühmlichste Jahr der Filmgeschichte. Die Blockbuster-Front wurde wieder mal von Sequels, dummen Remakes dominiert und auch auch ansonsten waren neue Ideen und Originalität eher Mangelware. Dennoch gab es natürlich Grund zur Freude und Lichtblicke, auch wenn das Publikum diese oft genug schlicht ignorierte.

Werfen wir also ein Blick auf die Delinquenten: The good, the bad and the meh-Movies of 2010. Wahlweise als Schnelldurchlauf in meinem privaten Video oder etwas ausführlicher im nachfolgenden Text.

THE GOOD – Die besten Filme 2010

Nerdgasm des Jahres: Scott Pilgrim gegen den Rest der Welt

Regie-Geek Edgar Wright lieferte wohl einen der inspiriertesten und verspieltesten Filme des Jahres ab. Die Comic-Adaption um den jungen Slacker Scott und seinem Kampf um die Angebete Ramona Flowers, bei dem er sich gegen deren 7 Ex-Lover durchsetzen muss, ist ein derart hyperkinetisch-rasanter Film, das es mehrmaliges Anschauen erfordert, will man wirklich alle Nuancen erfassen.
Ein klassischer Gap-Movie, der polarisiert und polarisieren muss – wie das bescheidene Box-Office des Films weltweit zeigt. Wer zur Pop-, Superhelden- und Gamer-Kultur so gar keinen Draht hat wird mit dieser Welt die Brian Lee O’Malley erschaffen hat wohl wenig anfangen können. Für alle anderen bietet der Filme eine warmherzige, spannende und mitreißende Liebesgeschichte und ein zeigt einen Regisseur mit eigener Vision, der sein Material absolut beherrscht. Wright hat nicht nur den Stilwillen, sondern auch die Fähigkeit eine Geschichte zu erzählen – und er mag seine Figuren und Schauspieler, was ihnen von vielen visuellen Regisseuren unterscheidet. I’m still in Lesbian with Scott Pilgrim.

Geweint und geliebt: Toy Story 3

Ich bin selten zu Tränen gerührt, aber Pixar hat es in den letzten beiden Jahren tatsächlich geschafft. Erst mit Oben und dieses Jahr gleich nochmal mit Toy Story 3. Es ist selten, dass sich ein Sequel tatsächlich von den Vorgängern abhebt aber mit der lange aufgeschobenen Rückkehr zu Woody, Buzz, Andy und Co. hat es die kalifornische Renderschmiede wiedereinmal geschafft. Düster, ironisch, anrührend und immer wieder erfrischend witzig bleibt dieser Animationsfilm eines der Highlights des Jahres.

Dokus des Jahres Banksy – Exit Through the Gift Shop und Collapse

Banksy liefert eine Dokumentation ab. Oder doch eine Mockumentary? Egal wie man die Geschichte des Street-Art-Documentarian-turned-artist Thierry Guetta auch interpretiert, es ist ein faszinierender Blick auf die Medien und Kunstszene und die Vermarktung und Vereinnahmung des Subversiven in den Mainstream. And a rose is still a rose.

Collapse ist weniger klassische Doku als manipulatives Kammerspiel. Der 90min Rant des umstrittenen Michael Ruppert der den Kollaps der Industriegesellschaft propagiert, entfaltet – unabhängig davon ob man ihm Glauben schenken will – eine bemerkenswert, apokalyptische Sogwirkung. Man muss nach diesem Film nicht gleich auf Bauer umschulen, aber vielleicht kauft man sich ja einen Blumenkasten in dem man ein bißchen Gemüse für die “Zeit danach” züchtet.

Action-Sadisfaction: Machete und Kick-Ass

Aus einem Trash-Trailer einen ebenso spassigen Film zu machen ist nicht einfach. Auch Robert Rodriguez fiel es nicht ganz leicht die rohe Energie seines Grindhouse-Trailers auf 90min zu strecken. Aber trotz kleiner Abstriche lieferte er einen blutigen, derben Streifen ab, der Gangster-Visage Danny Trejo] mit über 60 endlich die verdiente Hauptrolle bescherte und in seiner unsubtilen, überdeutlichen Breitseite gegen die US-Einwanderungspolitik ebensoviel Spaß machte wie in in seiner trashigen, old-school Dramaturgie. We haven’t crossed the border – the border has crosses us. Nuff said.

Kick-Ass hatte ebenfalls seine derben Probleme, er begann als Satire und endete als klassischer Superheldenfilm, der das Prinzip Held dann doch etwas zu ernst nahm. Trotzdem hatte er mit Kick-Ass, Hit Girl, Big Daddy und Red Mist ein extrem starkes Ensemble und einige der besten Actionmomente und Gags des Jahres zu bieten und lieferte blutige Unterhaltung der empfehlenswerten Art ab, die die Big-Budget-Konkurrenz auf ihre Plätze verwies. Kein Wunder, dass auch dieser Film an der Kasse unterging.

Sweet Surprise: Cyrus und Humpday

Angeblich nennen sich diese Art von Filmen ja Mumblecore, was aber nichts daran ändert, dass diese sympathisch Low-Key erzählten Filme unglaublichen Charme und Menschlichkeit besitzen und sich wohltuend vom üblichen Romcom und Beziehungsfilm-Einerlei abheben. Die ungelenke Lovestory die vom eifersüchtigen Sohn gestört wird ist dabei ebenso grandios besetzt und gespielt, wie die Story um zwei alte Schulfreunde, die sich, obwohl beide hetero, für ein Kunstprojekt entscheiden zusammen vor der Kamera Sex miteinander zu haben.

Aus beiden Stoffen hätten man laute, grelle Klamaukorgien machen können mit vielen “hoho”-Witzen a la Sandler oder Hangover. Doch die Macher von Cyrus und Humpday wissen es besser – statt pubertärem Klemmiwitz erzählen sie ganz untypische Geschichten von Erwachsenen Menschen, die trotz ihrer Schwächen nie denunziert werden.

Schön schwul: A Single Man

Nachdem Jim Carrey als trickbetrügende Paradetunte in I Love You Phillip Morris ja unterhaltsam war, aber die Balance zwischen Drama und Comedy nicht immer ganz hinbekam, bot die hyperstylishe Isherwood-Adaption A Single Man eine humorvolle, anrührende und blendend besetzte Melancholie.

WTF-Erwähnung: Bad Lieutenant – Cop ohne Gewissen

Werner Herzog und seine Filme lohnen sich, egal ob man sie mag oder nicht. Nach der grandiosen Comedy Grizzly Man (die vermutlich nicht als solche gedacht war) liefert er mit dieser Nicolas Cage -Extravaganza neben Kick-Ass den zweiten Beweis das Jahres, dass Mad Nicky ja doch ganz unterhaltsam sein kann, vorrausgesetzt er spielt durchgeknallte Psychos. Und neben Rapunzel – Neu verföhnt ist dies der zweite Film in dem kleine Echsen eine wichtige Rolle spielen!

It’s so fluffy! – Einfach zu haben

Teeniekomödien treffen ja eher selten wirklich ins Schwarze, denn entweder geht es um untervögelte Teenie-Jungs (die von Endzwanzigern gespielt werden – ja Jay Baruchel ich guck dich an) oder um Klamotten kaufen und Scheisse labern. Doch aus jedem Stereotyp kann man einen guten Film machen und nachdem in Superbad das schon für die Jungsfraktion bewiesen wurde, zeigt die erzsympathische Emma Stone, wie sowas mit Mädchen aussieht. Dank ihr und der selbstironisch-spassigen Erzählweise wird die vorhersehbare Story zum süffigen Weggucker. Manchmal ist Spaß ja doch so leicht zu haben.

Fanatisch ähh fantastisch: Four Lions

Was für eine ernsthafte, witzige und bösartige Satire über vier Möchtegern-Selbstmord-Attentäter, die zu keiner Zeit entschuldigt oder verharmlost und den Terror doch auf eine ganz irdische Ebene holt – Die Terroristen sind auch nur ganz normale Loser. Das macht sie nicht weniger gefährlich, aber entdämonisiert sie ganz gewaltig. Vielleicht der Film, der in diesem Jahr den größten Mut bewies, denn er kann von praktisch jeder Seite falsch verstanden werden.

Aussenseiter: Misfits und Glee

Zwei Serien über Aussenseiter die unterschiedlicher kaum sein könnten. Zwei Serien die 2010 ihre zweite Staffel begannen und nicht nachließen sondern nochmal ordentlich nachlegten. Ob die asozialen britischen Teenie-Helden oder die sangeswütigen Glee-Kids: hier zeigen die Serienmacher was sie drauf haben und was gute Darsteller und gewitzte Dialoge ausmachen können.

THE BAD – Die schlimmsten Werke von 2010

Fieses Federviehzeug – Die Legende der Wächter

Harry Potters Hedwig in ihrem eigenen Film? Schön gerendert und animiert, aber kreuzblöde, ist dieses fliegende Federgerümpel einer der ärgerlichsten Ausfälle des Jahres. Martialische Nachtvögel mit Kulleraugenkomplex und Nazi-Ambitionen, die sich gegenseitig auf die Schnauze hauen – doof, doofer, huhu! Abflug, bitte!

Folterfilme: Rock it!

Nicht Saw 3D, der selbstverständlich ebenfalls unerträglicher Schrott war, sondern Disney katastrophaler Versuch ein deutsches High School Musical zu drehen, war die schlimmste Folter des Jahres. Wo die niedlich-sympathische Romcom Groupies bleiben nicht zum Frühstück alles richtig machte, langte das betuliche Hupfdohlenspektakel um ein musisches Internat gekonnt daneben. Choreographien wie beim Senioren-Aerobic auf Bayern 3, Witze die zu Zeiten der punischen Kriege schon als betagt galten und Jungschauspieler die man auf keiner Konfirmantenfreizeit das Showprogramm bestreiten lassen würde. Das ist die Musik, von der jeder von uns Herpes kriegt…

Power to the Pöbel: From Paris with Love und Harry Brown

Natürlich spielen John Travolta und Michael Caine nicht in einer Liga, aber es ist schon bemerkenswert welche Konjunktur das dumme Selbstjustiz-Genre erlebt. Ob im arthausigen Gewand wie bei Harry Brown, dem ebenso gut gespielten wie reaktionären Gegenstück zu Gran Torino oder als stumpfer Popcorn-Rassismus wie bei Travolta. Ausländer ausmerzen, Hoodies kaltmache für eine bessere Welt. Dagegen nimmt sich Dirty Harrys-Weltsicht dann schon wieder wie ein differenziertes Sozialdrama aus. Weg damit!

Keine Überraschungen

Und natürlich gab es viele Ausfälle die schon so typisch sind, dass es fast müssig erscheint, sie noch zu erwähnen: Die Legende von Aang bestätigte M. Night Shyamalan einmal mehr als kritikresistenten Egomanen. Während derweil in der Arthaus-Ecke Gaspar Noé ein weiteres Mal die Kamera zur Masturbation gebrauchte und eine kreuzbiedere Junkie-Drama-Story mit einem einzigen schwurbeligen optischen Einfall auf zweieinhalb Stunden aufblähte. Wie 2001 Lichttunnel mit Ficken oder der Blick in eine Lavalampe, während nebenher DSF-Sexyclips und Deutschlands schönste Bahnstrecken laufen, beweist der Franzose einmal mehr, dass es ihm mehr um die Oberfläche als die Tiefe geht.

Alternativ-Empfehlung zu diesem Schwulst: Trash Humpers von Regie-Berserker Harmony Korine – der wirklich dahin geht wo es wehtut.

Leck mich am Lost

Nach Jahren und Jahren mysteriöser Andeutungen und Monster die man in der Pfeife rauchen konnte, endte die "wichtigste Serie des Jahrzehnts* in einer implausiblen Implosion aus Tränen und Schmalz, die noch weniger Sinn machte, als die ärgerlichen Boredom-at-the-backlot-Folgen mit denen sich die Serie nach dem grandiosen Auftakt zu oft über die Runden rettete. Eisbären, my Ass.

THE MEH – Die mediocre Mitte

Das Schlimme an 2010 war nichtmal die Flut an extrem schlechten Filmen, sondern die Mittelmässigkeit der Masse und das selbst Filme die “okay” waren unter ihren Möglichkeiten blieben.

Wie die Karnickel: Alice im Wunderland

Auch wenn er für sich genommen schon ganz okay war, blieb Tim Burton s Alice im Wunderland doch hinter den Erwartungen zurück. Nicht nur das nachträglich hinzugefügte 3D war eher mau, auch die stromlinienförmige Story blieb hinter den wunderschön-skurrilen Bildern zurück. Wenn sich Burton und Depp zusammentun um DIE psychedelische Jugendphantasie des genialen Lewis Caroll auf die Leinwand zu bringen, dann muss mehr herauskommen, als eine brave Schlacht ums Märchenland.

Schlafstörung: Inception

Noch unterträglicher als der Hype um gewisse Filme sind die Fanboys die glauben irgendetwas Tiefschürfendes gesehen zu haben und sich auf jeden stürzen, der ihnen sagt, dass der neuste angebliche Mindfuck bestenfalls eine gepflegte, entspannende Hirnwichserei ist. Christopher Nolan liefert mit seiner selbstgefälligen Traumtänzerei (die übrigens gerade auf einer grandios-lieblos zusammengestoppelten Blu-ray herausgekommen ist) den Beweis dafür ab, dass man nur mit todernstem Gesicht sehr wichtig aus der Wäsche gucken muss, um die Leute davon zu überzeugen, dass der alte Schmelzkäse von Gestern der genialste Brotaufstrich ist, denn die Menschheit je gegessen hat. Doch wie bei Matrix, Avatar oder Gattaca ist unterm Strich doch viel heiße Luft unterm Hut. Kann man gucken, aber die Revolution sieht anders aus.

Men on a Mission – ohne Gewischen: Das A-Team, The Expendables, Red und The Losers

2010 war das Jahr der Teams – anschauen konnte man sich alle diese Filme, aber irgendwie wäre bei jedem etwas mehr drin gewesen. Ob Hannibal und sein funktionierender Plan, Bruce Willis und seine betagten Nahkampfrochen, die völlig unbekannten Loser oder Stallones-Metzelveteranen – immer blieb es bei solider Unterhaltung, die nie so ganz das einlöste, was die Besetzung versprochen hatte. Aber gut – immerhin war auch kein Totalausfall dabei.

Der Tod auf Raten: The Walking Dead

Was wollte ich diese Serie mögen. Doch auch wenn ich Frank Darabont und seine Werke normalerweise wirklich mag, diese ambitionierte Adaption der kultisch-verehrten Comicserie kam einfach nicht aus der Hüfte. Unterschriebene Charaktere, die viel redeten ohne viel zu sagen, mittelgute Schauspieler und eine Serie die bis zum Schluss keinen rechten Drive oder einen roten Faden entwickelte. Wo britische Serien es schaffen innerhalb von sechs Folgen epische Stories zu entwickeln, stolperten Die Akteure über weite Teile der Zombieserie nur umher, ohne das wirklich irgendetwas passierte. Da halfen auch grandiose Masken- und harte Gore-Effekte nichts – nach einem mehr als mauen Season-Finale müssen die Macher in Staffel 2 wirklich mal lernen Gas zu geben. Und zwar nicht mehr Zombie-Metzeleien, sondern mehr Handlung!

Ruf doch einer den Arzt: Doctor Who

Nachdem der geniale zehnte Doctor sich verabschiedet hatte und mit Matt Smith der 11. Doctor antrat, war klar das sich vieles verändern würde. Leider krempelte der neue Showrunner Steven Moffat den lieben Doctor so um, dass er kaum wiederzuerkennen war. Auch wenn Smith eine gute Figur machte, enttäuschten klamaukige Drehbücher, billige Tricks, dutzende Folgen die in irgendeinem Dorf spielten und ein fieser Rückfall in die 70er Jahre, als es wichtiger war, dass des Doctors Companion sexy, denn charismatisch war. Ein öder Story-Arc, ein Doctor der zum Trottel mutierte und uninspirierte Stories ohne emotionalen Tiefgang, machten es nicht leicht Doctor Who-Fan zu bleiben. Nachdem auch das Weihnachtsspecial ehr meh als yay war, muss sich Moffat ordentlich anstrengen, wenn er die Show für Erwachsene interessant halten will.

Das war, das Jahr.
In diesem Sinne, hoffen wir das Beste. Und immer schön nach vorne blicken.

Euer Batzman

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