ChristianGe - Kommentare

Alle Kommentare von ChristianGe

  • 6 .5
    über Snowden

    Moment mal! Oliver Stone zeichnet das Privatleben eines Whistleblowers nach, der sein und auch aller Privatleben schützen wollte?
    Warum "Snowden" dennoch ein wichtiger Film ist ...

    • 6
      über Nerve

      (..) Anders als in der Buch-Vorlage bleibt die Kritik an der sorglosen Weitergabe eigener Daten oder die Kritik an der Macht einer anonymen Community mit den Leben der User regelrecht spielen zu können, durch die zahlreichen visuellen Einfälle, die unzähligen Kameraperspektiven, die trendige Musik und die teenie-süße Romanze, überzeugend verkörpert von Emma Roberts („Wir sind die Millers„) und Dave Franco („Die Unfassbaren„) zu harmlos, um der Intention der Vorlage von Jeanne Ryan so nahe zu kommen, wie es das Buch verdient gehabt hätte. Dass beispielsweise Ian gewissermaßen eine Falle für Vee darstellt, dass weniger „erfolgreiche“ Player ihr Leben für ein wenig Aufmerksamkeit riskiert hatten, all das bleiben Randbemerkungen in einer zwar visuell überzeugenden aber inhaltlich doch sehr „ranschmeißenden“ Romanverfilmung. Was hätten nur Regisseure vom Format eines David Fincher oder Oliver Stone aus der Geschichte gemacht?

      • 7 .5

        (..) Mit viel Feingefühl kitzelt Sung-Hyung Cho in den zahlreichen Interviews mit den ihr zur Verfügung gestellten Interviewpartnern mehr über Land und Leute heraus, als es anderen Filmemachern in ihren Dokumentationen ("z. Bsp.: Im Strahl der Sonne") zuvor gelungen war. Sung-Hyung Chos Bilder bleiben dabei stets wertfrei und respektvoll. Durch die Interviews, die Landschaftsaufnahmen und ihre gezielt subversiven Fragen vermittelt sie ein umfassendes Bild von den Menschen in Nordkorea.

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        • 7 .5

          (..) In Zeiten von Geburtenrückgang, Rekord-Scheidungsquoten und vernachlässigten Kindern haben sich Jon Lucas und Scott Moore für ihre erste weibliche Hauptrolle ausgerechnet die überforderte Mutter ausgesucht. Kann das gutgehen? Es kann. Denn auch wenn das Timing nicht immer stimmt und das ein oder andere Klischee zu viel präsentiert wird, geht das Wagnis „Mama bricht aus“ auf. Die Balance stimmt in "Bad Moms", weil die beiden Autoren, die auch Regie führten, ihren Figuren mit Respekt begegnen und weil es vor allem Dank der hervorragenden Schauspielerinnen wie Kathryn Hahn und Mila Kunis mit ihrer ganz eigenen Mischung aus beherzter Natürlichkeit und handfestem Spaß immer wieder gelingt, Fehler und lustvoll schlechtes Benehmen glaubhaft als weibliche Selbstverständlichkeit einzufordern. Ein insgesamt recht stimmiger, großer Spaß

          • 3 .5

            (..) Überraschend ist, dass bereits nach gut 45 Minuten die Komödie plötzlich ihren bissigen satirischen Geist verliert, mit dem sehr respektlos die naiven, wohlstandssatten Romantic Comedies veralbert -, und in denen sonst teure Hochzeiten als Verherrlichungsfeier der Arrivierten beklatscht wurden.

            Plötzlich entgleitet der Regie zudem jeglicher Bezug zu den Charakteren, und dem Drehbuch gehen zusehends die Ideen aus. Die Komödie verflacht zu einer realitästfernen Gagparade weit unter der Gürtellinie, ohne jegliches Gespür für Witz und Timing. Wenn die bis dato einigermaßen besonnene Anna Kendrick ein ums andere Mal auf ihr Smartphone blickt, um ein altes Video anzuschauen, um dann nur wenig später splitterfasernackt und zugedröhnt zusammen mit der Braut eine Herde Pferde aus einem Gatter zu befreien, wird man das Gefühl nicht los, dass sich Miss Kendrick selbst – wie auch der Zuschauer an dieser Stelle - gefragt haben muss: Was mache ich hier nur?

            Es ist schon überraschend, dass sich die knapp bzw. über 30-jährigen Darsteller wie Zac Efron, Aubrey Plaza oder Anna Kendrick für derart pubertäre Späße inzwischen nicht zu schade sind. Vor allem vor der Kamara eines Kino-unerfahrenen Regisseurs, dem zum Ende seines Spielfilm-Debüts nichts Besseres einfällt als eine belanglose Gag-Parade ohne jeglichen Realitätsbezug.

            • 4 .5

              (..) Von allem also ein bisschen mehr, diese Formel für zahlreiche Fortsetzung international erfolgreicher Blockbuster wird auch im zweiten Teil von "Die Unfassbaren" angewendet. Mehr Schauplätze, mehr Darsteller, mehr Plottwists. Doch die durchaus unterhaltsame Geschichte um den weiteren spektakulären Auftrag der außergewöhnlichen Magier tut sich schwer, die Leichtigkeit, den anarchischen Charme, die Figurenzeichnung sowie den perfekten Rhythmus der ersten Geschichte auf ein neues Level zu heben. Durch die Vielzahl der Handlungsstränge bleiben die Charaktere oberflächlich, immer wieder schleichen sich ironischerweise Längen ein.

              Was einige Kritiker im ersten Teil bemängelt hatten, die schnellen Schnitte, die zahlreichen Reaction Shots und die wirre, hektische Story bekommen mit dem überladenen zweiten Auftritt der "Unfassbaren" ein deutliches Bild, was trotz – oder gerade wegen - der großen Portion Romantik und Ironie zu Ermüdungserscheinigungen führt. Das große Ganze kann damit letztendlich nicht überzeugen. Hat sich der Zuschauer / die Zuschauerin innerhalb der viel zu langen 129 Minuten am Ende noch nicht an den zahlreichen Handlungssträngen und Plottwists "überfressen", wird im letzten, vierten Akt der Intellekt jedes Zuschauers dermaßen mit Füßen getreten, dass mit dem sehnlichst erwarteten Abspann mehr als eine Magenverstimmung die Folge ist – die "Unfassbaren Teil 2" sorgt demnach nicht nur für eine Verstimmung, der zweite Auftritt verursacht regelrecht einen Magenkataarh.

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              • 3 .5
                über Collide

                (..) Die krude Action-Hatz durch die Republik mit seltsamen Figuren erreicht einen unfreiwillig komischen Höhepunkt als plötzlich Joachim Król („Tatort“, „Ausgerechnet Sibirien“, „Zugvögel – Einmal nach Innari“) als Pick-Up-fahrender Bauer mit Schrotflinte unter dem Arm in einer Tankstelle auftaucht, um dem Helden bei einer Schießerei zur Seite zu stehen. Als sei es das Normalste der Welt in Deutschland. Natürlich kann sich Casey Dank dieser Schützenhilfe aus den Zwängen seiner Verfolger befreien um am Ende …. Aber das dürfte jedem klar sein. Zu diesem Zeitpunkt hat man längst das abschließende, überzuckerte Dessert in diesem deutsch-amerikanischen B-Movie-Menü verdaut und hofft darauf, dass alle Hollywood-Stars ohne allzu heftige Bauchschmerzen ihren Heimweg antreten konnten, … um passend zwei Jahre nach Drehschluss im deutschen Auto-Kino in Köln-Porz die Deutschland-Premiere des Films zu feiern.

                • 8 .5

                  (..) Ein Jahr verbrachte der italienische Regisseur afrikanischer Herkunft auf der kleinen italienischen Insel Lampedusa. Und wenn seinen Aufnahmen der rauen Insellandschaft und des behüteten Insellebens Bilder von Invasion, Aufständen und massenweise Toten in den Rettungsbooten gegenüber gestellt werden, macht er damit nicht nur die Gefühle der einheimischen Bevölkerung, über deren Köpfen das alles geschieht, mehr als verständlich, sondern rüttelt damit auch an den Synapsen seines Publikums: Oft bleibt nur ein Kopfschütteln. Aber Gianfranco Rosi sorgt darüber hinaus für ein Unwohlsein, für ein Aufrütteln. Mit „Fuocoammare“ ist ihm ein wichtiges, ehrliches und humanistisches Pamphlet im Sinne des Vernunftstrebens nach Immanuel Kant gelungen, die Augen zu öffnen und Helfen zu müssen. Alle Menschen sind frei und gleich an Würde. Rosi kommt den direkt Betroffenen mit seiner Langzeitbeobachtungsehr nahe, gibt ihnen ein Gesicht, dem zwölfjährigen Fischersohn, dem vor Ort tätigen Arzt und auch den zahlreichen dehydrierten Flüchtlingen. Somit ist „Seefeuer“ großes, wichtiges, humanistisches Kino, tief berührend mit langer Nachwirkung, das sofort in die Lehrpläne aller weiterführenden Schülen gehört. Nicht verpassen!

                  • 9 .5

                    (..) "Leidenschaft" sprießt aus jeder Einstellung dieses sich stets im Fluß befindenden Films. Zahlreiche Interviews seiner Tänzer und Off-Kommentare von Naharin selbst sorgen immer wieder für ruhigere Momente. "Ich glaube wirklich an die heilende Kraft des Tanzes", gibt Naharin dann zwischen den zahlreichen Proben gegen Ende einmal zu. Und genau das macht sich in den Gesichtszügen der alten und jungen Tänzer in der hervorragenden Schlusssequenz bemerkbar. Nach der Vorstellung wird der sich selbst windende Mr. Gaga am Ende zu einer Art Alleinunterhalter, der seine spezielle Anti-Technik mit Witz und Disziplin unter die Leute bringt. Plötzlich is er wieder ganz Kind, Raum-, Körper- und Zeitgefühl scheinen sich an dieser Stelle völlig aufzulösen. Nicht zuletzt dadurch entsteht ein ausführliches, rundes Bild über den Tänzer und den Menschen Ohad Naharin in einer mitreißenden Kunst- und Tanzfilm-Doku, die zu den atemberaubendsten seit Wim Wenders "Pina" (2011) gezählt werden muss.

                    • 8

                      (..) Tangerine L.A. ist im ehrlichsten Sinne ein Road-Movie. Wortwörtlich entstanden an Straßenecken, Donutshops und Asia-Läden, die Alexandra und ihre Freundin Sin-Dee “abklappern”. Zwischendurch wird gequatscht und getratscht, miteinander, mit Weggefährten, mal heftig und handgreiflich, mal freundschaftlich und auch obszön. Dass Regisseur und Autor seine Darsteller/innen liebt und verehrt, zeigt sich nicht nur darin, dass er ihnen freie Hand lies und damit zahlreiche Dialoge improvisiert sind und auch so klingen. Kitana Kiki Rodriguez und Mya Taylor jedoch geben ihrem Regisseur diese Liebe zurück, sie wird erwidert, in dem sie ihrem Trip durch L.A. eine saftige, ehrlich und authentische Energie zwischen Verzweiflung und Freundschaft verleihen, die bis zum Ende bewegt und schließlich auch berührt

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                      • 8

                        (...) Durch den Kontrast von ausschweifenden Party-Szenen, nüchternem Alltag und kollegialem Zwangsoptimismus entsteht durch die beeindruckend authentisch agierenden Darstellerinnen ein erschütterndes Frauenporträt, das durchaus unter die Haut geht. Regisseur Ayouch sorgte zudem dafür, dass sein Film “Much Loved” durch die ausführliche Recherche einen universellen Anspruch hat. Durch seine hervorragenden Darstellerinnen, die nach dem Dreh Morddrohungen bekamen, legt er in aller Deutlichkeit den Finger in die Wunden einer Doppelmoral und Skrupellosigkeit, die den Zuschauer nicht verschont aber zutiefst bewegt. Mehr kann ein großes Frauenporträt kaum leisten.

                        • 7 .5

                          (..) Als kritische Auseinandersetzung mit dem Themen "Energiewende", "Biologische Landwirtschaft" oder "Neue Verkehrskonzepte" taugt "Tomorrow" nur bedingt. Dafür bleiben die einzelnen Präsentationen zusammen mit der hippen, affirmativen Musikuntermalung zu unkritisch. Wer also von einer Dokumentation erwartet, dass diese sich mit einer der Wirklichkeit auseinandersetzt, wird bei Laurent und Dion schwerlich auf seine Kosten kommen. Doch auch deshalb heißt diese Doku "Demain" / "Tomorrow". Ihre Halbwertzeit wird länger anhalten als den Nachhauseweg, wie in vielen anderen Dokumentarfilmen zuvor.
                          Und durch die unterhaltsamen, neugierigen und inspirierenden Dialoge der beiden Filmemacher wird eine wichtige "Jetzt-erst-Recht-Stimmung" evoziert, die, wie es scheint, so nötig ist in Anbetracht der immer schlimmer wütendenden Naturkatastrophen in jüngster Zeit. Anschauen!

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                          • 4 .5

                            (..) So traurig sah Irland selten auf der großen Leinwand aus. Wie der Film überhaupt mehr nach Fernsehen denn nach Kino ausschaut. Nein, “Happy Hour” ist dann am stärksten, wenn die Idee des Urlaubs scheitert und die Persönlichkeiten der Protagonisten ungebremst aufeinandertreffen. Doch genau wie den Freunden allmählich die Lust an der permanenten gegenseitigen Bespaßung abgeht, genauso schnell verliert auch Müller das Interesse an seinem Thema. Mit dem Ende der “Happy Hour” mischt sich Resignation in die Reise. Und so ergeht es auch dem Zuschauer nach dem Kinobesuch: Als einer der Freundinnen einen der Protagonisten am Ende fragt, ob der Kurztrip gut war, entgegnet dieser: “Naja, geht so. Aber ich bin froh, wieder zu Hause zu sein.”

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                            • 7 .5

                              (..) “Die Winzlinge – Operation Zuckerdose” (ist) nicht nur ein sehr empfehlenswertes Animations-Abenteuer, sondern vor allem eine sehr originelle Kombination aus realen Landschaften und animierten Insektencharakteren wie man sie noch nie gesehen hat. Und in zweiter Linie eine packende Abenteuergeschichte eines Marienkäfers und seiner Ameisenfreunde, die sich gemeinsam allen Herausforderungen stellen (können). Ein Film, der sicherlich die Fantasie des ganz jungen Publikums beflügelt und ihr unterschwellig die wichtige Botschaft der Liebe zur Natur mit einer großen Portion zu-Herzen-gehenden Charme serviert. Ein ganz großer Spaß nicht nur für die ganz Jungen sondern auch für die etwas Älteren.

                              • 7 .5

                                (..) Schade ist, dass er (John Carney) einige Hebel zu heftig aus seinem filmischen Harmonium zieht. Dazu gehören seine nostalgische Verklärung, die sich in zahlreichen übertriebenen Modeeinfällen widerspiegeln oder auch die ersten selbstgeschriebenen Songs der "Sing Streets-Band", die sich später wie perfekt produzierte Pop-Nummern aus den 80ern auf der Tonspur breitmachen. Mit letzteren und den selbstgedrehten Video-Versuchen der Band geraten die Charaktere fast in Vergessenheit, einige Bandmitglieder haben insgesamt nicht mehr als ein, zwei Sätze Dialog. Erinnerungen an Filme wie "La Boum - Die Fete" oder "Cinderella 80" werden geweckt, allesamt "Crowd Pleaser" aus den 80ern, Filme in ähnlichem Gewand, die zwar tolle Musik sowie tiefe Spuren in den Herzen der angesprochenen Generation hinterließen - jedoch keine tiefen Spuren in der Filmhistorie. Zutiefst sympathisch ist John Carneys Beitrag aber allemal. Inklusive Ohrwumrgarantie.

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                                • 7 .5

                                  (..) besonders im dritten Kapitel ist "Civil War" näher am "Avengers 3" als am "The First Avenger 3". Ist der Erzählstoff bis zur Lagerbildung aufgebraucht, also einschließlich der schnell abbgehakten Inthronisierung der neuen Figuren Black Panther (Chadwick Boseman) und Spider-Man (Tom Holland), fällt fast kaum auf, dass ein weiterer Superschurke zu einer weiteren, großen Gefahr wird: Als Bösewicht des in Berlin und auf dem Flughafen von Leipzig/Halle gedrehten Action-Thrillers schleicht sich Daniel Brühl als General Zemo ins Geschehen, der mit einer eigenen Todesschwadron die Welt bedrohen will. Ein großes Verdienst von Daniel Brühl und sicherlich auch vom Regisseur-Duo Anthony Russo und Joe Russo ist es, dass nicht nur zahlreiche Szene aus dem internen Mehrkampf sondern auch von der Figur Zemo im Gedächtnis haften bleiben, die eine längere Halbwertszeit haben als die Dauer des Nachhauseweges.

                                  • 5 .5

                                    (..) Zum Glück bieten Frau Kurz und die wenigen Statements ihrer langjährigen Stammgäste genug Unterhaltungswert, um die Aufmerksamkeit und die Neugierde über die Laufzeit von 84 Minuten stets hoch zu halten. Dazu liefern die kurzen, intensiven Geschichten der Bewohner den nötigen Kontrapunkt, dem Thema angemessen. Doch die amüsanten Gegenüberstellungen gehen nicht in die Tiefe. Fragen beispielwseise zu Problemen mit den Dorfbewohnern gibt es keine. Zudem fällt Koßmehl auch visuell nur wenig zu der inhaltlichen hohen Amplitude zwischen Brauchtum und Entwurzelung ein. Somit bleibt die Dokumentation “Café Waldluft” ein zwar unterhaltsamer aber doch eher leichter Beitrag zur Debatte um Asyl und Integration. Ein zwar wichtiges Zeitdokument, das positiv stimmt aber keine tiefen Spuren hinterläßt, fern jeder Empörungsrhetorik.

                                    • 4 .5

                                      (..) Delpy inszeniert diesen nicht immer nachvollziehbaren Schlagabtausch im Stil einer Screwball-Komödie aus den 60ern. Ein Etikett, dass eigentlich zu nett ist, weil Delpys Violett weder charmant noch clever sondern schlichtweg einfach nur snobistisch dumm ist. Während Komik-Experte Dany Boon seine x-te Variation seines durch zahlreiche Komödien ("Willkommen bei den Sch´tis", "Nichts zu verzollen") bekannten Dackelblicks darbieten darf, und man sich bereits nach 30 Minuten fragen muss, welcher Mann ein deratiges Martyrium wie Jean-René im Film über sich ergehen lassen würde, wird bereits die nächste Tür für einen weiteren fiesen Einfall auf- und wieder zugeschlagen.

                                      • 7 .5

                                        (..) Wie regelt man(n) eine Fehlentscheidung? Wie lange kann das gutgehen, wenn aus Feigheit und Selbsterhaltungstrieb kriminelle Energien erwachsen? Und vor allem: Wann wendet sich das Blatt von Sympathie hin zur Antipathie? – Keine Sorge! Diese Fragen werden zur vollsten Zufriedenheit beantwortet. Vor allem Dank der in ihrer Ambivalenz überzeugend austarierten Inszenierung und eines herausragenden Hauptdarstellers. “Nichts passiert” ist kein “Was wäre wenn..”-Drama, keine typische Hollywood-Anleitung für väterliche Fürsorge oder gar eine Bauanleitung zur Lösung von Familienkonflikten. Lewinkys Tragikomödie aus der Schweiz ist vor allem eins: zutiefst menschlich. Mit einem Alltagshelden ohne Heldenhaftigkeit, beschlagen mit einer Unfähigkeit zur Kommunikation, die jeder nachvollziehen kann. In einer schicksalhaften aber zutiefst spannenden Geschichte, die von der ersten bis zur letzten Sekunde fesselt.

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                                        • 8
                                          über Fargo

                                          (..) Die Brüder Joel und Ethan Coen konnten auch für ihre gleichnamige Serie herausragende Darsteller (Billy Bob Thornton, Martin Freeman, Colin Hanks) gewinnen, die den berühmten lakonischen Coen-Humor in einer eiskalten und dennoch warmherzigen Umgebung auch auf der TV-Bildschirmfläche vollends entfalten. Eine auf zehn Episoden verteilte Aneinanderreihung fataler Verwechslungen und Irrtümer, in der die (neuen) Figuren der Serie im Gegensatz zum großen filmischen Vorbild zu großen Teilen wie personifizierte Echos ihrer filmischen Vorgänger wirken.

                                          • 3 .5

                                            (..) Hat die Comic-Verfilmung das verdient? Den totalen Eskapismus? Einen selbstreferenziellen Helden, einen dauerquasselnden, infantilen Selbstdarsteller, der mit den Bausteinen des Superhelden-Films um sich wirft, diese parodiert und wieder neu arrangiert wie ein 10-jähriger? Wer diese Frage mit: “Ich kann es kaum erwarten, diesen Helden zu treffen” beantwortet, der sollte sich wie Marvel-Mastermind Stan Lee im Film seltsam außerhalb des Geschehens deplaziert und unbeholfen an das DJ-Pult stellen, sich somit in die Niederungen des Boulevards begeben, um den ersten Schritt zum Untergang der Comicverfilmung beizuwohnen. Der erst Sargnagel wäre damit eingeschlagen. Danke für Nichts, Deadpool!

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                                            • 5 .5

                                              (..) Wer demnach von Will Ferrell als bemitleidenswerten Punching-Ball nicht genug bekommen kann, der darf sich genau wie die seltsam unbeteiligte Sara, Mutter der Kinder, in Geiselhaft nehmen lassen, um am Ende nach diesem Suburbian-Patchwork-Alptraum zu erfahren, dass verantwortungslose, abenteuerliche und noch so coole Männer doch nicht so alltagstauglich sind. Wenn man Sean Anders und seiner konservativen Haltung Glauben schenken will.

                                              • 4 .5

                                                (..) Snowboarden in den Alpen, Freeclimbing mit anschließenden Sprüngen von Wasserfällen in Ecuador, da wo die Wellen am gefährlichsten sind, die Berge am höchsten und die Pisten am steilsten – dort soll man dem wahren Leben näherkommen. Mit zahlreichen 3D-Kameras aufgenommen, sehen diese Mutproben zugegeben sehr eindrucksvoll aus. Vorausgesetzt man ist nicht zufällig selbst Surfer oder Freeclimber. Denn “Pofis” werden über die teilweise hahnebüchenen Einstellungen sehr bald nur noch kopfschüttelnd schmunzeln. Eine Bergbesteigung ohne jegliches Material wird hier sehr vereinfacht zu einem fast spielerischen Spaziergang am Fels.

                                                Genau mit diesen Extremsport-Location-Bewerbungssquenzen wird der Film zur Lachnummer und unterminiert seine eigene so wirre wie unreflektierte Botschaft: Extremsport-Lifestyle zum Schutz der Umwelt. Und wer dies bis dahin noch nicht erkannt hat, möge sich an die Szenen zu Beginn erinnern, in denen die Öko-Truppe, die eigentlich anders denken müsste, mit dekadenten Geldgebern feiert, die den Eso-Spaß finanzieren. Schade, denn man hatte sich gerade an den charismatischen Édgar Ramírez und seine Truppe gewöhnt. Unter Vernachlässigung des schauspielisch völlig überforderten Luke Bracey in der Hauptrolle. Am Ende ist es dann doch nicht mehr als ein Extremsport-Porno zum Schutz der Umwelt auf Kosten eben dieser. Vor diesem Hintergrund hatte Kathryn Bigelow einst weitaus mehr Fingerspitzengefühl bewiesen.

                                                • 4 .5

                                                  (..) Talentierte Darsteller und eine gute Atmosphäre auf dem Set sind oft nur die halbe Miete. Warum gefühlt nahezu jede Handlungspause von einem Song der Band "Bananafishbones" unterbrochen werden muss, um die Emotionen zu vertiefen oder manch verrückter komödiantischer Regie-Einfall (ein türkischer Gemüsewaren-Händler wird vom Fahrrad eines wilden Kerls "überfahren") so oft wiederholt wird, dass auch der unaufmerksamste Kinobesucher den gespielten Witz versteht, bleibt ein offenes Geheimnis des Regisseurs Masannek. Zudem bedient sich der Autor und Regisseur viel zu oft und gerne beim deutschen Blödel- (Didi Hallervorden-)Humor aus den 80ern, wenn beispielweise eine Weltkugel als Fußball den Kopf des erbosten Vaters "verdeckt" oder der ansonsten überzeugende Rufus Beck als Trainer in einer Szene am Flußufer über seine eigenen Beine stolpert.

                                                  Und ist es wirklich so, dass sechs bis zehnjährige Kids nach jedem Satz ständig eine Reihe von Tiernamen und deren Ausscheidungen fluchen? KinderKatzenPups? KinderkotzundKümmelKacke? Und müssen die stark "gepimpten" Fahrräder der Jungs bei jedem Ausflug wie hubraumstarke Motorräder klingen? Nicht zuletzt wegen dieser und anderer unverständlicher Einfälle fanden Kritiker nur wenig gefallen an "Die Wilden Kerle". Den beiden Hauptdarstellern Jimi Blue und Wilson Gonzales Ochsenknecht hingegen konnten die Verrisse nur wenig bis garnichts anhaben: Mit weiteren Abenteuern der "Wilden Kerle" wurden sie im deutschsprachigen Raum zu großverdienenden Teenie-Stars. Einschließlich erfolgreicher Musik- und Mode-Projekte. Vielleicht ist da doch etwas dran: "Alles ist gut, solange Du wild bist".

                                                  • 5 .5

                                                    (..) Untermalt von den behutsamen, sinnlichen Klängen des Japaners Ryuichi Sakamoto soll es um Authentizität gehen. Und um diese zu erreichen, hat DiCaprio tatsächlich (als Vegetarier) rohe Bisonleber gegessen und ist in einen Tierkadaver geschlüpft. Einmal haucht er aus seinem verletzten Mund direkt in die Kamera. Das Objektiv läuft an… Natürlicher geht es nimmer. Ein Meisterwerk wäre dieser Film geworden, wenn sich Inárritu nicht einzig auf die Stilisierungen verlassen hätte, die nach und nach zu Manierismen veröden. Wenn er eine Geschichte zu erzählen gehabt hätte, die eine Spielzeit von 156 Minuten rechtfertigt. Wenn auf die meisterhafte Exposition ein Film gefolgt wäre, ohne dabei ständig eine ernervierende Erhabenheit zur Schau zu stellen.

                                                    Aber am Ende ist es dann doch “nur” ein Überlebenskampf, um schließlich kurz vor Schluss dem Antihelden (einem schwer nuschelnden Tom Hardy) entgegen zu treten, der für die ganze Situation verantwortlich ist. Mann gegen Natur. Mann gegen Mann. So schlicht kann eine Formel für einen zweieinhalbstündigen Rachefeldzug lauten.

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