Der Witte - Kommentare

Alle Kommentare von Der Witte

  • 6 .5

    [...] Eine genüsslich übersteigerte Analyse unserer kontemporären Assimilation mit der weitreichenden Welt der Digitaltechnik, speziell mit dem Überangebot an Mini-Kameras und Computern. Konsequenterweise erzählt (Vigalondo) das gesamte Geschehen mit intensiv-durchgeplanter Präzision komplett auf einem Laptop – klar ein inszenatorisches High-Concept-Gimmick, aber ebenso clever im Spiel mit dessen Möglichkeiten, wie er es schon 2007 mit seinem Zeitreisen-Zauberwürfel „Timecrimes“ hielt. Ähnlich wie in der jüngst erschienen Desktop-Dokumentation „Transformers: The Premake“ von Kevin B. Lee entfaltet er nämlich auf jener elektronischen Schaltzentrale ein Multi-Tasking-Mekka beobachtender, spionierender und beeinflussender Optionen und Perspektiven und strickt daraus einen kurzweiligen und technisch-ambitionierten Thriller nach dem Formate Hitchcocks oder De Palmas. [...]

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    • 5 .5

      Der kongenial besetzten Anna Faris als drolligen Pothead-Tollpatsch Jane zuzuschauen, ist schon eine sympathische (je nach Zuschauer auch extrem nervige) Angelegenheit und Gregg Arakis sinnlich-dynamische Regie hüllt den Exzess der verrauschten Dusseligkeit in ein genüsslich-bonbonfarbenes und knallig-eigensinniges Licht - sogar die von ihm gewohnten, inneren Sehnsüchte sexueller Befriedigung und Obsessionen (I'm looking at you, John Krasinski & John Cho) finden ihren Platz in dieser eigentlich potenziell-Publikums-freundlichen Weed-Comedy, ebenso die intensive Synergie von zeitnahen Ultra-Soundtracks und visuell-karthartischen Klimaxen, meist in glühend-hautnahen Großaufnahmen zugedröhnter bis geiler Schlafzimmerblicke.

      Doch irgendwie verläuft sich die anfängliche Unbedarftheit des absurden Kifferwahns in eine Handlungs-technische Redundanz des stetig eskalierenden Versagens, sobald Jane auf ihrer bizarren One-Day-Tour durch L.A. quasi sowas wie 'LOLA SABBERT' abzieht, auf dass man schlichtweg irgendwann das Interesse verliert - und das bei nur knapp 80 Minuten Laufzeit. Wenig hilfreich dabei sind einige nicht so clevere Joke-Konventionen der Marke 'Cartoon Network' sowie 90er-Jahre-Indie-typische Texteinblendungen und Tarantino'eske Zeitsprünge - obwohl das Drehbuch von Dylan Haggerty (seit diesem Film nicht mehr aktiv) sogar einige niedlich-ulkige Pointen der Blödsinnigkeit bereithält und das unaufhaltsame Vermasseln Janes bei mehreren, auch unscheinbaren MacGuffins wie dem Kommunistischen Manifest, durch die Augen seiner Protagonistin zur pathetisch-inszenierten, aber offensichtlich kaum irgendwas beeinflussenden Heldentat für ihre Mitbürger stilisiert.

      Ein subversiver Seitenhieb auf die blumig-verblendeten Konventionen der Feel-Good-Sundance-Lebenslektionen unserer Zeit (siehe den Schmalz von 'WISH I WAS HERE') oder, gemessen am Erscheinungsjahr, einer der etwas weniger bedeutungsschwangeren Vorreiter jener Formel? Wie auch immer man das deuten will: der Spaß an der ganzen Sache ist dennoch präsent und beweist zudem, wie gut sich Araki in die verschiedensten Genre mit seinem freimütigen Stil einfinden kann. Schade bloß, dass trotz mehrerer Anlaufstationen im Plot eigentlich immer bemüht auf die selbe Stelle getreten wird - ist zwar konsequent bei einer hirnverbrannten Slackerin im Vordergrund, die rein gar nichts auf die Reihe kriegt, aber nur bedingt die komödiantische Goldkuh (da hätte ein eventueller Umschwung zur wahnwitzigen Hysterie wahre Wunder gewirkt).

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      • 8

        [...] Es sind die Zeichen eines ausgezeichneten Thrillers, der in seiner direkten Aufzeichnung sich gegenseitig zerfleischender Rachespiele keine Kompromisse eingeht, aber weder viehische Extreme ausschlachtet noch einen ideologischen Pathos auftischt. Die Verhältnisse sind darin nun mal, wie sie sind: stets in einem siedenden Terror verharrend, der beinahe unbemerkt durchs Land zieht, für die individuell kämpfenden Jäger und Gejagten aber einfach alles bedeutet und nur dann enden kann, wenn keine Reste vom jeweiligen Gegner mehr übrig bleiben. [...]

        Letztendlich kann das Plädoyer nach dem Gewissen die brachiale Eskalation nicht verhindern, aber die Unausweichlichkeit der Konfrontation war ohnehin schon längst abgeklärt, eben eine fatalistisch-bittere Schicksalsbahn, die sich durchweg mit verstecktem und vermuteten Schrecken andeutete [...] 'No regrets' - eine Aussage, welche die gesamte atemberaubende Filmerfahrung und Thematik hinter 'BLUE RUIN' perfekt beschreibt.

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        • 8

          Wer die angestrebten Konzepte von Jodorowskys Vision in der Doku mochte und sie im abstrakten Sinne doch noch verwirklicht sehen möchte, dem kann ich bedenkenlos Folgendes empfehlen, was auch im Film schon reizvoll angesprochen wurde:

          https://www.youtube.com/watch?v=lhW1fz9FZwA

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          • 7 .5

            Gregg Arakis neuestes Werk „White Bird in a Blizzard“ ist vielleicht sein bis dato normalster, sprich konventionell aufgebautester Film – was natürlich nicht heißen soll, dass er seinem bekannten, lieb gewonnenen Stil und den oft wiederkehrenden Themen seines jahrelangen Schaffens untreu geworden ist. Stattdessen inszeniert er scheinbar recht originalgetreu, nach einer Romanvorlage von Laura Kasischke, ein überwiegend entspanntes und doch tief gehendes Coming-of-Age-Portrait – im malerischen Zeitkolorit des achtziger-Jahre-Suburban-Americanas – von der Highschool-Schülerin Kat Connor (Shailene Woodley), welche innerhalb der Schwelle zum Erwachsensein zwischen 1988 und 1991 in verschiedenen Stadien mit dem mysteriösen Verschwinden ihrer Mutter Eve (Eva Green) umgehen muss. [...]

            „I was 17 when my mother disappeared“ ist der bestimmende Kanon des Films, welcher Stück für Stück vermittelt, wie Kat das absteigende Verhalten und die Sexualität ihrer Mutter im Verlauf der Jahre reflektiert hat und sich dahin gehend auf einen eigenen Weg machen musste, was sie mit ihrem aufblühenden, adoleszenten Körper anstellen würde – da kommt die Ungewissheit trotz der nachvollziehbaren Pro-Aktivität ihrerseits nicht von ungefähr, wenn man die dysfunktionale Situation der Connors bedenkt. [...]

            8
            • 8 .5

              Keanu Reeves ist mit seinem Regiedebüt vielleicht einer der respektvollsten und intensivsten Martial-Arts-Filme der letzten Jahre gelungen, mehr noch als Gareth Evans mit seinem RAID-Duett - elegant und schnörkellos führt er uns in eine ideologische Arena der Kampfkünste ein, bei der er anhand des sympathischen Protagonisten Tiger Chen (als er selbst) und seines alten Meisters die Schönheit und Flüssigkeit des Tai Chi in purer Dynamik einfängt, dann aber auch mit konzentrierter Intensität im Kräfte-Austausch wirken lässt, während die Kamera stets in weit eröffnender Kohärenz verharrt, jedoch durch den höchst ökonomischen Schnitt die innewohnende Dynamik perfekt zur Geltung bringt.

              Doch Reeves' Film ist nicht nur eine technische Meisterleistung, sondern auch eine kongenial minimalistisch-vermittelte Reflexion der Philosophie des Gleichgewichtes jener Stärken, der Tradition, Ehre und Verantwortung des titelgebenden Stils in einem Narrativ, der den bescheidenen und besonnenen Chen auf seiner Suche nach dem inneren Pfad, dem lang ersehnten Abschluss seiner Fähigkeiten, in die langsam zersetzenden Fänge der Destruktion leitet, manifestiert durch Reeves selbst als geheimnisvoller Millionär und Untergrundkampf-Veranstalter Donaka Mark.

              Dieser verbirgt sich in einer abgeschlossenen, hart-finsteren und mit alles-beherrschender Technik bewaffneten Zelle der Kontrolle, eine Eigenmacht jenseits des Gerechten und der Menschlichkeit (weshalb ihm die engagierte Hongkonger Polizistin Sun Jingshi, gespielt von Karen Mok, auf den Fersen ist) - hier will er auch den noch leicht ungewissen Geist und Unschuld von Chen einnehmen, welcher bisher stets im Einklang mit seiner Umgebung und seinen Mitmenschen war, nun aber auf streng zusammengedrückter Fläche zur totalen Verausgabung seiner Fähigkeiten gezwungen wird, sich natürlich stilvoll beweisen kann, aber immer mehr von innen korrumpiert wird.

              Dabei geht es ihm anfangs ausschließlich um die gute Sache, den Erhalt des Tempels seines Meisters zu sichern, doch je härter ihm sein neuer Auftraggeber die Mentalität eines Kriegers injizieren will und auch anhand gnadenlos-fatalistischer Bedingungen mit visueller Suggestion und Verwirrung des entmoralisierten Showkampfes zusetzt, umso brutaler und haltloser verändert sich sein Wesen - sogar soweit, dass er völlig unvermittelt seinen wahren Meister bekämpfen will, aber doch ein paar lehrende Schläge einstecken muss.

              Viele derartige Filme würden in solchen Fällen auf esoterische Schönfärberei und dialoglastige Weisheiten setzen, Reeves hingegen versteht die Energie und Macht des Kampfes, der körperlichen Ekstase in purer Bewegung an sich - er spart daher auch überbordendes Spektakel aus (abgesehen von einem etwas deutlich computeranimierten Autounfall), bleibt stattdessen durchgehend spannend und zielgerichtet auf seine Charaktere und deren Motivationen (im Ring) fokussiert.

              Schließlich entfesselt er sodann in der Konfrontation und Entscheidung der Ethiken von Kampfkunst und skrupellosem Tötungsgeschick einen geradezu sinnlichen Showdown im alten Tempel, der Mano-A-Mano abgehalten wird, aber auch ganz klar eine mentale Auseinandersetzung in Chen repräsentiert, auf die der Film mit geschickter Geradlinigkeit hingearbeitet hat und schließlich mit der respektvollen, doch effektiven Klarheit der Harmonie auflöst - bis hin zu einer natürlichen Offenheit, welche den gesamten Abspann über anhält, selbst im urbanen Horizont des modernen Chinas.

              Der 'MAN OF TAI CHI' geht letztendlich den gerechten Weg ein und erlangt seine Vorbildsfunktion des Wahrhaftigen und Bescheidenen zurück, mit der steten Hoffnung, dem Bösen die Stirn zu bieten. Das mag eine simple Botschaft aufzeichnen, doch Reeves destilliert sie in solch klares und erhellendes Wasser, dass es einen mit geradezu urtümlicher Konsequenz und Elegie zu packen versteht und an die essenziellen Quellen des Actionkinos herantasten lässt.

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                • 7

                  [...] Wunderbar abgeklärtes, sympathisches und teils erfrischend-naives Stück Männerkino, welches zwar durchweg zielgerichtet mit provinzieller Furcht und Macho-Härte jongliert, aber auch ein wahrhaftiges Herz für die Verteidigung der Unterdrückten beweist und dieses ganz nach klassischem Goodguy-Prinzip zelebrierend-handfest einlöst. Ein gewinnender Reißer mit ungewöhnlicher Umkehrung in seinen Halbzeiten, insgesamt aber eine wahrhaftig elegante Kugel, die da geschoben wird.

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                  • 8 .5

                    [...] Nur sehr langsam entfaltet sich der mysteriöse Komplex der perfiden Verführung in künstlicher Haut und weiblicher Körperform - zunächst als einstudiert-glaubwürdiger Mechanismus der pragmatischen Ressourcen-Aufnahme, später in der Verwirrung der natürlich-umgebenden Umstände als Suche der Sinnlichkeit anhand einer für den Ausserirdischen unbekannten menschlichen Hülle. Jene Langsamkeit ist aber weder provozierendes Arthouse-Kalkül noch bedeutungsschwangeres Drängeln auf Atmosphäre - nein, (Regisseur) Glazer verhält sich stattdessen ganz dezent und elegant, lässt das fremdartige Handeln einfach passieren und erzeugt fortwährend, auch dank seinem gleichzeitig distanzierten und sehr sinnlichen Gesamtkonzept, eine durchgehende Ungewissheit, welche aber ganz eigen und ruhig voranschreitet, sowie den Zuschauer kompromisslos auf die Reise mitnimmt. [...]

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                    • 7

                      So höret mich an, wie ich über die zwei berüchtigten Teile der Videogame-Verfilmungs-Reihe schnacke (ca. 50 Minuten):

                      https://www.youtube.com/watch?v=jAXnBJJmA-E

                      P.S.: Ich wollte es nicht im Video verraten, aber Johnny Cage's Finishing Move bei Scorpion ist eine filmische Meisterleistung, inkl. Autogramm^^

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                      • 6 .5

                        [...] Der rechte Funken der Besonderheit, des Erfrischenden, wohl auch gewissermaßen der eigenen Stimme, mag nicht komplett überspringen. [Regisseur] Mitchell weiß auf jeden Fall Tension aufzubauen und in gewissen Augenblicken die erschreckende Pointe anders als erwartet zu setzen, sowieso furchterregende Konzepte unaufhaltsamer Verfolgung zu vermitteln - von daher bleibt er in Zukunft ein interessanter Kandidat, der hier schon mit geringen Mitteln eine Menge mehr aus reinster Bescheidenheit aus erreicht hat, als so manch anderer, selbsterklärter Retro-Reißer. Er trifft die Balance die meiste Zeit wirklich gut, aber er muss noch lernen, über den Tellerrand zu schauen, sich nicht auf düstere Synth-Drones und von HALLOWEEN emulierte Steadycam-Unterhaltungen zu verlassen, auch wenn's stilecht ist...und manchmal dann doch wieder nicht. [...]

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                        • Da Nolan ohnehin erklärter Michael-Bay-Fan ist und einige seiner inszenatorischen Taktiken nutzt, liegt es ja auch nahe, dass Interstellar glasklar seine Variante von Armageddon wird.

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                          • 8

                            [...] Michôds Film ist dabei größtenteils stets siedende, schleichende Suspense, immer am Abzug, gefährlich und schließlich in den eskalierenden Momenten präzise mit seinen lahmlegenden Schocks. Hier werden keine stilistischen Kompromisse eingegangen oder explizit ausgewalzt - everything's fucked and the movie just knows it. Deshalb bleibt auch nur selten Zeit zur Auslastung, wenn man hier jenseits der alten Regeln überleben muss und sich, dem festen letzten Ziel folgend, dennoch in ausweglose Zonen begibt. Die Atmosphäre beherrscht alles und lässt deshalb auch so einiges an den gemachten Plänen schiefgehen, weil es unter den Umständen anders gar nicht mehr geht und dennoch tief verletzen, tosen und in Trauer versinken lassen kann [...]

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                            • 8 .5

                              [...] Mit dem Titel „Visitors“ und dem Umstand, dass Reggio vereinzelt über den Mond schwebt, steigt im Zuschauer die Suggestion auf, vielleicht aus den Augen eines ausserirdischen Besuchers zu sehen - immerhin ist jenes virtuelle Auge auch noch dazu fähig, seine Motive in Zeitlupe und Zeitraffer zu analysieren. Und je nach Zuschauer kann es dann auch variieren, was man in diesen detaillierten Analysen erkennt, denn obwohl Reggio eine Reihe von Emotionen, Bewegungen und Momenten aufbietet, bleiben diese einfach und teilweise abstrahiert, eben wesentlich, aber nicht extrem. Doch als menschlicher Beobachter besitzt man einfach auch die Gabe der Wiedererkennung und so einfach und lang, wie man z.B. in die dargestellten Menschen blicken kann, ist eine verständnisvolle Identifizierung nur eine Frage der Zeit, obwohl die Frage, warum sie so (auf uns?) reagieren, noch immer bleibt und umso stärker nach einer Lösung verlangt, da uns als Zuschauer direkt in die Augen zurückgeschaut wird. Sind wir die theoretischen Schuldigen, bloße Beobachter und Analytiker, gar Reflexionen? Egal, was nun die Antwort ist: wir lernen offenbar über die human condition Bescheid. [...]

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                              • 7 .5
                                über Con Air

                                Schon eine ganze Weile nicht gesehen und nun auf Blu-Ray endlich das pure Glück dieses klassischen 90er-Jahre-High-Concept-Mammuts vollends genossen. Der schon bei Michael Bay bewährte Jerry-Bruckheimer-Glow funktioniert auch in dieser Konstellation als schnieke geschriebenes Genre-Konglomerat zur breit gefächerten Popcorn-Action-Unterhaltung, immer mit diesen pointierten Momenten von Humor, Herz und blutig-explosiven, allmählich in der Größe auftürmenden Action-Setpieces in petto. Mit Simon West hat man dabei aber auch einen handwerklichen Experten am Steuer, der die ruppige Kinosommer-Geschichte souverän in eine poppige, aber stets übersichtliche Thrill-Ride verwandelt, getragen von einem epochal-knalligen und herrlich-indiskreten Pathos-Rock-Score der Marke Mark Mancina & Trevor Rabin, ihres Zeichens Over-the-Top-Gotteskomponisten des damaligen Hollywoods, stilistisch so zwischen Meat Loafs & Jim Steinmanns BAT OUT OF HELL II und dem uralten Hans Zimmer - that's my jam!

                                Dazwischen agiert ein profilierter Cast aus noch heute recht aktiven Schauspielergrößen und Charakterdarstellern als voll ausgearbeitetes, zwar klischeehaftes, aber wunderbar funktionales Ensemble für den kurzweiligen Ritt der kriminellen Jagd über den Wolken. Doch all das wäre nur halb so schön, wäre da nicht der aufrichtige Top-Hero und Simple-Man Cameron Poe mit seinen cleveren Armee-Kampfkünsten an Bord, der nach einem nicht gerade günstigen Urteil hinsichtlich einer Notwehrhandlung 8 Jahre im Knast verbrachte und nun den Heimflug antritt, um erstmals seine kleine Tochter zu sehen - weshalb er im Angesicht der Kaperung jenes Flugzeuges allmählich alles daran setzt, seinem Diabetiker-Kumpel zu helfen, sexuelle Übergriffe und den Verlust unschuldiger Menschenleben zu verhindern und vorallem seine Frau & Tochter mit dem Geschenk der Häschen-Puppe zu erreichen, schließlich auch gemeinsam mit dem engagierten Air Marshal Vince Larkin (John Cusack) auf heißen Stühlen unterwegs (= male bonding!).

                                Und heidewitzka, darf Nicolas Cage hier einige echt grandiose Momente erhalten, in denen er sich als astreiner, taffer Leinwandheld beweisen kann, zwar mit HARD-TARGET-Frise und Alabama-Akzent, aber auf die Art natürlich umso malerischer in der Vermittlung des rechtschaffenen Americana-Männermythos, wobei ihm die High-End-Inszenierung mit dem wohl aufgegeiltesten und leidenschaftlichsten Glanz adelt, den man von einem derartigen Blockbuster kurz vorm Millennium erwarten kann. Klar ist 'CON AIR' dabei insgesamt ein unaufhaltsam überbordendes Produkt seiner Zeit, genüsslich am brachial-fixen Aufstellen eskapistischer Atemräuber und Catchphrases, plakativer Psychos und heroischer Kernigkeiten, doch diese innere Ehrlichkeit zum Spaß und zur exakt etablierten Einzelszenen-Jubelei scheint allgegenwärtig und vorantreibend hervor, speziell in dem gelungenen Drang, einen Protagonisten aufzubauen, den wir konstant anfeuern wollen.

                                Poe ist ja auch so cool, dass er beim Finale in Las Vegas indirekt einen Geldtransporter in die Luft fliegen lässt, woraufhin die umstehenden Leute jene Knete freudig von der Straße aufsammeln können - A man of the people! Und dann, wenn West unter den Tönen von Trisha Yearwoods Kuschelrock-Hit 'How do I live' die lang ersehnte Wiedervereinigung vollzieht, steckt da so eine herzliche und wirksame Kitschigkeit drin, dass selbst die härtesten Kerle des Zielpublikums einige Freudentränen des Nachvollziehes verdrücken, wenn ihnen nicht schon vorher der Ständer bei Cages Run durch das Schlachtfeld eingekesselter Polizeimannschaften explodiert ist. Kurzum: ein Meisterwerk des naiven und peppigen Spektakels, die Fluglinie nehme ich immer wieder gerne (im wahren Leben bin ich erst einmal mit einer Cessna geflogen - reicht.)

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                                • 6

                                  [...] Die Zukunft heißt hier nicht Amerika, auch wenn man sich vom Filmischen her gerne an die Jahrhunderte-alten Versatzstücke jener (Western-)Geschichten orientiert hat, aber doch einen guten Einschlag italienischer Trostlosigkeit und demaskierender Härte einbaut, die nicht nur schlicht einen Hauptbösen als Ursache alles Schrecklichen auserwählt, sondern auch das System des normalen Volkes, welches seine Handlungen aus Furcht und auch Respektabilität unterstützt. Gewiss werden dadurch keine neuen Ebenen im Western-Kino eröffnet, stattdessen so ehrfürchtig im Altbewährten aufbereitet, dass die Intensität der Enge vom terrorisierendem Anfang im Verlauf immer mehr abnimmt, bis nur noch ganz gefälliges Publikums-Beruhigen übrig bleibt - aber so, als geradlinige und ruppige, Bullshit-freie Erlöser-Fantasie im staubig-dreckigen Wilden Westen ist THE SALVATION ein recht ordentlicher Reißer fürs Rechtschaffene.

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                                    Regisseur Russell Mulcahy, Erst-Inszenator des HIGHLANDER-Clans, kommt ja aus Australien. Und als er nach seinem Einstand als profilierter Musikvideo-Gestalter mit seiner Filmkarriere anfing, waren in Australien vorallem diese ganz verrückten, wild-variierten Genrefilme der sogenannten 'OZPLOITATION' beliebt. Drum fiel er zu jener Zeit genau richtig rein mit seinem 1984er-Werk über eine gigantische Wildsau, welche Killer-mäßig durchs Outback wütet, mit ihrer beständigen Fressjagd Familien auseinander reißt und deshalb im Verlauf der Handlung von Rache-getriebenen Protagonisten gekillt werden muss. Ganz viele Elemente jener Geschichte lassen sich aus Meilensteinen wie 'DER WEISSE HAI' oder auch 'ALIEN' wiedererkennen, weshalb man auch behaupten kann, vorallem die hyper-stilisierte Ästhetik der Scott-Brüder wiederzuerkennen, nur eben durch die energetische Linse von MAD-MAX-2-Kameramann Dean Semler. Aber gerade dieses Lokalkolorit in jeder Pore der Produktion gibt schon einen besonderen Duft ab, der sich durch die knallige Filmgeschichte jenes Kontinents immer wieder bewährt hat - Autor Everett De Roche legte da schon bezeichnende Grundlagen mit Drehbüchern zu Filmen wie 'PATRICK', 'LONG WEEKEND', 'ROAD GAMES' sowie 'LINK DER BUTLER' (auch heute noch mit 'STORM WARNING') und so verwundert es kaum, dass auch dieser Tierhorror hier aus seiner Feder stammt.

                                    Da kommen ohne Weiteres räudigste Hinterwäldler-Punks (u.a. David Argue aus 'DIE BMX-BANDE') als Sub-Antagonisten zusammen, die in einem siffigen Schlachthaus (für Hundefutter aus Känguru-Fleisch!) jenseits der Zivilisation malochen, nebenbei auf nächtliche Känguru-Jagd gehen und, ohne Scheiß, in einer rotzigen Höhle wohnen - eben die ganz normalen Kaff-Boys dieses Landes. Klar ist 'RAZORBACK' da schon ein absurdes Stück Kino, allerdings sogar in einem Rahmen gesetzt, der die Wirkung von außen anhand eines separat-eingereisten, später sehr unglücklich-getrennten Paares aus Amerika beleuchtet - sicherlich ein bewusstes Zuspiel fürs internationale Publikum, aber doch wirksam als irrer, wirrer Cultureclash umgesetzt. So oder so hängen wir von Anfang an diesem alten Mann Jake (Bill Kerr) hinterher, der seinen Enkelsohn eines Nachts an die stürmische Bestie verliert, dem aber niemand Glauben schenken will, deshalb verbittert und zornig darauf schwört, das Viech in die ewigen Jagdgründe zu schicken - eben ein taffer, kompromissloser Kerl, haunted by the past, somit der qualifizierte Badass des Films. Dazu kommt zunächst die Reporterin Beth Winters (Judy Morris) aus New York (welches in lediglich einem Schnittbild als besonders Ghetto-grotesk dargestellt wird) rüber, um über jene berüchtigten Känguru-Jagden zu berichten und eine Zeitlang glaubt man, dass sie unsere designierte Heldin wird - aber weil der Film schon 30 Jahre auf dem Buckel hat, kann ich ja ruhig verraten, dass sie einerseits von diesen aufdringlichen Backwoods-Ekelbatzen Dicko & Benny attackiert, beinahe vergewaltigt, auf jeden Fall ebenso vom 'Razorback' aufgefressen wird.

                                    Nun können Uneingeweihte wieder mitlesen, denn Beths Ehemann Carl (Gregory Harrison) - der als Kanadier noch weniger einen Plan von Australien hat - macht sich auf die Suche, herauszufinden, was denn nun genau mit seiner Frau passiert sei und so infiltriert er als Arbeiter das Schlachthaus von Dicko & Benny, wird von diesen sofort auf die Probe der asozialen Ranzigkeit gestellt und darf des Nächtens schon auf eine traumatisierende Känguru-Jagd gehen, welche darin mündet, dass er verschreckt auf dem toten Körper eines jener erlegten Tiere einschläft und daraufhin von zahlreichen Wildschweinen gejagt wird, die ihm einen wahrlich abgefahrenen Traum von endlosen, verdrehten Wüstenlandschaften und lebendigen Skeletten verschaffen. Die visuelle Eigensinnigkeit jener Szenen ist sicherlich ein surrealer Genuss, verschmilzt aber ebenso mit der verqueren Quasi-Endzeit-Terror-Optik der realen Handlung, welche von Mulcahy und Semler in hart gefärbte Weitwinkel-Kompositionen voller Staub, Sturm, Hitze, Rauch und Strahlen gehüllt und von einem stets leicht abwegigen Schnittkonzept mit fantasievollen Übergängen und nachträglichen Zoom-/Wackeleffekten verdichtet wird. Der Stil setzt der wirklich simplen Prämisse die aufregende Krone auf, wird dessem anarchischen Fieberwahn aber dann doch ordentlich gerecht.

                                    Für die altbekannten Genre-Regeln lässt man sich dennoch ebenso Zeit und so gibt der Narrativ unserem gepeinigten Carl, dessen Schicksal sich mit dem von Jake nun mal kreuzt, einen neuen versöhnlichen Hoffnungsschimmer vom Wiederaufbau des Familienkonzepts in der jungen Sarah (Arkie Whiteley), welche auch als einzige noch Jake unterstützt (seine Verwandten haben sich schon längst von ihm abgewandt) und daher auch gut mit Waffen umgehen kann. Alles arbeitet wohlweislich auf das große blutige Finale im Schlachthaus bei Blitz & Donner hin, zwischen aufgehangenen Tierkadavern und eingefettet-rasselnden Metall mit einem schwitzig-stinkenden Animatronic-Creature und einem dringlichen, wenn auch gut risikobereiten final boy - ein deftiges und sattes Scharmützel, auch ein bisschen chaotisch, aber durchweg mit voller Power. Was insgesamt am Film dann hängen bleibt ist grandioser Horror-Schlock im bizarr-industriellen und verdreckt-wüsten Videoclip-Chic, getragen von dieser typisch-fremdartigen Aussie-Aura mit ihren zahlreichen, kernig-biersaufenden und urigen Gesellen des kulturellen Exzesses. Wenn es aber etwas gibt, dass ein bisschen doll an der eskapistischen Qualität nagt, dann ist es der etwas billig-gehaltene Synth-Score, welcher zwar immer noch an den richtigen Stellen ein stimmig-mystisches Ambiente vermittelt, den Film an sich aber noch tiefer als nötig in seine Entstehungszeit wurzelt. Wer darüber hinwegsehen kann, erhält aber dennoch einen schön quirligen Monster-Reißer zwischen klassischem Spannungsaufbau und australischer Manie, eben ganz auf der Wellenlänge des außergewöhnlichen Kinos.

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                                    • Schade, dass Delicatessen nicht noch einen anderen seiner Lieblingsfilme führt: "Die letzte amerikanische Jungfrau". Ist jetzt nicht als Witz gemeint - scheint ja an sich ein ganz netter, schusseliger FratKerl zu sein. Aber die schamlose Beverly-Hills-Cop-4-Promo war echt wieder zu over-the-top.

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                                        [...] JEDER wird er selbst und alle kommen zusammen im Angesicht des langsam am Krebs sterbenden Vaters, lernen dabei Versöhnung, den Sinn des Lebens und werden glücklich bis ans Ende ihrer Tage. Für jeden Topf gibt es nun mal einen Deckel, für jeden konstruierten Gag eine künstliche Träne, für jedes Gefühl einen aufgeblasenen Song, für jeden Sonnenstrahl ein Lächeln, für jede Ungehobeltheit eine Respekterweisung, für jeden Film dieser Art eine schon längst ausgeschöpfte Formel. Das Leben ist schön, wir lieben uns, Glück und Weisheit für alle: die wohl räudigste und beleidigenste Filmerfahrung des Jahres.

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                                            [...] Wir sind bereits in der Hölle auf Erden gelandet und unsere Beschützer von Recht und Ordnung sind dementsprechend dämonisch-lungernd, lasziv-notgeil und intrigant-durchtrieben. Diese These ist für Letztgenannte nicht unbedingt als Selbsterkenntnis gedacht, aber für den Zuschauer gut fühlbar, auch wenn Dupieux’ Film nicht gerade zum Schockiertsein einlädt und mindestens ebenso wie seine zynischen Charaktere arrogant-launig vor sich hin dröhnt – und dabei kaum wirklich erzählen, nur frei von Konventionen er selbst sein will. [...]

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                                              Kurz gesagt: auch heute noch auf der Leinwand einer der widerlich-krassesten, beklemmendsten und perfektesten Horrorfilm-Erfahrungen überhaupt. Danke, mein liebes Savoy Kino in Hamburg :)

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                                              • 4

                                                [...] Was bleibt ist Ernüchterung, nicht weil man als Fan beim Einblick der Hintergründe desillusioniert wurde, sondern weil man trotz des ungehaltenen Zugangs nur das gesagt bekam, was man sich auch selbst zusammenreimen könnte, nur eben mit diesem kommerziell glatten, harmlosen Gloss (selbst ein Mittelfinger Eastmans im Archiv-Footage wird geblurrt) - recht erwartbar für so eine seit Jahrzehnten muhende Cashcow, immerhin ist 'Turtle Power' auch ein Tie-In für den neuen Turtles-Spielfilm von Jonathan Liebesmann, da ist ja Offenheit wohl schon von Vornherein verbannt. [...]

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                                                  • 5 .5

                                                    https://www.youtube.com/watch?v=--Oqm8ayoEQ - Das ist alles, woran ich mich erinnere...

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