Dergestalt - Kommentare
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Alle Kommentare von Dergestalt
"Mr. Pickles" ist irgendwo zwischen "South Park" und "Happy Tree Friends" anzusiedeln. Zwar hat die Serie weder einen deutlich gesellschaftspolitischen Drive noch einen konstanten Goregehalt, übersteigt beide Formate in seiner Asozialität aber dennoch um Weiten. Mr. Pickles, der namensgebende satanische Border Collie ist eine Figur, die alles möglich macht: SM-Sex mit steriodgepumpten Bären, Mutanten aus Menschenfetzen in der Höllengrotte und skalpierte Gesichter, die elegant mit einem Stein zerquetscht werden. Diese krasse Figur dann in einer Welt voller gestörter, heruntergekommener Irrer, die egoman jede Gelegenheit nutzen, ihre, oft fetischhaften Triebe aufzuüben. Lustiger Kniff dabei: Mr. Pickles' Familie ist die einzige unschuldige Konstante und nur sie wird von Mr. Pickles auch verschont.
Klar ist natürlich, dass "Mr. Pickles" vor allem die "niederen" Bedürfnisse des Zuschauers bedient, mit einer für das heutige Fernsehen erstaunlich rücksichtslosen Ausschlachtungsmanier. So wird vor keinem gesellschaftlichen Tabu Halt gemacht, locker nebenbei auch die amerikanische Gesellschaft verarscht, die eben stets damit beschäftigt ist, die Tabuzonen zu verdrängen. Mit kreativer Brutalität werden die also ans Licht geholt und in allen ihren Runzeln, Falten und verschissenen Öffnungen plastisch ausgestellt. Irgendwie ist "Mr. Pickles" also das dreckige Unbewusstsein dieser Nation, sexuell gestört, asozial und einfach herrlich anzusehen. Der "Ex Drummer" unter den Comicserien, die nötige Anarchie im Fernsehen.
Ach ja, das Phänomen Kafka und natürlich das Phänomen Kafkakäfer. "Die Verwandlung" ist sicher der popkulturell tauglichste Stoff des Schriftstellers, gerade weil er der bildhafteste, griffigste und vielleicht auch intuitiv verrückteste ist. Also rein in die Samplingmachinerie. Dabei nicht zu vergessen: Autobiografisches. Denn Kafka selbst ist für den Pop mindestens so wichtig wie sein Werk.
Der skurril betitelte "Franz Kafka’s It’s a Wonderful Life" vermengt nun Werk, Entstehungsgeschichte und freie Einfälle ganz drollig miteinander, sodass hier Schreibblockaden eines Kafkas, zermatschte Käfer, aber auch sonderbare Nachbarn ihren Platz finden. Kein Klischee scheint ausgelassen und am Ende darf sogar etwas pointierter Kitsch sein. In seiner spielerischen Launigkeit ein nettes Filmchen, das durchweg unterhält, aus dem Fundus diverser Kafkaklischees aber auch nicht mehr macht als ein nettes Popbonbon für Kafkafreunde.
"Macht sie fettich!"
Unbedingt in der deutschen Fassung sehen! Nur dann entfaltet "Roboter der Sterne" sein charmantes Flair aus poppig-trashiger 70er-Sci-Fi mit heißer Mucke und skurrilen Hinterwäldlerdialogen. Denn es scheint wirklich, als hätten sich Harry, Horst und Thorben persönlich zum gemütlichen Nachsynchronisieren getroffen. Da grollt plötzlich die Schwiegermutter, natürlich nur wenn es gerade mal keinen "Roboter in eigener Soße" gibt. Heidescholli!
Ja, das macht diesen Film dann erstaunlich sympathisch, geradezu drollig. Dazu Plastikroboter, die sich in bester Godzilla-vs.-Monsterkrabbe-Ästhetik kabbeln, während böse Footballspieler Footballbomben werfen und ein beknackter Bulle auf dem Heißluftballonfahrrad herumdödelt. Das ist mal zum Bepissen lustig, mal auch etwas ausgeleiert-lahm. Der Konsum bewusstseinsverändernder Drogen dürfte definitiv aushelfen. Dann gibt es eigentlich auch nix mehr zu meckern!
- "Am besten, wir werfen seine Leiche in den See."
- "Moment, stop! Er war ein bekannter Wissenschaftler."
- "Dem See ist das doch egal!"
Böse Drogen.
Das brave Comicuniversum sieht es gar nicht gern, wenn seine ehemaligen jungen Zuschauer zu drogensüchtigen Teens werden. Die Kinderhilfe von McDonalds (!) weiß aber Rat, trommelt rasch die Helden diverser Comicuniversen zusammen und schickt sie mit einem ideologischen Frontalangriff in den Kampf gegen die Drogen. Das Ergebnis ist ein mittelmäßig unterhaltsamer, farbenfroher Film, der natürlich vor allem dann Spaß macht, wenn die sonst unbefangenen Comicfiguren plötzlich merkwürdig hölzerne Phrasen zum Drogenverzicht aufsagen. Soll natürlich nicht hölzern wirken, deshalb versucht der Film (umso hölzerner) all die typischen Schrulligkeiten der Figuren beizubehalten, was angesichts der steifen ideologischen Fokussierung nur mäßig gelingt. Dazu auch das altbekannte Anti-Film-Problem der Ästhetisierung: Wenn die Drogenwelt als wild-düstere, psychedelische Achterbahn visualiert wird, macht das allen wohl mehr Spaß als dass es schreckt. Aber okay, mit der ganzen Verlogenheit der Sache fange ich besser gar nicht erst an. Fakt bleibt, dass der im Deutschen so großartig betitelte "Comic-Stars gegen Drogen" viel mehr solcher Over-the-Top-Momente der Drogenkritik gebraucht hätte, um seinem skurrilen, realitätsfernen Konzept treu zu bleiben. So halt ganz okaye Druxploitation mit lächerlicher Ernsthaftigkeit. Für den Trashfreund genießbar und immerhin fast fünfmal so gut wie "Saving Christmas".
"Bellflower" ist schon ein besonderer Film. Ähnlich wie der Indie-Horrorhybrid "Spring" vermengt er Genrekost (Flammenwerfer, Mad-Max-Karre) und Liebesdrama in lockerlässiger Instagramästhetik. Im hyperreferenziellen Hipstercollagestil des 21. Jahrhunderts scheint alles möglich. Dazu ein sympathischer Cast, der die Figuren mit der nötigen Lebensnähe rüberbringt und einige interessante Brüche und das Ding liegt schon mal über dem Durchschnitt. Weiter geht es dann aber auch nicht, denn auf seine 100 Minuten verharrt der Film trotz Extravaganzen gemütlich im nachbarschaftlichen Milieu mit all seinen altbekannten Eifersuchtsdramen, baut seine Apokalypse-Idee mit all dem Actionpotential nicht aus, lässt mögliche Eskalationen im Vagen. Echt, wo geht all die Wut hin? Das wirkt dann doch eher undynamisch, teils echt lahm. Die psychotischen Untertöne gegen Ende reißen es dann auch nicht mehr. Ein grundsympathischer, schließlich auch runder Film, der in die richtige Richtung geht, aber seinen Flammenwerfer nicht abfeuern will.
Was ist denn das?
Seht euch bitte alle mal den Trailer an und werdet genauso kirre wie ich. Oder kurz on da point: Fuck, sieht das geil aus!
- Spring Breakers
- Natural Born Killers
- La Grande Bellezza
- Laurence Anyways
- Fear and Loathing in Las Vegas
Eine würdige Kritik zu diesem meisterhaften Ding! Adjani ist brutal gut, Neill aber auch und die ganze rohe, kalte, zugleich irre Cinematografie (typisch Zulawski vielleicht, aber hier besonders krass) schießt den Film dann vollends in den Kosmos. Ebenso nicht zu verachten: Heinz Bennent als vollkommen hirngefickter Guru mit metaphysischen Störungen.
Insofern stimme ich der Kritik vollkommen zu: Unbedingt ansehen, man kann nicht nicht beeindruckt sein, egal, was man sonst so gucken mag.
"Rosemary's Baby" ist dagegen allerdings niedliche Kinderkacke.
Worüber nicht mehr gesprochen werden muss: "Elle" ist ein kontroverser Streifen.
Worüber definitiv gesprochen werden muss, wozu der Film regelrecht herausfordert: Warum ist "Elle" ein kontroverser Streifen?
Vielleicht, weil er dem geneigten Zuschauer unverschnörkelte Vergewaltigungsdarstellungen vorsetzt? Oder nicht eher, weil er absonderlich kühl mit diesen verfährt, eben kein sentimentales Identifikationsstück daraus bastelt?
Die großartig aufspielende Isabelle Hubert zeigt sich als Frau, die sich eben nicht durch Gewalt beugsam macht. Durch ihre Biografie hat sich Michèle bereits ausgiebig mit der Opferrolle auseinandersetzen müssen und dieses Mal will sie sich dieser nicht einfach fügen. Der Moment ihrer Vergewaltigung bedeutet den Moment der Auseinandersetzung mit der Flexibilität von Opfer- und Täterrollen. Und sie, als (prototypisch schwache) Frau, will diese Auseinandersetzung gestalten. Gerade darin ist ihre Härte, Unerbittlichkeit begründet, die manchen Zuschauer sicher verschrecken, vielleicht sogar entlarven wird, der sich lieber ein fügsames Vergewaltigungsopfer gewünscht hätte, dem schlicht Mitleid zu wünschen ist. Aber das ist hier sicher nicht zu haben und so bohrt der Film tief in die Substanz.
Dass "Elle" dabei zu keiner psychologisch durchgeplanten Sache wird, zeichnet den Film aus, bringt ihn aber auch ins Straucheln. Die vielen Leerstellen in der Motivation der Figuren, deren Rätselhaftigkeit sind ohne Frage faszinierend. Und überhaupt ist es nur angemessen, so etwas irrational Heftiges wie eine Vergewaltigung nicht schlicht zu erklären. Nicht zuletzt erhält der Film so auch genügend Raum, um sich in schwärzestem Humor zu ergehen - eine derbe Abrechnung gen Lügen und Fadscheinigkeit des psychopathisch-verlogenen Bürgers. Andererseits verliert "Elle" in seiner rücksichtslosen Rasanz und Zuspitzung bisweilen die Nachvollziehbarkeit, gerade manch plötzlicher Schicksalsschlag (Tode, Unfall) wirkt deutlich aufgesetzt. Hier reicht Verhoeven das inhärente Groteske seines Films wohl nicht. Nur gefährdet er den düsteren Plot damit in seiner Ernsthaftigkeit und Bedrohlichkeit. Aber ist das auch nicht wieder mutig? Ein bisschen derbes Exploitationgehabe im sonst so clean-dramatischen Arthouse? "Elle" bleibt Konfrontation.
Wer auf ästhetisch bunte Pop-Art und Jane Birkin steht, wird mit dem zuckersüßen "Wonderwall" voll bedient. Ein alter, schrulliger Professor im Einstein-Look blickt durch seine Wohnungswand, entdeckt dahinter ein Hippie-Apartment, schrille Farben, Glitzer und psychedelische Musik (George Harrison himself is playing). Diese sinnliche Gegenrealität, die vor allem von der wunderhübschen Penny Lane (Birkin) verkörpert wird, zieht den intellektuellen Schwerkopf natürlich an. Zuerst sind es nur surreale Träume, bald richtet er aber auch sein echtes Leben vollends an diesen Hippiekosmos aus, beobachtet dessen Treiben und Penny ununterbrochen durch den Wonderwall in seiner Wohnung, bald mit der Hoffnung, selbst Teil der kosmischen Gemeinde zu sein. Und seine Chance kommt bald.
Die großartigen Bildkompositionen, die kräftigen Farben, der dichte Sound und nicht zuletzt die wunderbar grotesken Traumsequenzen (Riesenzigaretten, Riesenlippenstifte) machen "Wonderwall" sicher zu einem kleinen Schatz, zumindest was sein audiovisuelles Medium betrifft. Daneben bleibt aber nur wenig Substanz, da sich der Film in seinen sanft erotischen Hippieeskapaden und komplementär dazu der slapstickhaften Realität des Professors voll erschöpft. Ein bisschen kosmische Inspiration darf dann auch sein, die Verbrüderung von intellektueller und sinnlicher Erfahrung, aber alles bloße Skizze und wohlbekannt. Trotzdem ein schöner Zeitvertreib. Wonderwallalike.
Gore Verbinski also. Der Mann hat dank seiner "Pirates of the Caribbean"-Reihe schon profunde Blockbustererfahrung und durchaus ein Händchen für schratige Fantasywelten. In seinem ambitionierten "A Cure for Wellness" will er dann noch weiter gehen, setzt eine irreale Horrorheilanstand in auskomponierte Bilder, mischt großzügig Horrorfilm, Psychodrama und Fantasy und gibt dem sogar eine verspielt groteske Note. Relativ schnell wird klar, dass dieser Genremix auf seine enorme Laufzeit aber Verschleißerscheinungen bereithält. Denn so richtig kommt die Geschichte nicht in Gang, zwischen diversen Symbolen findet sich kein Fokus, die Dramaturgie hängt entweder durch oder ist nicht zu erkennen. Zu Beginn geht das noch in Ordnung, da der Film mit seiner Atmosphäre, den schönen Kulissen und Einstellungen sowie seinem verschrobenen Touch durchaus interessant bleibt. Dann aber soll doch irgendwo eine Handlung her und die Klischeekiste öffnet sich wie auf magische Weise.
Für jedes Genre, das der Film bedient, gibt es nun ein stereotypes Bild, für jedes Symbol eine übertriebene Erklärung. Und wenn mal etwas offen bleibt oder sich spannende Ideenkonflikte andeuten (Neoliberalismus als Körperlosigkeit) fehlt die Konsequenz, jenseits fahler Phrasendrescherei zu einer echten/poetischen Auseinandersetzung zu kommen. Mit zunehmender Laufzeit erweist sich Verbinski vielmehr wieder als der echte Blockbustermann und schmeißt altbekannte Abziehbilder des Horror- und Fantasykinos munter in einen Topf, eine fast niedliche Revue schon tausendmal gesehener Szenen. Könnte als exploitationhafter Knaller dann fast funktionieren, bleibt aber doch zu behäbig und nimmt sich letztlich viel zu ernst. Schade um die soliden Schauspielleistungen, die teils herausragende Inszenierung und Bildsprache, aber "A Cure for Wellness" bleibt ein trauriger Filmkrüppel, der manchmal charmant wagemutig, aber sonst fast durchweg blöd ist.
"It Follows" ist nichts anderes als eine kleine Horroroffenbarung. David Robert Mitchells Juwelchen ist nicht nur einer der besten modernen Horrorfilme, sondern auch ein Streifen, der so manchen Kultklassiker des Genres locker beiseite fegt. Das liegt nicht nur am herausragenden audiovisuellen Design, das sich gekonnt zwischen stilsicherem 80er-Bekenntnis und ungreifbar-dröhnendem Psychoterror verortet, sondern auch an der innovativen Struktur des Films, der die ewiggleichen, lahmen Erwartungen ans Horrorgenre gekonnt sabotiert und den Zuschauer schön in die Leere führt. Und da gruselt es sich doch gleich am besten.
Mitchell kennt das klassische Horrorkino und dessen obzessive Beschäftigung mit dem Erwachsenwerden, dem Sex, der Angst. Zielgenau schält er seinen Plot also auf jenen banalen Mechanismus herunter, den man so kennt: Wer fickt, darf sterben. Und fertig. Scheiß auf paranormale Motivationen des Horrors. Scheiß auf die übliche Hektik, den Jumpscare-Zirkus mit kurzen Einstellungen. Das breitgezogene Konzept seines Films nutzt Mitchell lieber, um in schwebenden Einstellungen eine träumerisch-düstere Nachsommeratmosphäre zu schaffen, in der die Teenager des Films dann umherirren. Kontextualisierung und Rettung durch Erwachsene gibt es hier nicht, ebensowenig große Backgroundstorys für die Figuren. Alles, was den Film irgendwie als real erden könnte, streicht Mitchell selbstbewusst raus. Stattdessen sonderbare Symboliken, groteske bis surreale Bilder und Schocks, die in ihrem trägen Offbeat-Charakter fast immer dann kommen, wenn man nicht damit rechnet. So ist "It Follows" dann auch richtig fies und wartet stets mit neuen Überraschungen auf. Auch wenn der Film gegen Ende leider mit ein paar Over-the-Top-Momenten auftrumpfen will, behält er seinen rätselhaften Charakter bei und kommt nie in die Versuchung den Horror zu erklären und damit greifbar und harmlos zu machen. Insofern mag "It Follows" für viele eine halbgare Erfahrung sein, für mich gibt er dem Horror endlich das zurück, was ihn per se eigentlich ausmachen sollte: Unberechenbare Irrationalität.
"Schön und gut, doch was sieht man? Puh. Viel, sehr viel. Einen wilden Zauberer, satte Farben, Pop-Art-Italoquatsch, Dada-Surrealism-Pulp-Pop-Philosophy, Sixties Zeug, Seventies Zeug. Performancekunst, Hippie-Weirdo-Psycho-Shit, auf geht's hoch zum Mond, dazwischen mal sowas wie ein Plot [...]"
- Thomas Groh @perlentaucher: https://www.perlentaucher.de/berlinale-blog/2017/02/09/fernando-birri-org-1977-berlinale-2017-forum-filmkritik.html
Also angucken!
Tut, tut - ein Film wie ein sehr schöner Unfall. Wenzel Storch führt den Zuschauer mit seiner "Reise ins Glück" in ein ganz eigenes quietschbuntes Universum. Irgendwo zwischen Kinderkanal, Säurebad, Schlingensief und Jodorowsky steigt der Beklopptheitsgrad in psychedelische Sphären, transzendiert gewissermaßen. Selten bekommt man ein Werk serviert, das so sehr zwischen Hardcore-Trash und imposantem Kunstkino hängt. Die Kulissen sind billig, aber so massiv, kreativ und total, dass Storchs Mammutprojekt die Realitätskoordinaten des Zuschauers durchweg verdreht: Schrillbunte Märchenwelten voller Schnickschnack, komische Apparate an jeder Ecke, sonderbare Kostüme und psychedelische Effekte samt Stop-Motion-Welten erinnern in ihrer Gewitztheit an einen (allerdings gestörten) Jean-Pierre Jeunet, auch mit ihrem morbiden Einschlag ("Delicatessen"). Daneben dann aber auch trashtypisch abrupte Szenenfolgen, schludrige Handlungsmotivationen und Nicht- bis Über-Schauspiel. Nicht zu vergessen auch die ständigen Sex- und Fäkalanspielungen, die in ihrer Dreistigkeit sogar ein morgendliches Natursektbad für Kinder vorsehen. Hier verreckt jede moralische Koordinate. Apropos: Wenn das riesige, sexgeile Schneckenboot (!) dazu ansetzt, eine bunte Kirche zu ficken (!!) und dabei auch in das Kirchenschiff spritzt (!!!), ist der Höhepunkt des entfesselten Irrsinns erreicht. Das ist weit mehr als bloßer Trash, aber auch sicher mehr (oder weniger) als Kunst. Es ist ausgekotzte Acidscheiße, die so herrlich schimmert, dass man Herrn Storch für seine Hippieanarchoattitüde einfach fick- ähm danken will!
Ungarn hat sein eigenes "High Maintenance"! Hier vielleicht bisschen düsterer als es im sonnigen Hipstermilieu amerikanischer Großstädte zugeht, aber strukturell doch ähnlich. Auch hier haben wir eine episodische Struktur, da ein Dealer seine verschiedenen Kunden besucht und so in deren Leben einsteigt, ein bisschen selbst Teil davon wird. Okay, bisschen, bisschen - Spaß beiseite: "Dealer" ist hart, ein grauer Klumpen von Film: Lang, zehrend, kalt. In schwebenden Kamerafahrten, entsättigten Bildern und steten, dröhnenden Ambientsounds sehen wir zerstörten Existenzen bei der fortwährenden Selbstzerstörung zu. Der Dealer scheint gegenüber diesen drastischen Lebensschicksalen zunächst namenloser, unkonturierter und somit unbeteiligter Zuschauer, aber das ist er eben nicht, und das zeigt der Film bald.
Nicht nur, dass er all der Selbstzerstörung den nötigen Stoff gibt, er ist auch selbst getrieben und mindestens ebenso zerstört. Das Schmerzvolle für ihn dabei: Er kann als ewiger Beobachter selbst noch zu genau beobachten, wie die eigene Suche nach Halt in grenzenloser Leere mündet. Die schreckliche Drogenwelt hier ist total, sie gilt für jeden.
Indem die Einstellungen in ihrer zähen Schwebe dumpf andauern, bleibt der fast voyeuristisch eingefangene Schmerz der Figuren erhalten, erstreckt auf fast irreale Weise, aber in seiner gefühlten Endlosigkeit wohl so genau richtig eingefangen. Zu dieser irrealen Darstellung real wirkender Begebenheiten treten dann auch irreal wirkende Begebenheiten, die fast beiläufig, isoliert auftreten und regelrecht allegorischen Charakter erhalten: Ein Mann liegt wie tot auf dem Gehweg, irgendwo seine Aktentasche. Zwei Erwachsene rennen mit einem Kinderwagen durch den Wald. Irgendwo zerschlägt ein anderer Mann eine Autoscheibe. Schnell wird klar: Das ist das Wesen dieser Welt, jene der Abgehängten, Süchtigen. Hier gibt es keine andere, gesunde Gesellschaft, keinen Gegenentwurf mehr. Abstieg, Verfall, Tod sind absolut gesetzt. Schwärze, Leere als Hauptmotiv des Films. Ein beeindruckender, niederzwingender Trip.
The Brian Jonestown Massacre.
The Dandy Warhols.
Welche der beiden Bands kennt man wohl eher? Bohemian Like You, Baby!
Und das trifft auch schon den Kern von "Dig!". The Brian Jonestown Massacre bzw. deren Masterwand Anton Newcombe als die genialen, unterschätzten, abgewetzten Rockschöpfer der 90er auf der einen Seite. Auf der anderen die ungleich poppigeren, attraktiveren Dandy Warhols, die letztlich den Fame abgreifen, aber dabei immer wieder betonen, dass Newcombe doch der eigentliche Star ist. Rockromantisch bleibt er der fetten Kohle fern, verkackt jeden Deal mit seinem unzähmbaren Genuis, aber bleibt letztlich der true musican. Klingt nach derber Stilisierung und beide Bands scheinen sich gut in diese Schablonen zu fügen: Newcombe ist das ewigsuchende Hippierelikt mit ordentlich Arschlochkomponente, die Dandy Warhols zurückhaltende, bescheidene Leute, die einfach nur ihren Rock an die Leute bringen wollen, letztlich aber vor allem Guru Newcombe anhimmeln und beneiden, angesichts seines manischen Scheiterns aber auch bemitleiden.
Dass der Film trotz der schematisch angelegten Gliederung fließt, verdankt er dem wirklich (!) rauen, flott geschnittenen Filmmaterial in mäßiger Qualität, den völlig übersteuerten Exzessen von Newcombe, der mal eben vor laufender Kamera von der Polizei gefilzt wird und natürlich der stets treibenden Musik der beiden Bands. Rock'n'Roll in jeder Hinsicht. Richtig konstruiert scheint der Film wirklich nicht und die negativen Reaktionen der Bands angesichts dessen Erscheinens mag seine Authentizität nur bestätigen. Aber eigentlich auch egal, denn "Dig!" hat in seiner lebendigen Art ordentlich Drive, ist schön launisch, zieht sich daher auch ein bisschen, aber beschert durchaus 'nen netten Abend voller Rock'n'Roll-Attitüde mit all ihren Klischees oder eben Wahrhaftigkeiten. Wie auch immer.
Kafka zu verfilmen ist nichts Besonderes, passiert ja häufiger. Was verwundert, denn Kafka ist sicher schwere Kost, in seiner Gedankenschwere nicht unbedingt leicht zu adaptieren. Andererseits finden sich in seinen Werken viele starke Bilder, Metaphern, die immer wieder das Unbehagen, Mensch zu sein, wachrufen und damit schließlich auch die Faszination gegenüber den eigenen Untiefen. Womit wir auch schon direkt beim "Bau" und seiner Psychoschau sind. Jochen Alexander Freydanks Film setzt einerseits auf eine dichte apokalyptisch-düstere Atmosphäre mit entsättigten, ambientsoundgeschwängerten Bildern, einer (auch innerlichen) Industriegesellschaft, andererseits auf das kauzige bis aufgekratzte Spiel eines überzeugenden Axel Prahl, der hier eine ziemliche One-Man-Show auf fast zwei Stunden stemmt. Angereichert mit diversen, leider oft gebrummt-genuschelten Textausschnitten und ohne richtigen Drall in der Storyentwicklung ergibt das ein inszenatorisch schönes bis beeindruckendes Psychogemälde, das so behäbig und schräg wie der Protagonist und sein Bau in der Landschaft steht. Die Horror- und Thrilleranleihen kommen leider generisch und billig und bessern nichts an der ewigen Statik dieses leider verkopften, wunderschönen Kunstkunstkinos. Na ja - wer den dramaturgisch ähnlich leergeräumten "High Rise" mochte, wird auch dem "Bau" etwas abgewinnen können. Dürfte auch nicht schaden, vorher schon mal in Kafkas Erzählung reingelesen zu haben, damit man Brummonkel Prahl nicht die Lippen lesen muss.
Drei Mädel gegen 23 Persönlichkeiten. Dass M. Night Shyamalan ambitioniert ist, liegt auf der Hand und sein neuer Film beweist das rein quantitativ. Dass Shyamalan in der Umsetzung seiner... visionären Ideen hingegen oft abkackt und in krude Gefilde, gerade was seine "Twists" betrifft, gerät, aber ebenso. "Split" überrascht insofern gar nicht. Schade sind nur zweierlei Dinge: Erstens, dass ein talentierter James McAvoy dabei verheizt wird und zweitens, dass Shyamalan mit seinem überraschend überdurchschnittlichen Comeback "The Visit" qualitativ leider bricht. Enttäuschung kann Shyamalan tatsächlich ganz gut.
Zunächst ist der Film ordentlich angelegt. Es geht flott zur Sache, die Inszenierung sitzt und James McAvoy bringt genüsslich und mit gutem Timing eine Overactingleistung nach der anderen ohne seine gewisse Creepyness einzubüßen. Wobei man sich schon hier wundert, dass dabei von seinen vielen Persönlichkeiten nur wenige zu sehen sind. Na ja. Da durch den direkten Einstieg eigentlich keine Backgroundzeichnung der Figuren vorgenommen werden konnte, verblassen die ohnehin nur bemüht gespielten Mädels noch dazu vor McAvoys Darstellung. Lediglich die kämpferisch-kluge Casey wiegt die Kontrahentenseite etwas auf. Aber na ja again, denn ihre Hintergrundgeschichte, die dann doch parallel erzählt werden muss, ist an Symbolschablonen so voll, dass man schon Schlimmes ahnt. Und ja, man liegt richtig: Seine große Nummer an psychotischen Persönlichkeiten will Shyamalan erst gar nicht dynamisch präsentieren - lieber also übelste Küchenpsychologie, die schließlich noch in peinlich ausbuchstabierten Mystikquereleien mündet. Da hat McAvoy dann auch die Gipfel seines Overactings überschritten und der Film den schnellsten Weg gen Lächerlichkeit genommen. Ist die erste Hälfte noch kurzweilige, wenn auch nicht mitreißende Thrillerkost, rutscht der zweite Part in unangenehm durchpathetisierte Symbolkonflikte ab, deren Hintergründe nach und nach aufs Banalste präsentiert werden. Imagination, Leerstellen, Unsicherheiten - alles, was man dem Grundkonzept hätte abtrotzen können, stampft Shyamalan zu einer fahlen Pose zusammen. Ach ja, und eine wunderbar fette Logiklücke gibt's auch noch zu bestaunen. Für die Multiplexfressgeneration sicher ein ordentlicher Happen, für mich verfeuertes Potential. Aber war ja klar.
Och, eigentlich rechnet man ja damit, dass ein Film von Frank Zappa total banane wird. Andererseits kann man sich rein sinnlich wohl kaum auf so einen dramaturgielosen Overkill einstellen. "200 Motels" ist weniger Film, als eine sonderbare Kunstinstallation, die Band- und Orchesterauftritte sowie handlungsarme Miniaturgrotesken collageartig zusammenwirft. Dann noch flott einen psychedelischen Filter drüber, der die Bilder einfärbt und mit gleitenden Layern und Mustern verwirrt und schon sitzt man ratlos und durcheinander da. Öhmni.
Eigentlich ist das ganze ja eine Hymne an den Rock'n'Roll bzw. an seine wichtigen Begleiter Sex und Drugs. Entsprechend kommen auch Zappas vulgäre Lyrics nicht zu kurz, ein bisschen Nackedei noch und überhaupt ganz viel Hippieflair. Frech, aber harmlos. Eher darf man die Sinne attackiert sehen, denn nach all dem Flackern und Springen ist vor allem die Zeitwahrnehmung hart gefickt und der Film trotz diverser Längen schnell vorüber. Eigentlich auch an Angriff auf die Orientierungskoordinaten, die manch einer während dem Filmkonsum vielleicht lieber behalten hätte. Immersiv, nice, eine Erfahrung. Öhmni.
Viggo Mortensen gibt seinen ganzen Körper her, dafür soll er auch den Oscar bekommen!
Another Serbian Film. Die Radikalität eines modernen serbischen Kinos wird ja gern mit der schwierigen Vergangenheit des Landes und den fatalen Folgen für die Kultur erklärt. Beziehungen werden durch Gewalt und Machtverhältnisse instrumentalisiert und zerstört, das Medienrauschen überkommt die zwischenmenschliche Kommunikation, das Land hungert, beißt, dreht durch, aber findet kein Ziel. Die irritierende Schwerelosigkeit, die mit einem solchen Zustand einhergeht, fängt "Život i smrt porno bande" mit kühner Hippiehaftigkeit ein und scheint zunächst sogar positive Kraft daraus zu gewinnen: Wo keine Grenzen mehr bestehen, kann Radikales, Neues entstehen. Alte Machtstrukturen von Patriarchat oder Heteronormativität können überkommen werden. Serbien scheint ein offenes, gestaltbares Land. Natürlich nur zunächst, denn die alten Eliten hängen noch immer im System, bestimmen die Jugend, die eigentlich frei und individuell sein möchte. Sex wird zu Gewalt, Gewalt wird zur Norm bis es keinen Sex als Liebe mehr geben kann, maximal noch Vergewaltigung. Dass der Film auch dabei weiterhin grotesk und überdreht bleibt, ohne die psychischen Folgen auszusparen, lässt ihn kantig, räudig werden; so macht er klar, dass selbst das Leid hier keinen ausreichenden Resonanzraum mehr findet. Alles wird zur atemlosen, schrilldreckigen Konsumware und kein Ziel ist in Sicht. Ein radikaler, konsequenter Beitrag, eine mutige Konfrontation mit der Lebensrealität. Provokation, weil die normalen Wege nicht mehr gehbar sind.
[Vorsicht: Spoiler]
Serien wie "Twin Peaks" oder "Hannibal" zu bewerten, ist nicht unbedingt einfach. Beide Formate machen mehr Fässer auf, als dass sie die noch irgendwie schließen können, schichten immer mehr Ebenen an, bis dem verständigen Zuschauer kognitiv doch was durchbrennen muss. Bei Lynch fängt man mit dem rein logischen Denken also besser erst gar nicht an, bei "Hannibal" sollte man zumindest vorsichtig sein. Wenn die Serie eines ist, dann ist sie verschlungen. Sicherlich ist es mutig von einer solchen Fernsehproduktion (die ja stets Zuschauer an der Stange halten will) immer mehr Diskurse zu öffnen, Metaphern und Deutungsansätze in geschliffenen Dialogen zu kontrastieren, bis der Zuschauer einen roten Faden nur ungefähr ausmachen kann. Dann noch eine durchgehend düster-sterile Atmosphäre mit meist atonalen Sounds, entsättigten Bildern, fehlendem Humor (maximal schwarz serviert), zynischen Figuren und sadistisch durchästhetisierten Morden. "Hannibal" kommt kalt, überladen und kantig daher, ist an vielen Punkten anstrengend und bemüht sich an mindestens ebenso vielen Punkten auch ein bisschen zu sehr, stets enorm tiefgreifend zu sein. Wenn sich da zwei Figuren treffen, psychisch angeschlagen, und dennoch unbeirrt ihre bildschweren Sentenzen dreschen, wirkt das im schlimmsten Falle nunmal unfreiwillig grotesk. Überhaupt fehlt der Serie an solchen Punkten die Dynamik. Die Figuren sind eh daneben, wissen darum, lassen sich kaum mehr überraschen und bleiben fast gemütlich in ihrer Hoffnungslosigkeit. Noch dazu geht die Serie trotz ihrer kalten Art sehr zimperlich mit ihren Protagonisten um - so schnell darf keiner das Leben lassen oder schwere psychische/physische Schäden erleiden: trotz derber Angriffe bleiben sie munter und selbstbewusst, nur um in der nächsten Szene erneut gekonnt zu parlieren. Das nimmt letztlich doch einige Bedrohlichkeit.
Dass "Hannibal" trotz dieses aseptischen Einschlags insgesamt organisch wirkt, ist nicht nur der wuchtigen Inszenierung mit ihren dynamisch-wechselnden bis eindrücklich durchkomponierten Einstellungen und dem drängenden Soundtrack, sondern auch den schaupielerischen Leistungen zu verdanken. Gerade Mads Mikkelsen legt als Dr. Hannibal Lecter ein beeindruckend subtiles Spiel vor, schafft durch seine ruhig-gefasste Erscheinung nicht nur ein Gefühl der gefährlichen Überlegenheit, sondern zugleich einen irritierend behütenden Charakter. Man versteht, warum Will Graham, wenn auch widerwillig, an dieser klassischen Vaterfigur hängt und warum Hannibal eben nicht nur ein sadistischer Mörder, sondern auch ein leidenschaftlicher, enorm attraktiver Mensch ist. Auch sonst fällt kein Schauspieler aus dem Rahmen, selbst wenn das Spiel aller anderen Darsteller gegenüber dem von Mikkelsen fast banal wirkt; aber auch das unterstützt die immense Kraft der Figur Hannibals und rechtfertigt deren zentrale Stellung in der Serie. Die bleibt insgesamt also ein beeindruckend konsequentes Werk, sperrig, prätentiös, aber auch tiefschürfend und darin radikal. Wenngleich man bei der dritten Staffel einige ungelenke Inkonsistenzen in Kauf nehmen muss, bleibt da doch ein kleiner schwarzer Monolith in der Fernsehlandschaft stehen: Kalt und wunderbar glänzend.
Sieht ganz großartig aus! Und seit "I'm Not There" kann und darf Cate alles anziehen, ausziehen, sein und werden.
Auch "The Neon Demon" wandelt auf dem neuen Pfad Refns, also den radikalen Wegen des Formkinos, dass die Normen des dramaturgisch funktionalen Erzählkinos längst hinter sich gelassen hat. Refns Neuer zeigt diese Abkehr dabei mit einer erstaunlichen Selbstverständlichkeit. Zwar gibt es so etwas wie eine Charakterentwicklung, ein Setting und eine grobe Handlungsentwicklung, jedoch ist die so schematisch heruntergebrochen, dass substanziell vor allem die Symbole bleiben. Mit diesen wandelt Refn dann von einer durchästhetisierten Szene zur nächsten und schafft in den besten Momenten des Films eine Atmosphäre kalt-zynischer Unentrinnbarkeit: "Beauty is the only thing". Der hermetische Kosmos dieser absoluten Modewelt mit ihren absoluten Parametern attackiert nicht nur moralische, sondern auch allgemein erzählerische Erwartungen an einen Film: Alles kreist, bleibt undynamisch, verteufelt, eklig. Als schließlich die letzte "menschliche" Figur das Feld räumt, ist auch klar, wohin die Reise geht: Zwischen den Polen der Selbsterfüllung und Selbstzerstörung bleibt nichts. Radikales Kino, ob man es schlucken mag oder nicht, bleibt eine andere Frage.
Für mich wurde der Schluckprozess ein bisschen erschwert, da dem Film eine packende, faszinierende Dynamik wie sie noch der Vorgänger "Only God Forgives" besaß, leider abgeht. So kühl er auch ist, so leergeräumt wirkt er auch. Die meisten Szenen sind beruhigt, der sphärische Soundtrack meist gebändigt, die Dialoge und Handlungen zynisch, aber vorhersehbar. Die biestige Unberechenbarkeit eines Refn bleibt hier beinahe vollkommen aus, wodurch der Film überraschend fahl wirkt. Obwohl der Titel die Elemente forciert, gibt es nur sporadisch etwas vom Neonhaften oder Dämonischen zu sehen. Wenn es sich einmal zeigt, dann oft doch eher plump und ja, absehbar. Die wenigen, visuell nicht nur hübschen, sondern auch hypnotischen abstrakten Szenen (Fesselperformance, Dreiecksszene) lassen letztlich aber dennoch Raum für faszinierend irreale Symbole, herausfordernde Eindrücke. Das ist vielen Leuten dann natürlich schnell zu prätentiös, für mich aber das packende, konventionsfreie Kino von dem ich hier bei aller bemerkenswerten Konsequenz der Darstellung gerne mehr gesehen hätte. Dennoch ohne Frage ein Werk, das in seiner sturen Oberflächlichkeit erst einmal Referenzmarken setzt, die Atmosphäre einer entlebten Welt beeindruckend einzufangen weiß.
Sicher, dass dir Schweigers Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht letztlich auch den Genuss von "Ink" verleidet hat, weshalb der also eine so schlechte Wertung bekommen hat? Habe sonst nur Gutes von dem Film gehört!