Dergestalt - Kommentare

Alle Kommentare von Dergestalt

  • Nice picks! Schöne Mischung aus allbekannt und nischig. Freu dich auf "Audition" und "Don't Look Now". Die sind fies.

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    • Kein Horrorctober ohne Dergestalt:

      http://www.moviepilot.de/liste/dergestalts-horrorctober-2017-dergestalt

      Wünsche euch allen viel Freude mit unerfreulichen Ereignissen!

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      • 6 .5
        Dergestalt 24.09.2017, 22:49 Geändert 08.08.2018, 12:19
        über mother!

        "mother!" zeigt, dass Darren Aronofsky auch lange nach seinem entfesselten Debüt "Pi" noch immer und auch mit dickerem Budget zu irritieren weiß. Als Effektkünstler und Freund der metaphysischen Gebärden macht er das aber nicht subtil oder subversiv, sondern mit einladender Symbolik, aber auch einigen fiesen Fehlfährten. Was seinen neusten Film dabei sympathisch macht, ist seine sorglose Spielfreude. In seinen grotesken Übersteigerungen und Überzeichnungen ist "mother!" schnell getaktet, die Logik bleibt dabei eh wo anders. Ganz im Mitttelpunkt und mit Großaufnahmen penetrant in den Fokus gerückt, ist Jennifer Lawrence, die als konservativ-prototypische Frau und "mother" vor allem devot-liebende Hausfrau und Opfer der kühnen Machtphantasien ihres Mannes ist. Fast alle anderen Figuren sind weitaus extrovertierter, geiler und suchen stets den Sex. Natürlich sieht sich mother so schnell herausgefordert, ihr kurzer Flirt mit der Erotik führt aber ins morbide Verderben. Hier eskaliert der Film vollends und verfällt noch stärker als sein Vorgänger "Black Swan" in eine spielerisch assoziative Folge irrealer Szenen. Dazu pumpende Sounds, eine unruhige Kamera - mächtig Druck im unschuldigen Kopf der armen mother. Offenbare religiöse Anspielungen und die Thematik Künstler/Schaffender/Gott überladen den Film dabei flott, überraschen allerdings auch nur bedingt, da sich "mother!" von Beginn an dem Übersteuerten verschreibt. So entpuppt sich auch die sexistische Anlage als grotesk-perspektivisches Spiel. Überhaupt verliert jeder Zuschauer, der "mother!" entgegen seiner (alleine schon typografischen) fuck-it-Attitüde ernst und wörtlich nimmt. "mother!" erfreut vor allem jene, die sich mal wieder wahnwitziges, rohes und gleichzeitig fett produziertes Kino wünschen. Ganz klar drüber, irgendwo blöd, aber auch faszinierend verkantet. Gerne mehr davon!

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          Dergestalt 20.09.2017, 00:58 Geändert 16.10.2019, 22:11
          über Things

          "You got yourself in a tailspin!"
          Die absolut kotzschwieligste Ausgeburt trashiger Amateurproduktionen ist wohl der kleine Horror-Kultstreifen "Things". Die Story rund um drei debile Herren, die eine sonderbare Aliengeburt ins Haus gepflanzt bekommen, ist nur der lose Aufhänger für eine irrwitzige Abfolge teils vollkommen redundanter Szenen in hässlichster VHS-Urlaubsvideoqualität samt lo-fi-asynchron-draufgeklebter Tonspur, natürlich mit unpassenden Soundtrackschnippseln garniert. Dazu absolut unerklärliche Ereignisse auf die konsequent absolut unerklärlich reagiert wird. Da erscheinen unbewegliche Alienpuppen, werden mit Bohrmaschinen attackiert, da wird Bier getrunken, vulgär rumgewitzelt, irgendwo kriechen schon die Maden. Mal ist der eine Protagonist weg, dann wieder da, dann ist ein anderer irre, bessessen, wieder normal, hat plötzlich keine Finger mehr. Ein echtes Chaos. Was ein Buñuel zu Anfangszeiten noch kunstfertig-artifiziell als Surrealismus erstehen ließ, wird hier nebenbei auf die Leinwand gekotzt. Dabei ist die entstandene Welt mit ihren eigenen Regeln durchaus immersiv, die grässliche Unentrinnbarkeit aus einer engen Wohnsituation voller Idioten ist tatsächlich schierer Horror. Da sind die liebevoll gebastelten Alienpuppen fast schon eine dankbare Orientierung an der allbekannten filmischen Horrornormalität. Ansonsten ein unerklärliches Zeugnis filmtechnischer Unfähigkeit, faszinierend weit draußen.

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            Dergestalt 18.09.2017, 11:19 Geändert 16.10.2019, 22:27

            Ja, was ist die Familie doch für eine tolle Sache! Man muss einfach zusammenhalten, dann übersteht man jede Gefahr! Zusammen!

            Soweit in ungefähr die Botschaft des grundsätzlich konventionellen Films "The Happiness of the Katakuris". Wir haben eine schrullige Familie, die ein schönes Hotel mit vielen Gästen sucht. Wir haben mysteriöse Todesfälle. Wir haben das Interesse, die Leichen zu beseitigen, damit der Hotelbetrieb nicht gefährdet wird. Trickbetrüger gibt es auch noch. Soweit alles Zutaten für eine nette, leicht schwarze Komödie, wie man sie so kennt. Nur hatte dabei eben der liebe Takashi Miike die Finger im Spiel. Was also dazu kommt, sind: Irreale Knetmasseanimationsszenen, deformierte Körper, enorm sprunghafte, musicalhaft abgedrehte Handlungssquenzen, massivstes Overacting und gegen Ende auch eine unvernünftige Abkehr von Zeit und Raum. Da dürfte jedes Hirn geröstet sein. Also wieder vollste Zufriedenheit mit Miike, der mit dieser Familiengroteske, anders als bei "Visitor Q", auf gesellschaftskritische, überhaupt doppelbödige Elemente verzichtet und einfach nur am Rumeiern ist. Und das zieht den Zuschauer einfach mit - wunderbarer Film.

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            • 6 .5
              Dergestalt 13.09.2017, 22:49 Geändert 13.09.2017, 22:52

              Ein zurückgezogener Mensch wird durch einen skurrilen, extrovertierten Menschen in seinem sicher geglaubten Lebensentwurf herausgefordert und beginnt, neue, frische Seiten am Leben zu entdecken. Ziemlich generisch mittlerweile, man kennt es ja. Wer nun wissen möchte, wie man diesem Plotgerüst noch etwas Neues abgewinnen kann, der möge "Wool 100%" schauen. Der Film wird seinem skurrilen Namen nämlich äußerst gerecht und will so gar nicht werden, wie man ihn glaubt, vor sich zu haben.
              "Wool 100%" handelt von zwei alten Schwestern, die in einem alten, großen Haus wohnen. Alles ist voll Schrott, irgendwie scheinen die beiden über ihre Sammelleidenschaft gegenüber Ausrangiertem ziemliche Messies geworden zu sein. Als sie eines Tages einige Knäuel rote Wolle finden, ziehen sie sich mit den roten Faden ein sonderbares Mädchen ins Haus. Das strickt unterbrochen an einem Pullover und dreht immer wieder mit markerschütternden Schreien ab, wenn es merkt, dass die ganze Wollkonstruktion umsonst war und sie wieder von vorne anfangen muss. Eine irre Sisyphos-Gestalt vs. zwei Messies - klingt natürlich wieder japanisch-irre.
              Tatsächlich ist "Wool 100%" aber ein erstaunlich leiser Film. Neben den Wutanfällen des Mädchens bleiben vor allem die beiden, irgendwie niedlichen alten Damen im Fokus, die sich gegenwärtig durch ihre verwunschene Schrottwohnung bewegen oder, dank dem Mädchen und ihrer provozierenden Kraft, zunehmend auf ihre eigene Vergangenheit stoßen. Viele fantasievolle Bilder, jazzig-lebhafte Klänge, ein sehr behutsamer, liebevoller Zugang zu den Innenwelten der Figuren und die nötige poetische Offenheit des ganzen machen aus dem Zaubergarn einen echten Geheimtipp. Allerdings nur solange ordentlich Geduld da ist, denn eine wirkliche Storyentwicklung findet ebenso wenig statt wie ein Ortswechsel oder eine besondere filmische Dynamik. Vor allem bleibt man in dieser skurrilen Welt der Alten und es ist wie ein Besuch im großen Haus von Oma. Zauberhaft, aber auch ein bisschen langweilig. Schöner Film.

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                Dergestalt 10.09.2017, 23:48 Geändert 14.04.2020, 12:34

                Man darf nicht vergessen, dass zwischen den ersten beiden Staffeln von "Twin Peaks" und der neuesten nicht nur mehr als zwei Jahrzehnte, sondern auch einige Lynchfilme liegen, die ein immer radikaleres künstlerisches Ego verrieten. Zuletzt hatte "Inland Empire" auch Lynchliebhaber verstört, verärgert, nicht unbedingt fasziniert. Intuitiv würde ich die neuste Staffel tatsächlich am ehesten in Richtung von "Inland Empire" rücken, weniger in die eines "Blue Velvet" und gar nicht unbedingt in die von "Twin Peaks". Das wird gleich von Beginn an klar, da sich Lynch den Hoffnungen vieler Fans verweigert und dem Schauplatz des zauberhaft-schrulligen Twin Peaks nur punktuell Leinwandzeit einberaumt. Statt nostalgischem Wiedersehen und Retrokult, wie man ihn zu heutigen Zeiten gern zelebriert, öffnet er lieber allerhand neue Dimensionen, Schauplätze, Begebenheiten, vermengt, verwischt und demontiert sie alle. Ja, es ist der Lynch des beginnenden 21. Jahrhunderts und es ist die Zeit, da die irritierende Black Lodge gegenüber dem heißgeliebten Örtchen Twin Peaks die Oberhand behält. Es ist ein bisschen wie im Spin-Off "Fire Walk With Me" - alles ist schwer überschaubar, da nicht einmal mehr die Illusion besteht, dass alles doch ganz idyllisch sein könnte. Die Spannung zwischen Kleinstadtzauber und Mord ist aufgehoben, da Mord und Grauen definitiv da sind und ihren tiefen Grund in eben dieser Idylle haben.
                So radikal, wie Lynch zu Beginn aufräumt, baut er feinsinnig aber schnell neue, wieder liebenswerte Orte und Figurenkabinette auf. Natürlich dürfen dabei alte Gesichter, wenn teils auch in fremder Form, nicht fehlen. Zwischen verträumten Cheerleadern, liebevollen Gangstern und dem spirituell-veranlagten Chef einer Versicherungsagentur bringt Lynch sorgfältig und detailverliebt alle Konzepte der Realität durcheinander. Dazwischen irreale bis surreale Begebenheiten mit fremden Orten, an denen Atomopfer, Heizkesselwesen und natürlich der Riese aus dem alten "Twin Peaks" ihren sicheren Stand haben. Es bleibt beeindruckend, wie Lynch diverse Elemente wie tollwütig in einen Topf schmeißt und dennoch einen fast schwebenden Sinn von Zusammenhang stiftet - nur durch kleine Gesten und Symbole. Gegen Mitte der Staffel erhält auch das Örtchen Twin Peaks wieder eine tragende Rolle und immer mehr bekannte Charaktere nehmen ihren Platz ein. Beeindruckend auch, wen Lynch da alles zusammentrommeln konnte und beeindruckend, wie lässig sich alte und neue Figuren in eine sowieso komplett neue, grundveränderte Welt fügen. Dennoch: Ganz ohne Verschleiß geht auch das nicht über die Bühne. Manche Folgen sind sichtlich damit bemüht, dichtes Worldbuilding zu betreiben, verzetteln sich aber massiv an den vielen Nebenschauplätzen ohne dabei die atmosphärische Dichte lynchesker Chaosprodukte wie "Mulholland Drive", "Inland Empire" oder der alten Serie (siehe etwa deren letzte Folge) zu liefern. Auch die stete Herzlichkeit einer Welt wie jener von Twin Peaks fehlt durch die ständigen Raumwechsel als ein möglicher, belebender Gegenpol. Manches wirkt schlicht verkopft, trocken, unfokussiert. Die Mischung aus sentimentaler Dramenkonstruktion und plötzlichem Grauen gelingt in der dritten Staffel weniger, da von beidem insgesamt recht wenig da ist. Das liegt nicht zuletzt auch daran, dass die Einbrüche des bedrohlichen Irrealen oft ohne richtiges Timing, sondern unmittelbar-plakativ und dann auch noch mit erstaunlich miesen Spezialeffekten daherkommen. In solchen Momenten wirkt die Serie flach, billig und leider auch effekthaschend. Nur durch den durchweg mysteriösen Unterbau der typisch düster-lynchigen Welt, bleibt eine latente Bedrohung erhalten. Schließlich auch bestätigt durch den Schluss, der die Experimentierfreudigkeit eines Lynch wie schon im Serienfinale der zweiten Staffel schauderhaft zum Höhepunkt treibt.
                Lynch bleibt sich in der letzten Staffel absolut treu, versagt sich allen möglichen Erwartungshaltungen und kreiert ein undurchdringliches Werk, das Lynch-Kennern garantiert Freuden, puren "Twin Peaks"-Liebhabern vielleicht auch Kopfschmerzen bereiten wird. Ist aber nur konsequent: Wer die Tür zur Black Lodge öffnet, kommt nicht ohne Schrecken zurück. Schön aber, wenn es dann ein so produktiver Schrecken wie dieser wird! Lynch ist definitiv zurück und er lebt!

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                  Dergestalt 09.09.2017, 11:23 Geändert 19.09.2017, 12:07

                  Einen überzeichnet-stylischen Actionfilm erwartet und einen überzeichnet-stylischen Actionfilm bekommen. Der Plot um Geheimidentitäten und eine ominöse "Liste", im Presse-/Werbeumfeld des Films mit der "Bourne"-Reihe verglichen, verwirrt allerdings eher als dass er fesselt und macht den Film doch ein bisschen zu lang, verquasselt und verkantet. Dabei ist "Atomic Blonde" gerade dann besonders stark, wenn er sich auf seine Stimmungen verlässt und aus dem cold-cold 80er-Berlin eine Stadt zwischen kühler New-Wave-Ästhetik und 80s-Party-Bubblegum-Trash gestaltet. Dazu entsättigte Farben, mit pulsierendem Neon durchbrochen und ein treibender Soundtrack, der auch gern augenzwinkernd mit Hits der 80er aufwartet. Die Action bleibt ebenso kühl, aber popartlike zwischen hart-physischen Kämpfen und effektgeiler Blockbuster-Karambolage. Und mittendrin natürlich Theron, die perfekt in ihre Rolle als kompromisslose Agentin passt. Das bisschen Charakterzeichnung spielt sie in wenigen Augenblicken überzeugend aus und zeigt ihre offensichtliche Coolness konsequent cool, also im punktgenauen Understatement. Der Rest des Casts fügt sich gut ein, James McAvoy spielt zum Kontrast ein bisschen schmuddelig, Sofia Boutella lasziv-naiv und auch Til Schweiger darf mal ran und blöde gucken - nämlich als Uhrencrafter.
                  Viel bleibt sonst auch gar nicht zu sagen: "Atomic Blonde" ist stilvolles, spaßig-temporeiches Actionkino, leider ab und an ausgebremst durch einen mittelmäßig-umständlichen Agentenplot. Nächstes Mal etwas straffen und das Ding sitzt perfekt.

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                    Dergestalt 06.09.2017, 22:27 Geändert 09.09.2017, 11:39

                    Ja, das ist doch mal was. Bevor Danny Elfman zum zauberhaften Composer der Soundtracks eines Tim Burton wurde, rannte er als grooviger Teufel in einem Film seines Bruders herum. Ach, den Soundtrack dazu hat er selbstverständlich auch gemacht.
                    "Forbidden Zone" ist jedenfalls so eine halbverschollene, halbe Kultperle, die sicherlich bei jedem Zuschauer für Aufregung sorgen wird. Es ist ein bisschen so, als hätte Acidking Wenzel Storch die "Rocky Horror Picture Show" noch einmal verfilmt. Bedeutet also deutlich mehr ramschige Kulissen, die dafür aber viel fantasievoller geraten, ein deutlich höheres Pacing zugunsten immer weiterer skurriler Ideen bei Beibehaltung der spielfreudig-obszönen Glam-Rock-Ästhetik inklusive zugehörigem Soundtrack. So ist "Forbidden Zone" ein vergnüglicher Ritt in eine wirr-spektakelheischende Fantasywelt geworden. Dort, wo sich Froschköpfe, rockende Kuttenträger und andere dankbare Weirdnessfiguren zärtlich aufs Maul kloppen. Dass dabei auf Logik geschissen wird, billigste Handlungsmotivationen ausreichen müssen, um noch mehr spektakuläre Szenen zu pushen, versteht sich von selbst. Exploitationtypisch sind auch Sex, Gewalt und ein bisschen Ekel gut dabei, wenn auch mit Comicfilter ordentlich abgeschwächt, ebenso die uraltbekannten Märchenkonstellationen mit fetten bösen Königinnen, eleganten Zwergen, ulkigen Rettern und Außenseitern, die zu Helden werden. Zeigt sich der Film zu Beginn noch erstaunlich randomlastig, fügt er sich bald in bekannte Handlungsmuster und bringt von dort aus gemütlich und mit Blick auf den Spaßfaktor des ganzen eine skurrile Szene nach der anderen. Amüsant, aber bei weitem nicht der entfesselte Irrsinn, den manch einer hier vermuten mag. Eher eine kreative Nummernrevue im verrückten Acidzirkus. Ein netter, wenn auch nicht unbedingt herausfordernder Abend ist garantiert. Wer mehr möchte, gehe aber bitte weiter zu Frank Zappas "200 Motels" oder schaue sich direkt einen echten Wenzel Storch an. Das ist dann wirklich out there.

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                    • Nach dem sonderbar generischen, spoilerhaften Trailer hatte ich den Film eigentlich schon abgeschrieben. Die krassen Pressereaktionen machen aber doch neugierig. Kann natürlich auch nerviger Werberummel (!!!!!!!) sein. Mal die ersten Reaktionen hier abwarten und den Kinobesuch dann abwägen. "Black Swan" war ja auch nur halb so tief und versponnen wie er sich gegeben hat.

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                      • Den alten Quietness-vs.-Jumpscare-Schablonen scheint Wan auch nichts mehr hinzufügen zu können. Immerhin dürfen es aber kreative Monster sein. Bin auf kreativ-launige Horrorfreuden gespannt.

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                          Dergestalt 05.09.2017, 11:56 Geändert 05.09.2017, 12:05

                          Was will dieser Film?
                          Ganz sicher soll da eine Bühne für das sicher derbstmögliche Overacting des unberechenbaren Nicolas Cage geboten werden. Und Cage nimmt sich diesen Raum souverän. Die Grundstruktur eines vorhersehbaren Vampirstreifens bricht Cage immer wieder zugunsten vollkommen eskalierender Einzelszenen. Stets ist Cage präsent und zerrt den Zuschauer durch seinen ganz eigenen, irrwitzigen Kosmos. Frauen erscheinen dabei als bloße Zwangsobjekte der eigenen Neurosen, der derbe Sexismus, den der Film immer wieder in sich transportiert, scheint bald selbst Thema zu werden, nur um vom vollkommen zerfahrenen Drehbuch auch wieder aus dem Fokus gelassen zu werden. Überhaupt wirkt der Film stets ein bisschen ver-rückt. Die Spannung zwischen traditioneller Horrorkomödie und sonderbarem Exploitationtraum sorgt für Irritation, in ihrer Ziellosigkeit auch für Längen. Dafür entschädigt der absolut übersteigerte Schluss, der inhaltlich zwar so einiges erklärt, in seiner surreal-kombinatorisch-freudianischen Machart aber endgültig in psychotische Regionen vorzustoßen weiß. Madness is how you make it. Ein Film für alle Herzog-Cage-Liebhaber, denen ein verdrogter Bullencage noch lange nicht weird genug war und überhaupt eine echte Empfehlung für alle Trashliebhaber, denen Trash manchmal nicht trashig und eigen genug sein kann.

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                          • "Excision"! Schön, dass du ihn erwähnst. Wir scheinen den ja beide nicht überragend zu finden, aber nennenswert ist dieser kleine, innovative Film definitiv. Toller Soundtrack auch:

                            https://www.youtube.com/watch?v=9t4pJ9Mca_A&list=PLCrBkXe80_trjhOB3AoPqTU6vr92ZWZr9

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                            • Hier eine Liste von mir. Gibt sicher 2-4 Überraschungskandidaten. Auf jeden Fall sind Kommentare zur Auswahl dabei. Man will ja auch etwas gefordert sein und nicht nur die geilen Kopfhörer gewinnen (wenn auch hauptsächlich).

                              http://www.moviepilot.de/liste/le-best-of-horrorshit-since-2010-dergestalt

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                                Dergestalt 21.08.2017, 23:57 Geändert 22.08.2017, 10:28

                                "Clean, Shaven" steckt irgendwo zwischen "Henry: Portrait of a Serial Killer", "Angst" und "Das weisse Rauschen". Ein verdächtiger Schizophrener auf scheinbarer Killingtour, aber dann doch nur auf der Suche nach seiner Tochter - oder wie? Vor die trostlosen, grauen Landschaften des amerikanischen Hinterlands schichten sich immer wieder Stimmfetzen, der Bildfokus verrutscht. Solange die Perspektive am geistig verwirrten Protagonisten Peter Winter bleibt, scheint alles unsicher. Aber was gibt es denn sonst auch? Auch der Plot um einen überforderten, wenn nicht ebenfalls etwas verwirrten Detektiv bringt vor allem Verwirrung, so richtig blickt keiner durch, wer was wann und wie getan hat. Vor allem nicht der Zuschauer, dem eine überschaubare Perspektive im Wirrwarr der Ereignisse nie ermöglicht wird. Bisweilen gemahnt der Film in seiner unsicheren Chronologie und Kausalität sogar an das erzählerische Totalaus "Slipstream Dream". Ganz soweit kommt er zwar nicht, schichtet aber jede Menge Ungewissheiten. So intensiv und gelungen die audiovisuelle und erzählerische Verwirrung, nicht zuletzt auch das verzweifelte Spiel von Peter Greene, so unbefriedigend bleibt der Film letzten Endes doch, denn schließlich will er in seiner Fragmentarität zu weit. Mehr Nähe zum Protagonisten hätte die erzählerischen Unsicherheiten psychologisch besser rückgebunden, so bleiben die Fakten doch austauschbar, da wirklich keine sichere Instanz mehr verbleibt. So gelangt der Film beinahe zu einem allgemeinen Nihilismus - wer weiß schon noch irgendetwas? Muss man mögen, ich hatte meinen Spaß im tristen Nirgendwo verlorener Geister.

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                                  Dergestalt 19.08.2017, 00:48 Geändert 19.08.2017, 12:33

                                  "Under the Skin" bedeutet modernes Kino; eines, das sich selbstbewusst bekannten Genres und Schablonen zuwendet, daraus jedoch etwas ganz eigenes kreiert. Die delikate, wenn auch altbekannte Idee einer Femme Fatale, die sich die Männer schnappt und liquidiert, überführt Jonathan Glazer in ein teils hochabstraktes Sci-Fi-Setting, das elliptisch und kalt mehr in Andeutungen hängt, denn wirklich klare Schlüsse zulässt. Vielmehr ist es ein leiser humanistischer Ton, der sich immer deutlicher bemerkbar macht, eine leise Verzweiflung, die den Zuschauer letztlich sogar berühren kann, wenn der sich dem artifiziellen Charakter des Films bis dahin nicht verwehrt hat. Überhaupt ist "Under the Skin" die Konfrontation des fühlend Individuellen mit dem kalten System, in dem dieses zu bestehen hat. Hochmodern also. Und im Kern so auch wieder vergleichbar mit anderen Filmen Scarlett Johanssons, etwa "Her", "Lucy" oder "Ghost in the Shell". Nur eben deutlich entfremdeter und kühn über jeder Genrebindung erhaben. In seinen hyponisch-düsteren Setting entsteht eine Welt, die vor allem sensual zu erfahren ist und gerade hier überwältigende Szenen schafft. Solange Lynch schläft, Noé mit Halbgarem ("Love") enttäuscht, präsentiert Glazer an der Seite Refns ("Only God Forgives") einen neuen filmischen Surrealismus, der auch die hermetische Abstraktion nicht scheut. Schlichtweg aufregendes Kino.

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                                    Dergestalt 16.08.2017, 12:11 Geändert 16.08.2017, 20:49

                                    Katzen sind freie Tiere, die Türkei ist ein Ort, der zunehmend seine Freiheiten verliert. Gerade die pulsierende Metropole Instanbul scheint prädestiniert, die frei streunende Stadtkatze gegen den vorherrschenden Autoritarismus zu setzen.
                                    Nein, echt, das ist vor allem theoretisches Geschwätz angesichts eines knuddeligen, sentimentalen Films wie "Kedi". In prägnanten, dynamischen Aufnahmen werden vor allem süße Katzen gezeigt und niemals aus dem Fokus gelassen. Diese Nähe und konsequente Detailverliebtheit gegenüber einem medialen Massenphänomen wie dem des Katzenvideos zeichnen den Film aus und machen ihn zu mehr als einem effektsuchenden Best-Of-Katzenvideo. Und nicht zuletzt bleibt auch etwas vom widerständigen Geist des Katzenartigen. Keinem seiner menschlichen Protagonisten gibt der Film vollkommen recht - jeder resigniert ein bisschen gegenüber der Rätselhaftigkeit der Katze. Begriffe wie Gott und Mensch scheinen manchen ausreichend, nie aber ruht sich der Film mit einer der Deutungen aus. Die Pluralität der Ansichten widerstrebt jeder Einordnung und genau hier zeigt Regisseurin Ceyda Torun beiläufig jenen Freiheitsethos, den einige freigeistige Protagonisten des Films tapfer gegen alle simplen Ordnungen und nicht zuletzt die Mehrheitsgesellschaft verteidigen. Am Schluss bleiben vor allem Katzen, Katzen, Katzenliebhaber, aber auch Liebe, Rücksicht und Respekt gegenüber dem Leben. Eben das, was der Türkei aktuell abhanden kommt. Insofern ist "Kedi" doch auch ein leise politischer Film geworden.

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                                      Dergestalt 13.08.2017, 10:12 Geändert 18.08.2017, 09:01

                                      Das Offensichtlichste zuerst: "Apocalypse Now" trägt seinen Titel absolut zu Recht. Von Beginn an sieht sich Protagonist Benjamin Willard der irrational-wahnwitzigen Welt des Vietnamkriegs gegenübergestellt, einem Krieg, der in seinen grellbunten, aber auch düsteren Farben, selbstherrlichen Lieutnants und einer überzogenen Popideologie mit einem geordneten strategischen Vorgehen nichts mehr zu tun hat. Jedes Individuum kämpft in diesem Sinnlosigkeitszirkus für sich, macht seine Maßstäbe zur Realität und jedes Individuum verliert sich schließlich im eigenen Wahnsinn. Der Titel des Films ist wichtig, will man "Apocalypse Now" in seiner Machart beschreiben. Weniger geht es um die faktischen Gegebenheiten des Krieges, keine "Full Metal Jacket" und kein "Platoon", es geht um das Wesen des Menschen, das diesen Krieg erst schafft. Der Dschungel wird ganz nach Joseph Conrad zum Spiegel der Seele, mehr noch des Unbewussten. Hier triumphiert jener, der sich dem Irrationalen vollends hingibt, sich dieses in Form eines autoritären Nihilismus zunutzte macht. Colonel Kurtz weiß, wie er die Hoffnungslosen damit abholt. An den Kampf Gut gegen Böse, wie ihn die Amerikaner angesichts des Krieges stilisierten, glaubt er nicht mehr. Für ihn gilt nur, das diffuse Böse anzunehmen und mit Kraft zu verkörpern oder von dessen "Horror" getrieben und nicht zuletzt wahnsinnig und ausgelöscht zu werden.
                                      Francis Ford Coppolas Albtraumvision lebt in atmosphärischen Bildern, fordert die Schauspieler zwischen subtil-gebrochenem Spiel und wahnsinnigem Overacting und durchbricht das effektsuchend-problematische Antikriegsgenre durch eine mäandernde Erzählweise (vor allem in der Redux-Version), die nicht zuletzt die Ziel- und Dramaturgielosigkeit des Krieges beschreibt. Krieg als Film und beeindruckendes Ereignis - diese ätzende Popkulturidee offenbart Coppola als eben das was sie ist: realitätszersetzend. Die Folgen dieses Wahnsinns zeigt "Apocalypse Now", der jenseits aller Ratio radikal in seiner maßlos-lebendigen Hoffnungslosigkeit steht.

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                                        Dergestalt 11.08.2017, 01:01 Geändert 11.08.2017, 01:02

                                        Hinter dem überaus beliebigen Horrortitel "Tourist Trap" verbirgt sich ein äußerst verspieltes, verschrobenes kleines Juwelchen. Der hiesige Backwoodhorror erinnert schnell an das "Texas Chainsaw Massacre" - eine skurrile Hinterwäldlerwelt wird zum merkwürdig autonomen Kosmos ausgestaltet. Statt einer versifften Familiensippe stehen hier jedoch sonderbare Menschplastikpuppen im Vordergrund. Liebevoll, wenn auch dramaturgisch unfokussiert trifft ein karnevaleskes Gruselkabinett auf Slasheranleihen. Ohne großen Gewaltanteil ergeben sich ganz nach Sigmund Freuds Theorie des Unheimlichen immer wieder schaurige Momente des Unsicheren, da die Puppen urplötzlich und unerklärlich zu lebendigen, wenn auch irritierend verzerrten Wesen geraten. Hier überzeugt der Film als Horrorfantasyhybrid und ist sich dabei auch nicht zu schade, ins Skurrile zu kippen. Chuck Connors genüssliches Overacting fügt sich dabei ideal ins überdrehte Bild. Der Rest der Crew spielt die übliche müde Teenieschlachtplatte mit all ihren Genreschablonen - das lockt wirklich niemanden aus dem Kellerloch. Überhaupt bleibt "Tourist Trap" weniger eine Empfehlung für routinierte Genrefans als für Liebhaber skurriler, eher abseitiger Horrorkost. Für die ist ein kreativer Spaß garantiert!

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                                          Dergestalt 27.07.2017, 10:13 Geändert 27.07.2017, 10:15

                                          Schön, dass ein äußerst verqueres Indie-Filmchen wie dieses nicht auf irgendeinem Genrefilmfest oder als Direct-to-DVD-Release versauern, sondern auf breiter Ebene in die Kinos kommen durfte. Schön ebenfalls, dass Daniel Radcliffe seinen Siegeszug als neu erwachter Underdog des Indie-Kinos nach "Horns" fortsetzt und hier eine der sicher skurrilsten Rollen der Filmgeschichte spielen darf. Die Grundidee ist überhaupt so simpel wie genial und wird vom Film mit äußerster Freude und Detailverliebtheit zelebriert. Eine Multifunktionsleiche, die irgendwie keine Leiche ist. All die Unwägbarkeiten und Unsicherheiten spielt der Film mutig aus und geht leichterhand gegen die Realität an. Da wird auch ein karibisches Inselparadies fließend zum Urzeitwald, zur nordamerikanischen Nachbarschaft. Im Kern bleibt "Swiss Army Man" dennoch eine typische Außenseiterkomödie mit ihren bekannten Figuren, Zuspitzungen und Konflikten. Nichts Neues: Das Abseitige wird für eine Humanitätsparabel verbraten. Schnell wird also klar, dass die skurrilen Dialoge auf das Leben, das Menschliche verweisen, der Film also etwas erzählen will. Schade natürlich für die freie Kunst, dass viele sonderbare Szenen so einem großen, dann doch äußerst rationalen Ziel untergeordnet werden. Und gerade zum Schluss spart der Film auch nicht mit deutlichem Pathos. Im Idealfall ist das auf wilde Weise unentschlossen und "genre-defying", manchmal wirkt der Versuch, abgedreht und zugleich bodenständig zu sein, wie bereits in Radcliffes "Horns", auch schlicht anstrengend und forciert. So richtig will man den Hund eben nicht von der Leine lassen.
                                          Die teils großartig dichte Atmosphäre des Films gibt den sonderbaren Ideen aber dennoch den richtigen Drall. Da wird das Gesumme der Figuren etwa zum Soundteppich des Films und zum Soundtrack, der mit melodischen Folkanleihen und Stimmexperimenten sowohl ohrenschmeichelnd als auch außergewöhnlich ist. Und nicht zuletzt sind die buntfarbigen, fließend montierten Bilder ein schöner Nachhall der Ideenfreudigkeit des Films. Das Ausgefallene ist letztlich doch das Kraftvollste und das, was uns einzigartig und am Leben hält. Mag man abgedroschen finden, "Swiss Army Man" aber findet die Kraft, etwas Eindringliches draus zu machen.

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                                          • Dergestalt 21.07.2017, 15:47 Geändert 21.07.2017, 15:48

                                            Wer den Film nun immer noch nicht kennt, sollte einschalten. Auf 3sat auch ohne Werbung, soweit ich weiß. Tut gerade immersiven Filmen sehr gut. Und "It Follows" ist immersiv.

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                                              Dergestalt 20.07.2017, 10:28 Geändert 20.07.2017, 10:39

                                              Destabile Familien sind doch immer wieder schön anzusehen. Hier vor allem dank eines Zerrspiegels, der jedem kaputten Charakter gleich noch eine irreale Komponente abringt. Nikias Chryssos' Film läuft größtenteils in bekannten Fahrwassern, nimmt sich ungeniert Elemente vom großen Bruder "Dogtooth", kuschelt etwas mit den schwarzbunten Fantasywelten von Jean-Pierre Jeunet ("Delicatessen") und mischt ein bisschen deutsches Kolorit hinzu. Gerade gegen den verkappten Bildungsbürger richtet sich die Groteske. Wer Bildung letztlich nur anhäuft, um auf quantitativer Ebene angeben zu können, soll schließlich Präsident werden. Dazu Best-Of-Classic-Sounds, Statuen großer Denker und die Relativitätstheorie. Abwechslung verschaffen nur wilder Sex und natürlich das Spiel, wobei letzteres im Rahmen der faschistoiden Selbstoptimierung die wenigste Akzeptanz erhält. Spiel bedeutet, ganz nach der Bildungsikone Schiller, letztendlich Freiheit. Und Freiheit will dieses postfaschistische Bunker-System dann doch nicht versprechen.
                                              In seinem Ideenmosaik diverser bekannter Genre- und Filmideen gelangt "Der Bunker" immer wieder zu spannenden Gedanken, die dank der kunstvoll-skurrilen Inszenierung stets ins rechte Licht gerückt sind. Und nicht zuletzt dürfen auch die Schauspieler dank Overacting ordentlich kindliche Dynamik ins Spiel bringen. Man freut sich also über ein reibungslos tuckerndes Skurrilitätenkabinett, das für einen sonderbaren Film eigentlich fast zu vorhersehbar, in jedem Fall zu brav ist.

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                                                "Axolotl Overkill" schließt nahtlos am neuen, idiosynkratischen deutschen Kino an. Nach "Wild", "Der Nachtmahr" und "Tiger Girl" lässt man auch hier einiges an Realismus beiseite, ebenso klare Handlungsentwicklungen oder gar eine Botschaft. "Axolotl Overkill" ist das wilde Psychogramm einer heimatlosen, sehnsuchtsgeilen jungen Frau. Ebenso wie sie ist der Film ramschig zusammengenäht, identitätssuchend und doch lebendig. Dazu kommt der pointierte, vielsagende, aber doch abseitig-offbeatartige Humor, der in den Einzelszenen des Films wunderbar zur Geltung kommt. Subtexte darf man selbstverständlich selbst suchen, interpretationsgeil zeigt sich "Axolotl Overkill" nie. Dass so manche skurrile Szene dann doch zu gesucht ist, dass die ewigen Posen teils auch ermüdend werden, bleibt angesichts der Lebendigkeit des Films verschmerzbar. Weniger allerdings der Schluss, der konsequent zur Ziellosigkeit des Films zwar passend scheint, letztlich aber doch arg uninspiriert und austauschbar im Nichts verläuft. Na ja.
                                                Man wird es beliebig, bemüht nennen, ich begrüße "Axolotl Overkill" aber als erfrischende Überraschung im deutschen Kino und dem Kino überhaupt. Auch Pinguine wollen Spaß haben.

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                                                  Dergestalt 03.07.2017, 01:37 Geändert 03.07.2017, 01:48

                                                  Mit "Sightseers" gelingt es Ben Wheatley wieder einmal, die Zuschauererwartungen zu brechen. Wer sich hier eine vergnüglich-flotte Komödie über ein Killerpärchen à la Bonnie & Clyde erhofft, wird enttäuscht. Aus pointiertem Situationswitz und anarchischer Pointenlosigkeit schustert sich Wheatley ein ziemlich eigendynamisches, biestiges Filmchen zusammen, das kaum Hintergründe und Motivationen bietet, dafür aber überzogene Gewalt, übersteuerte Figuren und deutliche Kontraste zwischen Bild und Ton. Ein ziemlicher Stimmungsstrudel. Unmöglich, wirklich in diesen Film zu kommen, zu ziellos und sprunghaft eiert er vor sich hin, überrascht so manches Mal, wirkt ein anderes Mal aber auch arg beliebig und darin anstrengend gedehnt. Viele großartige Ideen bleiben anskizziert, viele Inhalte gehen im psychotisch-überdrehten Stil des Films eh bald unter. Gerade dieser Stil ist dann aber auch genau das, was Wheatley hier so besonders und überhaupt zu einem der aufregendsten Regisseure unserer Zeit macht. Ein Kino der radikalen Unentschlossenheit.

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                                                    Dergestalt 26.06.2017, 16:52 Geändert 26.06.2017, 16:59

                                                    Der Wald ist natürlich Sehnsuchtsort. Auch für die Protagonisten des Films "Big Big World", zwei Jugendliche auf der überstürzten Flucht vor der patriarchalen Gesellschaft der Türkei. Kaum gelangen sie aber in den tiefen Wald, tatsächlich ein irreal-kontextloser Ort, zeigt sich, dass ihre Prägungen und Traumata jede äußere Befreiung hemmen.
                                                    Reha Erdems Film steht im Spannungsfeld zwischen kühl-skizziertem Gesellschaftsportrait und märchenhafter Allegorie. In auskomponierten, gleitenden Naturbildern, mit der hyponitisch-drängenden Musik von Nils Frahm und einem Klangteppich diverser Waldgeräusche entsteht eine unsichere Zwischenwelt, die immer wieder surreale Impulse zündet. Eine zunehmend gefährlichere Welt, der sich die beiden Heranwachsenden mit all ihren Wünschen, aber auch leisen Geilheiten stellen müssen. Kontext, Handlungserklärungen gibt es wenige, die Dialoge sind oft traumhaft vage und fragmentarisch, immer wieder scheint sich der Film selbst neu zu konstruieren. Atmosphärische Kamerafahrten, sonderbare Orte, irreale Begegnungen mit Tieren, sonderbaren Waldmenschen und nicht zuletzt dem Rauschzustand kreieren ein Mosaik aus tarkovskyhaftem Impressionismus, tschechischem Märchensurrealismus und der drängenden Verzweiflung eines Sozialdramas wie "Mustang". Die Sprunghaftigkeit des Films wird durch die langsame Erzählweise allerdings etwas entschärft, genug Resonanzraum für die Ereignisse bleibt. Ebenso ergeben sich Einblicke in die Fahrigkeit eines Drehbuchs, das manches Mal doch zu sehr auf seine Bilder setzt und auch einige fahle Leerstellen lässt. Überhaupt eher ein Film für Bild-, Symbol- und Rauschliebhaber, für die eine eindeutige Empfehlung!

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