Kenduskeag - Kommentare

Alle Kommentare von Kenduskeag

  • 6 .5
    Kenduskeag 23.03.2019, 15:02 Geändert 23.03.2019, 16:31

    In diesem Genre liege ich mit meiner Bewertung selten so klar über dem Community Schnitt. Zeit also für ein flammendes Plädoyer für "House at the End of the Street".

    Elissa (Jennifer Lawrence) zieht mit ihrer Mutter (Elisabeth Shue) in ein neues Haus am Waldrand. Ihr einziger Nachbar weit und breit ist der in sich gekehrte Student Ryan (Max Thieriot), der allein das Haus seiner Eltern bewohnt, die einst von Ryans psychisch labiler Schwester ermordet wurden. Während die Ortsbewohner den jungen Mann seither meiden, freundet sich Elissa rasch mit ihm an. Bald jedoch deckt die Teenagerin einige erschreckende Geheimnisse auf...

    "House at the End of the Street" sticht vor allem dank einer starken Figurenzeichnung aus der Masse der Psychothriller hervor. Ausgiebig erzählt Regisseur Mark Tonderai von der Annäherung der beiden sensiblen Seelen, deren Beziehung durch Ryans dunkle Familiengeschichte auf eine harte Probe gestellt wird. Besonders deutlich stellt der Film dabei heraus, dass Ryans furchtbare Kindheitserlebnisse nicht etwa dafür sorgen, dass seine Mitmenschen ihm Mitgefühl entgegen bringen, sondern sie ihn vielmehr zur perfekten Zielscheibe werden lassen. Im Fall von Elissa wird zudem angedeutet, dass sie womöglich unter einer Art Helfersyndrom leidet und deshalb bewusst Ryans Nähe sucht. Als besonders eindringlich im Bezug auf diese ungewöhnliche Beziehung erweist sich etwa eine Szene, in der Elissa und Ryan gemeinsam ein Gesicht in einem Baumstamm erkennen, das sonst niemand zu sehen scheint.

    Aufgrund dieser einfühlsamen Erzählweise verzeiht man Tonderais Film auch gerne manch plumpen Schockeffekt. Zumal "House at the End of the Street" die Spannung kontinuierlich steigert, sich dank mehrerer Wendungen nie ganz vorhersehbar entwickelt und noch die eine oder andere feine Hommage an Klassiker wie "Psycho" oder "Ring" in petto hat. Unter den Darstellern deutet vor allem Jennifer Lawrence in diesem frühen Stadium ihrer Karriere an, dass von ihr noch Einiges zu erwarten sein wird. Aber auch Max Thieriot weiß als angeknackster Außenseiter zu gefallen.

    Kein rabiates Horrorfest, sondern subtil-schleichender Thrill, der hinten heraus einige derbe Tritte in die Magengrube setzt.

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    • 6 .5
      Kenduskeag 22.03.2019, 13:20 Geändert 22.03.2019, 13:26

      Bemerkenswert an "Halloween II" ist vor allem, dass es sich um eine Fortsetzung im klassischen Sinne handelt. Statt einfach die gleiche Story mit veränderten Komponenten noch einmal zu wiederholen - man denke zB an die "Final Destination" Reihe - knüpft dieser Film tatsächlich unmittelbar an die Geschehnisse des ersten Teils an und erzählt, wie die Nacht des Schreckens weitergeht.

      Stärker noch als im Vorgänger wird der Killer von Haddonfield hier als übermenschliche Kraft charakterisiert, die sich auch mit Schusswaffen nicht so leicht aufhalten lässt. Außerdem wird hier nun häufiger auf die Ego-Perspektive zurückgegriffen, die uns schon im ersten Teil zu Michaels Komplizen werden ließ. Nur leicht variiert worden ist zudem der markante Score, das Regiezepter überließ Carpenter derweil Rick Rosenthal.

      Der ständige Wechsel zwischen den Erzählsträngen sorgt unterdessen für eine gute Dynamik. Dr. Loomis' (Donald Pleasence) Jagd nach dem Killer ist ebenso spannend zu verfolgen wie Michaels Jagd nach neuen Opfern. Laurie (Jamie Lee Curtis) wird hingegen erst recht spät aktiv, ist sie doch von den Ereignissen des ersten Teils geschwächt und steht zudem unter Medikamenteneinfluss. Darüberhinaus sind Zahl und Intensität der Morde hochgefahren worden, wohingegen die Suspense Szenen weniger geworden sind. Auch die Art der Tötungen fällt nun kreativer aus (Hitzebad, Spritzen). Das Grundgerüst der Geschichte bleibt jedoch bestehen, sodass große Überraschungen ausbleiben.

      Eine insgesamt gelungene Fortsetzung, die den "Halloween" Mythos stimmig erweitert und das Niveau des Vorgängers hält. Wer das Original mochte, kann hier bedenkenlos zugreifen.

      Mr. Sandman, bring me a dream
      Make him the cutest that I've ever seen
      Give him two lips like roses and clover
      Then tell him that his lonesome nights are over

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      • A - Adams Äpfel
        B - Butterfly Effect
        C - Cocktail für eine Leiche
        D - Donnie Darko
        E - Es geschah am hellichten Tag
        F - Fahrenheit 451
        G - Gran Torino
        H - Hearts in Atlantis
        I - Identität
        J - Jackie Brown
        K - King Kong
        L - Léon - Der Profi
        M - M - Eine Stadt sucht einen Mörder
        N - Nightcrawler
        O - Oldboy
        P - Pans Labyrinth
        Q - Quax, der Bruchpilot
        R - Ray
        S - Short Term 12
        T - True Lies
        U - Unbreakable
        V - Very Bad Things
        W - Winnetou
        X - X-Men
        Y - You're Next
        Z - Zulu

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        • 5 .5

          Der Titel lässt vermuten, dass "72 Stunden - The Next Three Days" atemlose Action im Stil der "Taken" Trilogie bietet. Doch tatsächlich ist Paul Haggis Film über einen Familienvater, der seine unschuldig verurteilte Frau aus dem Gefängnis befreien möchte, in weiten Teilen eher ein Drama mit vereinzelten Thrillerelementen.

          So gewährt der Film zunächst einen ausgiebigen Einblick in das Seelenleben der Protagonisten. John Brennan (Russell Crowe) ist der Verzweiflung nahe, als die Polizei seine Frau Laura (Elizabeth Banks) abführt und der Ermordung ihrer Chefin bezichtigt. Ohne seine große Liebe ist John jedes Glück im Leben verloren gegangen und auch ihr gemeinsamer Sohn Luke (Ty Simpkins) leidet schwer unter der Abwesenheit der Mutter. Bis zu einem gewissen Punkt funktioniert diese Fokussierung auf die schwerwiegenden Folgen der Inhaftierung. Bald aber tritt die Handlung auf der Stelle und die sich wiederholenden Gespräche während der Besuchszeit beginnen zu langweilen, zumal Johns Ausbruchplan zunächst nur mühsam Gestalt annimmt und er immer wieder Rückschläge verkraften muss.

          In dieser Phase präsentiert sich "The Next Three Days" ebenso zäh wie bedeutungsschwanger. So hat etwa Olivia Wildes Charakter letztlich keine Relevanz für die Handlung, darf aber einige Male geheimnisvoll aus der Wäsche gucken. Dass John als unbescholtener Ehemann und Vater plötzlich zum eiskalten Killer mutiert und in Wild West Manier eine Bande von Drogendealern tötet, wirkt dann auch eher deplatziert als schlüssig.

          Erst im letzten Drittel zieht Haggis schließlich mit einer temporeichen Verfolgungsjagd die Spannungsschraube an. Dabei nehmen die Logiklöcher und Ungereimtheiten jedoch ebenso stetig zu. Insbesondere das Vorgehen der Polizei erscheint hier extrem dämlich, zumal gleich mehrere Ermittlerteams unabhängig voneinander hinter John her sind. Die Krönung dieser Abstrusitäten bildet schließlich die Suche nach einem drei Jahre zuvor verlorenen Knopf, dessen Spur bis zu einem Gullischacht verfolgt wird. Glücklicherweise rollt bald darauf der Abspann, sodass der Zuschauer von weiteren Peinlichkeiten verschont bleibt.

          Dank eines gewohnt souveränen Russell Crowe und einer guten Portion Action im letzten Drittel rettet sich "The Next Three Days" noch ins solide Mittelmaß.

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          • 6
            Kenduskeag 14.03.2019, 15:36 Geändert 14.03.2019, 15:38

            Die kleine, heile Welt des Familienvaters Cal Weaver (Steve Carell) droht einzustürzen, als seine Frau Emily (Julianne Moore) ihm offenbart, dass sie eine Affäre mit einem Arbeitskollegen hat und nun die Scheidung fordert. Als Cal dem smarten Playboy Jacob (Ryan Gosling) begegnet, hat die Zeit des Selbstmitleids jedoch bald ein Ende. Jacob nimmt den aus der Übung Gekommenen unter seine Fittiche und lehrt ihm die Kunst des Flirtens...

            Die Story hinter "Crazy, Stupid, Love." bietet keine besonderen Innovationen, in ähnlicher Form hat man das alles schon einmal gesehen. Dafür punktet die charmante RomCom mit einer wunderbaren Chemie zwischen den prominenten Darstellern und dem wohltuenden Verzicht auf platten Fäkalhumor. Da lässt sich auch leicht über manches Klischee und einige schnell zu durchschauende Wendungen hinwegsehen. Insbesondere die im Mittelpunkt stehende Männerfreundschaft sowie die Annäherung zwischen Womanizer Jacob und der zunächst schüchtern wirkenden Hannah (Emma Stone) bergen dabei einige gelungene Gags, während die Trennung der Eheleute für einige melancholisch-anrührende Momente sorgt.

            Ein wenig mehr Straffung hätte "Crazy, Stupid, Love." allerdings gut getan, da so zwischen zwei Pointen doch manchmal viel Zeit vergeht und Handlungsfäden erst spät wieder aufgegriffen werden. Darüberhinaus wird es gerade gegen Ende doch sehr schmalzig und brav, sodass ein wenig mehr Mut und Frechheit wünschenswert gewesen wäre.

            Insgesamt ist "Crazy, Stupid, Love." aber in jedem Fall höher anzusiedeln als so manche amerikanische Furzwitz-Komödie, bleibt aber ohne große Raffinesse und bewegt sich nie abseits vorhersehbarer Bahnen.

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            • 8 .5

              In sattem Rot leuchten Angelina Jolies Lippen, heben sich wie zum Zeichen der Warnung vom grauen Hintergrund ab. Die Kriegsbemalung einer starken Frau in ihrem verzweifelten Kampf um Gerechtigkeit und Wahrheit. Als alleinerziehende Mutter Christine Collins legt sie sich im Los Angeles der 20er Jahre mit einem korrupten Polizeiapparat an, nachdem ihr kleiner Sohn wie vom Erdboden verschwunden ist.

              Unter der Regie von Altmeister Clint Eastwood entfaltet sich eine abwechslungsreiche Geschichte um Behördenwillkür, Auflehnung gegen die Staatsgewalt und der schier endlosen Suche nach Erlösung. Was wie ein tragisches Einzelschicksal beginnt, entwickelt sich alsbald zu einem hitzigen Gefecht zwischen Zivilgesellschaft und staatlicher Autoritäten. Ganz nebenbei lässt "Der fremde Sohn" dank detailreicher Ausstattung und Kostüme das Amerika jener Dekade wieder auferstehen.

              Jolie begeistert bei dieser Suche nach Antworten mit der vielleicht besten Performance ihrer Karriere, weiß alle Nuancen von der sorgenden Mutter bis zur toughen Kämpferin perfekt zu bedienen. Neben ihr gefallen u.a. John Malkovich als sie unterstützender Radiopastor und Jeffrey Donovan als Policecaptain mit zweifelhaften Methoden.

              "Der fremde Sohn" bleibt stets überraschend, lässt dank immer neuer Entwicklungen keine Längen aufkommen. Die Handlung gleitet so elegant dahin wie es Jolie bei ihrer Arbeit als Telefonistin auf ihren Rollschuhen tut. Geschickt weiß Eastwood Elemente aus Drama, Gerichtsfilm und Verschwörungsthriller miteinander zu verknüpfen, sodass sein Film fließend von einem Genre ins nächste wechselt.

              Ein Werk, das neben Themen wie Korruption und Machtmissbrauch ganz deutlich aufzeigt, dass der Zustand der Ungewissheit für Eltern vermisster Kinder die schrecklichste Situation von allen ist. Gleichermaßen spannend wie aufwühlend und bewegend.

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              • 8

                "Blood Diamond" unter der Regie Edward Zwicks bietet temporeiche Unterhaltung mit der richtigen Mischung aus Action, Dramatik und Witz. Der stringent erzählte Film vermittelt das komplexe Thema des Diamantenschmuggels in Sierra Leone zur Zeit des Bürgerkriegs so, dass auch der gänzlich unbewanderte Zuschauer leicht einen Zugang findet.

                Gleich zu Beginn wartet "Blood Diamond" mit einer wichtigen Lektion auf. Der Wert eines Diamanten misst sich demnach nicht allein in Karat, sondern auch in seinem Nutzen für die Aufrechterhaltung des Kriegszustands in Afrika. Zwicks Film übermittelt Informationen wie diese jedoch nicht in aufdringlicher Schulmeistermanier, sondern verwebt sie geschickt mit einem fesselnden Abenteuerplot. "Blood Diamond" zeigt dabei wunderbar, dass eine gute Geschichte nicht immer vollgestopft mit überraschenden Wendungen sein muss, um zu funktionieren. Obwohl sich der Handlungsverlauf in groben Zügen vorhersagen lässt, fiebert man hier von Anfang an mit.

                Einen entscheidenden Beitrag zum Erfolg leistet dabei das stark aufspielende Hauptdarsteller-Trio. Leonardo DiCaprios Rolle des Schmugglers ist recht zwielichtig angelegt, wird er doch vornehmlich von Profitgier angetrieben und scheint bereit, im Fall des Falles über Leichen zu gehen. Dass der Zuschauer ihm dennoch Sympathien entgegen bringt, erweist sich als eine der größten Stärken des Drehbuchs.
                Djimon Hounsou wiederum übernimmt den Part des moralisch integren Einheimischen, für den die Jagd nach dem Diamanten nur Mittel zum Zweck ist, um zu seiner Familie zurück zu gelangen. Im Vergleich zu DiCaprios Figur lässt ihn das Drehbuch bisweilen leider etwas dämlich erscheinen, was in einigen unvernünftigen Aktionen kulminiert, die jedoch den Gesamteindruck nicht nachhaltig schmälern.
                Als Dritte im Bunde weiß derweil auch Jennifer Connelly zu gefallen, die als Journalistin im moralischen Konflikt steht, das Leid Anderer häufiger zu fotografieren als zu bekämpfen.

                Darüber hinaus verfügt "Blood Diamond" über kraftvolle Bilder, ein ausgezeichnetes Timing und die nötige Härte zur rechten Zeit. Ein insgesamt ebenso mitreißender wie anspruchsvoller Blockbuster.

                22
                • 7 .5

                  Dem italienischen Kaufmann und Navigator Amerigo Vespucci ist es vorbehalten, als Namensgeber des amerikanischen Doppelkontinents zu fungieren (Amerigo -> Amerika). Im kollektiven Gedächtnis ist jedoch ein anderer Name, nämlich jener von Christoph Columbus, weit stärker mit der Entdeckung der neuen Welt verhaftet, da dieser bereits vor Vespucci auf die Inseln vor der südamerikanischen Küste stieß. Anlässlich des fünfhundertsten Jubiläums jener bedeutenden Entdeckungsreise setzte Regisseur Ridley Scott dem Seefahrer ein filmisches Denkmal und strickt zugleich fleißig an dessen Legende.

                  Gänsehaut ist garantiert, wenn Columbus' Schiffe zum berühmten Soundtrack von Vangelis die Anker lichten und in See stechen. Mag sich Scott auch die Geschichte für seine Zwecke zurecht biegen und zuweilen romantisch verklären, so verfehlen die opulenten Bilder in Kombination mit den epischen Klängen doch keineswegs ihre Wirkung.

                  Die Geschichte ruht derweil auf den massigen Schultern Gérard Depardieus, der Columbus als unerschütterlichen Idealisten anlegt, der mit aller Kraft für seinen Traum kämpft. Das ist natürlich nicht frei von Pathos und heldenhafter Überhöhung, funktioniert aber innerhalb des Films, wenn man ihn als losgelöst von den historischen Fakten betrachtet. "1492" unterhält in der ersten Hälfte ganz hervorragend und nur darauf zielt Scott auch wirklich ab.

                  Sobald die Eroberer des Paradieses dann erstmals nach Hause zurückkehren, verliert der Film aber doch etwas an Dynamik. Nun macht sich auch bemerkbar, dass einige Nebenfiguren zu wenig Profil erhalten haben. Sigourney Weaver weiß als Königin Isabel zwar durchaus Akzente zu setzen, verschwindet aber eben auch für längere Zeit aus der Geschichte. Michael Wincott gibt einen furchteinflößenden Bösewicht ab, wird aber erst recht spät und zudem eher ungelenk in die Handlung eingeführt. Columbus' Familie darf dem Ehemann und Vater um den Hals fallen, wenn er mal wieder von einer langen Reise heimkommt und seine Brüder immerhin ab und zu mal anderer Meinung sein. Vielmehr weiß Scott mit diesen Figuren jedoch leider nicht anzufangen. So kann die zweite Hälfte des Films nicht ganz an das hohe Niveau der ersten heranreichen.

                  Dennoch - "1492" ist großes Kino in erlesenen Bildern und mit prächtiger Ausstattung. Wer sich nicht zu sehr an historischen Ungenauigkeiten stört, wird gerne die Segel hissen und mit Columbus auf große Fahrt gehen.

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                  • 6

                    "Micmacs" erzählt die Geschichte des Videothekars Bazil (Dany Boon), der als Unbeteiligter bei einer Schießerei in den Kopf getroffen wird. Da die Ärzte beschließen, das Geschoss sicherheitshalber an Ort und Stelle zu lassen, muss er fortan mit der Kugel hinter der Stirn leben. Gemeinsam mit seiner neuen Familie, einer Gruppe skurriler Schrottplatzbewohner, setzt Bazil alles daran, die Schuldigen ausfindig zu machen...

                    Jean-Pierre Jeunets markanter Stil sticht auch im Fall dieser eigenwilligen Komödie sogleich hervor. Ulkige Charaktere und seltsame Apparaturen bevölkern dieses charmante Paralleluniversum, welches mehr oder weniger zufällig an Paris erinnert. Dass "Micmacs" neben all den kleinen und großen Späßen zudem noch offen den Waffenhandel kritisiert, verleiht Jeunets Werk darüberhinaus den nötigen ernsthaften Unterbau. Leider jedoch verirrt sich der Film bisweilen in den vielen Details und netten Spielereien und vergisst dabei, die Handlung voranzutreiben.

                    So hinterlässt "Micmacs" mitunter einen leicht konfusen Eindruck, driftet mal hierhin und mal dorthin und verliert immer mal wieder den roten Faden aus der Hand. Hinzu kommt, dass die Figurenzeichnung sich als längst nicht so stark erweist, wie bei manch anderem Jeunet Film. Bazil etwa ist als Protagonist nicht immer greifbar, wandelt er doch zwischen gewitztem Pläneschmieder und einer französischen Variante von Mr. Bean. Und auch seine neuen Freunde erhalten hinausgehend über ihre jeweilige Eigenart (Schlangenfrau, menschliche Kanonkugel etc.) kaum Profil.

                    "Micmacs" stellt somit ein kurzweiliges und unzweifelhaft fantasievolles Vergnügen dar, hinterlässt allerdings auch ein wenig den Beigeschmack der Belanglosigkeit. Hübsch verziert und leicht verdaulich - aber nicht nachhaltig beeindruckend.

                    12
                    • 8 .5

                      Terrence Malick meistert die schwierige Gratwanderung, einen Anti-Kriegsfilm nicht zum bloßen Actionspektakel verkommen zu lassen, geradezu bravourös. "Der schmale Grat" ist frei vom genretypischen Patriotismuskitsch und zeigt uns den Krieg aus einer ganz ungewohnten Perspektive - durch die Augen der Natur.

                      Amerikaner und Japaner reiben sich während des Pazifikkriegs in blutigen Schlachten um strategisch bedeutsame Inseln auf. Der C Company fällt dabei der Auftrag zu, einen Stützpunkt der Japaner auf Guadalcanal einzunehmen. Alsbald offenbart sich das ganze Ausmaß menschlicher Zerstörungskraft...

                      "Der schmale Grat" schlägt sich nicht auf eine der beiden verfeindeten Seiten. Vielmehr zeigt Malicks Film, dass Irrsinn und Leid hüben wie drüben zu finden sind. Auch gibt es keinen eindeutige Hauptcharakter, nimmt Malick doch vielmehr das Gesamtbild in den Blick. Am ehesten taugt noch der verträumte Private Witt (Jim Caviezel) zur Identifikationsfigur, der sich zwischenzeitlich von seiner Kompanie absetzt, um ein Leben unter den Ureinwohnern zu führen.

                      Malick ist nicht darauf aus, möglichst aufwendige Schlachten zu inszenieren und setzt sich damit klar von anderen Genrevertretern ab. Stattdessen wählt er eine philosophische Herangehensweise, fragt, woher das Übel in die Welt kommt und wieso der Mensch solch einen Zerstörunsdrang entwickelt. Die vielen kleinen Einzelschicksale der Soldaten bilden so nach und nach ein stimmiges Ganzes.

                      Dass "Der schmale Grat" immerhin schon mehr als zwanzig Jahre auf dem Buckel hat, ist Malicks Film zu keiner Zeit anzusehen. Die Bilder der sagenhaften Naturpanoramen und Setbauten sind schlichtweg meisterhaft. Hinzu gesellt sich ein kraftvoller Hans Zimmer Score und ein Cast bestehend aus allem, was in den 90ern Rang und Namen hatte. Nick Nolte, John Travolta, Jared Leto, George Clooney, John Cusack und Co. treten hier ins teils so kleinen Rollen auf, dass man schon genau aufpassen muss, um jeden Star zu erkennen.

                      Selten wurde uns so eindrucksvoll vor Augen geführt, welche Auswirkungen Krieg auf den Menschen und seine Umwelt hat. Bezeichnend womöglich, dass "Der schmale Grat" bei den Oscars ausgerechnet gegen "Der Soldat James Ryan" den Kürzeren zog.

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                      • 5 .5

                        In der dritten Staffel von "True Detective" ermittelt Hobbyjäger und Vietnamveteran Wayne Hays (Mahershala Ali) im Fall einer mysteriösen Kindesentführung. Verteilt über drei Zeitebenen (80er, 90er, 2015) entfaltet sich eine groß angelegte Geschichte um zerstörerische Liebe, unterschwelligen Rassismus, zerbrechende Freundschaften, Selbstjustiz und Demenz, in welcher der eigentliche Kriminalfall leider fast zur Nebensache wird.

                        Handwerklich bewegt sich Staffel 3 auf durchgängig hohem Niveau. Kameraarbeit, Musik, Maske - an all diesen Dingen gibt es nichts auszusetzen. Und auch die Darsteller um Mahershala Ali, Stephen Dorff und Carmen Ejogo machen ihre Sache ausgezeichnet, zumal sie ihre Figuren in drei ganz unterschiedlichen Lebensabschnitten verkörpern müssen. An der Story hingegen hapert es dafür hingegen doch recht erheblich.

                        Nach einer vielversprechenden Auftaktepisode folgt lange Zeit über viel Leerlauf, ehe erst in den finalen Episoden die Spannung allmählich wieder steigt. Der Wechsel zwischen den drei Zeitebenen bleibt dabei leider ohne besonderen Effekt. Mindestens eine davon hätte genauso gut gestrichen werden können, da ohnehin früh klar ist, dass die Ermittlungen in den 80ern und 90ern im Sande verlaufen werden. Überhaupt erlaubt sich Staffel 3 zu viele Sackgassen, falsche Fährten und unnötige Nebenfiguren.

                        Eher ärgerlich als zielführend sind auch die vielen Beziehungsstreits zwischen Wayne und seiner Frau, die meist mit Versöhnungssex oder gemeinsamem Alkoholkonsum enden. Spätestens nach der fünften Wiederholung möchte man diese Szenen nur noch überspringen. Ein wenig interessanter sind da schon die Dialoge zwischen den beiden Ermittlern, wenngleich auch diese zu keiner Zeit die philosophische Tiefe der ersten Staffel erreichen.

                        Als größtes Ärgernis entpuppt sich derweil jedoch die finale Auflösung. Täter und Motiv wirken wie plötzlich aus dem Hut gezaubert, eine sinnvolle Herleitung ist für den Zuschauer kaum möglich - zu abwegig ist des Rätsels Lösung. Dass ganz zum Schluss eine Geistererscheinung (!) statt einer Indizienkette Wayne auf die richtige Spur bringt, ist dann fast schon als peinlich zu bezeichnen.

                        Fehlende Dynamik, zäher Beziehungskram und ein schwaches Ende - Staffel 3 von "True Detective" ist eine mittelgroße Enttäuschung.

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                        • 6

                          Schon allein wegen seiner über drei stündigen Laufzeit ist Olivers Stones Doku-Drama über die Ermordung John F. Kennedys kein Film, den man mal eben so im Vorbeigehen schauen kann. Minutiös bereitet er die Hintergründe des tödlichen Attentats auf und bringt dabei eine Unmenge an Namen ins Spiel, sodass höchste Aufmerksamkeit eine Grundvoraussetzung zum Verständnis des Geschehens darstellt. Wer einfach nur einen spannenden Politthriller sehen möchte, wird daher alsbald entnervt abschalten.

                          Bereits der ausführliche Prolog, in dem das Leben des beliebten Präsidenten bis zu jener schicksalhaften Autofahrt in Dallas beleuchtet wird, lässt ein überaus ambitioniertes Werk erahnen. Kaum verwunderlich also, dass halb Hollywood Stones Ruf Folge leistete, als dieser sich an die Verfilmung des kontrovers diskutierten Stoffes machte. Keine Szene vergeht, in der nicht ein neues bekanntes Gesicht die Bühne betritt: Kevin Costner, Tommy Lee Jones, Gary Oldman, Kevin Bacon, Joe Pesci, Jack Lemmon usw usw.
                          Einen klassischen Spannungsbogen besitzt "JFK" derweil nicht. Stattdessen reiht sich Dialog an Dialog. Zeugen und Beschuldigte werden vernommen, die Ergebnisse im Team diskutiert, neue Mitwisser aufgesucht.

                          Der unglaubliche Detailreichtum nötigt zweifellos großen Respekt ab. Welche Kugel traf Kennedy aus welchem Winkel? Welche Strecke legte der vermeintliche Attentäter Oswald nach dem Anschlag zurück? Wer könnte aus welchen Gründen die Fahrtroute geändert haben? Mit diesen und vielen weiteren Fragen setzt sich Stones Film akribisch auseinander. Das Herzstück bildet dabei der rund viertelstündige Dialog zwischen Staatsanwalt Jim Garrison (Costner) und dem sogenannten Mister X (Donald Sutherland) in welchem die Pro Argumente der Verschwörungstheorie, zu der sich der Film klar positioniert, auf den Punkt gebracht werden. An konkreten Belegen mangelt es dennoch, die zahlreichen Mutmaßungen werden kaum einmal mit Fakten gefüttert.

                          "JFK" ist großes, ja vielleicht sogar größenwahnsinniges Kino. Eines jener Werke, an dem man sich wohl zumindest mal versucht haben sollte, wenn man ein gewisses Interesse für das anspruchsvolle Thema aufbringen kann. Persönlich hätte ich lieber eine reine Dokumentation von Stone gesehen, da hier der Informationsgehalt weit über dem Unterhaltungswert steht.

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                          • 7 .5

                            Das gibt's nur einmal. Das kommt nicht wieder.
                            Das ist zu schön, um wahr zu sein.
                            So wie ein Wunder fällt auf uns nieder
                            Vom Paradies ein gold'ner Schein

                            In prägnante Schwarz-Weiß-Bilder gehüllt, präsentiert Regisseur Robert Schwentke eine bitterböse Groteske über Autoritätenhörigkeit, Moralverlust und den Wahnsinn des Zweiten Weltkriegs. "Der Hauptmann" ist zugleich absurd, zynisch und erschütternd bis ins Mark.

                            Der Deserteur Willi Herold (Max Hubacher) findet auf der Flucht vor seinen Häschern den Wagen eines Hauptmanns der Luftwaffe samt zugehöriger Uniform. Getreu dem Motto "Kleider machen Leute" eignet er sich den Habitus eines hochrangigen Offiziers an und schart alsbald eine ihm zu Diensten stehende Anhängerschaft um sich...

                            Schwentkes Film wirft uns unvermittelt in Abgründe, in die andere nicht einmal hinein zu blicken wagen. Beginnt sein Protagonist zunächst noch als Identifikationsfigur, so wandelt er sich rasch zu einem wahren Monster, dessen Befehle immer wahnwitziger und menschenverachtender werden. "Der Hauptmann" pendelt dabei zwischen schwarzhumoriger Satire und düsterem Kriegsdrama, scheint sich nie ganz auf eine Richtung festlegen zu wollen. Diesen Umstand mag man als Unentschlossenheit auslegen oder aber als einzigartige Signatur anerkennen. Die provokante Machart des Films wird so oder so niemanden völlig kalt lassen.

                            Neben Max Hubacher, der die schwierige Rolle des Lügenbolds mit Bravour meistert, überzeugt auch der restliche Cast um Milan Peschel als unterwürfiger Gefreiter und Frederick Lau als Schläger, der die Machtspiele des falschen Hauptmanns nur zu gerne mitspielt sowie Waldemar Kobus als vergeblich entgegensteuernder Lagerleiter.

                            In den Szenen während des Abspanns schwingt Schwentke zum Schluss dann doch noch etwas zu sehr mit der Moralkeule, diese letzten Bilder trüben den starken Gesamteindruck letztlich aber wenn überhaupt nur minimal. "Der Hauptmann" grenzt sich auf so gelungene Weise vom Einheitsbrei der deutschen Kriegsfilme ab, dass man ihm auch solch kleinere Schwächen gerne verzeiht.

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                            • 1. Welches Buch hast du zuletzt verschenkt?
                              "Ein Mann namens Ove" von Fredrik Backman

                              2. Welches Buch hat dich am meisten erschüttert?
                              Die Bibel und der Koran

                              3. Welches Buch hast du zuletzt gelesen?
                              "Der Übergang" von Justin Cronin

                              4. Welches liest du gerade?
                              "Jurassic Park" von Michael Crichton

                              5. Welches ist dein liebstes Buchcover?
                              Hmm...schwierig. "Die tausend Herbste des Jacob de Zoet" von David Mitchell sieht
                              ganz hübsch aus.

                              6. Welches war als Kind dein Lieblingsbuch?
                              "Die Klippenland Chroniken" von Paul Stewart zB

                              7. Welches ist das beste Kinderbuch?
                              Puh, da gibt's viele. Astrid Lindgren halte ich nach wie vor für eine gute Einstiegsdroge.

                              8. Mit welchem Buchgenre kannst du gar nichts anfangen?
                              Diese Bücher mit den nackten Oberkörpern auf dem Cover. Romantische Fantasy oder
                              sowas.

                              9. Liest du Bücher immer zu Ende oder hörst du auf, wenn du sie langweilig findest?
                              Manchmal hör ich auf oder unterbreche für längere Zeit.

                              10. Welches Buch hat dich zuletzt so mitgerissen, dass du alles um dich herum vergessen
                              hast?
                              Hatte ich tatsächlich länger nicht mehr. Zuletzt wohl bei "Das Lied von Eis und Feuer"
                              Band 10.

                              11. Das beste Buch zum Film ist ...?
                              Find Bücher zu Filmen meist eher schwach.

                              12. Welche Bücher hast du gelesen, die später verfilmt wurden?
                              Da gibt's einige. Hab dazu auch mal hier eine Liste erstellt.

                              13. Welcher anschließende Film war beser als das Buch?
                              "Das Schweigen der Lämmer" war als Film noch ein bisschen genialer.

                              14. Welchen Titel hätte deine Autobiographie?
                              Da würd ich lieber einen Roman schreiben.

                              15. Liest du auch manchmal Drehbücher? Wenn ja, welches hast du zuletzt gelesen?
                              Nö, bisher nicht. Interessant wärs aber schon.

                              16. Hast du eigentlich die Bibel gelesen?
                              In Teilen ja

                              17. Welches Buch ist aktuell dein Lieblingsbuch?
                              "Der Herr der Ringe", "Harry Potter", "Der dunkle Turm" und "Es" streiten um die
                              Spitzenposition.

                              18. Welches Buch würdest du niemanden empfehlen?
                              So eine ganz bescheuerte Krimi Trilogie im Fahrwasser von Stieg Larsson und Co.
                              Hab den Namen verdrängt.

                              19. Welche/r Autor/in ist dein/e liebste/r?
                              Tolkien,J.K. Rowling, Stephen King, Arthur Conan Doyle

                              20. Klassisches Buch oder E-Book?
                              Klassisches Buch. Es muss rascheln und knistern beim Lesen.

                              21. Hast du auch schon einmal fremdsprachige Bücher gelesen? Wenn ja, welche? Wenn nein, wieso nicht?
                              Im Englischunterricht, ja. Ansonsten ist mir das zu anstrengend.

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                              • 6

                                S. Craig Zahlers Regiedebüt versteht sich als knochenharter Western mit Splatterelementen. Darin begeben sich vier ungleiche Weggefährten auf eine waghalsige Rettungsmission, die sie geradewegs in die Arme einer wilden Kannibalenhorde führt.

                                "Bone Tomahawk" beginnt roh und grimmig und schürt bereits früh die Neugier auf das Folgende. Dann jedoch schließt sich ein reichlich zäher Mittelteil an, in dem sich Craig Zahler an skurrilen Dialogen versucht, die wohl an Tarantino oder auch die Coen Brüder erinnern sollen. Die ohnehin recht vorhersehbare Handlung tritt in diesem Abschnitt weitestgehend auf der Stelle, sodass einzig der kuriose Humor und die schönen Landschaftsbilder bei Laune halten. Im dritten Akt entlädt sich der Film schließlich in brachialen Gewalteruptionen, die "Bone Tomahawk" vom düsteren Neo-Western in Richtung Horrorgenre driften lassen.

                                Das Ensemble der Hauptdarsteller setzt sich dabei zusammen aus einem knurrigen Kurt Russell als alternder Sheriff, Richard Jenkins als schräg-witziger Deputy, Matthew Fox als stolzer Revolverheld mit gutem Kern und Patrick Wilson als Ehemann an Krücken, der mit aller Entschlossenheit zur Befreiung seiner großen Liebe anrückt. Mit ihrer ungewöhnlichen Teamchemie machen die Vier dann auch einen Großteil des Unterhaltungswerts aus.

                                So steht am Ende eine recht gelungene Genrekombo, die aber etwas zu überraschungsarm und langatmig daherkommt und als Kannibalenwestern etwa gegen den starken "Ravenous" (1999) klar den Kürzeren zieht.

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                                • 7

                                  In David Mackenzies knallhartem Knastdrama "Mauern der Gewalt" ist der Name Programm. Der britische Gefängnisalltag wird uns hier als permanenter Überlebenskampf präsentiert, geprägt von Prügeleien, Folter und Korruption.

                                  Der 19 Jährige Eric (Jack O'Connell) wird aus der Jugendstrafanstalt in ein Gefängnis für erwachsene Straftäter verlegt. Dort sitzt bereits sein Vater Neville (Ben Mendelsohn) seine Strafe ab, zu welchem Eric ein extrem angespanntes Verhältnis führt. Während der Therapeut Oliver (Rupert Friend) den jungen Häftling auf den richtigen Weg leiten möchte, wird die Konfrontation mit dessen Vater immer mehr zur Belastungsprobe...

                                  "Mauern der Gewalt" zielt von Beginn an darauf ab, dem Zuschauer das Gefängnisklientel näher zu bringen. Da ist der hyperaggressive Jugendliche, der sich durch Einsatz seiner Fäuste unter den Älteren behaupten will. Dort der Vater, der seiner Rolle nicht einmal ansatzweise gerecht werden kann. Und schließlich der einfühlsame Therapeut, der Gruppengespräche ins Leben ruft, bei denen sich die schweren Jungs öffnen sollen. Hinzu kommt der Typ, der alles besorgen kann, der Strippenzieher im Hintergrund, der hinterhältige Aufseher usw. All diese Charaktere und ihre Beziehungen untereinander versucht Mackenzie in einem fast dokumentarisch anmutenden Stil ausführlich zu beleuchten.

                                  Dabei schreckt er nicht davor zurück, die Brutalität in ihrer ganzen Drastik zu zeigen. Da werden auch schonmal Köpfe in Kloschüsseln gedrückt und Zähne in die besten Teile geschlagen. Weil das Blut hier bald in jeder zweiten Szene fließt, leidet der Film jedoch auch unter einer gewissen Redundanz. Statt allzu oft die körperlichen Auseinandersetzungen zu zeigen, hätte Mackenzie den Fokus lieber noch stärker auf die psychische Gewalt legen sollen, denn hier hat sein Gefängnisdrama hervorragende Ansätze. Insbesondere die Gruppensitzungen sind wahnsinnig spannend zu verfolgen, wenn allmählich die Fassade der beinharten Kerle zu bröckeln beginnt und sie im gemeinsamen Gespräch ihr Innerstes nach Außen kehren. Leider werden diese interessanten Ansätze aber nicht immer konsequent weiter verfolgt. So führt etwa eine Szene, in der der Boxsport zum Abbau von Erics Aggressionen fungiert, letztlich ins Leere.

                                  Außerdem verfügt "Mauern der Gewalt" zuweilen über ein leichtes Glaubwürdigkeitsproblem. Der lasche Umgang mit den Inhaftierten, welche etwa Rasierklingen und Feuerzeuge mit sich führen dürfen, steht im krassen Widerspruch zu den harten Strafmaßnahmen. Wird in der einen Szene ein Häftling noch von einem einzigen Wärter zur Zelle geführt, stürmt in der anderen ein ganzes Kommando mit Schlagstöcken auf ihn los.

                                  Die hochspannenden Beziehungen sind es indes, die Mackenzies Film sehenswert machen. Das Verhältnis zwischen Eric und seinem Therapeuten, noch mehr aber jenes zwischen ihm und seinem Vater, bildet das Fundament für einige fesselnde Konfliktsituationen. Die ausgezeichneten Darsteller tun derweil ihr Übriges, um alle Facetten dieser Konflikte zu veranschaulichen.
                                  So ist "Mauern der Gewalt" schließlich für alle empfehlenswert, die Interesse am Gefängnismilieu sowie an einem guten Vater-Sohn-Drama aufbringen.

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                                  • 8

                                    "Black Book" unter der Regie Paul Verhoevens widmet sich einem weniger beachteten Kapitel der Geschichte - dem NS-Widerstand in den Niederlanden. Was zunächst wie ein Drama um jüdische Flüchtlinge beginnt, entwickelt sich schon bald zu einem packenden Spionagethriller um Liebe, Verrat und falsche Freundschaften.

                                    Die Revuesängerin Rachel Stein (Carice van Houten) wird nach einer gescheiterten Landesflucht kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs in die Pläne der Widerständskämpfer verwickelt. Sie erhält den Auftrag, mit SD-Chef Ludwig Müntze (Sebastian Koch) anzubandeln, um so den inneren Kreis der Nationalsozialisten zu infiltrieren und die Freilassung von Gefangenen zu erwirken. Als Rachel jedoch bemerkt, dass Müntze die Gräueltaten des Regimes missbilligt und sie sich tatsächlich in ihn verliebt, gerät sie unerwartet zwischen die Fronten...

                                    "Black Book" bietet eine abwechslungsreiche Story, die sich deutlich von gängigen Werken über die NS-Zeit abhebt. Gut und Böse sind hier auf beiden Seiten zu finden, Helden und Verräter sowohl im Widerstand wie auf Seiten der Nazis. Selbst hochrangige SS-Offiziere zeigt "Black Book" nicht ausschließlich als seelenlose Monster, die pausenlos Erschießungsbefehle erteilen, sondern ebenso als "Normalos", die feiern, saufen, tanzen und vögeln. Zudem gelingt es dem Film ausgezeichnet, die chaotische Zustände der letzten Kriegsmonate zu veranschaulichen, in denen Freund und Feind kaum noch zu unterscheiden waren.

                                    Paul Verhoeven inszeniert all dies flott und schnörkellos, sodass keinerlei Längen entstehen. Zusätzlich kann er sich auf seinen gut ausgewählten Cast verlassen. Besonders Carice van Houten (Game of Thrones) überzeugt als Spionin in der Zwickmühle, hin und her gerissen zwischen ihren Verpflichtungen gegenüber dem Widerstand und ihren Gefühlen für den SD-Chef.

                                    Zwar mangelt es Verhoevens Film hier und da ein wenig an Dramatik und Intensität - doch das ist bereits Jammern auf hohem Niveau. Sowohl Geschichtsinteressierte als auch Anhänger spannender Spionagethriller kommen mit "Black Book" voll auf ihre Kosten.

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                                    • 6
                                      Kenduskeag 18.02.2019, 17:41 Geändert 18.02.2019, 19:33

                                      Die Brüder Jack (Shia LaBeouf), Forrest (Tom Hardy) und Howard (Jason Clarke) brennen und schmuggeln Schnaps während der Prohibition und machen damit lukrative Geschäfte. Als sie sich jedoch mit dem diabolischen Bundesagenten Rakes (Guy Pearce) anlegen, beginnt ein Duell auf Leben und Tod...

                                      Regisseur Hillcoat (The Road) versteht es, das 30er Jahre Südstaaten Setting gekonnt einzufangen. "Lawless" hat etwas von einem kantigen Western inklusive testosterongesteuerter Hahnenkämpfe und blutiger Gewaltspitzen. In Kombination mit Nick Caves Musik und dem hochkarätigen Cast ergibt sich so eine einnehmende Atmosphäre, die zugleich den größten Trumpf des Films repräsentiert.

                                      Die Story indes fällt eher dürftig aus, besteht hauptsächlich aus dem Hin und Her von Gewalt und Gegengewalt. Hier wäre deutlich mehr Raffinesse wünschenswert gewesen, zumal Hillcoat sein gewohnt gemächliches Tempo anschlägt. So kommt "Lawless" über weite Strecken eher schleppend voran und lässt dadurch Spannung und Intensität vermissen.

                                      Kaschieren kann der Film dies ein wenig durch seinen starken Cast, in dem besonders Shia LaBeouf als ambivalenter Jungspund unter den Brüdern sowie Guy Pearce als schmieriger Antagonist hervorstechen. In Nebenrollen sind zudem u.a. Jessica Chastain, Dane DeHaan und Gary Oldman mit von der Partie. Von den kleinen Nebenhandlungen weiß außerdem die behutsam erzählte Lovestory zwischen LaBeoufs Charakter und der von Mia Wasikowska verkörperten Predigertochter zu unterhalten.

                                      Mehr Cleverness im Drehbuch und "Lawless" hätte ein feines Schmugglerepos werden können. So aber wird der Durst nicht vollends gestillt.

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                                      • 6 .5

                                        "The Others" wirkt auf wohltuende Art wie aus der Zeit gefallen. Zum Einen, weil Regisseur Alejandro Amenábar einen Gruselfilm der alten Schule abliefert, der gänzlich auf billige Schockeffekte verzichtet und stattdessen äußerst subtil vorgeht. Andererseits aber auch, weil sich die Geschichte von Beginn an nicht recht in eine bestimmte Zeit einordnen lässt, obwohl mehrere Hinweise auf das Jahr 1945 hindeuten. Irgendwie will dieser einsame viktorianische Landsitz mit seinen seltsamen Bewohnern jedoch nicht recht in das letzte Kriegsjahr passen. Und tatsächlich - kennt man dann das Ende, ergibt auch diese Merkwürdigkeit plötzlich Sinn.

                                        Amenábar lässt seiner Geschichte ausgiebig Zeit. Schleichend dringt das Grauen in jede Nische des nebelverhangenen Herrenhauses vor, breitet sich nach und nach aus, um den Zuschauer dann eiskalt zu erwischen. "The Others" erzählt von Isolation, Trauer und Verlustangst, agiert stets mit feinen Zwischentönen statt dem großen Orchester. Umso überraschender fällt schließlich die finale Wendung aus.

                                        Nicole Kidman wechselt als Hausherrin zwischen kühler Distanz und neurotischer Zwanghaftigkeit. Insbesondere ihr Verhältnis zu ihren beiden Kindern gibt Rätsel auf, müssen diese doch pausenlos Bibeltexte pauken und vor Sonnenlicht geschützt werden. Die Erzählungen vom Limbus, die im Hause umgehen und die von verstoßenen Seelen berichten, lassen indes erahnen, dass etwas wahrhaft Schauerliches vorgeht. Ein Highlight stellt etwa die Szene dar, in der die Tochter in ihr Kommunionkleid gehüllt auf dem Boden sitzt und mit einer Marionette spielt. Zusätzlich sorgen die drei mysteriösen Hausangestellten für Gänsehautmomente.

                                        Dass es nicht ganz für eine höhere Einstufung reicht, hängt damit zusammen, dass der Auftritt des Ehemanns ein wenig im Sande verläuft und dieser die ohnehin eher gemächlich vorgetragene Handlung zusätzlich ausbremst. Auch baut "The Others" etwas zu sehr auf den letzten Twist, sodass sich auf dem Weg dorthin ein paar Längen einschleichen. Ein Glück, dass das Warten dann so belohnt wird.

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                                        • 5 .5

                                          Das unerforschte Gebiet des Amazonas, ein Boot voll besetzt mit einer dämlich-naiven Filmcrew, ein irrer Jäger und ein meterlanges Monstrum bilden die Zutaten für dieses charmante Horrorabenteuer inklusive sinnbefreiter Dialoge und schwachem CGI.

                                          "Anaconda" wartet mit einer illustren Besetzung auf - so sind u.a. Jennifer Lopez, Ice Cube und Owen Wilson mit an Bord. Für die schauspielerischen Highlights ist allerdings ausschließlich Jon Voight als verrückter Schlangenfetischist zuständig, der mit seiner überdrehten Performance das Beste aus seiner stumpfen Rolle macht. Zudem weiß das Dschungelsetting zu gefallen, welches mit einigen kreativen Kamerafahrten in Szene gesetzt wird und so durchaus Atmosphäre erzeugt. Auch Tempo und Spannung bewegen sich auf einem guten Level, sodass die knapp 90 Min. Laufzeit wie im Flug vergehen.

                                          Das größte Problem des Films stellt indes die titelgebende Riesenschlange dar. Die CGI-lastigen Auftritte der Anaconda verfehlen nämlich zumeist ihre gewünschte Wirkung, sind weder besonders gruselig noch kommen sie überraschend. Mit ihren übertriebenen Fähigkeiten erscheint das Tier hingegen manchmal regelrecht lächerlich. Weniger wäre hier mehr gewesen, indem man etwa ihre Attacken nur aus der Ego Perspektive gezeigt oder gleich auf ein Minimum beschränkt hätte.

                                          Da der Unterhaltungswert aber konstant hoch ist und "Anaconda" auch gar nicht erst auf mehr abzielt, kann man dieser kleinen Trashperle des Tierhorrors jedoch kaum böse sein.

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                                          • 7 .5

                                            Ein Mann und sein kleiner Junge ziehen durch die aschgraue Einsamkeit der Postapokalypse. Einen Einkaufswagen vor sich herschiebend, der gleichsam Stütze wie Depot für ihr weniges Hab und Gut darstellt. Dichte Nebelschwaden umhüllen die Straße. Kein Vogel oder anderes Tier ist zu hören. Bäume und Häuser stürzen um, als ob eine unsichtbare Macht in der Erde sie in die Knie zwänge. Die Straße gleitet fort und fort...

                                            "The Road" ist ein stockdüsteres Drama inmitten einer aussterbenden Welt. Weniger benzingetränktes Spektakel ala "Mad Max" als vielmehr intimer Generationenkonflikt zwischen Vater (Viggo Mortensen) und Sohn (Kodi Smit-McPhee). Die Namen der Beteiligten genügen dabei, um zu erahnen, wie in etwa die Reise auf der endlos erscheinenden Straße aussehen wird: Die Vorlage stammt von Cormac McCarthy (No Country for Old Men), die Musik von Nick Cave (Die Ermordung des Jesse James), die Regie übernahm John Hillcoat (The Proposition). Und dennoch ist "The Road" erstaunlicherweise ein recht leicht zugänglicher Film geworden.

                                            Viggo Mortensen beweist einmal mehr, dass seine bloße Präsenz jedes Werk besser machen kann. Seine Figur ist gleichsam einfühlsamer Vater wie erbitterter Krieger; verletzlich, melancholisch, kämpferisch. An seiner Seite überzeugt Kodi Smit-McPhee, der darauf brennt, von seinem Vater zu lernen, dessen Taten und Ansichten jedoch im späteren Verlauf auch immer mehr hinterfragt. Welchen Sinn hat das Leben noch in einer nicht mehr lebenswerten Welt? Wie lassen sich Gut und Böse noch voneinander unterscheiden? Diesen und weiteren Fragen müssen sich Vater und Sohn im Verlauf des Films stellen.

                                            "The Road" ist bis in die kleinsten Nebenrollen prominent besetzt. So treffen wir in Rückblenden und kurzen Episoden auf der Straße u.a. auf Charlize Theron, Robert Duvall und Guy Pearce. Dabei zerfällt Hillcoats Film jedoch nie in Stückwerk, sondern weiß stets den großen Bogen um die vielen kleinen Einzelgeschichten zu spannen, beweist ein ausgezeichnetes Gespür für jede noch so kleine Randfigur.

                                            Langsam, aber nie langweilig. Schwermütig, aber nie mit unnötigem Ballast versehen. "The Road" ist ein atmosphärisches Stück Endzeit-Kino, das erhobenen Hauptes die Fackel weiterträgt.

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                                            • 6

                                              Die Dokumentation widmet sich dem (über-)ambitionierten Vorhaben des Regisseurs Alejandro Jodorowsky, die auf Frank Herberts Romanen basierende Saga um den Wüstenplaneten zu verfilmen. Ein ebenso ehrgeiziges wie grotesk anmutendes Projekt, welches letztlich nie verwirklicht wurde, wohl aber Einfluss auf spätere Science Fiction Filme wie "Alien" oder "Star Wars" hatte. Filmliebhaber, die gerne hinter die Kulissen schauen, erhalten Einblicke in die fantasievollen Storyboards sowie Jodorowskys Werben um seine illustre Wunschbesetzung mit u.a. Salvador Dali und Mick Jagger. Neben den ausgiebigen Träumereien des exzentrischen Regisseurs nimmt sich die Dokumentation auch immer mal wieder Zeit, Freunde und Weggefährten wie Nicolas Winding Refn und H.R. Giger zu Wort kommen zu lassen.

                                              Funktioniert garantiert auch als Appetitmacher für alle, die sich auf Villeneuves Umsetzung des Stoffes freuen.

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                                              • 6
                                                Kenduskeag 15.02.2019, 12:21 Geändert 15.02.2019, 12:22

                                                Der spanische Thriller "The Body" zählt zu jenen Filmen, über die man vorab am besten so wenig wie möglich weiß, da er vor allem von seinen zahlreichen überraschenden Wendungen lebt. Regisseur Oriol Paulo präsentiert eine vertrakte Geschichte, die zum Miträtseln einlädt, sich letztlich aber auch als arg konstruiert entpuppt.

                                                Dadurch, dass "The Body" überwiegend in einem Leichenschauhaus spielt und Paulo das kleine Einmaleins des Gruselns inklusive knarrender Türen, plötzlichem Gewitter und unheilvollen Schattenspielen perfekt bedient, entfaltet sich von Beginn an eine Atmosphäre des Unbehagens. Zudem sorgt die eher ungewöhnliche Geschichte, die von einem gut aufgelegten Cast getragen wird und immer neue Fragen aufwirft, für ein gewisses Grundinteresse.

                                                Gleichzeitig wirkt Paulos Thriller allerdings etwas spröde. Die Inszenierung gestaltet sich sehr nüchtern, humorvolle Momente etwa sucht man komplett vergebens. Zudem ist "The Body" sehr gleichmäßig getaktet, sodass sich ein regelrechtes Muster im Aufbau erkennen lässt, das später in "Der unsichtbare Gast" erneut Verwendung fand. Tempovariationen hätten hier für mehr Spannung und Unberechenbarkeit gesorgt. Außerdem leidet der Film ein wenig unter einer Vielzahl detaillierter Erklärungen. Haarklein wird das Geschehen in Rückblenden aufgedröselt, sodass kein Raum mehr für eigene Interpretationen bleibt.

                                                Trotz aller Mängel geht der Daumen vor allem dank des originellen Ansatzes und den überzeugenden Gruselelementen am Ende dann aber doch noch nach oben.

                                                Dank geht an Framolf und Chionati für den Tipp!

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                                                  In "A Lonely Place to Die" gerät die Klettertour von fünf Freunden im schottischen Hochland zum blutigen Horrortrip, der mit einer sich stetig steigernden Gewaltspirale und einer ordentlichen Portion Nervenkitzel aufwartet.

                                                  Nach einer starken Auftaktszene am Berg benötigt die Handlung ein wenig, um in die Gänge zu kommen. Die Einführung der Bergsteigergruppe fällt eher wenig interessant aus und hat für den weiteren Verlauf dann auch kaum eine Relevanz. Sobald die Freunde bei ihrer Tour jedoch eine furchtbare Entdeckung machen, entwickelt sich ein durchaus packender Survival Thriller, der das Bergpanorama für einige schwindelerregende Kamerafahrten nutzt. Der Storyverlauf ist nicht gleich zu durchschauen und auf kurze Verschnaufpausen folgt immer mal wieder eine neue böse Überraschung, sodass der Spannungspegel zunächst kontinuierlich steigt.

                                                  Etwa ab der Mitte findet "A Lonely Place to Die" allerdings allzu großen Gefallen daran, falsche Fährten auszulegen. So werden gleich mehrere Figuren eingeführt, deren einziger Zweck für die Handlung darin besteht, den Zuschauer in die Irre zu führen. Diese kleinen Twists gestalten sich jedoch eher plump und sorgen zudem dafür, dass das Geschehen immer mehr zerfasert, die eigentlichen Hauptfiguren aus dem Fokus geraten. Eine deutliche Straffung wäre hier wünschenswert gewesen, zumal der Film auf das Abschießen dieser Platzpatronen überhaupt nicht angewiesen ist.

                                                  Unter den Darstellern ragen derweil besonders Melissa George (Triangle) mit einer emotionalen Performance als erfahrene Bergsteigerin und Sean Harris (Mission: Impossible Reihe) als kaltblütiger Antagonist hervor. Doch auch die weiteren Rollen sind hier u.a. mit Ed Speleers und Eamonn Walker stark besetzt.

                                                  Trotz einiger Mängel im Bezug auf Fokus und Timing reicht es somit zu einem insgesamt positiven Gesamteindruck. Fans des brutalen Überlebenskampfs in freier Natur dürften sich von diesem Schottland-Schocker ohnehin angesprochen fühlen.

                                                  Dank geht an 999Cineastor666 fürs Neugier schüren!

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                                                  • 6 .5
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                                                    In ihrem dritten Fall beschäftigt die Ermittler des Sonderdezernats Q eine angeschwämmte Flaschenpost, die sie auf die Spur eines skrupellosen Kindesentführers bringt, welcher in Verbindung mit streng religiösen Familien steht.

                                                    Im Vergleich zu seinen beiden Vorgängern ist "Erlösung" mehr auf Action statt auf Krimirätsel ausgelegt. Die Fronten sind in diesem Teil der Reihe recht früh geklärt, anschließend steht die Jagd auf den Täter im Vordergrund, der seinen Verfolgern bis zum Schluss immer einen Schritt voraus ist. Um der Fall-Handlung folgen zu können, sind zwar keine Vorkenntnisse von Nöten, die Hintergrundgeschichten der Ermittler Carl Mørck (Nikolaj Lie Kaas) und Assad (Fares Fares) lassen sich jedoch besser verstehen, wenn man die Vorgänger gesehen hat.

                                                    Die Hatz auf den Entführer, der von Pål Sverre Hagen (Kon-Tiki) mit dem entsprechenden Schuss Wahnsinn verkörpert wird, ist spannend und temporeich inszeniert und verfügt zudem über einen gewissen Härtegrad (Stichwort: Schere). Unter der vollkommen auf den Wettlauf der beiden Parteien zugeschnittenen Handlung leidet allerdings ein wenig der Cold Case Aspekt, der sonst als Markenzeichen der Reihe fungiert. Die Einblicke in die Vergangenheit sind diesmal weniger erhellend für die Ereignisse in der Gegenwart als noch in den vorherigen Teilen.

                                                    Dafür erhalten die Auseinandersetzungen zwischen Carl und Assad durch ihre Ermittlungen in einem streng gläubigen Umfeld eine neue Dynamik, da die religiösen Überzeugungen der angehörigen Familien ihre Arbeit zusätzlich erschweren. Der (scheinbare) Nihilist Carl und der lebensfrohe Muslim Assad liefern sich daher so manches Wortgefecht über Gott und die Welt, welche durch Assads trockenen Humor zudem wunderbar aufgelockert werden.

                                                    "Erlösung" ist anders als seine Vorgänger somit kein zum Mitraten ausgelegter Krimi, der nach Identität und Motiv des Täters fragt, sondern vielmehr ein actionreiches Wettrennen, das bis zum dramatischen Showdown auf gutem, aber eben nicht überragendem Niveau unterhält.

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