Kenduskeag - Kommentare

Alle Kommentare von Kenduskeag

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    über Ray

    Ray Charles starb kurz vor Ende der Dreharbeiten 2004, sodass er die Premiere seines Biopics nicht mehr miterleben konnte. Wohl aber war er entscheidend an der Produktion beteiligt und bekam auch eine Rohfassung des Films vorgeführt, welcher er seinen Segen gab.

    Taylor Hackfords Würdigung einer der größten Soul-Legenden des 20. Jahrhunderts ist ein fiebrig-vibrierender, bisweilen ekstatischer Rausch für Augen und Ohren. Ausführlich widmet sich "Ray" allen Höhen und Tiefen im Leben des blinden Musikers und zeichnet so ein genaues Bild von dem Mann hinter Evergreens wie "Georgia on my Mind" und "Hit the Road Jack". Als besonders gelungen erweist sich dabei der Kniff, die Handlung nicht chronologisch fortschreiten zu lassen, sodass etwa dramatische Ereignisse in Rays Kindheit erst zu einem späteren Zeitpunkt enthüllt werden. Detailreich lässt der Film die High Society der 50er und 60er Jahre mit ihren großen Straßenkreuzern und noblen Villen wieder auferstehen, skizziert aber ebenso exakt Rays Anfangsjahre als armer Schlucker in heruntergekommenen Hinterhofschuppen.

    Wenn es einen Aspekt gibt, der jedoch noch mehr als alles andere heraussticht, dann ist es definitiv die Leistung des Hauptdarstellers. Jamie Foxx spielt nicht Ray Charles - er ist es! Was nach einem abgedroschenen Werbeslogan klingt, stimmt hier hundertprozentig. Bewegungsabläufe, Sprechweisen - all dies eignete sich Foxx so haargenau an, dass es einer Herausforderung gleichkommt, ihn von den Aufnahmen des Originals zu unterscheiden. Völlig verdient durfte Foxx deshalb nach der Oscar-Verleihung den Goldjungen mit nach Hause nehmen. Doch auch die weiteren Darsteller wie Kerry Washington als Rays Ehefrau, Regina King als eine seiner vielen Affären oder C.J. Sanders als kleiner Ray in Kindertagen wissen zu gefallen.

    Die vielleicht größte Herausforderung für die Filmmacher bestand derweil darin, dass die Hauptfigur mit zunehmender Laufzeit immer unsympathischer wird. Ray wird drogensüchtig, geldgierig und hintergeht mehrmals seine Frau, die Faszination seiner Person verliert sich dadurch jedoch nicht. Zudem weiß Hackford die zahlreichen Musikeinlagen geschickt einzusetzen, um Stimmungen zu verstärken oder einen Kontrast herzustellen. Wenn etwa "Hit the Road Jack" mitten in einem Streit Rays mit seiner Affäre entsteht, dann gewinnt der Film noch einmal zusätzlich an Zugkraft.

    Vorwerfen lassen muss sich dieses starke Biopic lediglich zwei Dinge. Zum einen gestalten sich die Ereignisse im letzten Drittel etwas zu redundant. Einmal zu viel rechtfertigt sich Ray für seine Bettgeschichten und für die Sucht nach der Nadel. Hier wäre weniger mehr gewesen, ohne dass das Gezeigte an Wirkung verloren hätte. Und zum Anderen möchte Hackford ganz zum Schluss die verloren gegangenen Sympathien für die Hauptfigur wieder zurück gewinnen und baut daher ein paar allzu rührselige Momente ein, die dem Film auf den letzten Metern eine unnötig spirituelle Note verleihen. Beide Kritikpunkte schmälern den Gesamteindruck jedoch nur geringfügig, sodass "Ray" ein absolut gelungenes Künstlerbiopic darstellt, das neben mitreißender Musik besonders mit einer genialen Performance des Hauptdarstellers auftrumpfen kann.

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    • 4 .5
      Kenduskeag 31.07.2018, 13:19 Geändert 31.07.2018, 13:23

      Bombastexperte Roland Emmerich versuchte sich 1996 an einem Alieninvasionsspektakel, dessen Ausgangslage an Genreklassiker wie "Kampf der Welten" erinnert. Entstanden ist dabei eine platte Seifenoper mit gelegentlichen Actioneinschüben, die über ihre fast zweieinhalb Stunden nur selten zu überzeugen weiß.

      Das erste Drittel von "Independence Day" dient überwiegend dazu, die unterschiedlichen Parteien in Stellung zu bringen. Riesige Raumschiffe verdunkeln den Himmel, während der US Präsident (Bill Pullman) erste Sicherheitsmaßnahmen einleitet. Nach und nach werden die wichtigsten Akteure vorgestellt, darunter der Satellitentechniker David (Jeff Goldblum) mit Exfrau und Vater sowie der Kampfpilot Steven (Will Smith) mit Freundin und Sohn. Zudem lernen wir in einem weiteren Handlungsstrang den alkoholkranken Vietnamveteran Russell (Randy Quaid), seine Stiefkinder und deren Freunde kennen. Bei all den präsentierten Beziehungsgeflechten gerät die eigentliche Bedrohung immer wieder aus dem Fokus. Da muss Stevens Freundin schon zwischendurch die Vorhänge weit aufreißen, um ihren Freund und den Zuschauer daran zu erinnern, dass da ja nach wie vor die großen Untertassen am Himmel hängen.

      Auch im weiteren Verlauf hält sich der Film viel zu lange mit pathetischen Reden über den Stolz der Amerikaner und den diversen Verbindungen der allesamt eindimensionalen Charaktere auf. Die Actionszenen fallen derweil vollkommen vorhersehbar aus und könnten ebenso gut aus der viel gescholtenen Prequeltrilogie von "Star Wars" stammen. Immerhin sorgen Goldblum und Smith mit ein paar launigen Sprüchen für etwas Auflockerung, doch leider treffen die Beiden viel zu spät erst aufeinander, um "Independence Day" noch in Richtung Buddy Komödie retten zu können.

      Ohne jede Überraschung steuert das langatmige Geplänkel um die Gefahr aus dem All seinem Ende entgegen, lässt manchen Figurentod beinahe gänzlich unkommentiert und wird dabei nicht müde, den amerikanischen Heldenmut zu preisen. Dass die Effekte aus heutiger Sicht reichlich angestaubt sind, ist hier noch das geringste Übel. Vielmehr ist Emmerich vorzuwerfen, dass er "Independence Day" unbedingt epische Ausmaße geben will, obwohl er doch kaum etwas zu erzählen hat.

      So bleibt letztlich nur der Eindruck eines ungemein zähen Effektstreifens mit einigen hanebüchenen Plotideen, der seinem großen Figurentableau nicht einmal im Ansatz Tiefe verleihen kann und abgesehen von wenigen netten Onelinern kaum zu unterhalten vermag.

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        Kenduskeag 30.07.2018, 13:55 Geändert 30.07.2018, 14:12

        Die drei Geschwister Léa, Adrien und Théo müssen ihre Sommerferien bei ihren Großeltern in der Provence verbringen. Ein wahrer Alptraum für die technikaffinen Großstadtkids, die mit der ländlichen Abgeschiedenheit so gar nichts anfangen können. Zu allem Überfluss ist ihr Opa Paul (Jean Reno), dem sie nun zum ersten Mal begegnen, nicht einmal eingeweiht und entpuppt sich als alter Griesgram, der sich pausenlos über die schlechten Manieren seiner Enkel echauffiert...

        "Ein Sommer in der Provence" verpackt gleich mehrere Themen zu einem locker luftigen Filmchen in malerischer Landschaft. Generationenkonflikt, regionale Vorurteile, Drogenprobleme und das Aufleben alter Biker Freundschaften werden auf denkbar klischeehafte wie vorhersehbare Weise verbunden. Ohne jeden Spannungsbogen dümpelt der Film so vor sich hin, während die Kamera über die sonnenbeschienen Olivenhaine oder über den Strand galoppierende Pferde fährt. Getragen wird die schematische Handlung dabei von einem sympathischen Darstellerensemble, wobei insbesondere Jean Renos nuancierte Interaktion mit dem taubstummen Nesthäkchen Théo (Lukas Pelissier) zu gefallen weiß. Zwischendurch darf dann noch ein Stierkampf besucht und mit den alten Freunden in bester Lagerfeuerromantik Evergreens wie "Knockin' on Heavens Door" geschmettert werden.

        Ohne jede Tiefe trudelt "Ein Sommer in der Provence" somit seinem Ende entgegen, bewahrt sich aber immerhin einen gewissen Charme und gerät bei allen Klischees doch nie zur Peinlichkeit. Wer kein Geld oder keine Zeit hat, selbst in die Provence zu reisen, kann hier ein wenig Atmosphäre schnuppern, darüber hinaus bietet der Film jedoch keine besonderen Highlights.

        Prädikat: Ganz nett

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        • Auch hier gilt wieder: Sehr lesenswert!
          Black Widows wechselnde Zuneigung für die männlichen Avengers ist mir tatsächlich auch schon aufgefallen. Konnte man im ersten "Avengers" noch annehmen, dass sie eine Beziehung zu Hawkeye eingeht, flirtet sie später mit Cap und verliebt sich dann in Bruce Banner. Selbst zu Tony Stark bestand in "Iron Man 2" eine gewisse sexuelle Spannung. Das fühlt sich tatsächlich etwas inkonsequent an und widerspricht auch dem starken Frauencharakter, wie du ja ausführlich ausgearbeitet hast.

          Mystique durchläuft wohl die größte Wandlung aller Superheldinnen. Ihr Charakter in den neuen X-Men Filmen hat für mich nur noch wenig mit ihren Auftritten in der ersten Trilogie gemein. Trotzdem verbinde ich sie immer noch stark mit ihren sexuellen Reizen. Obwohl sie so eine Wandlung durchgemacht hat und selbstständig agiert, wirkt sie auch oft noch wie ein Spielball von Magneto. Mit ihrem Charakter kann ich auch allgemein weniger anfangen, wenn ich sie so mit Black Widow vergleiche. Aber Geschmäcker sind eben verschieden.

          War auf jeden Fall sehr interessant darüber zu lesen :)

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          • 8

            Filmemacher sind Zauberkünstler und das Kino der Ort, an dem ihre Magie Wirklichkeit wird. Regisseur Martin Scorsese nahm sich diese Weisheit zu Herzen und schuf mit "Hugo Cabret" ein fantastisches Märchen für Cinephile. Basierend auf dem Roman von Brian Selznick folgen wir dem Waisenjungen Hugo in das Paris der 30er Jahre, wo er nach dem Tod seines Vaters die gewaltigen Bahnhofsuhren repariert.

            Scorsese nimmt sich ausgiebig Zeit, den romantischen Charme des Bahnhofs, die verschneiten Pariser Gassen und die vielen eigenwilligen Figuren zu etablieren. Traumhafte Kamerafahrten sorgen in Verbindung mit den detailreichen Kulissen für eine wunderbar angenehme Wohlfühlatmosphäre. Was wie ein Kinderabenteuer beginnt, entwickelt sich mit zunehmender Laufzeit schließlich immer mehr zu einer Liebeserklärung an die Anfänge des Films, wobei insbesondere das Schaffen des Pioniers Georges Méliès im Mittelpunkt steht.

            Asa Butterfield in der Rolle des Hugo stellt dabei in dieser zunächst nicht leicht zu durchschauenden Geschichte den emotionalen Ankerpunkt für den Zuschauer dar. Er meistert diese zentrale Aufgabe mit absoluter Bravour, sodass Scorseses Film auch mit zunehmender Komplexität seinen Protagonisten nicht aus den Augen verliert. Auch die Chemie zwischen Butterfield und der von Chloë Grace Moretz verkörperten Isabelle ist dabei überaus stimmig. Zudem darf Ben Kingsley als geheimnisvoller Spielzeugverkäufer einmal mehr sein enormes Reportoire unter Beweis stellen. Die größte Entdeckung des Films ist jedoch zweifellos Sascha Baron Cohen als kinderfangender Stationsvorsteher, der für die humorvolle Auflockerung der durchaus anspruchsvollen Erzählung zuständig ist. In ihren besten Momenten stehen diese Slapstick Szenen ganz in der Tradition eines Charlie Chaplin. In kleineren Nebenrollen sind außerdem noch u.a. Jude Law und Christopher Lee mit von der Partie.

            So ist "Hugo Cabret" am Ende ein magisches Filmerlebnis mit erstaunlichen Entdeckungen, rätselhaften Apparaturen und einigen überraschenden Wendungen. Martin Scorsese gelingt die anrührende Würdigung eines seiner bedeutendsten Vorgänger auf dem Regiestuhl, die in eine unterhaltsame Abenteuergeschichte mit typischen Dickens-Motiven eingebettet wird.

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              Zu einer Privataudienz ins Lichtspielhaus - wann bietet sich schon einmal solch eine Gelegenheit? Regisseur Wim Wenders macht es mit seiner Dokumentation über das Oberhaupt der katholischen Kirche möglich. "Papst Franziskus - Ein Mann seines Wortes" rückt die dringlichsten Anliegen des Pontifex sowie sein großes Vorbild und Namenspatron Franz von Assisi in den Mittelpunkt. Entstanden ist dabei ein Film, der zwar zu keinem Zeitpunkt missionieren möchte, jedoch allzu wohlmeinend und unkritisch mit den Aussagen des Papstes umgeht.

              Wer sich erhofft durch Wenders Dokumentation mehr über den Privatmensch Jorge Mario Bergoglio und seinen Werdegang zu erfahren, dürfte enttäuscht den Saal verlassen. Vielmehr konzentriert sich der Film auf Franziskus' Programm und die Sorgen, die ihn umtreiben. Ganz im Sinne seines großen Idols liegen dem Argentinier, der bei seinem Amtsantritt verkündete, seine Brüder seien offenbar bis ans Ende der Welt gereist, um einen Nachfolger für den zurückgetretenen Benedikt XVI zu finden, die Armen und Ausgegrenzten besonders am Herzen. Bescheidenheit und Verzicht möchte er vorleben und stößt dabei immer wieder auf Widerstände innerhalb wie außerhalb des Vatikans. Zudem macht sich Franziskus für ein größeres Umweltbewusstsein stark und kritisiert die moderne Wegwerf-Gesellschaft.

              Wenders Interviews und vereinzelte Schwarz-Weiß Szenen über den historischen Franziskus wechseln sich dabei immer wieder mit Bildern der Auslandsreisen des Papstes ab. Erstaunlich ist dabei, welch unterschiedliche Reaktionen Franziskus in aller Welt hervorruft. Wenn er etwa in seinem Papamobil durch die südamerikanischen Elendsviertel fährt, die Menschenmenge, die sich links und rechts der Straßen drängt, lautstark seinen Namen skandiert und sein Schulterüberwurf hinter ihm im Wind flattert, könnte diese Szene auch einem der neuesten Marvel Blockbuster entnommen sein, in der der Superheld zur Rettung der Menschheit schreitet. Deutlich verhaltener sind da schon die Reaktionen, wenn der Papst als Redner vor politischen Gremien auftritt. So erhält er etwa nur sehr spärlichen Applaus, wenn er vor dem US-Kongress offen den Waffenhandel anprangert.

              In den Interviews vermischen sich immer wieder großväterliche Ratschläge wie jener, mehr mit den Kindern zu spielen, einander ausreden zu lassen und den Humor im Leben nicht zu vergessen, mit Themen von aktueller Brisanz. So spricht sich der Papst etwa eindeutig gegen die Missionierung von Angehörigen anderer Religionen aus, bezeichnet Kindesmissbrauch durch Geistliche als furchtbares Verbrechen und nennt den Feminismus eine einseitige und extreme Haltung. Wenders Film lässt diese Aussagen jedoch allesamt unkommentiert stehen und befasst sich nicht mit ihrem Diskussionspotenzial. Dadurch wirkt seine Dokumentation in höchstem Maße unreflektiert und allzu sehr darauf bedacht, den Papst als Heiligenfigur ohne jeden Makel zu porträtieren. Ein Umstand, der der uneitlen Persönlichkeit dieses charismatischen Mannes vollkommen zuwider läuft.

              Wer die Amtszeit des Papstes bisher einigermaßen intensiv verfolgt hat, dürfte in dieser Dokumentation somit nicht viel mehr als eine bloße Zusammenfassung der wichtigsten Themen und Stationen sehen. Visuell ist Wenders Werk dabei durchaus reizvoll, so etwa wenn Franziskus' Anliegen auf die Fassade des Petersdoms projeziert werden oder die Kamera über die brasilianischen Favelas fliegt. Inhaltlich jedoch findet kaum eine kritische Auseinandersetzung mit den Worten des Papstes statt. Das Endergebnis fühlt sich dann eher wie eine gutgemeinte Erinnerung an die Nöte der Welt, denn als ernsthafter Lösungsansatz an.

              Chance vertan.

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                Kenduskeag 19.07.2018, 13:54 Geändert 19.07.2018, 14:02

                Ang Lee zaubert mit "Life of Pi" ein bildgewaltiges Abenteuer auf die große Leinwand, das zwar einen visuellen Leckerbissen darstellt, inhaltlich jedoch einige Schwächen aufweist.

                Fasziniert lauscht der namenlose Autor in der Rahmenhandlung der fantastischen Geschichte seines Gastgebers. Pi Patel ist ein junger Inder aus dem kleinen Ort Pondicherry, der als Sohn eines Zoobesitzers schon früh mit wilden Tieren in Berührung kommt. Als seine Familie in Übersee ein neues Zuhause finden will, folgt die Katastrophe...

                "Life of Pi" ist ein wahrer Rausch aus spektakulären Bildern. Der Film entbrennt zwischenzeitlich ein regelrechtes Feuerwerk märchenhafter Effekte. Abstriche lassen sich diesbezüglich nur bei den Tieren und ihren Bewegungen machen, denen man die Computerherkunft doch recht deutlich ansieht.
                Was die Handlung angeht, so gestaltet sich diese in der ersten Hälfte durchaus abwechslungsreich, während sie später schauplatzbedingt etwas stagniert, aber immerhin noch mit vielen interessanten Einfällen gewürzt wird. Auch die Darsteller wissen dabei zu gefallen und vermögen ihren Figuren erfolgreich Leben einzuhauchen. Besonders Suraj Sharma liefert in der Hauptrolle des jungen Pi eine überzeugende Performance.

                Der Grund dafür, dass Lees Film beinahe tatsächlich Schiffbruch erleidet, liegt vielmehr darin, dass die fantastische Erzählung mit einer kitschigen Zuckerglasur überzogen wird, die dem eigentlich simpel angelegten Abenteuer offenbar eine religiöse Tiefe verleihen soll. Diese zweite Ebene wird allerdings so ungelenk präsentiert, dass kaum eine andere Reaktion als ausgiebiges Kopfschütteln die Folge sein kann. So unterhält sich Pi kurz mit einem Priester und schon ist er bekennender Christ, er läuft an einer Moschee vorbei und wird spontan zum Muslim. Die tiefgreifenden Gottesbegegnungen, die der ältere Pi in der Rahmenhandlung in diesen Situationen erfahren haben will, kommen zu keiner Zeit beim Zuschauer an. Lees Film behauptet an diesen Stellen viel, löst aber nur wenig davon ein.

                Als Schwierigkeit erweist sich zudem, dass die Geschehnisse vor dem Schiffbruch keinerlei Bedeutung für den weiteren Verlauf der Geschichte haben, von Pis anhaltendem religiösen Eifer, in jeder Lebenssituation eine Theophanie auszumachen, einmal abgesehen. Sobald der junge Inder allein mit dem bengalischen Tiger, der ein Namensvetter von Spider Mans Vater ist, auf dem weiten Meer treibt, beginnt die Geschichte gewissermaßen von Neuem und weist nunmehr zahlreiche Parallelen zum biblischen Hiob auf. Familie, Jugendliebe und Fähigkeiten wie jene, die tausendste Nachkommastelle der Kreiszahl zu kennen, spielen von nun an keine Rolle mehr. Dadurch wirkt "Life of Pi" in der zweiten Hälfte manchmal so, als habe man einen komplett anderen Film eingeschaltet.

                Spoiler:
                So unterhaltsam dieses Abenteuer über weite Strecken auch ist, so ernüchternd fällt jedoch das Ende aus, da die religiöse Ebene nun noch einmal stärker in den Fokus rückt und die charmante Fabel überlagert. Mit einem Schluss der Marke "Ätschibätsch! War doch alles nur erfunden!" tut sich der Film wahrlich keinen Gefallen.

                So ist "Life of Pi" insgesamt ein hübsch anzusehendes Abenteuer mit Märchenelementen, das mit zwei sehr unterschiedlichen Hälften daherkommt, die sich aufgrund fehlender Verbindungen nicht stimmig zusammenfügen. Statt auf die Kraft der Geschichte zu vertrauen, möchte Ang Lee dem Zuschauer unbedingt eine Gebrauchsanweisung in Form einer religiös-kitschigen Metaebene mit an die Hand geben. Diese Entscheidung bringt sein Boot zwar nicht zum Kentern, lässt es aber zwischenzeitlich gehörig wanken. Die Rettung erfolgt schließlich durch das ungleiche Hauptdarstellerduo, dessen vielseitige Beziehung Lees Film vor dem Untergang bewahrt.

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                • 6 .5

                  Aus der Vogelperspektive betrachtet, erweckt das Marschland des Flussdeltas, welches als Schauplatz für diesen packenden Krimi dient, beinahe surreal. Die satten Farben und pinselstrichfeinen Linien könnten auch dem Gemälde eines spanischen Meisters entstammen. In dieser sumpfigen Gegend ermittelt das ungleiche Polizistenpaar Pedro und Juan im Fall zweier vermisster Mädchen, die offenbar Opfer eines Serienkillers geworden sind. Während ihrer Suche nach dem Mörder müssen sie sich nicht nur mit der Vergangenheit des nach der Franco Diktatur zerrütteten Landes, sondern auch mit ihren eigenen Dämonen auseinandersetzen.

                  "La isla minima" ist ein ungemein atmosphärischer Film, der sowohl die Landschaft als auch ihre an einem Scheidepunkt stehenden Bewohner exzellent porträtiert. Zwar ist Diktator Franco seit einigen Jahren tot, doch immer noch hält sich die Zahl seiner Verehrer, was gleich zu Beginn an einem Kruzifix deutlich wird, welches mit einem Foto Francos geschmückt wurde (bezeichnenderweise steht ein Foto Hitlers direkt daneben). Spanien steckt in einer Wirtschaftskrise, die Jungen sehnen sich danach, dem von Gewalt und Unterdrückung geprägten Patriarchat ihrer Elternhäuser zu entfliehen. Besonders junge Frauen suchen nach Auswegen, um vor ihren dominanten Vätern, die die alten Traditionen der Diktatur noch lange nicht abgelegt haben, zu entkommen.

                  Während die Krimihandlung eher konventionell verläuft, sind es vor allem diese gesellschaftlichen Aspekte, die "La isla minima" so sehenswert machen. Auch die Darsteller wissen dabei zu gefallen, wobei die beiden gegensätzlichen Ermittler besonders hervorstechen. Sowohl der Generationenkonflikt, als auch die konträren Ideologien, finden in den beiden Protagonisten ihre Zuspitzung. Alsbald offenbart sich auch, dass der Weg in eine demokratische Zukunft für Spanien nicht gelingen kann, indem man das Gewesene einfach ignoriert.

                  Der Plot erfordert durchaus eine hohe Aufmerksamkeit, oftmals belässt man es hier bei Andeutungen und versteckten Details. Zudem ist die Zahl der auftauchenden Nebenfiguren, die im Laufe der Geschichte zu den Morden befragt werden, recht hoch. Die Spannungsklaviatur schlägt selten die höchsten Töne an, durchgängig interessant ist der Film aber allemal. Wer "True Detective" ob seiner Ästhetik mochte, kann auch an "La isla minima" gefallen finden. Als Krimi sicherlich kein Geniestreich, als Gesellschaftsstudie hingegen sehr empfehlenswert.

                  Viva españa!

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                  • Star sein verbinde ich auch immer mit einer gewissen Qualität, Charisma, Ausstrahlung. Geht man nur nach Bekanntheit und Social Media Anhängern, dann sind plötzlich auch die Pietro Lombardis und Daniela Katzenbergers dieser Welt große Stars.

                    Ich sehe auch nicht, inwiefern sich die Franchise Abhängigkeit von Robert Downey Jr. so gravierend von der eines Dwayne Johnson unterscheidet. Man könnte nämlich auch so argumentieren, dass das MCU erst durch Downey Jr. so ein großer Erfolg wurde. Schließlich war es zu Beginn vor allem sein Iron Man, der die Zuschauer angelockt hat, während Filme wie "Der unglaubliche Hulk" nur ganz solide liefen. Auf der anderen Seite war "Fast and Furious" auch schon vor Dwayne Johnsons Einstieg eine profitable Marke. Was die Reihe angeht, könnte man fast genauso gut sagen, dass Jason Statham ihr zusätzlichen Schub gegeben hat.
                    Auch sonst setzt Johnson häufiger mal auf Franchises (Baywatch, Jumanji, G.I. Joe). Ob diese Filme die gleichen Ergebnisse erzielt hätten, wenn sie unter anderen Namen gelaufen wären, wage ich zu bezweifeln. Johnson ist sicherlich ein Kassenmagnet, aber das ist ein Downey Jr. dann auch. Beim Thema Star würden mir beide allerdings nicht als erstes einfallen.

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                      Kenduskeag 17.07.2018, 12:20 Geändert 17.07.2018, 12:23

                      Als Spionage Thriller startend, entwickelt sich "Sneakers" mit fortschreitender Laufzeit immer mehr zum Heist Movie mit Komödienanteilen. Eine recht unausgegorene und zudem reichlich zähe Mischung, wie sich bald herausstellt. Im Mittelpunkt des Geschehens steht dabei ein MacGuffin in Form eines Anrufbeantworters, der im Verlauf des Films mehrmals den Besitzer wechselt.

                      Regisseur Robinson trommelte hier einen wahren Star Cast zusammen. So besteht die Gaunerbande, die sich auf die Jagd nach dem ominösen AB begibt u.a. aus Robert Redford, Dan Aykroyd, Sidney Poitier sowie River Phoenix in einer seiner letzten Rollen, während die Gegenseite von Ben Kingsley angeführt wird. Die Stärke seines prominenten Casts vermag der Film allerdings kaum auszuspielen. Redford erhält noch am meisten Screentime, während Aykroyd und Co. eher als Stichwortgeber fungieren. Auch Kingsley bleibt als Bösewicht eher solider Durchschnitt.

                      Die Geschichte wird angereichert mit jeder Menge für die damalige Zeit neuer Technologie, die aus heutiger Sicht so hoffnungslos veraltet wirkt, dass sie schon fast wieder futuristisch erscheint. Spannung entsteht außerhalb der Einbruchsequenzen kaum, über die zweistündige Laufzeit hinweg vermag das Katz und Maus Spiel nicht zu begeistern. Was den Humor angeht, so gibt es ein paar wirklich starke Pointen, jedoch auch viele Situationen, die viel zu ernst abgehandelt werden. Zudem fehlen für einen gelungenen Heist Movie auch ein wenig die Schauwerte. Die meiste Zeit über spielt "Sneakers" nämlich in halbdunklen Bürogebäuden. Selbst der Showdown kommt ohne große Actionsequenz aus, bringt aber immerhin noch einen humorigen Cameo mit sich.

                      Die Kombination aus Spionage Thriller und Heist Movie ist nur mäßig gelungen. "Sneakers" fühlt sich insgesamt zu mittelmäßig, zu belanglos an, um aus dem Einheitsbrei hervorzustechen.

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                        Kenduskeag 16.07.2018, 13:55 Geändert 16.07.2018, 14:13

                        Werden solche Filme heutzutage überhaupt noch gedreht? Wohl eher nicht.

                        "Master and Commander" ist ein klassisches Seemannsabenteuer, das beinahe genauso auch schon vor vierzig oder fünfzig Jahren hätte entstanden sein können. Statt auf CGI wurde hier auf praktische Effekte gesetzt, was ganz enorm zur Authentizität des Geschehens beiträgt. Die Ereignisse auf der HMS Surprise fühlen sich bisweilen so unglaublich echt an, dass man beinahe meint, das salzige Wasser auf der Zunge zu schmecken. Die Erzählweise ist dabei in ihrer altmodischen Art sehr charmant, sodass man am liebsten gar kein böses Wort darüber verlieren möchte. Dennoch hat Peter Weirs Film auch einige Schwächen.

                        Während der Napoleonischen Kriege erhält Kapitän Jack Aubrey (Russell Crowe) den Auftrag, die Verfolgung eines feindlichen französischen Schiffes aufzunehmen. So leicht lässt sich die gesamte Handlung zusammenfassen, die im Folgenden mit einigen Alltagsepisoden der Besatzung und verschiedenen mehr oder weniger erfreulichen Zwischenfällen angereichert wird. Und darin liegt bereits eine erste Schwierigkeit des Films, denn die mal mehr, mal weniger präsente Bedrohung durch die Franzosen vermag nicht für einen gelungenen Spannungsbogen zu sorgen. Die Entdeckungen des Arztes und Naturforschers Dr. Maturin (Paul Bettany) sind durchaus interessant, manch Todesfall an Bord ist tragisch, aber all dies wird so episodenhaft präsentiert, dass man sich sehnlichst einen roten Faden herbeiwünscht. Erst zum Finale gewinnt der Film schließlich wieder an Stringenz.

                        Neben der wunderbar eingefangenen Atmosphäre sind es dann vor allem die Darsteller, die "Master and Commander" sehenswert machen. Wenn die kriegstaktischen Ansichten des mit natürlicher Autorität agierenden Kapitäns mit den Vorstellungen seines pazifistischen Arztes kollidieren, dann stimmt hier einfach die Chemie im Zusammenspiel zwischen Crowe und Bettany. Und auch die weiteren Besatzungsmitglieder um James D'Arcy, Billy Boyd und den kleinen Max Pirkis wissen zu gefallen. Ihren Figuren wird jedoch wenig Möglichkeit zur Entwicklung gegeben, beinahe alle vertreten zum Schluss noch die gleichen Meinungen wie zu Beginn.

                        So hinterlässt "Master and Commander" letztlich nur einen soliden Eindruck. Schöne Atmosphäre, starke Effekte, gute Darsteller - aber auch fehlender Esprit und eine eher durchschnittliche Handlung. Etwas Wehmut bleibt jedoch, da solches Seemannsgarn inzwischen nicht mehr gesponnen wird.

                        P.S.
                        Maturin? Schildkröte? Da war doch was ;)

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                        • 8 .5
                          Kenduskeag 15.07.2018, 14:36 Geändert 15.07.2018, 14:37

                          Engine hums
                          And bitter dreams
                          Grow
                          Heart locked
                          In a Gran Torino
                          It beats
                          A lonely rhythm
                          All night long

                          Clint Eastwood ist ein wahrer Oldtimer im Filmgeschäft. Einer, der auch nach vielen Jahrzehnten noch seinen Dienst tut und kaum Verschleißerscheinungen zeigt. Mit "Gran Torino" kehrte er gewissermaßen zu seinen Wurzeln zurück, gibt er doch hier erneut den einsamen Wolf mit zusammengekniffenen Augen und prägnanten One Linern auf den Lippen, jene Rolle, die ihn einst zum Star werden ließ. Wer nun aber glaubt, dieses Werk des Altmeisters sei eine bloße Hommage an vergangene Tage, der irrt. "Gran Torino" nimmt Eastwoods Image als harter Westernheld bisweilen genüsslich aufs Korn und hat bei aller Selbstironie auch noch eine ganze Menge zu erzählen.

                          Walt Kowalski ist ein Mann, der seine Zeit und die Werte für die sie stand, längst überdauert hat. Der streng konservative Koreaveteran findet sich in der globalisierten, sich immer schneller drehenden Welt nicht mehr zurecht und mit dem Tod seiner Frau ist ihm nun auch noch der letzte Ankerpunkt seines Lebens verloren gegangen. Seinen neuen Nachbarn, einer Hmong Familie, begegnet er mit großem Misstrauen, seine eigene Verwandtschaft ist ihm gar noch fremder. Als schließlich der junge Tao auch noch versucht, Walts geliebten Wagen zu stehlen, droht dies das Fass endgültig zum Überlaufen zu bringen...

                          Trotz seines Titels ist “Gran Torino" kein typischer Autofilm. Vielmehr steht das Fahrzeug symbolisch für den griesgrämigen Protagonisten. Alt, aber noch gut in Schuss; zuverlässig, aber auch stahlhart. Das Auto ist Walts ganzer Stolz und zugleich Ausdruck seiner Männlichkeit. Für ihn verkörpert es zum einen das Resultat ehrlicher Arbeit und zum anderen etwas uramerikanisches. Für die asiatischen Einwanderer in seiner Nachbarschaft hingegen hat er nur Verachtung übrig. Nun Tür an Tür mit dem einstigen Feind leben zu müssen, fühlt sich für ihn wie eine nachträgliche Kriegsniederlage an und er scheut sich auch nicht davor, seinen Fremdenhass öffentlich kundzutun. Die Verwandlung, die mit dem alten Mann nach und nach vorgeht, gehört dann auch zu den spannendsten wie emotionalsten Aspekten des Films.

                          "Gran Torino" ist ein durchweg schnörkelloses, geradlinig erzähltes Sozialdrama. Eastwoods mit bis zum Kinn hängenden Mundwinkeln vorgetragene Sprüche sorgen für einen grimmigen Witz, einige kleinere Actioneinlagen für zusätzliche Dynamik. Die Darsteller, die außer Eastwood selbst fast alle eher unbekannt sind, tragen die Geschichte mühelos. Eine Geschichte, die unterschiedliche Generationen und Kulturen aufeinander prallen lässt. Eine, die das Rad nicht neu erfindet, aber alles Nötige unter der Haube hat, damit der Motor läuft. Eine, die es sich zu erzählen lohnt, weil sie Rassismus aus der Sicht eines Rassisten beleuchtet, dessen Diskriminierungen irgendwann ganz wie Neckereien unter Freunden klingen.

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                          • 8

                            Luc Bessons 90er Jahre Klassiker erzählt auf einfühlsame Weise die Geschichte eines Mannes, der im Herzen Kind geblieben ist und eines Mädchens, das viel zu schnell erwachsen werden musste. Unter tragischen Umständen kreuzen sich die Wege des Profikillers Léon mit der von ihrer Familie vernachlässigten Mathilda. Dies ist der Beginn einer der wohl ungewöhnlichsten Freundschaften, die je über die große Leinwand flimmerte.

                            Hoch fliegt die Kamera zu Beginn über New York, das selten so europäisch aussah wie hier, und taucht anschließend mitten in die Lebenswelt Léons und Mathildas hinein. Das "ehrenwerte" Haus, das sie bewohnen, ist ein Hort der Gewalt und des Drogenhandels. Wer hier lebt, verschließt gerne Augen und Ohren davor, was nebenan vor sich gehen mag. So verwundert es nicht, dass die 12 Jährige Mathilda, die unter solchen Bedingungen groß wird, für ihr Alter erstaunlich abgebrüht erscheint. Während ihr eigener Vater seiner Rolle als fürsorglicher Versorger nicht gerecht wird, stößt sie bei der Suche nach Ersatz auf den mysteriösen Nachbarn, der sich hinter runden Sonnengläsern und einer Fassade der Gefühlskälte versteckt.

                            Der Auftragsmörder Léon scheint zunächst nicht annähernd in das Profil des liebevollen Vaterersatzes zu passen. Nach und nach offenbart sich jedoch hinter den Mauern, die er um sich errichtet hat, eine emotionale, eine verletzliche Seite. Die Freundschaft der Beiden mutet zunächst wie eine bloße Zweckgemeinschaft an. Léon bewahrt das Mädchen vor dem sicheren Tod durch den skrupellosen Stansfield, der, obwohl mit staatlichem Segen agierend, eher wie ein gewissenloser Gangsterboss, denn als rechtschaffener Gesetzeshüter daherkommt. Im Gegenzug bringt das Mädchen Léon, der zwar ein Meister seines Fachs ist, ansonsten jedoch nur über wenig Bildung verfügt, Lesen und Schreiben bei. Schon bald erwächst aus diesem einfachen Deal jedoch eine innige Zuneigung. Während Mathilda sich mit lolitahaftem Charme an den reichlich überrumpelten Profikiller bindet, er ihr sein blutiges Handwerk lehrt und sie schließlich zu einer modernen “Bonny und Clyde" Variante werden, fiebert man gespannt dem nächsten Auftritt des Antagonisten entgegen, der sich zwischenzeitlich etwas rar macht. Sobald Stansfield allerdings erneut die Bühne betritt, gewinnt "Léon" zusätzlich an Spannung und Dynamik.

                            Bessons Film besitzt ein unglaublich starkes Gespür für seine Figuren. Ihre Entwicklung ist jederzeit nachzuempfinden, all ihre Regungen sind hervorragend in Szene gesetzt. Neben seinem großen Dramaanteil ist "Léon" jedoch auch ein exzellenter Actionfilm von gesunder Härte und enormen Realismus, der mit einem mal schwelgerischen, mal vorpreschenden Score unterlegt ist.

                            Getragen wird der Film dabei von einem großartigen Darstellertrio. Jean Reno verkörpert glaubhaft den etwas gutgläubigen Léon, der sich bei Bedarf in eine eiskalte Killermaschine verwandeln kann. An seiner Seite brilliert die junge Natalie Portman, die ihn neckisch umgarnt, ihre sexuellen Reize gekonnt ausspielt und schließlich das Herz des schweigsamen Mannes zu erwärmen weiß. Gary Oldman indes stellt auch hier wieder seine außergewöhnliche Wandlungsfähigkeit unter Beweis. Wer erlebt hat, was für gutherzige Charaktere dieser Mann spielen kann, wird kaum vermuten, dass es sich um den selben Schauspieler handelt, der hier den (welch Ironie!) pillensüchtigen Drogenfahnder gibt, für den das Morden nur den nächsten Rausch bedeutet.

                            Kurz und gut - dieser Film hat seinen Klassikerstatus vollkommen zurecht inne. Zwar mag die bleihaltige Vater-Tochter-Beziehung mit vielen sexuellen Andeutungen aus heutiger Sicht vielleicht nicht mehr ganz so überraschend oder gar schockierend wie bei Erscheinen sein, dank starker Regie und ebenso starken Darstellern funktioniert diese einnehmende Gangsterballade jedoch noch immer ausgezeichnet.

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                            • 6 .5
                              über Sicario

                              "Mexico mi amor“ trällerte einst Peter Alexander mit der DFB Auswahl, als die Nationalmannschaft wenn auch nicht gesanglich, so doch noch zumindest auf dem Platz überzeugte. Der düstere Kartellthriller des gefeierten kanadischen Regisseurs Denis Villeneuve indes hat für derlei Schlagerromantik nichts übrig. "Sicario" ist durchweg rau, brutal und kompromisslos. Mexiko präsentiert sich hier als unbarmherzige Wüstenlandschaft, in der ausschließlich die Saat der Gewalt auf fruchtbaren Boden fällt.

                              Bereits die Eröffnungssequenz, die die von Emily Blunt verkörperte FBI Agentin Kate einführt, erschüttert in ihrer Grausamkeit und Härte. Von da an ist der Grundstein für einen atmosphärischen Thriller gelegt, der von Kameraroutinier Roger Deakins in meisterhafte Bilder getaucht wird. Kombiniert mit dem wuchtigen Score Johann Johannssons entwickelt “Sicario“ in einigen Momenten einen ungeheuren Sog, erreicht nahezu die höchsten Stufen des Suspense.
                              Bedauerlicherweise weist Villeneuves Film jedoch auch Einiges an Leerlauf auf, tritt hinsichtlich der Handlung zuweilen auf der Stelle und löst diese Suspense Momente nicht immer zufriedenstellend. So baut sich etwa während eines Autokonvois zur Überführung eines Drogenbosses eine enorme Spannung auf, die aber letztlich zu einem eher konventionellen Ende geführt wird.

                              Überhaupt bewegt sich der Plot vornehmlich in vertrauten Bahnen, sodass "Sicario" inhaltlich kaum etwas bietet, was nicht schon aus zahlreichen anderen Kartellthriller bekannt wäre. Auch die Charaktere sind mehr oder weniger stereotyp gehalten und bieten mit Ausnahme des unbedarften Neulings Kate, die als Einzige der Handelnden noch einen intakten Moralkompass zu haben scheint, kaum Identifikationspotenzial. So speist sich ein Großteil des Interesses an den Figuren eher aus der Frage, wer hier denn nun auf wessen Seite steht. Zwar hält dieses Verschwimmen der Grenzen zwischen Gut und Böse durchaus die Neugierde aufrecht, weiß aber in seiner Auflösung nach Schema F kaum zu begeistern.

                              Die Darsteller hingegen können durchweg überzeugen, wenngleich weder Emily Blunt, noch Josh Brolin als grimmiger Befehlshaber in Flipflops oder Benicio del Toro als undurchsichtiger Auftragskiller zwingend Preisverdächtiges abliefern. Hierzu ergibt sich aufgrund ihrer simpel gestrickten Figuren allerdings auch kaum eine Gelegenheit. Auch die in Nebenrollen auftauchenden Daniel Kaluuya und Jon Bernthal fallen weder besonders positiv noch negativ auf.

                              "Sicario" erweist sich somit insgesamt als Film, der weit mehr durch seine Form, als durch seinen Inhalt zu glänzen weiß. Die Geschichte ist nicht durchgängig packend und nicht überraschend genug, um mit den Stärken wie der großartigen Kameraarbeit und dem exzellenten Score mithalten zu können. Bei Weitem kein miserables Resultat, aber doch einige Kokslinien entfernt vom großen Wurf.

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                                Kenduskeag 11.07.2018, 11:02 Geändert 11.07.2018, 11:49

                                Der kleine pelzige Dufflecoatträger ist zurück und hat wieder jede Menge Abenteuer im Gepäck. Erneut nahm sich Regisseur Paul King der britischen Kultfigur an und inszenierte einen turbulenten Familienfilm mit einer großen Portion Charme sowie einer noch größeren Portion Orangenmarmelade.

                                "Paddington 2“ ist wie schon sein Vorganger ein rundum begeisterndes Vergnügen für Jung und Alt. Der sympathische Bär mit dem Hang zur Tollpatschigkeit versteht es auch hier wieder von der ersten Minute an die Herzen der Zuschauer zu gewinnen. Im Vergleich zum ersten Teil ist die Handlung zwar etwas vorhersehbarer ausgefallen, doch ist diese für einen Film, der sich vermehrt an ein junges Publikum richtet, ohnehin eher zweitrangig. Vielmehr geht es darum, den kleinen Bären erneut von einer kuriosen Situation in die nächste zu schicken. Neben einigen wunderschönen visuellen Einfällen ist dabei auch wieder für viel Humor gesorgt. Zu den Slapstick Momenten, die in Teil 2 nun noch etwas erhöht werden, gesellen sich auch wieder zahlreiche popkulturelle Anspielungen. Am auffälligsten dürften dabei die Verweise auf Hugh Grants Karriere sein, der hier Nicole Kidman als herrlich schräger Bösewicht ablöst.

                                Paddingtons Wahlfamilie steht indes deutlich weniger im Fokus, weshalb der Film im Vergleich zum Vorgänger in der Interaktion zwischen Bär und Mensch etwas schwächelt. Dafür wurde allerdings der Actionanteil hochgefahren, sodass "Paddington 2“ noch mehr von einem Abenteuerfilm mit Krimielementen hat.Fans dürfen sich zudem über weitere Castrückkehrer wie Jim Broadbent und Peter Capaldi freuen. Hinzu kommen auch ein paar neue Nebenfiguren, worunter besonders der von Brendan Gleeson verkörperte Gefängniskoch heraussticht.

                                Insgesamt steht der zweite Film über den höflichsten aller Marmeladenliebhaber dem ersten Teil in kaum etwas nach. Londoner Sehenswürdigkeiten verbunden mit durchweg gelungenen Animationen vereinen sich zu einem echten Augenschmaus, das Figurenensemble reicht von liebenswert bis höchst skurril. Die Darsteller sind mit spürbarer Begeisterung bei der Sache und nehmen im Fall von Hugh Grant mit großem Genuss ihr eigenes Image auf die Schippe. Bei einem solchen Lauf darf ein dritter Teil jederzeit kommen!

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                                • 4 .5

                                  Matthew Vaughns Comicadaption sieht sich in der Tradition alter Agentenfilme wie etwa der frühen James Bond Abenteuer und versucht sich gleichzeitig an einer Parodie. Entstanden ist dabei aber nicht viel mehr als ein lauer Abklatsch, der sich allenfalls in seinen brachialen Gewaltausbrüchen merklich von seinen Vorbildern unterscheidet.

                                  Die Story von "Kingsman" ist reichlich dünn und dient vorwiegend dazu, die Präsentation verschiedener Gimmicks wie multifunktionaler Regenschirme oder kugelsicherer Anzüge lose miteinander zu verknüpfen. Angereichert wird dies mit einer Vielzahl mehr oder weniger gelungener Gags und einigen harten Kampfsequenzen. Letztere sind bewusst übertrieben dargestellt und setzen ganz dem aktuellen Trend entsprechend auf Zeitlupen und Popmusik Untermalung. Die Effekte sind dabei auf einem eher mittelmäßigen Niveau, viele Szenen sehen arg nach Greenscreen aus.

                                  "Kingsman" fährt ein recht großes Figurenensemble auf, von denen jedoch nur die wenigsten ausreichend Profil erhalten. Neben Taron Egerton als Agent in Ausbildung erhält im Grunde nur noch Colin Firth als dessen Mentor ein paar Schattierungen zugestanden. Michael Caine als Kopf der Bande, Mark Strong als Q Verschnitt und Samuel L. Jackson als lispelnder Bösewicht hingegen werden weitestgehend verschenkt. Auch die weiteren jungen Kingsman Aspiranten bleiben kaum im Gedächtnis.

                                  Lange Zeit über weiß der Film auch nicht so recht, wo er hin will. Viele Wiederholungen schleichen sich ein, wenn etwa der junge Held erneut auf den gewaltbereiten Freund seiner Mutter trifft oder abermals ein Geheimraum mit kuriosen Waffen präsentiert wird. Auf diese Weise plätschert das Geschehen bis zum finalen Showdown ziemlich unausgegoren dahin. Jeder Anflug von Spannung wird für einen bemüht coolen Spruch geopfert, während die Actionsequenzen wie die komplette Handlung extrem vorhersehbar bleiben.

                                  Wer auch an den schwächeren Bond Teilen seine Freude hatte und sich die Zeiten zurückwünscht, in denen sich die Schurken mit immer abstruseren Weltherrschaftsplänen überboten, wird wohl auch bei diesem Film auf seine Kosten kommen. Bessere Agentenstreifen gibt es in jedem Fall, ob der Humor hier punkten kann, muss wohl jeder für sich selbst entscheiden.

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                                  • 7 .5

                                    Die Ausgangslage von James Watkins' Regiedebüt erinnert an typische Vertreter des Backwood Slashers. Statt zu einem ausgedehnten Gorefestival entwickelt sich "Eden Lake" jedoch zu einem markerschütternden Thriller, in dem Horror- und Dramaelemente gleichberechtigt nebeneinander stehen.

                                    Jenny (Kelly Reilly) und Steve (Michael Fassbender) wollen ein romantisches Wochenende in der ländlichen Idylle Englands verbringen. Dabei werden sie jedoch von einer Bande Jugendlicher gestört, die das verliebte Pärchen durch ihr unverschämtes Verhalten provozieren. Um sich vor seiner Freundin keine Blöße geben zu müssen, weist Steve die Jugendlichen zurecht und setzt damit eine unvorhergesehene Spirale der Gewalt in Gang...

                                    "Eden Lake" nimmt sich ausreichend Zeit, um seine Figuren einzuführen und einen emotionalen Bezug für den Zuschauer herzustellen. Dabei verursacht er von Anfang an ein mulmiges Gefühl in der Magengegend, dass sich mit zunehmender Laufzeit in blankes Entsetzen angesichts der furchtbaren Vorgänge wandelt. Rigoros zieht Watkins die Spannungsschrauben weiter an, lässt seinen Figuren kaum eine Atempause. Immer wenn man kurz davor ist zu glauben, dass nun der Höhepunkt der grauenvollen Ereignisse erreicht sei, setzt der Film tatsächlich noch einen drauf. Freunde des gepflegten Gruselns werden hier weniger bedient, stattdessen regiert durchgängig der pure Terror. "Eden Lake" ist jedoch keineswegs voyeuristisch angelegt, er labt sich nicht an den Gewaltausbrüchen, sondern lässt die schrecklichsten Bilder im Kopf entstehen.

                                    Zusätzlich entpuppt sich der Film mehr und mehr als Gesellschaftsstudie, als bissiger Kommentar auf einen Erziehungsstil, der Kinder sich selbst überlässt, Fremdenhass schürt und Gewalttaten vorlebt. Getragen wird die straff erzählte Handlung, die einige wenige verzeihliche Klischees aufweist, von einem starken Darstellerensemble. Besonders Kelly Reilly läuft nach und nach zu glänzender Form auf. Die Wandlung ihrer Figur dürfte indes auch die sein, welche die größte Faszination ausübt. Doch auch die weiteren Charaktere sind vielschichtig genug geschrieben, um wechselnde Emotionen beim Zuschauer hervorzurufen.

                                    Nervenzerfetzend, aufwühlend, schockierend. Wer einmal den Ausflug an diesen See mitgemacht hat, wird ihn so schnell nicht wieder vergessen.

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                                    • 7 .5
                                      Kenduskeag 03.07.2018, 11:53 Geändert 03.07.2018, 11:55

                                      Basierend auf einem Theaterstück, welches wiederum durch den sogenannten "Affenprozess" von 1925 inspiriert wurde, schuf Regisseur Stanley Kramer einen Gerichtsfilm der besonderen Art. In "Wer den Wind sät" steht anders als in den meisten dieser Filme nicht etwa die Frage nach Schuld oder Unschuld zur Debatte, sondern jene nach dem Ursprung des Menschen.

                                      Der Lehrer Bertram Cates steht unter Anklage, da er seinen Schülern Darwins Evolutionslehre nähergebracht und somit den Zorn der konservativ religiösen Stadtgemeinde auf sich gezogen hat. In einem aufsehenerregenden Verfahren soll Cates nun als Gotteslästerer verurteilt werden. Die Anklage führt dabei der überzeugte Kreationist Matthew Brady (Fredric March), der die Lehre von der Entwicklung der Arten als Geschwätz abtut, dass die hervorgehobene Stellung des Menschen in der Natur untergräbt. Dem gegenüber steht die Verteidigung durch Henry Drummond (Spencer Tracy), welcher sich gegen eine wortwörtliche Auslegung der Bibel ausspricht und auf die Ideale der Aufklärung Bezug nimmt.

                                      "Wer den Wind sät" zeichnet sich nicht in besonderem Maße durch inszenatorische Raffinesse aus, sondern lebt von seinen starken Darstellern (neben March und Tracy überzeugt etwa auch Gene Kelly in einer für ihn sehr ungewöhnlichen Rolle) und ihren - angesichts der Schwüle im Gerichtssaal - im wahrsten Sinne des Wortes hitzigen Diskussionen. Obwohl der Film gleich mit der ersten Szene in die Thematik Religion gegen Wissenschaft einsteigt, benötigt er doch ein paar Minuten um so richtig auf Touren zu kommen. Sobald der Prozess beginnt, steigert sich "Wer den Wind sät" jedoch zu einem spannenden Duell der Schauspielschwergewichte, welches mit einer guten Portion lakonischem Humor gewürzt wird. Hervorzuheben sind dabei besonders die messerscharfen Dialoge, die die konträren Positionen pointiert widerspiegeln.

                                      Als größte Schwäche des Films erweist sich hingegen, dass er sich zu sehr auf die Seite der Wissenschaft schlägt. Kramers Intention war offenkundig, religiöse Fanatiker zu entlarven und für die Freiheit des menschlichen Geistes zu plädieren. Dies gelingt ihm auch in außergewöhnlicher Weise, gleichzeitig gerät die Auseinandersetzung der beiden Parteien jedoch zu einem Spiel unter ungleichen Voraussetzungen. Während Tracys Figur weitgehend besonnen agiert, wird der durch March verkörperte Ankläger in seinem religiösen Wahn der Lächerlichkeit preisgegeben, was in einem arg überspitzten Finale seinen Höhepunkt findet. Hätte der Regisseur mehr Wert darauf gelegt, den Standpunkt der Religion differenzierter darzustellen und die Stadtgemeinde nicht nur als verblendeten Lynchmobb porträtiert, so wäre das Endergebnis noch wesentlich besser ausgefallen. "Wer den Wind sät" sollte somit eher als Bejahung des eigenständigen Denkens und Warnung vor religiösem Fanatismus verstanden werden. Um die Denkweisen von Wissenschaft und Religion gleichberechtigt gegenüberzustellen, geht der Film indes zu einseitig vor. Zu extrem, zu antiquiert sind die Vorträge der Anklage, als dass sie einen genauen Blick auf die Bedeutung der Religion zulassen würden. Frei denkenden Geistern, die der Film ja ansprechen möchte, ist jedoch zuzutrauen, dass sie auch die Schwächen in der Argumentation des allzu heroisch dargestellten Verteidigers erkennen können.

                                      "Wer den Wind sät" ist ein nach kurzen Startschwierigkeiten äußerst einnehmendes Gerichtsdrama, das Anspruch und Unterhaltung auf gelungene Weise verbindet, bei seiner zunächst trocken erscheinenden Thematik dank humorvoller Auflockerungen nie zu verkopft wird und trotz seiner bisweilen sehr einseitigen Ausrichtung nachdrücklich zum Denken anregt.

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                                      • Da muss ich jetzt aber mal kräftig die Werbetrommel rühren. Diese interessante Arbeit hat noch viel zu wenige Aufrufe! Das war sehr spannend eine so detaillierte Analyse einer Szene zu lesen :) Deine anderen Arbeiten werde ich mir bei Gelegenheit auch vornehmen.

                                        Was mich an "Avatar" bei aller Begeisterung für das Visuelle stört, ist mir beim Lesen deiner Arbeit aber auch wieder deutlich geworden: Der "White Savior", der die Eingeborenen retten muss, weil diese nicht fähig sind, sich selbst zu helfen. Die platte Öko Botschaft, die zu wenig Substanz für die Länge des Films hat. Die Inszenierung nach typischem Hollywood Schema, wie man es schon oft gesehen hat.

                                        Aber dennoch - im Großen und Ganzen mag ich den Film. Die Welt ist fantastisch, die Action macht Laune. Passt schon, Mr. Cameron ;)

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                                        • Wer schon Bates mit Nachnamen heißt, muss ja wohl eine gewisse psychopathische Ader haben ;)
                                          In "Misery" spielt sie herausragend, in "Dolores" gefällt sie mir allerdings ebenso gut.

                                          Happy Birthday zum 70.!

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                                          • Wie wär's mit “Kinder des Zorns“?
                                            Bisher 9 Teile und ein Remake.

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                                              Kenduskeag 25.06.2018, 13:17 Geändert 25.06.2018, 13:32

                                              Inspiriert vom Fall des sogenannten BTK-Killers schrieb Stephen King eine Novelle, in der sich das Grauen auf leisen Pfoten in eine amerikanische Musterehe schleicht. Die Verfilmung von Peter Askin, zu der King auch das Drehbuch beisteuerte, hält sich weitgehend an das Ausgangsmaterial, offenbart jedoch gleichzeitig, dass längst nicht alles, was aus der Feder des Horrormeisters stammt, auch für eine filmische Umsetzung geeignet ist.

                                              Die Fassade der Durchschnittsbürger nachhaltig zu erschüttern und die Leichen aus ihren Kellern zu holen, gehört zweifelsohne zu Kings Lieblingsthemen. In "A Good Marriage" ist es das Vorzeige-Ehepaar Darcy und Bob Anderson, welches hinter der frisch gestrichenen Gartenpforte und dem blankgeputzten Türklopfer ungeahnte Abgründe offenbart. Auf diese Weise entwickelt sich ein düsteres Psychodrama, das fast vollständig auf blutige Schockeffekte verzichtet und sich stattdessen ausgiebig Zeit für das Seelenleben der Protagonistin nimmt. Das Erzähltempo ist dabei sehr gemächlich gehalten, echte Spannungsmomente gehen dem Film beinahe gänzlich ab. Die ohnehin recht schmale Novelle auf eine Laufzeit von über 100 Min. zu strecken, erweist sich als vollkommen falsche Entscheidung, sodass wohl nur Freunde detaillierter Psychogramme wirklich auf ihre Kosten kommen werden. Was zwischen zwei Buchdeckeln noch gut unterhält, wird in der Verfilmung zu einer überraschungsarmen wie weitestgehend vorhersehbaren Angelegenheit.

                                              Den Darstellern ist indes kein Vorwurf zu machen, wenngleich weder Joan Allen noch Anthony LaPaglia besondere Akzente zu setzen vermögen. Unter den Nebenfiguren bleibt am ehesten noch der ausgemergelte Stephen Lang im Gedächtnis, der allerdings lange Zeit über keine andere Aufgabe hat, als dem Ehepaar mit undurchsichtiger Miene hinterher zu starren. Auch die Beweggründe der Charaktere wirken nicht immer glaubhaft, ihre Entscheidungen oftmals nicht nachvollziehbar.

                                              Positiv anrechnen kann man "A Good Marriage" derweil, dass der Film dank fehlender übernatürlicher Komponente anders als manch andere King Adaption nicht auf billige Specials Effects zurückgreifen muss. Die Handlung bleibt zwar durchgängig unspektakulär, lässt jedoch aufgrund einiger unbeantworteter Szenen immerhin reichlich Interpretationsspielraum. Diesbezüglich kann ich jedem Interessierten den Kommentar von Der Siegemund vier Plätze unter meinem empfehlen.

                                              "A Good Marriage" schert unter den King Verfilmungen nicht unbedingt nach unten aus, reiht sich jedoch ein in die lange Liste der belanglosen Umsetzungen, die Originalität und Spannung vermissen lassen.

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                                                Pädophilie ist nach wie vor ein heikles Thema, welches vergleichsweise selten eine differenzierte Auseinandersetzung in Filmen erfährt. "Hard Candy" nutzt dieses Thema als Aufhänger für einen kammerspielartigen Rachethriller, der seinen Fokus auf die oberflächliche Gestaltung richtet, inhaltlich jedoch kläglich versagt.

                                                Wechselnde Farbgebung, Close-Ups, Wackelkamera - "Hard Candy" gibt sich in seiner äußeren Form sehr facettenreich. Das Setting der sterilen Wohnung, in der beinahe der gesamte Film spielt, erinnert in seiner Ästhetik an Videoclips, musikalische Untermalung fehlt fast vollständig. In Sachen Atmosphäre lassen sich hingegen Vergleiche zu "Funny Games" ziehen, wenngleich der Horror hier weniger explizit dargestellt wird. Dafür springt nahezu jede Szene dem Zuschauer mit nacktem Arsch ins Gesicht und schreit: "Achtung! Jetzt wird's intelligent!". Nur leider hält die Handlung nicht einmal im Ansatz, was die Form verspricht. Die Aneinanderreihung sich im Kreis drehender Dialoge und endloser Folterszenen erweist sich als so zäh wie der Biss in alte Schuhsohlen. Auf Spannungsmomente und überraschende Wendungen wartet man vergebens.

                                                Einzig die Darstellerleistungen von Ellen Page als eiskalter Racheengel mit der Attitüde einer Soziopathin und Patrick Wilson als aalglatter wie unendlich naiver Fotograph, der sich nicht scheut in aller Öffentlichkeit anzügliche Bemerkungen an Minderjährige zu richten und seine Wände mit Bildern junger Models tapeziert, vermögen wirklich zu überzeugen. Aufgrund fehlender Hintergrundinformationen bleibt der Zuschauer jedoch durchweg auf Distanz zu ihnen. Sympathien vermögen die Figuren nicht einmal im Ansatz zu wecken, vielmehr wünscht man den Beiden, dass sie die zahlreichen Todesdrohungen, die sie gegen den jeweils anderen richten, doch endlich wahr machen mögen.

                                                So ist "Hard Candy" letztlich ein Film, der weder in besonderer Weise zum Nachdenken über Pädophilie und den Umgang mit Sexualstraftätern anregt, noch mit gelungener Unterhaltung aufzuwarten weiß. Empfehlenswerter erscheint es da, noch einmal nach dem grimmschen Märchen zu greifen, denn "Rotkäppchen" verhandelt das Thema deutlich subtiler.

                                                Mehr als 1 Punkt, der an die guten Darsteller geht, ist für diese abstoßende Süßigkeit nicht drin.

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                                                • 6 .5

                                                  Minimalismus lautet das Zauberwort dieses Films. Bereits der Titel sagt alles aus, was man im Vorfeld über den Plot wissen muss, jedes weitere Wort über die Handlung wäre an dieser Stelle zu viel. Insbesondere im Horrorgenre kann es jedoch von Zeit zu Zeit eine Wohltat sein, wenn sich nicht lange mit der schlimmen Kindheit des Killers oder faden Nebenfiguren aufgehalten wird.

                                                  "Unbekannter Anrufer" bringt zwar zwischendurch immer mal wieder typische Teenie Probleme zur Sprache, ist jedoch in erster Linie ein sehr geradlinig erzählter Spannungsstreifen. Nach einer kurzen Einführung der von Camilla Belle verkörperten Hauptfigur und der Etablierung des Settings, welches Erinnerungen an "Das Glashaus" (2001) weckt, geht der Terror auch schon los und hält sich konsequent bis zum Finale. Zwar greift Regisseur Simon West so manches Mal in die Klischeekiste und lässt buchstäblich die Katze aus dem Schrank springen, versteht es aber gleichzeitig, geschickt falsche Fährten zu legen. Die Protagonistin trifft mitunter selten dämliche Entscheidungen, die aber zumindest der Spannung keinen Abbruch tun. Ihre Widerstandskraft bringt ihr außerdem zusätzliche Sympathiepunkte ein.

                                                  West verpasst leider den idealen Moment um auszublenden und hängt noch zwei unnötige Minuten hinten an, die das schon hundert Mal ausgelutschte Ende von "Carrie" (1976) zitieren, doch auch dieser Umstand ändert nichts an der Tatsache, dass der Zuschauer hier knapp 90 Min.lang Nägel kauen durfte. Ein Schocker der Marke klein, aber fein!

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                                                  • Sehr erfreulich :) Hätte nicht unbedingt damit gerechnet, dass Adrian überhaupt im Film auftauchen wird. In der 1990er Verfilmung fehlte er ja, wenn ich das richtig im Kopf habe. Das Stadtfest könnte eine super Eröffnungsszene für den zweiten Teil werden.

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