lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

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    lieber_tee 26.03.2019, 01:29 Geändert 28.03.2019, 00:41

    Koksen, Kotzen und Krebs.
    Was zählt, ist das Hier und Jetzt. Jakob Lass vollständig improvisiertes Stroboskopgewitter taumelt als episodischer Film durch eine Nacht, als hermetisch abgeschlossener Partyrausch. Mit übernervösen Bildern, Jump- / Stopcuts und Split-Screen-Technik will er das urbane Mittendrin-Gefühl in einem exzessiven Hamburger Club erfahrbar machen. Sein rudimentärer Plot ist so rudimentär wie die Geisteshaltung seiner verlorenen Mittzwanziger. Die wirken eher wie Witzfiguren, die nur im Moment leben. Freiheit und Selbstverwirklichung sind hier zeitgenössische Floskeln, die so hohl wirken wie Kiez-Kalle, der Schutzgeld eintreibt. Karikaturen ihrer selbst. Mit Alk und Drogen wird der Hedonismus gefeiert. Das diese Glückseligkeit eine narzisstische Selbstzerstörung hat wird angedeutet, ebenso das diese gesellschaftlichen Freiräume zunehmend verschwinden, aber eine wirklich kritische und sich selbst hinterfragende Stellung gewinnt der Film nie, dazu wird alles mit fetten Beats, oberflächlicher Optik und wahrlich dümmlichen Story-Fragmenten zugekleistert. Abstand zu dem was der Film zeigt will Lass (bewusst) nie.
    Mir hat „So was von da“ in seiner Oberflächlichkeit Kopfschmerzen verursacht, wie nach einer durchzechten Nacht in einem Club, wo ich zwar geil getanzt habe, aber zu viele dumme Gespräche hatte.
    5 überschwemmte Toiletten.

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    • 7
      lieber_tee 26.03.2019, 00:52 Geändert 26.03.2019, 02:09

      SS-Norbert, Tampon-Günther und Schnaps-Max.
      Anfang der 70er Jahres trieb ein Art Jack the Ripper in Hamburg sein Unwesen, der abgehalfterte Dirnen umbrachte. Fatih Akin hat daraus einen abstoßenden Schmiersuff gemacht, eine Freak-Show mit vollen Aschenbecher, leeren Kornflaschen und Fratzen-artigen Charakteren. Aus Strunks Romanvorlage ist ein hässlicher Ausbeutungsfilm geworden, der (nach Angabe des Regisseurs) dem Serienkiller seine Würde (wieder) geben will. Nun ja, ob er das mit dieser eindeutig auf Abscheu und Widerwillen angelegte Übung erreicht hat sei mal dahin gestellt…
      Fritz Honka ist in erster Linie ein groteskes Monster, dessen (toxische) Männlichkeit und Sexualität ebenso verformt ist, wie seine knollige Alki-Nase. Verschwitzt und buckelig erinnert er eher an eine üble Karikatur eines Mannes, der in seiner Lieblingskneipe (dem Goldene Handschuh) Solidarität mit ebenso hässlichen Fratzen sucht. Mit gierigen Blick lässt Akin uns an einem Panoptikum des Außenseiter-Grauens teilhaben, das er gerne in ausgedehnt-voyeuristischen, kaum zu ertragenen Mordsequenzen enden lässt. Über den psychopathischen Charakter der Hauptfigur erfahren wir dabei nicht viel, außer dass er ein Loser ist, der seinen Frust mit harten Alkohol und harten Morden kompensiert. Moralisch ist er ebenso verfault wie seine (bis ins kleinste Detail ausgestattete) Fäulnis-Wohnung. Aus dieser nihilistischen Ausbeutung, in dem die Schauspieler (innen) bis zur Selbstaufgabe sich erniedrigen, entsteht ein interessanter Spagat zwischen asozialer Milieu-Studie, Armutsporno und grotesker Serien-Killer-Überzeichnung. Üble Schocks treffen auf grob gezeichnetes Mitleid. Alle Figuren werden vorgeführt, bis an die Grenzen des Erträglichen.
      Dieser Sud aus verfaulendem Fleisch, verfaulter Moral und Faulheit hat eine faszinierende Dynamik, kommt niemals der Psyche des Mörders nahe, zeigt aber eine Unter-Schicht-Gesellschaft, die alles Verloren hat, selbst ihren Anstand.
      7 Tannenbaum-Lufterfrischer.

      36
      • 7 .5

        Das Patriarchat läuft Amok.
        Oder, wenn die Muschi ein Synonym für Lampe ist. Auf einer seltsam pervertierten Art fickt Giorgos Lanthimos hier mit Alltagshorror, Sadismus und eiskalten Humor die zentralste Institutionen unserer Gesellschaft: Die Familie. Fehlgeleitete Eltern mit kruden Wertvorstellungen isolieren ihre Kinder mit absurden Hausunterricht auf perfide Weise vor (vermeintlich) schlechten Einflüssen der Welt, in dem sie die Abweichung zur Norm machen. Damit bohrt der Film tief in die Wunden einer griechischen Gesellschaft, die besonders in den ländlichen Gegenden stark von patriarchalisch-rigiden Strukturen und frauenfeindlicher Sexualmoral geprägt ist. Das dysfunktionale Familiendrama ist eine moderne Fabel über Machtverhältnisse und Selbstverletzung. Mit kalte Absicht, bewusst provozierend, zelebriert der Film Andersartigkeit, um sie dann kontrolliert in einen Befreiungsakt münden zu lassen. Das ist ebenso intellektuell fordernd, wie sperrig, wie grimmig-witzig.
        7,5 Etiketten von den Mineralwasserfläschchen ab knibbeln.

        30
        • 2 .5

          In der Franchise-Hölle.
          "Fantastic Beasts 2“ wirkt zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form magisch. Im Gegenteil, wenn der blass-autistisch wirkende Held durch teure aber matschige Digital-Effekte schleicht, die Story nur hohl und unzusammenhängend wirkt, dann ist dieses Star-Power-Upgrade des Vorgängers ein Beispiel wie jegliche Phantasie verloren gehen kann. Der durchaus aktuell-politisch interpretierbare Plot über den aufkommenden Reinblut-Faschismus, der jede Form von Nicht-magischen Wesen ausrotten will, wird mit einem nahezu hilflos-polterigen Drehbuch erzählt. Ständig ist der Film damit beschäftigt irgendwelche Schlüsselfiguren vorstellen, die dann den Grundstein für weitere Teile legen sollen. Der krampfhafte Versucht einen Bezug zum Harry Potter-Universum herzustellen ist eine filmische Zumutung.
          2,5 Punkte für die Arbeit, die im Film steckt.

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          • 6 .5
            lieber_tee 20.03.2019, 02:42 Geändert 20.03.2019, 03:14

            Von Nutten und Männern.
            Mélanie Laurent's erste englischsprachige Arbeit ist ein moderner Südstaaten-Noir, bevölkert von fehlerhaften Gestalten mit trostlosen Aussichten, grundiert durch die eindrückliche Charakterarbeit von Ben Foster und Co-Star Elle Fanning. Die Filmemacherin bringt inszenatorisch eine angenehme Subtilität mit, um diese sehr männliche Erlösungsgeschichte zu erzählen. Dank des empathischen Schauspiels und den durchdringenden Bildern schafft es der Film die Isolation der Figuren zu vermitteln, obwohl der Plot ziemlich müde ist. Die essentielle Männlichkeit der Geschichte, wo Gewalt gerechtfertigt und reinigend ist, das beschränkte Frauenbild, scheint typisch für den Drehbuchautor Nic Pizzolatto (True Detective) zu sein, der scheinbar Weiblichkeit gerne mit (heilige) Hure und Opferbereitschaft gleichsetzt. So ist die Story letztlich nur der bekannte Noir-Brei, wo Männer das tun müssen was sie tun müssen und (hilflose) Frauen der Katalysator sind, um sie moralisch zu befreien, veredelt von einer intensiven Regiearbeit.
            6,5 verschlafene Örtchen.

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            • 6
              lieber_tee 19.03.2019, 01:29 Geändert 19.03.2019, 02:29

              Expendables als Arthousefilm.
              „Triple Frontier“ kombiniert den Söldnerfilm mit klassischen Elementen aus Heist- und Survival- Movies, veredelt mit einer prominenten Besetzung. Psychologisch wird die Geschichte von entmenschlichten Männern erzählt, die menschlich werden. Wirklich vielschichtig ist der Film allerdings nicht. Die Graubereiche der Charaktere werden nur kurz skizziert, das ethische Dilemma (Wie käuflich ist das Gewissen, wann heiligt der Zweck die Mittel) knapp gehalten. Wenn hier von der Gesellschaft in Stich gelassene Männer aus Eigeninteresse und mit zweifelhafter Moral handeln, zunehmend mit der Menge an Geld, die sie wegwerfen müssen um ihre Haut zu retten, geläutert werden, ist das eine Geschichte wo Gier auf das Gewissen stößt. Mit über zwei Stunden Länge schafft es aber Regisseur und Mitautor J. C. Chandor nicht, diese Zeit wirklich sinnvoll und tiefsinnig zu nutzen. Der Wechsel zwischen Moralfragen, Action und Überlebenskampf bildet nie eine geschlossene Einheit, weil der Film alles nur anreißt, viel will aber wenig schafft. Das ist manchmal interessant, sieht schön aus und ist solide gespielt. Aber irgendwie bleiben die Konflikte immer seltsam oberflächlich und enden in einem eindimensionalen Loblied auf Kameradschaft und der banalen Aussage, das sich Kriminalität nie auszahlt. Als Drama versagt der Film, als Genrefilm ist er ok.
              6 abstürzende Maultiere.

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              • 6 .5
                lieber_tee 19.03.2019, 00:46 Geändert 26.05.2022, 15:45

                Staffel 1
                Body Horror, Steampunk, Vampire, Werwolf-Soldaten, Geisterfische, Joghurtbecher und Katzen.
                Love, Death & Robots ist eine animierte Anthologie-Sammlung aus 18 Segmenten, die drei Stunden genreübergreifende Kurzgeschichten liefert. Formal ist da nichts auszusetzen. Die stilistischen Experimente sehen großartig aus, bieten eine große Vielfalt. Herkömmliche 2D-Animation trifft auf Fotorealismus, Motion Capture auf Rotoskopie, das Reale wird mit dem Künstlichen kombiniert. Mal allegorisch, mal actionreich, dann bissig-schwarzhumorig und nachdenklich. Tim Miller und David Fincher wollen offensichtlich Cartoons für Erwachsene anbieten. Das heißt, die Show muss (auch) gewalttätig und sexy sein. Grafische Nacktheit trifft auf Gemetzel, trifft auf unverhohlenen Militär-Fetischismus und Sexismus. Hyper-maskulin. Die filmischen Obsessionen erinnern (zu) oft an 14-jährigen Gamer, die sich zu ausgedehnten Videospielszenen einen runter-hohlen. Wenn in den (meist) zu kurzen Episoden auf der Sub-Ebene große Fragen gestellt werden, gibt es immer schlichte und vorhersehbare Antworten. Satirische Zeitdiagnostik, Gesellschafts- und Klassenkonflikte werden holzhämmernd mit optischer Opulenz und visuellen Übermaß vorgebracht, selten mit einem cleveren oder befriedigenden zu Ende gedacht. Der Humor ist pubertär oder sanft-absurd. Trotz großer Vielfalt der Stile gibt es inhaltlich kaum Substanz. Viele Umsetzungen erinnern an Videospiel-Cut-Szenen, die dreckig und gewagt sein wollen, aber letztlich doch nur das chauvinistische Netflix-Publikum beim Bügeln begleiten.
                6 offene Bademäntel mit wippenden Titten.

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                • 5
                  lieber_tee 17.03.2019, 20:21 Geändert 17.03.2019, 20:43

                  Red October auf Steroiden.
                  Nautischer Militärporno aus Hollywood, als krachende Heldenphantasie erzählt, wo eine russische Bedrohung für die USA den American Way of Life wiederherstellt. Der Comic-Plot ist allerdings geopolitisch mit seiner Völkerverständigung überraschend friedliebend. Die absurde Diplomatie im Film wird als Vehikel benutzt um Navy SEAL-Rettungsversuche, U-Boot-Ausweichmanöver mit einen russischen Militärputsch zu kombinieren. Gerard Butler steht mit mahlendem und breitem Kiefer über alles und passt seinen schauspielerischen Minimalismus diesem doofen Videospiel, äh Film, gut an. Das letztlich alles in Klischees versäuft und eigentlich nur Karikaturen herumtreiben ist egal, denn das Rumms und Wumms der kernigen Regie kaschiert den Hohlbirneneffekt des Drehbuches.
                  5 Torpedos nachladen.

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                  • 5

                    „Hier ist Feindesland!"
                    Grobmotorische, schlicht-pubertäre Trashkomödie im Slacker-Style der neunziger Jahre, aber ohne dabei die Kunst der pointierten Dialoge zu beherrschen. Mit der (vermeintlich) typischen Schnoddrigkeit der Hauptstadt wird ein Klischeeprogramm über Berlin abgerollt. Sich als Dirty-Low-Budget-Film mit schauspielerischer Prominenz gebend, ist nur ein John Waters für Arme entstanden. Provokation bedeutet hier Geschmacklosigkeit, alles wirkt ebenso sinnlos wie angestrengt.
                    In seinem Dilettantismus ist „Schwarze Schafe“ allerdings nicht unsympathisch. Ohne Fördergelder raus-gehauen, offensichtlich mit viel Enthusiasmus und Eiern, aber ohne Gage, gedreht, wird hier Kreativität zu Vulgarität. Vielleicht als Berlin-Porträt gedacht, gerne die soziale Herkunft und das Milieu der Figuren beachtend, gelingt es dem Film aber nicht den Spagat zwischen Empathie und Verarschung herzustellen. Die Versagergeschichten bleiben doch nur vorgeführte Versager, die Frauen poppen und komatöse Omas anal penetrieren wollen. Wenn das Berlin sein soll, dann nur als galliger Exkrementen-Witz.
                    5 wohlwollende Morgenlatten.

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                    • 5
                      lieber_tee 17.03.2019, 15:28 Geändert 19.03.2019, 01:56

                      Teilchenbeschleuniger im Multi-Kulti Multiuniversum.
                      Der Versuch ein bereits stark gesättigtes Genre schöpferische Kreativität ein zu hauchen bedeutet in „Spider-Verse“ die Diversität ab zu feiern. Und das möglichst farbenfroh, pfeilschnell und voller visueller Gimmicks. Der Versuch Comic-Panels filmisch zum Leben zu erwecken endet hier in einen psychedelischen Rausch. Von Fans, für Fans. Der hyperaktive Stil holt das (jugendliche) Publikum da ab, wo es nicht still sitzen kann. Die karikaturistischen Seitenhiebe, die In-Jokes, sind für diejenigen, die sich mit dem Spider-Man-Universum auskennen. Irgendwo zwischen Lego-Movie und PG13 Deadpool wird das Ausgangsmaterial umarmt und gleichzeitig (vermeintlich) respektlos mit dem satirischen Holzhammer bearbeitet.
                      Zu Auto-Tune-Mainstream-Rap wird in der postmodernen Marvel-Bibliothek gewühlt. Dass die Story arg dünn ist, kaschiert der Streifen mit seiner schwindelerregenden Action. Er rennt einer möglichen Superhelden-Müdigkeit einfach davon. Der emotionale Kern der Geschichte und die Figuren sind mir bei dem bombastischen Animation-Krawall, dem Karneval der irren Ideen, verloren gegangen. Die erschlagende und hektische Ästhetik lässt wenig Raum zum Staunen, wirkt angestrengt und anstrengend. Irgendwo hinter dieser wahnwitzigen Verspieltheit steckt eine Coming-of-age-Geschichte und der pädagogisch wertvolle Ruf nach (multikulturellen) Teamgeist, aber das ist wahrlich nichts Originelles.
                      Mich graut es ein wenig, wenn die Spaltung von Universen, das hopsen durch die Dimensionen, die neue Waffe vom Marvel Cinematic Universe für Storytelling wird und so unbegrenzt immer und immer wieder das Gleiche erzählt werden kann. Damit wird der Super-Eintopf unendlich oft aufgewärmt, um ihn dann nur mit möglichst flippigen Bildern schmackhaft zu machen. Kostümierter Heroismus als ständiger Schwindel.
                      5 gesättigte Bierbäuche.

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                      • 5

                        Milliarden von Pixeln, aber keine Inspiration dahinter.
                        Verschwenderisch aufwendiger Young-Adult-Steampunk, der wie ein post-apokalyptisches Vehikel aus dem Ersatzteillager ähnlich gelagerter Filmen über den Zuschauer rollt. Visuell knallt das World Building ordentlich rein, was man allerdings von den Figuren und der Story nicht behaupten kann. Außer seines ehrgeizigen Aussehens bietet „Mortal Engines“ nicht viel. Wie schon Jacksons Hobbit-Filme gibt es hier nur einen ohrenbetäubenden und schillernder Angriff auf die CGI-Sehnerven. Für einen wirklich mitreißenden Film reicht das nicht.
                        5 riesige Monster auf Rädern.

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                        • 6 .5

                          Der geniale Hitzkopf ist wieder zurück…
                          Als die Figur DCI John Luther 2010 im britischen TV erschien, war sie frisch, kernig und unangepasst. Die fünfte Staffel offenbart, das Idris Elba hier gewissermaßen seinen Bond spielt. Neun Jahre später ist das immer noch Kino auf dem Bildschirm, aber die Intensität ist nicht mehr so wie früher. Kern war immer die Dynamik zwischen der hinterhältigen Alice und Luther. Auch diese Staffel nutzt dieses Thema, aber so richtig funktioniert das diesmal nicht. Die Abschnitte, die sich auf das (wieder einmal) Serienkiller-Motiv konzentrieren, sind klassisches Genrekino, das zwar Abgründig ist, aber so mehrmals bereits erzählt wurde. Da nutzt es nur bedingt, dass dieses Element mit Motiven des Gangsterfilms verbunden wird. Das Finale ist dann so fett geworden, als ob hier dem Pathos des großen Hollywood-Films nachgeeifert werden musste. Einer Eskalations-Dramatik folgend, ist das Tempo hoch, vorherige Fragen aus den anderen Staffeln werden beantwortet und der unverkennbar grimmige Luther-Stil bleibt immer erkennbar. Das hat sich vielleicht etwas ausgereizt, alle Beteiligten wirken etwas müde, aber so aus nostalgischen Gründen schaue ich mir so was immer wieder gerne an.
                          6,5-mal die moralischen und gesetzlichen Grenzen überschreiten.

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                            lieber_tee 17.03.2019, 01:36 Geändert 17.03.2019, 13:28

                            "We are the Champions"
                            Über Freddie Mercury erfährt der Zuschauer in diesem Biopic wenig. Jegliche Komplexität meidend, ist „Bohemian“ mehr ein glühender Fan-Boy-Film, eine harmlos-nostalgische Prothese, die den Frontmann von Queen wie einen bunten Pfau in der Paarungszeit, der einen Vier-Oktaven-Blowjob anbietet, in Szene setzt. Rami Malek stolziert mit Plastik-Überbiss und theatralischen Mercurys-Moves bis zur Selbstkarikatur durch den Film, immer die (Homo-) Sexualität aufgebläht zur Schau stellend. Der Leadsänger will Spaß haben, die Reste der Band waren spießige Langweiler.
                            Hinter den Menschen von Queen wird kaum geschaut. Selbst ihr Leiden, ihre Zweifel wirken wie ein Pop-Melodram, wo die besten Hits der Band als Spotify-Rotation laufen. Ein Film für Zuschauer, die den Queen-Hitlisten-Mythos abfeiern und die Musik als oberflächliche Sinneserfahrung haben wollen. Der selbstzerstörerische Hedonismus, die vor der Öffentlichkeit verschlossene Homosexualität, die kreativen Prozesse, die schmerzhafte Entfremdung des Sängers am Zenit seines Erfolges, all das wird, wenn überhaupt, nur angerissen und mit ikonischen Szenen glatt-gebügelt bzw. ausgestellt.
                            Was mich persönlich allerdings wirklich verärgert hat, sind die massiven „künstlerischen“ Freiheiten im Lebenslauf der Personen um dramatische Impulse zu setzen. Schon ein kurzer Blick in Wikipedia offenbart, das absolut wesentliche Dinge im Film so nie stattgefunden haben oder verschwiegen wurden.
                            Ja, der Film ist durchaus berauschend und schafft es der Musik von Queen ein leidenschaftliches Denkmal zu setzen, aber ist letztlich nur verlogenes Anekdoten-Kino.
                            5 simulierte Konzerterlebnisse.

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                            • 2

                              Ein 67jähriger Hulk als Möchtegern-John-Wick.
                              Aufgepumpt mit Steroiden, so das er kaum noch laufen kann, wankt ein drittklassiger Actionstar aus vergangenen Zeiten als unglaublicher Rache-Opa durch einen drittklassigen Vigilanten-Rotz im Billig-Look. Hier sollte die vorhandene Ideenlosigkeit nicht mit Geradlinigkeit verwechselt werden. „Instant Death“ ist nur ein Rohrkrepierer aus der untersten Schublade. Unter dem Motto „Stumpf ist Trumpf“ gibt es Lou Ferrigno mit Rentner-Moves und Gesichtslähmung zu bestaunen. Das reicht nicht mal für unfreiwillige Komik.
                              2-mal in die filmische Instant-Suppe spucken.

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                                Seven für Arme.
                                Die Verbindung zwischen einer Mordkette und der Prophezeiung über die vier Reiter der Apokalypse (Krieg, Hunger, Pestilenz und Tod) erinnert offensichtlich an die Todsünden von „Se7en“. Das Drehbuch von David Callaham benutzt das biblische Motiv um eine krude Mixtur aus Sadismus und Body-Suspension zu generieren, kombiniert es mit psychosexueller Angst in einer Familien-Seifenoper. Entstanden ist ein halbherziger Serienmörder-Thriller, der grimmig sein will, aber nur den Zuschauer dazu einlädt ebenso ratlos die Stirn zu runzeln wie es Hauptdarsteller Dennis Quaid tut. Warum und wer hier ständig Leute an Angelhaken aufhängt, wieso eine Asiatin einen auf sexy Hannibal Lecter machen muss und weshalb noch krude Homophobie durch den Streifen schweben muss, ich hab keine Ahnung. Hier wird von Regisseur Jonas Åkerlund im Handbremsenmodus nur generisch ausgeführter, billiger Nervenkitzel geboten, der an keiner Stelle wirklich kitzelt, aber zumindest im elegant-düsteren CSI-Look daher kommt. Wenn Horsemen dann irgendwie zum Ende humpelt, das (sorry) wirklich unter aller Sau ist, dann ist das Beste des Films, das er so kurz ist.
                                3 Föten entfernen (warum auch immer).

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                                • 5

                                  Doof aber sexy.
                                  ELIZABETH HARVEST ist ein absolutes Chaos. Aus einer modernen Nacherzählung vom Blaubart-Märchen ein gotisches Science-Fiction-Melodrama zu machen, ist im Prinzip interessant. Das Resultat wirkt allerdings wie eine Seifenoper in Komplementärfarben. In steril verschwenderischer Umgebungen schauen wir einen Instagram-Porno über missbräuchliche Beziehungen, Identität und Hybris an. Schafft Autor und Regisseur Gutierrez im ersten Akt es noch den Zuschauer im gleichen Zustand der Verwirrung wie die Protagonistin zu versetzten, verschwurbelt er im weiteren Verlauf sein ganzes Potential durch unnötige Plot-Wendungen und verwirrender Chronologie. Irgendwie wird nicht klar, worauf der Film hinaus will. Will er eine feministische Befreiung sein, weiblichen Mythen dekonstruieren, oder doch nur im Argento-Modus halbnackte Frauen durch eine hermetisch verschlossene High-Tech-Villa jagen. Als intellektuelles Rätsel ist der Genre-Film zu leer, die (philosophische) Tiefe von Ex Machina hat er nie. Aber hübsch sieht er aus.
                                  5 Kryokammern mit nackten Mädels.

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                                    lieber_tee 09.02.2019, 17:43 Geändert 09.02.2019, 18:22

                                    Sex & Crime im Swinging Berlin.
                                    Berlin, am Ende der „Goldenen 20er Jahre“. Zwischen langen Charleston-Beinen und versehrten Kriegs-Gliedern, zwischen Hedonismus und Nationalismus, zwischen Emanzipation und Extremismus ist eine Metropole in Aufruhr. Ökonomie trifft auf Kultur, Politik auf Unterwelt, alles ist im radikalen Wandel. Vor dieser (morbiden) Kulisse erzählt „Babylon Berlin“ einen Noir-Krimi als historisches Gesellschafts-Gemälde. Sorgfältig wird die Weimarer Republik als Rahmen für einen Polizeifilm benutzt, garniert mit coolen Retro-Jazz, filmhistorischen Anspielungen und ausufernden Set-Design. Vom steifen Muff deutscher Serien ist wenig zu spüren, fast ausgelassen feiert das Regisseuren-Trio eine vergangene Epoche für schwungvolles Genre-Kino, das die Zuschauer nicht in ihrer Intelligenz beleidigt. Der baldige Untergang einer Demokratie wird in ikonischen Bildern eingefangen, mit großartigen Schauspielern verkörpert und ist offensichtlich eine Widerspiegelung der Gegenwart (z.B. aufkommender Faschismus).
                                    7 Phiolen Morphium.

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                                    • 6 .5

                                      Ich weiß, was du letzten Sommer in der Galerie getan hast.
                                      Wenn ein Film die Geschichte erzählt, dass gemalte Bilder in der snobistischen Welt der Galerien die Kunden killen, kann gefragt werden, ist das Kunst, oder kann das weg? „Velvet Buzzsaw“ ist offensichtlich eine Persiflage auf die Kunstwelt, ergänzt mit Mitteln des Slasher-Films. Trocknender Humor, Situationskomik und Figuren-Karikaturen verzahnen sich mit einen janusartigen Horrorfilm, der seine Ideen unvollendet lässt, weil der satirische Aspekt und Gruselthrill zu sanft daher kommen. Filmemacher und Autor Gilroy will grotesk etwas über die Seelenlosigkeit von Kunst bzw. deren Kommerzialisierung sagen, die Konsequenzen daraus als wahren Horror darstellen. Vielleicht sogar, dass Mord Kunst bedeuten kann, überspitzt formuliert. Seine Welt ist voller Spott, er haut pointierte Pfeile mit dem Vorschlaghammer heraus, bleibt letztlich aber ebenso oberflächlich wie die Szene die er kritisiert. Das bedeutet aber nicht, dass man mit dem Film nicht seinen Spaß haben kann. Er findet immer wieder unvergessliche Bilder, hat spritzige Dialoge und ein Arschloch-Ensemble, das sehr spielfreudig die Arschlöcher mimt. Dass der Streifen letztlich keine große Kunst wurde, hat mich weniger gestört, denn amüsant ist die ganze Show auf jeden Fall.
                                      6,5 Nacktkatzen kraulen.

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                                      • 7 .5
                                        lieber_tee 08.02.2019, 01:40 Geändert 08.02.2019, 01:50

                                        Mit Fischaugen Machtspielchen bestaunen.
                                        Entenrennen, alberne Puderperücken und krude Balltänze. „The Favourite“ ist bislang Yargos Lanthimos zugänglichster Spaß. Sein beliebtes Thema, das Aufzeigen von Machtverhältnissen, hat hier eine schrullige Note, verpackt als prächtiges Kostümdrama zu Hofe. Moralische Dunkelheit und Einsamkeit trifft auf Narzissmus, Eifersucht und Manipulation. Sardonisch-verspielt bekommt der Betrachter Barry Lyndon als Zickenkrieg. Mit tragisch-traurigen Kreaturen, die von ihren Macht-Bedürfnissen angetrieben und von ihrer eigenen Dekadenz erschlagen werden. Das Dream-Team Emma Stone, Rachel Weisz und Olivia Colman spielen sich gekonnt die ironischen Bälle zu, eine wahres Fegefeuer der Eitelkeit aus klugen und schlagfertige Dialogen prasselt nieder. Mit weiten Winkeln, die von gemäldeartigen Licht umhüllt werden, in einer opulenten Welt voller lebloser Gegenstände, geht nach und nach die Menschlichkeit verloren. Es offenbart sich die grimmige Traurigkeit eines tragischen Witzes.
                                        7,5 Audienzen bei der Monarchin.

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                                          lieber_tee 08.02.2019, 00:38 Geändert 08.02.2019, 02:59
                                          über Kingdom

                                          Was ist das größte Übel? Mensch oder Zombie?
                                          Auf stramme sechs Stunden verteilt, kombiniert „Kingdom“ historisches Drama und Palast-Intrigen mit Versatzstücken einer Zombie-Epidemie. Die Schauwerte eines Koreas im fünfzehnten Jahrhundert und einer Invasion mit irrsinnig schnell laufenden Untoten haben definitiv ihren Reiz. Die hungrigen Monster sind nicht nur ein bloßes Element des Terrors, sie haben eine symbolische Aufladung. Wenn die untere Schicht verhungert, vom Adel ausgebeutet wird, als Menschenfresser aufbegehrt, dann ist das auch ein Kampf gegen Ungerechtigkeit. Mit offensichtlicher Lust auf das Spektakel revitalisiert die Serie den ausgelutschten Zombiebrei und erschafft dabei ihre eigene Identität. Das prestigeträchtige Produktionsdesign, die wunderschön fotografierten Kulissen, das flotte Tempo (bereits ab Mitte der zweiten Folge geht das Gemetzel und Gehetze ordentlich los) und die soliden Charaktere machen auch die Humoreinlagen erträglich. Wirklich neu oder überraschend ist das nicht, hat aber einen guten Flow.
                                          7 gefesselte Leichen.

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                                          • Lasst uns mal über toxische Männlichkeit sprechen: "Der Schauspieler erzählt in einem Interview, er habe mal Mordgedanken gegen schwarze Männer gehabt. Mutiges Bekenntnis oder total daneben?"
                                            https://taz.de/!5570559/?fbclid=IwAR1p8zf7W0_uDlWd6BOcsZexFgm6Eap5Vt8uhyCkk-Z4vwemG-gxjRxDNC4
                                            https://www.independent.co.uk/arts-entertainment/films/features/liam-neeson-interview-rape-race-black-man-revenge-taken-cold-pursuit-a8760896.html?fbclid=IwAR2diagOOvY6o5-q9hkSrSLOGZUzV6HaZMnELo6ndAtHpWy_yxMkgt8ft6k

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                                            • lieber_tee 02.02.2019, 00:12 Geändert 02.02.2019, 00:20

                                              Der Artikel von Patrick ist wirklich gut. Das ist, so finde ich, differenzierter Journalismus.

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                                                lieber_tee 28.01.2019, 02:37 Geändert 28.01.2019, 16:45

                                                "Dies ist keine Gutenachtgeschichte.“
                                                Ein Robin Hood für das 21. Jahrhundert.
                                                Oh, wie wird dieser Versuch, die alte Outlaw-Legende zu modernisieren, von der Kritik und dem Publikum gehässig gevierteilt. Fäkale Wortausbrüche prasseln nieder, der Film soll geteert und gefedert werden. Eine Geschichte, die schon tausend Mal erzählt wurde, darf scheinbar nicht erneuert und variiert werden. Es müssen immer noch Männer mit Strumpfhosen durch den Wald laufen. Hier eben nicht. Hier haben sie H&M-Klamotten an, tragen Wollmützen und Tücher zum Vermummen, feiern eine Rave-Party im Schloss und schießen mit einem Pfeil-Maschinen-Gewehr.
                                                Die ästhetische Revolution ist ein spektakulär herausgepeitschter Hollywood-Blockbuster. Seine radikale Relevanz offenbart sich sowohl in der Optik als auch in der Vertiefung des Mythos. Dargereicht für eine jugendliche Generation, die mit der gezeigten politischen Ikonographie etwas verbinden kann. Das eigentliche Thema der Geschichte war schon immer die Umverteilung von Arm nach Reich. Otto Bathurst inszeniert sie hier wie ein G20-Treffen zwischen Demonstranten und der Polizei bei brennenden Barrikaden. Ergänzt wird diese Widerstand-Mythologie mit Kritik an Kriegsgeschäften, Verbindung von Staat und Gewaltmonopol, Glaubensfragen und arabischer Phobie.
                                                Mag sein, dass die so offen ausformulierten Statements nichts in einem Unterhaltungsfilm zu suchen haben (bei Black Panther reagieren die Fans darauf ja auch allergisch). Mag sein, das sie eher plakativ erscheinen, aber sie bekommen Raum. In einem Film, der wie ein schwindelerregender Videoclip im kinetischen Guy Ritchie - Modus daher kommt. Als augenzwinkernder Unsinn erzählt, mit ebenso generischen wie irren Ideen bevölkert.
                                                6,5 Kapuzenmänner.

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                                                  lieber_tee 28.01.2019, 01:26 Geändert 18.08.2020, 22:41

                                                  STRG + ALT + DEL = THRILL
                                                  Dynamischer, wirkungsvoller Desktop-Krimi, der seine digitale Brotkrumen als emotionale Komponente eloquent einbringen kann, auch wenn er es am Ende mit seinen (vermeintlich) unerwarteten Wendungen übertreibt und in seiner Auflösung eher klobig erscheint. Zwischen sozial-medialer Öffentlichkeit und verborgenen Familien-Geheimnissen erzählt der Film nicht nur von der Entfremdung durch die „neuen“ Medien, sondern überwindet diese kultur-pessimistische Angst, propagiert unaufdringlich die vernetzenden, aufklärerischen Möglichkeiten der neuen Alltags-Technologie.
                                                  Die eigentliche Geschichte von "Searching" ist „nur“ ein effizienter Whodunit. Aber dank seines berührenden Interesses an der Vater-Tochter-Beziehung, kann der Debütant Aneesh Chaganty (ein ehemaliger Google-Mitarbeiter), mit Hilfe seiner Desktop-Perspektive und Montage, einen frischen Blick erzeugen. Virtuelle Kalendereinträge werden zu tragischen Ereignissen, Suchanfragen zu Action-Szenen. Das Browser-Fenster, die Internet-Recherche, der Passwortschutz, werden zu einem kriminalistischen, mitreißenden Puzzle. Jeder Klick kommt der gewünschten Auflösung näher, verstärkt die klaustrophobische Sorge des Vaters bei der Suche nach seiner Tochter und wird nicht, wie bei vergleichbaren Filmen, als billiger Nervenkitzel missbraucht. Der Bildschirm-zentrierte Modus trifft auf altmodisches Suspense-Kino.
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                                                    lieber_tee 26.01.2019, 03:04 Geändert 26.01.2019, 03:41
                                                    über Polar

                                                    Den Hund versehentlich erschießen, weil John Wick zu harmlos ist.
                                                    In den Händen von Jonas Åkerlund wird die Graphic-Novel-Verfilmung zu einem bewusst überzeichneten Comic-Relif, was in der der Natur der Vorlage liegt, denn die hochstilisierte Gewalt und traditionellen Parameter des Genres haben keinen Anspruch auf Reflektion, oder differenzierter Art-House-Kunst, sondern wollen hemmungsloses Action-Kino mit Noir-Elementen sein. Und da ist der Streifen altmodisch, trotz seines Hipster-Styles. Ist stilistisch und inhaltlich aus den Zeiten geboren, wo Action-Kino noch nicht politisch-korrekt für den Mainstream geglättet wurde. Ähnlich wie vergangene Meisterwerke (der 90er), die sich einen Dreck um knauserige Kritikerblicke geschert haben (z.B. Blutige Pfad Gottes, Dobermann) bietet „Polar“ eine angenehme Unbekümmertheit, scheißt auf Konventionen und haut geradlinig voll in die Fresse. Klar, das kann sensiblen Gemütern wehtun. Wer ernsthaft sich da wünscht, dass diese hemmungslose Gewaltorgie hinterfragt werden soll, hat Exploitation- Kino nicht verstanden, nie gefühlt. Der Film beutet sein Genre, seine Brachialität aus, ist voyeuristisch und will den unteren Grabbeltisch von Videotheken bedienen, aber genau das macht ihn aus. Denn sein (bewusstes und oft ironisches) Abfeiern von fetischistischer Gewalt ist in jeder Pore zu spüren, wird mit einer ungeheuren Präsenz von Mads Mikkelsen veredelt.
                                                    7 Fische im Aquarium füttern.

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