lieber_tee - Kommentare
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Alle Kommentare von lieber_tee
Die Patin in der Wüste.
In Form eines Gangsterfilms, dem Aufstieg und Fall eines Clans folgend, wollen Ciro Guerra und Cristina Gallego eine Allegorie über die selbstzerstörerische Kraft des Kapitalismus und den Verlust an Traditionen generieren. In fünf Lieder unterteilt, die von 1968 bis 1980 reichen, erzählt der Film die Geschichte einer (friedlichen) Stammes-Gemeinschaft in der nördlichen Wüstenregion Kolumbiens, deren Wirtschaft und Kultur eng mit Musik und Ritualen verbunden sind. Das Aufkommen des Marihuana-Handels erzeugt zunächst Reichtum, der (selbst-) zerstörerische Ehrgeiz wird dann aber zu einer Spirale der Gewalt, die die indigene Kultur allmählich aushöhlt und in ihren Untergang führt.
„Birds of Passage“ will eine Tragödie griechischen Ausmaßes sein. Von Plot-Point zu Plot-Point springend, hat die gezeigte Welt, mit ihren Gebräuchen, eher eine ethnologische Faszination, wirklich erkundet wird sie aber nicht. Ebenso nicht die Figuren. Sie sind Archetypen des klassischen Gangsterfilms. Zwischen Genre-Kino und Folklore wirken die traditionellen Motive und die handelnden Figuren wie vage skizzierte Chiffren. Da der Film offensichtlich „Kunstkino“ sein will, sind die „Action-Szenen“ seltsam distanziert, ebenso das teilweise arg hölzerne Spiel der Schauspieler.
Bei allem Respekt den neugierigen Zuschauer in eine fremde Kultur schauen zu lassen, den Wert von Traditionen zu vermitteln, nicht nur die kapitalistische Gier hat die Familie in den Abgrund geführt, sondern auch das Festhalten an archaischen Werten wie (Blut-) Rache. Darin liegt die Tragik. Leider habe ich diese selten gespürt, der Film wirkt wie das Posieren von bunt gekleideten Schaufensterpuppen vor großartiger Naturkulisse.
5-mal den Stammesrat einberufen.
The Transporter mit Rollator.
Ich weiß nicht ob es weiterhin erfüllend ist Clint Eastwood, jetzt 88, als Regisseur und Darsteller auf der Leinwand zu sehen...Denn "The Mule" ist nur ein fader, spätzeitlicher Erguss. Das Melodrama leidet unter der vorhersehbaren Handlung, den klobigen Stereotypen und werte-konservativen Phantasien eines alten weißen Mannes. Der Film ist eine auf fast zwei Stunden ausgedehnte, eindimensionale Banalität. Nervenkitzel gibt es kaum, blumiger Erlöser-Pathos umso mehr. Der beiläufige Rassismus wird kaum gebrochen, der olle Sexismus noch weniger und das Drogenthema romantisiert. Subthemen, wie das ältere Menschen in einer Leistungsgesellschaft nicht in der Lage sind, sich bequem in den Ruhestand zu begeben, oder mit dem technologischen Fortschritt nicht Schritt halten können (und wollen), geht in der Glorifizierung von traditionellen Familienbildern verloren. Bei aller Sympathie für den Meister, die sture Weigerung von Eastwood sich an die moderne Zeit anzupassen, die nostalgische Sehnsucht nach einem „alten“ Amerika, wird zu grenzdebiles Kino für Rentner. Da hilft der durchaus trockene Humor des Films auch nicht weiter.
4 Taschen voller Koks im Kofferraum.
Dunkle Funken aus dem Mund eines mysteriösen Magiers…
Wunderbare Ozploitation-Perle als moderne Neuinterpretation der Rasputin-Story erzählt. Der Film zeichnet ein düsteres Bild über Politik, die von tiefen Zynismus, Menschenfeindlichkeit und Feigheit geprägt ist. Die Parabel ist voller kreativen Ideen. Etwas unentschlossen treffen Fantasy-Motive auf satirischen Drama-Elementen und etwas Thrill. Daraus entsteht war keine sauber Einheit, aber viel Faszination für Kino das „anders“ ist.
7 wundersame Leukämie-Heilungen.
Starship Earth.
Als bahnbrechender Blockbuster in seinem Heimatland gefeiert, ist „Die wandernde Erde“ das ehrgeizige Unterfangen einer chinesischen Film-Industrie auch auf dem internationalen Markt Fuß zu fassen. Bis ihn Netflix aufkaufte und ohne sonderliche Werbung auf ihre Fernseher bzw. Handy- Plattform verbannte.
Wirklich Schade ist das allerdings nicht. Denn dieser Versuch Genre- und Produktionswerte von Hollywood-Popcorn-Filmen zu replizieren ist kaum anschaubar. Die todernst vorgetragene Idee einer fliegenden Erde als Raumstation (!), die den Jupiter anzünden (!) muss, weil er im Weg ist, ist so unfassbar lächerlich, dass man sie nur mit Sinn für furchtbaren Asylum-Trash ertragen kann. Offensichtliche Computerbilder, ständige Expositionen und manipulative Sentimentalität wollen scheinbar die amerikanischen Katastrophenfilme überbieten. Dass sich die Chinesen als Retter der Welt aufspielen, ist nur die verspätete Spiegelung der entsprechenden Vorlagen (2012 und Armageddon).
Weitaus schlimmer ist das schlampige Geschichtenerzählen. Ständig wechselt der Film zwischen einem äußerst konventionellen Plot im Desaster-Movie-Stil und Familiendrama über einen entfremdeten Vater bzw. Sohn. Individueller Heldentum trifft auf kommunistischen Teamgeist. Etwaige interessante Kontraste gehen mit einem ordentlichen Knall zu Grunde. Sieben Drehbuchautoren haben an diesem Furz herumgefummelt, am Ende wusste scheinbar niemand mehr was, warum und wie zusammenhängt.
Regisseur Gwo Frant schafft es nie all den Unsinn sinnhaft zusammen zu halten. Im Gegenteil, mit seiner hektischen Montage und Kamera stürzt er alles in ein noch größeres Chaos. Der Film sieht dabei wie ein Videospiel aus, nur selten sind ausladende, apokalyptische Bilder zu finden. Die ebenso endlose wie ermüdende Kette an Standardsituationen, die furchtbar ähnlich aussehen, will irgendwie groß, aufrichtig und episch sein, ist aber nur eine angeberische Leistungsshow von Effekt-Spezialisten. Je lebensbedrohlicher die Dramatik ansteigt, so scheiß-egaler sind einem die Figuren.
„Die wandernde Erde“ wirkt wie eine auf zwei Stunden zusammengeschusterte Miniserie von Michael Bay, wo Christopher Nolan ratlos daneben saß.
Lieber 3-mal Geostorm anschauen.
Das Endspiel als filmische Endlösung, äh Erlösung. Da klingeln die Kassen.
Keine Ahnung wie in zig Jahren rückblickend auf das heutige Blockbuster-Kino geschaut wird. Ob solche Filme wie „Avengers: Endgame“ als eine peinliche Jugendsünde abgelächelt, oder als prägender Generations-Kult abgefeiert werden. Ob eine Welt, die hochgradig unsicher in ihrer Zukunft blickte, dieses Superhelden-Kino verlangte, weil es einfache Lösungen anbot, ein Ort der Sicherheit und Hoffnung war…
Die Mama von Thor sagt irgendwann im Film „Sohn, iss mehr Gemüse." Ja, Junk-Food mag ab und an Spaß machen, aber es füllt den Magen nur mit fettigen, schmierigen Kleister, verursacht Sodbrennen und Blähungen. Gleiches gilt für das (aktuelle) Mainstream-Kino. „Endgame“ ist minderwertige, ungesunde Nahrung. Das gesündere Kino findet woanders statt. Oder gar nicht, wenn 14 Vorstellungen an einem Tag alles blockieren.
Den Fans ist das egal. Sie erfreuen sich über drei Stunden Sentimentalität, fangen (wie im Kino erlebt) lauthals an zu schluchzen. Warum auch nicht, denn aus ihrer Sicht schafft es „Avengers 4“ das gesamte MCU perfekt und emotional miteinander zu verbinden. Nach über einem Jahrzehnt werden all die losen Enden verknüpft. Theorien, die das Internet in den letzten Jahren verstopft haben, werden bestätigt. Das Endspiel ist kalkulierter Fan Service, inklusive persönliches Autogramm im Abspann. Zuschauer, die einfach nur einen guten Film sehen wollen, schauen allerdings blöd aus der Wäsche, sind nur noch genervt.
Wenn all die Superhelden wundersam wieder aus irgendwelchen Zeitlöchern kriechen, der ehemals dämonische Thanos zu einer austauschbaren Witzfigur wird, die nochmalige Jagd nach dem Glitzerstein-Handschuh zu einem mies inszenierten Footballspiel auf dem digitalen Schlachtfeld vergammelt und der Pathos die intimen Momente zu einer schmierigen Seifenoper verkommen lässt, dann ist das vielleicht nicht der Tod des Kinos, sondern die banale Bestätigung, das heute keine Filme mehr geschaut werden, sondern nur Serien auf großer Leinwand.
4 Bio-Gurken.
Das Loch in der Wand wird zu einem Loch im Film.
Heutzutage wirklich originelle Horrorfilme zu bekommen ist nicht leicht. Auch "The Canal" wird daran nichts ändern, denn eine Genreoffenbarung ist er definitiv nicht. Zumindest ist er ein sauber inszenierter Film, der das verfluchte Haunted House Motiv mit der erkrankten Psyche seines Protagonisten halluzinieren lässt. Als Zielgruppe schwebte Autor und Regisseur Ivan Kavanagh wohl ein intelligenteres (und geduldigeres) Horror-Publikum vor, das eine hervorragende Kamera und gruselige Soundkulisse zu schätzen weiß. Leider ist der Streifen nicht sonderlich raffiniert geschrieben um nachhaltig wirkungsvoll zu sein. "The Canal" betont, dass er sich den zeitgenössischen Konventionen des Genres nicht anbiedern will. Letztlich tut er es dann doch, mit fast schon dreisten 1:1 Kopien aus "Ring" und "Sinister". Der Abstieg in den Wahnsinn eines Vaters, sein Abtauchen in albtraumhafte Geisteslandschaft als dauerhafte Ungewissheit ob es übernatürliche Elemente gibt, hat allerdings einen schaurigen Reiz. Das Ende ist dann nur noch zynisch.
5 versiffte Toiletten.
Thunfisch im Kopf.
„Serenity“ ist ein klarer Anwärter auf einer der schlechtesten Filme des Jahres 2019. Sein absurder Plot-Twist will besonders originell sein. Mit welcher dreisten Art und Weise, dreisten Dämlichkeit er hier den Zuschauer für dumm verkauft, kann bestenfalls als urkomisch daneben wahrgenommen werden. Keine Ahnung wie es Regisseur und Autor Steven Knight geschafft hat mit diesen Hirnfurz durch die Chefetagen zu kommen, selbst der größte Mindfucker unter der Filmsonne Shyamalan hätte sich solch ein Drehbuch nicht zugetraut. Vielleicht kann der Streifen wohlwollend als bräsiger B-Film-Spaß konsumiert werden. Als farbenfrohe, comicartige Fantasie aus dem verpixelten Hintern eines Nerds. Nur so kann der unverhohlene Sexismus, das krude Männerbild und die pathetische Rührseligkeit im maritimen Noir-Gewand akzeptiert werden. Das Endprodukt bleibt aber ein Film, der in seiner Verarschung voll in die Fresse des ahnungslosen Publikums haut (und das völlig ernst meint). Edel-Trash für Dummies.
3 Katzen suchen und ihr Frauchen dabei durchvögeln.
Manifestationen der Langeweile.
Die Charaktere in „The Haunting of Hill House“ werden nicht nur von den Geistern aus ihrer Kindheit heimgesucht, sondern auch von den Traumata, die sie im Laufe ihres Lebens angesammelt haben. Mike Flanagans Serien-Adaption von Shirley Jacksons berühmtem Horrorroman aus dem Jahr 1959 ist eine Metapher für Trauerbewältigung in einer dysfunktionalen Familie. Der Schmerz des Verlustes offenbart ihrer eigenen Monster, die verwunschene Villa ist ein Sinnbild eines seelischen Käfigs. Jede Figur bekommt zunächst ihrer eigenen Folge, wir lernen ihre jeweilige Bürde kennen. Nach dem Zusammentreffen der Familie wird die ursprüngliche Erschütterung und die verletzen Beziehungen untereinander erforscht. Flanagan spielt durch aus clever mit den wandelnden Zeitgrenzen, mischt Realität und Halluzination, baut dabei auf die menschliche Emotionen seiner Figuren auf, erschafft ein Familiendrama in dem es manchmal spukt. Mal wird ein Geist in ein Teil des Bildes platziert, dann gibt es einen Jump-Scare, wenn sich eine Tür öffnet geht man in die Vergangenheit, eine andere öffnet die Gegenwart.
Das Problem der Serie ist, das immer und immer wieder, nur mit kleinen Ergänzungen, der gleiche traumatische Hintergrund, die immer gleichen Vorwürfe der Familienmitglieder Folge für Folge durchgekaut werden. Mit aufgeplusterten Laufzeiten (in einigen Fällen bis zu fast 70 Minuten) wirken die ständigen Wiederholungen stark ermüdend. Auch die Art der Spannungserzeugung holt heute kaum jemanden hinterm Ofen hervor, der gedämpfte Terror ist einfach nur träge. Das Dehnen (Plot-Blocking) einer letztlich ziemlich dünnen Geschichte auf über 10 Stunden Laufzeit ist eine Zumutung, der Twist-hafte Ausgang nur noch erschreckend banal. Die, freundlich formuliert, mittel-prächtigen Performances der Schauspieler und Schauspielerinnen halten da auch kaum einem über Wasser, die gestelzten Dialoge, das nach Pathos schreien Ende eben falls nicht.
Der Großteil von Hill House konzentriert sich auf das Familiendrama. Die Vorwürfe und Ressentiments drehen sich ständig im Kreis. Und mit ihnen der Zuschauer. Auf diese Art von aufgeblähtem Streaming-TV kann ich verzichten, auf den Über-Hype, der um diese Serie gemacht wird, auch. Und, ganz besonders, auf diese aseptische, glatt-polierte, kalte Fernsehfilm-Ästhetik, die scheinbar kein Zuschauer mehr wirklich hinterfragt. Jede zweite Netflix-Produktion sieht bereits schon so hässlich aus.
4 Liter Kaffee gesoffen um durchzuhalten.
Flasche auf, Hirn aus, Film ab.
Biopics über bekannte Bands und Einzelkünstler sind heutzutage definitiv eine Modeerscheinung, obwohl sie schon seit Jahrzehnten existieren. „The Dirt“ kommt im oberflächlichen Fahrwasser von "Bohemian Rhapsody" daher, hat aber den Anstand nicht so zu tun, als hätte die Glam-Metal-Band jemals wichtige Musik gemacht. Wie ein R-Rated-Vice-Artikel feiert der Film Sex, Drogen und Rock 'n' Roll als schlechtes Benehmen ab. Die Party-Ekstasen und Rockstar-Exzesse von Mötley Crüe werden schrill nachgebildet, der pseudo-anarchische Geist der Band, ihre eigene Sinnlosigkeit, kaum hinterfragt. Wie eine pubertäre Wunscherfüllungsfantasie zieht der Film sich in seine verschwenderische Kunst-Welt zurück, fetischisiert die Leere der Musikindustrie. Dabei sind die ach so bösen Jungens misogyn und extrem schmuddelig.
Ich muss allerdings zugeben, das „The Dirt“ ein schuldiges Vergnügen für mich ist. Das seine konsequente Idiotie auf den billigen Plätzen Spaß macht.
6-mal ungestört dem Hedonismus frönen.
"Heaven is A Halfpipe"
Mid90s ist keine soziologische Abhandlung über eine kultige Jugendkultur und erzählt doch so viel darüber welche Bedeutung sie für Teenager hat. Der Film wirft einen kurzen Blick auf Jungens, die um ihr Leben herum rollbrettern. Begleitet sie fast schon lapidar bei ihrem Straßenleben, beim Skateboarden, beim Chillen, beim Feiern in einer Vor-Sozial-Media-Zeit. Autor und Regisseur Jonah Hill ist dabei so clever, das er nicht die 90er Jahre nostalgisch ausbeutet. Er nimmt den zeitlichen Hintergrund, um einen zärtlicher Blick zurück in die universelle Kraft der Adoleszenz zu wagen. Beobachtet wie Jungen den Wert von Vorbildern, Freundschaft, ihre Männlichkeit und ihren Körper entdecken. Ebenso rau wie sensibel. Zwischen Kevin Smith, Richard Linklater und Larry Clark findet der Filmemacher seinen ganz eigenen Ton. Mit Augen für Details, Ohren für authentische Sprache und glaubwürdigen Darstellern voller Energie. "Mid90s" ist eine Skizze, die sich ehrlich anfühlt. Viel über Flucht, Gruppenzugehörigkeit, Wunsch nach Anerkennung, Verantwortung und Zukunftsvorstellungen erzählt, weil der Film seine Figuren ernst nimmt.
7 Sommer draußen verbringen.
Grumpy old woman.
Während Nicole Kidman in anderen Filmen zwischen regungslosem Botox-Gesicht und brillanter Schauspielerin pendelt, gibt sie hier eine Performance, wo nicht so ganz klar ist, ob ihr verbrauchtes Gesicht geniales Depressions-Masken-Design ist, ob sie eindringlich schauspielert, oder doch nur ins Overacting flüchtet. Als ausgebrannten LAPD-Polizisten versucht sie hartnäckig aus der Dunkelheit ihrer Vergangenheit zu entkommen, um Erlösung zu erlangen. Fast schon an einer Karikatur grenzend, treibt sie die schmale Geschichte als wütende Wutmaschine voran.
Regisseurin Karyn Kusama stellt gerne „starke“ Frauen in den Mittelpunkt ihrer Filme. Hier als hartgesottener Neo-Noir-Thriller erzählt, mit intensiven und räudigen Bildern. Die verworrene Erzählweise versucht zu kaschieren, dass diese Rachephantasie ein durchschnittlicher Mix aus Genre-Klischees ist, nur das diese Form von Anti-Helden eher männlich besetzt werden. Überraschend brachial und furchtlos zieht Kusama ihr Ding durch. Der Weg, wenn Schuld zur Besessenheit wird, schreit nach einer Katharsis. Da bleibt „Destroyer“ am Ende seiner nihilistischen Natur treu. So treu, das mich das pathetische Leiden, die Selbstzerstörung der Protagonistin, zunehmend gelangweilt hat, weil der Film einfach kein Ende finden will.
6,5 Hand-Jobs.
Mut zur Hässlichkeit…
Die hyperrealistische Ästhetik eines Ken Loach-Sozialdramas trifft auf ein skandinavisches Noir-Märchen für Erwachsene. Die bizarre und abstrakte Schönheit des Films liegt in seiner verspielten Mischung aus Gender Studies, Mythen und Horrortropen. Zutiefst absurd und sanft-verdreht ist Ali Abbasis zweites Werk ein fantastischer Liebesfilm mit magischen Realismus. Mit großem Einfühlungsvermögen erschafft er eine Außenseiter-Allegorie, wo die phantasievolle Andersartigkeit seiner Protagonisten in einem realistischen Rahmen verwurzelt ist. Zwischen Radikalisierung, Geschlechterverunsicherung, Elternschaft und weiblicher Wut reflektiert er den Begriff Identität. Das ist besonders von Eva Melander, unter ihren Schichten von Make-up, überzeugend zart gespielt. Auch wenn diese Vielzahl an Subthemen nicht unbedingt dramatisch befriedigend betrachtet werden, „Border“, wie der Titel vermuten lässt, erforscht neue Gebiete in den Bereichen Liebe, Schönheit, Moral und Genre, um zu vermitteln, was einen wirklich von einem Menschen oder einem Monster unterscheidet. Der Film wirft Fragen zu "Grenzen" in vielerlei Arten auf, einschließlich Rasse und Sexualität. Diese werden nicht immer zufriedenstellend überschritten, weil ein wirklich offeneres Verständnis für andere kulturelle und persönliche Unterschiede nicht existiert, eine vollständige Integration des anderen nicht immer möglich ist. Dabei droht der Film manchmal unter dem Gewicht seiner ehrgeizigen Themen zu zerbrechen, manch Aspekt wirkt nicht sauber durchdacht, aber das Ganze ist schon ein verdammt starkes Stück. Das muss man mal so bringen…
7 Pädophile erschnüffeln.
No Country For Grumpy Old Men.
"The Highwaymen" trödelt. Das Tempo des Films ist absichtlich langsam, weil diese altern Männer nur langsam und bedacht handeln. Kevin Costners und Woody Harrelsons Jagd auf Bonnie und Clyde ist eine verdammt glaubwürdig gespielte Charakterstudie über das Altern, eine sanfte Dekonstruktion von amerikanischen Recht- und Unrecht-Mythen. Die seltsame Romantisierung der Taten des Verbrecherduos, das brutale Mörder zu Ikonen wurden, wird eher am Rande gestreift, eingebettet (als Begründung) in eine staubige Darstellung der Verzweiflung und Armut im Südwesten der USA. Gelegentlich mit grimmigen Humor durchzogen, geht es dem Regisseur mehr um eine Meditation über den Verlust von glänzender Männlichkeit und Heldentum. Die Verfolgung wirkt dabei wie ein verschlafenes Roadmovie. Die aufgeblähte Laufzeit macht den Film noch müder, so wie die beiden Texas Rangers.
6 weiße Kaninchen.
„Hass ist deine Attitüde.“
„Wintermärchen“ ist eine Zumutung. Ein äußerst unangenehm anzuschauendes Konglomerat aus Ficken, Suff und Rassismus. Ein radikaler Schlag in die Fresse der üblichen Sehgewohnheiten. KEINE pädagogisch wertvolle oder gar intellektuelle Betrachtung über Neonazis. Und das ist auch gut so!
Regisseur Jan Bonny taucht in eine faulige Arschloch-Suppe von weißen Müll ein. Er nähert sich kompromisslos einer Dreier-WG aus rechten Terroristen. Schaut sich ihre Geschlechtermachtverhältnisse, ihre mangelnde Empathie, ihren Narzissmus, ihre Minderwertigkeitskomplexe an. Hier besteht die "Banalität des Bösen“ aus widerwärtige Triebabfuhr. Becky, Maik und Tommi sind Extremisten, die ihre eigene Frustration ausschließlich mit Gewalt gegen andere (und sich) und mit animalischen Rammeln kanalisieren können.
„Wintermärchen“ sieht (bewusst) abstoßend aus. Seine ungesättigten, unterbelichteten Depressionsbilder sind niemals „schön“ oder ästhetisch reizvoll. Bis zur Selbsterniedrigung spielen die begnadeten Darsteller ihre hässliche Seele aus dem Leib. Die verwackelte Handkamera, die halbdunkle Beleuchtung und der rohe Schnitt beobachten sie dabei. Distanz lässt der Film nicht zu, das Unangenehme überträgt sich fast körperlich auf den Betrachter.
Die ständige Abfolge von Niedertracht ist eine filmische Provokation, die vermittelt welch widerwärtige Arschlocher Nazis letztlich sind. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Nie nähert sich der Filmemacher analytisch oder gar differenzierend dem Dreiergespann, auch nicht dem Themenbereich NSU, auch nicht dem ideologischen Gefasel in diesem Zusammenhang. Er verleibt sich den Blick der Täter ein, konfrontiert den Zuschauer bis zu Unverträglichkeit damit.
Die Frage, was bloß in den Köpfen von (mäßig) organisierten Neonazis vor sich geht, steht im Raum. Bonny beantwortetet sie ebenso plakativ wie schlicht: Nichts, rein gar nichts. Sie sind brutale Täter, die nur dumm vor sich her reden. Wenn man ihnen zuhört, sie verstehen will, findet man blanken (Selbst-) Hass, ohne tiefen oder höheren Sinn. Die Bösartigkeit ihres unmenschlichen Handelns bekommt nur in wenigen Szenen eine psychologische Ursache aus ihrer Vergangenheit. Hier ist das Politische, das Private. Denn diese Art von Dumpfheit und moralischer Abstumpfung ist mitten in unserer Gesellschaft, der Nährboden für (gewalttätigen) Rassismus. Das ist brutal frustrierend. Einen Diskurs will der Film nicht, er beobachtet wertend.
Mein Mitleid mit diesen faktenresistenten und verbohrten Menschen hält sich dabei stark in Grenzen. Dieser blinde Hass der Nazis hat mich schon in meiner eigenen Antifa -Arbeit wütend und ratlos gemacht. Diese Täter (auch) als Opfer des „Systems“ zu sehen ermüdet. Ihr antidemokratisches Denken ist wie eine Krankheit, die kaum mit demokratischen Mitteln geheilt werden kann.
7,5-mal "Schrei nach Liebe" flüstern.
Warten auf Thanos…
Es dauerte (viel zu) lange, bis eine weibliche Superheldin als Hauptperson in das Marvel Cinematic Universe vordringen durfte, zu männlich ist das Genre, zu männlich die Chefetage, zu groß das Misstrauen, das eine Frau auch einen Blockbuster stemmen kann. Der vorher in den Medien angepriesene Feminismus des Films ist kaum zu erkennen, das überrascht ebenfalls nicht. Captain Marvel ist nett. Ein mehr oder weniger zufriedenstellender Sättigungseffekt, um auf das große Avengers-Endgame zu warten. Etwas weibliche Ermächtigung, keine zu große Sexualisierung, coole Sprüche, etwas Action, viele digitale Effekte, ne witzige Katze und etwas 90er-Nostalgie-Reise, fertig ist ein gewöhnlicher Superheld(in)-Film. Larson passt perfekt in die Rolle. Schnippischer und gutmütiger Humor treffen auf ein formelhaftes Marvel-Franchise-Produkt, das mit der Idee eine Ursprungsgeschichte zu erzählen, die nicht als Ursprungsgeschichte strukturiert ist, aber trotzdem eine überraschungsarme Ursprungsgeschichte bleibt, wenig überrascht. Was Neues wird nicht auf den Tisch gebracht. Der Film wirkt wie das Ausfüllen einer MCU-Lücke, ist kaum interessiert daran seine (neue) Heldin auszuarbeiten. Fast schon streberhaft-verpflichtend, werden die üblichen Standards abgearbeitet, damit die eingefleischten Fans nicht überfordert werden. Ein erster weiblicher MCU-Film hätte mehr verdient.
5 verblichene Nine Inch Nails T-Shirts.
Mitternachtsfilm für Instagram-User(innen).
Als moderne Hexenjagd-Version des Salem-Prozesses mischt der Film Vorbilder wie Heathers, The Purge und Spring Breakers zu eine überraschend wütende Satire über ein intolerantes Amerika, wo Heuchelei zur gesellschaftlichen Norm wurde.
Eine Truppe jungen Mädels wehrt sich blutig gegen Bitch-Shaming und Mobbing. Ihre weibliche Ermächtigung ist eine kraftvolle Kriegserklärung gegenüber toxischer Social Media-Hysterie, Frauenfeindlichkeit, moralische Verlogenheit und Transphobie. Die relevante Botschaft wird kraftvoll mit Stil über Substanz erzählt. Sam Levinson ist nie daran interessiert seinen ausbeuterischen Ansatz zu hinterfragen oder zu erforschen. Seine zeitgemäße Ästhetik wird als kathartische Lösung genutzt. „Assassination Nation“ holt das (jugendliche) Zielpublikum bei seinen Sehgewohnheiten bewusst ab. Der erzählerische Zusammenhalt und die Charakterentwicklung leiden darunter, aber das mutige Jonglieren mit verschieden Genres und Stilen ist beeindruckend.
Hinter der flippigen Unterhaltung gibt es den zweiten, giftigen Blick. Grotesk, frech und sexy bohrt er ebenso bösartig wie spielerisch in die Wunden eines Landes, dessen Sexismus und feige Doppelmoral bereits tief in der Kultur verankert ist. Die (weibliche) Befreiung daraus, ist nur durch ein blutiges Gemetzel möglich. Die pro-feministische Botschaft mag plakativ sein, hat allerdings seine eigene (erhöhte) Realität. Sie strotzt nur so von knalligen Farben, inszenatorischer Energie (man beachte die beeindruckende Home-Invasion-Plansequenz) und (Über-) Lebenswillen.
Geiler und krasser Scheiß!
8,5 Baseballschläge gegen den Hinterkopf helfen beim Nachdenken.
Tag- und Nachtschatten.
Nette Abenteuergeschichte, leicht gemacht. Der dritte Drachenzähmen-Kinofilm besticht in seiner visuellen Üppigkeit und rasanten Action, weniger in seiner Geschichte. Die aus den vorherigen Teilen und der TV-Serie altbekannten Figuren haben sich kaum weiterentwickelt, neben Hicks sind sie alle nur Stichwortgeber. Das Zielpublikum scheinen junge Teenager zu sein, denn der Hauptprotagonist muss jetzt (noch mehr) Verantwortung und Loslassen lernen, Ohnezahn bekommt pubertäre Nöte und eine Freundin. Trotz der starken Animation schleicht sich das Gefühl ein, dass der gesamten Geschichte langsam aber sicher die Kraft ausgeht. Und so gibt es ein hoch-emotionales Ende der Trilogie, das sicherlich seine Fans glücklich macht, vollgetankt mit traditionellen Werten wie Kernfamilie, Heiraten und Kinder. Nun ja…
6 schwarze Alphadrachen.
„Echte Bösewichte sind unter uns. Echte Helden sind in uns."
„Glass“ ist der katastrophale Abschluss einer Trilogie. Shyamalan klatscht irgendwie die verschiedenen losen Fäden der Vorgänger zusammen, um dann noch mehr hinzuzufügen. Das Ergebnis ist ein klumpiges Gewirr, das dem Ansatz über Superhelden-Archetypen zu reflektieren nie gerecht wird. Ist der Anfang noch einigermaßen vielversprechend, verflacht der Film zunehmend in seinem Karneval-Irrenhaus, um im dritten Akt komplett auseinander zu fallen. Irgendwo zwischen Dekonstruktion einer heroischen Super-Geschichte und psychologischen Thriller wirkt „Glass“ zerstreut, nimmt sich viel zu ernst und kann nie seine Kommentare zur Comic-Kultur fokussieren. Was hier als clever und originell verkauft werden soll, ist in einer Zuschauerwelt voller Superheldenfilme ein alter Hut. Shyamalan hat nichts Neues über das zentrale Trio zu erzählen. Und so sehen Willis und Jackson gelangweilt aus, während McAvoy mal wieder ins Overacting flüchtet. Die ehrgeizige Idee ein Shyamalan-Cinematic Universe zu schaffen, ist gescheitert. Zu endlos ist das Meta-Geschwätz, zu energiearm der Thrill, zu banal der Verschwörungs-Twist.
3 brüchige Knochenerkrankungen.
Goldene Scheren und blutrote Overalls.
Das Regiedebüt „Get Out“ von Jordan Peele ist eine clevere Gruselsatire, die Alltags-Rassismus und Rassenaneignung brillant einfängt. Mit „Us“ will der Filmemacher noch weiter gehen. Der erzählerische Fokus liegt nicht mehr (ausschließlich) auf „schwarze“ Identitäten, sondern folgt dem Konzept des bösen Zwillings als Ausdruck für verdrängte Ängste in der US (!) amerikanischen Gesellschaft, erzählt als eine Mixtur aus Home-Invasion-Verschwörung und apokalyptischer Zombiefilm.
Das Doppelgänger-Thema ist eine Metapher für einen blutigen Klassenkampf rund um Privilegierte und Enteignete. Der (nicht nur schwarze) Mittelstand hinterfragt seinen bürgerlichen Wohlstand nicht, sondern beschäftigt sich nur noch mit Erste-Welt-Problemen. Von ihren bösen Spiegelbildern in ihre Gemütlichkeit gestört, offenbart sich, dass ihre selbstverständlichen Privilegien auf die Ausbeutung sozial Niedrigeren beruhen. Und diese Erniedrigten schlagen jetzt zurück…
Logisch und rational erzählt Peel diese Geschichte nicht. Voll gepackt mit Symbolik bietet „Us“ viel Spielraum für Interpretationen. Aber leider traut der Autor und Regisseur seinem eigenen Konzept nicht. Er lässt den Zuschauer nicht selbständig den Film erkunden. Das Abgründige seines Horrors weicht er mit Comedy-Sketchen auf, damit es für die breite Masse auch bloß nicht zu unangenehm wird. Zum Ende hin muss dann noch ein ätzend-dämlicher Erklärbär im Film auftreten, der als monologisierender Bösewicht dem Publikum lückenhafte Hintergrundinformationen gibt. Noch plumper ist der dann folgende Mega-Twist, der die politisch provokante Aussage ad absurdum führt und somit das Publikum komplett verarscht.
Ohne Frage ist Jordan Peele ein enorm kreativer und mutiger Filmemacher. Er kann Genre-Kunst zitatenreich choreographieren, ironisch unterlaufen und ikonische Bilder erschaffen. Für mich ist „US“ somit auch mehr eine visuelle, weniger eine intellektuelle Erfahrung. Es gibt famose Einzelsequenzen, in seiner Gesamtheit funktioniert der Film aber weder als konsequenter Horrorfilm, noch als konsequente Satire auf den amerikanischen Traum, wo die Zurückgelassen zurückschlagen. Mit etwas Abstand betrachtet bietet „Us“ eine fast schon wahllose Überfüllung an Interpretationsmöglichkeiten, Ideen und filmischen Symbolen, die wie ein ehrgeiziger Entwurf wirken, aber wegen der fehlerhaften Struktur nicht miteinander verbunden sind.
Hübscher Horrorfilm als Denkübung.
6,5 weiße Kaninchen.
Widerstandsfähige Glasschalen aus dem Osten.
Ich bin nicht in der DDR aufgewachsen und habe die dortigen Repressalien nicht erlebt. Umso mehr interessieren mich Filme, die sich mit der ambivalenten Wirklichkeit in diesem Land auseinandersetzen, um vielleicht ein stückweit die damalige Lebenssituation zu „verstehen“. Ich weiß nicht wirklich, ob „Gundermann“ der historischen Wahrheit nahe kommt, aber ein verklärender Ostalgie-Blick ist der Film definitiv nicht. Mehr ein Anti-Heimatfilm von einem Filmemacher, der selbst aus dieser Heimat kommt.
Keine Fan-Biografie über einen Springsteen aus Hoyerswerda, der kritische (und romantische) Lieder über den verrosteten Bergbau gesungen hat, schwebte Andreas Dresen vor. Sondern ein Film über einen hemmungslos-unehrlichen Stasi-Spitzel, der (angeblich) so den Sozialismus schützen wollte. Irgendwo zwischen Täter und Opfer, zwischen Held und Antiheld, zwischen Idealismus und Schuld führte Gundi Kunst, Arbeit und Politik zusammen und scheiterte daran.
Die Tristesse und Traurigkeit dieses Doppellebens ist beklemmend. Hauptdarsteller Alexander Scheer spielt diese Ambivalenz brillant. Wenn das Verdrängte sich zunehmend offenbart, Gundi sich privat und öffentlich zu seinem Verhalten stellen muss, zeigt sich eine Hilflosigkeit, die mich oft aufschreien ließ, wütend gemacht hat. Aber es gibt hier nicht die Katharsis, die Erlösung, nur die Tragik einer Selbstrechtfertigung. "Ich kann mich doch nicht selbst entschuldigen, kann doch höchstens auf Verzeihung hoffen.“ Ich bereue „den Verrat an mir selber, ich bin sehr enttäuscht von mir.“
Eingetaucht in ein detailliertes Setting, schaffen es Dresen und Stieler (Buch) dem Liedermacher eine gewisse Bewunderung auszusprechen, ohne in Lobhudelei abzudriften. Hier wird sich (subjektiv) mit dem Spannungsverhältnis zwischen dem Künstler und der DDR auseinandergesetzt.
Vielleicht ist in jedem von uns ein Gundermann…
7,5 Täterakten.
Ein Film, der nicht immer ins Schwarze trifft...
Rassismus im LalaLand.
Barry Jenkins 'Adaptation von James Baldwins Roman ist ein typischer Kritiker-Liebling. Die Bilder sind wunderschön, die Musik melancholisch, die schauspielerischen Ausführungen hingebungsvoll, der Tonfall ist ebenso schmerzlich wie lyrisch, die Thematik relevant. Und doch hat der Film bei mir nicht so funktioniert wie er sollte.
Die idyllisch-idealisierte Liebesgeschichte trifft auf eine harte Realität. Gemeinsame Hingabe überwindet zwar nicht den Rassismus, gibt aber einen festen Halt. Mit welcher visuellen Bildgewalt der Film in seiner Schönheit schwelgt war mir allerdings oftmals zu viel, grenzte an verkitschte Liebes- und Armutsromantik. Selbst Ungerechtigkeit sieht hier hübsch aus. Die Macht der Innigkeit hat etwas Märchenhaftes. Institutionalisierte Gewalt, Kriminalität, soziale Ungerechtigkeit und rassistische Desillusionierung können ihr nicht wirklich etwas anhaben, sind genau farblich abgestimmte Kulissen.
Mir fehlte die Wut. Ein wirklich beklemmendes Spannungsfeld zwischen hässlicher Unterdrückung und gemeinsamer Hoffnung entstand bei mir nicht. Alles wird immer und immer wieder in eine bernsteinfarbene Werbefilm-Kinematographie eingetaucht, die an Melodramen der 50er Jahre erinnert. Mit Dialogen voller Pathos, die herzerwärmend sind. Selbst das Leiden sieht in den schön abgefilmten Gesichtern schön aus, ist farblich perfekt zu den herbstlichen Bäumen und gelblichen Kleidungsstücken angepasst. Oder es wird im Empörungsmodus gegen das ganze System gekämpft, dass gerne auch in Form einer Karikatur eines weißen, giftigen Polizisten symbolisiert wird.
Irgendwie wirkt der Film wie ein Musical, nur ohne Gesangseinlagen. Der akribisch-künstlerische Ansatz ist ohne Frage beeindrucken, aber mir fehlte die emotionale Schlagkraft, alles wirkte glattgebügelt um letztlich in Nostalgie und Resignation zu enden.
6 Skulpturen eines Mannes aus Holz.
Amores perros in Süd-Korea.
Joon-ho Bongs (Okja, Snowpiercer) originelles Debüt ist ein überraschend amüsanter Film über einen Versager und Hundequäler. Dieses schrullige Juwel kombiniert schwarzen Humor mit einer traurigen Sozial-Satire über die Folgen der urbanen Modernisierung. Denn das Kernthema des Films, die hier gezeigte Wut auf einen Nachbarhund, ist letztlich eine Projektion auf die ständige gesellschaftliche Überforderung. Die liebenswerten Figuren treffen in einem unkonventionellen Erzählstil aufeinander und offenbaren das gesamte Spektrum der menschlichen Absurdität. Das mutige Mischen von Genres (Drama, Horror) und Tönen (Nervenkitzel, Tragik, Satire) ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Wer aber die späteren Werke des Filmemachers kennt, wird von diesem Mix nicht so überrascht sein.
7 Trethupen vom Hochhaus werfen.
Menschen werden zu Geister, Städte werden zu Geisterstädten.
Filmemacher Jia Zhang-ke erzählt seine Geschichte über Liebe, Opfer und Verrat als Reise durch siebzehn Jahren chinesischer (Kapitalismus-) Zeitgeschichte. Im Kern ist der Film ein Porträt über eine willensstarken Frau zwischen Tradition und Moderne, deren schräg verlaufender Lebensweg sich in einem schnell verändernden Land spiegelt. Zunächst mit den Mitteln eines Gangsterfilms erzählt, inklusive einer eskalierenden Spirale von Gewalt, bricht der Filmemacher in der zweiten Hälfte mit dieser Vorlage, transzendiert sie zunehmend ins Persönliche, um letztlich zu ihrem Ausgangspunkt zurückzukehren. Die immer wieder neuen Möglichkeiten offenbaren einen Kreislauf, um letztlich dort anzukommen wo man begonnen hat. Ob dies ein Triumph oder ein Scheitern ist sei offengelassen, eine traurige Melancholie weht allerdings durch den Film. Die Vergänglichkeit ganzer Orte ist so vergänglich wie die Liebe. Vielleicht ist das mit 141 Minuten dann doch nicht so viel intellektuelle Substanz wie der Filmemacher glaubt, auch nicht frei von Schwerfälligkeiten und Wiederholungen, die Höhen und Tiefen sind ebenso faszinierend wie anstrengend.
7 Ufo-Sichtungen.
Blut, Tod und Kirchenverbrennungen.
Eine Beziehung zum "wahren norwegischen Black Metal" habe ich nicht, aber ich wollte einen abgefahrenen Kickass-Film sehen. Bekommen habe ich ein rohes Stück Fleisch, kombiniert mit greller Idiotie und makabrer Boshaftigkeit. Der Film von Regisseur Jonas Åkerlund ist ein biografisch inspiriertes (Horror-) Drama um die Band Mayhem, als düsterer Strudel aus Gewalt und Provokation angelegt. Wo drastische Taten zu noch drastischeren Folgen werden. Satanischer Kult, Suizid und brutale Morde sind ausbeuterische Versatzstücke, die auf ein beunruhigendes Porträt von Manipulation, Egoismus und Rache treffen. Åkerlund interessiert sich mehr für die toxische Männlichkeit und den falschen Göttern, die in dieser Szene existieren, weniger für die musikalischen Werte und deren (wahren) Entstehung. Damit prügelt er sicherlich auf den Kult und dem Selbstverständnis von Black Metal ein und hat gerade aus diesen Reihen Hass geerntet. Das Spektakel, die Schockwert überlagern oftmals eine tiefer gehende Substanz, aber mit einer hemmungslosen Neugierde gräbt sich der Film in seine bittere Psychologie und Reflektion einer Subkultur ein. Rory Culkins subtil-aufrichtige Performance kann dabei den Zynismus des Films auffangen, so dass all die gezeigten Abscheulichkeiten, so comichaft sie auch erscheinen, eine menschliche Grundierung bekommen. Faszinierend, grimmig und hinter seiner Oberfläche überraschend sensibel.
Auf 7,5 abgetrennten Schweineköpfen kauen.
Ghost in the Shell als pixelige Teenager-Version.
Dieser Mashup aus "Frankenstein", "Rollerball" und Jugendromantik ist der ehrgeizige Versuch Manga bzw. Anime-Material in einen Hollywood-Blockbuster zu integrieren. Dank spektakulärer Bilder, lebhafter Action-Szenen und Rosa Salazars engagierter Leistung, erschafft der Film eine futuristische Multi-Kulti-Welt, die mehr hip und stylisch wirkt, als das sie sonderlich durchdacht ist. In ihrer Armutsromantik sieht das wunderschöne Produktionsdesign immer wunderschön aus, ist aber nur mit hohlen Charakteren bevölkert.
Die von Drehbuchautor James Cameron und Regisseur Robert Rodriquez erfundene Coming-of-Age-Geschichte mit Monster-Budget bleibt immer inhaltlich ein B-Movie. Wie zwei Über-Nerds frönen sie der Motion-Capture-Technologie, erschaffen eine visuell beeindruckende, computergenerierte Heldin, die gesellschaftspolitischen und postapokalyptischen (Sub-) Themen sind aber arg oberflächlich. Dem Kern des Films fehlt die Originalität. Die actionreiche Saga von Selbstfindung und (weiblicher) Emanzipation gegenüber allen möglichen Übeltätern wird mit einer süß-sentimentalen Liebesgeschichte zugekleistert, ist eine Ansammlung von Klischees.
Anstatt die Themen (kapitalistische Entmenschlichung, entfremdetes Körperbewusstsein, Klassengesellschaft, Ausbeutung, Schere zwischen Arm und Reich) als eine beunruhigende Dystopie zu erzählen, werden die zahlreichen Handlungssträngen ständig mit Badass-Attitüde, Augensüßigkeit und cool choreografierten Actionballett untergraben. Der Konflikt zwischen der menschlichen und robotischen Natur bekommt nie wirklich eine tragische Größe, sondern ist nur der ideale Vorwand die Prozessoren zum Glühen zu bringen. Optisch verblendet bleibt die Substanz außen vor.
„Alita“ ist purer Action-Pop, liebenswürdig und gefüllt mit genügend Versatzstücken die jeder kennt und niemanden stören. Das absichtlich unbefriedigende Ende geilt optimistisch nach einer Fortsetzung. Dieser Hybris der Filmemacher hat der eher enttäuschende Kassenerfolg einen Strich durch die Rechnung gemacht.
6-mal die „Panzerkunst“ beherrschen.