Rajko Burchardt - Kommentare

Alle Kommentare von Rajko Burchardt

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    Das Interesse von Lee Daniels, Genregeschichten in demonstrativen sozialen Milieus zu erzählen, setzt sich mit diesem schwülstigen Südstaaten-Pulp-Thriller eindruckslos fort. Anders als bei "Precious: Based on the Novel etc.pp." löffelt der Poverty-Exeget seine Human-Trash-Suppe dieses Mal aus einem Fass sonderbarer Peinlichkeiten und versammelt eine Riege abgehalfterter Hollywoodstars zur Fremdscham-Party. John Cusack sleazt sich unfassbar albern durch eine Rolle als notgeiler Sumpfbock, Matthew McConaughey feiert die manieristische Reprise seines "Killer Joe". Um die krampfhaften, ganz und gar merkwürdig mit vollstem Ernst auf filthy und kinky geeichten Pseudo-Schmuddeleien anrüchig und/oder heiß finden zu können, muss man "The Paperboy" schon mit großen Tomaten auf den Augen oder aber dicken Spinnweben in der Hose schauen. Was sich auf dem Papier verheißungsvoll gibt (Nicole Kidman uriniert auf Zac Efron, goil!!111), ist so vergessenswert und ausnahmslos unsexy inszeniert, dass allerhöchstens stockverklemmten Amis das Gesicht anläuft. Die fast, aber auch wirklich nur fast schon wieder interessante Planlosigkeit des Films auf allen Ebenen lässt einen zumindest nicht vorzeitig wegdösen – was bei so viel bedeutungsschwangerer Langeweile fürwahr einem Wunder gleichkommt.

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    • 6

      Die japanische (Nach-)Kriegsgeschichte lässt sich an Keisuke Kinoshitas Filmen auf faszinierende und stets ganz unterschiedliche Art nachvollziehen. Eine kleine Straße irgendwo in Tokio, 1944: Nach Jubel ist den verbliebenen Bewohnern erst einmal nicht zumute, sie stehen kurz vor der Evakuierung und müssen auf den letzten Metern des allgegenwärtigen Krieges nun doch noch ihren Wohnort verlassen. Die "Jubilation Street" als beinahe hermetischen Schauplatz hat Kinoshita nach wenigen Minuten etabliert, geschickt verbindet er gleich zu Beginn unterschiedliche Schicksale und Geschichten auf eng abgestecktem Raum. Die Liebesbeziehung einer jungen Frau zu einem Testpiloten steht im Mittelpunkt des situativen Entwurfs, an ihr formuliert der Film eben nicht nur Durchhaltewillen und Mobilisierung, sondern vor allem die Angst vor Schmerz, vor Verletzung und natürlich auch dem drohenden Heimatverlust. Offenkundig funktionale Einsprengsel, die Kinoshita möglicherweise verordnet wurden, unterläuft der Filmemacher sanftmütig. So mag sich das ausdrucksstarke Bild jener Frau, die unter imaginierten Schussgeräuschen um ihren schließlich im Krieg gefallenen Geliebten trauert, derartigen Absichten nur schwerlich fügen. Lediglich das dem Titel dann doch zuspielende Schlussbild nivelliert diesen Eindruck und beraubt den Film deutlich seiner stillen Schlagkraft.

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      • 0

        [...] "Ghost Movie" mag zwar auf eine gekonnte Art genauso einschläfernd, höhepunktfrei und ausnahmslos billig wie die von ihm parodierten Wackelbilder-Gruselfilme sein, das aber rechtfertigt natürlich noch lange nicht die nervtötendsten 90 Minuten des jungen Kinojahres. Hundert mal "Paranormal Activity" hintereinander zu schauen ist amüsanter als nur eine einzige Minute dieser erbärmlichen Comedy-Totgeburt ertragen zu müssen. [...]

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        • 6 .5

          Eine Vision vom Ende des Krieges: In "None Shall Escape", gedreht 1944, muss sich der ehemalige SS-Gruppenführer Wilhelm Grimm vor einem internationalen Gericht für seine Kriegsverbrechen verteidigen. Deutliche Ähnlichkeiten zum im Produktionsjahr verstorbenen NSDAP-Reichsleiter gleichen Namens dürften kein Zufall sein, genauere Angaben dazu lassen sich aber nicht finden (überdies ist im Vorspann von der Fiktionalität aller Figuren zu lesen). Der in Ungarn geborene und während seiner Karriere überwiegend auf Western spezialisierte Filmemacher André De Toth nutzt die seinerzeit noch hypothetische Rahmenhandlung des Films, um darin ein sonderbar inakkurates Bild deutscher Machtergreifung, des Einmarsches der Nazis in Polen und der Deportation und Ermordung unzähliger Juden zu betten. Die Freiheiten der eher auf melodramatische denn politische oder historische Aspekte abzielenden Inszenierung sowie ästhetischen Bezugspunkte des Hollywood-Studiosystems der 40er ermöglichen De Doth einen eher an kompakten Genreformen orientierten Blick auf sein Sujet: Die Nazis treten als Landeroberer auf, als seien sie Cowboys, die mit Pferden in Städte einreiten, und in der Ergründung der verbrecherischen Hauptfigur neigt "None Shall Escape" zu rühriger Trivialität. So deutet der Film an, Grimms Taten seien durch eine verschmähte Liebe zusätzlich motiviert, sein Ego nach einer Beinamputation außerdem stark beschädigt. Grobe Effekte wie diese sind leider rar im heutigen schlaumeierischen Geschichtsfilm. Der naive Alliiertenschlussappell direkt in die Linse der Kameras sichert „None Shall Escape“ zusätzlich einen Status als schönes Zeitdokument.

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          • 4

            [...] Der mit mehr als zwei Stunden Laufzeit deutlich überveranschlagte Film walzt die Nebenstränge der ihrerseits ebenfalls zu lang geratenen Romanvorlage unnötig aus, um mit abrupten Story-Twists auf ein Pseudo-Actionfinale zuzusteuern, das bestenfalls dazu geeignet ist, den Puls von ZDF-Zuschauern in die Höhe zu treiben. [...]

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            • 3

              [...] John McClane ist längst nicht mehr der bodenständige, verletzliche Cop, mit dem es mitzufiebern gilt, sondern ein offenbar mit übermenschlichen Fähigkeiten gesegneter Polizeimuffel, der sich durch haufenweise mittelmäßig getrickste CGI-Action manövrieren muss. Der Ortswechsel dieses fünften "Stirb Langsam"-Films führt McClane schlussendlich gar nach Tschernobyl, wo er sich mit den nuklearen Altlasten der ehemaligen Sowjetunion herumschlagen darf! [...]

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              • 4

                Ein, selbstredend, ausnahmslos gut gemeintes Stück Gesinnungskino aus dem populärpolitischen Lager Unterhaltungsfilm schaffender Denker (vgl. Clooney et al., notorisch flache Relevanzfilme wie "Syriana", "Good Night, And Good Luck" oder "The Ides of March"), das von der Gewissenlosigkeit eines Erdgasunternehmens erzählt und seine aufrechte Position in dieser Angelegenheit mit keinem Bild verschweigt. Irgendetwas über den Zustand der USA wird dort jeder herauslesen können, die großen Worte von den Finanzen und den Krisen und den sozialen Scheren, so gleichermaßen korrekt wie arbiträr genug haben die beiden Hauptdarsteller Matt Damon und John Krasinski ihr massiv unterkomplexes Drehbuch dann gewiss schon gefertigt. Natürlich möchte man das, auch aus grundsätzlicher Sympathie zur Damon-Clique und besonders Regisseur Gus Van Sant, ehrenwert finden – mitreißend, unterhaltsam, gewieft ist "Promised Land" allemal – und den filmisch konventionellen Einheitsbrei dem guten Zweck zuliebe runterwürgen. Tut nicht weh, aber bringt einen auch keinen Schritt voran. Immerhin: Damon hat der großartigen Frances McDormand ein paar schöne Momente und Sätze geschrieben. Van Sant hingegen, der sich mit seiner bei Cinephilen feuchte Hosen garantierenden Experimentalphase um die so genannte Trilogie des Todes einst radikal von Wischiwaschi-Filmen wie diesem hier zu emanzipieren wusste, hat sich mit der konfektionsartig umgesetzten Auftragsarbeit seines "Good Will Hunting"-Buddies keinen Gefallen getan.

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                • 5

                  "A Legend or Was it?" ist der einzige Film von Keisuke Kinoshita, den das Arsenal-Kino im Programmheft seiner großartigen Werkschau des japanischen Studioregisseurs als 'Meisterwerk' preist. Merkwürdig, dachte ich, ist es doch wiederum die einzige der dort gezeigten Kinoshita-Arbeiten, mit der ich nur wenig bis gar nichts anzufangen wusste. Als eine Art Zwillingsfilm des ebenfalls am Rande der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs verorteten Shomin-geki-Dramas "Jubilation Street" lesbar, ist "A Legend or Was it?" so gesehen dessen inszenatorisch furiose Überhöhung, ein in farbenfrohen Landschaftsbildern gerahmter Schwarzweiß-Western, der die zunächst banalen Probleme seiner einfachen Figuren zu einem infernalischen Duell steigert. Selbst in die letzten Winkel abgeschiedener Häuslichkeit also ist die virulente Gewalt des Krieges noch kurz vor ihrem Ende eingedrungen, musste habhaft gemacht und bezwungen, musste zur verblichenen Legende werden. Der allegorische Charakter des Films kann sich gegen Kinoshitas ehrwürdigen Genreversuch, gegen die schematische Anordnung der Figuren und künstlich auf Tempo gebrachten Handlungsknäuel, jedoch kaum durchsetzen, nicht zuletzt wegen der Redundanz der experimentellen, zuweilen anachronistischen Musikgestaltung. In seinem nahezu exploitationhaften Tonfall und der hysterischen Extrovertiertheit der Protagonisten wirkt der Film überdies wie ein Gegenentwurf zum Kinoshitaschen Melodram, und ich vermute schlicht, dass ich deshalb nicht ganz warm mit ihm geworden bin.

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                  • 4

                    Auch wenn der Titel vielleicht anderes verheißen mag – witzig ist diese selbsternannte Komödie ums Geld nicht. Als Moralstück über Opportunismus und Finanzgeschäfte inszenierte Max Ophüls seine Krisengroteske, die, so lockt es in den schreibenden Fingern, natürlich nichts an Aktualität eingebüßt hat. Gerahmt und durchbrochen wird die "Komedie om geld" von einem drein singenden Zeremonienmeister, dessen burleske Kommentare an Joel Grey im späteren "Cabaret" erinnern, wohingegen Ophüls' sattsam genutzte Metaphern von sozialem Auf- und Abstieg (Fahrstuhlfahrt, ick hör dir trapsen) auch einem Billy Wilder ("The Apartment") gerade recht kamen – immerhin, so will es die Berlinale-Retrospektive, war ja auch er ein Filmemacher mit dem "Weimar Touch". Der Ophülssche Hang zur gestalterischen Perfektion spiegelt sich hier in einer expressiven Kameraarbeit wider, die im Bild sinnfälligen Raum nach oben lässt und ihren Figuren passgenau eine Aura kleiner Männlein verleiht. In der aus verbliebenen Kopien rekonstruierten Fassung fehlen jedoch noch immer Handlungsabschnitte, was der sonstigen narrativen Geschlossenheit eines Ophüls-Films nicht zum Vorteil gereicht (oder Skeptikern von dessen Formgenauigkeit angenehm überraschen wird). Ganz unabhängig davon jedoch: Ein seltsam uninteressanter, höhepunktfreier Film.

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                    • 9

                      Irgendwo da in der Ferne, irgendwo hinter dem Horizont liegt eine Zukunft der Wunscherfüllung. Matrose möchte der 16jährige Yoichi werden, weit weg vom mittellosen dörflichen Leben, das ihn Tag für Tag um seine Möglichkeiten bringt. Die damoklesschwertartige Pflicht will es, dass Yoichi einmal nach dem Tod seines Vaters das familiäre Fischgeschäft fortführt. Und so steht er zu Beginn von Keisuke Kinoshitas "Farewell to Dream" am großen Hügel mit der weiten Aussicht, die bittere Erkenntnis auf dem Gesicht tragend, all jene Träume nie verwirklichen zu dürfen. Als Zuschauer ist einem mit Blick auf den Titel da schon gewiss: Dieses Anfangs- wird auch gleichzeitig ein Schlussbild sein, so wie es ja im Melodram ohnehin immer auch um die Unausweichlichkeit des Scheiterns geht. Gleichwohl "Farewell to Dream" eine Coming-of-Age-Geschichte erzählt, oder eher: Motive einer solchen Geschichte vermittelt, ohne irgendetwas konkret erzählen zu müssen, schält sich aus diesen Motiven vor allem die melodramatische Kraft Kinoshitas, dessen Mitgefühl für hin und her gerissene Figuren sich hier einmal einer dezidiert adoleszenten Perspektive annähert. Als nach einer Reihe von Ereignissen auch noch Yoichis bester Freund (mit dem ihn, darauf verweist Kinoshita in Dezenz, mehr als nur Freundschaft verbindet) in eine andere, in eine weit entfernte Stadt zieht, erreicht die Ausweglosigkeit des still sein Schicksal erduldenden Protagonisten einen neuen fatalistischen Höhepunkt. Sein Ruin ist, was ihm schließlich bleibt, wenn alles andere sich zerstäubt. Ein wahrlich herzzerreißendes Meisterwerk, ein Film ganz ohnegleichen.

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                      • 8

                        Und wieder steht eine Kinoshita-Protagonistin vor der emotionalen Zerreißprobe. Die zwischen ihrem städtischen Juweliersgeschäft und der ländlichen Heimat wöchentlich hin und her pendelnde Noriko (Mizoguchi-Muse Kinuyo Tanaka) verliebt sich in Dr. Ema (Toshiro Mifune, noch ganz am Anfang seiner Karriere), den neuen Arzt ihres lange Jahre schon bettlägerigen Ehemannes. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges pflegt sie ihn aufopferungsvoll im Verzicht eigener Bedürfnisse, dann kommt es zur unerwarteten Begegnung. Eine Dreiecksgeschichte, so still und beklemmend, so voller beherrschter Zuneigung und gebändigter Gefühle, dass Kinoshitas Figuren nur während langer Zugfahrten, nur während befreiender Sprünge ins kühle Meerwasser und wortloser Essensrituale ganz zu sich finden können. Den "Engagement Ring", man sieht ihn in einer wunderbar vordergründigen Großaufnahme gleich in der ersten Minute. Und man wird auch mehrfach die neuen Schuhe sehen, die Dr. Ema seiner Noriko zuliebe trägt, und die Gedichte des kranken Ehemannes ebenfalls, die zwischen allen dreien das kommunizieren, was keiner von ihnen zu sagen wagt. "The wind is getting stronger", heißt es kurz vor Beginn des dritten Akts, wenn die feinen narrativen Ellipsen ausgespielten Konfrontationen mit den eigenen Gefühlen weichen. Verbunden durch eine symbolstarke Montage, hemmungslos larmoyante Streicher und die jede zärtliche Geste zum schmerzhaften melodramatischen Blick verdichtende Inszenierung von Keisuke Kinoshita.

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                        • 6

                          Wenn sich Glenn Close in "Albert Nobbs" als Mann verkleidet, ist das der Academy heute selbstredend eine Oscar-Nominierung wert. Die ungarische Schauspielerin Franziska Gaal, der eine wirkliche Karriere in den USA verwehrt blieb, schlüpfte schon 1934 in Hose und Jackett, um als frecher Tankstellenwart sich und ihren Großvater über die Runden bringen zu können. In der Geschichte der meist auf leicht verklemmte Albernheiten abzielenden Verwechslungskomödie hat dieser "umgekehrte" Fall noch immer eher Seltenheitswert, und der finale Kuss zwischen Gaal und Hans Jaray, beide im Frack, ist so gesehen wohl eine mutige Chuzpe. Der Spaß an "Peter", dieser gut gelaunten, durchweg heiteren romantischen Komödie, wird dann auch bestenfalls marginal durch zeitkontextuelle Gender-Zuweisungen getrübt, denn der heute beinahe noch erfrischender denn wohl seinerzeit erscheinende Umgang mit Geschlechterrollen ist überwiegend von enormer Lockerheit. Ein nahezu selbstverständlicher Cross-Dressing-Ulk, den Hermann Küsterlitz, besser bekannt als Henry Koster, so freilich nur im Exil drehen konnte, als an ein mal nicht nur frivoles, sondern auch ganz natürliches Spiel mit sexuellen Identitäten im deutschen Kino wohl schon gar nicht mehr zu denken war. Wie so viele Filme der Berlinale-Retrospektive 2013 heute jedoch vergessen und auch nirgends regulär verfügbar, leider.

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                          • 2

                            Der gebürtige Mainzer Ludwig Berger, heute vor allem bekannt für den "Walzerkrieg", die Co-Regie des 1940er "The Thief of Bagdad" und seine Verdienste beim deutschen Fernsehspiel der 50er und 60er Jahre, inszenierte "Somewhere in the Netherlands" nach seiner Emigration in, ja nun, den Niederlanden. Schon im Vorspann freibrüstig als Mobilisierungswerk gepriesen, erschien der Film einen Monat vor Beginn der deutschen Besatzung und wurde von den Nazis umgehend verboten (Interesse an einem Kinobesuch also selbstredend geweckt). Als Mischung aus Rekrutierungsfilm für Männer und banalem Unterhaltungsstück für Frauen, so steht es zumindest, wenn auch weitaus euphemistischer, im Programmtext der Berlinale-Retrospektive "The Weimar Touch", ist "Somewhere in the Netherlands" vor allem endlos träge und ungeheuer stumpfsinnig. Der zur Marine einberufene männliche Protagonist schwärmt von gebärfreudigen daheim gebliebenen Müttern, seine Kameraden wiederum betonen den Reiz der eigenen Unterschiedlichkeit, so ja im Krieg Männer aus den unterschiedlichsten Schichten zusammenkämen und vereint seien. Das ist historisch alles nachvollziehbar und begründet, aber auch sterbenslangweilig – zweckdienliche Kunst eben, weitgehend wertlos.

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                            • 7 .5
                              über Woman

                              Eine Tänzerin wird von ihrem Mann überredet, fluchtartig die Stadt zu verlassen. Er scheint maßgeblich an einem Raubüberfall beteiligt zu sein und zwingt die junge Frau schließlich zu einer Marschroute durch die Berge. Selbstzweifel und Spannungen bestimmen den gemeinsamen Weg, der sie allmählich zu entzweien und bald auch das Leben der hin und her gerissenen Geliebten in Gefahr zu bringen droht. Das vage Psychogramm einer Beziehung, ein vernunftwidriges Melodram entwirft Keisuke Kinoshita mit "Woman", seinem neunten Spielfilm. Wie eine einzige lange physische und emotionale Bewegung wirkt dieses inhaltlich möglicherweise nur bedingt nachvollziehbare Groschenheftdrama, das voller Geheimnisse steckt, voller ungesagter Worte und diffuser Hintergründigkeiten. Kinoshitas herausragende Schwarzweißphotographie unterstreicht das paradox Kammerspielartige der Figuren unter freiem Himmel geradezu artistisch (shot entirely on location!), der schattenhafte Stil aus Untersichten und Schrägen gerinnt zum dominierenden Merkmal der Inszenierung. Vor einem finalen Großbrand entscheidet sich schließlich die exploitative Beziehung der beiden Protagonisten, wenn aus Fenstern fliegende Möbel und dicke Rauchwolken jene Feuergefahr verbildlichen, die bereits einen ganzen Film hindurch unter allem zu lodern schien. Befreiend.

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                              • 6

                                Durchaus eigenwillige, rundum liebevolle Komödie, in der soziale Ungleichheit und perpetuierte Geschlechterrollen abermals über eine knifflige Annäherungsgeschichte zwischen Frau und Mann verhandelt werden. Anstelle von sprühendem Witz und exaltierter Situationskomik, so die US-amerikanische Screwball-Comedy diese Geschichten seinerzeit vornehmlich erzählte, vertraut der japanische Studioregisseur Keisuke Kinoshita auf die Unaufgeregtheit stiller Momente und vergleichsweise sanfte Humoreinsprengsel. Außerordentlich bedachtvoll inszeniert, vor allem in seiner aussagekräftigen Bildsprache, schwankt "Here's to the Young Lady" (aka. "Here's to the Girls") mitunter ein wenig unentschlossen zwischen Tragik und Heiterkeit, zwischen Comedy of Marriage und Liebesmelodram. Die daraus resultierende eher oberflächliche Betrachtung der beiden umeinander kreisenden Protagonisten und ihrer nicht immer ganz plausiblen Hindernisse weiß Kinoshita hingegen gekonnt mit spielerischen Szenenübergängen und souveräner Schauspielführung aufzuheben, sodass "Here's to the Young Lady" als ein im allerbesten Sinne hübscher Unterhaltungsfilm dennoch gefällt. Den frappanten Nebenfiguren (ein frivoler Heiratsvermittler, schrullige Großeltern) gehören dabei die besten Momente im Drehbuch von niemand geringerem als Kaneto Shindô.

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                                • Im Arsenal-Kino Berlin findet bis Ende Februar eine Retrospektive des japanischen Filmemachers Keisuke Kinoshita statt. Sowohl im Berlinale-Forum als auch anschließend regulär im Arsenal werden zehn seiner Filme gezeigt, fünf davon in brandneuen Kopien, unter anderem der nirgends erhältliche "Onna" (Woman). Natürlich durchweg adäquat vorgeführt - denn Digitalprojektionen auf 35mm gedrehter Filme sind schließlich das Ende des Kinos.

                                  http://www.arsenal-berlin.de/kino-arsenal/programm/einzelansicht/article/3887/2796.html

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                                  • 4

                                    [...] Eine tolle und in Zeiten von Bella und Edward vermutlich sowieso längst überfällige Idee steht im Zentrum von "Warm Bodies". Der halbverweste R(omeo) verliebt sich in die ungleich lebendigere Julie(t) und muss erst gesellschaftliche Konventionen und schließlich eine Horde mörderischer Zombieskelette überwinden. Als eine Art Living-Dead-Romantic-Comedy verbindet der Film zunächst liebevoll und witzig Horror- und Liebeskomödienklischees. Nach einer pointierten Einführung, in der R den tristen Zombiealltag mit all seinen Eigen- und Merkwürdigkeiten schildert, flacht "Warm Bodies" jedoch leider zusehends ab. [...]

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                                    • 4

                                      [...] Unterstellt man dem Film die besten Absichten, dann ist er eben einfach das, was er ist: ein packendes Familiendrama vor dem Hintergrund der größten Naturkatastrophe der vergangenen Jahre. Die bis aufs Unangenehmste realistische Darstellung der zerstörerischen Flutwelle verfehlt nicht ihre Wirkung, die sentimentale Familienzusammenführung wiederum ist genau so emotional und einnehmend, wie sie wohl eben auch gedacht war. [...]

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                                      • LOL Scarface1111

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                                        • 9

                                          Nominiert für den Grimme-Preis 2013. Weil sich absolute Ultrakunst eben manchmal doch durchsetzt.

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                                          • 7

                                            [...] Kim Ji-woons unbekümmerter Blick auf die Americana-Mythen des klassischen Western gereicht "The Last Stand" zu einer Frische, die gerade dem auf eine bestimmte Throwback-Mentalität ausgerichteten aktuellen Actionkino der einstigen Genrehelden Schwarzenegger oder Stallone die nötige Leichtigkeit verleiht. Im letzten Jahr erst ließ die "Expendables"-Fortsetzung befürchten, dass nostalgische Old-School-Action ohne ständige Selbstironie und sich selbst zum Abschuss freigebenden Nonsens leider gar nicht mehr denkbar scheint. [...]

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                                            • 2

                                              [...] "Code Name Geronimo" stellt die Mission oder den Sinn des "Krieges gegen den Terror" noch weniger in Frage als der ebenso betont verhaltene "Zero Dark Thirty". Im mangelnden Bewusstsein seiner einseitigen US-Perspektive haucht er der Planung und Durchführung eines Exekutionskommandos Leben ein, ohne dabei eine halbwegs relevante oder gar kritische Position einzunehmen. [...]

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                                              • Nur wer Musicals liebt, kann auch Kino lieben.

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                                                  Nebelschwaden, Schreckenskammern, Monsterverwandlungen: Die Anolis-Serie "Rückkehr der Galerie des Grauens" geht mit dem "Non-Classic" (Zitat Joe Dante) "Die Totengruf des Dr. Jekyll" in ihre siebte Runde. Der für seine bewegte Karriere, handwerkliche Effizienz und qualitativ beispiellos schwankenden Regiearbeiten berühmte Österreicher Edgar G. Ulmer hat diese Quasi-Billigversion des Universal-Semiklassikers "Die Werwölfin von London" nach seiner (Glanz-)Zeit bei PRC für die Nachfolge-Produktionsfirma von Monogram Pictures heruntergekurbelt. [...]

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                                                    über Flight

                                                    [...] Der die menschliche Krise einleitende Flugzeugabsturz zu Beginn des Films ist ein Lehrstück dramatischer Spannung, von dessen Eindrücklichkeit "Flight" noch bis zum Abspann zehrt. Zemeckis' intensive Inszenierung dieser Sequenz, die den Nährboden der ganzen Geschichte bildet, mutet wie ein Befreiungsschlag des Regisseurs an, der mit klassischen filmischen Mitteln endlich wieder zu sich selbst findet. Was dann folgt, ist eine nicht immer ganz ausgewogene Mischung aus Charakterdrama und Gerichtsthriller. [...]

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