Roldur - Kommentare

Alle Kommentare von Roldur

  • 6

    Der belgische Film hat sich vor allem in den letzten Jahren durch einige Meisterwerke von Newcomern einen Namen gemacht. Rüdes Genrekino trifft auf großartige atmosphärische Gestaltung. Tatsächlich mag ich Belgien als Filmland mittlerweile so sehr, dass ich Jonas Govaerts Langfilm-Debut schon seit mehreren Monaten mit Freude erwartete. Es hat sich, wenn auch nur partiell, gelohnt.
    Wir kehren zurück in die glorreiche Zeit der Camp-Slasher. In einem abgelegenen Waldstück soll ein Werwolfs-Junge hausen und ständig auf der Suche nach Beute sein. Als eine Gruppe von Pfadfindern in ebendiesem mysteriösen Wald campen geht, kommt es wie es kommen muss.
    Ohne die tatkräftige Unterstützung über „Indiegogo“ durch zahlreiche Horror-Fans, würden wir wohl nicht in den Genuss dieses, doch recht altmodischen Horrorfilms kommen. Klar, Carpentereske Synthie-Soundtracks sind nichts neues mehr und die Reanimation des Oldschool-Horrors gelingt meist eher schlecht als recht, dennoch darf man hier einen Blick wagen. „Camp Evil“ oder im Original „Welp“, schafft mit grandiosen Aufnahmen und interessanten „Blair Witch“ und „Wicker Man“-Allüren, bereits zu Anfang eine bedrohliche Atmosphäre. Gerade durch seine pure Form und den gekonnten Spannungsaufbau gegen Ende, kann man einige Fehler verkraften.
    Eine viel zu lang geratene Exposition dürfte jeder Genrefan gewöhnt sein, „Welp“ scheint das auf die Spitze treiben zu wollen. Die dümmlich agierenden Kinder mitsamt nicht nachvollziehbaren Pfadinder-Aufpassern, setzen dem Nonsens die Krone auf. Das ist alles nicht wirklich schlimm, hinterlässt aber einen madigen Beigeschmack. „Welp“ will das Rad nicht neu erfinden, kann seine ausgetretenen Pfade aber ganz gut befahren.
    Im Endeffekt ist „Welp“ nicht ganz der heftige Camp-Slasher den ich mir erhofft habe. Durch schwache Charakterzeichnung und eine lahme erste Hälfte, wird er leider viel zu oft zur Geduldsprobe. Wer sich aber die bloße, dreckige Atmosphäre einlassen kann und will, der erhält einen optisch sehr ansprechenden Film mit ordentlichen Kills und einem coolen Finale. Ausserdem: Das Cover ist ja wohl erste Sahne!

    „Hier könnte ihr Zitat stehen, wäre der Film nicht auf Flämisch.“

    6
    • 6

      Ich wundere mich noch immer, wie ich diese 140 Minuten totale Reizüberflutung überlebt habe. Rohit Shetty und Megastar Shahrukh Khan geleiten mir also den Weg in meinen ersten kommerziellen Bollywood-Film. Nachdem „Gandu“ von Skandal-Regisseur Q eher nicht zum indischen Standard-Repertoire gehörte, muss auch mal ein ganz „gewöhnlicher“ indischer Film herhalten. Das Ergebnis ist trotzdem ein kranker Acid-Trip, ein quietschbuntes Gemisch aus Action, Comedy und schmalziger Romanze.
      Rahul ist eigentlich nur ein reiches, verwöhntes Arschloch. Als er aber versehentlich einer Gangster-Tochter in den Chennai-Express hilft, während er eigentlich die Asche seines Großvaters verstreuen soll, beginnt der Schlamassel. Der verweichlichte Schönling stößt fortan mehrfach mit den Bewohnern Südindiens zusammen, da sind sprachliche Hindernisse noch sein kleinstes Problem...
      Fürchterlich kitschig, extrem prüde und grauenerregend temporeich. Regisseur Rohit Shetty scheint kein Klischee über Bollywood auslassen zu wollen. Der teils schon fast parodistisch anmutende Film bietet nicht nur ein überraschend weltoffenes Frauenbild sondern auch eine brodelnde Palette der ganz großen Gefühle. Wenn man eine Affinität hin zum Übertriebenen hat, dann kann man hier richtig Spaß haben. Billiger Slapstick trifft auf hochnotpeinliche Fremdscham-Momente, was will man mehr? Shahrukh Khan zieht Grimmassen wie Nic Cage und spielt sich mit vollem Einsatz um Kopf und Kragen. Bei manchen „Gags“ fragt man sich, wie diese jemals auf die Leinwand geraten konnten. „Chennai Express“ kann eine derart sympathische Verspieltheit sein Eigen nennen, dass man seine vollkommene Beschissenheit sehr oft vergessen kann. Einziger Wermutstropfen sind da die recht selten gestreuten Gesangseinlagen. Einem Bollywood-Film ohne viel Gesang und Tanz fehlt ein wichtiger Bestandteil.
      Ich bin wohl noch begeisterungsfähiger als ich dachte. „Chennai Express“ ist herrlich Blöd. Klar, mit 140 Minuten ist er locker 60 Minuten zu lang und mit seiner zuckersüßen Handlung auch viel zu prüde aber was solls? Wenn man eine große Affinität für Trash besitzt oder verrückte Unterhaltung für den nächsten weinseligen Abend sucht, dann sollte man vielleicht doch mal einen Blick in exotischere Gewässer Wagen. Wenn das nichts für einen ist, dann wird man das ohnehin nicht länger als 10 Minuten aushalten.

      „It is good to be important but it is also important to be... good.“

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      • 8

        Was passiert, wenn man dem Akt der Rache jeglichen Glanz raubt? Ich denke, da darf man ab jetzt „Blue Ruin“ in den Raum werfen. Regie-Newcomer Jeremy Saulnier ist ein wahrer Virtuose auf der Klaviatur der Gewalt.
        Als der Teilzeit-Obdachlose Dwight erfährt, dass der Mörder seiner Eltern wieder ungefilterte Luft atmen darf, fackelt er nicht lange. Wenn man nichts hat, für das es sich zu leben lohnt, dann bleibt noch immer die pure, tierische Rache. Dabei ist Dwight ein eher harmloser Kerl, ein kleiner, schmächtiger Mann. Von falschem Pflichtbewusstsein und blinder Wut getrieben tritt er seinen Gang in den Abgrund an.
        In seinem Kickstarter-finanzierten Low-Budget-Projekt „Blue Ruin“ schafft Saulnier nahezu unbemerkt einen der klügsten Rachefilme der letzten Jahre. Simpel und ganz auf seinen Hauptcharakter fixiert, verliert der Film nicht viele Worte. Allein durch seine Zwischentöne kann „Blue Ruin“ mehr erzählen als manch anderer Genre-Vertreter. „Blue Ruin“ verpestet meine ruhige Wohnzimmer-Atmosphäre mit totenbleicher Endzeit-Stimmung. Ohne Netz und doppelten Boden wird der Zuschauer in eine Welt ohne Hoffnung gesogen und muss puren Nihilismus ertragen.
        In trügerisch ruhigen Bildern erzählt Saulnier auf grazile Weise seine unglaublich traurige Geschichte. Die Hintergründe sind unwichtig, wichtig ist nur die Wirkung, die Folge. Ähnlich wie Kieslowskis „Ein kurzer Film über das Töten“ fühlte ich mich mit der schrecklichsten Seite der Filmgewalt konfrontiert. Weit weg von Glanz und Glamour muss ich einem menschlichen Wrack bei seinen letzten Metern zusehen. Trotz der atemberaubenden Kälte kann und will ich nicht wegsehen.
        „Blue Ruin“ hat mir richtig Angst gemacht, mich tief berührt und zugleich fasziniert. Ein wahrlich gefühlsechter Film, der mich so schnell nicht mehr loslassen wird. Wer sich gerne mal den Tag versauen lässt, der sollte sich Saulniers Film dringend ansehen. Ich roll' mich jetzt mal ein und suche mir eine kalte, dunkle Ecke.

        „You know what's awful? Just 'cause my dad loved your mom... we all end up dead.“

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        • 5

          Nachdem das Regie-Duo „The Vicious Brothers“ (Colin Minihan, Stuart Ortiz) mich mit „Grave Encounters“ schon stark unterwältigt haben, wollte ich ihnen mit „Extraterrestrial“ nochmal eine Chance geben. Klischeehafte Aliens mit runden UFOs und bösartigen Absichten klingen einfach zu gut um wahr zu sein, vor allem dann, wenn Verhoeven-Bösewicht Michael Ironside mit von der Partie ist.
          Also, wie haben eine Gruppe junge Erwachsene mit genug Testosteron, Östrogen und Beziehungsproblemen. Diese Gruppe fährt in eine Hütte um dort ausgelassen zu feiern. Dumm nur, dass sie nun ihrem Tod ins Auge blicken müssen. Dass der Tod diesmal in Form von langen dünnen Männchen kommt, damit hätte wohl niemand gerechnet. Das Setting ist wie gemacht für einen Alien-Invasion-Film und so durchgenudelt, dass man einfach Spaß haben muss.
          Statt sich irgendwie an etwas Neuem zu versuchen nudeln die „Vicious Brothers“ die gleiche Soße ab, wie in nahezu jedem Slasher-Film. Billige Schockeffekte beißen sich unangenehmst mit uninteressanten Hauptcharakteren. Das scheint zwar alles auch so gewollt zu sein, leider verbringen wir viel zu viel Zeit mit dem langweiligen Protagonisten als mit den coolen Antagonisten. Statt blutigem Steak serviert „Extraterrestrial“ nur angebrannte Fritten. Klar, in der Not stillt das auch den Hunger aber toll ist es trotzdem nicht.
          Einige nette Ideen hat der Film schon zu bieten und die Reminiszenzen an „Akte X“ und „Signs“ sind gut ins Gesamtkonzept eingeflochten aber dem Film geht einfach viel zu oft die Puste aus. Statt sich auf den grummeligen Verschwörungstheoretiker Travis zu konzentrieren, sehen wir mehr von Aprils Beziehungskrise, wer denkt sich denn sowas aus?
          Einige schicke Szenen und ein bösartiges Ende bewahren „Extraterrestrial“ vor dem Totalausfall, heben ihn aber leider nicht vom Durchschnitt ab. Wer mal wieder Bock auf Aliens hat, der macht hier nicht viel falsch, kann aber auch zu bedeutend besseren Genre-Vertretern greifen.
          „Aliens, we should have known. Ever since Roswell, the U.S. Government has had a treaty with the Extraterrestrials.“

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          • 4
            Roldur 06.04.2015, 12:53 Geändert 06.04.2015, 13:08

            Es gibt eine große Frage, welche sich Argento-Fans regelmäßig stellen müssen. Wann verlor der Meister sein Mojo? Meinen neuesten Erkenntnissen nach, verblasste sein Stern wohl schon Ende der 90er um dann nach der Jahrtausendwende in ein flammendes Inferno aus Billigfilmchen überzugehen. Meine Freude war vor der Sichtung von „Stendhal Syndrome“ groß, davon ist jetzt nur noch wenig übrig.
            Ein bösartiger Serienvergewaltiger (Thomas Kretschmann) treibt sein Unwesen. Als die junge, am Stendhal-Syndrom (Plötzlich Ohnmächte beim Betrachten von Gemälden oder anderer Kunst) erkrankte, Polizistin Anna Manni (Asia Argento) seine Bekanntschaft macht, löst sie unfreiwillig eine ganze Reihe an Gewalttaten aus.
            Kretschmann als eingeölter Psycho mit Affinität für Rasierklingen passt ins Oeuvre eines Argento und macht richtig Spaß. Der deutsche Exportstar hat sichtlich Spaß an seiner Rolle und ist damit so ziemlich die einzige überzeugende Person im Film. Asia Argento als unschuldiges Opfer und späterer Racheengel spielt uninspiriert und ohne großartige Mimik, da hilft natürlich auch nicht Papa Darios schlechtes Drehbuch. „Stendhal Syndrome“ hat in Ansätzen noch immer Argentos geniale Bildkompositionen zu bieten und zelebriert Mordszenarien noch immer so feierlich, zieht sich aber dennoch wie Kaugummi.
            Die Handlung des Films würde auf eine Briefmarke passen. Argento macht den großen Fehler die Identität des Killers sofort zu verraten und lässt gerade in der Filmmitte einen extremen Leerlauf entstehen. Statt mit großartigen Kameraaufnahmen und eindringlicher Atmosphäre, muss ich mich mit lahmen Argento-Dialogen rumärgern. Eine sinnvolle Handlung mit smartem Twisthat noch nie zu Argentos Stärken gehört, hier fokussiert er sich leider viel zu stark auf seine Schwächen. Wer hat ihm jemals erzählt, dass die Handlung seiner Filme spannend sei?
            Als Horror-Thriller fokussiert „Das Stendhal-Syndrom“ letztlich nur bedingt und hält lediglich durch kreative Einfälle und einige tolle Bilder bei der Stange. Ansonsten muss man sich weitgehend durch nahezu 120 Minuten quälen und wird nur durch Kretschmanns sympathisch-irres Spiel aus dem Schlaf gerissen. Kein richtig ärgerlicher Argento aber sicherlich keiner der irgendwie Spaß macht.

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            • 7 .5

              Im großen Horror-Einerlei ist es eine besondere Wohltat, wenn man endlich mal eine Perle findet. Es ist still geworden um den Body-Horror der 80er. In einer Zeit, in der Synthie-Soundtracks wieder an Wichtigkeit gewinnen, kann man also wieder einen Ausflug wagen. Die fiebrige Mischung aus „Sunset Boulevard“ und ekelhaftem Körperkino namens „Starry Eyes“ geht gleich mehrere Schritte in die richtige Richtung.
              Sarah lebt in Hollywood und hat einen Traum. Wie viele junge Leute möchte sie gerne zu den ganz Großen gehören, die Frage ist nur: Wie weit wird sie dafür gehen? Ein Casting bei der ominösen Firma „Astraeus Pictures“ hat ungeahnte Folgen.
              Mit subjektiver Kameraführung und vielen Weitwinkel-Aufnahmen kreieren die Regisseure Kevin Kölsch und Dennis Widmeyer eine unwirkliche Atmosphäre. Die Straßen von Los Angeles gleichen einer Wüste und wirken so undurchdringlich wie selten zuvor. Sarahs verzweifelter Kampf vom Hooters-Girl zum Horror-Starlet scheint fürchterlich hoffnungslos. „Starry Eyes“ lässt sich Zeit mit der Charakterentwicklung und spielt gekonnt mit meiner Erwartungshaltung. Klar, teilweise ist der Aufbau etwas zu lange geraten und es ist nicht leicht Sarah zu mögen, dennoch verleiht ebendiese lange Exposition dem Szenario Glaubwürdigkeit. Und dann wird es richtig abgedreht...
              Mit fortlaufender Dauer wird „Starry Eyes“ zu einem verstörenden Genre-Bastard von außerirdischer Schönheit, eine nahezu abstoßende Grenzerfahrung. Body-Horror und Slasher gebären ein Kind, welches man lieber nicht zu lange ansieht. Die Stadt der Träume wird zum Schreckensszenario mit eigenartiger Sogkraft.
              „Starry Eyes“ kehrt zu den Wurzeln des Horrors zurück und schafft dennoch neues, gibt sich nicht mit bloßen Zitaten zufrieden und ist auch nicht zu ambitioniert. Natürlich ist hier schauspielerisch nicht immer alles wasserfest, aber wer erwartet das im Genre schon? Ich habe hier eine Erfahrung gemacht, wie man sie selten findet und mir bereitet jeder Gedanke an den Film ein flaues Gefühl im Magen.
              „Starry Eyes“ ist Kino der Extreme, welches sicher nicht jedem gefallen wird. Wer sich auf lange Expositionen einlassen kann und gerne mal so richtig schockiert wird, der sollte diesen Film unbedingt gesehen haben, ich bin schwer begeistert.

              „Ambition, the darkest of human desires.“

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              • 7
                Roldur 29.03.2015, 21:15 Geändert 29.03.2015, 21:16

                "Dazu wird der Herr, dein Gott, Angst und Schrecken unter sie senden, bis umgebracht sein wird, was übrig ist und sich verbirgt vor dir. Lass dir nicht grauen vor ihnen; denn der Herr, dein Gott, ist in deiner Mitte, der große und schreckliche Gott."

                (5. Mose 7,20-21)

                In Irland ist die Hölle los. Mit „Let Us Prey“ wirft Debütant Brian O'Malley ein wahrhaft höllisches Zitat-Inferno auf den Markt. Irgendwo zwischen reißerischem Terror-Film und detailverliebter Carpenter-Hommage findet sich dieses teuflische Kammerspiel wieder.
                Die Handlung von „Let Us Prey“ ist schnell zusammengefasst. Als ein mysteriöser Fremder (Liam Cunningham) in einer ländlichen Polizeistation auftaucht, lässt das jüngste Gericht nicht mehr lange auf sich warten. Unbarmherzig werden Insassen wie Polizisten mit ihren Sünden konfrontiert und es kommt unweigerlich zur totalen Eskalation.
                O'Malley zeigt eine unglaubliche Liebe zum Genre und möchte augenscheinlich möglichst viel Hommage in seinen Film packen. „Let Us Prey“ wird in diesem Sinne die Gemüter spalten, denn seine Zitierwut ist unübersehbar. Trotzdem funktioniert der Film für mich auf eine perfide Weise sehr gut. Gewalteruptionen verpackt in einen todernsten Plot mit genügend Pathos und Krabat-Anleihen versehen, stellenweise fühlt sich „Let Us Prey“ an wie die verquerte Version eines Märchens. Das Präsidium wird zu einem Schauplatz unendlichen Grauens, welches sich in verstörenden Bildern auf den Zuschauer entlädt.
                Durch die Atmosphärische Gestaltung und die Hingabe der einzelnen Darsteller entwickelt „Let Us Prey“ einen unangenehmen Sog, dem ich mich nicht entziehen konnte. Die archaischen Figuren und die tiefschwarzen Bilder tun ihr Übriges. Wenn man es zulässt, dann wird man hier in eine Parallelwelt aus Schmutz, Sünde und unfassbarem Sadismus entführt. Das perverse Kind von John Carpenter und Eli Roth, so fühlt sich O'Malleys Debüt an. Klar, vieles wirkt konstruiert und der Spannungsbogen fällt manchmal in bedrohliche Gefilde ab, das tut meiner Faszination aber wenig abbruch.
                „Let Us Prey“ ist ein gekonntes Genre-Vexierspiel, welches sich nicht zu verstecken braucht. Trotz (oder gerade wegen) des geringen Budgets, baut der Film eine einnehmende Intensität auf, welche mich sehr angenehm überrascht hat. Ein brettharter Schocker für Fans an dem so manch' einer Spaß haben wird.

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                • 6

                  Wenn nach der Jahrtausendwende ein Plakat mit Liam Neeson auftaucht, dann dürfte man bei der zugehörigen Wumme kaum überrascht sein. Während Andere im Alter eher ruhiger werden, ist Neeson nun zum Actionheld mutiert. Nach diversen Trailern dürfte man bei „Ruhet in Frieden“ einen weiteren „Taken“-Abklatsch erwarten. Ein Wunder, dass Regisseur Scott Franks Romanverfilmung einen ganz anderen Weg einschlägt.
                  Pensionierter Detektiv und Ex-Alkoholiker Matt Scudder steht kurz vor dem Millenium seinem düstersten Fall gegenüber. Plötzlich verschwinden die Frauen diverser Drogen-Großhändler und werden zerstückelt wieder aufgefunden. Da man sich nicht mit der Polizei einlassen will, wird nun also der vom Leben gebeutelte Scudder an Land gezogen.
                  Mit seinem düsteren Setting und verstörendem Unterton, ist „Ruhet in Frieden“ eine angenehm ruhige Detektiv-Story. Scott Frank bedient sich großzügig bei Genre-Vorbildern wie „Se7en“ oder „8mm“ und kopiert sogar die Fincher'che Farbpalette. Aber besser gut geklaut als schlecht selber gemacht. Zugegeben, es ist eine Wohltat Neeson mal ohne zugehöriges Action-Feuerwerk zu sehen.
                  Durch einen langsamen Aufbau erlaubt „Ruhet in Frieden“ eine eindringliche, atmosphärische Ebene, welche manchmal sogar die grimmige Bildhaftigkeit eines Fincher-Films trifft. Formell ist Scott Franks zweiter Spielfilm auf hohem Niveau, am Drehbuch wurde aber offensichtlich gespart.
                  Mit müdem Blick kämpft sich Neeson durch die mäßig glaubwürdige Handlung und gerade der Mittelteil hat mit großen Spannungslücken zu kämpfen. Durch seine gut gefilmten Action-Sequenzen und sein sehr brutales Finale, schafft es „Ruhet in Frieden“ gerade noch über das Mittelmaß. Ohne die zwei ekelhaften Antagonisten, wäre die Handlung nur halb so interessant, denn außer den beiden Ekelpaketen wirken viele Darsteller eher mäßig motiviert.
                  „Ruhet in Frieden“ sieht klasse aus und hat atmosphärisch einiges auf dem Kasten. Mitsamt seinem fiesen Finale reicht das zu einem zufriedenstellenden Gesamtpaket. Wer Lust auf einen ruhigeren Neeson hat, der sollte hier dringend mal reinschauen. Wer keine hochklassige Unterhaltung erwartet, der wird etwas Leerlauf auch verzeihen können. Als Kontrastprogramm zu „Taken 3“ unbedingt zu empfehlen.

                  „I do favors for people and in return, they give me gifts. So, what can I do for you?“

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                  • 6

                    Sie haben große, schwarze Augen, überdimensionierte Köpfe und ein besonders großes Interesse am Analbereich des gemeinen Suburbian. Ich spreche natürlich von Aliens. Nicht vom netten Schrumpelkopf E.T. sondern von der fiesen Sorte. Die Sorte, die Will Smith gerne mal in die Fresse schlagen würde.
                    „Dark Skies“ von „Priest“-Regisseur Scott Stewart greift einmal ordentlich in die Klischee-Kiste. Aus dem ganzen Gerümpel grabscht Stewart sich sämtliche „Fakten“ über Vorort-Aliens, Kornkreise und eigentlich alle Begegnungen der dritten Art. Wenn man diese ganze Suppe mit einem hohen Spannungsgrad und guten Darstellern vermischt, dann landet man bei „Dark Skies“.
                    Familie Barret hat große Geldsorgen. Lacy ist erfolglose Immobilien-Maklerin und Daniel hat gerade seinen Job verloren. Zusammen mit ihren Söhnen Jesse und Sam steuern sie auf eine finanzielle Katastrophe zu. Dass diese ihr kleinstes Problem werden wird, damit hat wohl jeder geneigte Horror-Fan gerechnet.
                    Dadurch, dass Stewart sich viel auf den Aufbau von Atmosphäre verlässt und die Anspannung nur ganz selten in gut gesetzten Scares entlädt, baut „Dark Skies“ sehr schnell einen ziemlich verstörenden Vibe auf. Klar, man kennt sämtliche Erzählungen über Aliens aber durch das geschickte weglassen von Details wird die Bedrohung für den Zuschauer zunächst so rätselhaft, wie für Familie Barret selbst. Die ordentliche Kameraarbeit und der suggestive Soundtrack tun ihr Übriges um mich auch über viele Fehler hinwegsehen zu lassen.
                    Während der angenehm kurzen Laufzeit fühlte ich mit den Barrets, die durch ihre innerfamiliäre Dynamik zu weit interessanteren Charakteren wurden als die durchschnittliche Slasher-Blondine. Mir lag tatsächlich etwas an den einzelnen Charakteren und ich fühlte mich der Situation ähnlich hilflos ausgesetzt, wie unsere Protagonisten.
                    Während „Dark Skies“ immer wieder hochwertige Unterhaltung aufblitzen lässt, hat er natürlich auch unverkennbare Schwächen. Die mäßige Charakterzeichnung der beiden Söhne führt oft zu unangenehm langweiligen Passagen, deren Ende man mit zu viel Vorfreude erwartet. Gegen Ende orientiert sich Stewart auch etwas zu sehr an einem gewissen Shyamalan. Aber darüber sehe ich gerne hinweg.
                    Schlussendlich ist „Dark Skies“ ein zweitweise äußerst verstörender Vorort-Alptraum, der wohl für einige funktionieren dürfte. Da man als Freund des wohligen Grusels kleinere bis größere Ausfälle gewöhnt ist, dürfte man sich an den zahlreichen Unstimmigkeiten eher selten stören. Zusätzlich darf man sich auf den unterhaltsamen Auftritt von J.K. Simmons als Erklärbär freuen.

                    „People think of aliens as these beings invading our planet in some great cataclysm, destroying monuments, stealing our natural resources. But it's not like that at all. The invasion already happened.“

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                    • 5

                      Als die teuflische Sammlung an alten Tapes 2012 in „V/H/S“ auftauchte, hatte die Stunde der Horror-Anthologien wieder geschlagen. Mit „The ABC's of Death“ (oder hierzulande „22 Ways to die“) oder „Theatre Bizarre“ folgten diverse andere Anthologien. Found-Footage ist schnell und billig produziert und eine Sammlung an Kurzfilmen suggeriert schnell ein wohliges Lagerfeuer-Gefühl. Für mich ist das übersteuerte Geflackere eine Art moderne Version von „Tales from the Crypt“. Kreative Ideen treffen auf schlechte Darsteller und extrem wenig Budget. Egal ob eine Story in „V/H/S“ nun schlecht ist, man kann immer auf die nächste hoffen.
                      „V/H/S: Viral“ sollte nun also den krönenden Abschluss der Trilogie bilden. Nachdem ich im Vorhinein sehr viele vernichtende Kritiken las, war meine Begeisterung etwas abgeflacht. Da ich aber versuche möglichst Vorurteilsfrei an einen Film zu gehen, war natürlich trotzdem etwas Vorfreude vorhanden.
                      Was „V/H/S“ und „S-V/H/S“ gestartet haben, treibt Teil 3 nun auf die Spitze. Nein, der Gewaltgrad ist bei Teil 2 bereits auf dem Höhepunkt, hier findet die Optik ihre Vollendung. Die vier Regisseure richten hier ein Schnittmassaker sondergleichen an und machen dabei keinerlei Gefangene. Eine wirre Story jagt die nächste und nach 77 Minuten ist dieses Feuerwerk des schlechten Geschmacks auch schon wieder vorbei. Von Monster-Genitalien bis hin zu unsympathischen Skateboard-Kiddies vs. Tijuana-Zombies ist alles dabei. Durch den immensen Zeitdruck, welchem die Produktion unterstand, leidet die Qualität stellenweise jedoch deutlich.
                      Wenn jemand irre Ideen wie Rohdiamanten abfeiert, der kann hier durchaus seinen Spaß haben. Gerade die Rahmenhandlung und die Episode „Parallel Monsters“ hatten durchaus ihre Momente. In seinen besten Momenten fühlt sich „V/H/S: Viral“ wie ein ekliges Internet-Video an, welches man zu früh im Kindesalter in den tiefen des Netz gefunden hat. Diese unverblümte Freude am abseitigen Humor und der ungenierte Drang zur Provokation funktionieren bei den zwei Episoden wirklich gut (aber natürlich nicht herausragend). Die zwei Übrigen Episoden „Dante the Great“ und „Bonestorm“ reichen nur von mittelmäßig bis äußerst schlecht. „Bonestorm“ handelt von einer Gruppe von Skatern, welche durch einen unglücklichen Zufall in eine rituelle Fanatiker-Gruppe mit Zombies geraten. Was durchaus hätte was werden können fühlt sich an wie ein Videospiel. „Bonestorm“ ist in etwa so als würde man sich Gameplay von „Serious Sam“ ohne Kommentator reinziehen. „Dante the Great“ kann da schon mit besseren Ideen aufwarten, zerstört seine Ambitionen jedoch durch sehr schlechte Effekte und dürftige Darsteller. Vor kurzem wurde der zugehörige Regisseur von Michael Bays Horrorschmiede „Platinum Dunes“ angestellt, vielleicht bekommt Dante ja einen Langfilm. Unter dieser Flut an Remakes wäre das durchaus begrüßenswert.
                      Am Ende ist „V/H/S: Viral“ ein durchwachsenes Vergnügen, welches man nur hartgesottenen Genre-Entdeckern ans Herz legen sollte. Man muss schon einiges an Wohlwollen walten lassen um hier Spaß zu haben. Aber allein wegen „Parallel Monsters“ kann man mal einen Blick wagen.

                      „Hold on to your tickets... it's gonna be big tonight“

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                      • 8 .5

                        Herrje, ich dachte schon ich müsste bei „Inherent Vice“ bis zum DVD-Release warten. Durch günstige Umstände, bekam ich die Gelegenheit Paul Thomas Andersons neuestes Werk doch noch im Kino zu sehen. Mein Gott, es hat sich gelohnt.
                        Larry „Doc“ Sportello (Joaquin Phoenix)ist Privatdetektiv, ein leidenschaftlicher Konsument diverser Drogen und ein waschechter Hippie. Als er das Verschwinden eines großen Immobilien-Magnaten aufklären soll, gerät er schnell in viel Ärger. Da sind Detective Bigfoot (grandios: Josh Brolin) und seine Ex Shasta Fay (sexy: Katherine Waterson) noch das kleinste Problem.
                        Während Anderson schon mit „Boogie Nights“ bewiesen hat, dass er auch Comedy beherrscht, will er es mit „Inherent Vice“ nochmal ganz genau wissen. Sein Mix aus Film-Noir, diversen Kifferfilmen, surrealem Brain-Bender und klassischer Comedy funktioniert prächtig. Joaquin Phoenix rockt seine Rolle, wie immer, total und geht vollkommen in ihr auf. Anderson lässt sich angenehm viel Zeit für die Handlung und legt einen brachial-lustigen Humor an den Tag, dass man vor Freude weinen möchte. Optisch brillant und voll mit Ideenreichtum bekomme ich hier ein rundum-glücklich-Paket.
                        Die Darsteller gehen im authentischen 70er Flair total auf und spielen sich gegenseitig um Kopf und kragen. Es kommt Freude auf, wie einst auf der Love-Parade. Ja, „Inherent Vice“ wirkt wie Andersonsches Fest der Liebe, ein lebensbejahendes Gegenstück mit teils düsterem Unterton, was will man mehr? Wenn der großartige Soundtrack die großartige Inszenierung untermalt und ich mich angenehm an „The Big Lebowski“ erinnert fühle, dann muss etwas richtig gelaufen sein.
                        „Inherent Vice“ ist speziell, wie alle von Andersons Filmen aber er will ja auch nicht jedem gefallen. Für mich ist der Film unfassbar lustig, durchzogen von großartiger Atmosphärischer Gestaltung, hochinteressant und besitzt eine Szene von funktionierender, fast schon knisternder Erotik, was kann ich mir mehr wünschen? Bis auf wenige langatmige Areale, fetzt „Inherent Vice“ so richtig und sollte zukünftig zum Standard-Repertoire von grünlichen Abenden gehören.

                        „Hi, I'm Jade. Welcome to Chick Planet Massage! Please take a look at today's Pussy Eater's special which is good all day until closing time.“

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                        • 4

                          Im letzten Teil der „REC“-Reihe ziehen die Aggro-Zombies nun auf hohe See. Jaume Balagueró nimmt im Finale auf dem Regiestuhl Platz und versucht nun alle losen Enden zu kitten. Weit weg von der ehemaligen Handkamera-Optik, wie schon Teil 3, ist nun der Ozean die Bühne. Ob „Apocalypse“ der Reihe einen ordentlichen Abschluss bietet ist nun die Frage.
                          Kurz nach den Ereignissen der vorangegangenen Teile, soll das Virus nun isoliert werden. Die Charaktere der Vorgänger werden nun auf einem Boot gesammelt und unter Quarantäne gesetzt. Ganz besonders Ángela Vidal, die Reporterin aus Teil 1, wird unter die Lupe genommen. In der Hoffnung ein Gegenmittel zu finden begeben sich erfahrene Ärzte an die Arbeit. Trotz hoher Sicherheitsmaßstäbe kommt es natürlich zum Unglück. Dumm nur, dass das Schiff kein Rettungsboote hat.
                          „Apocalypse“ verlässt sich auf das altbewährte, klaustrophobische Setting der ersten beiden Teile. Während die obskuren Auswüchse des dritten Teils wenig Anklang fanden, soll nun alles wieder zurück auf Null. Die Überlebenden bieten genügen Identifikationspotenzial aus der Vergangenheit und mit dem Virus auf dem Schiff, sollte Teil 4 nun fast von allein funktionieren. Tut er aber nicht.
                          Nach einer unglaublich langen und ermüdenden Einführung, lernen wir die unsympathischen neuen und die überraschend charakterlosen alten Charaktere kennen. Balagueró kann dem Setting keinerlei neue Ideen abgewinnen und kreiert einen forcierten Spannungsmoment nach dem nächsten. Der Gewaltgrad lässt drastisch nach und die dümmlichen Twists wirken wie ein verzweifelter Versuch ein paar „Walking Dead“-Fans abzugreifen. Weg ist die unheimliche Stimmung des Erstlings und die spaßigen Splattereien des dritten Teils. Übrig bleibt ein Testosterongeladenes Filmchen mit der einladenenden Optik eines Seagal-Streifens. Wäre ich nicht so ein unverbesserlicher Zombie-Fan, dann hätte mich „[REC] 4“ wohl ganz kalt gelassen. Lediglich der spannenden Showdown lässt noch so etwas wie Spannung aufflammen.
                          Der Abscluss der Quadrilogie fühlt sich an wie lauwarmes Lüftchen. Gelangweilt arbeitet Balagueró sich durch übelste Klischees und liefert einen äußerst langatmigen und unsympathischen Film ab. Die aggressiven Zombies bleiben natürlich cool und die etxrem nassen letzten Minuten schauen sich schön erfrischend, dennoch sollte man um „[REC] 4“ lieber einen Bogen machen.

                          „Das hier ist keine Hochzeit! Das hier ist ein Altersheim!“

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                            Kennt ihr den Schatten hinter eurem Vorhang? Habt ihr euch schon mal selbst beim Schlafen zugesehen? Wie steht's mit dem Flüstern aus dem Babyphon? Wer seine Urängste im Dunkeln noch immer nicht überwunden hat, für den hat „Insidious“ einiges zu bieten. Dass ich zu diesen Schissern gehöre, das gebe ich nur ungern zu. James Wan hat mich gerade richtig kalt erwischt.
                            Man kennt das Gefühl: Man ist alleine zuhause und es ist spät. Man öffnet zögerlich die Tür zur Küche um sich einen Mitternachts-Snack zwischen die Rippen zu schieben und fühlt sich durchgängig beobachtet. Schweißnass rennt man in die sichere Wärme des Bettes zurück. Aber was war da los? „Insidious“ bedient sich bei der Beantwortung dieser Frage bei den ganz großen Genre-Vorbildern und fügt noch eine Portion mehr Uri Geller hinzu.
                            Wer bei dem ganzen Geister- und Haunted-House-Gefasel der letzten Jahre schon das kalte Kotzen kriegt, der wird mit „Insidious“ auch nicht viel Spaß haben. Wer aber im Horror-Bereich mit Genre-typischen Ausfällen rechnet und für einen ordentlichen Grusel-Abend auch etwas Uri Geller verschmerzen kann, der ist genau an der richtigen Adresse. James Wan bedient die Genre-Klaviatur zielgenau und effektiv. Genau wie bei „Saw“ liefert Wan mit wenig Budget ein durchaus beachtliches Ergebnis.
                            Die frisch gebackene Familie Lambert bekommt es in „Insidious“ mit einigen fiesen Geistern zu tun. Gerade als das Familienleben eine angenehm Routine zu erreichen scheint, nimmt Unheil Einzug in das junge Glück und bietet damit die perfekte Bühne für massig Jumpscares und eine verstörende Atmosphäre.
                            James Wan kreiert mit „Insidious“ einen wahrhaft klassischen Gruselfilm, welcher gerade in der ersten Hälfte durch wohliges Unbehagen punkten kann. Das Grauen lauert in der dunklen Zimmerecke, unter dem Bett oder vielleicht im Wandschrank? Pochen auf dem Dachboden, flüsternde Stimmen und schummerige Gesichter. Ja, es werden Klischees bedient aber selten nur erschreckt ein Film so punktgenau und unbarmherzig. Auch wenn „Insidious“ mit seinem mäßigen Ende einiges an Sympathien verspielt, hat er mich dennoch tief beunruhigt. Gerade die erste Hälfte hat dermaßen viele meiner Urängste angesprochen, dass mir ein kalter Schauer den Rücken herunterlief. Da kann der Dämon noch so bescheuert aussehen, da beißt die Maus keinen Faden ab.
                            Für Freunde des modernen Suspense-Horrors im Stile von „Sinister“ ist „Insidious“ eine definitive Empfehlung.

                            „I'm scared of this house. There's something wrong with this place. I'm not imagining it. I can feel it. It's... it's like a sickness. Ever since we've moved in, everything's just gone wrong.“

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                            • 6 .5

                              Seien wir mal ehrlich: Wer sieht Mads Mikkelsen nicht gerne im Blut baden? Ob als Hannibal, als einäugiger Halbgott oder als Le Chiffre, Mikkelsen macht sich gut in der Finsternis. Nun ist er im Dänisch-Amerikanischen „The Salvation“ zu sehen und darf sich für die Ermordung seiner Familie rächen.
                              Jon und Peter sind Dänen und versuchen sich nun im Land der unbegrenzten Möglichkeiten. Vom Krieg gezeichnet ist die raue Realität des Westens keine große Herausforderung für die beiden harten Hunde. Bei einer Überfahrt in einer Postkutsche kommt es jedoch zu einem schrecklichen Zwischenfall, der Jon in einen gefährlichen Zwist mit Gang-Leader Dealrue katapultiert.
                              „The Salvation“, inszeniert vom dänischen Regisseur Kristian Levring, ist ein klassischer Rache-Western. Ausgestattet mir diversen Western-Archetypen, mit einer aufs wesentliche runtergekochten Handlung versehen, kämpft sich Mikkelsen durch eine raffgierige und unbarmherzige Region des Westens. „The Salvation“ fühlt sich sehr comichaft an und unterstützt diesen Eindruck durch starke Bildkontraste und plakative Kamerafahrten. Durch die simplifizierte Handlung erreicht man zwar auch eine gewissen Sogkraft, dennoch riss mich die künstliche Optik oft aus dem Geschehen. Ohne den markigen Mikkelsen und den wunderbar knurrigen Jeffrey Dean Morgan, wäre „The Salvation“ wohl zum plakativen Action-Einerlei verkommen. Durch den unverzeihlichen Fehler Eva Green ihrer Stimme zu berauben, hat man sich sicherlich im Publikum auch wenige Freunde gemacht.
                              Abgesehen aber von der gewöhnungsbedürftigen Optik und dem langatmigen Einstig, bietet „The Salvation“ einige hochspannenden Action-Sequenzen und eine äußerst konsequente Rachegeschichte. Die gut aufgelegten Darsteller runden das Geschehen ab und lassen mich die Fehler schnell verzeihen. „The Salvation“ kann gegen den direkten Konkurrenten „Das finstere Tal“ weder spannungstechnisch noch optisch anstinken, dennoch bleibt Levrings Western ein sehr angenehmer und kantig-blutiger Zeitvertreib. Außerdem bietet er einen der besten Kills der jungen Western-Geschichte... das sollte man gesehen haben.

                              „I give you two hours to find the man who did this. (…) Or you bring me two of your people.“

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                              • 8

                                Wer kennt sie nicht, die großen Buddy-Cop-Movies? „Bad Boys“, „Beverly Hills Cop“ und... „Lethal Weapon“. Es gab eine Zeit, da war Mel Gibson noch ein Garant für gute Action und nicht für larmoyante Historien-Epen. Es ist also höchste Eisenbahn in die 80er einzukehren und zusammen mit Danny Glover die Wände rot zu streichen.
                                Der suizidgefährdete Riggs (Mel Gibson) und der alternde Murtaugh (Danny Glover) müssen als frischgebackenes Cop-Pärchen mit einem Schmuggler-Ring aufnehmen. Mehrere Tonnen Heroin werden halbjährlich nach L.A. Verschifft und nun muss der lange Arm des Gesetzes endlich durchgreifen. Angereichter mit galligem Witz und brachialen Faust- und Waffengefechten, schafft „Lethal Weapon“ eine äußerst unterhaltsame und sympathische Legitimation von übertriebener Staatsgewalt.
                                Richard Donner nimmt sich viel Zeit mit seiner Exposition und schafft somit genügend Grundlage zur Identifikation. Diese Zeit, die man sich hier für die Charakterentwicklung nimmt, schlägt sich auch im späteren Verlauf der Handlung nieder. Man fühlt mit Riggs und Murtaugh, lacht und leidet mit ihnen. „Lethal Weapon“ ist ein wunderbares Beispiel dafür, dass nicht nur Erzählkino von gut geschriebenen Charakteren profitiert.
                                Klar, „Lethal Weapon“ ist in letzter Konsequenz ein Affront gegen jede menschliche Moral. Wenn man das aber ausblenden kann und sich letztlich an wunderbar choreographierten Action-Sequenzen und spaßigen Dialogen erfreut, dann sollte man „Lethal Weapon“ dringend sehen, wenn man dies nicht schon längst getan hat. Nicht zu Unrecht zählt Richard Donners Action-Feuerwerk zu den Klassikern der 80er und nicht zu Unrecht zähl „I'm too old for this shit.“ zu den coolsten Sprüchen außerhalb eines Schwarzenegger-Films. „Lethal Weapon“ ist überraschend blutig, geht flott von der Hand und treibt den Adrenalinpegel gegen Ende in ungeahnte Höhen. Ich freue mich schon auf die Sichtung der nächsten Teile.

                                „You're not trying to draw a psycho pension! You really are crazy!“

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                                • 7 .5

                                  Wenn man einen abenteuerlichen Mix aus Kannibalen-Film und Western als „quirlig“ bezeichnen kann, dann ist es „Ravenous“. Antonia Bird liefert mit diesem Film ein wahres Unikat im Kannibalen-Genre ab, einen Film mit Herz und das in jedwedem Sinne.
                                  Captain John Boyd (Guy Pearce) ist ein Kriegsheld, welcher aufgrund von „Feigheit“ in ein eher ruhiges Nest nach Kalifornien versetzt wird. Inmitten verschneiter Berggipfel erlebt er den langweiligen Alltag des kleinen aber liebenswerten Trüppchen inmitten der Einöde. Alles scheint ruhig vonstatten zu gehen, bis ein mysteriöser Fremder (Robert Carlyle) auftaucht. Das ist der Auftakt einer Geschichte über Kannibalismus, Freundschaft, Heldentum und blanken Wahnsinn.
                                  Zu meiner völligen Überraschung wandelt sich das anfangs undefinierbare Etwas von Film zu einer wirklich lustvollen Horror-Mär. Das Setting ist wunderbar umgesetzt und wirkt trotz des geringen Budgets eher selten billig und der tiefschwarze Humor hat bei mir voll gegriffen. Mitsamt seinem höllisch eigenwilligen Soundtracks und einigen Hammer-Performances tanzt „Ravenous“ mit Leichtigkeit über seine Schwächen hinweg.
                                  In „Ravenous“ steht und fällt alles mit seinem Bösewicht. In brettharter Slasher-Manier fällt Carlyle alias Colqhoun über die Soldaten her und macht keine Gefangenen. Um dem Film die nötige Mystery-Note zu verleihen und ihn zum waschechten Kannibalen-Flick zu machen, macht sich Regisseurin Bird sogar die mythische Figur des „Wendigo“ zu eigen.
                                  Wenn man bei „Ravenous“ einmal auf den Geschmack gekommen ist, dann kommt man aus der seltsamen Charme-Offensive nicht mehr heraus. Entweder man bleibt auf der Strecke oder man erlebt einen großartig aufspielenden Robert Carlyle und eine Breitseite der Andersartigkeit, die sich gewaschen hat. „Ravenous“ ist ein langsames aber dennoch sehr liebenswertes Filmchen und ich hätte nie gedacht, dass das in dem Genre funktionieren könnte.
                                  Wer seine Blutdurst in schneebedeckten Landen stillen will und in eher besonnener Stimmung ist, der sollte „Ravenous“ definitiv eine Chance geben, so einen Film gibt es nur einmal.

                                  „It's lonely being a cannibal. Tough making friends.“

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                                    Roldur 07.03.2015, 12:30 Geändert 07.03.2015, 17:18

                                    Sie sind gekommen um uns auszusaugen! Bewohner Londons, packt eure Geschlechtsorgane ein, die Invasion der sexy Aliens ist da!
                                    Wenn Altmeister Tobe Hooper im Regiestuhl Platz nimmt, dann lässt man sich auf eine Wundertüte ein. Der Mann, der mit „Texas Chainsaw Massacre“ und „Poltergeist“ Genre-Ikonen schuf, landet nun im Sci-Fi-Genre. Wobei „Lifeforce“ eher als eine Art Mischung aus Zombie- ,Vampir- und Alien-Film bezeichnet werden kann.
                                    Als eine Gruppe Astronauten auf dem Halleyschen Kometen landet, infizieren sie die Erde versehentlich mit Weltraum-Vampiren. Gelockt von großen Brüsten und viel nackter Haut, werden die Astronauten verführt und lenken das Unheil direkt zur Erde. Nur diese Space-Vampire saugen kein Blut, sie saugen Lebensenergie. Sie verführen um zu überleben, sie saugen und töten. Eine Kombination die im Nachtclub sicher besser aufgehoben wäre als in der Londoner Innenstadt. Als dann parallel noch eine Art Zombie-Apokalypse ausbricht, befindet sich der geneigte Trash-Fan im siebten Himmel. Nicht, dass „Lifeforce“ billig aussehen würde, er ist nur unglaublich ambitioniert.
                                    „Lifeforce“ ist stellenweise etwas bräsig, das macht aber nichts. Sobald dieser eigenartige Mutant von Film ins Rollen kommt, bleibt kein Auge trocken. Von aufgemalten Licht-Effekten bis zu großartigen Mechatronics fährt er die ganze Palette an 80s-Effekten auf und haut dabei ordentlich auf die Kacke. Tobe Hooper lebt hier einen perversen Fiebertraum aus und durfte dafür sogar jemanden wie Patrick Stewart verpflichten. Wer denkt, dass er die komischsten Auswüchse des Sci-Fi kennt, der hat „Lifeforce“ noch nicht gesehen. Auch wenn Hooper hier nicht die ikonische Kraft seiner Horror-Meisterwerke erreicht, geht er hier dennoch mit merklich viel Spaß an die Sache.
                                    Wer tierisch Bock auf riesenhafte Fledermäuse, gemalte Blitze, Regenschirm-Raumschiffe, gefährliche Kurven und Zombies hat, der muss „Lifeforce“ einfach gesehen haben.

                                    „Don't worry. A naked girl is not going to get out of this complex.“

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                                      Wenn die Regisseure Alexandre Bustillo und Julien Maury zusammenarbeiten, dann weiß man: Es wird Blut fließen. In ihrem neuesten Werk verschlägt es sie ganz in die Nähe von Stephen Kings „Stand By Me“. Natürlich wird dieses Gefilde nicht verlassen, bevor sich jeder Zuschauer unendlich dreckig fühlt oder seine Hände über dem Kopf zusammenschlägt.
                                      Der Hauptteil der Handlung von „Among the Living“ spielt sich auf dem Studiogelände „Blackwoods“ ab, die letzte Hälfte in einem Haus. Der Schauplatzwechsel fühlt sich an wie ein Genre-Wechsel. Vom dreckigen Slasher zur verstörenden Home-Invasion. Wer sich an den diversen Logiklücken, miesen Klischees und dümmlichen Charakteren stört, der ist früh raus. Wer sich aber ganz auf die düster-ekelhafte Atmosphäre stützt, der dürfte schnell eine angenehme Gänsehaut sein Eigen nennen.
                                      „Among the Living“ fühlt sich an wie eine dieser Lagerfeuer-Gruselgeschichten, mit einer ordentlichen Prise „Inside“ dazu. Wenn sich der geisterhafte Protagonist vom Masken-Killer in eine unheimliche, fast geisterhafte Präsenz verwandelt, dann stehen zumindest mir die Nackenhaare zu Berge. Kein billigen Jumpscares, keine brutal-suggestive Musik, hier dominieren die verstörenden Bilder den Horror. Wer Gasmasken längst nicht mehr unheimlich fand, dem sollte man „Among the Living“ ans Herz legen. Der krude Genre-Mix aus Splatter, Home-Invasion und Slasher macht es einem schwer „Among the Living“ zu mögen. Wenn man von den eindeutigen Schwächen aber nicht zu früh aus der Handlung geworfen wird, dann hat man richtig Spaß.
                                      Ich stehe auf das Creature-Design eines „Aphex Twin“-Musikvideos und ich liebe gekonnt-düstere Atmosphäre. „Among the Living“ liefert einen unklaren und genau deshalb so famosen Hintergrund und funktioniert als liebevolle Genre-Hommage wie als verstörender Terror-Film. Ich habe mich mehrfach wie in einem Rob Zombie-Film gefühlt, na wenn das nichts Positives ist? Also, Kotztüte einpacken, „Béatrice Dalle“ googlen oder kennen und etwas Nebel im Raum versprühen. Frankreich ist wieder im Horror-Geschäft, man darf sich warm anziehen.

                                      „Igitt, was für 'ne ekelhafte Scheiße. Wer guckt sich sowas an? Ihr seid doch alle pervers.“ - Anonym

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                                        Ein Kuli mit eingebauter Giftspritze? Kugelsichere Schirme mit Betäubungsgewehr? Schuhe mit Klingen im Absatz? Wer sich das alles zurückgewünscht hat, der ist hier genau richtig. Matthew Vaughn bringt die irrwitzige Seite des Agenten-Genres zurück auf die Leinwand.
                                        Eggsy steckt tief in der Scheiße. Er wohnt im größten Assi-Viertel Londons, der lokale Gangster-Obermufti knallt seine Mutter und dessen Proleten-Gang will ihm auch noch an den Kragen. Genau zur rechten Zeit gerät die über-super-duper-ultra geheime Organisation „Kingsman“ in Bedrängnis und muss neu rekrutieren. Wie passend, dass Eggsys Vater ihn vor langer Zeit zur offiziellen Nachfolge auserkoren hat. Die Ausbildung beginnt.
                                        Als großer Fan des bisherigen Werks von Matthew Vaughn, war ich natürlich auf seinen neuesten Streich gespannt. Mit der Verfilmung von „Kick-Ass“ hauchte er dem Superhelden-Film etwas frischen Wind in die Fresse und mit „X-Men: First Class“ perfektionierte er seine Vorstellung eines Superhelden-Blockbusters. Nun ist es also an der Zeit dem Agenten-Thriller neues Leben einzuhauchen. Für alle Fans der alten Bond-Filme dürfte „Kingsman“ ein wahres Fest werden. Packt die Pomade ein und denkt an den Maßanzug, Hauptsache alles sitzt. Man bedenke: Der Anzug ist die Rüstung des modernen Gentleman.
                                        Von Choreographie bis hin zu blutigen Shootouts überträgt Vaughn seine gewohnte Rezeptur perfekt in ein anderes Genre. Mit Colin Firth als brutaler Gentleman und Samuel L. Jackson als Bösewicht mit Sprachfehler, darf sogar die obere Schauspiel-Liga mitmischen. Jeder scheint Spaß bei der Wiederbelebung dieses irrwitzigen Genres zu haben und das merkt man. Durch viel Wortwitz, die richtige Prise Genre-Parodie und einen sehr flotten Schnitt kommt zu keiner Sekunde Langeweile auf. Einzig der Plastik-Look der Säbelbeine von Jacksons Assistentin hat mich etwas gestört, aber das ist Meckern auf hohem Niveau.
                                        Wer mit einem Film einfach nur Spaß haben will, der ist hier genau richtig. Quirlige Over-The-Top-Action trifft auf räudige Grenzüberschreitung und blutigen Splatter. Vaughn besetzt frech gegen den Strich und beweist einmal mehr, dass er sein Handwerk perfekt beherrscht. Knallbuntes Popcorn-Kino mit tiefschwarzem Humor und verspielter Detailverliebtheit. So hätte die Fortsetzung zu „Kick-Ass“ auch aussehen können...

                                        „I'm a Catholic whore, currently enjoying congress out of wedlock with my black Jewish boyfriend who works at a military abortion clinic. Hail Satan, and have a lovely afternoon madam.“

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                                          Bevor ich in Schwärmerei verfalle, zunächst ein paar harte Fakten. Ja, „Cold in July“ ist klar ein B-Movie und ja, er ist arg konstruiert. Ob die ganzen Logikfehler jetzt beim Romanautor oder erst beim Drehbuch entstanden sind, sei mal dahingestellt. Aber ihr merkt schon, ich will die negativen Seiten hier abschütteln, denn es gibt mehr als genug Positives zu berichten.
                                          Wer den Film richtig genießen will, der sollte sich übrigens von Trailern fernhalten, denn die verraten einfach zu viel. Ich versuche mich im Folgenden sehr bedeckt zu halten, denn die abgedrehten Wendungen machen „Cold in July“ auch irgendwie aus.
                                          Bereits ab dem ersten Bild merkt man, dass hier Genre-Kenner am Werk waren. Regisseur Jim Mickle bedient sich großzügig bei der Neon-Optik eines Michael Mann, gießt einige Horror-Anleihen dazu und gießt beides zusammen in einen reißerischen Rache-Cocktail. „Cold in July“ ist keine bloße Hommage, er atmet die 80er. Mickle versteht nicht nur die Mechanismen eines ansprechenden Genrefilms, er schafft es die perfekte Stimmung einzufangen. Statt einer geleckten Pseudo-Version eines 80s-Thrillers, bekommen wir einen Rohdiamanten. Michael C. Hall gibt sich zwar alle Mühe, ist aber klar fehlbesetzt – aber mit Plan. Was meine ich also damit? „Cold in July“ erlaubt sich Fehler, er vergreift sich im Ton und er haut richtig auf die Kacke. Mickle beweist hier eine Genre-Affinität, die ich sonst bei Rob Zombie sehr bewundere. Natürlich sind ihre Filme grundverschieden.
                                          „Cold in July“ ist nicht die verjüngte Version eines alten Genres, er trägt dessen Falten mit Würde. Mich hat der Film mit seinem fetten Synthie-Soundtrack umgarnt, meine Blutlust mit roher Gewalt befriedigt uns mein Auge mit expressionistischer Ausleuchtung verwöhnt. Wenn dann noch jeder Schauspieler seine Arbeit mit Bravour meistert und man Urgesteine wie Sam Shepard und Don Johnson zu Gesicht bekommt, was kann man da noch falsch machen? Wer die Holprigkeiten älterer Filme zu schätzen weiß und seine Erektionsprobleme nur bei der kühlen Optik eines Michael Mann Films in den Griff bekommt, der sollte den Trip wagen. Ich bin schwer begeistert und will mehr davon.

                                          „You know when a dog bites you... you can either chain him up... or shoot him“

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                                            über Rubber

                                            Wie „meta“ oder „skurril“ kann ein Film werden, bevor es anstrengend wird? Diese Frage musste ich mir bei Quentin Dupieux „Rubber“ mehrfach stellen. Denn „normal“ hat in keiner Beschreibung des Killerreifen-Films etwas zu suchen. Sagen wir es so: Rubber ist speziell und dieser Kommentar ist reine Willkür.
                                            Der telekinetisch begabte Reifen erkennt irgendwann, mitten in der Wüste, dass er am Leben ist. Getrieben von Wissbegier und Mordlust hinterlässt er fortan eine blutige Spur. Wir sehen dem Reifen beim rollen, überrollen und sogar beim vibrieren zu. „Rubber“ ist gemächlich, sehr gemächlich.
                                            Eigentlich wäre das kein Problem. Würde mein Geduldsfaden besonders schnell reißen, dann dürfte ich mir nicht jedes Jahr die Oscar-Nacht um die Ohren schlagen. Nur, was steckt hinter „Rubber“? Innerhalb von 79 Minuten kann der Überraschungseffekt eines Killerreifens schnell erschöpft sein. Abhilfe schafft Dupieux mit einer zweiten Ebene, den Zuschauern. Das hat mich leider von meiner brüllenden Langeweile auch nicht abgelenkt.
                                            „Rubber“ ist natürlich in gewisser Weise surreal und arbeitet auch nach einem System. Wenn aber weder die Genre-Parodie, noch die Hommage an die Sinnlosigkeit funktionieren, dann schießt „Rubber“ leider nur mit Platzpatronen. Ich empfand Dupieux Ode an die Willkür als äußerst anstrengend, unlustig und Möchtegern-Meta. Der Kameramann verstand sicherlich einiges von seinem Fach. Jede einzelne Aufnahme der kargen Landschaft wirkt wie geleckt und versprüht eine ganz eigene Atmosphäre.
                                            Parodien, Surrealismus und Genre-Akrobatik ist wohl eine sehr persönliche Angelegenheit. Ich kann mir durchaus vorstellen, dass „Rubber“ bei vielen funktioniert. Für mich war der öde Trip durch die Wüste nichts weiter als eine Geduldsprobe mit schönen Bildern und witziger Idee. Die abschließende Frage lautet nun wie folgt: Bin ich zu dumm für den Scheiß oder ist der Scheiß zu dumm für mich? Die Beantwortung liegt im Auge des Betrachters.

                                            „In Oliver Stone's "JFK," why is the President suddenly assassinated by some stranger? No reason.“

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                                            • 8 .5

                                              Mit „Der Ghostwriter“ inszeniert Roman Polanski einen Polit-Thriller nach dem Roman „Ghost“ von Robert Harris. Seines Zeichens ein Freund von Tony Blair, widmet er ebendiesem die fiktive Persona Adam Lang. Angereichert mit einer Prise Realität schustert Polanski nun den Thriller „Der Ghostwriter“ aus Harris Bestseller.
                                              Der „Ghost“ (Ohne Name: Ewan McGregor) wird als neuer Ghostwriter der Autobiographie des Politikers Adam Lang engagiert. Nachdem sein Vorgänger in trunkenem Zustand das zeitliche segnete, muss der „Ghost“ nun dafür sorgen, dass die Timeline eingehalten wird. Das Eine führt zum Anderen und er beginnt ein Dickicht aus Lügen ans Tageslicht zu schaufeln. Adams Rückzugsort, eine äußerst weitläufige Insel in Amerika, wird zum Schauplatz einer Hetzjagd. Wer jetzt hier Action erwartet, der ist an der falschen Adresse. Der „Ghost“ wird in ein vertracktes Lügenkonstrukt gezogen und seine Lebenserwartung sinkt mit jeder neuen Information stetig weiter.
                                              Unglaublich ruhig entfaltet Polanski die Sogwirkung seines Films. Ungewöhnliche Aufnahmen, in elegante Grautöne gepackt, ohne die verruchte Beliebigkeit eines New-Age-Thrillers zu erreichen. Polanski weiß stilistisch wie inhaltlich genau was er will und schafft ein unaufgeregtes und sehr intimes Werk. Statt bei jedem Fetzen Spannung gleich in Schnappatmung zu geraten, wird jede Wendung vorbereitet und bekommt die Bühne, die sie verdient. Fast schon beiläufig entwickelt sich „Der Ghostwriter“ zu einem scharfzüngigen Kommentar Richtung Politik und hat damit eine umso verstörender Wirkung.
                                              Dadurch, dass Polanskis Thriller ausgezeichnet besetzt ist und genau weiß wohin er will, wird er zu einem äußerst beeindruckenden Fallbeispiel. „Der Ghostwriter“ besitzt eine gewisse Relevanz, eine nervenzermürbende Spannungskurve und eine angenehm stilsichere Inszenierung. Ein altmodischer und kluger Film, der niemandem etwas vormachen will. Eine unbedingte Empfehlung an alle, denen „The Ides of March“ zu glattgebügelt vorkam.

                                              „Forty thousand years of human language, and there's no word to describe our relationship. It was doomed.“

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                                              • 5
                                                über Ruinen

                                                Eine Gruppe gesichtsloser Jugendlicher wird im Dschungel von singendem Efeu zerstückelt. Klingt doof? Ist es auch. Wie doof „Ruinen“ eigentlich ist, muss man aber gesehen haben um es zu glauben.
                                                Jeff und andere Standard-Namen beschließen am letzten Urlaubstag in Mexiko auf Erkundungstour zu gehen. Als sie an eine alte Maya-Ruine gelangen beginnt der Terror. Umzingelt von mordlüsternen Mexikanern, werden sie auf die Ruine gescheucht. Pech für die gutaussehenden Jungspunde, dass sie jetzt als Düngemittel enden.
                                                Wie kann man sich vor aggressiven Pflanzen fürchten? Zunächst scheint die Pflanze nur Aas zu fressen und dann darf sie eruptionsartig aus Höhlen brechen. Die Pflanze könnte man zur Gattung „Billiges CGI“ zählen. Was ist denn nun positiv an „Ruinen“. Er ist brutal, sehr brutal – oft nah an der Ekelgrenze. Dazu macht es einen Heidenspaß dem Hühnerhaufen bei Sterben zuzusehen. Das ist weder zynisch noch Menschenverachtend, „Ruinen“ bittet quasi darum.
                                                Die Handlung ergibt keinerlei Sinn, ist voll mit Logiklücken und serviert einen Brüller nach dem Anderen. Der Drehbuchautor scheint den Text in totalem Delirium verfasst zu haben und der Regisseur hat unter starken Schlafstörungen alles so stehen lassen. Kaum zu glauben, dass der Film auf der Romanvorlage eines Oscar-Preisträgers basiert. Der Roman hat jedenfalls den fescheren Titel: „Dickicht“.
                                                Bei der Produktion von „Ruinen“ haben vermutlich alle geschlafen außer der FX-Abteilung. Die Make-Up-Effekte sind grandios und der Ekelfaktor ist stellenweise richtig hoch. Die Pflanzen kriechen, kreischen und penetrieren ihre Opfer. Das Dinner ist serviert, die Fliege reicht als Beute nicht mehr. Hätte Ruinen nicht den langweiligsten Antagonisten seit Michael Bays Version von Shredder, wäre daraus vielleicht ein guter Terror-Streifen geworden.
                                                Fünf Mal schlage ich die Arme über dem Kopf zusammen und siedele „Ruinen“ trotzdem im Mittelfeld an. Ich hatte meinen Spaß und meine Blutgier wurde gestillt, dazu hat „Ruinen“ eine ordentliche Optik und etwa drei originelle Einfälle. Wer Lust auf soliden Öko-Horror mit „Ablach-Garantie“ hat, der sollte sich Machete und Pflanzengift schnappen, sein Hirn komplett ausschalten und sich in den Dschungel begeben.

                                                „The police, our parents, the Greeks, somebody. Somebody is going to find us. We just have to be alive when they do.“

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                                                • 6

                                                  Wenn man zwei derart durchgenudelte Genres wie Found-Footage und Exorzismus-Film vermischt, dann sollte man eine verdammt originelle Idee dahinter haben um nicht in Peinlichkeiten zu versinken. Mit extrem niedrigen Erwartungen ging ich an „The Last Exorcism“ heran und wurde überrascht, denn dieser von Eli Roth produzierte Film kann weit mehr als man so denken mag.
                                                  Cotton Marcus (Patrick Fabian) scheint vom Glauben abgefallen. Hineingeboren in eine Familie aus Predigern und Exorzisten, lernt Cotton früh die Kunst zu reden und wird schnell zu einem sehr überzeugenden Sprechrohr Gottes. Als er die ganzen Betrügereien der Exorzisten moralisch nicht mehr vertreten kann, beschließt er an einer Dokumentation mitzuwirken. Zusammen mit Dokumentarfilmerin Iris (Iris Bahr) nimmt er einen letzten Auftrag entgegen und will hier all seine Tricks entlarven. Dumm nur, dass er ausgerechnet jetzt an echten Fall geraten ist. Zufälle gibt’s.
                                                  Die recht smarte erste Hälfte von „The Last Exorcism“ bietet zusammen mit dem höchst motivierten Hauptdarsteller Fabian eine tolle Mischung aus Comedy-Elementen und einem holprigen, aber dennoch interessanten, Familienportrait.
                                                  Cotton gibt sich alle Mühe die Ereignisse rational zu erklären und legt bei seinen betrügerischen Eskapaden eine derartige Lust am Schauspiel an den Tag, dass ich mich wie im falschen Film fühlte. „The Last Exorcism“ ist angenehm anders und kann damit so einige Längen seiner Handlung vertuschen.
                                                  Je weiter jedoch die Laufzeit umso mehr rutscht der Film in eine solide Horror-Schiene, die zwar nicht enttäuscht aber das leichtfüßige Spiel mit den Genre vermissen lässt. Umso mehr sich die typischen Exorzismus-Klischees häufen, umso weniger Gelegenheit bekommt der Film zu überraschen und wird in seiner zweiten Hälfte unangenehm redundant. Getragen durch die gut aufgelegten Darsteller und mein Herz für Horrorfilme, habe ich jedoch wacker durchgehalten. Und siehe da, ich wurde belohnt.
                                                  Das finale Kapitel des Films ist dermaßen bescheuert, dass man die Hände über dem Kopf zusammenschlagen möchte und genau das macht es so großartig. Scheiß auf die Erwartungshaltung, die Dümmlichkeit hat gesiegt und wenn ein Genre das Recht hat dümmlich zu sein, dann ist es Horror. Die krude Mischung aus einem Versuch besonders Meta zu sein und einer holprigen Genre-Hommage, war mir einfach sehr sympathisch.
                                                  Natürlich ist „The Last Exorcism“ weit von einem Meisterwerk entfernt, das ist aber auch nicht der Anspruch. In seinem kleinen, leicht beschränkten Universum, funktioniert der Film wunderbar und hat weit mehr Herzblut zu bieten als manch anderer Genre-Vertreter. Für frische Kirchen-Austreter und satanistische Death-Metal-Fans scheint „The Last Exorcism“ damit mehr als geeignet.

                                                  „You know, I used to want to have a TV ministry. I thought that'd be cool. And now, frankly, all I really want is health insurance.“

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                                                  • 3 .5

                                                    Ralph Sarchie war früher Polizist und wurde durch einen Vorfall zum Romanautor/Dämonologe. Was sagt uns das über die Grundlage des Films? Für Freunde des Übernatürlichen könnte das 118 Minuten unterhaltsamen Schwachsinn bedeuten. Leider ist „Erlöse uns von dem Bösen“ weniger unterhaltsam, das gleicht er aber mit einer doppelten Portion an Langeweile wieder aus.
                                                    Eine Gruppe von Kriegsheimkehrern verbietet Terror in der Bronx und scheint direkte Wege zur Hölle zu öffnen. Dumme Zufälle häufen sich und es kommt zu mehreren Fällen von Besessenheit. Zunächst glaubt Officer Sarchie (Eric Bana) nicht an das Paranormale, sein Glaube festigt sich jedoch exponentiell zur Laufzeit des Films. Letztlich muss er sich mit einem „coolen“ Priester (Edgar Ramirez) zusammentun, um Satans Treiben endlich ein Ende zu setzen. #
                                                    Flackernde Lichte, ganz viel Dunkelheit und immer Regen. Mit dezent gelangweiltem Gesicht schaut Eric Bana von einem Plothole ins nächste und versucht der realen Figur Ralph Sarchie etwas weniger Lächerligkeit abzugewinnen, hilft aber nichts. Die gezwungen auf düster getrimmte Umgebung und die Eigenartigen Vorfälle, wirken holprig und wenig durchdacht. Etwas Blut hier, ein paar Schock-Effekte da - „Erlöse uns von dem Bösen“ greift tief in die Klischee-Kiste. Vom lässigen Kumpel-Cop Butler (Joel McHale) bis hin zu gruseligen Stoff-Eulen (Steve Buscemi), bedient sich Regisseur Scott Derrickson (Sinister) ordentlich an der Reste-Rampe. Gerade nach dem effektiven Grusler „Sinister“ hätte man da weit mehr erwarten können.
                                                    Ich bin besonders anfällig für Exorzismus-Geschichten und habe mit dem Genre Horror immer wieder gerne meinen Spaß, „Erlöse uns von dem Bösen“ mutiert trotz interessanter Momente immer mehr zur Gähn-Orgie. Die uninteressanten Abziehbildchen von Charakteren und die wild flackernde Pseudo-Atmosphäre sind nervig und wurden im Genre schon so oft benutzt, dass Derricksons Chuzpe sich darauf zu verlassen, schon fast an Leichenfledderei grenzt.
                                                    Wer Bock auf eine detaillierte Betrachtung seiner Armbanduhr hat und den offiziellen Nachfolger von Uri Geller kennenlernen will, der sollte „Erlöse uns von dem Bösen“ dringend eine Chance geben. Wer jedoch genug hat von den ewigen Klischees und nicht bei jedem ausgelutschten Jumpscare gleich aus der Hose springt, der sollte großen Abstand nehmen. Man will hoffen, dass sich Mr. Sarchie als Dämonologe weniger langweilt als als Polizist.

                                                    „Any other stereotypes you want to hit while I'm here?“

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