Drax - Kommentare

Alle Kommentare von Drax

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    über Korczak

    Müsste ich eine Person nennen, die ich als Vorbild betrachte, so wäre es unzweifelhaft der polnisch-jüdische Kinderarzt und Pädagoge Janusz Korczak, ein Mann, dem die polnische Regielegende Andrzej Wajda mit diesem Film ein großartiges Denkmal setzt.

    Janusz Korczak sagte einmal: „Ich wünsche niemandem etwas Böses. Ich kann das nicht. Ich weiß nicht, wie man das macht“ nun aus dem Munde jedes anderen würde sich diese Aussage lächerlich anhören, doch traf diese Aussage wohl wirklich auf diesen bewundernswerten Mann zu.
    Janusz Korczak war ein Mensch mit einer zutiefst humanistischen Grundhaltung, einer Grundhaltung, die er auch nach dem er mit seinem jüdischen Waisenhaus ins Warschauer Ghetto verlegt wurde und man ihm immer wieder seiner Würde beraubte, behielt und sich so nicht dem Hass hingab, sondern noch immer an das Gute in den Menschen und so auch des einzelnen Nazis glaubte.
    Das kann man sicher enorm naiv finden, ja vielleicht auch schlicht dumm, es ist jedoch diese Grundhaltung, die ihn dazu brachte sein Leben in den Dienst seiner Mitmenschen und vor allem den Kindern zu stellen und es am Ende auch für sie zu opfern. Ohne diese Haltung wäre auch seine für damals so ganz andere Pädagogik, die seiner Zeit weit voraus war und selbst heute mit Blick auf die drei von ihm formulierten Grundrechte der Kinder beinahe revolutionär wirkt, wohl undenkbar.
    Es ist eben auch diese Grundhaltung, die ihn auch im Gehetto die nötige Kraft gab, jeden Tag aufs Neue, den unermüdlichen Druck stand zuhalten und sich um seine etwa 200 Waisenkinder zu kümmern, für jeden Einzelnen da zu sein, auf den Straßen nach Nahrung zu suchen und am Ende seinen Kindern in den sicheren Tod in Treblinka zu folgen um ihnen in den Übergang in den Tod Kraft zu geben und sie nicht im Stich zu lassen und eine der Fluchtoptionen zu nutzen.

    Andrzej Wajda konzentriert sich in seinem fast schon dokumentarischen Film auf diesen letzten Lebensabschnitt im Ghetto, eine Zeit die besonders die Größe dieses Mannes, herausragenden und einfühlsamen gespielt von Wojciech Pszoniak, zeigt.
    Zugleich würdigt der Film aber auch die vielen anderen an seiner Seite, wie etwa seine langjährige Mitarbeiterin Stefania Wilczynska oder seiner guten Freundin Maryna Rogowska-Falska, die es schaffte, mehrere jüdische Kinder in ihrem Waisenhaus zu schaffen und so zu retten.
    „Korczak“ ist jedoch nicht nur ein Film über diese Heldenhafte und bewundernswerten Menschen, sondern ein Film über das Warschauer Ghetto bzw. das Leben darin.
    Es gibt wohl kaum ein anderen Spielfilm außer vielleicht Polanskis „Der Pianist“ der so tiefe Einblicke in diese Hölle bietet.
    In dem Zusammenhang ist unter anderem die starke Kameraarbeit von Robby Müller zu erwähnen, wobei zur Intensität der Bilder auch das scheinbar nahtlose einfügen von Originalaufnahmen beiträgt, die nebenbei von einem deutschen Kamerateam in der Handlung aufgenommen werden. Interessant bei der Darstellung des Ghettos ist dabei wie differenziert Wajda die Menschen und Gruppen darin darstellt.
    Besonders faszinierend ist die Darstellung von Adam Czerniaków, dem Vorsitzenden des Judenrates. Der zum Teil als Kollaborateur kritisierte Czerniaków glaubte, durch sein Handeln Schlimmeres zu verhindern, spätestens jedoch mit dem Abtransport der 200 Waisenkinder musste dieser einsehen, dass sein Handeln fruchtlos ist und so nahm er sich einen Tag nach dem Abtransport das leben.

    Wajda gelang ein wirklich extrem bewegender Film, der einen tief unter die Haut geht. Wenn Korczak die Kinder etwa ein Theaterstück über den Tod inszenieren lässt, damit diese sich mit dem Tod auseinandersetzen bzw. vertraut werden, dann ist das eine Szene, bei der man doch mehrmals schlucken muss.
    Der Film endet schließlich mit dem Auszug der Kinder aus dem Heim, einen Auszug den der Pianist Władysław Szpilman (sein Leben wurde von Polanski verfilmt) als Augenzeuge so beschrieb:

    „Eines Tages, um den 5. August […] wurde ich zufällig Zeuge des Abmarsches von Janusz Korczak und seinen Waise aus dem Ghetto. Für jenen Morgen war die ‚Evakuierung‘ des jüdischen Waisenhauses, dessen Leiter Janusz Korczak war, befohlen worden; er selbst hatte die Möglichkeit, sich zu retten, und nur mit Mühe brachte er die Deutschen dazu, daß sie ihm erlaubten, die Kinder zu begleiten. Lange Jahre seines Lebens hatte er mit Kindern verbracht und auch jetzt, auf dem letzten Weg, wollte er sie nicht allein lassen. Er wollte es ihnen leichter machen. Sie würden aufs Land fahren, ein Grund zur Freude, erklärte er den Waisenkindern. Endlich könnten sie die abscheulichen, stickigen Mauern gegen Wiesen eintauschen, auf denen Blumen wüchsen, gegen Bäche, in denen man würde baden können, gegen Wälder, wo es so viele Beeren und Pilze gäbe.

    Er ordnete an, sich festtäglich zu kleiden und so hübsch herausgeputzt, in fröhlicher Stimmung, traten sie paarweise auf dem Hof an. Die kleine Kolonne führte ein SS-Mann an, der als Deutscher Kinder liebte, selbst solche, die er in Kürze ins Jenseits befördern würde. Besonders gefiel ihm ein zwölfjähriger Junge, ein Geiger, der sein Instrument unter dem Arm trug. Er befahl ihm, an die Spitze des Kinderzuges vorzutreten und zu spielen – und so setzen sie sich in Bewegung. Als ich ihnen an der Gęsia-Straße begegnete, sangen die Kinder, strahlend, im Chor, der kleine Musikant spielte ihnen auf und Korczak trug zwei der Kleinsten, die ebenfalls lächelten, auf dem Arm und erzählte ihnen etwas Lustiges. Bestimmt hat der ‚Alte Doktor‘ noch in der Gaskammer, als das Zyklon schon die kindlichen Kehlen würgte und in den Herzen der Waisen Angst an die Stelle von Freude und Hoffnung trat, mit letzter Anstrengung geflüstert: ‚Nichts, das ist nichts, Kinder‘ um wenigstens seinen kleinen Zöglingen den Schrecken des Übergangs vom Leben in den Tod zu ersparen.“

    Andrzej Wajda schuf mit seinem Film ein wirkliches Denkmal für diesen Mann, einen Heiligen, der jedoch nie ein Heiliger oder gar Märtyrer sein wollte, er selbst sagt am Anfang des Films: "Es ist nur eine Lüge, wenn jemand sagt, dass er etwas oder jemanden aufopfert. Der eine liebt das Kartenspiel, der andere die Frauen, ein Dritter ist geradezu närrisch auf Pferderennen und ich liebe Kinder. Das heißt, ich opfere mich keineswegs, denn ich tue es ja nicht für sie, sondern für mich, denn ich brauche sie. Glaubt niemals den großen Worten von Opferbereitschaft. Sie sind große Lügengebilde, pure Heuchelei.".

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      Es gibt so manche namhafte Regisseure deren Spielfilm-Debüts einen wirklich umhauen und man so schon beim ersten Film auf den ersten Blick das große Talent dieser Personen erkennt. Das Spielfilm-Debüt von Stanley Kubrick und damit eines, vielleicht sogar dem größten Regisseur aller Zeiten, wirkt dagegen auf den ersten Blick fast wie ein dilettantisches Amateurwerk.
      Im Zentrum von Kubricks Erstlingswerk steht eine Gruppe Soldaten, die mit dem Flugzeug hinter feindlichen Linien abgestürzt sind und sich nun einen Weg nach Hause suchen.
      Die schauspielerischen Leistungen wirken dabei extrem schwach und stehen damit perfekt im Einklang mit dem wenig gelungene Drehbuch, den schlechten Dialogen und der auf Dauer etwas nervigen Kameraführung. Zu alle dem kommt die extreme hast und eile in der Inszenierung, wodurch das abdriften in den Wahnsinn eines der Soldaten eher lächerlich wirkt.

      Nun auf den zweiten und genaueren Blick lässt „Fear and Desire“ viele gute Ideen und Ansätze erkennen, die durchaus schon hier das Talent Kubricks in Ansätzen erkennen lässt.
      Da wäre etwa die Idee des Ganzen, den Wahnsinn des Krieges offen und schonungslos zu zeigen.
      Gezeigt wird uns daher kein bestimmter Krieg, sondern ein fiktiver, eine verordung lässt Kubrick nicht zu, wodurch die Botschaft universell wird. Auch schafft es Kubrick, den Film frei von Pathos zu halten, so wird selbst die Tötung des feindlichen Generals nicht zu einer heldenhaften Tat, sondern eher einer wahnsinnigen in der einmal mehr der Irrsinn des Krieges sichtbar wird.
      Gerade in dieser Szene gelingt es Kubrick, aus der Not eine Tugend zu machen, hier treffen nämlich zwei der Soldaten nicht nur auf den Feind, sondern auch auf sich selbst, da die Schauspieler doppelt besetzt sind. Hier zeigt sich, wenn der Krieg und auch das Land nur im Kopf existieren, dann existiert auch der Feind nur im Kopf.

      Das alles macht „Fear and Desire“ zwar nicht zu einem guten Film oder lässt einen über die vielen Schwächen hinwegsehen, doch zeigt der Film hier durchaus warum man ihn als Liebhaber von Kubrick und seinen Filmen unbedingt gesehen haben sollte.

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      • 1. Schmökerst du manchmal in deinen alten Moviepilot-Kommentaren? Oder ist dieser Prozess für dich nach dem Posting abgeschlossen?
        Eigentlich nur wenn ich mich noch einmal mit dem Film beschäftige, ist dann aber auch immer wieder interessant, nicht nur seine eigenen Gedanken von damals zu lesen, sondern auch auf Antworten von inaktiven Moviepiloten zu stoßen.

        2. Ein Virus frisst all deine Kommentare, Bewertungen und was du sonst so auf Moviepilot verzapft hast, auf. Wie verfährst du? Holst du Bewertungen nach? Machst du einfach weiter wie bisher? Oder hättest du dann keinen Bock mehr auf Moviepilot?
        Ich speicher meine Kommentare zum Glück auf der Festplatte. Ob ich hier trotzdem weiter unterwegs wäre, würde stark von den Kontakten abhängen.
        Traurigerweise würde es mich übrigens nicht mal wundern, wenn sowas bald mal hier passieren würde, man ist von MP ja leider einiges gewöhnt.

        3. Du hast eine mehrstündige Zug- oder Flugreise vor dir. Dummerweise hast du Bücher, Handy und sonstige Ablenkungen vergessen. Ausgeschlafen bist du auch. Dafür darfst du dir eine/n User/in von Moviepilot neben dir wünschen. Wen willst du gern neben dir haben? (Um es spannender zu machen sagen wir mal, es muss ein/e User/in sein, die du noch nie privat getroffen hast).
        Da gibt es ehrlich gesagt zu viele. Ich muss da wirklich nicht diplomatisch sein um zu sagen, dass ich hier nicht eine einzelne Person nennen kann. Leider sind auch einige die ich gerne mal treffen würde, hier nicht mehr vorhanden bzw. haben sich gelöscht.

        4. Um niemanden zu beleidigen, wollen wir hier keine Namen nennen. Aber hast du schon mal einen Moviepilot-Buddie entfreundet, weil er/sie dir irgendwie unangenehm auffiel? Oder ignorierst du solche Texte dann einfach (sofern so etwas überhaupt passiert)?
        Würde sagen nein, bin mir aber nicht zu 100% sicher.

        5. Kommentierst du nur Filme, deren Sichtung relativ zeitnah ist? Oder schreibst du auch zu solchen, die du das letzte Mal vor Jahren gesehen hast?
        Ganz klar ersteres, hätte ansonsten auch wohl kaum noch ein genaues Bild vom Film.

        6. Alle deine Moviepilot Buddys wohnen jetzt bei dir in der Gegend. Würdest du trotzdem noch auf Moviepilot aktiv sein?
        Jap, alleine schon um ein Überblick über meine Filme zu haben.

        7. Du darfst eine Moviepilot Party für rund 200 User und Userinnen veranstalten. Ein bisschen Budget bekommst du auch, so ein bis zweitausend Euro. Was machst du?
        Um an die früheren MP-Treffen hier in Köln anzuknüpfen, würden wir uns alle auf der Uniwiese treffen und jeder bringt was zu essen mit. Das Geld kommt wiederum in meine Kasse für DVDs und Kinobesuche.

        8. Weil die Party so ein Erfolg war, darfst du einen neuen Movie-Park beraten. Anfangs haben sie nur Geld für 3 Achterbahnen (Geisterbahn, Wasserbahn und klassische Achterbahn mit Loopings) und eine Show. Zu welchen Themenwelten oder Filmen rätst du ihnen?
        Das Thema wird Metropolis sein, der Park wird nach wenigen Wochen pleite gehen und ich hab ein ordentliches Beraterhonorar eingestrichen.

        9. Es wirkt immer schlau Schopenhauer oder Nietzsche zitieren zu können. Weißt du ein tolles Zitat, welches echt gut ist, aber aus einem blöden Film stammt?
        Nein

        10. Auch auf Moviepilot bleiben Hass-Kommentare zuweilen nicht aus. Wie gehst du mit solchen um? Beschäftigt dich so etwas über deine Internetnutzung hinaus, oder ist es dir egal?
        Ich verweise einfach auf kobbis Beitrag, da kann ich mich nur anschließen.

        11. Schreibst du auch noch woanders über Filme oder frönst deiner Filmleidenschaft anderweitig im Internet? Wenn ja, wo?
        Hab mich immer mal wieder nach Alternativen zu MP umgesehen, leider sind die nicht besser, bin daher nur hier unterwegs.

        12. Zum Schluss: Ich lese gerne. Welchen deiner Kommentare sollte ich mir mal zu Gemüte führen? Was empfiehlst du?
        Mhm schwierig, kann mich nur schwer zwischen "Baraka", "Mission" und "das weiße Band“ entscheiden, nenne jetzt einfach mal alle drei.
        https://www.moviepilot.de/movies/baraka-2
        https://www.moviepilot.de/movies/the-mission-2
        https://www.moviepilot.de/movies/das-weisse-band

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        • Baraka und Samsara von Ron Fricke sind für mich visuell das Maß aller Dinge.

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          • 7

            Alain Delon, Jean-Paul Belmondo, Charles Boyer, Jean-Pierre Cassel, Yves Montand, Michel Piccoli, Simone Signoret, Jean-Louis Trintignant, Kirk Douglas, Orson Welles, Gert Fröbe und Anthony Perkins sind die wohl bekanntesten Stars die in René Clément monumentaler Geschichtsstunde über die Befreiung von Paris mitspielen.
            René Cléments „Brennt Paris?“ Erinnert stark an „der längste Tag“, nicht nur aufgrund des enormen Staraufgebots das Clèment versammelt, sondern weil auch dieser Film der Versuch ist, ein historisches Ereignis detailliert filmisch zu rekonstruieren.
            Trotz großem Detailreichtum werden dabei die Tatsachen doch recht vereinfacht, vor allem die Missachtung Hitlers Befehls zur Zerstörung Paris, wird recht stiefmütterlich behandelt. Man wollte wohl lieber den Widerstand der Pariser Bevölkerung und die Freie Französischen Streitkräfte de Gaulles in Szene setzten und weniger die Befehlsmissachtung eines deutschen Generals.
            Man sieht Clèments monumentaler Film, ist vor allem auch ein Denkmal an den französischen Widerstand.
            Besonders stark und gelungen sind dabei die Straßenkampfszenen, diese sind nicht nur großartig inszeniert, sondern erhalten durch geschickt eingefügte Originalaufnahmen eine besondere Intensität. Auch wenn „Brennt Paris?“ mehr eine Geschichtsstunde, als etwa ein klassischer Kriegsfilm ist, ist es eben doch kein langweiliger Film, auch wenn er einiges an Sitzfleisch erfordert.
            Durch die vielen bekannten Gesichter gelingt es einen auch gut den vielen Handlungssprüngen zu folgen, wirklich glänzen kann dabei zwar eigentlich keiner der vielen Stars, doch hat deren Wiedererkennungswert so eben durchaus ein nutzen.
            „Brennt Paris?“ ist daher unterm Strich zwar kein Film für die Masse, doch für Francophile, Geschichtsinteressierte oder Fans der beteiligten Stars durchaus sehenswert.

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            • 9
              Drax 25.06.2020, 11:33 Geändert 25.06.2020, 11:38

              Harper Lees Buch „Wer die Nachtigall stört„ gehört zu meinen absoluten Lieblingsbüchern, obwohl es nun 60 Jahre alt ist, so hat dieses Werk doch nichts von seiner Stärke und Brisanz verloren.
              Robert Mulligan gelang mit der Verfilmung dieses Werkes eine außergewöhnlich gute Adaption und auch Harper Lee sagte einmal selbst: „Ich glaube, dass es eine der besten Übersetzungen eines Buches in einen Film aller Zeiten ist.“.

              Mulligans Verfilmung übernimmt zwar mehrere Stellen im Grunde 1:1, ändert aber doch auch vieles und schuf so ein insgesamt recht eigenständiges Werk.
              Nach wie vor wird die Geschichte aus der Sicht der Kinder erzählt. So erzählt der Film wie auch der Roman, auch wenn nicht in der Tiefe, eine zum Teil magische Geschichte über das Erwachsen werden.
              Eines Tages bricht in diese Kindheitsidylle der Geschwister Scout und Jem langsam die intolerante Welt des Rassismus ein, „Wer die Nachtigall stört„ ist daher auch eine Geschichte über den Verlust der kindlichen Unschuld und Naivität.
              Aus der scheinbar idyllischen Kleinstadt Maycomb Alabama wird so durch den Fall Tom Robinson, eines Schwarzen der sich an einer Weißen vergangen haben soll, innerhalb kürzester Zeit ein Ort des Hasses. „Wer die Nachtigall stört„ zeigt, wie durch einen kleinen Funken aus scheinbar anständigen Menschen innerhalb kürzester Zeit ein Haufen von Hass zerfressener Rassisten wird und am Ende ein offenkundig Unschuldiger, nur aufgrund seiner Hautfarbe verurteilt wird.
              Robert Mulligans Verfilmung fokussiert sich stärker auf die Geschehnisse um Tom Robinson und seinen Anwalt Atticus Finch (herausragend gespielt von Gregory Peck), dem großen Held der Geschichte. Atticus Finch ist ein Mann mit Idealen, der als Witwer versucht seinen Kindern diese Ideale weiter zugeben und ein Vorbild für sie zu sein.
              Wenn dieser Mann sein Plädoyer für seinen Mandanten hält, dann ist dies ein besonderer Moment im Film und wird eigentlich nur vom noch genialeren Ende übertroffen.
              „Wer die Nachtigall stört„ ist wie das Buch eben nicht nur ein Plädoyer gegen Rassismus, sondern allgemein ein Plädoyer für Offenheit und gegen die Ablehnung von „Fremden“. So kehrt der Film symbolisch vor seiner eigenen Tür. Zwar sind Jem und Scout rassistische Gedanken scheinbar fremd, so so zeigen sie doch im Umgang mit ihrem seltsamen Nachbarn Boo Radley, der nie das Haus verlässt, ähnliche Verhaltensweisen und glauben die Horrorgeschichten, die man sich über ihn erzählt.
              Wie so oft ist es die Angst vor dem Fremden aus Angst vor dem Fremden, die am Ende nur durch das Kennenlernen überwunden werden kann. Wenn am Ende Scout nun am Ende des Films diese Ängste überwindet, dann zeigt sich, auch sie ist eine kleine Heldin und auch hier kommt einmal mehr, der herausragende Satz ihres Vaters zu tragen: "Du brauchst nur einen einzigen Trick zu beherrschen, Scout, dann kommst du mit allen Leuten viel besser zurecht. Du verstehst einen Menschen erst richtig, wenn du Dinge auch mal aus seiner Sicht betrachtest...wenn du sozusagen einmal unter seine Haut kriechst und dort herumspazierst."

              Nun „Wer die Nachtigall stört„ ist ein Film, der nicht nur inhaltlich auch dank seiner Vorlage grandios ist, sondern auch Inszenatorisch voll und ganz überzeugt. Neben der schon angesprochen herausragenden Darstellung Gregory Pecks überzeugen auch die anderen Darsteller. Besonders hervorzuheben sind hier sicher die damals 9 Jährige Mary Badham als Wildfang Scout“ und Robert Duvall als Boo Radley, der hier trotz einer winzigen Rolle stark in Erinnerung bleibt.
              Dazu kommt eine hervorragende Kameraarbeit und eine wirklich meisterhafte musikalischen Untermalung. Elmer Bernstein hat ja in seiner Karriere einige große Filmmusiken komponiert, aber hier hat er sich schlicht selbst übertroffen und einen Score geliefert der nicht hätte besser passen können.
              Robert Mulligan gelang mit diesem Film eine wirklich würdige Verfilmung, die im Kern das meiste aus dem Buch überträgt und so wie das Buch perfekte anspruchsvolle und nachdenkliche Unterhaltung bietet.

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              • 7 .5

                Wie sollte ein modernes Strafsystem aussehen? Sollte Vergeltung bzw. der Rachegedanke an erster Stelle stehen?
                Hubertus Siegert behandelt in „Beyond Punishment“ den Gedanken von Restorative Justice, im Gegensatz zu Criminal Justice geht es dabei nicht um Vergeltung eines Unrechts mit einem Strafübel, sondern um Wiederherstellung von positiven sozialen Beziehungen bzw. um Wiedergutmachung, Versöhnung und Vertrauensbildung.
                „Beyond Punishment“ zeigt die Umsetzung von Restorative Justice anhand von 3 Fällen, in denen es zur Konstellation aus Hinterbliebenen von Opfern und deren Tätern kam.
                Was den Film dabei sehr sehenswert macht, sind die Einblicke in die jeweils persönliche Sicht auf das Verbrechen, seitens der Täter aber vor allem der Opferangehörigen. Durch die mehrjährigen Recherchearbeiten Siegerts, entstanden dabei wirklich faszinierende Interviews, in denen man das Gefühl von großer Nähe zu den Beteiligten hat.
                Besonders berührend und aufwühlend sind dabei die zwei Fälle, in denen es um jeweils 16 Jährige Opfer geht, gerade in diesen Fällen sind die Gegenüberstellungen von Opferangehörigen und Tätern nur schwer zu ertragen.
                Rührende Vergebungen sieht man bei so viel Schmerz und Trauer daher in „Beyond Punishment“ auch nicht, was man jedoch durchaus sieht, ist das Restorative Justice zumindest hier und da, den Angehörigen hilft und auch ein großen Teil der Täter nicht kalt lässt.
                Vor allem aber zeigt Siegerts Doku, ein System, das nur auf Criminal Justice ausgelegt ist, bei dem die Täter dann ihre Zeit absitzen, hilft eigentlich niemanden und so bringt es der Mutter eines der Opfer auch nichts, dass der Mörder ihres 16 Jährigen Sohnes zu 40 Jahren Haft verurteilt wurde, dass was sie möchte, ist schlicht, dass der Täter seine Tat eingesteht.

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                • 8
                  über Mid90s

                  Jonah Hill liefert mit seinem Skater- und Coming of Age Movie „Mid90s“ ein wirklich außerordentlich starkes Spielfilmdebüt ab.
                  Der Film ist dabei eine Reise in Hills eigene Jugendzeit bzw. wie der Name schon sagt die 90er Jahre und auch wenn Hill hier und da an der Nostalgieschraube dreht, ist der Film doch weit von einer verklärt-nostalgischen Glorifizierung dieser Zeit entfernt.
                  „Mid90s“ ist eine sehr gelungene Milieu- und Charakterstudie. So geht es eben auch weniger um die Geschichte, die an sich eher dünn ist, sondern um Gefühle und das eintauchen in die damalige Skaterszene und den Lebensabschnitt der 13-Jährigen Hauptperson Stevie, einer Zeit, in der das große Verlangen dazuzugehören und den Älteren nachzueifern zentral ist, genauso wie die Abkapselung von den eigenen Eltern und die ersten sexuellen- und Alkohol Erfahrungen.
                  Auch wenn der Film dabei eine Liebeserklärung an die Skaterszene der 90er ist, so zeigt er auch durchaus die weniger schönen Seiten dieser Szene, wie das vollkommen lächerliche Männlichkeitsbild und so wird man schon von einigen als schwul (natürlich der Inbegriff der Unmännlichkeit in der Szene) bezeichnet wenn man einfach Danke sagt.
                  Mit „Mid90s“ gelang Jonah Hill ein wirklich glaubhafter Coming-Of-Age-Movie mit einer starken jungen Cast, allen voran Sunny Suljic als Stevie. Durch das 4:3 Format und die auf 16mm gedrehten Bilder erhält der Film dazu ein 90er Jahren Videofilm Look, wodurch die Reise in die 90er perfekt abgerundet wird.

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                  • 6 .5
                    Drax 20.06.2020, 11:43 Geändert 20.06.2020, 11:46

                    „Der zehnte Tag“ gehört wahrlich nicht gerade zu den leicht zugänglichen von Claude Chabrol.
                    Orson Welles sagt einmal im Film: „Sie befinden sich hier in einem Labyrinth.“ und beschreibt damit im Grunde perfekt den ganzen Film.
                    „Der zehnte Tag“ ist eine surreal bebilderte und sehr vertrackte Kriminal- bzw. Dreiecksgeschichte.
                    Hinter der Fassade großbürgerlichem Luxus, verbirgt sich eine große Familientragödie, die voller Geheimnisse steckt,

                    Chabrols teils kammerspielartiger Film gehört dabei zwar zu den interessantesten Werken von ihm, aber sicher nicht zu den besten Filmen.
                    Der etwas zu konstruiert wirkende und von Symbolik teils recht überladene Film, macht einen das Ansehen einfach nicht gerade leicht.
                    Dabei hat der Film durchaus seine Reize, Chabrol gelang auch hier einmal mehr ein atmosphärisch dichter Film, der neben einer gelungenen Kameraarbeit, großartigen Farbgestaltung und verstörender Filmmusik von Chabrols Hofkompnisten Pierre Jansen auch ein erstklassiges Ensemble zu bieten hat.
                    Neben Orson Welles als alternder Patriarch kann man auch Anthony Perkins in seiner Paraderolle als verstörter jungen Mann und Michel Piccoli als außenstehender Beobachter der Familientragödie bewundern.
                    Liebhaber von den Werken Chabrols sollten sich diesen Film sicher nicht entgehen lassen, ansonsten sollte man wohl Fan dieser Art von Film sein, ansonsten wird man nicht viel mit diesem Werk anfangen können.

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                      Drax 19.06.2020, 19:28 Geändert 19.06.2020, 20:11

                      Musikdokumentationen gibt es wie Sand am Meer, „Conny Plank - The Potential of Noise“ sticht dabei jedoch ganz klar heraus.
                      Mit Conny Plank steht dabei eine der bedeutendsten Persönlichkeiten der jüngeren deutschen Musikgeschichte im Zentrum. Plank stand zwar selbst so gut wie nie auf der Bühne, als Produzent ist er jedoch eine der Schlüsselfiguren des Krautrocks und der frühen Elektronikmusik der 1970er Jahre.
                      „The Potential of Noise“ ist dabei eine Reise auf den Spuren dieses Künstlers, die von keinem geringeren als seinem Sohn unternommen wird. Dies verleiht der Doku einen ganz besonderen Reiz und Qualität, nicht nur weil er als Sohn einige interessante Dinge erzählen kann, sondern auch weil sich viele Weggefährten seines Vaters sich so sicher mehr öffneten, als sie es bei „Außenstehenden“ getan hätten.
                      Zwar gibt es insgesamt viel Lob und nur wenige kritische Aspekte zu hören, dennoch erhält man ein ziemlich gutes Bild von Conny Plank, der sich selbst vor allem als Medium zwischen dem Musiker und dem Aufnahmeband betrachtete.
                      Recht schade ist, dass man eher wenig über die frühe Zeit, also die frühen 70er und vor allem Planks Zusammenarbeit mit Neu! und Kraftwerk erfährt. Gerade die Entstehung des legendären Albums „Autobahn“ wird eigentlich fast vollkommen übergangen, dabei ist gerade diese Zusammenarbeit jedoch die wohl bedeutendste. Hier wäre es sehr interessant gewesen wie stark Planks Beitrag nicht nur zum Album selbst, sondern zum heutigen Bild von Kraftwerk überhaupt ist.
                      Aber was solls, Stephan Plank und Co-Regisseur Reto Caduff gelang eine sehr sehenswerte Doku, die nicht nur was für Liebhaber von Planks Schaffen ist.

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                        Drax 14.06.2020, 19:36 Geändert 14.06.2020, 19:55

                        Charlie Chaplins Spätwerk „Rampenlicht“ wird leider oft etwas übersehen, wenn es um seine ganz großen Filme geht, dabei ist es einer seiner faszinierendsten und bewegendsten.
                        Im Zentrum des Films steht dabei Calvero, ein ehemals großer gefeierter Clown, den nun niemand mehr auf der Bühne sehen will.
                        Chaplin zeigt in dieser Rolle, eine seiner größten Leistungen überhaupt. Vor allem sein großes Talent für das Tragische wird hier besonders sichtbar, zwar zeigt er auch hier in einigen Szenen sein Talent für das komische, seine Rolle ist jedoch wie der ganze Film doch eher tragisch. Die Szenen, in denen Chaplin ohne Worte und nur mit seiner außergewöhnlichen Mimik seine Geschichte erzählt und seine innersten Gefühle offenbart sind schlicht brillant und äußerst beeindruckend.
                        Es ist jedoch nicht nur seine schauspielerische Leistung, die diesen Film für alle Chaplin Fans eigentlich zu einem muss macht, „Rampenlicht“ ist eben auch sein persönlichster und eigentlich auch sein Abschiedsfilm.
                        Der Film ist eine Reise in seine Jugend, in das Londoner Varieté-Milieu und auch eine Hommage an eben dieses.
                        Leider gibt es noch eine andere und zwar traurige Parallele zwischen dem hier gezeigten und Chaplin selbst, so wie hier nämlich Calvero vom Publikum fallen gelassen wird, so wurde auch Chaplin noch vor der Premiere von seiner Wahlheimat den USA fallen gelassen bzw. verbannt.

                        Mit „Rampenlicht“ zeigt Chaplin noch ein, all sein ganzes können und drehte ein bewegendes Drama, dass zugleich ein Abschiedsgruß an das einstige so große Londoner Varieté-Milieu, die früher so gefeierten Clowns und vor allem die großen Stummfilmstars Charlie Chaplin und Buster Keaton (hatten hier ihren einzigen gemeinsamen Auftritt) ist.

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                          Drax 13.06.2020, 11:06 Geändert 13.06.2020, 11:14

                          John Lee Hancock erzählt in „The Founder“ die Gründungsgeschichte des Fast Food Giganten McDonald’s. Nun ich hatte, auch mit Blick auf einige Kritiken zum Film, durchaus etwas die Angst hier einen Werbefilm für das Unternehmen zu sehen und der Anfang wirkt tatsächlich so. „The Founder“ entführt uns in die schönen nostalgischen 50er Jahre, eine Zeit, in der alles gut war, außer natürlich die vielen schlechten Fast-Food-Restaurants, die das ansonsten so schöne Leben der Kunden ganz schön strapaziert haben. Nun gab es zum Glück die Brüder McDonald, die in der Tradition von Henry Ford und Frederick Winslow Taylor, ein nahezu perfektes System für ihre Branche entwickelt haben, um ihre Kunden glücklich zu machen. Leider gelang es ihnen nicht, daraus ein erfolgreiches Franchise zu machen. Doch zum Glück gab es den geschäftstüchtigen und immer an sich glaubende Ray Kroc, ohne den Mc Donalds ein unbedeutendes Burger-Restaurant in der Wüste von Kalifornien gebliebenen wäre.
                          Das alles wirkt tatsächlich erst einmal wie ein Werbefilm, nur zeigt John Lee Hancock wie Ray Kroc nach und nach die McDonald Brüder ausbotet und das Unternehmen mit allen Mitteln groß macht.
                          Das stärkste am Film ist dabei die Auseinandersetzung zwischen den McDonald Brüdern und Ray Kroc, der den beiden am Ende sogar den Namen stiehlt. Das alles zeigt hervorragend wie Erfinder meistens kaum etwas von dem haben, was sie entwickeln, während andere damit Reich werden.
                          So stark dieser Aspekt des Films ist, vieles andere wirkt dagegen wie Beiwerk, gerade die Auseinanderdriftente Ehe von Ray Kroc oder seine Affäre mit seiner späteren Frau wirken absolut belanglos.
                          Auch mit der unkritische und extreme positive Darstellung der McDonald Brüder kann ich mich nicht ganz anfreunden. Beide mögen zwar recht integre Personen gewesen sein und auf Sponsoring von Coca Cola verzichtet haben, weil sie nicht zu kommerziell sein wollten, aber auf der anderen Seite hatten sie eben keine Probleme mit tayloristische Methoden ihr Restaurant auf maximalen Profit zu trimmen und ihr extrem zucker- und fetthaltiges Essen als Kost für die Familie zu vermarkten. Gerade damit haben sie nun mal ein zentrales Problem des McDonalds-Imperium von heute vorweggenommen.
                          Insgesamt hätte „The Founder“ daher einiges mehr an Kritik und und auch Zynismus gutgetan, durch den aber über Leichen gehenden Ray Kroc ist er Film dennoch keine unkritische Auseinandersetzung mit McDonalds, gerade der stark und zugleich abstoßend spielenden Michael Keaton verleiht der Figur dabei große Glaubwürdigkeit.

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                            Europa um die Jahrhundertwende: Die emanzipierte und ehrgeizige Journalistin Sonya Winter entdeckt eine geheime Organisation, die europaweite Auftragsmorde anbietet. Als sie Kontakt zu dieser geheimen Organisation aufbaut, gibt sie den Auftrag, den Anfürer der Organisation Iwan Dragomiloff umzubringen, wodurch eine europaweite Menschenjagd beginnt.
                            Die skurrile Geschichte von „Mörder GmbH“ basiert auf einen von Jack London unvollendeten Roman, aus der ursprünglich satirischen aber doch ernsthafte Geschichte mit philosophische Anklänge, machte Basil Dearden schließlich eine reine Komödie, die statt in den USA in Europa spielt.
                            Nun beginnt der Film erst einmal extrem stark und bietet in der ersten Hälfte neben einer tollen Atmosphäre, guten Darstellern die passende Mischung aus Action und Humor.
                            Hätte der Film dieses Niveau gehalten, so hätte „Mörder GmbH“ das Zeug zu einen großen Kultfilm.
                            Das Problem ist, dass der Film nach etwa der Hälfte der Zeit, die damalige politische Lage nicht mehr nur als interessanten Hintergrund nutzt, sondern das Ganze ein zentraler Bestandteil der Geschichte wird. Leider wird der Film dadurch zunehmend albern und übertrieben, wodurch die zweite Hälfte im Vergleich zur ersten stark abfällt,
                            Dank der schrägen Figuren und deren Besetzung, wie etwa Philippe Noiret als Bordell Besitzer, Curd Jürgen als preußischer General oder Telly Savalas als größenwahnsinniger Attentäter, bleibt „Mörder GmbH“ trotz dieser recht schwachen zweiten Hälfte dennoch recht unterhaltsam. Insgesamt wäre hier jedoch deutlich mehr drinnen gewesen.

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                              „We need a pedagogy free from fear and focused on the magic of children's innate quest for information and understanding.“
                              Sugata Mitra

                              Der Österreicher Erwin Wagenhofer hat mit „Alphabet“ eine Dokumentation gedreht, die mich auch Jahre nach dem ich sie zum ersten Mal gesehen habe, noch immer begeistert.
                              Mit „Alphabet“ setzt sich Wagenhofer umfassend mit dem Thema Bildung auseinander und schuf so die für mich beste und eindrucksvollste Doku zu diesem Thema.
                              Dies gelingt ihm, in dem er eine Vielzahl von Personen zu Wort kommen lässt und so vor allem Denkanstöße bietet und jedem selbst überlässt, was er genau daraus mitnimmt.
                              Besonders interessant ist dabei die Gegenüberstellung von extrem freien Lernen und extremen Druck.
                              Mit dem Beispiel von André Stern, der nie beschult/unterrichtet wurde, fordert Wagenhofer eben nicht wie einige unterstellen, die Abschaffung der Schule bzw. Unschooling für alle, sondern zeigt, dass es sogar Alternative zum System Schule gibt. Schule ist eben nicht etwas wie Schlafen oder Atmen bzw. etwas, was unweigerlich mit uns Menschen verbunden ist, sondern eine Erfindung von uns Menschen.
                              Auf der anderen Seite zeigt „Alphabet“ mit der Erwartungshaltung in China gegenüber den Kindern das genaue Gegenteil. So ist es auch die wohl erschütternde Szene des Films, wenn eine chinesische Mutter eine Vielzahl von Auszeichnungen ihres Sohnes stolz in die Kamera hält, während der Sohn total apathisch daneben sitzt.
                              Spätestens hier sollte jedem klar sein, Erfolg und am Ende auch eine große Karriere gehen nicht zwingend mit Glücklichsein und Freude einher.
                              Gerade dieser Vergleich zeigt, es geht eben auch nicht nur um die Schule selbst, sondern auch um die Erwartungshaltung der Eltern.

                              Nun kann man natürlich die Schule hier in Deutschland als einen guten Mittelweg betrachten, doch zeigt Wagenhofer hier richtigerweise, dass dies schlicht nicht der Fall ist. Auch hier in Deutschland wächst der Druck auf Kinder und Jugendliche stetig, dieser Druck, der stark von den Eltern kommt, die wiederum selbst den Druck von Außen erliegen, beginnt dabei eben auch immer früher.
                              Auch hier schafft es Wagenhofer, ein umfassenden Blick zu haben. Die Opfer des ganzen sind eben nicht nur die, die unter hohen Druck schulische Höchstleistungen erzielen, sondern eben auch die, die man gerne als „Bildungsverlierer“ bezeichnet.
                              Warum wir nichts oder kaum was daran verändern? Tja für die meisten Menschen ist intrinsische Motivation ein Fremdwort, Kinder die aus eigenen Antrieb und Freude heraus lernen kann es schlicht nicht geben, man musste ja selbst in der Schule zum Lernen angetrieben/manipuliert werden. Hier zeigt sich, wie allgemein im Umgang mit Kindern, ein großer Mangel an Vertrauen, Vertrauen welches man gerade in Sachen Bildung selbst nie erlebt hat.

                              „Alphabet“ gibt so viele Impulse und Denkanstöße und das ist die Stärke des Films, dass die Doku keine konkreten Antworten liefert bzw. die „perfekte Schulen“ präsentiert, mag man vielleicht schade finden, so verliert der Film sich aber eben auch nicht in irgendwelche Kleinigkeiten etwa die Sinnhaftigkeit von Noten.
                              Mal ganz davon abgesehen, dass es bei formaler Bildung schlicht keine Schule für alle geben kann, da wir Menschen einfach zu unterschiedlich sind.

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                                Drax 11.06.2020, 11:49 Geändert 11.06.2020, 11:50

                                Ted Kotcheff Krimikomödie „Die Schlemmerorgie“ gehört wohl sicher zu den Filmen, die man sich immer wieder ansehen kann.
                                Auch wenn die extrem konstruierte Story an sich nicht gerade überragend ist, so bietet der Film doch dank spritziger Dialoge, schwarzen/makaberen Humor und den skurrilen Figuren und deren Darsteller gute Unterhaltung.
                                Das Glanzstück des Films ist dabei ganz klar Robert Morley als snobistischer Gourmet, dem diese Rolle wahrlich auf seinen dicken Leib geschrieben wurde.
                                Alleine dieser Robert Morley in der Rolle des gefürchtetem Restaurantkritiker und seine Sprüche machen diesen Film schon sehenswert.

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                                  Eigentlich müsste diese Dokumentation total mein Fall sein, Mohammad Farokhmanesh und Frank Geigers Film beschäftigt sich eben nicht nur mit Rechtsextremismus, sondern vor allem mit der Bedeutung der Erziehung dabei.
                                  Leider ist der Film von einer gelungenen Auseinandersetzung mit der Thematik weit entfernt.
                                  Ein großes Problem des Ganzen ist schon die Wahl dessen, mit was sich der Film auseinandersetzt und mit was eben nicht.
                                  „Kleine Germanen - Eine Kindheit in der rechten Szene“ konzentriert sich auf das völkisch-nationale Milieu. Dabei zeigt die Doku, wie Kinder in einer geradezu Parallelwelt aufwachsen und von klein auf indoktriniert werden und permanent Feindbilder und nationalistisches Gedankengut eingetrichtert bekommen. So problematisch und beachtenswert dieser Teil der Erziehung ist, die Bedeutung bzw. Einfluss der zum Teil extrem autoritären Erziehung an sich, wird leider wiederum kaum beleuchtet. Zwar wird hier immer mal wieder ganz kurz die physische und psychische Gewalt in all den vielfältigen Formen gezeigt oder angesprochen, aber es findet eben nie eine Auseinandersetzung damit stat
                                  Dabei ist es gerade diese Erziehung, die eben die Kinder hier mit vielen anderen verbindet, die eben am Ende rechtsextreme oder allgemein autoritäre Einstellungen entwickeln.
                                  Die Mehrzahl der Menschen mit rechten Einstellungen hat eben nie so eine Indoktrination erhalten, wie sie im Film gezeigt wird, sie haben jedoch durchaus genauso wie die Kinder in dem Film häufig körperliche und psychische Gewalt erlebt, mussten gehorsam sein, mussten Gefühle unterdrücken, haben wenig Empathie und Einfühlungsvermögen erlebt usw.
                                  Leider wird im Film lieber gezeigt wie man den Kinder anhand der Fortpflanzung der Tiere, was von Reinheit der Rasse eintrichtert, als die massive Folgen von Liebesentzug oder Beschämung als Bestrafungsmethoden auch nur kurz zu beleuchten.

                                  Nun wäre das Ganze ja durchaus noch ein recht sehenswerter Film über das völkisch-nationalistische Milieu und die massive Indoktrination der Kinder in diesem Milieu, wäre da eben nicht dieser lächerliche Mix von Darstellungsformen.
                                  So wird einem neben Interviews von Fachleuten und bekannten Rechtsextremisten, der tragische Fall einer Aussteigerin und ihren zwei Kindern mittels eines knallbunten Animationsfilms gezeigt. Diese Animation wirkt dabei leider schlicht plump und schafft es auch nicht die Tragik dieses Fall zu verdeutlichen.
                                  So ehrenwert die Absichten von Mohammad Farokhmanesh und Frank Geiger auch waren, dass was man hier sieht, ist leider wenig gelungen.

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                                    Die 80er waren recht bewegte Jahre hier in Deutschland mit Blick auf die Proteste gegen Gorleben und dem Nato-Doppelbeschluss, wobei sich Oliver Haffners Film mit der wohl heftigsten Auseinandersetzung dieser Zeit beschäftigt.
                                    Der Kampf um Wackersdorf von 1985 bis 1989 zählt wahrlich nicht zu den ruhmreichen Momenten in der deutschen Geschichte, sondern im Gegenteil, dass was der Saat bzw. die bayerischen Staatsregierung in dieser Zeit abgeliefert hat erinnert doch stark an faschistischen/autoritäre Regierungen.
                                    Der damalige Landrat der Gegend Hans Schuierer (wie konnte eigentlich ein SPD-Politiker dort Landrat werden? ??) Sprach damals nicht umsonst von „Ein-Mann-Demokratur Strauß’scher Prägung“, „CSU-Demokratur“ oder „Terror in Vollendung“.
                                    Nun ist es gerade dieser Hans Schuierer, um den es hier geht. Schuierer der anfangs die Wiederaufarbeitungsanlage befürwortete, entwickelte jedoch nach und nach eine extrem kritische Haltung und wurde schließlich der wohl wichtigste Gegner der WAA. Die Wahl von Schuierer als Hauptfigur ist dabei mehr als perfekt, nicht nur weil er der wichtigste Gegner war, sondern weil er mit seiner Entwicklung stellvertretend für viele der damaligen Protestler steht.
                                    So waren es zu einem sehr großen Teil doch Einheimische, also eigentlich sehr Konservative für die, die Wahl der CSU genauso wie der sonntägliche Kirchgang zur Normalität gehörte, die sich gegen die WAA stellten.
                                    Der Film ist dabei bewundernswert detailgetreu und gibt einen zumindest etwas das Gefühl, wie undemokratisch und unrechtstaatlich es damals in Bayern zuging, etwa wenn die Behörden Gesetze missachten, Gesetze mal eben geändert werden (Lex Schuierer) oder die Regierung massive Polizeigewalt gegen die Demonstranten einsetzt.
                                    Gerade diese Detailgetreue und auch Nähe zu den realen Ereignisse durch Archivbilder von damals sowie z.B. Anna Maria Sturm, die als Kind damals bei den Protesten dabei war und im Film quasi ihre Mutter verkörpert, verleihen diesem Film doch einen besonderen Reiz und Spannung und verzeihen auch einige Schwächen, wie etwa die vielen schematischen Figuren.
                                    Was ich jedoch besonders schade finde, ist dass alle Figuren bis auf Hans Schuierer fiktive Namen tragen, aus Peter Gauweiler wurde sogar ein namenloser Staatssekretär, wobei er zumindest genauso unsympathisch ist wie der Echte.

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                                    • Leider ist die Doku vor allem ne doch recht große und unkritische Lobhudelei, die weit von einer gelungenen Auseinandersetzung mit einem großen Regisseur entfernt ist.

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                                        Drax 05.06.2020, 19:49 Geändert 05.06.2020, 19:51

                                        „Tarantino - The Bloody Genius“ ist leider genau dass, was ich etwas befürchtet habe, nämlich eine doch recht große und unkritische Lobhudelei.
                                        Ich will damit nicht sagen, dass die Doku schlecht ist, man erfährt hier und da doch einiges Interessantes über Tarantino und sein Werk und dazu ein paar nette Anekdoten. Es bleibt jedoch alles in allem recht oberflächlich und eine tiefere Auseinandersetzung mit ihm aber auch sein Werk, findet eben nicht stat. Man hat ehrlich gesagt das Gefühl, dass diese Doku einfach nur für Tarantino-Fans gemacht wurde und so wird Kritik, falls sie auftaucht, einfach zur Seite gewischt.
                                        Besonders seltsam sind dabei vor allem die Momente, in denen es immer wieder um Harvey Weinstein geht. Während dieser in zum Teil etwas seltsam wirkenden Szenen kritisch dargestellt wird, wird die Rolle von Tarantino in dem Zusammenhang im Grunde vollkommen außer Acht gelassen. Für Tarantino-Fans mag „Tarantino - The Bloody Genius“ daher zwar ein Genuss sein, für alle anderen ist diese Doku hingegen zwar ganz nett, aber weit von einer gelungenen Auseinandersetzung mit einem großen Künstler entfernt.

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                                          Drax 04.06.2020, 10:05 Geändert 04.06.2020, 10:08

                                          Man könnte dem Film hier gut den Beinamen „Die Lebenslüge des Kurt Waldheim und einer Nation“ hinzufügen.

                                          Ruth Beckermann behandelt in ihrer Doku die Waldheim-Affäre, für die meisten Deutschen eher unbekannt, stellt diese Affäre in unserem Nachbarland Österreich doch ein tiefer Einschnitt dar, der das Land bis heute prägt.
                                          Im Zentrum dieser Affäre stand der einstiege UN-Generalsekretär und spätere österreichische Bundespräsident Kurt Waldheim. Als dieser 1986 zur Wahl des Bundespräsidenten antrat, veröffentlichten Medien und der Jüdische Weltkongress bis dahin unbekannte Details seiner Vergangenheit aus der braunen Zeit und lösten eine internationale Debatte über seine Rolle in dieser Zeit und die Frage, ob er Bundespräsident werden könne aus.
                                          Ruth Beckermann, die sich damals selbst gegen Waldheims Wahl engagierte, gibt durch ihr damals selbst gedrehtes Material, aber auch reichhaltiges Archivmaterial, tiefe Einblicke in diese Debatte.
                                          Dabei zeigt der Film nicht nur wie Waldheim selbst, sondern auch das Land Österreich die eigene Rolle und dementsprechend Schuld und Verantwortung verdrängten und sich in die Opferrolle begaben.
                                          Zugleich zeigt der Film, wie stark der Antisemitismus damals noch in der Bevölkerung verwurzelt war und in diesen Tagen offen zu Vorschein trat, was wesentlich an Waldheim und seine ihm unterstützende konservative ÖVP lag, die diese durch ihre Verteidigung zu mobilisieren wussten.
                                          Man war also nicht mehr nur das erste Opfer Adolf Hitlers, sondern nun auch das Opfer eines jüdischen Rachefeldzuges.
                                          Das Kurt Waldheim damals Bundespräsident wurde ist erschreckend, nicht nur weil er ein Lügner war und nicht zu seiner Rolle stand, sondern vor allem auch, weil er damals skrupellos antisemitische Ressentiments zur Abwehr nutzte. Zum Glück gab es damals jedoch eine international recht klare Reaktion auf ihn bzw seine Wahl und langfristig trug diese Debatte wesentlich zur Abkehr von der staatlichen Opferthese bei.

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                                            Drax 03.06.2020, 19:06 Geändert 03.06.2020, 19:21

                                            Es gibt ja eine ganze Reihe von kritischen Dokumentationen zu unserer Ernährung/Landwirtschaft, doch dieser Doku hier sticht klar heraus.
                                            „Das System Milch“ beleuchtet unseren heutigen Umgang mit Milch und das äußerst umfassend. Unter anderem beschäftigt sich die Doku mit der Lage der Bauern, Umwelt und Tiere.
                                            Das zentrale Problem ist dabei wie so oft die Kommerzialisierung, am Ende tragen den Schaden dabei die kleineren Bauern ob hier oder in Afrika und natürlich vor allem die Tiere davon.
                                            Neben der umfassenden Betrachtung des Themas ist es vor allem die Art der Doku die „Das System Milch“ auszeichnet.
                                            Andreas Pichlers Doku ist kritisch aber erfreulich sachlich und unpolemisch, statt einem moralischen Zeigefinger bekommt man hier Fakten und unterschiedliche Sichtweisen geliefert, so dass man sich selbst seine eigene Meinung bilden kann.
                                            Hier und da hätte ich mir zwar mehr Tiefe gewünscht, etwa wenn es um die gesundheitlichen Auswirkungen geht oder was mit den Rindern, vornehmlichen Bullen geschieht die, die „Abfallprodukte“ dieser Industrie sind. Nicht selten werden diese nämlich direkt nach der Abkalbung brutal umgebracht oder sie werde schnell für die Schlachtung hoch gemästet.
                                            Dennoch ist diese Doku mit die Beste die ich bisher zum Thema Nahrung/Landwirtschaft gesehen habe.
                                            Obwohl ich zwar viele dieser teils massiven Probleme bezüglich Milchprodukten kannte, mit allen auf einmal konfrontiert zu werden und das auch mit teils zusätzlicher Tiefe, wird wohl dazu führen, dass ich in Zukunft meinen Konsum von Milchprodukten noch weiter stark einschränke.

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                                            • 1. An wen denkst du gerade?
                                              An Otto Dix, hab gerade ne Doku über ihn gesehen und bin wieder einmal von ihm und seinen Werken total begeistert.

                                              2. Gibt es etwas, was du nicht kannst, aber trotzdem tust?
                                              Gibt vieles wie hier Filme kommentieren oder singen.

                                              3. Was würdest du niemals machen?
                                              Man sollte niemals nie sagen.

                                              4. Vermisst du jemanden?
                                              jap

                                              5. Findest du Marvel oder DC besser?
                                              Nervt mich beides gleich.

                                              6. Welches ist dein Traumauto?
                                              Hab kein Führerschein, wobei ich als Kind den Mercedes-Benz W 198 total cool fand.

                                              7. Was ist deiner Meinung nach die sinnloseste Erfindung der Menschheit?
                                              Würde ja gerne Waffen sagen, nur wo wären wir heute ohne Waffen für die Jagd?
                                              Ich schwanke daher zwischen Menschenrassen und der Sklaverei.

                                              8. Träumst du?
                                              Jap, vor allem wenn ich wach bin.

                                              9. Hast du jemals eine Zahnspange oder eine Brille getragen?
                                              Ich trage ne Brille.

                                              10. Wer ist dein Vorbild oder deine Vorbilder?
                                              Den Begriff „Vorbild“ mag ich nicht so, gibt aber einige Menschen die mich sehr inspirieren wie etwa Janusz Korczak, Joan Baez oder Astrid Lindgren.

                                              11. Wenn du einen Superheldennamen hättest, welcher wäre es?
                                              Fällt mir keiner ein.

                                              12. Hattest du schon einmal das Gefühl noch nicht dazu zugehören?
                                              Jap

                                              13. Gibt es jemanden mit dem du gerne Filme schauen würdest?
                                              Am liebsten mit allen meinen Lieblingsregisseuren deren Filme.

                                              14. Gibt es gerade jemanden auf den du stolz bist?

                                              15. Liest du lieber Zeitschriften oder Bücher?
                                              Ganz klar Bücher, hab schon lange keine Zeitschrift mehr gelesen.

                                              16. Wie oft gehst du ins Kino?
                                              Total unterschiedlich.

                                              17. Hast du einen Glücksbringer? Wenn ja, was?

                                              18. Was war dein Lieblingsspielzeug als Kind?
                                              Ist zwar kein Spielzeug, aber Papier und Stifte.

                                              19. Wenn du jetzt sofort irgendwo hinreisen könntest, wo würdest du hingehen?
                                              Ganz klar zu den Iguazú-Wasserfällen, ist der einzige Ort der Welt, den ich unbedingt einmal in meinem Leben besuchen möchte.

                                              20. YouTube oder Myvideo?
                                              Clipfish

                                              21. Warst du schon einmal in Disneyland?
                                              Nö, ist auch das genaue Gegenteil von einem Ort an dem ich hin möchte.

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                                                "Mein Name ist Karl Glocken. Und das - ist ein Schiff voller Narren. Ich bin ein Narr. Und Sie werden noch mehr Narren kennen lernen, im Verlauf dieser Reise, dieser Kahn ist voll von Narren. Emanzipierte Ladys, Baseballspieler, Verliebte, Hundenarren, leichte Mädchen, tolerante Juden, Zwerge, alle Sorten. Und wer weiß, wenn Sie nahe genug hinsehen, vielleicht finden Sie sich sogar selber an Bord."

                                                Mit diesen Worten wendet sich der kleinwüchsige Karl Glocken an uns, der einzig Weise auf diesem Schiff voll Narren.
                                                Wenn man dies Worte hört, könnte man fast meinen Stanley Kramers „Das Narrenschiff“ wäre eine leichte Komödie, dabei ist dieser Film eine intelligente, schonungslose und bitterböse Gesellschaftssatire.
                                                Hier gibt es zwar nette liebenswerte Narren wie der kleinwüchsige Karl Glocken oder der jüdische Geschäftsmann Julius Löwenthal (Heinz Rühmann), deren Zusammenspiel übrigens einfach herrlich ist, auf der anderen Seite gibt es jedoch auch Antisemiten und Rassisten.
                                                Kramers Film bietet einen kritischen und demaskierenden Blick auf eine bunt zusammengewürfelte Gruppe Mensch im Jahr 1933, bei der man viele tiefe Blicke hinter deren äußerlichen Fassaden werfen kann.

                                                Wie die Passagiere, so ist auch das Ensemble international bunt zusammengewürfelt und so sieht man neben Heinz Rühmann unter anderem Vivien Leigh, Simone Signoret, José Ferrer, Lee Marvin und Oskar Werner. Sie alle passen perfekt zu ihren Rollen und liefern durch die Bank starke Leistungen ab und verzeihen durch ihr Spiel auch ein paar klischeehafte Charakterzeichnungen.

                                                „Sie bestreiten doch nicht das die Juden unser Untergang sind“

                                                „Und die Radfahrer.“

                                                „Wieso die Radfahrer?“

                                                „Wieso die Juden?“

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                                                  Mit mein „Mein linker Fuß“ verfilmte Jim Sheridan den gleichnamigen autobiografischen Roman von Christy Brown, der von Geburt an unter Athetose leidet und obwohl er daher nur seinen linken Fuß kontrollieren kann, Auto und Maler wird.
                                                  Sheridans Film lebt dabei vor allem durch seine Darsteller, allen voran Daniel Day-Lewis als Christy Brown, der mit seiner famosen Darstellung im Grunde den ganzen Film überstrahlt.
                                                  Obwohl Daniel Day-Lewis schon mehrfach außergewöhnliche Darstellungen ablieferte, so ist diese hier doch vielleicht seine beste weil auch anspruchsvollste.
                                                  Durch Day-Lewis herausragende Darstellung dieses schwerst körperlich beeinträchtigten Menschen, gelingt es dem Film tiefen Einblick in das Seelenleben dieses Mannes zu geben.
                                                  Das, was man dabei sieht, ist nicht immer leicht zu ertragen und so ist „Mein linker Fuß“ trotz einigen Humors kein leichter Film, sondern ein Film, der offen und ehrlich ist.
                                                  Für Day-Lewis bedeutete diese Rolle nicht nur den internationalen Durchbruch, sondern zugleich sein ersten Oscar, den er sich hier wahrlich verdient hat.
                                                  Es ist etwas schade, dass hierdurch beinahe die ebenfalls extrem starke Leistung von Brenda Fricker als Christy Browns Mutter in den Hintergrund gerät.
                                                  Leider ist das was der Film, von den Darstellern einmal abgesehen, zu bieten hat nicht ganz so stark. Dramaturgisch wirkt der Film schlicht nicht ganz rund, eine etwas bessere Story hätte dem Film wahrlich gut getan.
                                                  Dennoch ist „Mein linker Fuß“ ein sehr sehenswerter Debütfilm von Jim Sheridan, der sich alleine schon wegen seinen Darstellern zu sehen lohnt.

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                                                    Nach dem starken Kommentar von Alex.de.Large hatte ich mal wieder Lust mir den Film anzusehen und ich muss sagen, ich bin genauso begeistert wie beim ersten Mal.

                                                    Der Film thematisiert dabei das japanische Ritual, bei dem verstorbene Menschen vor den Angehörigen aufgebahrt und für die letzte Reise gewaschen und schön gemacht werden bzw. äußerlich beinahe zu neuem Leben erweckt werden.
                                                    Nun beginnt die Eröffnungsszene genau mit so einem Ritual und so befremdlich dieses Ritual im ersten Moment sein mag, gelingt es dem Film doch einen vollkommen zu bannen.
                                                    Im Grunde steht diese eine Szene stellvertretend für den ganzen Film, einerseits bietet diese Szene große Ernsthaftigkeit und Einfühlsamkeit und zugleich doch auch Humor und gerade auch dadurch eine enorme Leichtigkeit.
                                                    Während viele Regisseure bei dieser Mischung aus Traurigkeit und Lebensbejahung kläglich scheitern würden, gelingt Yōjirō Takitandies dies erstaunlich gut. Obwohl der Humor durchaus ab und an was schon leicht Slapstickhaftes hat, wirkt er doch nie übertrieben oder gar deplatziert, sondern zeigt vor allem die Absurdität des Alltags.
                                                    Zugleich bietet der Film einige Nachdenklichkeiten, vor allem macht er deutlich, wie sehr wir uns in unserer modernen westlichen Welt vom Thema Tod und Abschiednehmen entfremdet haben.

                                                    Ein großes Highlight des Films ist dabei Hauptdarsteller Masahiro Motoki und sein ausdrucksvolles Gesicht. Masahiro Motoki gelingt es nahezu jede Emotionen ob Traurigkeit, Naivität, Staunen, Freude oder auch Entsetzen über seine grandiose Mimik auszudrücken.
                                                    Ein noch größeres Highlight ist die herausragende Musik von Joe Hisaishi, der sich hier selbst übertroffen hat. Hisaishi gelingt hier die Mischung aus Traurigkeit und Lebensbejahung des Films musikalisch perfekt wiederzugeben. Überhaupt zählt seine Musik hier mit zu den schönsten Filmmusiken, die ich jemals hören durfte.

                                                    „Nokan – Die Kunst des Ausklangs“ ist daher ein wundervoller und bewegender Film, beim dem es schwer fallen dürfte ihn nicht zu mögen.

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