Framolf - Kommentare
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Alle Kommentare von Framolf
In einer nicht allzu fernen Zukunft können sich todkranke (wohlhabende) Menschen einen Klon anfertigen lassen, der im selben Alter ist wie sie selbst und so ihre Position einnehmen kann. Erinnerungen werden auf den neuen Körper übertragen, sodass sie mehr oder minder nahtlos die Position ihres Vorgängers einnehmen können. Charakterlich treten graduelle Unterschiede auf, doch abgesehen vom Familienhund scheint das keinem Angehörigen des Protagonisten aufzufallen. Vielleicht will es auch einfach niemand wahrhaben.
Nicht so richtig auf dem Schirm zu haben scheinen die Autoren die Frage nach erworbenen Merkmalen. In körperlicher Hinsicht kommen da beispielsweise Narben in den Sinn, aber auch erworbene Fähigkeiten. Fiktives Beispiel: Nur weil zwei Personen dieselbe DNA haben und sich der Klon an jahrelanges Training des Originals erinnern kann, muss er ja nicht zwingend ähnlich gut Tennis spielen können. Auf die Handlung von 'Schwanengesang' bezogen stellt sich diese Frage in Bezug auf die Zeichenkünste; sie wird allerdings nur ausweichend beantwortet.
Grundsätzlich lässt sich dieser Stoff sowohl als Thriller als auch als Drama verfilmen. Regisseur Benjamin Cleary hat sich für die zweite Variante entschieden. In manchen Szenen wird das Tempo regelrecht verschleppt und es kann sich der Eindruck einstellen, dass zumindest eine leichte Straffung nicht geschadet hätte. Die wahrscheinlich größte Qualität der Inszenierung kommt wahrscheinlich in den Fragen, die im Rahmen der Handlung gestellt werden, zum Vorschein. Beantwortet werden nur die wenigsten davon. Doch woher sollen die Antworten auch kommen? Die Autoren sind schließlich auch nur Menschen. In gewisser Hinsicht gibt es diesbezüglich auch Schnittpunkte mit der 'Black Mirror' Episode 'Beyond the Sea', in der zwar nicht dasselbe, aber zumindest ein inhaltlich verwandtes Szenario durchgespielt wird.
Da der Erzählton fast schon meditativ wirkt, bietet eine Sichtung von 'Schwanengesang' sicher nicht den schlechtesten Anlass, in sich zu kehren und sich einigen Gedanken zu widmen, die im hektischen Alltag vielleicht zu kurz kommen.
KURZFAZIT
Ruhig erzähltes Science Fiction Drama über Trauer, Verlust und den Wesenskern familiärer Beziehungen.
++ Minimale SPOILER ++
Die Dramaserie 'Der Morgen davor und das Leben danach' befasst sich mit einem Unglücksfall, durch den binnen weniger Minuten mehrere hundert Leben aus den Fugen geraten. Einige der Betroffenen vernetzen sich in einer Selbsthilfegruppe, um sich wenigstens nicht komplett alleine zu fühlen. Ihre üblichen Alltagssorgen laufen unabhängig davon ungebremst weiter und verschärfen sich durch die neu entstandene Lage teilweise sogar noch. Noch schwieriger gestaltet sich die Situation für einen Jungen, der auf einen Schlag seine gesamte Kernfamilie verliert und nun bei seiner Tante aufwächst, die aber ihrerseits unter dem Verlust ihrer Angehörigen leidet und kaum Erfahrung in der Erziehung eines Halbwüchsigen aufweist.
Präsentiert wird also ein Plot, der durch und durch deprimierend wirkt, was sich auch im Titelsong widerspiegelt. Dass dieser in manchen Ohren als reinste Katzenmusik empfunden werden kann, steht nebenbei bemerkt auf einem anderen Blatt. Mit erzählerischen und stilistischen Mitteln, die sich auch im Arthousekino bewährt haben, werden der besagte Schüler und einige weitere Betroffene auf ihrem Weg durch den Alltag begleitet. Dabei gibt es mehrere Schnittstellen, an denen sich die Wege Charaktere kreuzen, denn einige von ihnen laufen sich nicht ausschließlich bei den therapeutischen Sitzungen über den Weg. Dabei wird auch eine ganze Reihe abstrakter Fragen aufgeworfen, die aber nur in den seltensten Fällen konkret beantwortet werden können.
Grundsätzlich geht es dabei um Beziehungsprobleme, finanzielle Sorgen, ein mögliches Coming Out, Rivalitäten innerhalb der Familie, am Rande auch um Sucht und natürlich durchgehend um Trauer und Verlustbewältigung. Schließlich muss es selbst nach verheerenden Ereignissen irgendwie weitergehen; und sei es nur aus
Verantwortungsgefühl gegenüber den Mitmenschen. Und genau darauf läuft die Moral von 'Dear Edward', so der Originaltitel, letztlich auch hinaus. Plausibel erscheint die Wahl beider Titel. Letzterer ist auf den Protagonisten zentriert und spielt auf eine ganz besondere Entwicklung an, der deutschsprachige hingegen hat eher das gesamte Ensemble im Blick. So gesehen unterscheiden sich auch die anvisierten Zielgruppen ein wenig. Denn trotz des jungen Hauptdarstellers stehen auch zahlreiche deutlich ältere Nebenfiguren im Zentrum der Handlung, deren Sorgen und Nöte „erwachsener“ kaum sein könnten. Zwar ist die Geschichte nicht unbedingt innovativ, für gewöhnlich werden derlei Stoffe allerdings in Spielfilmform behandelt, was dieser Serie dann doch wieder eine halbwegs eigenständige Note verleiht. Geholfen hat dies den Produzenten, den Darstellern und der Crew jedoch nur bedingt, denn mit Abschluss der zehnten Episode endet die Erzählung schon wieder. Der Schlusspunkt wird zwar durch einen kleinen Cliffhanger gesetzt, doch dieser fällt so moderat aus, dass sich der Ärger darüber bei den allermeisten Zuschauern in Grenzen halten dürfte.
KURZFAZIT
Ruhig erzählte Tragödie mit einem Silberstreif am Horizont.
Lewis Carrolls Alice-Romane werden oftmals als reine Kinderbücher missverstanden, doch in mehreren literaturwissenschaftlichen Publikationen wurden eine komplexe Struktur und eine ausgeklügelte Metaphorik herausgearbeitet, die den Schluss nahelegen, dass man mit möglichst großer Demut und Achtsamkeit an die Lektüre von 'Alice im Wunderland' und 'Alice hinter den Spiegeln' herangehen sollte. Eunhee Huh (Regie) setzt mit der Inszenierung von 'Alice: Boy From Wonderland' durch ein fintenreiches Spiel auf Meta-Ebene noch einen obendrauf.
♪♫ Cut my life into pieces
This is my last resort
Suffocation, no breathing
Don't give a fuck if I cut my arm bleeding
This is my last resort ♪♫
Man muss kein Fan von Papa Roach sein [bin ich auch nicht unbedingt], aber lange Zeit sieht es so aus, als würden diese Zeilen aus 'Last Resort' die Handlung von 'Alice: Boy From Wonderland' perfekt zusammenfassen. Selbstverletzendes Verhalten ist ein wiederkehrendes Motiv in der Erzählung und die letzte Zuflucht wird im Geist von Lewis Carroll verbildlicht. Überhaupt wird besonders während der ersten beiden Akte ein genussvolles Spiel mit Motiven aus 'Alice im Wunderland' zelebriert. Alleine das weiße Kaninchen findet auf gleich drei verschiedene Weisen Eingang in die Erzählung ( (1) Die Dame, die der Protagonistin den Weg weist, isst in einer unpassenden Situation Karotten. (2) Ein Junge, der ein weißes Shirt trägt, nimmt sie auf den weiteren Weg in das „Last Resort“ mit, wo es auch (3) ein tatsächliches weißes Kaninchen gibt). Auf dem Weg dorthin stolpert die Protagonistin und es scheint so, als würde sie in ein Loch fallen. In diesem Sinne geht dann auch weiter. Doch mit fortschreitendem Verlauf tritt die Architektur des Wunderlandes in den Hintergrund und die Handlung zentriert sich stärker auf die drei Hauptpersonen, die dort hausen. Es werden verschiedene Fragen aufgeworfen, die das Publikum dazu animieren sollen, eigene Hypothesen aufzustellen. Ein mögliches Beispiel wäre: „Verkörpert der junge Mann die Vergangenheit des Mädchens und die junge Frau ihre Zukunft?“
Gegen Ende hin werden die Hauptbestandteile der Handlung jedoch explizit aufgelöst und es bleiben lediglich noch Fragezeichen in Detailaspekten übrig (davon allerdings mehr als genug). Dabei kann einen durchaus das beklemmende Gefühl überkommen, dass der Handlung wahre Begebenheiten zugrunde liegen könnten – und ein entsprechender Satz im Rahmen des Abspanns bringt die traurige Gewissheit, dass dem tatsächlich so ist. Welcher Teil sich tatsächlich zugetragen haben soll, liegt auf der Hand (es ist nicht der Teil mit dem Wunderland, sondern die tief klaffende Backstorywound). Abgemildert wird die daraus resultierende Ernüchterung allenfalls durch die folgende skurrile Widmung ("My little rat Latte“ nebst eines entsprechenden Fotos, auf dem das Tierchen aus einer Pappschachtel lugt).
Unter dem Strich bleibt der Eindruck eines filmischen Rätsels, das sich ohne profunde Kenntnis südkoreanischer Mythen aber nur schwer entschlüsseln lässt. Dementsprechend notwendig (zumindest für ein internationales Publikum) sind dann auch die Erklärungen, die gegen Ende hin nachgereicht werden.
KURZFAZIT
Bildhaftes Psychodrama mit vereinzelten Einsprengseln aus dem Horrorgenre.
[Danke an EudoraFletcher68 für den Tipp,]
++ Leichte SPOILER ++
Ptolemy Grey (Samuel L. Jackson) leidet an Demenz. Zwar hat er immer wieder lichte Momente, doch die Abstände dazwischen werden größer. Ein zwielichtiger Mediziner (Walton Goggins) bietet ihm die Teilnahme an einer Medikamentenstudie an, die seinen Zustand vorübergehend verbessern soll. Klingt eher zweifelhaft, doch auf der anderen Seite wird es für Ptolemy auch immer schwieriger, einem Aufenthalt in einem Pflegeheim zu entgehen. Noch dazu trachten Teile der Verwandtschaft schon nach seinem Vermögen.
Die Drama-Miniserie 'Die letzten Tage des Ptolemy Grey' setzt sich auf unkonventionelle Art mit den Themen Demenz, Älterwerden und dem Umgang mit den verletzlichsten Mitgliedern der Gesellschaft auseinander. Einige weitere gesellschaftliche Fragen, wie beispielsweise institutioneller Rassismus (Polizeibeamte, die nicht richtig ermitteln) und Sozialpolitik (Versorgung von Rentnern, Obdachlosen und anderen Gruppen), spielen ebenfalls in die Handlung der Geschichte mit hinein. Zwar erhält diese durch das besagte Medikament eine leichte Science Fiction Note, abgesehen davon hält sich das Skript jedoch sehr nah an der Realität, die unzählige Menschen in ihrem Alltag erleben. Der Kunstgriff mit der Studie ermöglicht einen Perspektivwechsel des Protagonisten und legt die Motive derjenigen Angehörigen, die es nicht so gut mit ihm meinen, noch deutlicher frei. Drei von ihnen meinen es bedingungslos gut mit ihm, drei andere wollen an sein Vermögen herankommen und der Rest geht im vorwiegend aus dem Weg bzw. belässt es bei höflichen Floskeln bei zufälligen Begegnungen auf Familientreffen. Statt plakativer Malerei in schwarz und weiß ist man also erkennbar um eine differenzierte Darstellung bemüht, was im Großen und Ganzen auch eindrucksvoll gelingt. Ganz besonders bemerkenswert fällt dabei die Schilderung mehrerer Einzelereignisse aus, die für sich genommen sehr viel mehr transportieren als nur das Geschehen an der Oberfläche und auf diese Weise eben auch einiges über den aktuellen Zustand der US-Gesellschaft aussagen, ohne dabei zu pauschalisieren. Dabei wird nicht mehr erzählt als unbedingt nötig, aber auch nicht über die Maßen gestrafft. Die Laufzeit von sechs Episoden wirkt daher optimal gewählt, da weder Längen aufkommen, noch der Eindruck einer gehetzten Erzählung entsteht. Unter dem Strich bleibt also ein kurzer filmischer Ausflug in einen Lebensabschnitt, der hoffentlich den allermeisten Zuschauern noch bevorstehen wird.
KURZFAZIT
Trotz kleinerer Phantasieelemente bemerkenswert nah am Leben von Einzelnen, aber auch am Zustand einer gesamten Gesellschaft.
Oscar Madness Film 423 (1 Auszeichnung, 2 weitere Nominierungen)
Das Leben von Jeanette „Jasmine“ Francis (Cate Blanchett) hat sich in den letzten Jahren radikal geändert. Ihr luxuriöses Leben in der High Society gehört mittlerweile der Vergangenheit an und ihr Aufprall in der Welt der Normalbürger fühlt sich für sie mehr als hart an. Für das Publikum wird hier weniger der Voyeurismus am Abstieg einer Dame bedient, deren langjähriges Glück auf ein höchst zweifelhaftes Fundament gebaut war, sondern eher eine satirisch angehauchte Charakterstudie entworfen, deren Skurrilität sich auch aus den Gegensätzen zwischen Jasmine und ihrer Schwester Ginger (Sally Hawkins) speist.
Insgesamt wirkt Woody Allens 'Blue Jasmine' wie ein hintergründiger Kommentar zur Finanzwelt. Das große Ganze sowie politische Implikationen interessieren ihn dabei allerhöchstens am Rande; stattdessen erschafft er einen fiktionalen Mikrokosmos und lässt anhand dessen den einen oder anderen losen Gedanken zur Situation einfließen. Wie die Prämisse schon nahelegt, interessiert er sich dabei nur wenig bis gar nicht für die aristotelischen Erzählprinzipien. Deutlich wichtiger scheint ihm die cineastische Aufbereitung der einen oder anderen Idee oder These zu sein. Eine politische Agenda oder gar ein Lösungsentwurf lässt sich daraus zwar nur bedingt ableiten, aber das ist eben auch nicht die Aufgabe eines Filmemachers. Der Academy of Motion Picture Arts and Sciences scheint dieser Ansatz imponiert zu haben, denn immerhin wurde Allen für das Drehbuch zu diesem Film 2014 für einen Oscar nominiert.
Ganz besonders bemerkenswert erscheint die konsequente Ausrichtung der Inszenierung auf Cate Blanchett, denn Autorenfilmer Allen hat die Konzeption von Drehbuch und Regie nicht nur auf die Protagonistin als Filmfigur, sondern ganz gezielt auf einen von Blanchett dargestellten Charakter ausgerichtet. Viele Szenen wurden ihr ganz offensichtlich auf den Leib geschrieben und mehrere Sequenzen regelrecht „um sie herum“ inszeniert. Die renommierte Schauspielerin dankt es ihm mit einer engagierten Leistung, bei der sie gekonnt Elemente des Method Actings mit eher theatralischen Einschüben kombiniert. Der Lohn: Ein Golden Globe sowie ein Oscar als Beste Hauptdarstellerin im Jahr 2014.
Nebendarstellerin Sally Hawkins (ebenfalls nominiert für einen Oscar) hält sich wie so oft hauptsächlich an einen Stil im Sinne von Stanislavski, was ihrer Filmfigur (zumindest angesichts der Struktur ihrer Rolle und der Charaktere, die sie umgeben) eine vergleichsweise gute Bodenhaftung verleiht. Gewissermaßen stellen Jeanette und Ginger zwar nicht zwei verschiedene Pole dar (ganz so weit sind sie dann doch nicht von einander entfernt), aber sie verkörpern zumindest zwei völlig unterschiedliche Lebensentwürfe, die sich auch im Schauspielstil der beiden Actricen widerspiegeln.
5,5 – 6 Punkte.
KURZFAZIT
Woody Allens cineastischer Kommentar zur Finanzkrise, womit er sich dank der kompromisslosen Ausrichtung auf die Hauptdarstellerin und ihre Filmfigur auch unabhängig von der Thematik einen Eintrag in viele Filmchroniken sichern konnte.
Das Leben der Klavierspielerin Claire versinkt gerade im Chaos. Ihre Beziehung liegt in Trümmern, ein wichtiger Wettbewerb verläuft alles andere als günstig für sie und dann ist sie nach einem Erdbeben auch noch mehr oder weniger dazu gezwungen, wieder bei ihren Eltern einzuziehen – und das, obwohl sie doch eigentlich ihre Ruhe will. Doch statt Entspannung bekommt sie nun jede Menge ungefragter Ratschläge aus ihrer Familie. Gar nicht so einfach, dabei die Nerven zu behalten und die Ziele in der Musik nicht komplett aus den Augen zu verlieren.
Wenn Filme Menschen wären, wäre 'Playing Mona Lisa' wohl ein entfernter Cousin von Woody Allens Tragikomödie 'Harry außer sich'. Beide Filme entstammen demselben Genre, weisen recht große inhaltliche Überschneidungen auf (auch und besonders in Bezug auf die Nebenfiguren) und wurden mit nur drei Jahren Abstand produziert. Im Mittelpunkt stehen Hauptcharaktere, die nicht zuletzt auch von Neurosen geplagt sind und von ihrem Umfeld als schrullig wahrgenommen werden. Dass beide auf völlig unterschiedliche Weisen damit umgehen, dürfte letzten Endes wohl auch etwas über die jeweiligen Drehbuchautoren und Regisseure aussagen. Unter dem Strich bestehen im Umgang mit der Thematik aber genug Unterscheide zwischen beiden Filmen, sodass wohl kaum jemand ein Fan von beiden Filmen zugleich sein dürfte. Überhaupt wirken beide Werke nicht gerade zeitlos, weshalb die Sichtung von 'Playing Mona Lisa' am ehesten noch Filmfans empfohlen werden kann, die gerne den Zeitgeist der Zeit um die Jahrtausendwende auf ihren Bildschirm holen wollen. Besonders Zuschauern, die zur Zeit der Veröffentlichung rund 20 Jahre alt waren, dürften hier so einige Phänomene ihrem eigenen Leben wiedererkennen.
KURZFAZIT
Ein 90er Jahre Filme durch und durch – auch wenn er in dieser Hinsicht ein Jahr zu spät produziert wurde.
Oscar Madness Film 420 (1 Nominierung)
Harry (Woody Allen), ein in New York lebender Autor, der vornehmlich über Episoden aus seinem Leben und über sich selbst (worüber auch sonst?) schreibt, gerät in eine Sinnkrise und wird mit Personen sowohl aus seinem Alltag als auch seinem Werk konfrontiert. Dabei stellt sich (völlig überraschend...) heraus, dass er der wahrscheinlich neurotischste Mensch in Manhattan sein dürfte (neben diversen anderen von Woody Allen verkörperten Filmfiguren natürlich).
Einmal mehr tobt sich Woody Allen in 'Harry außer sich' als Regisseur, Drehbuchautor und Hauptdarsteller in Personalunion aus – mit den bekannten Stärken und Schwächen. Das außerordentlich reflektiert verfasste Skript erweist sich als ebenso fein- wie hintersinnig und zeugt von einer jahrelangen (wenn nicht gar jahrzehntelangen) Beschäftigung des Urhebers mit der Thematik. Dementsprechend ist es auch nicht verwunderlich, dass es gleich mehrere seiner Werke zu diesem Thema auf die große Leinwand schafften und es zu viel Lob von Publikum und Kritikern brachten. Folglich wurde 1998 auch sein Skript zu diesem Film mit einer Nominierung für das beste Originaldrehbuch bedacht (Gewinner: Ben Affleck und Matt Damon mit 'Good Will Hunting'). Nicht ganz so elegant wirkt im Fall von 'Harry außer sich' hingegen Allens Regie, die der Inszenierung allerdings immerhin einen gewissen ruppigen Charme verleiht. Als Schauspieler erfüllt er hier einmal mehr seine Paraderolle mit Leben; offenbar wohlwissend um die Stärken und Schwächen seiner Darstellkunst.
Das Feuilleton jubelt, die Anhängerschaft ebenso und wer Allens Filme nicht mag, bleibt in den meisten Fällen ohnehin weg; schließlich weiß man nach seiner jahrzehntelangen Karriere, worauf man sich bei seinen Werken einlässt. Er ist eben ein Koch, der seine Gerichte mit feiner Würze abschmeckt und mit einer Sauce übergießt, die ganz unverkennbar seine ganz persönliche Note trägt. Die Frage, welche Art von Fleisch schließlich auf dem Teller landet, erscheint da fast schon zweitrangig. Wenn es nicht so schmerzhaft wäre, würde er sich wahrscheinlich selbst ein Stück aus den Hüften schneiden und es seinen Gästen servieren. Wer's mag...
KURZFAZIT
Offenkundig ein Hochgenuss, wenn man über die entsprechenden Kenntnisse aus dem Bereich der Psychologie verfügt. Insofern gehöre ich wohl schlichtweg nicht zur Zielgruppe.
[Danke an EudoraFletcher68 für den Tipp.]
++ Mäßige SPOILER ++
Eine Erzählerin berichtet von Szenen aus dem Leben ihres Vaters; wie er seine Frau kennenlernt, seine Tochter großzieht und nach vielen Jahren wieder auf seinen Bruder trifft. Der Titel dieses Dramas lässt schon in den ersten Minuten befürchten, dass es sich um eine Grabrede handeln könnte. Oder täuscht der Eindruck? Lassen wir uns also mitnehmen auf eine Reise zwischen Traum, Vision und Realität, zwischen Mythos und Wahrheit, zwischen gestern und heute.
Entführt wird man dabei in ein Land der Gegensätze. Das Filmplakat und der erste Akt, die einen beschaulichen Strand zeigen, auf dem ein brennender VW Käfer parkt, weisen in dieser Hinsicht bereits den Weg. Im späteren Verlauf bekommt man eine Autobahn zu sehen, die auch im Süden Europas lokalisiert sein könnte. Ghana befindet sich also ganz offenkundig in einer Auf- und Umbruchsituation, was auch im gelegentlichen Einsatz pulsierender elektronischer Klänge seinen Widerhall findet. Die Bodenschätze werden von chinesischen Investoren geplündert, deren Wirken sich mittlerweile längst nicht mehr nur auf Ostafrika beschränkt. Während die europäischen Kolonialisten die Einheimischen seinerzeit mit Waffengewalt von der Notwendigkeit der Herausgabe von Ressourcen „überzeugten“, arbeiten die chinesischen Geschäftemacher des 21. Jahrhunderts mit Krediten und Infrastrukturmaßnahmen. Wer über Geld verfügt, hat nebenbei bemerkt auch bessere Karten gegenüber der Polizei. Ein Umstand, den sich später auf zynische Weise ein anderer Akteur zunutze machen wird.
Doch bei aller Profitorientierung und trotz Hoffnung auf eine lebenswerte Zukunft wird das Leben vieler Menschen auch von Schatten der Vergangenheit beeinflusst (wenn nicht sogar dominiert). Omnipräsent ist in den Schilderungen der Erzählerin das Auftreten von Krähen, die in gefühlt jeder zweiten Szene entweder zu sehen oder zu hören sind oder zumindest erwähnt werden. Wie Boten aus einer vergangenen Zeit schweben sie über der Szenerie und werfen ihre Schatten auf das Land und die Leute. Ein einzelner Schatten mag vielleicht keinen großen Einfluss haben, doch gemeinsam erscheinen sie durchaus wirkmächtig und für den einen oder anderen Menschen bedrohlich. In Opposition zur Taube wird ihnen in Mythen nachgesagt, einen Mord begehen zu wollen bzw. begangen zu haben. [Massiver SPOILER] Der Onkel der Erzählerin trägt seinem Bruder auch viele Jahre später noch nach, dass sie zur selben Zeit in dieselbe Frau verliebt waren. Er und seine Frau wären aufgrund dieser Schmach faktisch bereits tot und Augenhöhe könne nur dadurch hergestellt werden, dass der Bruder, also der Vater der Erzählerin, ebenfalls sterbe. [SPOILER ENDE]
Diese Mischung aus Niedertracht und Aberglauben steht also in krassem Kontrast zum pragmatischen (und ganz gewiss nicht wertegeleiteten) Kapitalismus der Moderne. Welchen Standpunkt man zwischen beiden Extrempositionen einnehmen möchte, muss jede(r) mit sich selbst ausmachen. Aus beiden heraus lassen sich positive Werte, aber auch unermessliches Leid begründen. Letztlich kommt es also doch wieder auf die Individuen an, wie sie diese Gesellschaft der Gegensätze mit Leben füllen möchten.
KURZFAZIT
Poetische Parabel in künstlerischen Bildern.
[Danke an EudoraFletcher68 für den Tipp!]
Alles beginnt mit...
Nein, keine gute Idee, hier auch nur irgendetwas über den Inhalt zu schreiben. Denn letztlich müsste man sich dann wohl entscheiden, ob man lieber spoilern oder lügen möchte. Denn nichts ist, wie es scheint in der Welt von 'Sharper'; und trotzdem ist eine gewisse Vorhersehbarkeit die vielleicht größte Herausforderung der Autoren dieser Geschichte. Paradoxerweise werden gerade Con Artist Movies bei langjährigen Zuschauern vom Fluch des eigenen Subgenres eingeholt. Vielen Filmfans ist schließlich bewusst, dass es in der Erzähltradition dieser Filme nur wenige bis gar keine Gewissheiten gibt und nahezu jede Entwicklung (und erst recht die Motivation fast aller Charaktere) immerzu hinterfragt werden muss. Insofern wurde das Publikum über Jahrzehnte hinweg regelrecht dazu erzogen, in mehr oder weniger jeder Szene das Geschehen zu hinterfragen und abzuwägen, ob nicht vielleicht doch alles ganz anders sein könnte. Überraschungen werden so trotz unzähliger Finten, Wendungen und Enthüllungen entsprechend schwieriger, wodurch sich dieses Subgenre gewissermaßen selbst den Boden unter den Füßen wegzieht; was natürlich nicht heißen soll, dass es von Zeit zu Zeit nicht auch Vertreter der unvorhersehbaren Sorte gibt.
'Sharper' stellt diesbezüglich fast schon ein Musterbeispiel dar. Halbwegs plausible Entwicklungen und erzwungene Überraschungsversuche wechseln sich munter ab. Das sorgt für kurzweilige Unterhaltung, wirft allerdings auch die Frage auf, wie wahrscheinlich es wohl wäre, dass ausgerechnet diese Charaktere in dieser Konstellation aufeinandertreffen würden. In diesem Licht betrachtet gehört die hier erzählte Handlung dann auch eher ins Reich der Märchen. Wer damit leben kann, dürfte mehr als passable Chancen auf eine gelungene Sichtung haben.
KURZFAZIT
Solider Thriller, dessen größte Stärke zugleich auch die größte Schwäche ist.
Eine Elefantenherde zieht ihren Nachwuchs in der Nähe eines Wasserlochs groß. Doch während der Trockenzeit, die sich zu einer Dürreperiode auszuweiten droht, schwinden die Wasservorräte zusehends und für die Herde beginnt ein dramatischer Wettlauf gegen die Zeit. Die Leitkuh muss dabei abwägen zwischen einer zügigen und einer verzögerten Abreise; denn eines der Jungtiere braucht (wie alle anderen Mitglieder des Verbandes auch) dringend Wasser, ist aber womöglich zu schwach für den bevorstehenden Gewaltmarsch.
Der Informationsgehalt dieser Doku hält sich zwar in Grenzen, doch dafür wird dem Publikum die Gesamtlage, also die Zerbrechlichkeit eines ganzen Ökosystems, eindringlich nahegebracht. Die Filmemacher haben dabei nicht nur eine einzige Spezies im Blick, sondern sie haben ihre Zeit vor Ort auch dazu genutzt, andere Bewohner des temporären Tümpels zu begleiten. Ganz besonders geht es dabei um Gänse, Kaulquappen, Mistkäfer, Fische und Schildkröten, am Rande werden aber auch andere Arten und Gattungen gezeigt. Holprig (wenn auch auf unterhaltsame Art) wird es teilweise bei der Personalisierung einiger Tiere (Stephen, der Gänserich mit Hang zur Prokrastination, lässt grüßen), aber die Intention dahinter erscheint natürlich mehr als nachvollziehbar. Die Botschaft lautet, dass es nicht nur eine Spezies als solche, sondern auch jedes Tier als Individuum zu schützen gilt. Speziell in Bezug auf die Elefanten wird besonders ihre Rolle als Landschaftsgärtner hervorgehoben (ihre Pfade werden in Regenzeiten zu Bächen), der Mistkäfer wiederum trägt als eine Art Müllwerker zur Beseitigung von Kot bei usw.
'The Elephant Queen' nimmt innerhalb der Dokulandschaft keinerlei Sonderrolle ein. Zu sehen bekommt man eine herkömmliche Dokumentation, allerdings eine mit teils spektakulären Bildern und einer spannenden Geschichte.
KURZFAZIT
Dokumentation, die in beeindruckenden Bildern nicht nur eine schöne Welt vorgaukelt, sondern auch für Probleme sensibilisiert.
++ Mäßige SPOILER ++
Ein Unternehmer (Will Ferrell), der extrem unsicher in seinem Auftreten ist, sucht auf Anraten seiner Schwester (Kathryn Hahn) einen Therapeuten (Paul Rudd) auf, in dessen Hände er nahezu jede maßgebliche private und geschäftliche Entscheidung legt. Für letzteren ist das ein gefundenes Fressen, zumal er ausschließlich sein eigenes Wohl im Sinn hat und seinen Patienten manipulativ dorthin treibt, wo er ihn gerne haben möchte.
Die Geschichte, die hier erzählt wird, könnte bizarrer kaum sein; und sie wird umso unglaublicher, als sie sich so ähnlich tatsächlich zugetragen haben soll. Da der Fall später auch gerichtlich aufgearbeitet wurde, ist wohl davon auszugehen, dass einige der gezeigten Ereignisse auch als verbürgt gelten dürfen. Ungläubig starrt man als Zuschauer auf den Bildschirm und fragt sich, ob man nun lachen oder weinen soll. Denn so heiter manche Ereignisse auch erzählt werden, so tragisch sind sie letztlich auch.
Unabhängig von solchen Fragen merkt man beiden Hauptdarstellern aber die große Spielfreude an, mit der sie sich in ihre Rollen werfen. Paul Rudd ergießt mit seinem Spielstil kübelweise Spott über die Figur des windigen Therapeuten, ohne dabei übermäßig unter die Gürtellinie zu zielen; Will Ferrell gibt einmal mehr den unbedarften Naivling, der sich hier sogar noch dafür bedankt, wenn ihm übel mitgespielt wird. Anders als mit Ironie lässt sich eine unglaubliche Geschichte aber wahrscheinlich auch kaum darstellen.
Was bleibt, ist eine heiter erzählte Geschichte über einen eigentlich bedauernswerten Kerl, der es trotz eines massiven Aderlasses schafft, seinen Kopf irgendwie über Wasser zu halten. Zumindest in diesem Punkt verdient er trotz aller Naivität eigentlich schon wieder Anerkennung, denn Nehmerqualitäten hat er allemal.
KURZFAZIT
Eigentlich echt nicht lustig...
...aber irgendwie doch zum Schmunzeln.
++ Minimale SPOILER ++
Wer kennt sie nicht, die berühmten Beanie Babies? Okay, ich – aber ansonsten scheinbar jeder. Zumindest erweckt Kristine Gores Mischung aus Biopic und Firmenmythos-Verfilmung 'The Beanie Bubble' diesen Eindruck.
Es beginnt mit einem verunglückten Lastwagen voller Kuscheltiere, dessen Ladung von fanatischen Passanten geplündert wird. Anschließend wird in einer wild montierten Zusammenstellung auf zwei (bzw. streng genommen noch mehr) Zeitebenen das Bild eines Unternehmers gezeichnet, der in den Jahren ab 1983 zusammen mit seiner Lebensgefährtin ein offenbar durchaus profitables Geschäft aufbaut. Rund zehn Jahre später umwirbt er eine andere Dame, lässt die Ideen ihrer Kinder in seine Arbeit einfließen und überlässt die entscheidenden Impulse im Marketingbereich einer unterbezahlten Studentin, deren Arbeit lediglich auf Stundenbasis vergütet wird. Dementsprechend stellen sich zwei Fragen: Was ist in der Zwischenzeit passiert und kann das gutgehen? Manche Unternehmer hätten die aufstrebende Marketingstrategin wohl in irgendeiner Form am regelrecht durch die Decke schießenden Umsatz beteiligt, doch Ty speist sie mit einer Vergütung von weit unter 20 Dollar ab.
Wenig überraschend zeigt Warner (Zach Galifianakis – ohne Bart, aber gewohnt schräg) auch im Privatleben zwei Gesichter. Nach und nach verschiebt sich das Bild, das von ihm vermittelt wird, in den negativen Bereich – und das auf beiden Zeitebenen (was gewissermaßen das dramaturgische Markenzeichen dieser Verfilmung darstellt). Der nette Onkel mag vielleicht ein guter Zuhörer sein, wenn es darum geht, Ideen und Impulse billig von Menschen in seinem Umfeld abzugreifen; das Gönnen von Anerkennung jedweder Art gehört aber augenscheinlich nicht zu seinen Stärken.
Aus inhaltlicher Sicht ist 'The Beanie Bubble' unnötig wie ein Kropf, denn letztlich lebt diese Inszenierung in allererster Linie von ihrem gut aufgelegten Cast, ein paar skurrilen Situationen und dem halbwegs unkonventionellen Montage-Konzept. Aber zumindest eines hat man damit erreicht – dass nun auch Schlafmützen wie ich diese Marke und ihr ehemaliges Vorzeigeprodukt kennen.
KURZFAZIT
Ein Firmenmythos wird aufgebaut und anschließend zwar nicht zerstört, aber doch stark beschädigt.
++ Leichte SPOILER ++
Ein kürzlich erst entlassener Häftling entdeckt - natürlich zunächst widerwillig - seine neue Bestimmung in der Betreuung des vernachlässigten Nachbarsjungen. Als er sich so langsam mit seiner Aufgabe anfreundet, verkompliziert sich die Lage durch eine Reihe ungünstiger Ereignisse zusehends.
Die Läuterungsgeschichte, die hier erzählt wird, ist offenkundig gut gemeint, beim Skript und der Inszenierung wird aber in vielerlei Hinsicht der risikoärmste Weg beschritten. Man verlässt sich weitgehend auf bewährte Drehbuchformeln, wodurch mehrere Stationen der Handlung relativ leicht vorhersehbar erscheinen. Zudem werden bei der Lösung von Problemen meist naheliegende Ansätze gewählt, sodass man die Geschichte eigentlich schon kennt, bevor man den Film erstmals gesehen hat. Überraschungen finden hier allenfalls in Detailfragen statt. All diese Faktoren machen Fisher Stevens Inszenierung von 'Palmer' jedoch noch lange nicht zu einem schlechten Film. Die Geschichte wird ohne nennenswerte Längen erzählt und es werden Werte wie Hilfsbereitschaft, Verantwortungsgefühl, Toleranz und die Fähigkeit zur Vergebung beschworen. Im Zentrum der Geschichte steht mit Titelfigur Eddie Palmer (Justin Timberlake) ein klassischer Antiheld, der aber irgendwie trotzdem das Zeug zum Retter hat. In einem heldenreiseartigen Grundgerüst besinnt er sich allmählich auf eine mögliche Bestimmung und nimmt sein Schicksal (sowie das des Jungen aus der Nachbarschaft) in seine Hand. Natürlich darf auch eine zaghaft vorgetragene Flirtgeschichte nicht fehlen.
Am Ende bleibt der Eindruck eines durchaus sehenswerten Dramas, das allerdings bei etwas größeren Ambitionen noch sehr viel höhere Erwartungen hätte erfüllen können.
KURZFAZIT
Entspannte Erzählung, die allerdings weitgehend nach Schema F gestrickt ist.
Bester Film
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Wackersdorf
Lieber leben
Die Liebhaberin
I, Tonya
Raum
American Honey
La La Land
Drogen: Amerikas längster Krieg
37 Seconds
Ich, Daniel Blake
Bester Animationsfilm
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Ich habe meinen Körper verloren
Penguin Highway
Pets 2
Ferdinand
Shaun das Schaf – Der Film
Beste Serie
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Lost
The Leftovers
Im Todestrakt
Chernobyl
The Walking Dead
Bester Schauspieler
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Bruce Dern (Nebraska)
Casey Affleck (Manchester by the Sea)
Christian Bale (Vice - Der zweite Mann)
Joaquin Phoenix (Joker)
Anthony Hopkins (Die zwei Päpste)
Beste Schauspielerin
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Brie Larson (Raum)
Allison Janney (I, Tonya)
Saoirse Ronan (Brooklyn – Eine Liebe zwischen zwei Welten)
Michelle Williams (Blue Valentine)
Jessica Chastain (Zero Dark Thirty)
Bester Soundtrack
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Justin Hurwitz (La La Land)
Christobal Tapia de Veer (The Girl with All the Gifts)
American Honey
Mica Levi (Jackie)
Metallica and San Francisco Symphony – S&M 2
[Falls letzterer Vorschlag nicht akzeptiert wird, dann ersatzweise bitte Jóhann Jóhannsson (Sicario)]
Die ersten Auftritte des neuen Blitzhelden erinnerten gleich in mehrerlei Hinsicht an verschiedene Superhelden aus dem MCU, was kein Zufall zu sein scheint. Denn statt sich in diesem Soloabenteuer stärker vom Hauptkonkurrenten abzugrenzen und das eigene Profil zu schärfen, eifert man dem Erzfeind offenbar nun noch mehr nach. Daraus resultiert zwar eine verhältnismäßig flotte Erzählung in lockerem Ton, doch dass man nun auch hier die Pforte zu einem Multiversum öffnet, darf getrost als kreativitätsbezogene Kapitulation gewertet werden. Eine Strategie, die angesichts der Tatsache, dass im MCU erstaunlich wenig aus den Möglichkeiten gemacht wird, die das Multiversen-Konstrukt eröffnet, umso kurioser erscheint.
Auf der anderen Seite wirkt unter diesen Rahmenumständen die Einbindung des neuen alten Batman-Darstellers Michael Keaton aber immerhin deutlich stimmiger, als nach den ersten Ankündigungen zu befürchten war. Das ramponierte DC-Filmuniversum ist auf diese Weise um eine weitere Skurrilität (und vielleicht sogar um eine Sehenswürdigkeit) reicher, auf der anderen Seite geht mit derlei Entscheidungen aber auch der allerletzte Rest einer durchgängigen Handschrift flöten. Die Struktur der cineastischen Veröffentlichungen rund um die Justice League ist mit „chaotisch“ noch wohlwollend umschrieben und irgendwie scheint alles nur noch auf panisch zusammengepresstes Stückwerk hinauszulaufen. Man bekommt weder eine Filmreihe, die wie aus einem Guss wirkt, noch eine Abfolge von Einzelfilmen, die für sich selbst stehen. Stattdessen überzieht man das Publikum mit Filmen, von denen manche zusammenhängen, andere nebeneinander existieren und wieder andere noch nicht mal in eine dieser beiden Schablonen passen.
Für sich genommen kann man mit einigen dieser Produktionen (was wahrscheinlich auch für 'The Flash' gelten kann) durchaus Spaß haben, doch in Bezug auf die Gesamtheit der besagten Filme regiert ein Durcheinander sondergleichen. Noch trister wird der Gesamteindruck mit Blick auf die Liste der mittlerweile gecancelten Projektbeiträge zu dieser Reihe. Die Anfänge waren vielversprechend, doch letztlich hat man sich wohl in eine Lage manövriert, in der zu viele Köche ganz offensichtlich den Eintopf sowie das restliche Küchenpersonal verdorben haben. Schade drum.
KURZFAZIT
Unterhaltsam, aber erschreckend uninspiriert.
Oscar Madness Film 421 (1 Nominierung)
Regisseur James Gunn pendelt nach der Inszenierung von 'The Suicide Squad' zurück zu seiner Erfolgsreihe bei Marvel und injiziert der 'Guardians of the Galaxy'-Saga eine ähnliche Mixtur wie zuvor seinem Projekt bei DC bzw. Warner; jedoch in einer weitaus geringeren Dosis. Während im DCEU in Sachen Kontinuität ab einem gewissen Zeitpunkt ohnehin alles egal zu sein scheint, werden bei Disney wie so oft zunächst nur halbe Schritte gegangen; dementsprechend zaghaft fallen dann auch die Neuerungen im dritten Teil der 'Guardians'-Reihe aus. Zwar kommt es zu deutlichen Verschiebungen bei der Akzentuierung innerhalb des Figurenensembles (manchen Charakteren wird mehr Bedeutung und Screentime eingeräumt als in den beiden vorherigen Episoden, anderen weniger), zu grundlegenden Änderungen kommt es – aus nachvollziehbaren Gründen – jedoch nicht.
In Sachen Bildästhetik scheint Gunn nun einen ganz speziellen Stil zu seinem Markenzeichen machen zu wollen; vereinzelte Elemente seiner visuellen Konzeption von 'The Suicide Squad' finden sich nun also auch bei der Konkurrenz wieder, während seine Vorstellung von Humor ja ohnehin schon die meisten der von ihm verantworteten Produktionen prägt.
Auch die Struktur der Erzählung ändert sich durch einige Rückblicke und die Fokussierung der Handlung auf einen anderen Charakter als bisher ein wenig, wodurch sich das dritte Abenteuer der Guardians zwar nahtlos an die beiden Vorgänger anfügt, aber dennoch einen eigenen Weg geht. Ob diese sanften Änderungen dem Genre wirklich etwas hinzufügen, sei dahingestellt, aber zumindest innerhalb des MCU bringt Gunns Ansatz zumindest ein wenig frischen Wind in die Reihe.
Für ihre Arbeit an den visuellen Effekten wurden Theo Bialek, Stéphane Ceretti, Alexis wajsbrot und Guy Williams im Januar 2024 für einen Oscar nominiert.
KURZFAZIT
Leichter Facelift für ein Erfolgskonzept.
Den Spielfilmen des MCU, die ohnehin noch nie für ganz großes Storytelling bekannt waren, scheint langsam der kreative Treibstoff auszugehen. Nachdem man sich zuletzt bereits mehrfach durch Ausflüge in Parallelwelten und -universen mehr schlecht als recht über Wasser hielt, verschlägt es die Charaktere nun in eine Dimension, die als Quantenreich bezeichnet wird. Auch wenn die Möglichkeiten, die die Eröffnung des Multiversums (und anderer Phantasiekosmen) in den vorherigen Filmen mit sich bringt, bislang noch nicht einmal im Ansatz ausgereizt wurden (sondern überwiegend für platte Gags herhalten mussten), öffnet man also bereits die nächsten Türen zu weiteren Ebenen. Wirklich Sinn machen dürfte dieser Schritt aber nur, wenn man auch die Bereitschaft zeigen würde, tiefer in die jeweils angerissenen Themen einzusteigen und die damit einhergehenden erzählerischen Möglichkeiten zu nutzen. Doch auf der anderen Seite will man offenbar auch nicht riskieren, durch eine Verkomplizierung der Handlung Zuschauer auf der Reise durch das MCU zu verlieren, was durchaus auch verständlich erscheint. Denn gerade im Serienbereich finden sich auch mehrere Beispiele von Produktionen, bei denen die Zuschauerresonanz mit steigender Komplexität zurückging.
Und genau in diesem Geist gestaltet sich dann auch die Handlung von 'Ant-Man and the Wasp: Quantumania'. Der Erzählton ist locker bis heiter und die Handlung banal – und befürchtungsweise auch belanglos. Ob letzteres tatsächlich zutrifft, lässt sich natürlich erst nach Kenntnis der folgenden Filme und Serien beurteilen, doch ob die grundlegende Konzeption des MCU nach mehr als 20 Spielfilmen nennenswert geändert werden wird, erscheint angesichts der Historie Disneys mehr als fraglich.
Gerade noch 5 Punkte.
KURZFAZIT
Ein Film mit dem Nutri-Score eines zuckerhaltigen Kaugummis. Zwar irgendwie aromatisch, aber keineswegs sättigend. Offenbar soll dem Publikum damit der Mund wässrig gemacht werden, Doch worauf eigentlich?
Nach einem bemerkenswert heiteren Auftakt geht 'Shazam!' mit 'Fury of the Gods' in die zweite Runde. Und ähnlich schnell wie sich einige der Charaktere in die Körper von Erwachsenen zaubern können, wurde aus dem ursprünglich frischen (wenn auch nicht gerade ausgefallenen) Konzept von 'Shazam!' eine Fortsetzung, die in der grauen Masse von Superheldenfilmen komplett untergeht. Statt das zunächst überraschend farbenfroh blühende Pflänzchen im chaotischen DCEU zu pflegen, mutet man dem Publikum eine offenbar hastig zusammengeschusterte Fortsetzung zu, die so gut wie keine Alleinstellungsmerkmale mehr aufweist.
Im Gegenteil: 'Shazam 2: Fury of Gods' wirkt in dieser Hinsicht regelrecht entkernt. Zwar bekommt man immer noch eine solide Inszenierung mit passablem Unterhaltungswert geboten, doch gemessen an den Erwartungen, die durch die erste Episode geschürt wurden, fällt das Ergebnis dann doch recht ernüchternd aus. Hier und da glückt zwar auch mal ein Gag und durch die Tatsache, dass im Großen und Ganzen auf Nummer sicher gegangen wird, treten auch kaum nennenswerte Patzer auf, doch sehr viel mehr als Durchschnittskost kommt dabei nicht heraus. Das Konzept der Handlung wirkt nicht gerade einfallsreich. Auch wenn die Autoren sichtlich darum bemüht sind, die eine oder andere überraschende Wendung einzubauen, gelingt ihnen dies nur bedingt. Mit Blick auf die Humoreinlagen oder die handwerkliche Umsetzung verhält es sich nicht sehr viel anders. Davin F. Sandbergs Inszenierung ist keineswegs schlecht, auf der anderen Seite aber auch weit davon entfernt, für Furore zu sorgen.
Kurios: Helen Mirrens Filmographie liest sich in ihrer späten Karrierephase nach Auftritten in Filmreihen wie 'Shazam' oder 'Fast & Furious' und diversen anderen Titeln wie 'Barbie' und Luc Bessons 'Anna' „jugendlicher“ als in den Jahrzehnten zuvor.
KURZFAZIT
Superheldenware von der Stange.
Es ist kein guter Tag für Brynn (Kaitlyn Dever). In ihrem abgeschiedenen Haus, in dem sie sich zumeist ganz alleine aufhält, befindet sich ein Eindringling. Und fast noch schlimmer: Er erweckt mehr oder weniger von Anfang den Eindruck, nur die Vorhut einer ganzen Truppe zu sein. Im Ort ist sie nicht gut gelitten (auch und besonders nicht bei der Polizei), also wird sie diese Situation wohl oder übel alleine bewältigen müssen. Keine guten Voraussetzungen für eine junge Frau, die weder besonders groß noch muskulös ist.
Im Stil eines Quasi-Stummfilms inszeniert Brian Duffield die Geschichte um eine Einzelgängerin, die sich als recht ambivalenter Charakter entpuppt. Transportiert werden die Informationen in allererster Linie über visuelle Stilmittel. Kaitlyn Dever leistet dabei im Verbund mit Regie, Kamera, Schnitt und Drehbuch ganze Arbeit. Schließlich sind der Hauptdarstellerin im übertragenen Sinne die Hände gebunden, denn gesprochen werden nur ganz wenige Worte. Auf der anderen Seite hat der Foley Artist jedoch alle Hände voll zu tun. Bemerkenswerterweise geht dieses Konzept auch durchaus auf – zumindest in Bezug auf die Informationsvermittlung; ob es auch dem Unterhaltungsfaktor zuträglich ist, hängt vermutlich von der subjektiven Wahrnehmung jedes einzelnen Zuschauers ab.
Das Finale und selbst der Filmtitel erweisen sich als nicht weniger vielschichtig als die Charakterzeichnung der Hauptfigur. Dennoch liegt einiges an Potenzial der Prämisse brach, denn der Hauptakzent liegt eher auf Thrill und Action statt auf einer breit angelegten Kultivierung der Metaphern. Gemessen daran, dass es nahezu keine Dialoge gibt (weder verbal noch durch Texttafeln), erweist sich das Storytelling allerdings als bemerkenswert flüssig. Trotzdem ist 'No One Will Save You' eine recht spezielle Angelegenheit, die man ebenso schwer weiterempfehlen kann, wie man sicher davon abraten kann.
KURZFAZIT
The sky is the limit.
[Besten Dank an intemporel sowie The Woman, Rolf, smartbo, pischti, Cineastor, Azular und WatchinDaMovies für's Aufmerksam- und Neugierigmachen. :-) ]
Oscar Madness Film 422 (6 Nominierungen)
++ Leichte SPOILER ++
Die 50er Jahre waren in vielen westlichen Ländern keine gute Zeit für gesellschaftliche Normabweichungen jeglicher Art; ganz besonders nicht in den Vereinigten Staaten von Amerika. In politischer Hinsicht sorgt das Komitee für unamerikanische Umtriebe für Linientreue und im Privatleben erledigen das in häufigen Fällen die Bürger selbst. Wer den gesellschaftlichen Erwartungen nicht entspricht und sich nicht in Schablonen pressen lassen möchte, hat mit ernsthaften Konsequenzen zu rechnen – sofern sie oder er etwas zu verlieren hat. Im Falle der Titelfigur Carol Aird (der Begriff „Titelheldin“ würde in diesem Zusammenhang nur zynisch klingen) ist es das Sorgerecht für ihre Tochter. Während ihre Ehe in Trümmern liegt, versucht ihr Noch-Ehemann, ihre Bisexualität (ob es sich um Homo- oder Bisexualität handelt, wäre in diesem Fall reine Wortklauberei und für die Handlung ohnehin nur von nachrangiger Bedeutung) zunächst als Druckmittel und später als Argument im Sorgerechtsstreit zu verwenden. Eine Strategie die einzig und allein auf „sozialer Kontrolle“ fußt und lediglich dann erfolgreich sein kann, wenn derlei Privatangelegenheiten bei Außenstehenden auf Interesse stoßen. In einer liberalen Gesellschaft, in der „leben und leben lassen“ als Motto gilt, würden derlei Argumentationen grundsätzlich ins Leere laufen. Verschärfend kommt für Carol noch die Macht des Patriarchats hinzu, deretwegen Frauen nur unzureichende Möglichkeiten zugestanden werden. Selbst Rechte, die auf dem Papier vorhanden sind (bzw. gesetzlich nicht beschnitten sind), können aufgrund des sozialen Drucks oftmals gar nicht (oder allenfalls heimlich) wahrgenommen werden.
Als eines der wesentlichen stilprägenden Merkmale dieser Inszenierung durch Todd Haynes lässt sich die Kühle angeben, die den Erzählton dominiert. Zwischen den beiden Protagonistinnen und dem Publikum besteht eine nur schwer überbrückbare Distanz, wodurch die beiden primär nicht als Individuen im Fokus stehen, sondern offenbar stellvertretend für eine große Zahl an Betroffenen gezeigt werden sollen. Sowohl Cate Blanchett als auch Rooney Mara (beide oscarnominiert) interpretieren ihre jeweiligen Rollen mit äußerster Zurückhaltung. Drehbuch, Kamera, Musik und die Kostüme (alle ebenfalls nominiert) tragen ebenso wie die Regie ihren Teil zu diesem Eindruck bei, indem hier ganz bewusst auf Dezenz gesetzt wird. Selbst die Backstory der Titelfigur wird lediglich rudimentär ausgeleuchtet. Man erfährt über sie ausschließlich Dinge, die für das Verständnis der Handlung unabdingbar sind; ähnlich verhält es sich mit ihrem Love Interest. Der Name Carol im Titel dieses Dramas bezeichnet so gesehen auch gar nicht unbedingt eine ganz spezifische Dame (hier Carol Aird), sondern steht fast schon als Sammelbegriff für alle Menschen (besonders Frauen), deren Lebensgestaltung von außen eingeengt wird. Der Preis dieser höchstwahrscheinlich intendierten Mustergültigkeit ist die daraus resultierende Distanz zu den beiden Hauptfiguren, die hier bewusst aufgebaut wird, auf der anderen Seite aber auch den Vorteil einer sehr viel breiter gefächerten Relevanz mit sich bringt.
KURZFAZIT
Gesellschafts- und Liebesdrama mit deutlicher Akzentuierung der erstgenannten Dimension.
Episodenfilm über einige Frauen aus verschiedenen Generationen, die alle auf irgendeine Weise an Erwartungen in Bezug auf Körperlichkeit oder die Gestaltung von Paarbeziehungen leiden. Jede der besagten Damen ist auf verschiedene Weise betroffen, doch eines haben ihre Probleme gemeinsam: Sie sehen sich einem hohen Druck ausgesetzt, den vermeintlichen oder tatsächlichen Erwartungen von Dritten zu entsprechen. In manchen Fällen trägt ein Teil des persönlichen Umfeldes zu einer Verschärfung der Lage bei, in anderen Fällen liegt es auch im Interesse der Angehörigen, etwas Dampf aus dem Kessel zu lassen. Im Endeffekt laufen aber alle dieser lose miteinander verwobenen Geschichten darauf hinaus, dass der Alltag auch so schon schwer genug ist und es nicht noch weiterer unnötiger Hürden (etwa durch Mobbing, Modediktat, Körperideale oder Rollenklischees) bedarf.
Den Zugang dazu stellt Autorenfilmerin und Hauptdarstellerin Karoline Herfurth mit verschiedenen Mitteln her. Stark vereinfacht zusammengefasst: Ein Model geht regelrecht durch die Hölle, ein kleines Mädchen leidet ganz offenkundig an unzureichender Fürsorge, eine langjährige Ehe lahmt ohne konkreten Anlass, eine Jugendliche fürchtet sich vor Zurückweisung und eine Lehrerin doziert über Erwartungen und legt dabei Widersprüche offen. Zwar geht das Drehbuch nicht in jeder der Geschichten so sehr in Tiefe, wie es vielleicht möglich gewesen wäre, doch ganz offenkundig sollte hier eben auch der Spagat zwischen einem Crowdpleaser und der Vermittlung einer Botschaft gemeistert werden.
Im Grunde ist die Handlung von 'Wunderschön' nicht weniger als die filmische Antithese zu 'Germany's Next Top Model'. Der Wert eines Menschen ist eben doch etwas höher als die Gesamtsumme, die er oder sie für Kosmetikprodukte ausgibt. Bei einem Teil der Gesellschaft scheint diesbezüglich mittlerweile auch ein Umdenken stattzufinden, wirklich mit Leben erfüllt werden diese Erkenntnisse bisher aber augenscheinlich nur von einer Minderheit. Falls sich die Zahl dieser Personen durch die Sichtung von 'Wunderschön' auch nur um 0,001 % erhöht, hat sich die Produktion dieses Filmes schon mehr als gelohnt.
KURZFAZIT
Wunderschön? Vielleicht. Inhaltlich relevant aber auf jeden Fall.
„Paper Boi, Paper Boi, All About That Paper, Boy“
Alfred, genannt Paper Boi (Brian Tyree Henry), ein aufstrebender Rapper aus Atlanta, scharrt eine kleine Entourage um sich und versucht, sein Leben so angenehm wie möglich zu gestalten. Klar wäre er gerne so richtig erfolgreich, aber bloß kein Stress! Ganz anders ist die Lage bei seinem Cousin Earn (Donald Glover), der sich gerade in einer Art Lebenskrise befindet – und zwar so ungefähr seit seiner Geburt. Bei den meisten seiner Entscheidungen hat er nicht gerade einen guten Riecher und das Glück ist auch nur selten auf seiner Seite. Doch nun erkennt er, was Paper Boi zum großen Durchbruch noch fehlt: Ein Manager! Und praktischerweise kennt er da auch schon jemanden – nämlich sich selbst. Alfred willigt ein und eine völlig absurde Reise beginnt. Obwohl diese durch serielle Elemente wie durch eine Art Klammer zusammengehalten wird, dominiert (besonders gegen Ende hin) eine episodische Struktur, die fast schon fragmentarische Züge annimmt. Randaspekte der Hauptgeschichte werden zum Teil ungewöhnlich hell ausgeleuchtet, woraus eine Reihe an Episoden resultiert, die fast schon wie Specials wirken. Oftmals wird erst nach einiger Zeit klar, inwiefern sie Relevanz für den Hauptstrang der Handlung aufweisen. Dank dieser Struktur wird die Erzählung von 'Atlanta' von Staffel zu Staffel unberechenbarer; allerdings zu dem Preis, dass die Rahmenhandlung während der vierten Staffel phasenweise fast schon zum Erliegen kommt.
Spannend hingegen ist, wie weit die Grenzen des seriellen Erzählens, aber auch des Dramedy-Sektors hier ausgelotet (und vielleicht sogar verschoben) werden. Ein breites Spektrum an Stimmungen wird durchlaufen und es kann durchaus auch mal zu schnellen Wechseln der Tonlage kommen. Ironie spielt dabei aber fast durchgängig eine große Rolle. Gelegentlich werden auch hintergründige Ideen eingestreut, deren Bedeutung sich erst nach einer gewissen Zeit erschließt. Geboten wird also weit mehr als reine Comedy. Vielmehr handelt es sich bei vielen Folgen um augenzwinkernd vorgetragene Gesellschaftssatire, deren Ton gelegentlich aber auch mal in Wut oder Resignation umschlagen kann. Der Kreativität und dem Hang zum Absurden sind dabei nur sehr weit gefasste Grenzen gesetzt, doch es verbietet sich fast, genauer darauf einzugehen. Denn je weniger man über die teils höchst ungewöhnlichen Einfälle im Vorfeld weiß, desto besser. In diesem Sinne: Kopfhörer auf, Paper Boi anwählen, Play drücken und ab nach Atlanta!
Acht von zehn rückwärts abgespielten Abspannszenen.
KURZFAZIT
Heiter bis tragisch und stets am Rande der Absurdität. Willkommen in Atlanta!
In einer nicht allzu fernen Zukunft können Paare durch Abgabe eines Fingernagels testen lassen, ob sie sich lieben. Der Leiter des federführenden Instituts kann seine Methode nur bedingt schlüssig erklären, aber das stört offenbar kaum jemanden. Mehrere Paare buchen dort Kurse, die sich verstärkend auf ihre Paarbeziehung auswirken sollen; denn negative Testergebnisse führen in vielen Fällen zu Beziehungsabbrüchen, was auf diese Weise vermieden werden soll.
Was wie eine Episode von 'Black Mirror' beginnt, erweist sich über weite Strecken als recht vorhersehbar. Zudem ist nicht ganz klar, auf welchen abstrakten Punkt die Geschichte überhaupt zusteuern soll. Zwar werden durchaus einige Thesen in den Raum gestellt; deren Tiefgang geht jedoch nur in den seltensten Fällen über Kalendersprüche hinaus. Als reines Gedankenexperiment macht 'Fingernails' jedoch durchaus Sinn – und auch einigermaßen Spaß. Getrübt wird der Eindruck allerdings nicht zuletzt durch die Naivität (oder ist es eher Engstirnigkeit?), mit der die Handlung erzählt wird. Dass unzählige Beziehungen auf anderen Fundamenten als Liebe begründet werden (Zweckehen, Scheinehen, finanzielle oder soziale Motive, Angst vor Einsamkeit usw.), spielt im Rahmen der Inszenierung von Christos Nikou offenkundig nur eine stark untergeordnete Rolle. Zwar wird gegen Ende hin tatsächlich eine Frage in diese Richtung aufgeworfen, abgesehen davon bleibt das Feld der genannten Motive jedoch unbearbeitet. Noch schädlicher für den Gesamteindruck sind aber zahlreiche Schludrigkeiten in der Inszenierung, besonders in Bezug auf Kontinuitäts- und Plausibiltätsfehler (spoilerfreie Stichworte: Panne, Fenster, Fallschirme oder Helligkeit). Gerade bei einer Thematik, bei der es durchaus auch auf Feinfühligkeit ankommt, wäre etwas mehr Achtsamkeit seitens der Regie sicher nicht unangebracht gewesen.
Dank einer halbwegs originellen Prämisse und einiger renommierter Darsteller kann 'Fingernails' aber trotzdem mehr als genug Argumente für eine Sichtung auf der Habenseite verbuchen. Man muss einen Film ja nicht zwingend lieben, um eine angenehme Zeit damit zu verbringen.
KURZFAZIT
Gute Darsteller in einer ansonsten eher mittelmäßigen Produktion.
Selten wurde der Titel einer Serie derart treffend gewählt wie im Fall von 'Jerks'. Zwei absolute Volldeppen erwischen nicht nur treffsicher jedes Fettnäpfchen, das irgendwo steht, sie suchen regelrecht danach und springen mitunter fast schon mit Leidenschaft hinein. Wie in 'Mein neuer Freund' setzt Christian Ulmen hier auch konsequent auf das Prinzip Fremdscham. Verstärkt wird der gewünschte Effekt im Fall von 'Jerks' durch diverse Stilmittel, die den Erzählungen einen semidokumentarischen Charakter verleihen sollen. Eine Reihe von Darstellern – unter ihnen mit Christian Ulmen, Fahri Yardim, Emily Cox und Pheline Roggan auch der Kern des Casts – tritt unter ihren realen Namen auf. Es wäre natürlich Unsinn zu behaupten, sie würden sich selbst spielen; doch nicht zuletzt durch zahlreiche teilimprovisierte Dialoge sowie eine an einen dokumentarischen Stil angelegte Kameraführung und den äußerst sparsamen Einsatz von Musik aus dem Off (das in jeder Episode präsente Trommeln mal außen vor gelassen) ergibt sich eben eine Atmosphäre, die sich deutlich näher am Alltag deutschsprachiger Zuschauer befindet, als es in den allermeisten herkömmlichen Comedyserien der Fall ist.
Zwar kommen hier und da auch einige Einflüsse aus dem Dramengenre zum Vorschein, doch insgesamt schießen die meisten der Geschichten so weit über das Ziel hinaus, dass selbst eine Einordnung als Dramedy nur bedingt passend erscheint. Über mehrere Staffeln hinweg werden die vermeintlichen und tatsächlichen Tabubrüche immer geschmackloser, bis das Prinzip der ständigen Steigerung letztendlich an seine eigenen Grenzen gerät ('24' lässt in dieser Hinsicht grüßen). Überhaupt wird mit fortschreitender Dauer – und besonders während der sechsten Staffel – immer deutlicher, dass eine weitere Eskalation kaum noch möglich erscheint und auch in Bezug auf die Handlung sowie den Humor kaum noch nennenswerte Impulse gesetzt werden. Mit erzählerischen Kniffen wie Backstory-Episoden rettet man sich auf die angestrebte Anzahl von Folgen und lässt die Geschichte mit versöhnlichen Tönen ausklingen. Wenn kaum noch Fettnäpfchen (oder besser: Fetteimer) übrig sind, in die man treten könnte, wahrscheinlich nicht der schlechteste Plan.
KURZFAZIT
Was für Arschgeigen.
Es beginnt ganz harmlos: Eine Stimme aus dem Off erzählt von Erlebnissen aus der Schulzeit. Relativ zügig erfolgt der Schwenk zu einer halbwegs heiteren Schmugglergeschichte. Danach wird es ernst.
Im luxemburgischen semidokumentarischen Drama 'Never Die Young' werden die kurze Aufstiegs- und die lange Verfallsgeschichte eines Mannes nacherzählt, dessen Abstieg augenscheinlich mit dem Konsum von Heroin beginnt und trotz anfänglicher Hochgefühle in einem regelrechten Fiasko gipfelt. Illustriert wird die Erzählung durch eine Collage aus Symbolbildern, Nachstellungen mit maskierten Darstellern und Ausdruckstanzszenen. Aus der Verfremdung der Gesichter resultiert ein Ausdruck der Allgemeingültigkeit, der klarmacht, das das gezeigte Schicksal nur ein Beispiel unter vielen darstellt – und sie zeigt an, wie nach und nach Persönlichkeitsmerkmale abhanden kommen und das Individuum zu einem Zerrbild seiner selbst verkommt (und teils auch andere Menschen so wahrnimmt).
Der künstlerische Ansatz dieses Experimentalfilms dürfte wohl auch einer der Gründe für die verhaltene Zuschauerresonanz sein. Denn nicht nur die Thematik dürfte einigen Zuschauern schwer verdaulich erscheinen, sondern auch und besonders die etwas extravagant inszenierte visuelle Seite wandelt fernab der Pfade des Mainstreams. Ein Stilmittel, das die Aufmerksamkeit auf die Wucht der Worte lenkt, aber eben nicht jedermanns Sache ist.
Wie dem auch sei, die Geschichte, die hier erzählt wird, ist geprägt von folgenschweren Entscheidungen und einem persönlichen Niedergang, der heftiger kaum sein könnte. Abgeschlossen werden die Schilderungen mit einer Liebeserklärung, wie sie nur ganz wenige Menschen jemals an sich gerichtet gehört haben dürften. Jedoch adressiert er damit keine reale Person, sondern das Rauschmittel seines Vertrauens. Eine Geschichte, wie sie vermutlich nur von Heroin geschrieben werden kann.
KURZFAZIT
Künstlerisch bebilderte Nacherzählung tragischer Ereignisse.