Jenny von T - Kommentare

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    Jenny von T 16.09.2016, 16:40 Geändert 16.09.2016, 17:20

    Man sollte – ja, dieser Luxus sei ausnahmsweise erlaubt - wirklich nicht zu wenig erwarten. ONE MORE TIME WITH FEELING ist keine gewöhnliche Musik-Doku geworden. Ebenso wenig ein lobpreisend-einseitig-langweiliger Promo-Film zur neuen Nick Cave & The Bad Seeds-CD. Nein, vielmehr gelingt den Machern etwas ziemlich Unglaubliches: Ein einfühlsames, hoch intimes, mitunter meditatives Attest über Trauerbewältigung – und gleichsam über die lähmende Angst vor der Unmöglichkeit eben dieser.

    Vergangenen Sommer stürzte Arthur Cave, Nicks gerade einmal 15-jähriger Sohn, tödlich von einer Klippe. Wenn ich mich recht erinnere, wird sein Name einzig in der Widmung vor dem Abspann direkt erwähnt, und doch zieht seine Anwesenheit permanent ihre transparenten Kreise durch das Werk von Andrew Dominik. In den knapp 2 Stunden artikuliert Nick Cave sich beinahe ausschließlich durch seine Musik, Lyrik, zirkelnde Gedankenzelte oder Metaphern, von denen sogar der Regisseur später feststellen muss, dass sie teils wörtlich gemeint sind. Wenn der charismatische Sänger – heute wie damals ein Mysterium - Sekunden vor der Aufnahme mit einem leichten Schmunzeln fragt, ob die Haare korrekt sitzen, mag dies einen (durchaus augenzwinkernden) Versuch markieren, Ansätze von Normalität herbeizuführen. Tatsächlich steigen die Beteiligten am Set drauf ein. Der Blick in den Spiegel offenbart tiefe Tränensäcke, die letztes Jahr noch nicht da waren. Zwar ist Cave unter anderem für seine Eitelkeit bekannt, aber hinter erwähnter Beobachtung steckt jetzt mehr als das unvermeidliche Realisieren des Älterwerdens – nämlich die Erkenntnis, dass die Trauer Zeichen setzt. Ihm nichts übrig bleibt als Warten (worauf eigentlich?). Und irgendwie Weitermachen. Ein Poet sowie erwiesener Meister des Requiems hadert mit jedem Ton und jedem Buchstaben. Folglich findet er "Skeleton Tree", die aktuelle Scheibe, unfertig.

    Also beginnt er, über seine Frau zu erzählen. Wie sie nachts manchmal die Möbel verrückt und Cave so morgens im Wohnzimmer aufwacht, obwohl er im Schlafzimmer zu Bett gegangen war. Melancholie mit Ironie brechen ist eigentlich typisch Cave. Ich schätze, genau das geschieht hier. Der Film verwendet gar nicht einmal viel Zeit (geschweige denn Schlagzeilen) darauf, ihre Ehe im Schatten des Schicksalsschlags zu beleuchten. Dennoch darf man ahnen, dass diese beiden in den letzten Monaten wahrscheinlich ebenso oft auseinander drifteten wie sie wieder zueinander fanden. Cave sagt, sie wollen aus Trotz glücklich sein.

    Das Bittere: Die Erde hört nicht etwa aus Anteilnahme auf, sich zu drehen. Die Sonne brennt am Tag, die Sterne scheinen in der Nacht, Menschen bevölkern die Straßen, Wellen brechen weiter an der Küste. Kurzum: Das Universum ist schrecklich unsentimental und wir einigermaßen einsam. ONE MORE TIME WITH FEELING wird dem gerecht und startet neben einer Seelenreise auch eine Weltenreise, die – gefühlt etwas langsamer als der Takt eines Herzklopfens - über Wendeltreppen oder kleine Lichtermeere führt. Im Studio dann droht der Scheinwerfer hinter Nick Caves Klavier den Zuschauer zu blenden, möchte sich in Wahrheit aber nur sanft auf die Netzhaut legen. Man lässt es gerne zu.
    Was für ein monochromer Wolkengang.

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      Jenny von T 06.09.2016, 15:32 Geändert 06.09.2016, 15:47

      Das ultimative Ego-Shooter-Schleudertrauma. Die so genannte Level-Dramaturgie (der Protagonist muss ein festes Ziel unter Bewältigung diverser Hindernisse erreichen) erfreut sich bekanntlich auch auf der Leinwand großer Beliebtheit, so nahe hingegen wie HARDCORE kam dem Videospiel wohl noch kein Film zuvor. Doch wie vereinbar sind die beiden Medien eigentlich?

      Der Clou beim Zocken besteht zunächst in der Interaktivität, also darin, als Spieler Entscheidungen zu treffen und selbst in das Geschehen einzugreifen. Dem Film ist dies fremd. Hier gilt es vielmehr auszutragen, was man vorgesetzt kriegt – und zwar nicht lediglich das äußere Szenario, sondern den konkreten Ablauf in allen Details. Jeden Charakter mit seinen Vorzügen sowie Fehlern. Die Annahme allerdings, das Filmeschauen sei darum ein passiver Akt, scheint mir eine grobe Fehlvorstellung, welche sämtliche Möglichkeiten des Kinos verkennt. Die Leistung dort ist eine gedankliche – zuerst auf Seiten des Autors/Regisseurs, der den Kelch sodann ans Publikum überreicht.

      Den Ansatz, einen Film kameratechnisch komplett aus der Ich-Perspektive zu drehen, finde ich generell keineswegs verkehrt. Seinen Reiz vermittelt jene Beschränkung, nur das zu sehen, was auch die Hauptfigur sieht, dabei aber nicht bzw. bloß eingeschränkt in deren Kopf schauen zu können. Man weiß buchstäblich nicht, wer man ist. Für den Zuschauer bedeutet das im Idealfall ein – trotz klarem Blickfeld - subtiles Gefühl der Unsicherheit und Desorientierung. Kein Wunder, dass diese inszenatorische Methode sich vor allem im Horror-Genre seit langer Zeit einer gewissen Beliebtheit erfreut. Weiterhin eröffnet sie - quasi dazu umgekehrt - Räume, einen Bewusstseinszustand und/oder eine körperliche Kondition subjektiv und besonders intensiv erfahrbar zu machen (siehe exemplarisch "Schmetterling und Taucherglocke"). Der potenziell verstörend intime Faktor speist sich mithin daraus, dem handelnden Charakter (= dem fiktiven Selbst) entweder kaum nahe oder *sehr* nahe zu sein.

      Doch wie nutzt HARDCORE nun besagtes Potenzial? Die Antwort "Gar nicht" wäre ein glatter Euphemismus. Wir crashen in einer Sicherheitskapsel aus tausenden Metern Höhe direkt auf eine Straße, weil es ja so geil ist. Der Puls hämmert am Limit. Wir weiden auf der Suche nach einer Brennstoffzelle irgendwelche Leute aus, denn das ist ultra krass. Und wir ballern eine Armee aus Cyborgs weg, weil wir einfach so mega gut sind. Sinn ergibt unsere martialische Odyssee hinten und vorne nicht, aber das ist egal. Spätestens, wenn wir zwischendurch versuchen, zu Western-Musik ein Pferd zu besteigen, fragt danach ohnehin niemand mehr – es sei denn natürlich, das entspricht heute der allgemeinen Vorstellung von subversiver Filmemache und gelungenem Humor.
      Dafür, dass HARDCORE sich in Großbuchstaben das Wort "Experience" auf die Stirn tätowiert, habe ich mich - dem ungeachtet - ziemlich zu Tode gelangweilt. Vielleicht bin ich schlicht zu altmodisch, aber wenn ich meine Grenzen austesten will, buche ich einen Fallschirmsprung und fröne nicht einer faden, peinlich kindischen und bereits nach 5 Minuten ermüdenden Adrenalin-Simulation.

      Beinahe zugute halten möchte ich dem Party-Film seine Ehrlichkeit (mit Betonung auf "beinahe"). Er tut gar nicht so, als habe er etwas zu vermitteln, woran der Betrachter sich 2 Stunden später noch erinnert. Seine einzige wichtige Einlassung lautet: Dummheit kennt keine medialen Grenzen. Wer an gar nichts mehr glauben möchte, sollte unbedingt zugreifen.

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        Jenny von T 01.09.2016, 19:05 Geändert 01.09.2016, 20:39

        WILD traf mich unerwartet. Bis jetzt hatte ich mich dagegen gesträubt, mir diesen Film anzusehen - bitte nicht wieder so ein "spirituell"-verklärter Naturtrip mit versöhnlichen Kalenderblatt-Weisheiten zum Sonntagskuchen! Nun, vielleicht haben sich einige jener kernlosen Weisheiten tatsächlich auch hier hinein verirrt und wenn jemand darüber hinaus nichts Inspirierendes in WILD entdeckt, möchte ich eigentlich auch gar keine Vorwürfe erheben. Allerdings halte ich die metaphorisch aufgeladene, mittlerweile wohl leicht überstrapazierte Rahmenhandlung für in Wahrheit lediglich ausschmückendes Beiwerk. Und wer weiß: Womöglich genügt mitunter ja wirklich schon die Fläche einer Postkarte, um alles Wichtige zu sagen.

        Bereits mit der ersten Einstellung, in welcher Protagonistin Cheryl von ihrem Zehennagel Abschied nehmen muss, erteilt WILD dem filmischen Kaffeefahrt-Tourismus eine dreiste Absage. Seine hervorstechendste Qualität aber ist die Kunst der Rückblende. Wer sich selbst finden möchte, der sollte die Vergangenheit befragen. Das Leben erbaut er als ein rundes Mosaik. Manche Steinchen haben Doppelgänger, einige kommen in neuer Farbe zurück, wieder andere schließen die entscheidenden Lücken und vermögen, wie der Joker beim Kartenspiel, jede Form anzunehmen.

        Wie funktioniert Erinnerung? Die Echos von Cheryl rollen an in Böen, dann in Wellen oder Sturmfluten. Angeteasert werden sie von Simon & Garfunkels "El Condor Pasa". Häufig verschwimmen Zeitebenen nach reiner Gefühlslogik über Bilder und Klänge ineinander - genau wie ein leiser Nachhall, der sanft die Ohrmuschel des Zuschauers beschallt, aber doch kräftig genug ist, sich dort festzusetzen.
        Ich bin ein sehr auditiver Typ, immer gewesen. Zurückliegendes erschließe ich mir ziemlich wirkungsvoll durch Songs. Für jeden Abschnitt gibt es irgendetwas. Mit meiner ersten Liebe zum Beispiel assoziiere ich felsenfest "Fine Again" von Seether (ja, ausgerechnet einen Song über Trennungsschmerz). Ca. 5 Jahre dauerte es, bis ich das wieder hören konnte, ohne innerlich zu kollabieren.
        Am Liebsten reise ich in meine Kindheit. Sehr präsent hieraus sind zahlreiche Autofahrten. Mein Vater war Kaufmann und besaß ein Modegeschäft, ich wuchs in bescheidenem Wohlstand auf. An Wochenenden besuchten wir gelegentlich entsprechende Einkaufsmessen in weit entfernten Großstädten. Aufbrechen um 3 Uhr nachts war dann keine Seltenheit. Obwohl meine Eltern nie vor meinen Augen stritten, hing der Haussegen schon kurz nach meiner Geburt spürbar schief (ein Kind merkt das durchaus). Mein Gedächtnis ruft nicht einen einzigen Moment ab, in dem ich beide zusammen glücklich sah – abseits davon erfuhr ich trotzdem viel Liebe.
        Das Schweigen im Auto durchbrachen vorwiegend 2 Faktoren: Entweder ich, die aus der Kühlbox etwas zu futtern einforderte, oder Musik aus dem Kassettenradio. Auf den Bändern befanden sich Schlager aus allen Herren Ländern, aktueller Pop (etwa "Wouldn't it be good" von Nik Kershaw) sowie ein paar Dauerbrenner (Elvis). (Zwar zählt "Bridge over Troubled Water" zu den Favoriten meiner Mutter, aber mit Simon & Garfunkel wollten unsere Mixtapes leider nicht aufwarten.)

        Ich war besonders Feuer und Flamme für:

        1.) ABBA (jedes verdammte Stück!)
        2.) "Felicità" von Al Bano & Romina Power.

        Meine Güte, was bin ich auf der Rückbank dazu abgegangen. "Felicità" handelt textlich von kleinen Glückseligkeiten wie weichen Federkissen, Regen, der auf dem Dach aufschlägt oder einem köstlichen Glas Wein – dezente Ironie angesichts der nahenden Scheidung meiner Eltern bzw. der allgemeinen Verstimmung um mich herum. Ich bin sicher, Todd Solondz würde aus dem Stoff einen glorreichen Film drehen.
        Sprung in die Gegenwart: Letztens stehe ich im Supermarkt vor dem Kühlregal und plötzlich ertönt - genau! - "Felicità". Das sonderbare "Einkaufsradio" hatte mich erst neulich eiskalt mit Take That erwischt, aber dies nun setzte meiner Nostalgie-Geneigtheit die Krone auf. Es gibt ja Familien, in denen beinahe alles zwanghaft per Kamera dokumentiert wird, aber wir schossen nie übermäßig Fotos. Dies war auch nicht nötig, denn in diesem Augenblick, also für 3 Minuten, öffnete sich mir ein vergangenes Universum. Für Uneingeweihte lief ich bloß grinsend durch die Fleischabteilung.

        Ob ich eine schöne Kindheit hatte? Ja und nein. Jedoch blicke ich heute ohne Verbitterung auf sie zurück. Sie gehört mir ganz allein. In einer Schlüsselszene aus WILD erklärt Cheryls Mutter Bobby ihrer Tochter, dass sie – trotz gescheiterter Ehe und häuslicher Gewalt - keine Sekunde ihres Daseins bereue. Meine Mutter ist mittlerweile zum 4. Mal verheiratet und trägt einen ähnlichen Optimismus vor sich her, den ich kaum verstehe, dafür aber umso mehr bewundere. Schlager haben bekanntlich die Eigenheit, ohne richtigen Schluss einfach auszuklingen. Mit Lebensphasen verhält es sich oft ähnlich. Aber wer genug Melodien aufsaugt, braucht die Stille nicht zu fürchten.

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        • 1
          Jenny von T 24.08.2016, 20:58 Geändert 24.08.2016, 22:21

          Achtung, Achtung: Dieser Film bereitet körperliche Schmerzen. Er schwelgt einerseits in der typisch düsteren DC-Ästhetik, möchte uns aber auch zum Lachen bringen und sich wie Konkurrent MARVEL in die Herzen der Kinogänger ironisieren. Humor, das meint hier: Eine Szene ist vollkommen willkürlich und unpassend mit "Without Me" von Eminem unterlegt.
          Er gefällt sich ungezähmt wie die knallgrünen Haare seines Jokers und ist – was wirklich etwas heißen mag - am Ende doch der vielleicht konventionellste, ideenärmste, feigste Beitrag zum Superhelden-Genre, der mir bislang unterkam ("'Cause we need a little controversy"?!). Ich habe jedenfalls noch kaum einen Film erlebt, dem man vergleichbar deutlich anmerkte, dass sich während des Entstehungsprozesses nicht lediglich ein ganzer Haufen verschiedener Drehbuch-Autoren auf den Füßen stand, sondern obendrein die Produzenten massiven Druck ausübten. Denn bekanntlich ist ein Blockbuster – vor allem über Superhelden – in deren Augen gerade einmal so viel wert wie die Summen, die er einspielt. Wohl nur wenige Negativfaktoren hemmen ein Kunstwerk stärker als die Angst vor dem Scheitern – und wäre SUICIDE SQUAD ein Mensch, sähe man dicke Schweißperlen auf seiner Stirn. Aber mit wem soll ich Mitleid haben, wenn schon die Ziele (= es allen Recht machen zu wollen) verkehrt herum abgesteckt sind?

          Ach, doch, einen gibt es: Jared Leto. In Foren misst man ihn jetzt natürlich an Heath Ledger, aber der Vergleich hinkt, wo die Macher – wie zum Beispiel hier - ihren Darstellern nicht im Ansatz vertrauen. Den Joker als Gangster-Punk auszuschreiben, ist bereits abenteuerlich genug; gemessen daran schlägt sich Leto wirklich wacker. Schon in DALLAS BUYERS CLUB deutete er an, dass hinter seiner etwas glatten Traumschwiegersohn-Erscheinung durchaus subversives Potenzial schlummert und in SUICIDE SQUAD hätte er dies, zumindest theoretisch, fortführen können. Nicht zuletzt zu seinem Nachteil beherrscht der Film seine eigenen Regeln nicht. Der Joker nämlich taugt weder als Protagonist noch Antagonist – er ist einfach (für insgesamt ca. 10 Minuten) irgendwie da.
          Die Aufmerksamkeit an sich reißen darf indes Margot Robbie, die in jeder einzelnen Szene für ihre "Keckheit" um Applaus bettelt – so laut, dass es schnell ermüdet. Überhaupt nicht erschließen wollte sich mir dagegen die Figur um Enchantress, was keineswegs bloß daran liegt, dass Cara Delevingne mich mit ihrer Darbietung in Sachen Diabolik und Bedrohlichkeit an das Eichhörnchen erinnert, welches ich tags zuvor beim Herumspringen in einer Baumkrone beobachtete.

          Damit wir uns richtig verstehen: Ein Film über Bösewichte und Gegenspieler ist mir im klar abgesteckten Rahmen der Comicwelt vom Grundsatz her sogar sympathisch. Manchmal sind deren destruktive Kräfte zugleich ein verborgener Spiegel ihrer Wunden, wogegen der Held (also "der Gute") zumeist für den Erhalt des Status Quo eintritt und weitaus seltener doppelbödige Facetten zeigt. Wenn nun jedoch die vermeintlichen Schurken gar kein Chaos stiften und im Ergebnis noch einfältiger anmuten als der makelloseste Ritter, läuft fraglos etwas schief.

          Warum versagen so genannte Unterhaltungsfilme immer öfter an ihrer Hauptaufgabe, mich zu unterhalten? Klassisches Storytelling à la Spielberg möchte man dem jungen Publikum offenbar nicht weiter zumuten, audiovisuelle Risiken bzw. auteuristische Tendenzen allerdings sollen bitte überschaubar bleiben. Die dazwischen enger werdenden Räume füllt vordergründig Langweiliges und Unausgegorenes - eben Flickenteppiche wie SUICIDE SQUAD, die sowohl Kritiker als auch Fans enttäuschen. Oder anders gesagt: Filme, die absolut niemand braucht.

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          • 7 .5
            über Krisha

            Letztes Jahr an Weihnachten: Ich sitze eingequetscht mit meiner gesamten Großfamilie auf dem Sofa. Wir singen ganz traditionell Lieder, mein Onkel begleitet dazu auf dem Klavier. Danach Bescherung und Abendessen (ja, "traditionell" kann ich wirklich nicht genug betonen...). Später verläuft es sich. Am Tisch entbrennt lebhaftes Geplauder, während ein Grüppchen um meinen Cousin auf dem Teppichboden für ein Gesellschaftsspiel zusammenfindet. Grund zu feiern gibt es gleich doppelt, denn meine älteste Cousine ist schwanger und meine Tante deswegen fast noch mehr aus dem Häuschen als die angehende Mutter. Über Stunden hinweg steht sie unter Strom. Natürlich hat im Laufe des Abends jeder einen Ratschlag, Anekdoten oder zumindest einen dummen Kommentar zum Thema Elternschaft parat. Wer von uns allen seinerzeit das hübscheste Baby war, gilt es darüber hinaus - aus aktuellem Anlass - dringend auszudiskutieren. Immerhin: Die Sippe ist beschäftigt. Ich sitze zwischen Gruppe 1 und 2, ohne mich aktiv zu beteiligen. Innerlich seufzend denke ich an die Millionen Orte, an denen ich jetzt gerade lieber wäre – zum Beispiel daheim in meinem Bett, mit einer Schachtel Plätzchen und einem guten Film. Unauffällig sein aber fällt heute nicht so schwer, die Standard-Frage nach meinem Befinden meistere ich schon zur Begrüßung locker. Dass ich sie nicht vertiefen brauche, erleichtert mich ungemein. Auf der lang ersehnten Rückfahrt indes male ich mir aus, was wäre, wenn man – anstatt das übliche "Danke, gut!" herauszuwürgen - zur Abwechslung ehrlich ausspräche, wie es einem tatsächlich geht. Das betretene Schweigen wäre wohl kaum messbar.
            Aus der Distanz mögen wir also wie eine glückliche Gemeinschaft wirken, doch ich weiß: Diese Harmonie ist – genau wie die Tischgespräche - sehr, sehr oberflächlich und einzig dem Umstand geschuldet, dass Konflikte nicht sein dürfen. Sie landen einfach unter dem Teppich, und der ausgebeulte Teppich notfalls in der Besenkammer. Die Konsequenz daraus: Mit seinen Problemen bleibt man einsam. Es ist bei genauerem Hinsehen das exakte Gegenteil dessen, was man sich landläufig so unter (dem Idealbild einer) "Familie" vorstellt.
            Über die Ursachen kann ich nur spekulieren, denn keiner derer, die ich seit meiner Geburt kenne, ist ein schlechter Mensch. Möglicherweise lähmt die Angst, für seine Verwandten (mit)verantwortlich sein zu "müssen". Oder an einem unlösbaren Hindernis zu scheitern, bzw. dem Betroffenen trotz größter Anstrengung nicht helfen zu können. Oder es fehlt generell an Vertrauen.

            Hier, und nicht einen Zentimeter vorher, setzt KRISHA an. Eine über 60-jährige Frau wohnt dem Thanksgiving-Fest ihrer Familie bei. Zuerst irrt sie sich in der Tür, was eindeutig bezeichnender ist als der zunächst freundliche Ton, mit der sie schließlich empfangen wird. Erst spät erfährt der Zuschauer (eben deshalb, weil alle dazu schweigen!), dass die Protagonistin 10 Jahre gegen ihre Alkoholsucht kämpfte – 10 Jahre, in denen Funkstille herrschte.
            Wenn die Stimmung umschlägt, dann nicht, weil der junge Regisseur Trey Edward Shults pflichtschuldig eine Dramaturgie der Eskalation erfüllt. Denn beinahe jede Szene ist bereits für sich wie eine brüchige Faser. Im einen Moment noch reißt Krisha mit ihrem Schwager morbide Bemerkungen über die zahlreichen Hunde im Haus, im nächsten muss sie sich bittere Anschuldigungen für ihr langes Fortbleiben gefallen lassen. Zwar bindet die Schwester sie in die Essenszubereitung ein, eine stabile Brücke zwischen den Figuren hingegen will nicht erwachsen. Niemand weiß so recht, wie mit der nunmehr angeblich trockenen Krisha umzugehen ist, aber auch niemand scheint sich aufrichtig für ihr wahres Befinden oder gar ihren Leidensweg zu interessieren. Überforderung und Unsicherheit liegen in der Luft, tonnenschwer bis auf die Schultern der Beteiligten.
            Der Film entfaltet seine Kraft im Wesentlichen über ein waghalsiges Audiovisuelles, er nimmt quasi die Perspektive der labilen Frau ein. Umso bemerkenswerter – gerade an einem Debut! – finde ich, dass überwiegend ebenso die Dialoge sitzen und Szenen punktuell berühren. So misslingt nicht lediglich Krishas Annäherung an ihren entfremdeten Sohn, sie landet buchstäblich in einer toten Leitung... und das Publikum mit ihr. Wann immer sie zaghaft die Fühler ausstreckt, erreicht sie bloß den Anrufbeantworter. Es ist ein vereinnahmend intimes Werk geworden.

            Zu Beginn und am Ende konfrontiert man uns mit Krishas Gesicht in Großaufnahme. Davor weglaufen ist nicht mehr drin. Tausende Dinge sind daraus abzulesen, und nichts davon ist falsch. Erschöpfung, Trauer, Verzweiflung, womöglich ein leises, hoffnungsvolles Lächeln. Dann schließt sie jene Augen, die vergebens Kontakt suchten.

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            • 2
              Jenny von T 10.08.2016, 17:40 Geändert 10.08.2016, 17:49

              Jesse Eisenberg lichtet den Vorhang und schwadroniert über Aufmerksamkeit und wie sie das kostbarste Geschenk sei, das wir – die Zuschauer - ihm geben können. Nebenher rekapituliert er Kartentricks vor einem Spiegel. Dass in den folgenden zwei Stunden Themen wie Magie, Illusion und Blendung den Mittelpunkt von NOW YOU SEE ME einnehmen werden, ist natürlich bloß reine Spekulation! Wirklich!
              Als der junge Zauberer großspurig ankündigt, er werde besagte Aufmerksamkeit nun gegen uns verwenden, schwant mir Böses. Noch mittags war ich gezwungen, eine gefühlte halbe Ewigkeit auf den Bus nach Hause zu warten. Mir blieb nicht viel übrig, außer mich lustlos mit meinem Handy zu beschäftigen – und doch scheint mir besagter Leerlauf im Nachhinein um ein Vielfaches bedeutungsvoller als die Lebenszeit, welche ich etwas später (und sogar freiwillig) an NOW YOU SEE ME verschwenden sollte.

              "Je mehr Sie zu sehen glauben, desto einfacher ist es, Sie zu täuschen!"
              "Je genauer Sie hinsehen, desto weniger sehen Sie!"
              Bla bla bla!
              Eine Binsenweisheit jagt die nächste, dahinter heiße Luft – wie ein Zylinder ohne Kaninchen. Uri Geller hat sich in einen Film verwandelt, anders lässt sich diese Farce zumindest kaum auslegen. Ausnahmsweise glaube ich dafür allzu gern an Hexerei, denn die Vernunft – speziell jene guter Drehbuchschreibe - versagt hier offenkundig und kläglich. Morgan Freeman und Michael Caine treten sogar in einen Wettstreit der Erklärbären und "übertreffen" sich gegenseitig mit peinlichsten Dialogen der Sorte Schlaubi Schlumpf. Beide erweisen, milde formuliert, ihrer Karriere in deren Spätherbst einen Bärendienst – wenn die Gage zum Schmerzensgeld wird. (Künstlerische Ambition trieb die Stars, wie zum Beispiel auch den für gewöhnlich formidablen Woody Harrelson, jedenfalls sicher nicht ans Filmset.)

              Eine Motivation der Figuren ist entweder gar nicht vorhanden oder so sehr an den Haaren herbeigezogen, dass mir diese beim Anschauen des Films beinahe ausfielen. Eine einzige Regel kennt NOW YOU SEE ME, und sie lautet: Male dir in deinem Kopf den unwahrscheinlichsten Handlungsverlauf aus und genau so kommt es am Ende. Seine ultimative Scheinoriginalität verhökert der Film mit einem gewaltigen Tamtam und möchte den Zuschauer so davon ablenken, dass er gähnenden, durchschaubaren Budenzauber hinter einer stinkenden Rauchwolke veranstaltet. Wenn ein vermeintlicher Idiot in Wahrheit alle Strippen zieht, muss es auch jemanden geben, der zwar spektakulär aufspielt, aber im entscheidenden Moment nur Nieten aus dem Ärmel schüttelt. Im Film fungiert der Spiegel als Instrument zur Irreführung, ein Blick in selbigen schadet hin und wieder deshalb aber keineswegs.
              Dennoch: In einer Szene verteidigt sich Dave Franco gegen den attackierenden Mark Ruffalo, indem er ihn mit Spielkarten bewirft (!!!). Daraufhin Ruffalo: "Dein Ernst?!?" An der Stelle realisierte ich: NOW YOU SEE ME kann tatsächlich meine Gedanken lesen.

              ... und der Spuk hält an, ein Sequel steht unmittelbar in den Startlöchern. Hunderte und tausende vielversprechende Skript-Entwürfe begabter Autoren vergilben in irgendwelchen Schubladen, während ausgewiesene Hirnpupse fortsetzungsstark in Massen über die Leinwände flimmern. NOW YOU SEE ME mag nicht die Wurzel des Übels sein, aber er ist ein wahrlich *unfassbarer* Vertreter seiner Blender-Zunft. Wenigstens das sehe ich jetzt.

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              • 4 .5
                Jenny von T 03.08.2016, 09:08 Geändert 03.08.2016, 14:08
                über Pets

                THE SECRET LIFE OF PETS ist ein Film, der – obwohl in zahlreichen Belangen lediglich die x-te Variation von Altbekanntem – sein Publikum bei der Stange zu halten weiß und seine fluffigen Helden, sofern man keinen Meilenstein für die Animationswelt erwartet, ordentlich verkaufen kann. Sein fast schon dummdreister moralischer Schlusspunkt allerdings versalzte mir die Suppe gründlich.

                Einführend wird das zumeist wahrscheinlich eher triste Leben eines typischen Haustiers nachgezeichnet: Frauchen oder Herrchen verschwindet am frühen Morgen, die Tür fällt ins Schloss und dann ist erst einmal Tristesse angesagt. Für mindestens 2/3 des Tages operiert das Tier in einem begrenzten Bewegungsradius und ist weitestgehend abgeschottet. Natürlich muss man meine Meinung nicht teilen, aber – wenngleich es ohne Zweifel auch sehr fürsorgliche Tierbesitzer geben mag – stellt das Halten von Tieren (auf überschaubarer Wohnfläche) in meinen Augen grundsätzlich eine Art von Gefangenschaft dar. Und dabei spreche ich noch gar nicht von absichtlicher Quälerei oder Ähnlichem. 
                THE SECRET LIFE OF PETS scheint in den Anfangsminuten nun tatsächlich Anstalten zu machen, dies zu hinterfragen. Zwar können Hund, Katze, Wellensittich und Co. hier problemlos von Fenster zu Fenster springen/fliegen und so immerhin untereinander Konversation pflegen, aber das sei mal geschenkt. Im Raum steht der Verdacht, dass besagtes Leben aus Sicht der Tiere möglicherweise nicht das Nonplusultra ist – verstärkt durch eine alsbald auf den Plan tretende pelzige Untergrund-Bande, welche sich sogar den Kampf gegen die Menschen auf die Fahnen geschrieben hat. Jene Gruppe um das Kaninchen Snowball nämlich erfuhr durch frühere Besitzer schlimme Misshandlungen und agiert daher nunmehr im Namen kompromissloser Freiheit. Prinzipiell ein diskussionswürdiges oder zumindest verständliches Anliegen, schiebt man die Schwarz/Weiß-Zeichnung großzügig beiseite.

                [SPOILER] Jedoch "entlarvt" der Film Snowball als rückgratloses, kaum ernstzunehmendes Fähnchen im Wind, denn ausgerechnet der weiße Puschel soll es sein, welcher sich am Ende von einem kleinen Mädchen "bekehren" lässt und nach einer Runde Knuddeln plötzlich unbedingt wieder in den alten Status Quo als normales Haustier zurückkehren möchte. Nicht bloß steht die Wendung auf unglaubwürdig-wackeligen Füßen - sie ist obendrein ziemlich anmaßend. Die Botschaft lautet demnach: Tieren geht es am Besten in menschlicher Gesellschaft und mit einem (beengenden) Dach über dem Kopf. Seinen vermeintlichen thematischen Diskurs verweichlicht THE SECRET LIFE OF PETS über die Grenze des Erträglichen hinaus, der eigentlich schöne solidarische Appell verpufft als Nebelkerze.
                Dass wir es im Ergebnis "nur" mit einem Kinderfilm zu tun haben, erachte ich als lahme Entschuldigung – denn wer in der Kunst ein Anliegen nicht ehrlich verhandeln will, soll eben über etwas (anderes) erzählen, wofür die Wahrheit aus Gründen reiner Rücksichtnahme weniger heftig (oder idealerweise: überhaupt nicht) verbogen werden muss. 

                Die Lesart des Films als Fabel ist meines Erachtens nicht zwingend, da die tierischen Protagonisten im Vergleich zu zum Beispiel ZOOTOPIA abgeschwächt vermenschlicht auftreten. Erprobt man es gleichwohl, stehen die Haare noch elektrisierter zu Berge. Dann heißt es: Gehorche deinen Eltern, Lehrern, Vorgesetzten und folge jeder Obrigkeit. Die wissen, was gut für dich ist. Denke niemals selbstständig und unterwerfe dich kritiklos. Bleibe abhängig und füge dich (buchstäblich) der kurzen Leine. 
                Meine Empfehlung: Das Eintrittsgeld sparen und die kids stattdessen den Sommer genießen lassen.

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                • 9 .5

                  Ich bin seit halb 6 auf den Beinen und habe einen echt anstrengenden Tag hinter mir. Das Finale von SIX FEET UNDER hob ich mir für heute auf, dafür reichte die Kraft zum Glück noch. Und jetzt weiß ich nicht, ob ich mich wie neu geboren fühle oder gerade etwas in mir gestorben ist. Seltsam das alles, zumal ich – ungelogen - viereinhalb Staffeln fortwährend damit verbrachte, so gut wie jedem Charakter die Pest an den Hals zu wünschen. Besonders Brenda und Billy. Ich vermute, ich blieb an dieser Serie aus demselben Grund dran, der Leute über Jahre an vorabendlichen Telenovelas bindet: Um mir heimlich zu versichern, dass ich wohl doch kein ganz so schlimmer Freak bin wie die Typen auf dem Bildschirm. Und mich eben ein bisschen in Verachtung und Überlegenheit zu suhlen. Was man dabei fahrlässig vergisst: Von außen sehen die Dinge immer anders aus, aber in irgendeiner dieser hauchzarten, misslichen, schwerkraftlosen Seifenblasen schwebt schließlich jeder. Leider sind sie von innen durch ewigen Tau beschlagen. Doch erklärt es nicht, warum ich während der letzten 5 Episoden ohne Unterlass weinen musste. Weinen um Figuren, die mich erwiesenermaßen auf die Palme bringen. Wir reden hier nicht von einem flüchtigen Schluchzen, dem ein Taschentuch im Handumdrehen Abhilfe schafft. Nein, ich war vom Heulen erschöpft. Bin es irgendwie auch jetzt noch. Einmal floss mir mein Apfelsaft einfach wieder aus dem Mund. Trinken konnte ich nebenbei dann also auch nichts mehr. Ich fühle mich hilflos wie ein kleines Kätzchen, das jemand auf der Hauptstraße ausgesetzt hat.

                  [Spoiler]

                  Ja, immerhin mit David konnte ich mich nach längerer Anlaufphase arrangieren, da er eben ein vernünftiger Kerl ist und seine Verletzlichkeit ab einem gewissen Punkt vereinnahmend wird. So richtig – auch in seinen Schwächen – hinreißend fand ich allerdings erst George. Meine liebsten Szenen hängen mehrheitlich mit ihm zusammen. Denken wir an seine erste Begegnung mit Ruth. Die beiden umarmen sich auf einer Trauerfeier, ohne, dass dem ein Wort vorausgegangen wäre. Nachdem sie ihn im Zuge der Trennung zunächst ziemlich schroff abwürgt, steht er in schwierigen Phasen dennoch wie ein Fels an ihrer Seite, und am Sterbebett hält er ihre Hand. Die beiden haben ihre romantische Beziehung sozusagen überwunden, um einander ein zweites Mal auf einer neuen, mutmaßlich höheren Ebene der Liebe zu finden. Ich habe keine Ahnung, ob es so etwas geben kann und erst recht keine Erfahrung auf dem Gebiet, bin jedoch Feuer und Flamme für den Gedanken.

                  Das Motiv der Seelenverwandtschaft erfährt in SIX FEET UNDER sowieso eine sehr schöne, melancholiegeneigte Definition. Brenda & Nate, Keith & David, Claire & Ted, Arthur & Ruth formen in unterschiedlichster Ausprägung auf dem Papier denkbar undenkbare Paar-Konstellationen, trotzdem passiert es irgendwie und der Blitz schlägt ein. Entgegen jeglicher Wahrscheinlichkeiten kämpft man daraufhin um, gegen sowie für den jeweils anderen. Die Serie schafft es, die Unerklärlichkeit von Gefühlen zu erklären... oder zumindest, ihre Konturen sanft mit einem Bleistift nachzufahren. Furchtlos durchkämmt sie außerdem die Institution Familie: Als Hort des Terrors und gleichsam tiefster Bande.

                  In diesem Moment denke ich, dass ich meine Nächsten öfter wissen lassen sollte, was sie mir bedeuten. Der Sinn des Lebens? Vielleicht: Aus rund 7 Milliarden Menschen ein paar wenige um sich scharen, die selbiges ein klein wenig (un)erträglicher machen. Daneben allein sein. Um mehr Zeit bitten. Gemeinsam in der Seifenblase strampeln, bis einer unverhofft aus ihr heraus plumpst und nur die Frage aufpoppt: Warum?

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                    über Macbeth

                    Justin Kurzel ist mit seiner Star-gespickten Macbeth-Adaption nicht der erste, der sich an Shakespeare die Zähne ausbeißt. Immerhin erliegt er einem aufschlussreichen Zwiespalt: Die apokalyptisch-todesschöne Optik verheißt dem Zuschauer das Eintauchen in ein mittelalterliches Nachtgedicht, gemäldeartig setzen manche Aufnahmen die Gesetzmäßigkeiten der Zeit außer Kraft. Die Dialoge indes eisen sich zu keiner Sekunde von der Vorlage los und erzähltechnisch wirkt der insoweit etwas konfuse, ziellose Film weniger intuitiv, sondern vielmehr unbeholfen. Weder Kennern noch Neueinsteigern in das Werk dürfte also ein Gefallen getan sein.

                    Nun ist es natürlich keine Schande, umfassend auf das Gewicht von Shakespeares Worten zu vertrauen, hier jedoch erkennt man schnell, dass es der Leinwand-Aufarbeitung an Subtext mangelt, den im Ergebnis auch die majestätischen Fotografien nicht nachreichen können. Bedeutungsschwere Lyrik lässt sich eben nicht so einfach von einem Medium auf ein anderes übertragen.

                    Dies liefert Gelegenheit, noch einmal die Qualitäten von Shakespeare in Erinnerung zu rufen. Seine zeitlosen Geschichten über menschliches Fehlgehen sind inhaltlich radikal und blutgetränkt. Vollendung erfahren sie erst über das Kontrastspiel mit einer singulär anmutigen wie zugleich präzisen Sprache, die zwischen den Linien ganze Landstriche (und, wenn es sein muss, schwarze Herzen) zum Erblühen bringt.
                    Ein – will man Unmögliches verlangen – adäquat kunstvoller Transfer glückt Justin Kurzel höchstens in Ansätzen. Unverzeihlicher finde ich da schon, wie leichtfertig der Regisseur sich seinem Protagonisten zuwendet, in dessen Machtwahn und Umnachtung, Aufstieg und Fall – beinahe so, als handele es sich dabei um ein ansonsten überholtes Thema von kinotechnisch untergeordnetem Wert. Mit nebeltrunkenen Landschaften geizt MACBETH zwar nicht, doch ist auch jede Stimmung (und vor allem: jedes Innenleben) mit einer simplen Metapher übersetzbar?
                    Und Marion Cotillard sah man selten so verloren. Gerade, weil sie eigentlich eine top Schauspielerin ist, fällt es auf, wie blass sie dieses Mal agiert – von Diabolik und Durchtriebenheit einer Lady Macbeth nichts zu spüren. An ihrem natürlich lieblichen Gesicht liegt es bestimmt nicht, denn das Drehbuch gewährt ihr ohnehin kaum Raum zur Entfaltung. Eine im Prinzip sehr attraktive, herausfordernde Rolle wird für sie daher zur undankbaren Aufgabe.

                    Insgesamt ein hübsch anzusehender, andererseits interpretationsscheuer Film, der seiner Ästhetik hinterher hinkt. Oder um es mit Shakespeare zu sagen: Much Ado About Nothing.

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                      Jenny von T 18.07.2016, 15:14 Geändert 18.07.2016, 16:11

                      TONI ERDMANN ist erfrischend unverklemmt und überraschend klamaukig. Natürlich ohne die Cannes-Entscheidung gegen Maren Ade verteidigen zu wollen, kann ich mir ohne Weiteres vorstellen, dass – gerade dieser Tage, wo zusehends der politische Anspruch in den Vordergrund rückt - nicht jede Jury eines renommierten Festivals sich die Blöße geben möchte, etwas derart Unverkopftes auszuzeichnen. Dies nicht zuletzt deshalb, weil man leicht auf die Idee kommen könnte, den mitunter ziemlich albernen Humor des Films pauschal mit einem Mangel an Ambition gleichzusetzen. Ein bisschen Spaß zu haben ist aktuell wohl einfach nicht mehr "in" – und lustigerweise erklärt TONI ERDMANN genau das anhand seiner karrieresüchtigen Protagonistin auch mehr oder weniger direkt zum Thema.

                      Seine alles überragende Qualität besteht vor allem darin, auf höchst originelle Art eine Geschichte neu aufzubacken, die beinahe älter sein dürfte als das Kino: Die Annäherung zweier gegensätzlicher, offenbar ultimativ unvereinbarer Persönlichkeiten. Virtuos in seiner Beiläufigkeit und Präzision spinnt der Film außerdem letztlich irgendwie auch ein westliches Gesellschaftsportrait.

                      Sandra Hüller spielt Ines Conradi - eine Unternehmensberaterin, die den Kapitalismus in seinen hässlichsten Facetten so stark imprägniert hat, dass es einen dabei geradezu gruselt, ihren Alltagsaktivitäten zu folgen. Sogar vor dem Kühlschrank stehend geht sie nochmals einen wichtigen Vortrag durch, aber trotz ihres unglaublichen Perfektionswahns fällt es ihr schwer, sich maschinengleich in dieser Fehler verachtenden Männerdomäne zu behaupten, was Maren Ade tragikomisch in einer ganzen Reihe an awkward moments verpackt.
                      Auf die Nachfrage hin, ob sie überhaupt ein Mensch sei, möchte man als Zuschauer zunächst hämisch applaudieren, allerdings scheint nachdrücklich durch, dass hinter Ines' kalter, berechnender Fassade massig Selbstzweifel, Ängste sowie pure Erschöpfung lauern. Sie ist aktives Zahnrad eines inhumanen Systems und mindestens ebenso dessen Opfer. Ihr Hotelzimmer in Rumänien zum Beispiel gewährt den Blick auf eine dortige ordinäre Wohnsiedlung – obwohl direkt unter Ines' Fenster stattfindend, scheint ihr jene von Armut zerrüttete Welt vollkommen fremd. Speziell in ihrem Fall hält man es anfangs demnach kaum für möglich, doch am Ende sind wir trotzdem alle – wirklich alle - von ähnlichen Sehnsüchten und Wünschen geleitet: Zu lieben und geliebt zu werden. Das ist mal klar.
                      Vater Winfried hingegen: Ein Held wie aus einem Aki Kaurismäki-Film entsprungen. Er führt ein vergleichsweise bescheidenes Leben, lässt jeden Tag gemütlich auf sich zurollen und nimmt die Dinge so, wie sie eben kommen. Er beherrscht die wahrhaftige Kunst, den inneren Idioten nicht nur akzeptieren, sondern ihm uneingeschränkte Freiheit zu gewähren. Nach dem erniedrigenden Verhalten seiner Tochter hätte Winfried genug Gründe, in ein tiefes Loch zu fallen und ihr für immer den Rücken zu kehren. Stattdessen erfindet er mit Toni Erdmann ein flauschiges Alter Ego, um Ines von der Existenz einer Sonnenseite zu überzeugen. Wäre es vermessen, ihn als scheinendes Vorbild zu bezeichnen? Ich denke nein.

                      Nun zum kleinen Wermutstropfen. Die tollen Beobachtungen des Films einmal außen vor, leidet er dennoch an einer Schwäche: Er ist schlicht zu lang geraten. Problemlos könnte man ihn meines Erachtens auf normale Laufzeit (90-120 Minuten) drosseln, ohne, dass wesentliche Informationen verloren gingen. Bei mindestens einer handvoll Szenen beschlich mich der Eindruck, weder Plot noch Charakteren besonders dienlich zu sein. In 162 Minuten rechnet sich das. Und die finale Viertelstunde, in welcher Maren Ade unglücklich in den Erklärbär-Modus schlittert und symbolisch dick aufträgt, ist darüber hinaus komplett verzichtbar.

                      So viel zum Meckern auf hohem Niveau, denn eine gelungene deutsche Komödie verdient Applaus, den ich dem gefeierten TONI ERDMANN keineswegs absprechen will. Loriot wäre bestimmt stolz. Daher meine Bitte: Stürmt die Kinos, damit wir künftig mehr davon bekommen.

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                          Als vorgestern, nach einer halben Ewigkeit, LOST HIGHWAY seinen Platz in meinem Player einforderte, verlief dieses Wiedersehen etwas unverhofft. Mir war bis jetzt nie in dem Maße aufgefallen, dass David Lynch mit Genres kokettiert, trägt dieser im Herzen surreale Film besonders in seiner zweiten Hälfte phasenweise ja deutlich erkennbare Züge eines düsteren Crime-Thrillers. Was im Grunde schon kurios genug ist. Auch der hochauflösende, eigentlich klassische Twist, der die Hirnwindungen des Zuschauers endgültig einreißt (und so sehr auflösend dabei gar nicht einmal ist), fügt sich auf den ersten Blick nahtlos in die Gattung "Mindfuck" rund um FIGHT CLUB und MEMENTO, welche in den späten 90’ern/frühen 00’ern in Scharen die Kinos enterte und noch immer Nachläufer austrägt.
                          Aus heutiger Sicht wäre ich normalerweise also geneigt, Kritik anzubringen – und doch ist LOST HIGHWAY so inhaltsschwer und eigenständig, dass diese im Ergebnis vollkommen leer liefe.

                          Eine in Bezug auf David Lynch häufig bemühte Phrase lautet, er würde erfolgreich an Urängste appellieren, und darum sei seine Kunst derart furchteinflößend. Kontrollverlust dürfte eine dieser Ängste heißen. Oder vielleicht sogar noch schlimmer: Die Erkenntnis, von vorneherein nie etwas kontrolliert zu haben. "Verlust" kehrt Lynch in einen Euphemismus. Unser Alltag und dessen vertraute Abläufe vermitteln, bei aller Langeweile, zwar stets eine Form von willkommener Sicherheit. Filme wie LOST HIGHWAY aber entlarven diese Sicherheit als fragilen Schein. In seinen Visionen zum Beispiel werden Fred sowie dessen Frau Renee durch ein verdammtes Videotape terrorisiert.
                          Was aber ist an Aufnahmen des eigenen Schlafzimmers eigentlich gruselig? Zunächst einmal rein gar nichts. Vielmehr führen die äußeren Umstände hier eine Verzerrung herbei, denn besagtes Tape fertigte gerade nicht Fred an, sondern ein Unbekannter, der mit der Aktion wohl zu verstehen geben will, dass er jederzeit in die Intimsphäre des Paares eindringen kann... und dort womöglich Schaden anrichten, welcher nicht konkret vorherzusehen ist.

                          Schauerlich-genial beschreibt der Film, wie sein Protagonist mit sich selbst kommuniziert. Als nämlich die beiden Polizisten eintreffen, raten sie Fred – oh, the irony – zum Einsatz einer Videoüberwachung für die Wohnung. Gar noch interessanter wird es, als Fred meint, er möge keine Kameras und bevorzuge es, sich an Dinge "auf seine Art zu erinnern". Jedoch durchlebt er zwei übereinander geschichtete Albträume, die uns nach dem Abspann über jene Aussage traumatisiert grübeln lassen. Dass Fred den Mord an seiner Frau zu verdrängen versucht und schließlich – weil ihn die schreckliche Tat permanent einholt bzw. aus der Wirklichkeit in den Wahn hinein durchschlägt - noch tiefer in die Finsternis treibt, ist hingegen nur eine Facette der Geschichte. Die andere legt nahe, dass er überhaupt nicht mehr aufwachen kann, da die staatliche Exekutive soeben tatsächlich ein Todesurteil an Fred vollstreckt. Die Flucht, quasi zurück in die Realität, bleibt ihm verwehrt, und somit gleichsam die rationale Auseinandersetzung mit seiner Schuld. Ob Lynch sich an der Stelle explizit gegen die Todesstrafe positionieren wollte, weiß ich zwar nicht, entsprechend lesbar ist LOST HIGHWAY aber definitiv.

                          Weil eine Kamera die Wahrheit (oder zumindest einen Teil von ihr) unbestechlich festhält, fällt ihr gewissermaßen der Charakter einer Waffe zu. Als solche setzt sie auch der nebulöse Mystery Man ein, als er Fred in einer extrem unbehaglichen Szene "bedroht" – die Bedrohung ist dann das, was Fred nicht sehen möchte und wovor er wegrennt. In zahlreichen David Lynch-Werken nimmt das Zusammenspiel von Bewusstsein und Unterbewusstsein eine zentrale Rolle ein... kein Wunder, dass der Regisseur am Motiv des (zumeist roten) Vorhangs einen Narren gefressen hat. Allerdings lüftet sich dieser Schleier nie um man hadert auch, ob man überhaupt wissen möchte, was dahinter lauert. Das Offensichtliche, das "reguläre", einstudierte Geschehen auf der Bühne scheint für Lynch etwas Unvollständiges zu sein, womit er sich nicht zufrieden gibt. Was "backstage" in unserem Gehirn passiert, zieht er dafür gnadenlos nach vorne auf die Bretter.

                          Das Scheinwerferlicht von Freds Autos ist eingeschaltet. Beruhigung will sich indes nicht wirklich einstellen, zumal es bloß einen kleinen Part der Straße ausleuchtet. Was befindet sich rechts, links, einen Kilometer weiter vorne... oder auf der Rückbank? All das sehen wir immer noch nicht. Ich wünsche eine gute Reise durch die Nacht!

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                            Jenny von T 30.06.2016, 15:44 Geändert 30.06.2016, 16:00

                            Das also passiert dabei, wenn Nicolas Winding Refn – wie er selbst sagt - das 16-jährige Mädchen in sich entdeckt. Und vielleicht ergibt THE NEON DEMON wirklich nur Sinn als Phantasie eines verrückten Regisseurs, der wieder einmal komplett abdreht. Wer sonst käme auf die Idee, wahre Schönheit ausgerechnet durch den klinischen Filter der Modelindustrie zu jagen?

                            Die junge Jesse (gespielt von Elle Fanning), neu in LA, setzt Gefühle in Wallung, wo immer sie erscheint – angeblich, weil an ihr alles echt und unberührt ist. Eine Kollegin indes, die sich schon mehrmals das Gesicht hat richten lassen, erhält vom Chef lediglich das unterkühlte Prädikat "OK". Jesse ist mit ihrem wallenden Haar wie eine geheimnisvolle Göttin, die aus dem Nichts auftaucht und im Nu offenbar mühelos die Karriereleiter erklimmt... sehr zum Unmut der sowieso neidzerfressenen Konkurrenz.
                            Hier frage ich mich: Seit wann wird in dieser Branche Natürlichkeit geschätzt? Denke ich zum Beispiel an "Germanys Next Topmodel", so setzt Heidi Klum (ein leibhaftiger Dämon...) doch alles daran, ebenjene aus ihren Kandidatinnen herauszuprügeln. Nehme ich ein Prospekt zur Hand, sind die Mädels darin zwar auf eine konventionelle Art hübsch, in ihrer Geformtheit am Spiegeltisch manchmal aber auch kaum mehr auseinander zu halten. Ein Körper muss bestimmte Maße aufweisen - die Lippen bitte nicht zu schmal, die Wangenknochen nicht zu maskulin und die Nase nicht zu groß. Individuelle Merkmale würde die Werbung wohl am Liebsten abschaffen... doch ist das Makellose nicht zumeist auch sterbenslangweilig? THE NEON DEMON, an dessen kalter, ausgestellter Sinnlichkeit ich mich (als eigentlich NWR-Sympathisantin) überraschend schnell satt gesehen hatte, führt hierüber sogar höchst selbst Beweis.

                            Wie ausgerechnet Jesse sich nun einfügen kann, erschließt sich mir nicht. Sollte sie (nach herkömmlichen Beauty-Standards) perfekt sein, ist sie in Wahrheit vermutlich ohne Reiz. Ist sie hingegen unverformt (und unverformbar!), landet ein Juwel wie sie – gottlob - bestimmt niemals auf einem Laufsteg. In ihr erschafft der Regisseur mithin eine Projektion, ein Trugbild auf zwei schlanken Beinen, das zu verführerisch ist, um lange zu währen. Und weil Refn es genießt, sich in einer Flut aus gewaltsamen "Abgründen" (manchmal auch tumber Symbolik) zu verlieren, zerbricht der berechenbare Film mit seiner Protagonistin trostlos in diverse Einzelteile. Sobald eine Leiche in den Fokus der Kamera rückt, fällt damit der Startschuss für die große Show. Mich beeindruckt Refn damit nicht mehr. Obschon ich an den teils kreativen ersten 60 Minuten durchaus noch Gefallen fand (Stichwort: Die Raubkatze im Motel), bewirkt das ganze Gepose dieses Mal einen unangenehmen Nachgeschmack.

                            Ein interessantes Phänomen spricht THE NEON DEMON leider nur am Rande an, nämlich die säuerliche Tatsache, dass gewissermaßen jeder oberflächlich ist. Denn woran entscheidet sich, wen wir unbekannterweise an der Bar ansprechen (womöglich wäre die eher unauffällige Person aus der hinteren Sitzecke die passendere Wahl gewesen?), warum wir - ohne sie zu kennen - Schauspieler A anhimmeln und andererseits von Sänger B nicht allzu viel halten? Letztlich sind es Äußerlichkeiten, die zu einem subjektiven Mosaik zusammenfließen, welches wiederum nicht selten den Ausschlag gibt. Ebenfalls verlockend wäre der Versuch einer kunstvollen (nicht: künstlichen) Definition von "Ausstrahlung", als Bündelung innerer und äußerer Züge.

                            Ich hätte mir gewünscht, der Film würde noch stärker Fassaden reflektieren und damit verbunden nicht zuletzt seine eigene Ästhetik, auf die er ja so siegessicher baut. Stattdessen beschlich mich die Befürchtung, auf einem neogelben Kaugummi herumzukauen, den ich erst nach knapp 2 Stunden wieder ausspucken durfte, als er längst seinen Geschmack verloren hatte. Fleischlich ist THE NEON DEMON - eine lynch-cronenberg'sche Schmalspur-Version - nicht besonders. Auch, wenn er Gegenteiliges behauptet.

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                            • Jenny von T 21.06.2016, 10:41 Geändert 21.06.2016, 10:53

                              War vom Ausgang her alles schon einigermaßen vorhersehbar - genau, wie Baelish in letzter Sekunde noch den Tag rettet. Rein dramaturgisch betrachtet bietet die Folge also eigentlich nur das kleine Einmaleins auf. Und doch: Als endlich das Stark-Banner ausrollt, möchte ich mir am Liebsten eine Fackel schnappen und mit ihr in der Hand majestätisch auf einem Ross durch die Nacht reiten. Well done an alle Beteiligten.

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                                Jenny von T 16.06.2016, 10:51 Geändert 16.06.2016, 11:03

                                Mit dem südamerikanischen Dschungel hat die Natur eines ihrer vielen Meisterwerke vollbracht. Der Amazonas bahnt sich in Kurven seinen Weg durch schier endloses Grün, während die Berge im tief hängenden Nebel versinken, der seinerseits wie ein lebendiger Schleier das Wasser und die Erde überwacht. Dass wir hier nicht mehr nur einem weltlichen Ort, sondern einem übergroßen Mythos gegenüber stehen, ist diesem Film von Ciro Guerra schlangenförmig eingraviert. Er mahnt, verführt, verschlingt.

                                Im Abstand von 31 Jahren suchen der deutsche Forscher Theodor Koch-Grünberg und der amerikanische Botaniker Richard Evans Schultes nach einer besonderen Heilpflanze (genannt Yakruna). Ersterer erliegt noch im Urwald einem Fieber, gleichwohl muten die Wege der Abenteurer wundersam vergabelt an - so, als sei dieselbe Seele zurückgekehrt, angezogen wie von einem Magnet. Auch treffen beide auf den Schamanen Karamakate, der ihnen, nach einigem Zögern, Unterstützung zusagt und sie begleitet. Begleitet auf einer Reise an den Rand des Fassbaren. In Aufzeichnungen heißt es:
                                "Ich kann nicht wissen, ob der unermessliche Regenwald in mir schon den Prozess ausgelöst hat, der so viele andere, die sich so weit vorgewagt haben, in den unheilbaren Wahnsinn getrieben hat. Sollte das der Fall sein, bleibt mir nur, mich zu entschuldigen und um Verständnis zu bitten, denn das Erlebnis während dieser magischen Stunden war so überwältigend, dass es mir unmöglich scheint, sie in einer Sprache zu beschreiben, die anderen ihre Schönheit und ihre Pracht verständlich machen könnte. Ich weiß nur, dass ich ein anderer war, als ich wieder zu Sinnen kam."

                                Jenen Worten, um die Koch-Grünberg nur flehend ringt, ohne sie zu erreichen, wird DER SCHAMANE UND DIE SCHLANGE mit jeder Pore gerecht.

                                Es existieren dutzende Wege, sich dem Film zu nähern. Oder aber auch bloß ein einziger. Persönlich erlebte ich ihn als Zeugnis spiritueller Prozesse des Verlierens, Loslassens, Wiederfindens und schließlich Weitergebens.
                                1940 nämlich ist von Karamakates Stamm niemand mehr übrig. Allein Felszeichnungen erinnern ihn daran, wer er einmal war, doch selbst diesen traut er nicht länger. Mehrmals vergleicht er sich, seiner Identität beraubt, mit einem Chullachaqui – einem leeren Körper, der Kopie von einem Geist. Diese Einschätzung straft das geradezu psychedelische Ende des Films Lügen, allerdings muss die Gruppe bis dahin restlos ein dichtes, schwarz-weißes Geflecht zerschlagen, das viele Namen und Gesichter (manchmal auch Fratzen) trägt. Schultes hofft, mit Hilfe der Yakruna das Träumen zu erlernen und entdeckt eine ihm bis dato unbekannte Welt, die sich in verschiedensten Ausprägungen plötzlich direkt vor seiner Nase entfaltet.

                                Der Kolonialismus hat einst unberührtes Gebiet aufs Hässlichste entstellt. Ein Versuch, dieses Grauen in rationale Bilder zu packen, würde ihm wahrscheinlich nicht gerecht oder wäre gar zum Scheitern verurteilt. Als Zuschauer erfährt man so Momente schaurigen Unbehagens, Ciro Guerra lässt eine Flucht davor nicht zu. Der Kontrapunkt erklingt aus einem Grammophon und Karamakate meint, hieran (also an die Musik) solle man sich halten. Der Mensch kann Bestehendes vernichten oder Dinge von Bedeutung erschaffen – wie niederschmetternd, dass wir uns trotz zivilisatorischem Bemühen noch immer zu oft für das Falsche entscheiden. An der Stelle hat der Film sein Publikum (oder zumindest mich) immerhin so weit gebracht, dass man Schultes für seinen Einwand, er sei ja ein Mann der Wissenschaft, ein klein wenig belächeln möchte – denn wie wenig er, fernab der Heimat, letztlich weiß, erstaunt und erschüttert nicht nur ihn.

                                Nein, DER SCHAMANE UND DIE SCHLANGE perlt nicht einfach ab wie ein Schweißtropfen auf der Haut. Er transportiert sein feuchtwarmes Klima direkt ins Kino. Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen.

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                                • Jenny von T 14.06.2016, 10:23 Geändert 14.06.2016, 14:00

                                  Wie man zu dieser Folge steht, ist natürlich eine Frage der Erwartungshaltung. Richtig, der Handlungsstrang von Arya hat ein recht unspektakuläres Payoff erfahren: Keine "Fight Club"-Twists (= Arya und The Waif sind dieselbe Person) oder ähnliche ausgelutschte Drehbuch-Verrenkungen aus der Mottenkiste der späten 90'er. Stattdessen hielt man es - offenbar zum Unmut vieler Fans - simpel und effektiv. Ich bin darüber sehr froh, da ich die Vorzüge von GoT ohnehin weniger in ausladender Action, sondern eher in den starken Charakter-Momenten sehe, welche es durchaus weiterhin gibt. Hier sind sie ungemein lebensbejahend ausgefallen.
                                  Denn Aryas "Ausbildung" in Braavos war nicht weniger als ein Rangeln um Identität. Würde sie nach all dem Horror, der ihrer Familie widerfuhr, ihre eigene Menschlichkeit ablegen - oder würde sie zu neuer Stärke finden? Zu Beginn der Staffel (bzw. zum Ende der 5.) musste sie erblinden, jetzt aber wissen wir: Arya sieht im Dunkeln besser als die Kontrahentin - und möglicherweise sogar besser als jeder andere. Schließlich dient ihr die Erfahrung als Waffe, wie ihre Geschichte überhaupt voller Poesie und Symbolik steckt. Und was auch immer sie bei ihrer Rückkehr nach Westeros dort vorfinden wird: Sie wird dort als Arya Stark ankommen, und nicht als niemand. Im Grunde ist der Titel "No One" ganz verkehrt - die Folge müsste "Someone" heißen.

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                                    über Cosmos

                                    Einen Żuławski schauen bedeutet, mit weit aufgerissenen Augen den Wahnsinn stürmisch zu umarmen, und vielleicht ist das auch schon das Konkreteste, was sich über diesen – seinen letzten - Film des polnischen Regisseurs sagen lässt.
                                    Gewiss könnte man versuchen, dem hysterischen Ungetüm COSMOS so etwas wie Spuren einer Handlung zu entlocken: Zwei Freunde (der eine ein kriselnder Jura-Student, der andere bis vor kurzem Mitarbeiter einer Pariser Modefirma) hoffen auf ein paar ruhige Tage in einem ländlichen Gasthaus, doch bereits vor dem Einchecken wird einer der beiden, Witold, im Wald von einem erhängten Spatz empfangen. Als nächstes sterben ein Huhn und eine Katze unter ebenso ungeklärten Umständen, während die beiden jungen Männer Bekanntschaft mit den durch und durch sonderbaren Hausherren schließen. Das Dienstmädchen hat eine deformierte Lippe, die hübsche Tochter der Familie hingegen einen nahezu perfekten Mund. Und weil der Höllenfürst gerne dick aufträgt, muss eine Schicht Lippenstift her: Bei der einen sieht die rote Farbe im Gesicht aus wie verwischtes Blut, bei der anderen weckt der ästhetische Anblick Begehrlichkeiten.
                                    In einem Interview monierte Żuławski einmal eine allgemeine Festgefahrenheit bei der Rezeption von Kunst. Man dürfe zum Beispiel Thomas Mann keinesfalls mit Franz Kafka kreuzen, weil das nach Ansicht der breiten Mehrheit einfach nicht passe und erst recht nicht zu verkaufen sei. Das überdrehte Universum von Żuławski indes ist per se ein frontales Kino der Spannungen, welche gerade nicht aufgelöst werden sollen, sondern vielmehr gedeihen und eskalieren müssen. Wer behauptet eigentlich, dass nicht auch die oben erwähnte Magd schön ist? Was wir ansprechend finden, diktieren schließlich nicht zuletzt Perspektive und Gewohnheit. Sich einem Film wie COSMOS hinzugeben, fordert mithin ein, die comfort zone auf dem Schleudersitz verlassen zu wollen. Ziel: unbekannt, ist das Chaos doch bekanntlich eine Leiter...

                                    ... die zu erklimmen mir leider verwehrt blieb. Trotz wahnwitzigen Gesichter-Closeups und frechen Einfällen ("The savage power of a stupid thought.") bin ich mit dem Film nämlich nicht warm geworden. Gefühle beobachtet man hier nie in Reinform, stattdessen mündet jede einzelne Sekunde ungefiltert ins Absurde – in Ton, Wort und Bild. Żuławski dabei durchweg Willkür vorzuwerfen, wird den kreativen Ansätzen zwar nicht gerecht, aber wie er unaufhaltsam mitsamt seinen Figuren in deren Eitelkeiten abdriftet, gleicht teils einem Schaulaufen im Treibsand. Lacht er sie aus? Sieht er sich vielleicht sogar als einer von ihnen? Spielt es überhaupt eine Rolle?
                                    Das Bestreiten von Grenzen nimmt der Regisseur (womöglich als einziges) sehr ernst, auf sämtlichen Ebenen. Ich bin kein Fan von Querverweisen oder zumindest dann nicht, wenn sie auf bloßes namedropping verengt sind. Von Pasolini über Tolstoi bis sogar Spielberg jedoch wird in COSMOS wie nach Speisekarte bedient, die Inhaltsangabe zu TEOREMA bekommt man gleich mitgeliefert und mein Nervenkostüm fleht um Entlastung.

                                    Meine volle Aufmerksamkeit erregte dann aber wieder – bezeichnenderweise - der Abspann: Als der Film noch ausklingt (ein richtiges Ende zu erwarten wäre anmaßend), werden Setaufnahmen unter das Material gemischt, die uns hinter die Kulissen führen: Medium, Wahrheit und Lüge verschmelzen jetzt endgültig ineinander, während ich mich frage, wie viel Wehmut ein clusterfuck wie dieser eigentlich verträgt.
                                    Er ist zu (?) viel von allem und irgendwie auch nichts. Eine Wünschelrute, die nach Schreien und Grimassen ausschlägt. Er empfindet ein kindliches Vergnügen dabei, Salz in die Warze (nein, kein Verschreiber!) des Zuschauers zu streuen und grinst einen dabei diabolisch an. Wer das 100 Minuten lang erwidert, hat meinen Respekt.

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                                      Kramt doch mal wieder eure alten Platten aus und entstaubt sie. Ganz egal, womit ihr groß geworden seid. Dreht den Regler voll auf und erinnert euch. An die Träume, die so naiv waren, dass ihr heute drüber schmunzeln müsst (und doch: Vermisst ihr sie nicht ein bisschen?). Vielleicht aber auch an die, die in Erfüllung gingen. An dieses Unbesiegbar-Sein, das die erste Liebe versprach und dann bittersüß brach. An den aufwändig erbauten Rückzugsort, den man als Teenager gerne besucht, wann immer zum Beispiel die Eltern wieder einmal nur den eigenen Problemen nachhängen und man sich fühlt wie eine Insel. Manchmal aber auch einfach nur so.
                                      An die Zeit, in der man jede Woche eine neue Lieblingsband auserkor, weil man sich bei so viel Auswahl partout nicht festlegen konnte (warum auch?). Man einerseits ausbrechen wollte, indes zu keiner Sekunde daran dachte, wie es sein würde, einmal lästige Verpflichtungen zu schultern. Man schrieb sich auf die Fahnen, nur die guten Dinge mitzunehmen und glaubte tatsächlich, damit ewig durchzukommen. Am Ende ist sowieso alles viel zu schnell vorbei.

                                      Wenn ihr das also erledigt habt... seht euch SING STREET an. Er revolutioniert zwar weder den Musik- noch den Coming of age-Film, bringt jedoch auf unwiderstehlich charmante Weise zusammen, was wohl irgendwie zusammen gehört. Ich zumindest kann Selbstfindung und Kunst kaum auseinander halten, führt das eine doch notwendigerweise über das andere. Manchmal erhalte ich durch einen simplen Song Antworten auf Fragen, die ich bis dahin noch gar nicht formuliert hatte. Daneben fallen mir dutzende Filme ein, die mir in 2 Stunden mehr Sinnvolles beibrachten als 13 Jahre Schule.
                                      So ruft der Protagonist Conor – zunächst als Alibi - eine Band ins Leben, um damit ein Mädchen zu beeindrucken (ja, damals in den 80'ern funktionierte ein solch wahnwitziges Vorhaben offenbar). Zügig gelingt es ihm, Mitstreiter an den Instrumenten zu rekrutieren. Schließlich gehen alle Beteiligten vollends in dem Projekt auf, da es den Jungs ermöglicht, ihre kreative Seite mitzuteilen. Freundschaft und Teamgeist spielen in SING STREET natürlich ebenfalls eine Rolle auf dem steinigen Weg zur Reife.

                                      Nun waren die 80'er bekanntlich ein recht chaotisches (und nicht gerade geschmackssicheres) Jahrzehnt. Synthies konkurrierten mit Gitarren, Computer mit Handgemachtem. Gewissermaßen findet dieser Konflikt auch in Conor Ausdruck, wenn es gilt, glücklich und traurig zugleich zu sein. Seine Bandkollegen halten das für einen unauflösbaren Widerspruch, allerdings waren die Grünschnäbel – im Gegensatz zu Conor - eben noch nie verliebt.
                                      Besonders hervorzuheben ist insoweit zudem die "Zurück in die Zukunft"-Szene, in welcher der Hauptcharakter seinen Sehnsüchten freien Lauf (und uns daran teilhaben) lässt. "Sing Street" rocken die Bühne, die (eigentlich hoffnungslos zerstrittenen) Eltern tanzen dazu in trauter Zweisamkeit und sogar der spießig-strenge Schuldirektor schlägt Salti vor Begeisterung. Mit Ausklingen des letzten Akkords aber landet der Zuschauer unsanft auf dem Boden der Realität: Wir befinden uns lediglich bei einer Bandprobe, geändert hat sich nichts. Conor erkennt hingegen endgültig, dass manches niemals (wieder) so sein wird, wie er es sich erhofft – und genau darum tritt er daraufhin die Flucht nach vorne an.

                                      Die Naivität, mit der Regisseur John Carney ihn sowie das Publikum zur Abkehr von jeglicher Vernunft ermutigt, kann man sicher kritisieren (oder kopfschüttelnd ins Reich der Märchen verbannen), sollte das Ganze aber auch als übergeordnete Botschaft deuten: Es ist unter keinen Umständen falsch, für seine Träume in See zu stechen. Bereuen tut man nur das, was man zeitlebens NICHT versucht hat.

                                      Auf dem Heimweg vom Kino saß mir im Bus ein junges Pärchen gegenüber, Händchen haltend und barfuß (obwohl es an dem Tag recht kühl war). In der Stadt, in der ich wohne, erlebt man etwas so Anarchisches eher selten, aber nach dem Film passte es wie die Faust aufs Auge. Ich lächelte zufrieden in mich hinein und switchte auf meinem Mp3-Player zu The Cure.

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                                        Das Elternsein ist kein leichter Job. Es ist ein Vollzeitjob mit eigener Währung. Ein Kind saugt Liebe und Fürsorge noch wie selbstverständlich auf, später als Erwachsener gleichwohl vergisst man vielleicht, was alles einem auf den Weg gegeben wurde. Natürlich, das Aufwachsen und Reifen verläuft bei niemandem ohne Komplikationen. Trotzdem finde ich es wichtig, dankbar zu sein. Doch im ungünstigen Fall verliert eine Familie sich aus den Augen, driftet auseinander. Ich selbst bin zwar nicht Mutter, frage ich mich aber ab und zu, was man in dieser Position wohl gewinnen oder verlieren kann. Ob und wenn ja, wie oft man zweifelt. So oder so trägt man eine immense Verantwortung, der ich großen Respekt zolle.

                                        Ebenso aber weiß ich: Auch Tochter sein ist kompliziert. Die Nachricht vom Tod meines leiblichen Vaters, den ich nie richtig kennen lernte, finde ich nach 5 Jahren noch immer schwer zu verkraften. Man hätte füreinander da sein sollen, und dass es nicht so kam, dafür fühle ich mich schuldig. Es ist eine Schuld, die zu begleichen ich endgültig verpasst habe. Mit etwa 10 begann ich, mir einzureden, dass es problemlos auch ohne Vater gehen würde. Zwar schafft man es mit genug Anstrengung manchmal sogar, an die fatalste Lüge zu glauben, aber was sich darunter anstaut, das reißt dich eines Tages fort.

                                        MIA MADRE nun handelt von Bewältigung. Nanni Moretti begleitet seine zentrale Figur Margherita dabei, ihr Leben neu zu arrangieren. Im Moment nämlich wachsen der Protagonistin die Dinge unaufhaltsam über den Kopf: Margheritas Verhältnis zu ihrer sprunghaften Tochter ist angespannt, die eigene Mutter (Ada) liegt im Sterben und obendrein muss sie als Regisseurin den verschrobenen Allüren ihres Hauptdarstellers Paroli bieten (ja, hier gibt es einen Film im Film). Klingt nicht gerade unverbraucht oder besonders originell? Ist es auch nicht.
                                        MIA MADRE ist ziemlich mutlos und eindeutig geraten, was in vielen Phasen den Eindruck erweckt, er klappere (noch treffender wäre: stottere) lediglich Arthouse-Allgemeinplätze ab. Moretti gelingt es kaum, ein inneres Chaos ansprechend zu beschreiben. Mit einem Löffel wühlt er im Heuhaufen. An einer Stelle springen wir zurück in die Vergangenheit, sehen, wie Margherita Adas Auto absichtlich gegen eine Wand fährt, dann ihren Führerschein zerreißt – und damit soll dann der Vertracktheit der Situation, wie sie heute aufblendet, Rechnung getragen sein. Zwar finde ich es konsequent, spannend und richtig, den Seelenzustand des Charakters hier auch über Erinnerungen zu erschließen, Subjektivität oder gar Intimität erreicht der Cannes-Beitrag allerdings zu keiner Sekunde.
                                        Der Film weist einige Schnittstellen zu LOUDER THAN BOMBS auf, der ebenfalls 2015 erschien und den ich persönlich speziell auf dieser Ebene für gelungener halte. Joachim Trier nämlich bebildert darin nicht lediglich konkrete Ereignisse, sondern - dem übergeordnet - vielmehr Sinnesströme, die in verschiedenste Richtungen ausschwärmen. Zwar ist das Gesamtergebnis auch bei ihm nicht perfekt, doch überzeugt sein Versuch immerhin durch eine transzendente Zartheit, was sich von MIA MADRE leider weniger behaupten lässt. Eines Morgens wacht die überforderte Margherita zum Beispiel in ihrer überschwemmten Wohnung auf – ein fast schon ermüdend offensichtlicher Regie-"Einfall".
                                        Kritikwürdig sind daneben die missglückten Wechsel im Erzählton: Anstatt subtil für Auflockerung zu sorgen, wirkt der overactende John Turturro in seiner Rolle als eitler Star eher wie ein Hofnarr, den niemand bestellt hat. (Lustig sind die überwiegend aufdringlichen Szenen mit ihm übrigens auch nicht.)

                                        Das Versprechen seines Titels kann der biographisch gefärbte MIA MADRE jedenfalls nicht einhalten, denn weder Müttern noch Töchtern kommt er nennenswert nahe. Ästhetisch uninteressant ist er überdies. Wenn Margherita erst im finalen Moment vor dem Abspann ihre Berührungsängste ablegt, tut Moretti es ihr damit bezeichnenderweise gleich. Der Unterschied ist nur: Ein Mensch steht irgendwann vor einem neuen Horizont, der Film jedoch hat seine Chance vergeigt.

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                                          Jenny von T 22.05.2016, 20:32 Geändert 22.05.2016, 20:42

                                          Großer Preis der Jury! Gruß an alle Skeptiker, Zweifler und Hater! :-*

                                          (Die Goldene Palme ist's zwar nicht geworden, aber was soll's? Klappt sicher auch demnächst. Schließlich dürfte der Wunderknabe dafür noch mindestens 50 Jahre Zeit haben. ^.^)

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                                          • Jenny von T 19.05.2016, 19:21 Geändert 19.05.2016, 19:29

                                            Die Großaufnahme bedeutet Beschränkung? Vielleicht ist sie ja nur Ausdruck einer möglichen Auffassung über das Filmemachen. Ich würde hier, im Gegenteil, eher von einer Fixierung aufs Wesentliche sprechen, denn was soll mir denn Auskunft über irgendetwas geben, wenn nicht das Gesicht eines Menschen? Es ist das wertvollste Kapital eines Schauspielers und Xavier Dolan weiß diesen Umstand zu nutzen wie kaum ein zweiter zeitgenössischer Regisseur. Suzanne Clément, Antoine-Olivier Pilon oder Anne Dorval zum Beispiel entsprechen sicher keinen Idealen aus dem Katalog, aber was der junge Kanadier aus diesen Darstellern an wirklich tiefer, unvergänglicher Schönheit an die Oberfläche spült, entbehrt in meinen Augen jeder Beschreibung. Und vielleicht macht im Kern gerade das seine Filme so intim - die Musik und das ganze Drumherum ist im Grunde lediglich der Lidschatten. Der Kammerspiel-Charakter von JUSTE LA FIN DU MONDE könnte all das sogar zusätzlich befeuern. Ich jedenfalls glaube fest an diesen Film, den negativen Kritiken zum Trotz. :-)

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                                            • Jenny von T 17.05.2016, 09:15 Geändert 17.05.2016, 10:40

                                              Das Warten hat sich gelohnt. In seinen stärksten Momenten – und "Book of the Stranger", die gesamte Episode, zählt zweifellos dazu - ist "Game of Thrones" etwa so, als würde man einer perfekten Symphonie lauschen, und offen gestanden beschert die Serie mir dann auch tatsächlich vergleichbare Hochgefühle. Alles fließt wie aus einem Guss ineinander und wird schließlich durch ein Feuer besiegelt. Ein Charakter verlässt die Szenerie, der nächste nimmt leise in dessen Schatten Platz – zum Beispiel dann, wenn Tyrion Lannister das Zitat eines "weisen Mannes" aufgreift und anhand dessen mal eben in wenigen Sätzen das Wesen sowie die Notwendigkeit von Diplomatie erklärt. Selten war Staatstheorie so lyrisch.
                                              Man könnte außerdem nun wieder die schillernden Frauenfiguren bejubeln, von denen in dieser Woche fast jede auf eine Art – mal taktisch (Cersei), mal grausam (Daenerys) - ihren Willen durchsetzt und somit den Männern in absolut nichts nachstehen muss... würde es denn nicht sowieso seit Beginn der 1. Staffel dem Selbstverständnis von GoT entsprechen.
                                              Oder auch die Überzeugung, mit der man das Schreckliche und das Anmutige stets zusammen denkt: Ramsay Bolton schält einen Apfel und es ist irgendwie Poesie.
                                              Mein persönliches Highlight der Folge markiert indes die Rückkehr meines Lieblingscharakters Littlefinger in einer Szene, die ihm wie aus dem Leib geschrieben ist. Er guckt sich sein "Opfer" aus, legt es sich durch Manipulation (hier genügt ein Geschenk) raubkatzengleich zurecht und erntet die Früchte – dieses Mal sogar mit guten Absichten. Grandios das erwartungsvolle, überzeugte, schelmische Leuchten in seinen Augen, sobald er sich umdreht, um das Thema Sansa Stark auf den Tisch zu legen. Es ist, als sähe man Mr. Hyde dabei zu, wie er in Sekundenschnelle einmal den Kopf wendet und wieder Dr. Jekyll wird. Dass die Autoren ihn bis jetzt sorgsam unter Verschluss hielten, ärgert mich zum einen hochgradig und doch verstehe ich es, denn mit seinem X-Faktor sollte eine Serie vorsichtig haushalten.

                                              Titten gibt es in "Book of the Stranger" zwar erst zum Schluss, aber das ist ja auch mal OK. :-D

                                              In diesem Sinne: The time has come to join the fray!

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                                                Ich würde es damit erklären wollen, dass unser Optimierungswahn uns geradewegs ins Elend weist. Und nichts anderes verdienen wir dort, wo wir Personen bewerten wie eine Sache. Das Handy-Display hat unzerkratzt und glatt zu sein, korrelierend mit allgemeinen Schönheitsidealen. Man kann ein Auto tunen, sein Heimkino aufmotzen, auch den Körper trainieren. Einen Charakter jedoch, den gibt es niemals aus dem Katalog - und auch nicht als Maßanfertigung.
                                                Der verbreiteten und gern hofierten Illusion, Liebe sei eine kalkulierbare Größe, tritt THE LOBSTER mit Humor, Biss, und einer winzigen Prise Melancholie entgegen. Einem Sprichwort zufolge macht sie blind, was der Film kompromisslos unterschreibt.

                                                Ob wir mit jemandem dauerhaft auf einer Wellenlänge schwimmen, entscheidet sich hingegen nicht am Sternzeichen, der Haarfarbe und auch nicht einmal unbedingt an übereinstimmenden Interessen oder sonstigen Gemeinsamkeiten, die man schon beim (oder vor dem) 1. Date anhand einer Liste abhakt. Dennoch verbiegen wir uns häufig, ohne es zu merken, um dem anderen zu imponieren... und sind anschließend verwundert darüber, dass die Bemühungen entweder keine Früchte tragen oder die Beziehung unter der Last des Alltags schnell an ihre Grenze stößt. Manchmal beobachtet man ja - speziell bei frisch Verliebten -, wie Einzelne zu einer Einheit verschmelzen und sich irgendwann so weit assimiliert haben, dass mindestens einer von beiden plötzlich nicht mehr wieder zu erkennen ist. Den absurden Gegenentwurf hierzu präsentiert Regisseur Giorgos Lanthimos, indem er durch seine Figuren (unter anderem) eine "Bindung" erprobt, die auf absoluter Gleichgültigkeit fußt – was natürlich ebenso in der Sackgasse mündet, denn solange der Mensch atmet, so lange empfindet er auch.
                                                Seine Gefühle bezwingen ihn launenhaft, wählerisch und schweigsam. Wir wissen zwar nicht um ihre Gesetze, sind ihnen aber trotzdem unterworfen. Protagonist David (Colin Farrell) hat in diesem kühnen Werk gleich zwei Seiten einer Gesellschafts-Dystopie zu überstehen: Zuerst _muss_ er lieben (und lügen), dann wird es ihm verboten. Sein Leidensweg führt vom (ganz und gar nicht) amourösen Luxushotel schnurstracks ins Herzspital.

                                                Eine klügere Einlassung über romantische Befindlichkeiten, selbst auferlegte Zwänge und sowieso den Irrsinn des Seins wird man 2016 vielleicht nicht mehr antreffen. Prädikat: Hummermäßig gut!

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                                                  Jenny von T 25.04.2016, 10:05 Geändert 25.04.2016, 10:07

                                                  Nach nunmehr 3 Tagen krieche ich vorsichtig aus meinem Erdloch und setze zaghaft meine Finger auf die Tastatur, um endlich über diese Zumutung zu schreiben. Ja, so groß ist meine Scham, DIRTY GRANDPA gesehen zu haben. Klar, eigentlich verdreht dies die Tatsachen, sind es doch vielmehr andere, die das Tor zur Hölle aufstießen… und trotzdem bleiben einem Filmliebhaber Erfahrungen wie solche manchmal einfach nicht erspart. Zumindest dann nicht, wenn man den Feind auch wirklich kennen möchte - denn bekanntlich nur so kann man ihn besiegen. Die Wahrheit ist jedoch, dass DIRTY GRANDPA mich besiegt hat. Ich fühle mich besudelt und beschmutzt und es fühlt sich ganz und gar nicht gut an.

                                                  Dafür, wie er Wein predigt, aber Wasser trinkt, sollte man den Film wahlweise am Besten bedauern oder auslachen. In der Annahme, die Welt bestünde allein aus Biedermännern und Hedonisten (als gäbe es nichts dazwischen...) wird uns hier vermeintlich eine liberale Message aufgetischt, deren Konsequenz die Macher selbst wohl nicht verstanden haben. So verlässt der eingangs karrieregeile, geschniegelte Protagonist am Ende seine eifersüchtige Spießerfrau - um sofort in die nächste brave, monogame Beziehung hinein zu schlittern. Bloß dieses Mal mit einer Fotografin und Umweltschützerin. Der Zuschauer soll dabei glauben, Jason habe sich mit jenem Schritt für einen komplett neuen Lebensentwurf entschieden und folge damit – als Vorbild fürs Publikum - früheren Träumen, die unter der strengen Fuchtel seines Juristen-Vaters irgendwann wie altes Spielzeug auf dem verstaubten Dachboden landeten. Tatsächlich bleibt im Grunde alles wie zuvor – oder genauer gesagt bei einer Light-Version davon. Der Schreibtisch, hinter dem Jason arbeitet, steht jetzt eben nicht mehr in einer Großkanzlei, sondern in den Büroräumen irgendeiner Zeitungsredaktion. Wenn das eine radikale Absage ans Bürgerliche sein soll, glaube ich ab heute auch wieder an den Weihnachtsmann.

                                                  Besonders lächerlich ist dieses heimliche Schwanz-Einziehen, weil keine Minute verstreicht, in der DIRTY GRANDPA auf Dialog-Ebene mal nicht die blanke Vulgarität zur Schau stellt, welche man indes keineswegs mit Freizügigkeit oder gar Regelbruch verwechseln/gleichsetzen sollte. Oft nämlich verbirgt sich – wie einst auf dem Schulhof - hinter lautem Geprahle lediglich heiße Luft. Auf dicke Hose machen, das gelingt vielen, doch wenn es gilt, dann auch selbige runterzulassen, ist der Anblick bei den üblichen Verdächtigen zuweilen kaum der Rede wert – so auch hier. Erwartungsgemäß bekommt man seltsam wenig Hüllenloses, geschweige denn sinnliche Momente serviert, womit der Film sich selbst entlarvt. Er beschwört den Exzess mit einem Keuschheitsgürtel.
                                                  Zwar hat der von Robert De Niro gespielte Opa am Ende Sex mit einer Studentin, muss ihr während des Akts allerdings Rentner-Gebrechen vortragen, damit die Szene niemanden mit Intimität überfordert.
                                                  Überhaupt sei jeder De Niro-Fan gut damit beraten, den Film zu meiden wie der Teufel das Weihwasser – diese 102 Minuten lassen dich definitiv nicht mehr ungesehen machen. DIRTY GRANDPA mag weder die erste noch die letzte Fäkalkomödie ihrer Gattung sein, und ja, vielleicht erscheint De Niros Beteiligung im Hinblick darauf als der noch härtere Schlag ins Gesicht. Es ist natürlich nicht unüblich (und auch nicht weiter verwerflich), dass eine Darsteller-Legende wie er es im finalen Karriere-Viertel ein wenig seichter angeht. Seine künstlerische Integrität restlos an den Nagel zu hängen, dazu bedarf es hingegen ungetrübtem Nihilismus. Ob ich mir künftig noch TAXI DRIVER oder RAGING BULL werde anschauen können ohne diese Bilder vor Augen?

                                                  DIRTY GRANDPA passt perfekt in eine Zeit, in der niemand für seine Fitness schwitzen, aber jeder gut aussehen will. In der alle vom Sex reden, wobei zugleich eine Phobie vor Nacktheit und Körperflüssigkeiten an der Tagesordnung steht. Und in eine Zeit, in der alles so glatt und rein ist, dass man Filme wie DIRTY GRANDPA dreht, um sich dessen zu versichern.

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                                                    Seit ca. 4 Jahren gehe ich beinahe jeden Tag eine Runde Joggen. Es ist immer dieselbe Strecke – der Fußweg führt an einem Waldstück entlang und trennt es von der Straße. Ein kleiner Bach verläuft dort auch, sein Plätschern begleitet mich. Damit ich es zeitlich hinbekomme, stehe ich oft sogar extra früh auf. Denn ein Tag, an dem ich nicht raus kann, ist kein besonders guter. Ich tue das nicht, um beispielsweise abzunehmen (offenbar funktioniert das bei mir auch gar nicht, da ich zum Ausgleich doppelt so viel esse), sondern, weil ich mich durch die Lauferei und insbesondere den Kontakt mit der Natur ausgeglichener fühle. Dabei war ich früher ein überzeugter Sportmuffel und jeder Versuch, mich für körperliche Aktivität zu motivieren, war so sinnlos wie Schlittenfahren in der Wüste. Über Morgennebel, Tau und den Liebreiz eines Sonnenaufgangs wusste ich überdies nicht viel zu erzählen, denn meistens verschlief ich all das. Doch jetzt will ich nicht mehr ohne.

                                                    Wie und warum genau besagte Wendung eintrat, kann ich nicht beziffern... und wenn man mein kleines Ritual langweilig findet, verstehe ich es. Dass ich weder rauche noch trinke, macht meinen Charakter daneben wohl kaum aufregender. Doch ist meine Teilenthaltsamkeit auch eine Entscheidung, die ich zeitig und bewusst traf, da die Konfrontation mit Alkoholismus mich prägte. Darüber reflektiert habe ich eigentlich nie, aber ich glaube, eine große Angst von mir war/ist es, eines Morgens aufzuwachen und im Spiegel den Mensch zu erkennen, vor dem ich auf der Flucht bin. Letztens ermahnte mich jemand, ich müsse aufhören, anderen die Schuld anzulasten für die Person, die aus mir geworden ist. Das ist zwar hart, jedoch im Kern zutreffend. Tatsächlich arbeite ich genau daran, mit mäßigem Erfolg, schon mein halbes Leben lang.

                                                    Gewählt habe ich also die Abgeschiedenheit. Weil sie mich so oder so andauernd einholt. Ich habe es gedreht, gewendet und nochmals gedreht. Ich tue keinem weh und niemand verletzt mich. Ein fairer Deal, schmerzlich selten – und immer seltener - breche ich ihn. Mein Blick in die Zukunft ist momentan ein ziemlich gleichgültiger. Etwa so wie der von Ed Crane, wenn er apathisch auf dem Sofa sitzt, seiner Frau Doris beim Bingo-Spielen Gesellschaft leistet oder den sowieso schon grauen Rauch seiner Zigarette in die schwarz-weißen Edelbilder der Coens bläst. Er wirft einen Schneeball, zurück kommt eine riesige Lawine, die ihn unter sich begräbt. Anläufe der Wiedergutmachung verschlimmern seine Situation (sowie die einiger Nahestehender) bloß noch mehr – bis zur Grenze des Absurden.
                                                    Es gibt nicht viele Filmcharaktere, die mir so zu Herzen gehen wie Ed Crane. Vermutlich bewirkt es der Gleichmut, mit dem er dieses ganze Pech erträgt, welches ihm widerfährt – und einfach weiter schreitet, wie auch die Farbspirale vor dem Friseursalon seines Schwagers sich immerzu dreht. Eine Haltung, die wahrscheinlich nicht viele Menschen auf der Welt (nein, ich auch nicht) ihr Eigen nennen dürfen. Beiläufig lässt er die Liebesgeschichte mit seiner Frau Revue passieren – so beiläufig, dass man erst schwer einordnen kann, ob dieser Part für ihn egal oder nur zu selbstverständlich ist. Als der Protagonist unmittelbar vor dem Abspann schließlich genügsam die Hoffnung zum Ausdruck bringt, Doris an einem anderen Ort wieder zu treffen, bewegt es ungemein. Im Innersten des Zuschauers ohne Hammer und Bohrmaschine ein einsturzsicheres Haus zu errichten, das schaffen die wenigsten Regisseure.

                                                    Und es kommt noch dicker, denn die Coens lassen Ed Crane alles durchgehen: Was er tat, was er nicht tat, was er vermasselte. Sein Verhängnis war es, für einen Augenblick zu dolle von einem besseren Leben geträumt zu haben. Zeigt mir jemanden, der das nicht kennt. Den Film durchdringt eine Weisheit, die mir Gänsehaut beschert und ich möchte nichts weiter als leise nicken. Je näher man eine Sache betrachtet, desto unschärfer wird sie. Dies mag stimmen, und doch schätze ich mich glücklich, hier nicht auf Distanz zu bleiben.

                                                    Morgen in der Früh werde ich wie üblich meine Runde drehen. Eventuell begegne ich auf dem Rückweg ein paar bekannten Gesichtern aus der Nachbarschaft. Und wer weiß... vielleicht finden wir alle irgendwann die rechten Worte, um mitzuteilen, was wir jetzt noch nicht sagen können. Neue Ausdrucksformen, nach denen auch Ed Crane verlangt – the man who wasn't there.

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