Jenny von T - Kommentare
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Alle Kommentare von Jenny von T
Noch ein Film, oder schon ein Sterntaler? Stanley Kubrick begleitet den Mensch auf seiner Reise von der Steppe ins All und... ja, wohin eigentlich?
Bereits das einleitende Kapitel "The Dawn of Man" steckt voller Schall, obwohl es hier noch um Menschenaffen geht. Nach der Berührung eines Monolithen erkennen unsere Vorfahren den Knochen als potentielles Werkzeug und Hilfsmittel, nutzen den Gegenstand unverzüglich aber auch dazu, feindliche Vertreter ihrer eigenen Spezies zu töten. Heute hantieren wir zwar nicht mehr mit Knochen, dafür mit Gewehren und Massenvernichtungswaffen. Jede Errungenschaft, jede Entdeckung birgt ein Risiko und könnte sich irgendwann gegen ihre Erfinder richten. Diese Warnung, welche sich oft bewahrheitet hat, stellt womöglich einen Kernaspekt des Films und wir sollten sie langsam einmal ernst nehmen. Unser hoch entwickelter Geist, in all seinen Verästelungen, ist unser Trumpf... oder unser Untergang (und tatsächlich lässt 2001, glaube ich, beide Schicksale zu).
Der Kampf Mensch gegen Maschine hat einem Kinopublikum wohl nie wieder so viel abverlangt wie hier. Unglaublich die wenigen, doch schier endlosen Momente, in denen die Astronauten der "Discovery One" im Weltraum schwirren und man – ist dieser Zustand nun klaustrophobisch oder das Gegenteil davon? - nichts hört bis auf den konzentrierten Atem unter ihren Helmen. Danach erleben wir mit, wie Raumfahrer Bowman, in höchster Not und mittlerweile auf sich allein gestellt, beinahe mechanisch-abgeklärt die Rettungsleine zieht, wogegen plötzlich die künstliche Intelligenz es ist, die in der eventuell größten Szene der Filmgeschichte sentimental wird und ein Kinderlied anstimmt.
Eine Odyssee bezeichnet bekanntlich eine Irrfahrt – eine Reise mit Rückschlägen, Fehlschlägen, und vor allem Unvorhergesehenem. Man kann in einigen gewichtigen Belangen durchaus in Frage stellen, ob die moderne Welt sich auf dem rechten Weg befindet. Tagtäglich umgeben wir uns – um nur ein Beispiel zu nennen - mit teurem High-Tech-Kram, der unstrittig zwar vieles bequemer macht, uns als spirituelle Wesen (die wir irgendwo gewiss auch sind) im Ergebnis aber nicht unbedingt weiterbringt... ja, uns vielleicht sogar behindert oder zumindest ablenkt. Das nötige "Handwerkszeug" besitzen wir im Grunde nämlich seit Anbeginn.
2001 vertritt dazu folgerichtig eine ambivalente Position: Zum einen ermöglichen gerade die Fortschritte in Technik und Raumfahrt die bewusstseinserweiternden Begegnungen mit Monolith Nummer 2 und 3, andererseits öffnet sich der Blick auf einem neuen Horizont für Bowman erst, nachdem er den Computer HAL 9000 endlich überwunden – und die Freiheit gefunden hat.
Zu 2001 existieren tausende Interpretationen, Schriften, Facharbeiten, Trotzdem frage ich mich, was es braucht, einen Film wie diesen wirklich fassen zu können – oder ob die Erfahrung, die man durchleben durfte, nicht bereits in sich zerfällt, sobald man es mit Übereifer versucht. Kubrick trägt den klassischen Walzer ins Universum und straft vermeintliche Naturgesetze des Verstandes Lügen. Die Spuren aus Goldstaub, die er hinterließ, wird niemand je verwischen können. Als ich 2001 vor wenigen Tagen noch einmal sah, fühlte ich mich jedenfalls – erneut - schrecklich klein, ein bisschen dumm, aber auch voller Mut. Anschließend wünschte ich mir, das Ganze mit den Augen eines Kindes betrachten zu können... mit denen eines starchild.
Ich glaube an sexuelle Selbstbestimmung und die Gleichheit aller Menschen. Und ich glaube es nicht nur, ich weiß es sogar. Durch homophobe Spinner, die ihre Vorurteile und ihren Hass mit Religion zu rechtfertigen versuchen, fühle ich mich erheblich in meiner Vernunftsfreiheit beeinträchtigt. Ein entsprechendes Gesetz, dies zu unterbinden, würde ich hiermit auch gerne beantragen...
Während meiner Teenagerjahre hatte ich einen sehr guten Freund. Das mag vielleicht banal klingen, denn die meisten Menschen haben Freunde. Für mich ist es aber nicht so selbstverständlich, denn mein soziales Umfeld war schon immer recht überschaubar. Zwei Personen, von denen ich mich auch wirklich verstanden fühle (und die auch ich im Innersten zu "erkennen" glaube), sind mir lieber als 100 Kontakte in meinem Adressbuch, die nur an der Oberfläche dümpeln und für mehr als Small Talk kaum Raum lassen, weil man einander irgendwie nicht öffnen kann/möchte. Ich bin nicht besonders gut darin, übers Wetter zu reden. Einen Freund hingegen vergesse ich nicht.
Dieser Mensch also war mir sehr wichtig. Wir hörten dieselbe Musik, teilten dieselben Ansichten, hatten oft dieselben Probleme. Unsichtbare Zwänge existierten nicht zwischen uns. Wenn sich der eine für ein paar Tage lang nicht meldete, war das kein Thema. Manche Dinge, die er über mich weiß, habe ich niemandem sonst erzählt.
Doch wie es so kam: Unsere Wege trennten sich, als ich mein Studium aufnahm und auch er kurz darauf die Schule abschloss. Es war kein lauter Knall, sondern ein schleichender Abschied, den eigentlich niemand wollte. Ich weiß nicht, wie es passieren konnte, aber plötzlich beschränkte sich der Austausch auf Pflicht-SMS zum Geburtstag und zu Silvester. Schließlich wurde es ganz still um uns.
Zwar verschwand er nicht aus meinen Gedanken, indes überwand ich mich nie, das Schweigen zu brechen. Ich wusste auch gar nicht, wie genau bzw. auf welchem Wege ich das hätte anstellen sollen. Vor wenigen Monaten dann entdeckte ich ihn – durch Zufall – auf Facebook und zögerte dieses Mal keine Sekunde, ihn anzuschreiben. Allerdings schon nach wenigen Minuten äußerst zaghafter Konversation wurde mir bewusst, wie viel sich doch verändert haben muss - ohne, dass ich dies näher hätte greifen können, zumal wir beteuerten, dass früher alles besser war. Wie sich beispielsweise herausstellte, hören wir beide nach wie vor leidenschaftlich gerne Pearl Jam und Alice in Chains. Dennoch gelang es uns nicht, die alten Tage zurück zu bringen – und vermutlich lag in genau dieser unbewussten Erwartung der Fehler. Seitdem beschäftigt mich die Frage nach dem Wesen von Nostalgie: Ist es die Sehnsucht nach den kostbaren Bindungen, die eine Phase besonders machten, oder nicht vielmehr nach dem Lebensgefühl jenes (vermeintlich) unbeschwerten Abschnitts? Wo trügt die Erinnerung, wo lügt die Projektion? Und genügt es, im Leben die "richtigen" Menschen zu treffen, oder ist nicht auch der Zeitpunkt einer Begegnung mindestens ebenso entscheidend? Muss man am Ende einfach akzeptieren, dass Bedingungen sich ändern – und wir uns mit ihnen?
Ich glaube, dass auch Kelly Reichardt mit ihrem unaufgeregten OLD JOY diesen oder zumindest ähnlichen Verdachten nachgeht, ohne es dem Zuschauer penetrant unter die Nase zu reiben. Darum wohl empfinden manche den Film als ereignislos, träge und langweilig. In gewisser Weise tat ich das sogar auch… umso mehr erstaunt mich, wie stark er jetzt nachwirkt und wie sehr er mich beschäftigt.
Wir nehmen teil an einem Waldausflug zweier einstiger Freunde, denen es schwer fällt, an die Eintracht von damals anzuknüpfen. Dem einen gelang es mittlerweile, sich eine kleine, bescheidene Existenz mit Frau und (bald auch) Kind aufzubauen, der andere scheint im Hinblick auf langfristige (oder auch bloß mittelfristige) Ziele nicht allzu motiviert. Reichardts Beobachtungen beizuwohnen, ist dabei angenehm – weil unaufdringlich - und bedrückend zugleich. Man spürt, wie Mark und Kurt Millionen Dinge unter den Nägeln brennen, obgleich deren Drastik eher unterschwellig Formen annimmt: Vatersein, Erfolge, Zukunftsängste. Mit Erholung oder Abschalten vom Alltag ist somit – mit Ausnahme eines einzigen, aufflackernden Moments - nicht viel her. Es schäumen, im Gegenteil, unentwegt Sorgen ans Ufer, mit denen die Figuren in letzter Konsequenz aber alleine bleiben.
Diese wiederum hängen mitnichten in der Luft, denn Reichardt setzt die inneren Tatsachen ihrer Protagonisten in einen äußeren Kontext. So berichten Radiomitschnitte über das Versagen linker Politik vor sowie nach der Wiederwahl George W. Bushs, was das Ausmaß von Isolation auf eine weitere, genauer gesagt eine gesellschaftlich-politische Ebene trägt und man nun darüber sinnieren darf, wo jene Ohnmacht überhaupt beginnt und ob sie jemals endet.
Je länger ich über OLD JOY nachdenke, desto sicherer bin ich mir, einen der – in all seiner Bescheidenheit - traurigsten Filme seit Langem gesehen zu haben...
Puh. Also das... war... ein beinahe surreales Kinoerlebnis. Mich fasziniert, wie – nach MAN OF STEEL - geradezu vernichtend auch dieses Werk aus dem Hause DC/Snyder aufgenommen wird, wogegen die Fanschar vom Konkurrenten Marvel scheinbar nicht genug bekommen kann. Diese beachtliche Schere deutet darauf hin, dass Superheldenfilm wohl doch nicht gleich Superheldenfilm ist und die Anhängerschaft im Detail durchaus ihre Präferenzen hat – wonach auch immer diese sich bestimmen mögen. Da mich BATMAN V SUPERMAN konfus zurückließ, ordne ich erst einmal diejenigen Eindrücke, derer ich mir sicher bin:
• Ben Affleck ist ein besserer Batman/Bruce Wayne als Christian Bale – um Längen. Er ist kräftiger, wuchtiger, einfach präsenter. Und ja, auch sexyer. (Um darstellerische Qualitäten im engeren Sinne geht es hier ja – machen wir uns nichts vor – ohnehin eher marginal.)
• Man mag von Jesse Eisenberg halten, was man will, aber ich habe noch keinen einigermaßen seriösen Schauspieler vor einem Millionenpublikum so blank ziehen sehen. Damit sage ich nicht, dass ich seinen Auftritt gelungen finde und auch nicht das Gegenteil (tatsächlich kaspert er sich aus dem Stand in eine Dimension hinein, die jenseits von Gut und Böse anzusiedeln sein dürfte) - eine neutrale Erwähnung verdient er hingegen allemal.
Jetzt zum komplizierteren Part. Hin und wieder flackern in BATMAN V SUPERMAN immerhin so etwas wie Ansätze auf, aus denen man durchaus etwas Grundsolides hätte spinnen können und die ich bei Marvel offen gestanden zumeist nicht finde. Ich kenne mich mit den Comics zwar kaum aus, aber Snyder begreift Superman offenbar als eine getriebene, ruhelose Instanz, angesiedelt zwischen Gottheit und Mensch. "Sein" Planet Krypton ist zerstört, doch auch auf der Erde wird er nicht heimisch, da wir nichts mit ihm anzufangen wissen. Seine Fähigkeiten empfehlen ihn als Helfer und Beschützer unserer Spezies, bergen natürlich aber auch eine Gefahr, da seine Kräfte alles übersteigen. Die einen lieben, vertrauen und setzen große Hoffnungen in Superman, die anderen (Batman inklusive) hegen Skepsis oder wollen ihn sogar bekämpfen. Er spaltet Öffentlichkeit wie Politik. Auch Clark Kent selbst fühlt diese Zerrissenheit: Was bedeutet es aus seiner Perspektive, Gutes zu tun? Ist er den Menschen gegenüber – die ja nicht einmal eine Gegenleistung erbringen - verpflichtet?
Wenn man Zack Snyders filmisch-stählerne Erlöserphantasien und das dazugehörige, nicht minder alberne Überwältigungspathos im Musikvideostil ausblendet, steckt darin Potenzial. In BATMAN V SUPERMAN gibt es zum Beispiel eine Szene, in welcher Superman sich einer gerichtlichen Anhörung stellt – geradezu absurd, müsste er doch lediglich seinen kleinen Finger verbiegen, um höchst eigenhändig innerhalb von Sekundenbruchteilen über Recht und Unrecht zu entscheiden.
Doch warum dann eine so niedrige Wertung von mir? Der Grund ist, dass ich Snyder – obwohl der Film sich schon ziemlich ernst nimmt – inhaltliche Ambitionen nicht abkaufe, weil erneut alles davon in einem Reigen aus Lärm, Irritationen und Unzulänglichkeiten untergeht. So balgen Batman und Superman erst einmal wie zwei tollwütige Raubtiere eine halbe Stunde durch Gotham City, bis sie bemerken, dass ein Konflikt sich manchmal ganz simpel ausräumen lässt, indem man – wer hätte es gedacht? - miteinander redet. Die grimmigen Blicke, die die beiden austauschen, sind allerdings wirklich priceless und waren es (naja, fast... ) wert.
Drehbuch, Erzählweise und -rhythmus sind all over the place. Ob er knallige Action oder ein kitschiges Liebesgeständnis inszeniert, da macht Snyder keinen Unterschied. Wann immer es ihm gerade passt, streut er Traumsequenzen bzw. Visionen seiner Protagonisten ein, deren Logik allenfalls eine ästhetische sein kann. Subtiles sollte man jedenfalls lieber nicht erwarten, so viel steht fest. Ein 12-Jähriger auf dem Regiestuhl hätte das Mega-Budget kaum dilettantischer gegen die Wand gefahren. Überhaupt keinen Sinn – also storytechnisch - ergibt aus meiner Sicht die lieblose Einbindung von Wonder Woman, die wohl ausschließlich dazu da ist, in ihrem knappen Outfit gewisse Reize zu entfalten. Man könnte eine ganze Tapete beschreiben mit Schwächen dieses Films.
Das Kino verlässt man sodann mit dem Gefühl, nach X Trailern praktisch den gesamten Film – was bei 151 Laufzeit etwas heißen will! - gekannt zu haben. Über viele Monate schürte DC eine gigantische Marketingblase, die ihnen nun um die Ohren fliegt und ich muss sagen, mein Mitleid hält sich in Grenzen. Aber ob nun mit oder ohne Snyder – die Fortsetzung dürfte bereits in den Startlöchern stehen, denn jede noch so dünne Superhelden-Geschichte verdient es bekanntlich, aufgepumpt zu werden wie ein Bodybuilder im Fitness-Studio... bis sie irgendwann platzt. Ein Kommentar erübrigt sich.
Systemkritik tut zunächst einmal niemandem weh. Solange auf Worte nicht auch Konsequenzen folgen, hat sie zumeist sogar einen systemstabilisierenden Effekt. Denn wo Missstände immerhin noch offen angesprochen werden dürfen, kann mitnichten alles falsch laufen... oder?
Genau aus diesem Grund sollte man skeptisch sein, wenn Marvel bzw. Fox mit DEADPOOL vor den Augen und Ohren seiner eigenen Fans zur vermeintlich großen Demontage ansetzt. Klar ist bei nüchterner Betrachtung und Wertung nämlich von Beginn an: Dem MCU wird kaum daran gelegen sein, sich selbst abzuschaffen. Folgerichtig ist DEADPOOL keine auch nur in Ansätzen ernstzunehmende Auseinandersetzung mit dem Superhelden-Genre, geschweige denn ein radikaler, hintersinniger Umsturz. Er ist das genaue Gegenteil davon, was sein Siegeszug an den Kinokassen – die Rechnung geht also perfekt auf - im Ergebnis nur bekräftigt.
Die schrecklich ermüdende Formelhaftigkeit von Marvel-Filmen zu entlarven, scheint mittlerweile zwar sowieso nicht mehr besonders schwierig – dennoch erhofft man sich insgeheim ein wenig mehr als das Niveau der allseits bekannten und beliebten, aber ebenso platten wie oberflächlichen "Everything wrong with […] in […] minutes"-YouTube-Videos. Auch Deadpools mehrmaliges Durchbrechen der vierten Wand sollte niemanden vom Hocker reißen - es sei denn, man hat in seinem Leben (außer eben Marvel-Produktionen oder Vergleichbarem) wirklich noch nichts gesehen.
Der entscheidende Taschenspielertrick der Macher besteht indes darin, dem Publikum einerseits "den Spiegel vorzuhalten", andererseits aber exakt jene einfältigen Mechanismen zu bedienen, über die man hier (angeblich) herzieht. Denn natürlich erzählt auch DEADPOOL, bei allem Meta-Firlefanz am Rande, eine Geschichte – und zwar ausgerechnet die vielleicht ausgetretenste von allen, nämlich eine Art Superhelden-Version von DIE SCHÖNE UND DAS BIEST.
Bezeichnend hierbei ist, dass die Beziehung zwischen Wade Wilson/Deadpool und seiner Freundin allein über sexuelle Anziehung definiert wird, wobei sich der Film um keine pubertäre Anspielung ("Zeit, n' paar Bälle einzulochen!") zu schade fühlt. Tatsächlich intime Momente zwischen dem Paar sucht man hingegen vergebens. Keine emotionale Regung, die mit Ironie nicht auszuquetschen wäre wie ein lästiger Pickel. Ein interessanter Widerspruch, der im Inneren von einer umfassenden Verklemmtheit zeugt. Der Ganzkörperkondom-Anzug des "Anti"-Helden steht hierfür symbolisch unfreiwillig Pate... und HANGOVER, Seth Rogen und Co. lassen grüßen.
Man denke im Vergleich an die "quälend" lange Liebesszene aus Charlie Kaufmans ANOMALISA und wundert sich anschließend nicht mehr darüber, dass viele Zuschauer mit so etwas überfordert sind und teilweise den Kinosaal verlassen, weil sie es kaum aushalten. Marvel mag zwar nicht die Schuld an der Abgestumpftheit weiter Teile der Gesellschaft tragen, aber ein Aufbegehren dagegen sieht nun einmal auch wahrlich anders aus.
Vermutlich verkauft DEADPOOL uns für noch dümmer als andere Filme aus dem MCU es tun – gerade, indem er eine Reflexionsebene vortäuscht, die er überhaupt nicht so meint. Was bringt es einem notorischen Faulpelz, seine Faulheit einzugestehen und ständig darüber zu witzeln, wenn er in Wahrheit gar nicht vorhat, von jetzt an ein bisschen Sport zu treiben? Und ein ungebildeter Mensch ist auch nicht deshalb klüger, weil er jedem seine Doofheit auf die Nase bindet - sondern erst, sobald er beispielsweise ein Buch in die Hand nimmt. Das MCU verweigert sich einem vergleichbaren Schritt und führt seinen ach so subversiven DEADPOOL damit einem lächerlichen Zirkelschluss zu. BIRDMAN hat wohl leider nicht gereicht. Wo bleibt der Film, der dem Ganzen ein Ende setzt?
Während meiner Kindheit verbrachten wir die Urlaube zumeist in Südeuropa. Vor allem in kleineren Dörfern stehen Altbauten bekanntlich manchmal so dicht nebeneinander, dass sie nach oben hinaus beinahe den Himmel verschließen. Mich faszinierten und verschreckten diese engen Gassen gleichermaßen. Obwohl ich (als geborener Angsthase) jedes Mal tierische Panik hatte, unsere Unterkunft nicht wieder zu finden, war ich auch sehr neugierig und stahl mich nach der Ankunft davon, um die Gegend zu erkunden. Und natürlich verlief ich mich. Obwohl ich immer weiter ging, steckte ich – schon die Umgebung legte es nahe - irgendwie auch fest. Unter Aufregung klingt alles ein wenig anders, oder vielleicht nur bewusster: Das Geräusch eines sich nähernden, klapprigen Fahrrads, das Bellen eines Hundes zwei Ecken weiter, und sogar die eigenen Schritte. Nach gefühlt tausenden Minuten gelangte ich an eine Stelle, die mir bekannt vorkam und mich so endlich "nach Hause" führte. Innerlich überwog die Erleichterung. Dass ich nur wie ein blindes Huhn im Kreis gelaufen war und mir den Ausflug gänzlich anders vorgestellt hatte, nahm ich zwar zur Kenntnis, aber so wichtig war es dann am Ende nicht.
Solche und ähnliche Erinnerungen weckt IN THE CITY OF SYLVIA in mir, wobei er zugleich selbst ein Film über das Erinnern (und Wahrnehmen) ist. Damit wiederum tritt er souverän in die Tradition des französischen Kinos. Wie Alain Resnais erkundet er auf Samtpfoten – und streng subjektiv – das Erleben als Labyrinth. Und wenn er Fragmente präsentiert, die im Einzelnen täuschen, weil sie erst zusammengesetzt das vollständige (aber sodann immer noch interpretierbedürftige) Bild freilegen, beschreiten wir Godard'sches Terrain. Auch hier muss man sich wohl eingestehen, dass es nicht eine, sondern Millionen Wahrheiten gibt, die womöglich doch alle falsch sind. Dies deprimiert und beflügelt zugleich.
Mit überlappenden Blicken, Gesten, Lauten und Bewegungen erzählt Regisseur José Luis Guerín alles und noch mehr. Sein Augenmerk gilt nicht lediglich den Objekten hinter einer Scheibe, sondern auch den Dingen, die sich in ihr spiegeln.
Bewohner sowie Touristen einer Stadt (Straßburg) gehen in ihr auf und unter. Ein Crescendo des Beobachtens. Dem Werk gelingt es, moderner Reizüberflutung Rechnung zu tragen, ohne, dass daraus etwas Hässliches erwächst.
In Anbetracht seiner Sinnlichkeit könnte man geneigt sein, seine Handlung zu vernachlässigen – doch das wäre fatal, wohnt ihr doch etwas Zeitloses inne, nämlich das Motiv des ewigen Suchens und niemals Ankommens. Es bleibt offen, ob die junge Frau aus dem Café diejenige ist, die der Protagonist (ein Stalker oder Liebender?) begehrt und nach 6 Jahren (scheinbar) wieder erkennt. Er ist sich sicher, sie streitet es ab, hingegen lässt ihre Körpersprache Zweifel und verschiedene Deutungen zu. Mit diesem zwischenmenschlichen Dissens müssen fortan beide leben, ebenso der Betrachter. Auch, was vor 6 Jahren war, wird nicht weiter aufgeklärt. IN THE CITY OF SYLVIA pflanzt ein Samenkorn im Kopf des Zuschauers, das ganz von selbst gedeiht, während die Grenze zwischen Information und Anregung verschwimmt. Er liefert wenige Fakten, erzeugt dafür aber ein konkretes Gefühl.
Ein Schielen auf die Notizen des Mannes hilft nicht weiter. Skizzen, Wörter, Schemen – ergänzen sie einander oder sprechen sie für sich allein? Sind sie von Bedeutung?
Also noch einmal von vorne. Nicht vergessen hat man das hektisch umgestoßene Bierglas. Die Bedienung, die nun den Tisch abwischen muss, denkt bestimmt: "Wieder so ein Betrunkener!", doch wir wissen es besser. Eine S-Bahn drängt sich dazwischen, aber Stillstand ist ein Zustand, den der Film nicht kennt. So folgt er der Dynamik eines Flusses und reißt, zu den Klängen einer Geige, alle Spuren mit sich fort.
Michael Bay hat mit seinem neuesten Werk einen denkwürdigen Anti-Kriegsfilm geschaffen und treibt sein Action-Avantgardetum vorerst auf die Spitze. 13 HOURS als APOCALYPSE NOW seiner Zeit zu bezeichnen, ist gewiss keine Übertreibung. Erneut stellt der eigenwillige Blockbuster-Auteur sein visionäres Potenzial unter Beweis, indem er schon jetzt die Ära Donald Trump einleitet und uns vor Augen führt, dass der Mann in allem Recht hat und die Welt allein durch seine Präsidentschaft gerettet werden kann.
Wer nach 13 HOURS hieran noch zweifelt, dem ist nicht zu helfen, zeigt Bay doch brachial und ungeschminkt, mit welcher Barbarei ausnahmslos alle Araber zu Werke schreiten. Solange jene Terroristen ihr Unwesen treiben, kann Frieden niemals möglich sein und gäbe es vereinzelt nicht auch vaterlandstreue, bärtige, muskelbepackte (in dieser Reihenfolge) Hünen wie die Helden aus 13 HOURS, stünden wir schon längst am Abgrund. So und nicht anders funktioniert radikales, unbequemes Kino, das nicht zuletzt durch seine Körperlichkeit Maßstäbe setzt.
In sengender Mittagshitze befeuchtet literweise Männerschweiß die Luft, wogegen nachts äußerste Konzentration an den Gewehren angesagt ist, um die Festung zu verteidigen. Immer wieder nutzt Bay das imposante Landschaftspanorama für sich und kontrastiert blutige Gefechte mit Nachtsicht-Grün sowie geradezu träumerischen Abendaufnahmen. Wie Terrence Malick in THE THIN RED LINE gelangt auch er zu dem Schluss, dass Krieg auf dieser unseren, wunderschönen Erde einfach nichts zu suchen hat: "All the gods, all the hells, all the heavens are within you."
Die letzte Stunde des Films bricht sodann mit jeglicher Poesie und markiert praktisch einen einzigen, packenden Schlagabtausch. Dass diese vermeintlich simple Struktur nahezu perfekt aufgeht, spricht für Meister Bay, der spätestens zu diesem Zeitpunkt übliche Dramaturgie-Schablonen des Mediums lässig hinter sich lässt. Ein vermeintlich wirres Schnittgewitter verfehlt seinen Zweck nicht, sondern wirft das verstörte Publikum vielmehr mitten ins Geschehen. Der Zuschauer fühlt sich wie in einem Videospiel – so, als wäre er an den Schießereien selbst beteiligt und zum Agieren gezwungen. Umso größer die Euphorie, als es dem US-Team beispielsweise gelingt, durch Fernschüsse einen ganzen Bus (und mit ihm zahlreiche Islamisten) in die Luft zu jagen, der mit Sprengstoff beladen war.
Doch wer glaubt, Michael Bay würde sich, Hollywood-typisch, mit einem seichten Happy End zufrieden geben, der befindet sich auf dem Holzweg. Um den Ernst der Lage zu verdeutlichen, müssen empfindliche Opfer erbracht werden, Tränen fließen und die zerfetzte US-Flagge tragisch in einem Swimming-Pool verelenden – nur so versteht das Publikum auch wirklich, wer hier der Feind ist. Fragen stellen war gestern, Michael Bay ist ein Mann der klaren Antworten, welche in schwierigen Zeiten wie diesen dringend benötigt werden.
Keineswegs auf der Strecke bleibt darüber hinaus die menschliche Komponente. Der Star-Regisseur legt – wie man es von ihm kennt und nicht anders erwartet - ein beachtliches Gespür für die Befindlichkeiten seiner Protagonisten an den Tag: Dem einen fällt unter Beschuss ein, dass er dringend Notdurft verrichten muss, ein anderer philosophiert über Schafe und die einzige Frau an Bord ist so doof, dass sie nur planlos durch die Gegend stolpert. Selbst im Moment des größten Triumphs – und dann erst recht - feiert 13 HOURS die liebenswerten Unzulänglichkeiten seiner Figuren.
Wenn es einem Film gelingt, ein so breites Spektrum an Emotionen abzurufen und man sogar gerne noch 145 weitere Minuten im Sessel ausgeharrt hätte, dann ist klar, dass man soeben einem außergewöhnlichen Spektakel beiwohnen durfte, welches auch inhaltlich schwere Geschütze auffährt. Clint Eastwood ebnete vergangenes Jahr mit AMERICAN SNIPER einen Weg, Michael Bay bombt nunmehr tiefe Spuren in den Boden, damit auch jeder folgen kann. Eine richtungsweisende Offenbarung - in sämtlichen Belangen.
5 von 5 Punkten für Justin Bieber. 4 Punkte für Nevermind von Nirvana (wegen einiger "gewöhnlicher" Songs). Puh, hier blutet mir echt das Herz, bei aller Toleranz für andere Geschmäcker. Ich versuche, es zu verstehen, weil du eben wirklich sehr jung bist, eine ganze Generation unter mir, und demnach mit unterschiedlicher Populärmusik aufgewachsen. Der Justin Bieber "meiner Zeit" waren die Backstreet Boys, und selbst die haben vergleichsweise einige echt schöne Popsongs herausgebracht. An einem ernsthaften Vergleich mit Nirvana muss aber eigentlich alles scheitern, was danach kam.
Noch in hundert Jahren wird aus vielen Lautsprechern, Kopfhörern und jugendlichen Seelen A DENIAL, A DENIAL, A DENIAL schallen. Menschen werden Chucks und schwarze T-Shirts mit einem gelben Smiley tragen. Doch was wird man - wenn überhaupt - von Justin Bieber in Erinnerung behalten? Vielleicht, dass er nicht einmal das Wort "German(y)" kannte?
CRAZY HEART ist etwas ganz Besonderes. Wäre er ein Buch – natürlich ein wirklich gutes Buch! -, dann wäre er das, was in einem vorgeht, wenn man gerade umblättert, noch in der Kerbe der Seiten feststeckt, während die Augen schon nach vorne preschen. Heimlich vergoldet er die Druckerschwärze des Lebens. Und die leisen Sorgen und Geheimnisse, die er mit dem Zuschauer teilt – wenn er sie ihm schon nicht abnehmen kann -, hallen hindurch wie sanfte Gitarrenklänge durch die letzten Sonnenstrahlen eines Spätsommerabends.
Warum lassen sich zwei Menschen aufeinander ein, wenn beide doch eigentlich von vorneherein wissen, dass das niemals gut gehen wird? Die allgemeine Leere betäuben, und sei es nur für kurze Zeit? Wer einander braucht, stellt keine Fragen. Vielleicht lautet hier ein mögliches Fazit von vielen: Es ist möglich, den Moment zu überwinden, aber niemals ein gesamtes Leben. Dies umschreibt der Film mit seiner Zaubertinte so ruhig und verständnisvoll, dass es einem manchmal ganz schön schwer in der Brust wiegt und man schließlich daran erinnert werden muss, zu atmen. Wahrscheinlich spekuliert er einfach darauf, dass jemand da draußen dasselbe fühlt.
Jeff Bridges als alternder, dem Vergessen geweihter Country-Star liebt, kämpft, komponiert und strauchelt sich zu der Person, die er am Ende ist – ohne Versprechen, ohne Entschuldigungen, ohne Vorwürfe. Dies reflektiert, wie zum Beweis, sein seltsam rau-zartes Gesicht, das ich andauernd zwischen meinen Händen vergraben wollte (bevor es jemand anderes tut). Genau erklären kann ich es zwar nicht, aber Charaktere wie er, die nichts mehr zu verlieren haben (außer das Universum, das sie in sich tragen), stehen mir in der Kunst häufig am Nächsten.
Einen jeden Song von ihm interpretiert CRAZY HEART sodann als Seelenabdruck, in den – folgerichtig - der eine hinein passt und der andere eben nicht. Konsequenterweise ist auch der Film selbst ein solcher Abdruck, dessen Stempel so tief unter die Haut dringt wie ein Tattoo. Es erinnert mich auch noch morgen daran, dass ich für knappe 2 Stunden zu einem Ufer getragen wurde, an dem ich bereits tausendmal und noch nie zuvor gestrandet war: This ain't no place for the weary kind.
Nach einigen sehr anspruchsvollen Rollen zu Beginn seiner Karriere (Gilbert Grape, This Boy's Life) ist DiCaprio mittlerweile vor allem in der des Weltstars vollkommen aufgegangen. Und als solcher fühlt man sich vermutlich ein bisschen doof ohne Oscar - so oft von allen Seiten auch beteuert wird, dass es auf Preise und Auszeichnungen nicht ankäme. Sein Mitwirken an einem Film richtet er seit Jahren an dem Spektakelfaktor aus (Ausnahmen wie Revolutionary Road bestätigen die Regel), weshalb DiCaprio für mich uninteressant geworden ist. Ob es ihm dabei um den Oscar geht oder er tatsächlich "nur" seine persönlichen Grenzen austesten will, das kann natürlich niemand sicher wissen. Ich schätze, es kommt beides zusammen. In gewisser Weise hoffe ich allerdings sogar auch, dass er Sonntag Nacht den Goldjungen überreicht bekommt - und sei es nur, damit Medien und Internet demnächst endlich Ruhe geben (andererseits: Wie könnte er THE REVENANT in Sachen Selbstaufgabe überhaupt noch toppen?). Und der Blick danach vielleicht ein wenig freigelegt wird auf einige "unscheinbare" unsung heroes der Filmwelt, die bislang nicht einmal halb so viel Aufmerksamkeit erhalten haben wie DiCaprio.
Spike Lee bleibt sich treu. Nach seinem misslungenen, komplett unnötigen OLDBOY-Remake macht er auch mit CHI-RAQ so ziemlich alles falsch, was ein Regisseur nur falsch machen kann. Sein aktuelles Werk ist ein Versuch, formal die griechische Komödie ins heutige Amerika zu übertragen und inhaltlich die Aufmerksamkeit auf die immer heftiger eskalierende Bandenkriminalität innerhalb einzelner Stadtviertel zu lenken. Der Titel spielt darauf an, dass seit Beginn dieses Jahrtausends statistisch mehr Amerikaner in Chicago als im Irak- oder Afghanistan-Krieg ums Leben gekommen sind. Die denkbare Anklage von CHI-RAQ richtet sich also gegen die nationale Politik, die aktiv Kriege gegen andere Staaten führt und dabei die massiven Probleme vor der eigenen Haustür vernachlässigt bzw. ignoriert. Ja, spannender Ansatz!
Doch was einen sogleich erwartet, ist kein wütender, nachhallender Aufschrei, sondern ein bestenfalls harmlos-hilfloses Pamphlet aus Plakativitäten und Peinlichkeiten.
Protagonistin Lysistrata hat die Bedrohlichkeit der Lage erfasst und schließt sich mit den übrigen Girls aus der Hood zusammen, um einen wahrhaft teuflischen Plan umzusetzen: Sie wollen – in möglichst aufreizender Kleidung - den Männern den Liebesakt verweigern... so lange, bis diese die Waffen niederlegen. Eines Abends sind die Strip-Lokale leer. No peace, no pussy! Weltfrieden durch Sexentzug – und ja, das ist genauso bescheuert wie es klingt. Ob Spike Lee den Vorschlag auch, von Angesicht zu Angesicht, einer Frau unterbreiten würde, die tatsächlich einmal das Blut ihres Kindes von der Straße wischen musste?
Dass der Film somit auch ein recht verqueres, oder zumindest sehr eindimensionales, altbackenes Verständnis von Feminismus vertritt, gerät beinahe zur Nebensache. Frauen sind engelsgleiche Heilsbringer ohne Fehl und Makel, Harmonie gibt es nur über den gewaltlosen Geschlechterkampf, bei dem schließlich das Gute obsiegt. Das ist nicht radikal, sondern hoffnungslos weltfremd.
Einen derart schwellenden und vor allem realen Konflikt so zu banalisieren und kategorisieren, ist ohnehin eine Sache für sich, und es leuchtet (mir) absolut ein, dass CHI-RAQ speziell aus Chicago massig Kritik erntet. Wer könnte den Menschen dort verübeln, dass sie sich nicht ernst genommen fühlen und glauben, ihre Not würde zu reinen Unterhaltungszwecken ausgeschlachtet? Denn es ist ja nicht so, dass Spike Lee dieses brennende Thema auch nur im Ansatz aufrichtig zu händeln weiß. Die geballte Naivität des Films lässt, im Gegenteil, eigentlich nur den Schluss zu, dass der Regisseur in einem gigantischen Elfenbeinturm aus Watte wohnt, fernab von jenen Brandherden, über die er zu berichten meint. Zwar darf man ihn dazu beglückwünschen, hunderte Synonyme für Sex und die weiblichen Geschlechtsorgane gefunden zu haben, die er auch munter aneinander reimt – aber große, bedeutsame Kunst erschaffen hat er damit noch lange nicht.
Selbst, wenn man CHI-RAQ – schön und gut - als träumerische Utopie begreift (andererseits: Ist ein Leben ohne Sex nicht eher Dystopie?), steht man irgendwann vor der Frage, was das Ganze in seiner Anmaßung soll – und vor der Gewissheit, dass nicht jeder ein John Lennon ist.
Kleiner Kritikpunkt: Warum müssen eure Artikel so oft wertend und negativ beginnen?
"Für viele ist The Hateful 8 vielleicht nicht der beste Film von Regisseur Quentin Tarantino"?
Joa, mir herzlich egal. Es ist sein bis dato wohl reifstes, ja sogar ein dezidiert politisches Werk, virtuos erzählt und zum Zunge schnalzen bebildert/vertont. Dass er damit nicht jeden abholt, der bloß auf seichte Unterhaltung oder sinnlose Action aus ist, dürfte klar sein. Aber das spricht eher für als gegen Tarantino.
Ich bin jedenfalls sehr gespannt, was er noch im Ärmel hat. Ich fände einen dritten Western von ihm (manches deutet ja darauf hin) gar nicht so verkehrt, wenn man bedenkt, wie grundverschieden doch DJANGO UNCHAINED und HATEFUL 8 sind (und dabei mochte ich ersteren nicht einmal). Mit Maestro Morricone an Bord stehen die Chancen natürlich umso besser, dass am Ende sowohl das Genre- als auch das Mainstreamkino eine wuchtige Wiederbelebung erfährt. :-) Wenn es jedenfalls einen Regisseur gibt, der dazu auch die nötige Publikums-Reichweite hat, dann Tarantino. Ich freu' mich.
HAIL, CAESAR! ist ein kurzweiliges Vergnügen und bereitet eine ganze Menge Spaß. Gleichzeitig jedoch wird man ihn in der üppigen coen'schen Ruhmeshalle den eher leichteren Werken der Gebrüder zuordnen müssen – und dabei teilweise leider auch das "L" von "leicht" gegen ein "S" eintauschen.
Der Film geleitet den Zuschauer von set piece zu set piece und von einer grandiosen Choreographie zur nächsten (hieran kann man sich tatsächlich kaum satt sehen), was im Grunde aber schon sein ganzer Zaubertrick ist. Als Bindeglied zum Publikum erweist sich Eddie Mannix, der selbiges so ein bisschen wie im Zirkus herumführt, worin sich seine – ich bin mal gemein und formuliere es etwas hart – primäre Funktion erschöpft. Zwar hat die Figur auch Probleme zu meistern, aber diese sind im Gesamtbild eher Verzierung und führen sie nicht wirklich in die Tiefe. Brolin (ja, ich bin Fan...) holt zwar raus, was geht (elegant schwankt er zwischen abgebrühter Souveränität, die seine Arbeit nun einmal erfordert und andererseits einer leisen Ratlosigkeit), muss sich aber vom Drehbuch in gewisser Weise ausbeuten lassen – eine Aussage, die zunächst wohl widersprüchlich anmutet angesichts der Tatsache, dass kaum eine Szene ohne ihn auskommt.
Mit den übrigen Figuren verhält es sich etwas anders, aber irgendwie auch ähnlich. Scarlett Johansson, Ralph Fiennes, Tilda Swinton und Channing Tatum bescheren HAIL, CAESAR! nicht nur klangvolle Namen, sondern prächtigen Glanz. Doch wo soll es hinführen, wenn all diese Stars (insoweit treten die Coens in Konkurrenz zu Wes Anderson), in winzige Rollen gepresst, jeweils nicht einmal 5 Minuten Screentime erreichen?
Das gewichtigste Manko des Films ist allerdings, dass er vor lauter spektakulärem Schaulaufen und ursympathischer Ehrerbietung seine eigene Geschichte vergisst, die ja eigentlich davon handelt, wie Baird Whitlock (George Clooney) – Hauptdarsteller eines gerade produzierten Historienschinkens – von Kommunisten entführt wird. Um diesen Kernplot herum hätten die Coens so vieles erzählen können: Von der Stellung linker Autoren im Hollywood der 50'er Jahre, dem Verhältnis von Kapitalismus und Kunst (wo bleiben die Gleichnisse?), oder auch den Kämpfen, die wiederum Hollywood auszufechten hatte. Stattdessen begnügen sie sich überwiegend mit Stichworten sowie (zugegeben: zündenden) Gags und machen sich so, zumindest in bestimmtem Umfang, ihrerseits die eskapistische Methode der Traumfabrik zueigen.
In der Vitrine vor sich hin vegetiert notwendig die im Populärkino unerreichte Gabe des Regie/Autoren-Gespanns, persönliche Krisen (zum Beispiel eben solche wie die von Eddie Mannix) ins Absurde zu strecken, um sie schließlich nach Coen-Logik wie Gold über dem verwirrt-erleuchteten Betrachter auszuschütten.
HAIL, CAESAR! mündet versöhnlich in ein kuscheliges Happy End und damit in den sicheren Hafen. Kein Kieselstein wurde beim Spiel auf der Dur-Tonleiter auch nur einen Millimeter verrückt. Sowohl Fixer Mannix als auch Whitlock erkennt nach einer heiteren Odyssee, bereits seit langer Zeit am richtigen Platz zu sein, und sogar Studio-Diva DeeAnna Moran (ScarJo) kriegt die Kurve – eine Konklusion, die während der 106 Minuten nie ernsthaft zur Debatte stand. Vielleicht wollte man das im Ergebnis auch gar nicht, denn die Liebe zum Medium pocht viel zu stark und viel zu laut (hierfür bürgt nicht zuletzt das Ausrufezeichen im Titel). Wofür ich wiederum vollstes Verständnis aufbringe.
Trotzdem... dürfte ich hier nur einen einzigen Satz verlieren, würde ich sagen: Ein solider Film, aber ein mäßiger Coen.
1.) Wenn Sie sich einen Namen geben bzw. wählen würden, welcher wäre das?
- Och, Jenny finde ich schon ganz OK. :-)
2.) Die Sonne erlischt. Wo sähen Sie sich in diesem Szenario?
- Ich würde den Tatsachen gelassen ins Auge sehen und all diejenigen auslachen, die am letzten Abend noch ein Glas Wein trinken oder ähnlichen lächerlichen Ritualen frönen. Dann würde ich mir ein Zelt aus Ästen bauen und einfach warten.
3.) Xylophon oder Triangel?
- Triangel
4.) Sie kommen nach Ihrem Tod ins Paradies. Wie sähe das bei Ihnen aus?
- Ich glaube, recht bescheiden. Viele Filme, Fast Food, Sonnenuntergänge, Blick aufs Meer.
5.) Welches war Ihr erstes Haustier?
- Zwei Wüstenrennmäuse. Danach beschloss ich, nie wieder ein Haustier haben zu wollen. Es ist einfach zu traurig, wenn sie sterben. :'-( Außerdem ist es in vielen Fällen im Grunde Tierquälerei. Ich glaube eigentlich nicht, dass Mensch und Tier dazu bestimmt sind, auf engem Raum zusammen zu leben.
6.) Glauben Sie an ein Leben nach dem ultimativen Film?
- Nun… ich habe THE ASSASSINATION OF JESSE JAMES BY THE COWARD ROBERT FORD gesehen. Und ich lebe tatsächlich noch. Das beantwortet die Frage wohl.
7.) Ist das Marmeladenbrot mit der Unterseite oder der Oberseite auf den Boden gefallen?
- Ich werde das jetzt bestimmt nicht austesten? Habe vorhin geputzt.
8.) Welches Musikstück beschreibt Ihren derzeitigen Zustand?
- Vielleicht "Colorblind" von den Counting Crows. Dort heißt es "I am ready, I am fine", obwohl die Tonalität des Stücks etwas ganz anderes sagt. Oder "MMMBop" von Hanson. Die Melodie macht zwar einen auf extrem fröhlich, aber im Text geht es eigentlich darum, wie nichts im Leben ewig hält.
9.) In welcher deutschen Stadt würden Sie gern leben? Was würden Sie dort gerne tun?
- Offen gestanden ist es mir gar nicht mal so wichtig, wo ich wohne. Man trägt ja auch eine Heimat in sich drin. Ich bin zum Beispiel kein sonderlicher Fan von Großstädten. Wenn ich ein Kino und einen Supermarkt in der Nähe habe, bin ich glücklich.^^
10.) Akte X oder Twin Peaks?
- Twin Peaks!
11.) Freibad oder Natursee?
- Ich mag kein Chlorwasser. Im Zweifel sowieso immer die Natur.
12.) Warum wären Sie ein guter Geheimagent?
- Ich glaube, dass ich ganz gut darin bin, mir von anderen Informationen zu erschleichen und vielleicht sogar auch darin, zu manipulieren. Etwas tollpatschig bin ich allerdings auch, was wiederum wohl nicht so vorteilhaft in diesem Beruf ist.
13.) Sie könnten Staatsoberhaupt Ihres eigens gebildeten Landes sein. Was für eine Regierungsform, welche Besonderheiten hätte dieses und wie würde Ihr Regieren aussehen?
- Puh, die Frage verdient eigentlich eine ausführliche, mehrseitige Antwort. Ich glaube zwar gern an die Demokratie, denke aber, dass sie in Reinform nicht funktioniert und faktisch praktisch immer mindestens auf eine Oligarchie hinausläuft. Daher wäre ich wahrscheinlich einfach aufrichtig gegenüber meinen Leuten und würde meinen eigenen Staat konsequent zur Monarchie erklären. :-D
14.) Sie wachen in einem Paralleluniversum auf. Dort sind Sie verheiratet, haben zwei Kinder und einen alltäglichen Büro-/Verwaltungs-/Normaloirgendwasberuf. Sie leben in einem Vorstadthaus mit Garten und würden sich jeden Freitag Abend mit Freunden in einem nahegelegenen Pub treffen. Wie klingt das für Sie?
- Das klingt, als wäre ich tot und in der wahrhaftigen Hölle gelandet. Sonst noch was? Am nächsten Morgen finde ich in meinem Vorgarten bestimmt ein abgetrenntes Ohr..
15.) Welche Rolle von Harrison Ford finden Sie am interessantesten?
- Schauen wir mal… also ich mag weder STAR WARS noch INDIANA JONES. Damit wird es langsam eng, oder? Ich wähle daher mal seine Rolle in dem Film WITNESS von Peter Weir.
16.) Haben Sie schon einmal ein einfaches Gericht gekocht/etwas Einfaches gebacken und es ist Ihnen irgendwie völlig misslungen?
- Bitte nicht dieses leidliche Thema... Ich habe das Kochen irgendwie nie richtig gelernt und bin eine miserable Hausfrau. Das Zubereiten von Fertiggerichten gelingt mir gerade so, und darüber bin ich auch heilfroh.
17.) Sind Sie eher Choleriker, Phlegmatiker, Sanguiniker oder Melancholiker?
- Melancholiker. :-)
18.) Glauben Sie noch, Adam Sandler wird irgendwann einen guten Film machen?
- Adam Sandler hat (als Schauspieler) sehr wohl bereits einen richtig guten Film gemacht, und zwar PUNCH-DRUNK LOVE. Auch ansonsten teile ich den Hass auf ihn nicht ganz - auch, wenn das meiste, das er anpackt, absolut nicht von hoher Intelligenz und Tiefsinn gekrönt ist. Aber wenn ich die Wahl hätte zwischen ihm und beispielsweise Til Schweiger… dann ganz klar Sandler.
19.) Was halten Sie von Jan Böhmermann?
- Darf ich ehrlich sein? Der Typ interessiert mich nicht besonders.
20.) Warum füllen Sie das hier eigentlich jede Woche aus?
- Ich spiele ja nur ungern den Miesepeter, aber ich fülle diesen Fragebogen gerade zum ersten Mal aus. ;-)
Wenn Angelina Jolie – aufgetakelt wie eine Gans zum Feiertag – aus dem Cabrio gleitet und "I smell fish" vor sich hin haucht, ist eigentlich schon klar, dass BY THE SEA einfach kein guter Film sein kann. Wer jedoch einmal in epischem Ausmaß daran teilhaben möchte, wie man ein Beziehungsdrama auf gar keinen Fall angehen sollte, der darf diese Chance nicht verpassen und muss die Fernbedienung wieder zur Seite legen (auch, wenn es weh tut). Lehrreicheren Anschauungsunterricht erhält man als Filmliebhaber nämlich selten.
Eine wichtige Regel auf dem Weg zu einem gelungenen Werk lautet zum Beispiel: Leere Blicke, redundante Posen und immergleiche, bedeutungsschwangere Schauplätze spiegeln noch lange nicht auf überzeugende Weise ein karges Innenleben der Figuren. Vielmehr langweilen sie in erster Linie den Zuschauer und verwelken Rasch zur prätentiösen Note, bzw. erwecken den unangenehmen Eindruck einer Kunstgewerblichkeit. Und was sich gewerblich anfühlt, kann nun einmal niemals echt sein, geschweige denn Kunst.
Regel 2: Dialoge, die alles – aber auch wirklich alles – preisgeben, verkaufen, erstens, das Publikum für dumm und weisen darüber hinaus die Macher regelmäßig aus, das Medium sowie dessen vielfältige Möglichkeiten zur Informationsvermittlung von Grund auf nicht verstanden zu haben.
Regel 3: Zwar ist jede Person immer auch ein Abbild ihrer Erfahrungen, allerdings gestalten sich die Wechselwirkungen zwischen Ursachen und Wirkungen unsagbar komplex. Und nein, dies als Autor nach Gutdünken zu vereinfachen, stellt gerade keine honorierfähige Leistung dar – sondern eine verfälschende Lüge. Denn Psychologie ist nicht wie Mathematik, sie besitzt weitaus mehr Variablen als Konstanten. Umso billiger zieht Jolie sich aus der Affäre, indem sie die gesamte Gefühlswelt ihrer Protagonistin an einer einzigen Bedingung aufhängt und diese obendrein ungeschickt als "überraschenden" Plot-Twist oben drauf schraubt.
Regel 4: Klischees vermeiden. Darunter fällt: Schriftsteller in Schaffenskrise schweift in die Ferne, um dort neue Inspiration zu finden.
Um das Elend also knapp zusammenzufassen: Es verblüfft, wie viele Drehbuch- und Regieentscheidungen weitläufig ihr Ziel verfehlen. Auf ihrer händeringenden Suche nach Land stürzt Miss Jolie Pitt souverän mitten ins Meer. Sie hat offenkundig nicht die geringste Ahnung, wie man Sinnlichkeit und Zwischenmenschliches (besteht hieran überhaupt ein Interesse?) in eine dichte, packende Geschichte formt, die bereits beim Lesen überzeugt. Erst Recht weiß sie nichts mit ihren letztlich seichten Katalog-Bildern anzufangen. Das Schwelgen in Aufnahmen vom letzten Frankreich- oder Italien-Urlaub dürfte nahezu jeden Betrachter um ein Vielfaches mehr stimulieren als BY THE SEA.
Die vielleicht etwas fiese Bemerkung, dass die Regisseurin/Schauspielerin mittlerweile sogar selber aussieht wie eine Schaufensterpuppe (und daher nicht minder synthetisch-leblos anmutet wie ihre Telenovela), wollte ich mir ursprünglich verkneifen, doch es passt so gut zusammen. Wenigstens eine Sache, die hier irgendwie Sinn ergibt.
Fazit: Wenn der Berg nicht zum Propheten kommt, muss bekanntlich der Prophet zum Berg - eine beschwerliche Reise, die sich auf High Heels nicht bewältigen lässt.
WHAT. THE. FUCK. Besonders unglaublich ist, dass in diesem Fall nicht lediglich irgendwelche Spinner ein Verbot forderten (das kennt man ja), sondern das beschränkte (da zumindest definitiv kunstfeindliche) Weltbild dieser katholischen Vereinigung auch noch durch ein Gericht abgesegnet wurde - der Staat, als nicht zuletzt Wächter über die Grundrechte, also an allen Ecken und Enden versagt hat. An dem Beispiel zeigt sich erneut, dass auch in einer Demokratie Freiheit (in ihrer vielfachen Ausprägung) immer neu erkämpft bzw. behauptet werden muss und wir daher in dieser Welt rein gar nichts als selbstverständlich betrachten dürfen. Alarmierend.
Traurig, traurig. Konsequenterweise müsste man somit auch den Konsum jeglichen Alkohols in Filmen unterbinden, und so käme man dann schleichend vom Hölzchen aufs Stöckchen. Irgendwann sähen wir vermutlich nur noch Schafe und grasende Kühe auf der Leinwand, weil alles andere viel zu gefährlich ist. So drückt man sich schließlich vor Eigenverantwortung und bürdet sie stattdessen dem Medium auf.
Erst Letztens war hier auf MP ein Artikel zu lesen, in dem es darum ging, wie prüde und scheinheilig in Hollywood auch heute noch mit Nacktheit umgesprungen wird. Solange aber nicht einmal jene Vorbehalte gegen die natürlichsten Dinge der Welt abgebaut sind, sollte man es erst recht tunlichst unterlassen, Verbote zu errichten. Ich bin der Meinung, der Kunst darf nichts verschlossen bleiben, was menschlich ist (denn gerade davon kann sie ja erzählen). Und dazu gehört nun einmal auch das Rauchen.
Da ich THE HATEFUL 8 bereits vor seinem Kinostart spöttisch abgeschrieben hatte, ist es wohl an mir, den ersten Stein zu werfen: Ich finde, dies ist Quentin Tarantinos bestes Werk seit Jahren. Doch was hat man im Vorfeld nicht alles gehört und gelesen. Der Regisseur arbeite sich nur noch an sich selbst ab, das Skript sei schlampig, der Film würde gar langweilen. Mein Eindruck verläuft dazu diametral: Mir scheint, als würde Tarantino geschickt Erwartungen durchschlängeln, ähnlich wie einst mit JACKIE BROWN – und dafür nun die Quittung erhalten.
Das bedeutet zunächst: Wer das Kino aufsucht, um blutige Action zu sehen, wird erst einmal vertröstet. Lange, lange Zeit vertröstet. Alle anderen dürfen sich an dem erfreuen, was Tarantino in seinen goldenen Stunden eigentlich ausweist... und diese Qualitäten haben rein gar nichts am Hut mit comicartiger Gewalt.
Hier zum Beispiel verweigern sich einige Dialoge oder auch Schlüsselbegriffe einem unmittelbaren Abgang und sind damit eben gerade nicht zu Ende, wenn ein Charakter seine Stimme senkt. Vielmehr werden sie bedächtig durch den gesamten Film getragen - umgedreht, gespiegelt, reflektiert. Daneben demonstriert Tarantino ein imponierendes Gespür für räumliche Breite/Länge/Tiefe, was die Frage aufwirft, warum er nicht viel öfter Kammerspiele inszeniert. Da er dem Drang widerstehen muss, seine Figuren von A nach B nach C zu hetzen, macht er sich in einer Herberge gemütlich und entdeckt die Kraft vermeintlicher Beschränkung. Jedes Mal, wenn jemand die Tür eintritt oder auch hereingefallen kommt, möchte man nur feiern. Und wenn Daisy Domergue zur Klampfe greift oder Bob "The Mexican" mehr schlecht als recht eine folgenschwere Auseinandersetzung seiner Schnee-Mitgestrandeten auf dem Klavier begleitet, setzt der Film zum Scheitern verurteilte (und gerade darum wirkungsvolle) Kontrapunkte zum offensichtlich Unvermeidlichen. Es ist eine tief betrübte Gemächlichkeit, die die hasserfüllten 8 wie ein Komet umschweift. Ein Komet allerdings, der in naher Zukunft einschlagen wird. Der lässige, aber irgendwie auch akut empfundene Rhythmus vibriert wie ein kleines Erdbeben unter den Füßen.
Was jetzt noch fehlt, ist ein politisch gefärbter Kommentar über Vergangenheit und (wohl auch) Gegenwart. QT lässt sich nicht lumpen. Er verstrickt seine verschlagenen Protagonisten in eine Spirale aus Misstrauen und Feindseligkeit, deren Ursprung Jahrhunderte zurück reicht. Nach außen ist dieser Haufen Gauner nunmehr – aufgrund eines Schneesturms - durch Wände sowie ein Dach eingeengt. Dem, was IN ihnen tobt, hält hingegen keine Mauer stand. Tarantino wünscht umso dringlicher eine Überwindung jener Barrieren (gewissermaßen glaubt er sogar daran), fürchtet aber, dass in genau dieser Sekunde niemand mehr übrig sein wird, der den Handschlag vollziehen könnte. Damit bedient er einerseits die Zynismen des Western-Genres, um auf der Zielgeraden überraschend sanft – um nicht sagen wehmütig - mit ihnen zu brechen. Hoffnung als Obligation oder Illusion zu erachten, obliegt damit letztlich dem Zuschauer. Man hat schon leichtere Entscheidungen getroffen.
Ich lehne mich mal aus dem Fenster: David Lynch ist der vermutlich wertvollste lebende Künstler (wenn man das Wort vollkommen ernst nimmt). Also zumindest für mich ist er das. Wie kaum ein anderer hat er ein charakteristisches Universum erschaffen, das nachzuahmen unmöglich ist und gewiss viele Jahre überdauern wird. Da Lynch eigentlich nie etwas getan hat, um den Befindlichkeiten eines breiten Massengeschmacks zuzuprosten, verwundert seine weltweite Popularität heute einerseits umso mehr. Irgendwie hat er es allerdings geschafft, den Schlüssel zu einer ganz bestimmten Tür, einem "Kollektivunterbewusstsein", zu finden. Was hinter dieser Tür liegt, kennen wir also im Grunde alle, daher ist es uns letztlich vertraut und wir schauen bereitwillig und staunend in diesen (oft schauderlichen) Abgrund. Nicht vergessen sollte man dabei allerdings den Humanisten Lynch, und damit beziehe ich mich nicht lediglich auf THE ELEPHANT MAN und THE STRAIGHT STORY. Man beachte nur einmal, wie er sich mit MULHOLLAND DRIVE beispielsweise dem weiblichen Begehren nähert.
Ich vermisse es, mich in seinen Nachtlabyrinthen zu verlieren und würde - wie sicher zahllose andere auch - einiges dafür geben, eines Tages einen neuen Spielfilm von Lynch im Kino sehen zu können. Dann jedoch überstieg eigentlich schon die Ankündigung einer 3. TWIN PEAKS-Staffel im letzten Jahr meine kühnsten Fan-Träume.
Ein einfaches "Happy Birthday!" erscheint mir an der Stelle lächerlich wenig, gemessen an dem, was David Lynch mir durch seine Kunst geschenkt hat.
Dieser Film hatte es wahrlich nicht leicht. In den USA schlug ihm massive Kritik entgegen; aus gewissen politischen Lagern hieß es, er sei "liberal propaganda" und würde journalistisches Versagen zu einer Heldentat verklären. Auch CBS bezog deutlich gegen das Werk Stellung. Am Box Office war nichts zu holen, eine Oscar-Kampagne blieb aus. Nachdem ich mir nun persönlich ein Bild von TRUTH machen durfte, habe ich für all das eine einfache wie ernüchternde Erklärung: Tatsächlich kommt der Film in vielen Belangen der von ihm ja selbst wortwörtlich beschworenen Wahrheit ziemlich nahe, und weil diese – wie so häufig - weder eindeutig noch besonders angenehm ausfällt, wird sie nicht gerne gehört. Regie-Debütant James Vanderbilt versteht sich für mein Empfinden mehr als Fragensteller denn als Antwortgeber und ist damit auf dem richtigen Weg, obschon ihm eine klare, eigene Handschrift zum großen Wurf noch fehlt.
Für seinen Erstling hat er ein heikles Thema auserkoren, namentlich den Dan Rather-Skandal aus dem Jahre 2004. Damals klagte eine Gruppe von Journalisten George W. Bush an, mithilfe offenkundiger persönlicher Connections den Militärdienst umgangen zu haben. In den USA rollte der Wahlkampf zu jener Zeit in vollem Gange und besagte Enthüllung hätte für Bushs Wiederwahl fatale Konsequenzen nach sich ziehen können, denn zumindest in republikanischen Kreisen wäre es wohl nach wie vor undenkbar, einen Präsidenten zu wählen, der nicht einmal seinem Land diente – ganz zu schweigen von der mutmaßlich vorangegangenen Lüge Bushs, der sich bekanntermaßen stets als Patriot inszenierte. Vielschichtig und unauflösbar wird die Geschichte spätestens ab dem Moment, der dem Betrachter offen legt, dass die ermittelten (und bereits bundesweit ausgestrahlten) Beweise gegen Bush einer formalen Untersuchung nicht standhalten, inhaltlich womöglich aber dennoch zutreffen. Hier startet Vanderbilteinen weitestgehend packenden Diskurs über Einfluss, Notwendigkeit sowie Verantwortung von Berichterstattung und Medien.
Der Zwist umfasst im Wesentlichen, dass unabhängiger Journalismus einen essentiellen Eckpfeiler einer jeder funktionierenden Demokratie bildet, Publizisten andererseits jedoch auch "nur Menschen" sind: Mit einer Vergangenheit, mit Wertvorstellungen und zumeist auch mit einer politischen Orientierung. Das Berufsethos mag es zwar gebieten, sich am Schreibtisch und hinter dem Mikrofon davon zu lösen, konkret jedoch bereitet eine 100%ig messerscharfe Trennung Probleme. Inwieweit ist vollkommene Neutralität also reine Utopie? Ich überlege kurz: Würde ich es im Zweifelsfall mit der Authentizität verlockender Quellen wirklich so genau nehmen, wenn es in meiner Hand läge, allein durch sie eine Präsidentschaft Donald Trumps zu verhindern? Beschwören kann ich es leider nicht. Vielleicht würde ich mir lediglich 5 statt 10 Expertenmeinungen einholen und dann insgeheim das Beste hoffen.
Sobald allerdings Falschinformationen – zum Beispiel eben über eine Person des öffentlichen Lebens - erst einmal die Runde machen, ist damit ein bestimmter Eindruck in der Welt und in den Köpfen, der durch späteren Widerruf nicht sicher wieder auszulöschen ist: Rundfunk, Presse und Co. besitzen die Macht des Erschaffens, aber auch des Zerstörens. Selbst ein Redakteur, der sich nach Kräften bemüht, läuft immer Gefahr, den Wald vor lauter Bäumen nicht zu sehen, mit Risiko als ständigem Begleiter - womit ich zu meinem Ausgangspunkt zurückkehre: Der Wahrheit.
Sie zu finden, ist ein Stück Wille, ein Stück Neugier, Geschick, ein Stück Kunst, manchmal ein bisschen Glück. Und das gilt für jeden von uns. Die Hauptaufgabe der Medien muss somit erst recht lauten, sich immer wieder neu zu überprüfen – Cate Blanchett und Robert Redford vermitteln es uns eindringlich. Dass Letztgenannter 40 Jahre nach ALL THE PRESIDENT'S MEN noch immer so viel mehr ist als ein Schauspielstar – nämlich eine Konstante – sollte uns unbedingt ermutigen, weiterhin an Unbestechlichkeit zu glauben.
Was Schaumschläger wie THE BIG SHORT oder DER MARSIANER in der Rubrik "Bester Film" zu suchen haben, erschließt sich mir auch nach einigen Minuten des Nachdenkens und Verzweifelns nicht - gerade, wenn man bedenkt, dass dafür beispielsweise CAROL komplett außen vor gelassen wurde. Eine Berücksichtigung hätte hier zu einer größeren Vielfalt beigetragen und wäre auch in künstlerischer Hinsicht wünschenswert gewesen. Erfreulich finde ich hingegen die doch recht zahlreichen Nominierungen für ROOM, der mich ziemlich begeistert hat und in der Hauptkategorie mein persönlicher Liebling ist.
Und durch das knallharte Ignorieren von THE DANISH GIRL hat die Academy immerhin auch ein sehr begrüßenswertes Zeichen gesetzt: Nicht jeder, der bettelt und sich bis zur Selbstvertrashung anbiedert, wird erhört.
1.) SPIEL MIR DAS LIED VOM TOD: Ich habe 4 geschlagene Versuche benötigt, den Film überhaupt zu beenden. Zweimal bin ich eingeschlafen. Bei aller formalen Perfektion, die ich gar nicht in Frage stellen möchte, finde ich den Rache-Unterbau der für meine Begriffe auch ansonsten nicht unbedingt fesselnden Geschichte irgendwie krude und die "episch" aufgeblasene Inszenierung letztenendes (im wahrsten Sinne des Wortes) ermüdend. I'm so sorry.
2.) Fast alles von Quentin Tarantino: Seine Filme sind feuchte Träume eines 13-jährigen Nerds, und die teile ich nun einmal nicht. Zwar eines ziemlich bauernschlauen 13-Jährigen, aber eben doch eines Teenagers. Damit beziehe ich mich vor allem auf sein filmisches Verständnis von Gewalt. Bei ihm gibt es eigentlich weder gut noch böse, sondern nur cool. Mag durchaus sein, dass Tarantino ein talentierter Dialogschreiber ist, aber das *kann* ich einfach nicht ausblenden. Und wenn ich diese ultra überhebliche Labertasche in Interviews sehe, weiß ich immer sofort, warum ich zum guten Quentin einfach keinen Zugang finde.
3.) Alles von Sion Sono: Siehe Tarantino, bloß ohne die Bauernschläue. Bei ihm mache ich mir ernstlich Sorgen um seinen Geisteszustand. Sonos Filme sind postmodern in denkbar zynischster Ausprägung.
So.. ich schaue hier heute Abend wieder rein. Falls meine Freundesliste dann um ca. 50 Leute leichter sein sollte, kann ich es verstehen. Habe euch trotzdem alle lieb. :-*
Erdrückende Naturaufnahmen, eine imposante Körperlichkeit – und doch fehlt es THE REVENANT an entscheidenden Zutaten. Die rahmenvollen Vergangenheitsvisionen von Protagonist Glass – aufgeladenes Voice-Over inklusive - könnten tatsächlich 1:1 aus einem neueren Terrence Malick-Film stammen, was mich in meiner Annahme bestätigt, dass Emmanuel Lubezki eigentlich die Position eines Co-Regisseurs einnimmt, die Bezeichnung "Kameramann" jedenfalls ein starkes Understatement darstellt. Dies ist in meinen Augen Segen und Fluch zugleich – denn so beeindruckend die Bilder, welche Lubzeki regelmäßig auf die Leinwand hext, so inhaltlich mager präsentieren sich einige (nicht alle!) der Filme, die unter seiner Mitwirkung entstehen. Es wirkt manchmal fast so, als würde die visuelle Note dann alles, was daneben von großer Wichtigkeit sein kann, unterdrücken, geradezu im Keim ersticken. Die Oberflächen-Imposanz der Aufnahmen möchte ich damit keinesfalls negieren – auf sich allein gestellt erzählen sie (mir) jedoch nicht besonders viel. Vielleicht ist es vergleichbar mit einem fremden Fotoalbum, das man durchblättert: Ohne die dazugehörigen Erinnerungen, die sie erst lebendig werden lassen, bleibt jede noch so prachtvolle Fotographie gewissermaßen leer für den Betrachter. Und eine solche Erinnerung liefert Lubezki mir gerade nicht mit.
Ja, auch mich hat der Bärenkampf in den Kinositz gepresst. Nicht minder beeindruckend die Szene, als DiCaprio IN (!!) einem Pferd übernachtet. Überhaupt steckt etwas sehr Ursprüngliches, Kerniges in THE REVENANT, was das Werk definitiv sehenswert macht. Der Film ist so roh und brutal wie das Alte Testament. Man muss im Anschluss die Frage stellen, wer bzw. was der größte Feind des Menschen ist – die Natur, die ihn umgibt oder nicht vielmehr gar der Mensch selbst. Umso bedauerlicher, dass Iñárritu dort, wo er am Dringendsten gefordert ist, mit Ideen geizt, um seine schwachbrüstige Revenge-Story über zwei bärtige Männer mit Tiefe zu unterfüttern. Darüber hinweggetröstet, dass er zwischen Wald und Eis dem Publikum im Wesentlichen nur ein lauwarmes Rache-Gericht auftischt, wurde ich am Ende nämlich nicht.
Ich möchte gar nicht lange um den heißen Brei herum reden. ANOMALISA ist ein einzigartiges Stop-Motion-Wunderwerk. Die Geschichte an sich wurde – zumindest verglichen mit früheren Drehbüchern von Charlie Kaufman – eher schlicht gehalten, aber das muss man ihr nicht vorwerfen. Der Film nämlich erzählt satt und reichlich über den modernen Mensch in einer überfrachteten, entrückten Welt.
Wir haben mindestens zwei Schicksale: Das eine betrifft uns als soziale Wesen, das andere heißt Einsamkeit. Man erkennt sofort, dass hier ein unauflösbarer Widerspruch brennt, der schlechthin keinen Sinn ergibt. Wir wollen und "müssen" Bindungen zu anderen knüpfen, oft jedoch – vielleicht sogar ultimativ - können wir es (trotz großer Auswahl) einfach nicht - und finden uns immer wieder vor, entmutigt auf uns selbst zurückgeworfen. Der Aufprall ist zu hart, um die Schäden ein Leben lang auszublenden. Aber aus jedem Graben erwächst ein neues Haus. Das Bedürfnis nach Hingabe, Geborgenheit, Zuneigung, etwas Besonderem (Perfektem?), drängt schließlich wiederum so stark, dass wir uns Glauben machen lassen, wir seien irgendwo angekommen (möglicherweise waren wir es sogar tatsächlich). Und das, obwohl wir ursprünglich ja gar nicht einmal wissen, wohin überhaupt die Reise gehen soll. Dennoch sind es genau besagte Augenblicke oder die Hoffnung darauf, für die wir jeden Morgen aufwachen: Bitte, liebe Sinne, verführt mich doch. Ich zahle jeden Preis.
Wer auch immer sich das ausgedacht hat, muss betrunken gewesen sein. Oder ein unerbittlicher Zyniker. Nichtsdestotrotz ist jene Tragik Wirklichkeit. Eine Wirklichkeit, der irgendwie auch unendlich viel Schönheit inne wohnt.
Unter anderem davon handelt ANOMALISA. Kaufman kehrt unser Innerstes aufs Zärtlichste nach außen – Sehnsüchte, Träume, Labyrinthe, Selbstlügen, den Ursprung unserer aller Depression. Er konfrontiert den Zuschauer mit einer denkwürdigen, minutenlangen Sex-, nein, *Liebes*szene zwischen Knetpuppen, die in ihrer Echtheit (?) ebenso verwirrt wie sie berührt – und sich dem kaufman'schen Subtext somit wunderbar einfügt. Beidem darf man sich öffnen, immer und überall. Sowieso ist es die mutmaßlich einzige Chance, die einem bleibt. Wie viel Magie und Traurigkeit die "gewöhnliche" Begegnung zweier Seelen hervorzaubert, davon vermittelt der Film dann sehr viel mehr als lediglich eine Idee. Im Grunde denkt er Sofia Coppolas LOST IN TRANSLATION nur ein paar Stunden weiter – der Ertrag aber fällt genauso bitter(süß) in meinen Schoß.
(M)eine kleine Vorgeschichte zum Einstieg:
Ich bin zwar anatomisch eine Frau, doch innerlich fühle ich mich zu etwa 80% als Mann. Schon als 5-Jährige habe ich geplärrt und wild um mich getreten, wenn es hieß, ich solle zu bestimmten Anlässen ein Kleid tragen. Immer allerdings bin ich gegen meine Eltern als Sieger hervorgegangen und durfte schließlich doch eine Hose anziehen. Das Geburtstagsgeschenk, über das ich mich in meinem Leben bislang am meisten freute, war wahrscheinlich das Manchester United-Trikot mit der Rückennummer 7 zu meinem 13.. Im Winter stülpte ich es eben einfach über einen Pullover drüber, da kannte ich keine Grenzen.
17 Jahre später: Noch immer bin ich Fußball-begeistert und noch immer hatte ich kein Kleid an mir. Ich besitze 4 Paar Schuhe (oder waren's doch nur 3?), verabscheue (Designer-)Mode ebenso wie Make-up und Handcremes. Ich habe nicht einmal eine Handtasche, in welche ich den ganzen Schnodder hineintun könnte. Im Bad benötige ich 20 Minuten, Duschen mit eingerechnet. In zu engen Klamotten komme ich mir eingequetscht und tatsächlich irgendwie "impotent" vor. Und wer mich nur deshalb mag, weil ich geschminkt bin und darüber hinaus nichts Nobles an mir entdeckt, kann mir von Anfang an gestohlen bleiben. Ich mache mich für niemanden schön – entweder *bin* ich es, oder eben nicht. Meine Position mag radikal klingen, aber ich vermute, es hat mir schon so manch oberflächliche (und somit ärgerliche) Begegnung erspart.
Natürlich habe ich auch eine feminine Seite. Da wäre zum Beispiel meine gelegentliche Schwäche für kitschige Liebesfilme, 90'er Jahre-Powerballaden oder Robert Redford. "Entgegen" meiner androgynen Erscheinung bin ich heterosexuell. Nimmt man es wirklich ganz genau und wertet gemäß meinem inneren Befinden, wäre ich nach dem Gesagten eigentlich (zu 80%) schwul, so absurd es zunächst vielleicht klingt. Dabei fühle ich mich – um die Verwirrung zu komplettieren - nicht einmal unbedingt unwohl in meinem Körper. Ich trage bloß ausgeprägte maskuline Züge an mir, für die ich gerne akzeptiert werden würde.
Dies zeigt, wie komplex bzw. fließend sich Geschlecht und Sexualität im Einzelfall verhalten können. Manchmal frage ich mich, warum wir überhaupt in strikten (Klischee-)Kategorien wie "männlich" und "weiblich" denken und urteilen müssen, denn wohl niemand (außer Chuck Norris) erfüllt "seine" eindeutig zu 100%. Es schafft unnötig Probleme. Aus nicht zuletzt eigener Erfahrung schließe ich des Weiteren: Das (soziale) Geschlecht ist nichts, das man sich, etwa aus einer Laune heraus, aussucht - als Kind war ich ja auch noch gar nicht imstande, über so etwas bewusst zu reflektieren. Ich mochte einfach keine Barbie-Puppen. End of Story.
Auf THE DANISH GIRL hatte ich mich gefreut, birgt der Film doch ungemeines Potenzial. Das fertige Ergebnis ist jedoch eine einzige, kaum ernstzunehmende Enttäuschung, die – vor lauter Anbiederung - ihre guten Absichten leichtfertig und fast schon dümmlich konterkariert.
Die künstliche Abruptheit, mit der die Hauptfigur beginnt, ihre Identität zu hinterfragen, mag noch einer verunglückten dramaturgischen Verdichtung geschuldet sein – problematisch wird es aber spätestens, sobald der Film beginnt, Einar Wegener und Lili Elbe als zwei verschiedene Persönlichkeiten darzustellen und für den Zuschauer somit nicht weniger als eine Schizophrenie (also eine Geisteskrankheit!) anzudeuten. Dass Transsexualität dies jedoch gerade nicht ist, sollte jedem einigermaßen aufgeklärten Menschen klar sein. Zum Haare Raufen!
Die auf sämtlichen Ebenen kleinmütige Inszenierung sowie die falschen, da spürbar aufgepfropften Emotionen stellen hier wahrlich noch das geringste Problem dar und es stimmt mich traurig, wie der stilsichere Tom Hooper so tief fallen konnte.
Und als ob das nicht genug wäre, strapazierte obendrein Oscar-Preisträger Eddie Redmayne meine Nerven bis zum Anschlag. Seine Gesichtszuckungen, seine bebende Unterlippe und sein "anmutiges" Lächeln sind nach spätestens einer Stunde Laufzeit nicht mehr auszuhalten. Wer so penetrant bettelt, erhält von mir rein gar nichts.
Überhaupt wurde jegliche Uneindeutigkeit und Spannung (die daneben ja auch die Liebesgeschichte mit sich bringt!) mit dem Biederhammer platt gewälzt, um dem Publikum eine Einfachheit vorzugaukeln, die - wie oben ausgeführt - speziell im Rahmen dieser Thematik nicht existiert. Damit ist Hooper auch nicht etwa "interessant gescheitert", denn das würde immerhin bedeuten, dass er etwas riskiert hat – und THE DANISH GIRL ist vermutlich sogar noch weitaus weniger als egal.