mikkean - Kommentare

Alle Kommentare von mikkean

  • 5 .5

    Verflixt, dem Fluch des Sequels hält auch Wonder Woman nicht stand. Patty Jenkins lässt kaum eine Gelegenheit aus, den starken Vorgänger zu überbieten und legt doch einen zweiten "The Rise of Electro" hin.

    Gleich zwei Gegenspielerinnen konkurrieren um Screen Time, Dianas große Liebe kehrt von den Toten zurück und die Menschheit (ver)wünscht sich sprichwörtlich an den Abgrund. Kleiner kann es in zweieinhalb Stunden jedenfalls nicht zugehen und trotzdem passiert in "Wonder Woman 1984" irgendwie auch nie genug, um wirklich zu beeindrucken.

    Es setzt reichlich Pathos und Kitsch. Aber der eigentliche Drahtseilakt eines Comic-Spektakels ist es doch, die Zuschauerschaft (abseits des Alters) mit kindlicher Begeisterung am Geschehen teilhaben zu lassen. Und sein Publikum eben nicht bloß wie Kinder zu behandeln. Bemerkenswert, dass Jenkins beim Balancieren zu oft in letztere Kategorie abrutscht.

    Sie kann natürlich jederzeit auf die unübertreffliche Ausstrahlung ihres Stars Gal Gadot setzen, die alles noch zusammenhält. Dennoch machen sich nicht nur an der CGI-Front Zersetzungs-Erscheinungen bemerkbar. Seitenhiebe auf den hohlen Trumpismus oder eine in Waffen und schicke Flitzer vernarrte Männerwelt bleiben regelrecht oberflächlich. Die Moral übers Wünschen und die Menschheit allgemein wirken, im Vergleich zum ersten Teil, gar rückschrittlich.

    Das soll jetzt keine Vernichtung von "WW 1984" werden, selbst wenn es so klingt. Vor allem ist es der Ausdruck verblüffter Enttäuschung über eine meiner Kino-Hoffnungen 2020. Statt an die Klasse von "Wonder Woman" anzuknüpfen, will dieses Sequel gleich zwei Filme in einen sein, womit auch eben mehr Schwächen wie Klischees auftreten, die sonst eher dritten Teilen zugerechnet werden.

    Es mag auch daran liegen, dass dieses durchschnittliche Happening zu viele Gelegenheiten an Klischees und abgehakten Alibi-Szenen verschenkt, die wir aus anderen Genre-Vertretern zur Genüge kennen. Das markiert noch keinen Total-Absturz, aber doch einen gewaltigen Dämpfer für DC's Zugpferd, das uns letztes Mal noch so restlos begeistert hat.

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    • 0 .5

      Kaum zu glauben, es geht halt doch immer noch eine Spur mieser. Wo andere Filme meinen Glauben ans Kino immer wieder bestärken, sind es Schundwerke wie "Hellgate", die mich gleich vom Scheiterhaufen fürs verschwendete Zelluloid fantasieren lassen.

      Auf dieser cineastischen Irrfahrt durch die Untiefen des schlechten Geschmacks will uns wirklich jedes Detail einen Schrecken einjagen: das hohle Script, die Ausstattung, das Make-Up, die darstellerischen Leistungen, die altertümlichen Effekte. Da retten auch die offen zur Schau getragenen Brüste der Geister-Lady nix.

      Mist bleibt Mist. Manchmal tut auch er richtig weh.

      Zum Erhalt der eigenen (geistigen) Gesund rate ich daher vom Besuch dieser Müllhalde dringlichst ab.

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      • 6 .5

        Manche Besprechungen sind so gefährlich wie Glatteis. Da bedeutend ein Wort zu viel gleich weniger Freude für alle, die das Anschauen noch vor sich haben. Weshalb ich die Illusion keineswegs zerstören will.

        Stattdessen empfehle ich "Das Geheimnis von Marrowbone" allen, die Horror mit und fürs Herz goutieren. Sergio G. Sánchez verzichtet bei seinem Schauer-Stück auf allzu stereotypische Kniffe. Und profitiert dabei von seiner talentierten Besetzung rund um Anya Taylor-Joy und George MacKay.

        Was nicht bedeutet, dass "Marrowbone" uneingeschränkt durch die Reihe begeistern muss. Bei aller klassischen Herangehensweise hat Sánchez schon bei der Schilderung des grundlegenden, sehr berührenden Dramas mit ein paar holprige Stellen zu kämpfen.

        Diese sind es auch, die bei der Verbindung zu den Horror-Elementen einige Löcher ins dramaturgische Geflecht reißen. Und damit auch beim gedanklichen Nachklapp vielleicht die ursprüngliche Begeisterung (in meinem Fall auch die Vorfreude) etwas zu trüben vermögen.

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        • 2 .5

          Peter Cushing und das Wasser-Ballet der Zombie-Nazis. Heutzutage würde das als Pitch vermutlich reichen, um ein halbwegs taugliches Budget einzuholen. Ende der Siebziger musste sich Regie-Debütant Ken Wiederhorn mit sehr geringen Mitteln zufriedengeben.

          Dabei war seine abstrus bekloppte Wehrmachts-Idee von "Shock Waves" doch visionär genug, um "Frankenstein's Army" oder "Operation: Overlord" Jahrzehnte voraus zu sein. Und dann stand der Film auch noch lange auf dem Index. Das muss doch was heißen.

          In diesem Fall leider wohl, dass hier durchaus das geistige Wohl des zu schützenden Publikums im Fokus stand. Denn "Shock Waves" ist eben halt doch nur belustigend bedeppert, um den als Horrorfilm wirklich ernst genommen zu werden.

          Was natürlich auch daran liegt, dass sich Wiederhorn, trotz aller offenkundigen Schwächen, gegen das minimalste Aufblitzen von etwas Selbstironie sträubte. Es waren halt die ernsten Siebziger.

          Pech nur, dass sich neben dem Aussehen der Unterwasser-Nazis auch alles andere an deren Modus Operandi abnutzt. Die verschreckte Touri-Truppe versteckt sich oder rennt durchs Gebüsch, die Nazis kommen aus dem Wasser, wie die kleine Meerjungfrau und packen jemanden. Das wiederholt sich wieder ... und ist unterm Strich alles andere als schockierend.

          Zwar zeigt Wiederhorn durchaus, dass er als Filmstudent aufgepasst hat, aber die nicht ganz neunzig Minuten wirken halt so, als wäre das Drehbuch mit dem halbseitigen Treatment verwechselt worden.

          Obskur ist "Shock Waves" nach wie vor, den Horror hat die Zeit allerdings gnadenlos überholt.

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          • 3 .5

            Es gab Zeiten, da ließ das Prädikat "Made in Hong Kong" noch die Hände schwitzen und das Herz bis zum Anschlag pochen. Da reichte allein die Vorfreude auf unmögliche akrobatische Fertigkeiten, gnadenlose Bleigewitter und Einfälle, die Hollywood wie einen Fall fürs Altenheim aussehen ließen.

            Inzwischen sind manche von uns natürlich etwas älter geworden und haben einsehen müssen, dass auch die ehemalige Kronkolonie so ihre Total-Ausfälle produziert. Für dieses Gütesiegel qualifiziert sich leider auch "Bitter Enemies".

            Ein gerade einmal leidlich unterhaltendes Werk, das vor allem bitter enttäuschte Zuschauer produziert. Wenn diese dann, so wie ich jedenfalls, unter übermäßig verwendeten Farbfiltern und vielen Handgreiflichkeiten nicht doch irgendwie auch nachvollziehbare Geschichten und Figuren ausfindig machen wollen.

            Denn es ist schon ziemlich blöde, 100 Minuten lang zwei Typen mit versteinerten Gesichtszügen dabei zuzusehen, wie sie sich immer wieder bis aufs Blut bekämpfen wollen und ihr Tänzchen dann doch wieder verschieben. Na ja, irgendwie geht es auch um Gold, Schulden und so was.

            Aber derlei formale Belange, wie auch Nebenfiguren, Dialoge oder überhaupt eine verständliche Motivation, sind Filmen wie "Bitter Enemies" egal. Und könnten es uns ebenso sein, wenn dann der Rest stimmen würde. Spoiler: Ist nicht der Fall.

            Gerade die Action-Inszenierung erweist sich als zu bodenständig, routiniert und wenig beeindruckend. Allzu bestechend derbe Einlagen müssen zudem meist außerhalb des Bildrahmens stattfinden. Wird wohl aufs überschaubare Budget zurückgehen, dem wir es auch verdanken, dass die Kulissen von Krankenhaus und Polizeiwache im selben Gebäude aufgebaut wurden.

            Dabei sei hier klargestellt, "Bitter Enemies" ist alles andere als ein heilloses Amateur-werk. Es stecken schon einige gute An- und Einsätze drin, die durchaus was reißen könnten, wenn nicht schon das Teil von sich aus so unheimlich lustlos wirken würde.

            • 3 .5

              Wenn's billiger als billig ist, dann müssen es eben nackte Tatsachen reißen. So oder so ähnlich lässt sich die Formel für Roger Cormans Video-Schnellschüsse der Goldenen Achtziger zusammenfassen.

              Diese Gleichung funktioniert auch beim "Alien"-Verschnitt "Forbidden World". Wenn auch nicht unbedingt gut oder bestens. Dafür ist das hier besprochene einfach zu wirr zusammengewürfelt, handwerklich zu grobschlächtig gemacht und deshalb auch nur mäßig unterhaltsam.

              Jetzt nicht gleich auf die Barrikaden gehen. Für Freunde des schlechten Geschmacks werden einige der wichtigsten Kriterien erfüllt. Und von keiner anderen Grundlage will ich ausgehen.

              Trotzdem bleibt "Forbidden World" ein merkwürdiger Mischmasch aus galaktischen Geheim-Missionen, Metamorphen-Versuchen und hahnebüchenden Effekten. Da mag es auch die obligatorische Liebes-Szene und das gemeinsame Duschen von nackten Mädels geben. Es ist und bleibt dennoch der Versuch einen damaligen B- oder C-Sci-Fi-Horror mit den Mitteln der fünfziger Jahre zu drehen.

              Kein Wunder, dass ein Jim Wynorski als Ideengeber genannt wird. Vom Monster will ich ja gar nicht erst anfangen. Sieht halt aus wie bezahnter Dickmann mit Tentakeln.

              Für einen feuchtfröhlichen Glotz-Marathon passt das noch. Außerhalb dieses Rahmens zerfällt der Billig-Retro-Charme dann doch merklich schneller, als sich dem Weltraum-Helden Mike Colby eine der Damen freiwillig hingibt.

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              • 6

                Warnung: Fernsehen macht nicht nur blöd. Ehe du dich versiehst, bist du auch schon Teil der hirnlosen Zombie-Armee. Den Beweis dafür liefert sehr gerne der völlig abgedrehte "The Brain".

                Dieser Eighties-Vdeo-Horror lässt sich nämlich als zu bekloppt, um wahr zu sein goutieren. Begrenztes Budget und mangelnde Logik können bei dieser Alien-Invasion per Mattscheibe meets delinquente Teenies durchaus entschuldigt werden.

                Denn dafür gibt es neben Pappmache-Effekten und very Old-School-Tentakel-Angriffen, ja noch "Re-Animator"-Fiesling David Gale, in einer nicht weniger sinistren Rolle. Für die Art und Weise, wie Gales Bösewicht und Fernseh-Guru, unabhängiges Denken auffasst, verleihe ich an dieser Stelle übrigens einen Ironie-Punkt.

                Für die wahre Gaudi sorgt aber natürlich das titelgebende Gehirn dieser Produktion. Ein nimmersattes Pimmelvieh wie dieses bekommen wir heutzutage allzu selten zu sehen.

                Das herrlich schräge Creature-Design unterstreicht denn auch den nie ernsthaften Charakter von "The Brain". Es sollten sich alle angesprochen fühlen, die ein Faible für derlei schrille Low-Budget-Filme haben. Und um die Ecke gedachten Nonsense etwas abgewinnen können.

                Schließlich schrammt dieser Trash-Titel doch noch knapp an der Schlefaz-Klasse vorbei. Dafür sorgt nicht zuletzt sein belehrender Charakter. Welcher andere B-Horror der Achtziger bringt einem denn sonst noch was über die Gefahren der Vermischung von Natrium und Wasser bei? Eben.

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                • 6
                  mikkean 02.11.2020, 16:48 Geändert 26.03.2021, 20:09

                  Verboten fahrlässiges Jungvolk, humorlose Grusel-Figuren und ein Spuk-Labyrinth, an dem Jigsaw seine helle Freude gehabt hätte.

                  Mit "Halloween Haunt" verpassen die "A Quiet Place"-Autoren Bryan Woods und Scott Beck dem Genre nicht gerade eine Frischzellenkur. Eher setzt es einen grellbunten Splatter-Cartoon, bei dem ultrafiese Raum-Gestaltung und das Wühlen in der Klischee-Kiste Hand in Hand gehen.

                  Die Anleihen bei "Cube" und den Eskapaden von Leatherface etwa, sind allerdings auch genau die richtigen. Und für einige Schockmomente ist denn auch wahrhaftiges Lob angebracht.

                  Ganz sicher unterstreicht vor allem das letzte Drittel, mit seiner Payback Time im Stile von "You're Next", dass "Halloween Haunt" keineswegs das Niveau seiner Vorbilder erreichen wird. Ich würde allerdings lügen, zu behauptn, dieses kleine, dreckige Vergnügen zum Schluss hätte meine niederen Rache-Gelüste nicht angesprochen.

                  Es lässt sich also doch noch was recht ordentliches mit oft gesehenen Versatzstücken anstellen. Die richtigen Lichtverhältnisse beim Anschauen sind aber schon ein Muss.

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                  • 4

                    Es hätte so schön werden können: Aufsteigerin Sydney Sweeney gibt eine Musik-Schülerin, die mit einer Teufels-Partitur dem Bösen Tür und Tor öffnet, um ihre Seele im Tausch für eine Karriere offeriert.

                    Nur leider ist "Nocturne" weniger "Deathgasm", als denn ein "Black Swan"-Klon im Pianisten-Milieu. Interpretiert als lahme Ballade in Gähn-Moll (okay, der war schlecht).

                    Generell erweisen sich nicht wenige Blumhouse-Produktionen ja als verzichtbarer Schwachsinn. Dieser TV-Output erreicht dennoch ein ungeahntes Niveau an Fahrigkeit. Wo die Grundidee wenigstens noch halbgar war, wird aber durch eine blutleere und lustlose Inszenierung regelrecht unterbuttert.

                    Dabei böte der Plot an sich schon einiges an Potenzial, das jedoch ohne Mut in ein Zwangskorsett aus Teenie-Drama und Mystery-Serial gezwängt. Und in beiden Fällen wirkt "Nocturne" so einschläfernd und ereignislos, dass es kein Go für eine Weiter-führung geben würde.

                    Das eindeutige Nachsehen hat hier vor allem Sydney Sweeney. Die schlägt sich in ihrer Rolle als Mauerblümchen und ewige Zweite recht wacker, vermag aber auch nicht, das finale Produkt damit noch zu retten.

                    Weder psychologisch reizvoll, noch subtil oder recht intensiv. Gegenüber einem Zahnarzt-Termin kann "Nocturne" auf der Schauer-Skala nur abstinken.

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                    • 6

                      Gute Horror-Kost gibt's auch im Mattscheiben-Format. Das beweisen vor allem Stephen-King-Adaptionen wie "Brennen muss Salem" oder "Es". Zur Abwechslung geht es hier aber mal um ein waschechtes TV-Movie mit Kult-Charakter. Heißt es jedenfalls.

                      Denn bei "Dark Night of the Scarecrow" oder "Die Nacht der Vogelscheuche" suggeriert das immer noch coole Plakat-Motiv einen schaurigen Reißer, der so leider gar nicht stattfindet. Anstatt Gore gibt es Mystery, leider auch kaum Überraschungen.

                      Die Vogelscheuche ist eine sehr straighte Angelegenheit, die bisweilen echte Empathie für Larry Drakes tragischen Charakter weckt. Ansonsten aber auch extrem clean zur Sache geht und irgendwie eine Kreuzung aus "Final Destination" und "Geschichten aus der Gruft" darstellt. Nur ohne deren Biss und fiesem Humor.

                      Wäre ich wirklich böse, würde ich behaupten, dieser Film ließe sich auch Leuten mit Herzbeschwerden problemlos empfehlen.

                      Dafür ist die Machart noch recht anständig gehalten. Selbst wenn die Dramaturgie, die Fernsehfilmen so eigens ist, "Die Nacht der Vogelscheuche" wahrhaft eigensinnige Impulse von vornherein regelrecht verbietet. So bleibt unterm Strich ein eher konventioneller TV-Horror, der keine Grenzen verschiebt und trotzdem für seine Zeit regelrecht schräg wirkt.

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                      • 4

                        Also, wenn er und Rambo nicht gerade böse Buben aufs Korn nehmen, renoviert Richard Crenna alte, finstere Herrenhäuser. Zu blöd, dass sein neuestes Projekt ein echtes Höllenloch ist. Oder in diesem Fall eines im Keller beherbergt. Das kann ja heiter werden!

                        Vielleicht aber auch nicht. Denn "The Evil" ist ein durchweg antiquierter Horror-Streifen, bei dem das Böse im Menschen mit der Menge an Haarbüscheln gleichgesetzt wird, die den Darstellern ins Gesicht geklebt wurden. No joke.

                        Für damalige Verhältnisse sicherlich recht ordentlich und State of the Art getrickst, dhaben sich gezeichnete Blitze und gewackelte Kameraobjektive (samt Schunkeln der Schauspieler) irgendwann gnadenlos überholt. Es ließe sich im Großen und Ganzen auch als Pipifax zusammenfassen.

                        Wären da nicht doch auch die wenigen vergnüglichen Aspekte des Films. Jedenfalls ist er nicht zu lang geraten. Und obwohl die einzelnen Figuren regelrecht lustlos, als menschliche Karteikarten, eingeführt werden, schmeißt "The Evil" umso mehr schrille Zutaten in den Horror-Topf.

                        Bösartige Hunde, der Erdboden, der Leute verschluckt, Besessene, die sich die Hand absägen wollen. Bis hin zum Fürst der Finsternis himself, der Crenna eine Audienz gewährt. Umso skuriller wirkt das alles natürlich, weil sich irgendwann auch die Logik verabschiedet und für ordentliche Schmunzler sorgt.

                        Das ist immerhin für eine Runde Retro-Belustigung gut und es lässt sich durchaus festhalten, dass Filme wie dieser auch als liebevoll veraltet betrachten lassen. Nur echter Grusel geht inzwischen deutlich anders.

                        • 8 .5

                          Andere Länder, andere Sitten. Mit "Midsommar" nimmt sich Ari Aster ausgiebig Zeit und serviert doch some fucked-up shit, der auf einen Schlag widersprüchliche Reaktionen wie Unglaube, Abscheu und etwas Belustigung hervorruft und die Synapsen fast zum Durchglühen bringt.

                          Es mag etwas anmaßend klingen, ich sehe Aster damit dennoch die Stufen zur Meisterschaft erklimmen. Er hat sich endgültig zum Auteur des Schreckens gemausert. Und ist zur Antithese von Rob Zombie geworden. Halt jemanden, der mit völlig losgelöster Form- und Bild-Sprache Welten des Horrors entwirft, denen Mainstream und billige Schock-Wirkung komplett abgehen.

                          "Midsommar" mag auch etwas von einem Autounfall in Slo-Mo haben. Allein die schräge Kommune lässt doch gewaltig die Alarmglocken läuten. Trotzdem setzt sich nicht nur beim Studenten-Grüppchen die perfide Neugier durch. Bis es, nun, eben zu spät ist.

                          Ganz klar kann dagegen gehalten werden, dass auch Aster nur mit geschmacklosen und manch vorhersehbaren Drehs um sich schmeißt. Das halte ich allerdings nicht für den eigentlichen Punkt. Denn allein schon die hier zelebrierte sexuelle Freizügigkeit wirkt besonders bei versteiften Teilen des US-Publikums schon befremdlich, von den härteren abscheulichen Details mal abgesehen.

                          Und genau das hat "Midsommar" beispielsweise der Folterstunde "Hostel" voraus. Da war es nur das Spiel mit der Angst vor dem dunklen Hinterland Osteuropas. Bei Ari Aster geht es auch um die Zersetzung des eigenen Willens durch bewusstseins-erweiternde Drogen und wie das scheinbar moderne Zivilisations-Verständnis auf archaisch rohe Riten der Blumenkinder-Gemeinschaft trifft.

                          Aber natürlich ist es auch ganz klar die Schilderung einer angespannten Beziehung, die kurz vor der Implosion steht. Ein absoluter Glücksgriff ist dabei natürlich Haupt-Darstellerin Florence Pugh. Wobei natürlich auch das gesamte Ensemble erst den ganzen Film von einer Kuriosität in eine Art Selbst-Experiment für die Zuschauerinnen verwandelt. Mal derb, mal langatmig, psychedelic und doch recht intensiv.

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                          • 5 .5

                            Schade, schade. Eine Genre-Hoffnung stellt sich selbst ein Bein. Natalie Erika James' "Relic" wurde mit einigen Vorschuss-Lorbeeren bedacht. Und die knapp ersten 80 Minuten wird der Film diesem Lob ziemlich gerecht.

                            Atmosphäre, Design, Soundeffekte und die drei Darstellerinnen sind allesamt hervorragend, denn "Relic" ist ein wirklich unheimliches Stück Horror. Ruhig, bedächtig und doch zielgerichtet, werden wir an das Geheimnis hinter den schimmeligen Mauern des abgeschiedenen Anwesens herangeführt.

                            Dabei kontert James die Frage nach innovativen Schocks mit ziemlich perfekten Timing und dem Gespür dafür, wie lange ein Schatten etc. im Bild zu sein hat, bevor die Wirkung des Tricks verpufft. Und sowieso ist hier der geistige Verfall von Großmutter Edna bedrückend genug, um das Publikum um den Finger zu wickeln. Bis wir uns tatsächlich im labyrinthartigen Bauch der Bestie befinden.

                            Aber, sobald die Spannungsschraube derart angezogen wurde, dass sie förmlich platzen muss, stiehlt sich Natalie Erika James vom Platz. Wo es wenigstens eine Auflösung geben müsste oder wenigstens ein Hauch von Erklärung angebracht wäre, flüchtet sich "Relic" in einen Symbolismus, der jegliches Schauer-Vergnügen auf einen Schlag beendet.

                            Dies ist selbstverständlich das Anrecht eines Horrordramas. Und könnte durchaus als mutige Entscheidung gewürdigt werden. Wer allerdings derart viele Brotkrummen in Richtung jenseitiger Heimsuchung auslegt, sollte sich nicht wundern, wenn Teile der Zuschauerschaft verdutzt reagieren, wenn sie einfach so nach Hause geschickt werden.

                            Ob hierbei das Kalkül darin bestand, mit Interpretationen das Mysterium um diesen Film künstlich zu verlängern, lässt sich zwar nicht belegen. Wenn es jedoch zutrifft, wäre dieser Kniff ziemlich faul. Und macht ganz ohne echte Anhaltspunkte generell keinen Spaß.

                            Zudem wäre auch die Idee, dass der Horror eben imaginärer Herkunft wäre, zu billig und lustlos, Jedenfalls für ein bis dahin recht effektvolles, wie auch effektives Werk, das auf der Zielgeraden fast sämtliche Stärken opfert. Als wäre ein wenig mehr Mass appeal wirklich so schädlich gewesen.

                            So bleibt "Relic" lieber einer dieser Geheimtipps, auf den manche sich etwas einbilden dürfen, weil sie das Ende vermeintlich mehr raffen als andere. Wirklich schade.

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                            • Ein letzter Toast auf das Original. Mach's gut Sean.

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                              • 7 .5
                                mikkean 27.09.2020, 16:43 Geändert 27.09.2020, 16:43

                                Ach, Kinder, wie doch die Zeit vergeht. Drei Jahre ist es schon her, dass einige humor-resistente Reviews die Frage stellten, ob Penis-Witze Marvel zerstören könnten. Was für Weicheier. Spoiler: Natürlich nicht. Und auch mit seinen restlichen Pointen hat Taika Waititi weder dem Ansehen des Donnergottes, noch das seiner Mitstreiterinnen geschadet.

                                Die Wahrheit lautet doch ganz einfach: "Thor: Ragnarok" ist bis heute so etwas wie die eine Stunde entfesselter Narrenfreiheit aller MCU-Beitäge. Mehr noch als Kenneth Branagh beim ersten Asgard-Rundgang, hat sich Waititi wohl die Frage gestellt, warum wir diese ganzen Kostüme und Kulissen überhaupt ernst nehmen sollten.

                                Aber statt einer flachen Parodie, präsentiert sich der dritte Thor als humoristischer Befreiungsschlag, der einfach mal das Universum seiner Vorgänger zerlegt und dabei noch den einen oder anderen hintersinnigen Spruch zum Thema Raubzügen und Massenmord abwirft.

                                Ja, das wirkt ziemlich respektlos, so als würde der junge Jim Carrey die Wagner-Festspiele inszenieren. Das Niveau der Kiwi-Gags entspricht aber auch keineswegs der Marke Didi oder Otto. Es ist schon beinahe eine stilistische Blendgranate, mit der sich die völlige Umkrempelung der Marke Thor beiläufiger und vertretbarer verkaufen lässt, als den mit einem weiteren grimmigen Donner-Epos.

                                Die etwas über zwei Stunden Laufzeit von "Ragnorok" gaben und geben uns noch einmal die notwendige Verschnaufpause an Lachern und Ausgelassenheit, die vor einem Doppelschlag wie "Infinity War"/"Endgame" angebracht wäre. Wobei Taika Waititi überhaupt das Unglaubliche gelungen ist.

                                Nee, ich meine nicht die Verpflichtung von Cate Blanchett und Jeff Goldblum. Die war auch super. Ich rede davon, mit einem Schlag auf die Kacke zu hauen und dabei im Grunde die völlige Zerstörung eines Teils des Marvel-Universums zu zelebrieren. Und das mit vielen Toten wohlgemerkt. Das muss Humor auch erst einmal leisten.

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                                  über Detroit

                                  Also manchmal schießt dir das Toleranz-Thermometer durch die Decke. Da kommt's dir einfach nur hoch, vielleicht willst du auch den Bildschirm einschlagen. Und nicht etwa wegen mangelnder filmischer Qualität. Nein, im Fall von "Detroit" ist es einfach die schonungslose bittere Darstellung eines realen rassistischen Verbrechens, mit dem Kathryn Bigelow exemplarisch den Finger in die offene Wunde Amerikas legt.

                                  Das funktioniert auch deshalb schmerzhaft effizient, weil Bigelow mal wieder ein guter Cast zur Verfügung steht, sondern auch aufgrund ihrem sicheren Händchen im Umgang mit Spannungsbögen und dichter Atmosphäre.

                                  Es mag ein bisschen zynisch klingen, dennoch wird das Publikum entgegen aller innerer Aufregeung nie verprellt. Und das gerade im Angesicht solcher Momente wie dem Auftakt, der in bereits schockierenden Bildern die Ausschreitungen von 1967 nachzeichnet. Und wenn wir schließlich zur verhängnisvollen Nacht im Algiers Motel kommen, stellt Kathryn Bigelow ihr Können unter Beweis.

                                  Wäre "Detroit" nur ein Thriller, er würde als Kammerspiel sicherlich gefeiert werden. Aber daran wäre natürlich die Hoffnung nach einem Happy-End oder einem juristischen Nachspiel geknüpft. Da sich dieser Traum jedoch auch im wahren Leben zu oft zerschlägt, kann hier keine Versöhnung stattfinden.

                                  Mit "Detroit" schwenkt Bigelow, nach Auslands-Einsätzen an der Front, den Pleiten, Pech und Pannen des Krieges gegen den Terrorismus, den Fokus auf den instutionellem Rassismus und seine ungenügende Aufarbeitung. Da gibt es eben keine Grisham-Momente oder große bedeutungsvolle Plädoyers, wie sie Gregory Peck in "Wer die Nachtigall stört" halten durfte.

                                  Sicherlich ist dabei die Frage angebracht, welche Aussage, Weisheit oder Moral hier am Ende stehen soll. Weil die halt nicht simpel sein kann oder auf einen Zettel passt, der in einem Glückskeks steckt. Dennoch sind Filme wie dieser wichtig. Da sie Zeugnis ablegen, nichts beschönigen und vielleicht damit in den Köpfen von Morgen doch die richtigen Schalter umlegen können.

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                                  • Die schlimmsten Nachrichten stimmen nicht nur unfassbar traurig. Sie kommen so unvorhergesehen brutal daher wie ein Knüppel aus dem Nichts. Viel zu früh ist Chadwick Boseman nun von uns gegangen. Doch er hat uns, neben seinen wenigen Auftritten, einen Helden hinterlassen, der noch lange überdauern wird.

                                    R.I.P. Chadwick a.k.a. the one and only Black Panther

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                                    • 7 .5

                                      Gefühl schlägt Klamauk. Zum Glück. Obwohl Mark Wahlberg und auch Rose Byrne sich bereits zuvor für weniger anspruchsvolle Komödien hergaben, "Plötzlich Familie" überrascht und punktet maßgeblich. Denn der Film nimmt das Thema Adoption äußerst ernst und verdeutlicht, was dieses Vorhaben bedeutet.

                                      Der Annäherungsprozess zwischen dem frischgebackenen Elternpaar und ihren drei Kindern kippt natürlich manchmal ein bisschen im Humor-Niveau. Andererseits will dieser Film selbstverständlich auch ein breites Publikum ansprechen. Und das scheint auch mal Kalauer und eine besonders fette Schicht Zuckerguss auf dem Happy-End zu mögen. Wird wohl die Marktforschung sagen.

                                      Wie auch immer, derlei Macken können auch nicht verhindern, dass bei "Plötzlich Familie" die Szenen im Vorbereitungskurs des Jugendamts die wichtigste Botschaft transportieren. Ganz gleich im welchem Alter, wenn du einem Kind ein neues Zuhause schenken willst, kriegst du keine Puppe aus dem Katalog. Da kommt ein Mensch mit einer ganz eigenen Geschichte. Darauf musst du dich einstellen.

                                      Und dass hier Octavia Spencer die Stimme des Gewissens verkörpern, weil sie das halt drauf hat, kann der Message nur nützen. Trotz so mancher Schema-F-Kniffe und einer etwas holprig wirkenden Gefühls-Dramaturgie wirkt der Film aufrichtiger als die fauligen Ensemble-Stücke wie "Was passiert, wenn es passiert ist" und dergleichen. Wie gesagt, zum Glück.

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                                      • 7 .5
                                        über Maudie

                                        Die Vorstellungskraft überwindet jedes Gefängnis. Jetzt nicht gleich Aufstoßen, ist vielleicht doch mehr als nur ein Spruch auf einer Packung Gemütlichkeits-Tee. Sally Hawkings mehr als beachtliche Leistung in "Maudie" jedenfalls lädt dazu ein, auch über solch unwesentlichste Dinge des Lebens nachzudenken.

                                        Dieser kleine, leise und doch sehr anrührende Film setzt der außergewönhlichen Künstlerin Maud Lewis ein Denkmal. Einer Frau, die ihrem körperlichen Leiden trotze und unzählige eigenwillige Bilderwelten schuf, die es sogar ins Weiße Haus schafften. Wobei sie stets ihrer kleinen Hütte in Nova Scotia treu blieb und eigentlich nur ein Publikum überzeugen wollte: ihren Ehemann.

                                        Klingt alles sehr übersichtlich, nett und durchaus rührselig. Aber bitte abwarten, bis Ethan Hawke als gefühlstechnischer Holzklotz die Bühne betritt. "Maudie" ist alles andere als eine seichte Liebesgeschichte unter einfachen Leuten. Hier gibt es keine romantischen Anträge, Picknicks unter freiem Himmel und niemand baut irgendwem ein Traumhaus.

                                        Das Zusammenleben von Maud und ihrem grantigen Gemahl Everett wirkt ungefähr so liebevoll wie ein Hund, der Fleisch vom Knochen reißt. Aber das ist auch schon das ideale Gegengewicht zu den Traumbildern, die Maud über die Provinz berühmt machten. Jene Motive sind kindlich, mal etwas naiv und doch rein in ihrer Wirkung auf den Betrachter. Verehrer alter Künstler mögen die Nase rümpfen, aber in Maud Lewis' Kunst steckt immer noch ein ganz eigener Zauber, der sich einen feuchten Kehricht ums richtige Tageslicht oder den besten Pinselstrich schert.

                                        Es braucht halt nicht immer halbstündige Prog-Rock-Epen, auch drei Akkorde und ein Ansatz von Melodie reichen völlig. Und ein Film wie "Maudie" vermittelt mit seiner Intimität ein Gefühl von damals, als sich die Menschen nicht vor Bildschirmen, sondern vorm Radio zusammenfanden, um einer guten Geschichte zu lauschen. Wie beim Studium eines Bildes liegt die Magie hier in der Entschleunigung und dem Fokus auf das nicht so unbeschwerte Leben einer Ausnahme-Erscheinung wie Maud Lewis.

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                                        • 6

                                          Sie bleiben eine Klasse für sich. Wer sonst außer Joel und Ethan Coen kann schon eine Riege Stars hinter sich versammeln und diese das eigene Image gegen den Strich zu bürsten lassen? Aber schrulliger Humor ist ja auch nicht alles. Die Coens bleiben unsere liebsten verkopften Auteure. Ihre Anspielungen und ihre Absichten muss niemand im ersten, zweiten oder dritten Anlauf verstehen.

                                          So ist auch "Hail, Caesar!" eine überquellende Nummern-Revue, die manch memorabele Szene bieten. Ansonsten jedoch scheint sich das Ausnahme-Duo mit der Vorstellung zu begnügen, dass es einen Fixer wie den, von Josh Brolin verkörperten, Mannix braucht, um das Irrenhaus namens Filmstudio am Laufen zu halten.

                                          Jetzt nicht gerade der Bringer in Sachen Leitgedanke oder Hauptmotiv. Es wäre auch nicht vermessen, zu behaupten, dass "Hail, Caesar!" etwas vor sich hin plätschert. Obwohl die Coens Tempo und Tonalität in der Regel gut handhaben. Dies ist wohl eher einer dieser Filme, die mehr als eine Chance eingeräumt bekommen müss(t)en, um vielleicht nur als bisweilen spitzzüngige Hommage ans Goldene Zeitalter Hollywoods anerkannt zu werden. Den nächsten Spitzen-Coup haben sich die Coens trotzdem bei dieser Gelegenheit verkniffen.

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                                          • 9 .5
                                            über Burning

                                            Wieso liebe ich Filme eigentlich so sehr? Na, weil es Filme wie "Burning" gibt. Sind es doch Gelegenheiten wie diese, bei denen das heimliche Versprechen, etwas Neuartiges erleben zu dürfen, tatsächlich eingelöst wird.

                                            Statt hochgestochener Bilderwelten und wetteifernder Effekt-Leistungen aufzufahren, stupst Lee Chang-dong lieber unsere Näschen darauf, wie festgefahren die eigenen Erwartungshaltungen und Sehgewohnheiten inzwischen doch sind.

                                            Sein "Burning" bestellt ein Genre-Feld, der mittlerweile so oft abgeerntet wurde, dass nach dem jüngsten Ergebnis kein Hahn mehr krächzen dürfte. Dennoch vollzieht sich vor unseren Augen das Wunder, dass jemand mehr kreiert, als zu kopieren. Und das ist plötzlich alles möglich. Von der Entdeckung der Langsamkeit bis hin zur Schärfung der eigenen Sinne.

                                            Wo alle filmischen Mittel und Werkzeuge ansonsten fast schon standardisierte Funktionen erfüllen, verweigert sich ein Werk wie "Burning" dem Rückgriff auf erprobte Playbooks und Kniffe aus dem Repertoire. Das Offensichtliche unausgesprochen zu lassen, auf den zusätzlichen Trommelwirbel zu verzichten, ist schon eine Kunst für sich.

                                            Wofür es natürlich auch eine entsprechend ausführliche Exposition geben muss, die wiederum für allerlei runzelige Stirnen und Zähneknirschen sorgen wird. Wer sich auf "Burning" einlassen kann, wird hingegen mit einem unglaublich intimen Erlebnis belohnt. Bei dem sich die Antennen von Protagonist und Zuschauer gleichermaßen dafür sensibilisieren, wie schräg und düster die Vibes hinter einem immerzu freundlichen Lächeln doch sein können.

                                            Auch wenn es heillos übertrieben klingen mag, Lee Chang-dong ist mit seinem "Burning" eine ähnlich tief greifende Revolution wie damals David Fincher mit "Sieben" gelungen. Sehr viel leiser natürlich und ohne die reelle Chance, den neuen Genre-Standard definieren zu können. Trotzdem ist es ein Sieg, jeglichen Formeln und Schablonen zu entsagen und der eigenen Handschrift in allen Bereichen freie Bahn zu lassen.

                                            Das Ergebnis mag dann arg Arthouse-lastige Züge tragen. Es ist aber auch diese Form des Anderssein, dass einem selten so derart vor den Bildschirm festwachsen ließ.

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                                            • 7

                                              Sie ist nichts, sie kann nichts und sie wird immer ein Nichts bleiben. Bis die Ultra-Slackerin Ichiko im Boxen ein Ventil findet und jeder Schlag gegen den Sandsack einen Schritt raus ihrer elendigen Lebenslage zu bringen scheint. Wartet, wen noch überkommt jetzt ein starkes Déjà-vu-Gefühl?

                                              Japans übergangene Oscar-Hoffnung "100 Yen Love" ist aber mehr als ein später "Million Dollar Baby"-Klon. Es lässt natürlich ebenso als Sportler-Drama einordnen, präsentiert daneben vor allem skurrile Milieu-Einblicke. Die Figuren sind allesamt verschroben gezeichnet und evozieren, neben gelegentlichem Amüsement, sehr viel Kopfschütteln. Für eine anfangs so träge, ziellose und recht unsympathische Protagonistin wäre ein anderer Background allerdings auch extrem unpassend gewesen.

                                              Ichiko ist durchaus kein weiblicher Rocky oder eine asiatische Maggie Fitzgerald. Es dauert schon ein Weilchen, bis der Schalter umgelegt wird und unsere "Heldin" einen Elan entwickelt, der auch den Zuschauer zum Cheerleader mutieren lässt. Davor ist "100 Yen Love" nur eine schrullige Loser-Ballade. Mittendrin auch mit sehr ernsten Tönen.

                                              Nach dem Switch hat die Sache tatsächlich einen Drive, mit dem Ichiko alle Spötter und ihren eigenen Schweinehund das Maul stopfen will. Einer vielleicht auch typisch japanischen Eigenheit muss denn aber auch zugeschrieben werden, dass der Film alle Hoffnungen nicht so einfach erfüllen will. Geneigte Zuschauerinnen sollten sich dafür wappnen, am Ende keine Kopie des triumphalen Ami-Wohlkinos erleben zu dürfen.

                                              Das sorgt dann abermals für ein etwas zwiespältiges Verhältnis zu einem keineswegs leicht bekömmlichen Film. Unterm Strich passen sein Tenor und seine Erzählweise allerdings auch viel besser zum wenig märchenhaften echten Leben.

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                                              • 7 .5

                                                Aus der Reihe "Filme für Genießer": In "Alles Geld der Welt" rekonstruiert Ridley Scott (dramaturgisch sicher freizügig) nicht nur die Chronik einer der berühmtesten Entführungen des 20. Jahrhunderts nach. Er zeichnet auch das Bild von denen, die alles Geld der Welt besitzen, von jenen, die alles dafür tun würden und schließlich solchen, die es dringend benötigen.

                                                Das erlaubt etwas mehr Tiefenpsychologie und Philosophie als Scotts letzte Weltraum-Ausflüge. Vor allem ist es wieder einmal eine Sternstunde des, unter großer öffentlicher Aufmerksamkeit, spät gecasteten Christopher Plummer. Er vermag es, gleichzeitig eine noch freundliche großväterliche Maske aufzusetzen und doch schon immer wieder eine unmenschlich verbissene Gier und einen unbedingten Willen zum Halten des eigenen Besitzes aufblitzen zu lassen.

                                                Während das restliche Ensemble, allen voran Michelle Williams als leidende Ex-Schwiegertochter und Mutter des entführten Enkelsohns, eine Horde von Untergebenen und Betroffenen verkörpert, welche die Launen des großen J. Paul Getty mit all ihren Konsequenzen ertragen müssen. Und ja, Plummer spielt diesen Getty nicht als Philantropen. Er zeigt einen Mann, dessen Knochen nicht aus Kalk, sondern aus Gier zu bestehen scheinen.

                                                Mag sein, dass das eigentliche Entführungs-Szenario von "Alles Geld der Welt" jetzt keinen Hochspannungs-Thrill bietet. Aber dafür bezieht Scott die Spannung seines Films im Grunde aus dem unglaublichen Geschacher eines Mannes, der sich trotz allen Flehens der Familie und Drohungen der Geiselnehmer, einfach nicht von seinem Goldberg trennen lassen wollte.

                                                Von daher ist dieser Film etwas für alle Freunde von Charakterstudien. Selbst wenn sich diese absoluten Arschlöchern widmen sollten.

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                                                  über Anon

                                                  Gute Ideen brauchen eigentlich keine Verpackung. Möglich, dass auch Andrew Niccol so gedacht hat. Das würde erklären, wieso sein "Anon" eine inhaltliche, wie auch optisch arg trostlos verkaufte Zukunftsvision darstellt. Denn öde und kahl ist hier nicht nur das bestimmende Motiv bei der Innengestaltung, sondern auch der erzählte Thriller-Plot.

                                                  Trotz der fesselnden Vorstellung einer komplett vernetzten und transparenten Gesellschaft überlässt Niccol die Selbstreflexion seinem arg unterfordertem Publikum. Und das hat schon Mühe, bei der lustlos voranschreitenden Mörderhatz am Ball zu bleiben.

                                                  Jetzt mag natürlich dagegen gehalten werden, dass "Anon", im Gegensatz zu "In Time", keine verwässerte Teenie-Unterhaltung verkörpern soll. Was auch stimmen mag. Aber dafür hätte Niccol seinen Figuren mehr Entfaltungsmöglichkeiten einräumen können. Und sich nicht allein mit den paar oberflächlich kritischen Worten aus Amanda Seyfrieds Mund begnügen müssen.

                                                  Insgesamt bleibt nicht das Vorgehen des Killers das größte Rätsel, sondern warum ein Film wie dieser beunruhigende bis verstörende Ideen einwirft, ohne Fragen von moralischen und ethischen Komplikationen aufzuwerfen. Die Welt von "Anon" ist halt so wie sie ist und das Auftauchen von Realitäts-Hackern nur eine vorübergehende Störung. Nicht mehr als ein laues Lüftchen.

                                                  Am Ende wirkt diese Exkursion ins Dystopische kaum aufregender als eine mittel schlechte Pilotfolge. Der Weitblick von Andrew Niccol ist noch spürbar, er hat ihn allerdings schon weitaus attraktiver verkauft.

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                                                    Wenn Marvel sich jemals in den eigenen Arsch treten musste, dann dafür, dass sie Edgar Wright "Ant-Man" nicht drehen ließen. Nach dem Genuss von "Baby Driver" lässt sich schon mutmaßen, was dem MCU vielleicht entgangen ist. Fairerweise sei darauf hingewiesen, dass derlei Gedankenspiele schnell verfliegen.

                                                    Denn "Baby Driver" ist nichts anderes als eine Meisterleistung in jeder inszenatorischen, stilistischen, darstellerischen und technischen Hinsicht. So genial choreografiert, wie auch nuanciert, hebt sich Wright als Filmemacher auf die nächste Stufe. Und entschädigt alle jene, die den Niedergang der Raser-Action mit der zunehmenden Verdummung durchs Endlos-Franchise "Fast & Furious" (Sorry) beheulen. Für Blödheit ist hier wahrlich kein Platz. Dafür setzt es einen Frontal-Angriff auf alle Sinne (auch den 7. Sinn!), denn diese Vision wurde mit höchster Präzision verwirklicht und sollte deshalb auch mit vollster Aufmerksamkeit genossen werden.

                                                    Schließlich agiert Wright weniger als Director, sondern als ein DJ, der den Puls seines Publikums anzapft und mit gezielten Schüben hoch peitscht und wieder runterkühlt. Ob mit denkwürdigen Verfolgungsjagden, einer Endlos-Parade mega-cooler Pop-Kultur-Refernzen und einfach nur einer Geschichte über die wahre Liebe. Das Schöne daran ist, dass hier keine Dialogzeile, noch ein Gesicht verschwendet wird. Und mit seiner ganz eigenen ausdrucksstarken Sprache lässt Wright sämtliche Vergleiche hinter sich.

                                                    Selbst als Unterhaltung für zwischendurch dürfte "Baby Driver" schnell klarmachen, dass alles andere als Durchzug angesagt ist. Wer das hier noch nicht erlebt hat, sollte das schnell nachholen. Oder einen guten Grund dafür erfinden, warum es noch nicht passiert ist. Viel Glück dabei.

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