mikkean - Kommentare

Alle Kommentare von mikkean

  • 5 .5

    Klassenkampf, Chaos, Unzucht und als Hauptgang wird gebratener Hund kredenzt. Für Roman-Verfilmungen gibt es sicherlich leichtere Kost als "High-Rise". Ben Wheatley aber schickt freudestrahlend sein illustres Ensemble auf diesen überladenen Abstieg in den Wahnsinn, bei dem der Grenzwall der sozialen Hackordnung ebenso aufgeweicht wird wie die moralische Hemmschwelle zum unbeschwerten Ausleben der Urtriebe.

    Kernaussagen oder inhaltliche Kohärenz verkommen dabei zu unbedeutenden Randdetails im Interieur des erlesen hässlich gestalteten Betonmonolithen. Wheatley setzt ganz auf die Wucht der Bildmontage und den Ausdruck seiner Darsteller, die weniger Szenen spielen, als Bewusstseinszustände zu verkörpern.

    Aber das birgt nun einmal auch die Gefahr, dass "High-Rise" selbst zu einer Kunst-Installation, als den einem filmischen Erlebnis verkommt. Also, wie die Kopfgeburt eines Genies wirkt, der mit seinen eigenen Gedanken ein bisschen zu sehr im eigenen Allerwertesten steckt.

    Womit auch die Fülle an Deutungsmöglichkeiten teilweise gar rein suggerierter Natur erscheint, da ein echter Plot so gar nicht existiert. Während immer wieder zwischen all den Abscheulichkeiten des Ausnahmezustands auch so manch treffende Spitze in Richtung Sozialsatire oder ganz fieser Humor aufblinken.

    Aber an sich stellt "High-Rise" eher einen dieser ganz besonderen Titel für Connaisseure dar. Was auch wieder ein freundlichere Umschreibung für selbstverliebte Werke ist, über die sich großspurige Abhandlungen schreiben lassen, während ihnen die eigene Cleverness gerade den beschworenen Zugang zur breiten Masse versperrt.

    Nicht böse sein. Ich könnte jetzt wirklich einige Zeit nachdenken und Beispiele für sehr gelungene Ideen aus diesem Wimmelbild der Degeneration raussuchen. Oder einfach gleich zu David Cronenbergs "Shivers" greifen, der in mancher Hinsicht das Gleiche erzählt. So ist das halt mit der Kunst und der Ansichtssache.

    1
    • 5

      Superman mal in böse – die Idee ist ganz gut, der Film leider nur so halb. Weil "Brightburn" sich neben der Origin-Story des Sohns von Krypton auch massig bei "Das Omen" und dem Slasher-Genre bedient. Und Letzteres mit der Zeit echt affig wirkt.

      Als ob Jackson A. Dunn als Brandon Breyer nicht schon genug creepy wirken würde, muss er dann noch immerzu mit seiner Stoffmaske und Cape über den Boden schweben. Ein Effekt, der sich dann doch schnell abnutzt.

      Doch auch insgesamt wird das sinistre Superboy-Gedankenspiel der James-Gunn-Verwandten Brian und Mark kaum über ein überschaubares 08/15-Mörderspiel genutzt. Wodurch gute Ansätze wie die zunehmende Hilflosigkeit und das folgende Entsetzen der, von Elizabeth Banks und David Denman gespielten, irdischen Zieheltern unterbuttert werden. Während der Horrorpart doch noch gut funktioniert, aber auch nicht wirklich innovatives bietet.

      Dafür sind die Opfer einem auch größtenteils zu egal. Und es stellt sich, angesichts der zwiespältigen Tonalität des Abspanns, ob "Brightburn" mit apokalyptische Ängsten spielt oder augenzwinkernde Keckheit beim Umgang mit ikonischen Stoffen mit perverser Schadenfreude, samt hunderter Todesopfer verwechselt.

      So oder so bleibt "Brightburn" ein echter Jein-Film, bei dem sich gute wie abgestandene Einfälle immer die Waage halten. Und so auch die richtig fesselnden Aspekte der Grundidee außen vor lassen. Was dann übrigbleibt, ist lediglich irgendwie überdrehter Pubertät-Horror, der ansonsten kaum vom Hocker reißt.

      5
      • 3 .5

        Glückwunsch, Herr Kinberg! Sie haben ein sorgsam aufgebautes Franchise mal eben an die Wand gefahren. Damit ist Ihnen Spott, Häme und ein galaktischer Dislike von Millionen von Comic-Fans sicher.

        So oder so, bei "X-Men: Dark Phoenix" darf sich nicht nur Autor und Regie-Debütant Simon Kinberg am Kopf kratzen. Auch dem geneigten, wie sehr interessierten Publikum mag es schwerfallen, an diesem Mutantenfilm etwas Positives zu finden.

        Dabei spielten die X-Men sicherlich nie in der Oberliga der geltungssüchtigen Comic-Spektakel, wie sie Marvel so selbstsicher aus der Hüfte schießt. Somit kann uns ein Mangel an umwerfenden Effektleistungen, wie sie spätestens beim Straßenkampf zwischen Team Xavier und Team Magneto offensichtlich werden, nicht sonderlich aus der Bahn werfen.

        War es doch stets der menschliche Faktor und die zugrundeliegende Darstellung der Angst der Normalo-Gesellschaft gegenüber allem Unnatürlichem, der hier den wahren narrativen Drive ausmachte. Ein leises Echo davon findet sich auch in "Dark Phoenix". Aber was Kinberg in einer neu erdachten Story vielleicht greifbar und "relatable" für Nicht-Kenner machen wollte, wirkt erschreckend undifferenziert und aufgesetzt abgehandelt.

        Das wahre Ausmaß des Comic-Kosmos, der hier Pate stand, muss die Filmversion zwangsläufig vernachlässigen. Was nicht einmal das größte Vergehen darstellt. Aber dieser Albtraum von göttlicher All- und Zerstörungskraft und psychischer Instabilität wirkt dermaßen gleichgültig erzählt, als wäre es den Machern selbst egal gewesen, was für einen Film sie da anfertigen.

        Dies ist der gleiche Fehler, den schon "Der letzte Widerstand" seinerzeit machte: große, einschneidende Momente, aber kein Gefühl dahinter. Bei "Dark Phoenix" scheint sich diese fehlende Einfühlungsvermögen auch auf die Darsteller übertragen zu haben. Nicht nur Jennifer Lawrence, auch Nicholas Hoult oder Michael Fassbender wirken stellenweise so motiviert wie beim Nachsitzen nach Schulschluss.

        Und selbst wenn das Vorhaben darin bestand, mit allen Änderungen und Kürzungen der Vorlage, eine verhältnismäßig zugängliche Geschichte für unkundige Zuschauer zu kreiieren, ging das stark daneben. Dieser letzte 20th-Century-Fox-Mutantenstadl bietet nicht mehr als ein gleichgültiges Gepansche aus "Akira", formwandelnde Aliens (ganz was Neues!) und super verlangsamten Aufnahmen von kosmischen Eruptionen oder zerbröckelnden Gestalten.

        Es ist wirlich schade, aber "X-Men: Dark Phoenix" kickt die einstigen, tiefgründigeren Ansätze der Serie über Bord und lässt den Vorreiter des modernen Comic-Kinos in dieser Reinkarnation so beliebig wirken wie jede andere Sci-Fi-Action-B-Ware. Der Film ist ein einziges Schnarch, die Reaktion darauf nicht mal einen Seufzer wert.

        2
        • 7

          Tja, die Quadratur des Kreises ist Andy Muschietti nicht gelungen. Aber wer hatte auch ehrlich gesagt erwartet, dass "ES Kapitel 2" in Sachen Emotionalität und Schauer mit seinem Vorgänger gleichziehen oder diesen sogar überflügeln würde? So feiert der Club der Verlierer eine überlange, aber nicht so langweilige, Reunion, um dem wiedererstarkten Pennywise endgültig den Garaus auszumachen.

          Dabei geht der unheimliche Reiz des ersten Kapitels stellenweise leider verloren. Statt wieder mit den verborgenen Ängsten aus dem tiefsten Unterbewusstsein zu spielen, begnügt sich Muschietti ein bisschen zu sehr damit, Bill Skarsgård im Clownskostüm allerlei Transformationen der Extremitäten und des Kiefers darzubieten. Und ja, dieses Schielen hat immer noch was.

          Was den Film auf der Horror-Ebene aber von einem gleichwertigen Sequel/zweite Hälfte zu einem eher aufgeblasenen Schock-Spiel schrumpfen lässt. So als hätten wir Pennywises Arsenal an Erscheinungsformen quasi in der ersten Runde abgehandelt, gibt es in "ES Kapitel 2" kaum noch wichtige, wie richtige Schauer-Momente, die wirklich zum Verlauf beitragen können. Da ist es eben geradezu oberflächlich schockierend, wenn der Clown zwei minderjährige Opfer brutal aus dem Leben reißt.

          Andererseits wird mit dem Erwachsenen-Cast von James McAvoy zu Jessica Chastain zu Bill Hader oder Isaiah Mustafa eine echte Geheimwaffe aufgefahren wird, die in den besten Augenblicken an die emotionalen Stärken des ersten Kapitels anzuknüpfen versteht. Zwar wird auch hier vieles komprimiert (die Ehepartner von Bill und Beverly sind bloße Randnotizen), aber wenn es Klick macht, dann sind die Gefühle echt und nicht bloß rührseliges Geplänkel.

          Und wenn wir bedenken, dass Stephen Kings Wälzer-Vorlage voller Anekdoten und Kapitel steckt, die Derry zum sprichwörtlichen Hort des Bösen machen, die quasi unmöglich in zwei Filme dieser Länge gesteckt werden konnten, stellt "ES Kapitel 2" unterm Strich einen ganz guten Kompromiss dar. Die Story ist getrimmt und vielleicht sogar zu geradlinig. Dafür bleiben die Charaktere jederzeit noch im Fokus des Geschehens, was im Horrorgenre ja auch nicht immer der Fall ist.

          Nur wer jetzt tatsächlich mit der Schildkröte Maturin gerechnet hat, muss enttäuscht werden. Was auch alle Hoffnungen betrifft, die dachten, die erste Runde würde in jeglicher Hinsicht getoppt werden. Und wer diese schon scheiße fand, wird jetzt auch nicht konvertiert werden können.

          So bleibt "ES Kapitel 2", wenn auch keine Meisterleistung, der längste Schocker des Kinojahres und Horror-Unterhaltung mit Abstrichen. Wie auch eine schöne Ergänzung und Alternativerzählung zum Zweiteiler von 1990.

          4
          • 7
            über Kingdom

            Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2019 und willkommen zu "Kingdom", dem nächsten Pflichttermin für Fans der epochalen Historien-Schlachten-Manga-Unterhaltung. Ernste geschichtliche Kulissen, bunte Stoffe, große Schwertkunst, markante Frisuren und "300"-Flair erfüllen dieses auf Epicness angelegte J-Blockbuster-Fest.

            Fans und Kenner von Titeln wie "Azumi", "Ruroni Kenshin", "Shinobi" oder "Blade of the Immortal" dürften sich hier gleich wie zuhause fühlen. Auch, weil die Story um den Kampf um den Thron der Qin-Dynastie und wie die Waisenjungen und Sklavenarbeiter Shin und Hyou darin verwickelt werden, nicht allzu überfordernd aufgezogen wird.

            Ganz klar im Fokus stehen Figuren mit aufopfernder Haltung, großen Träumen und übermenschlichen Fertigkeiten im Umgang mit der Klinge. Und natürlich gibt es da noch doch den bösen Bruder des Königs, der gemeines Volk menschenverachtend mit Ungeziefer gleichsetzt, die hinterlistigen, giftflüsternden Berater am Hof und eine gigantische Armee, die es zu bewältigen gilt.

            Das hier auch mal abgedrehte Typen wie die gigantische Henkerbestie oder der schräg aussehende Schatten-Assassine auftauchen, gehört zur Natur der Sache. So wie die immer wieder aufblitzenden Schübe komischer Erkenntnisse, die einen auch mal an der geistigen Verfassung des Helden Shin zweifeln lassen.

            Aber das ist für Asia-Leckerleien wie diese nichts Neues und Ungewöhnliches. Zumal es "Kingdom" auch fertigbringt, derlei abgeschmackte Schwarz-Weiß-Figuren-Zeichnung vergessen zu machen oder mit genügend gut aufgezogenen Tamtam in den Hintergrund zu rücken. Denn so ist es schlimmstenfalls ein bunt überzogener Comic-Fantasy-Actioner, in seinen besten Momenten fast schon so wie eben "300" oder gar "Hero".

            3
            • 7 .5

              Mehr Action, größere Kollateralschäden und dazu wieder die drollig britische Gentleman-Haltung von Colin Firth. Für jedes andere Sequel wäre das schon ausreichend. "Kingsman: The Golden Circle" holt sich mit Halle Berry, Julianne Moore und Jeff Bridges weitere Oscar-Power ins Boot, lässt Channing Tatum halbnackt als Cowboy rumzappeln und lässt Sir Elton John locker mit seinem Diva-Image spielen. Und, oh ha, der Einstieg zu Princes "Let's Go Crazy" ist kongenial choreografiert.

              Böse Zungen können natürlich meinen, dass die Kingsmen nur eine überdrehte Mischung aus den James-Bond-Filmen der Connery- und Moore-Ära und den Men In Black darstellen.

              Andererseits ist Bond seit einiger Zeit eher eine bierernste Veranstaltungen, für coole Typen, die keinen Gesichtsmuskel zucken lassen, während sie Ärsche treten. Und dass die Männer und Frauen in Schwarz mit abnehmbarer Qualität und Überraschungs-Faktor in ihrer Fortsetzungen zu kämpfen haben.

              Insofern hat "Kingsman 2", trotz der ein oder anderen Länge und vielleicht nicht mehr so vielen Wow-Momenten in der Handlung, immer noch die Nase vorn. Und liefert den filmischen Beweis, dass Amis und Briten mit überdrehten Vorstellungen immer noch etwas Gutes und Amüsantes auf die Beine stellen können. Anders als ihre Kollegen aus der Politbranche.

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              • 6 .5
                über Darlin'

                Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2019 und willkommen zu "Darlin'", der uns nach acht Jahren ein Wiedersehen mit der menschenfressenden, wilden Titelheldin aus "The Woman" bescherrt. Unverhofft kommt eben doch manchmal oft. Pollyanna McIntosh hat die Sache schließlich selber in die Hand genommen und führt die Kannibalen-Trilogie nach Jack Ketchum eigenwillig wie eh und je zu Ende.

                Das kaum jemand nach einem Sequel von Lucky McKees Wildling-trifft-All-American-Psychofamilie-Vorgänger gefragt hat, ist bereits das lautstärkste Indiz für dessen Sonderstellung in der bluttriefenden Hinterecke des Indie-Kinos. Weshalb es auch kaum verwundern mag, dass "Darlin'" vor allem schroff und teils kryptisch zugleich erzählt wird und mit einem sichtbar moderaten Budget realisiert wurde.

                Oder um es mal auszudrücken: Wenn "The Woman" "Nevermind" war, dann ist "Darlin'" ganz eindeutig "In Utero". Wie schon Kurt Cobain hat auch McIntosh kein Problem damit, mögliche Fans zu verprellen. Jedenfalls bricht der Film mit ziemlich allen Erwartungen, die nach dem Ende von "The Woman" entstanden sein könnten und zieht unbekümmert sein Ding durch.

                Aus heiterem Himmel Darlin (Lauryn Canny), Zieh-Schwester/-Tochter von McIntoshs Woman erst in der Notaufnahme und anschließend im katholischen Mädcheninternat. Wo ein nicht ganz astreiner Bischof eine Aus-Mogli-wird-eine-Gläubige-Erziehungs-Nummer mit ihr plant. Nicht ganz einfach. Und selbstredend begibt sich die Darlins "Erziehungsberechtigte" zwischenzeitlich auf die Suche nach ihrem Goldstück.

                Absolut löblich an dieser Erzählung ist, dass Pollyanna McIntosh verstärkt auf leise Töne setzt. Und selbst blutige Details (auch aus Kostengründen) nur sehr spärlich einstreut. Damit läuft "Darlin'" gegen so ziemlich jeden Trend des aktuellen Horrorkinos an. Was aber auch ganz klar eine Warnung an alle Gelegenheitsgucker sein muss.

                Die verschiedenen Enden sind hier sehr locker miteinander verknüpft und es dauert wirklich eine Weile, bis sich einem die eigentlichen Motive der Geschichte erschließen. In dieser Hinsicht sind Pollyanna McIntosh weniger große und eindringliche Momente vergönnt, als sie McKee noch in "The Woman" gelangen. Das liegt aber nicht zwangsläufig am fehlenden Gespür fürs Regieführen.

                "Darlin'" ist in seiner Gänze ein eher schwer verdaulicher Brocken, der im selben Atemzug als absolut uninteressant abgetan werden kann. Tatsächlich verbergen sich unter der rauen Oberfläche des Films ein paar interessante Figuren (die Mädelsclique, McIntoshs "Walking Dead"-Kumpel Cooper Andrews als Krankenpfleger) und Ansätze, aber die wirklich zu würdigen, wird einem etwas schwer gemacht.

                Und so ist es auch nicht wirklich überraschend, dass McIntosh hier Themen wie das kirchliche Zerrbild der weiblichen Unterwürfigkeit, Hmophobie und sogar Kindes-missbrauch aufgreift, aber keines davon richtig zu Ende gedacht oder nur angedeutet wirkt. Schade ist das auch deshalb, weil "Darlin'" so einiges an Qualität als Schläfer einbüsst. Als einer dieser Filme, die anfangs komisch wirken und dennoch mit der Zeit zum Überdenken des präsentierten Kosmos einladen. "The Woman" hatte das, "Jug-Face" auch. Nur bei "Darlin'" ist schwer zu einzuschätzen, ob so ein Prozess überhaupt mal einsetzen wird.

                2
                • 7

                  Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2019 und willkommen zu "The Gangster, the Cop, the Devil", einer ganz besonderen filmischen Umsetzung vom Sprichwort über den Teufel, der in der Not Fliegen frisst.

                  Da hat Serienkiller Kang mal so richtig in die Scheiße gelangt. Sein jüngstes Opfer ist ausgerechnet Gangster-Boss Jang (Ma Dong-seok aus "Train to Busan"): ein Schrank von einem Mann, der seine Opponenten mit den eigenen Händen zu blutigen Klumpen schlägt. Und erst niemand, der einfach vergisst. Jang überlebt die Attacke und beißt tatsächlich in den sauren Apfel. Er schmiedet eine Allianz mit Kommissar Jung um das freilaufende Monstrum zur Strecke zu bringen.

                  Kaum zu glauben, trotzdem wahr. Wenn es ein Filmland schafft, einem ausgelutschten Genre abermals einen neuen Dreh zu verpassen, dann ist es Südkorea. Neben der Hongkong-All-Star-Würdigung "Kung Fu Killer", kann "The Gangster, the Cop, the Devil" zu den abgedrehteren Variationen des oft bemühten Serienmörder-Motivs. Und dass sich Sylvester Stallone bereits die Remake-Rechte gesichert hat, will schon was heißen.

                  Denn der Film bringt alle Eigenschaften mit, um international für einiges Aufsehen zu sorgen: die Darsteller sind gut ausgewählt, das Tempo stimmt, ein paar gute Sprüche und sehr oft aufs Maul gibt es auch. Aber vor allem setzt die Killerhatz ganz auf den kurzweiligen Drive, ohne sich von tiefenpsychologischer Betrachtungen der Marke "The Chaser", Thomas Harris und Co. das Vergnügen vernebeln zu lassen. Noch gibt es kaum zu verkraftende Einlagen wie bei "I Saw the Devil" auszustehen.

                  Aber keine Angst. Es gibt auch etwas mehr als nur oberflächliche Unterhaltung. Bis zum Ende hält Autor und Regisseur Lee Won-tae noch die ein oder andere Überraschung bereit und zeigt uns, dass Filme wie dieser nicht nur allein mit ihrer Prämisse punkten müssen oder wollen. Das könnten sogar Leute unterschreiben, die einfach einen gutgemachten Action-Thriller sehen woll(t)en.

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                  • 6 .5

                    Die große Jack-Sparrow-Abschiedsshow: Ein fünfter "Pirates of the Caribbean" war sicherlich nicht zwingend notwendig. Aber in Sachen Ranklotzen macht Disney sonst kaum ein Studio was vor.

                    Die digitalen Tricks sind natürlich überlebensgroß und der untote Javier Bardem lässt den alten "Final Fantasy" in Sachen glaubhafte Mimik antik wie einen Commodore 64 wirken. Handgemachte Action gibt es natürlich auch wieder.

                    Und vielleicht auch deshalb ist der vermeintlich letzte "Pirates" trotz seines überreizten Blattes nicht wirklich etwas vorzuwerfen. Für Fans der ersten Stunde gibt es die überfällige, glückliche Auflösung der Original-Story und den besten Celebrity-Cameo seit Keith Richards.

                    So betrachtet ist das auch immer noch ansprechender als der x-te "Fast & Furious"-Eintrag.

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                    • 7 .5
                      mikkean 08.09.2019, 18:44 Geändert 08.09.2019, 20:52

                      Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2019 und willkommen zu "It Comes": dem neuen WTF-Gipfelrekord des J-Horror. Es dürfte schwer werden, diese Ansammlung skurriler Figuren, Genre-Veratzstücke und Story-Wendungen im laufenden Filmjahr noch zu toppen. "It Comes" ist zweitweise wie ein Flash, starke und mal teils grelle Ideen und Bilder, dann wieder ruhig und gar niederschmetternd in seiner Darstellung einer von dunklen Kräften heimgesuchten Familie.

                      Wenn ich nur behaupten würde, Tetsuya Nakashimas erster Horrorfilm wäre so, als würden "It Follows", "Poltergeist", "Shining", "Mama" und "Der Babadook" allesamt gleichzeitig abgespielt, könnte ich damit nicht mal ansatzweise der umfangreichen Geschichte und ihrer Erzählweise gerecht werden.

                      "It Comes" gehört zu jener Sorte Filme, die mehr als nur den Zeh ins Mindfuck-Becken stecken, ohne sich je in visuellen Sperenzchen zu verlieren. Und das will bei rund 130 Minuten, vielen Zeitsprüngen und einer Armee von Exorzisten und Priestern was heißen.

                      Die Wahrheit ist nämlich, dass Nakashima die übernatürlichen Ereignisse um den Verkäufer Hideki und dessen Liebste nutzt, um eine entlarvende Analyse über die Elternschaft und die japanische Gesellschaft an sich vorzulegen. Und das an genau den richtigen Stellen so gelassen, wenn nicht sogar schonungslos ehrlich wie möglich. Aber keine Panik liebe Horrorfreunde, das heißt nicht, dass nicht trotzdem Platz für abgerissene Körperteile und dämonische Mäuler wäre.

                      Wirklich gekonnt, wenn auch im ersten Moment etwas ungewohnt, ist die Sicherheit, mit der "It Comes" seine Perspektivwechsel in jedem Akt vollführt und mit jedem neuen Blickwinkel und Flashbacks das Bild einer vermeintlichen Vorzeige-Idylle zerpflückt. Bemerkenswert daran ist auch die Balance aus blutigem Horror, Drama und Humor. Allein schon die Darstellungen der Hochzeits-Feier und der Trauergesellschaft zu Beginn sind so erhellend wie auch zum Kopfschütteln.

                      "It Comes" schöpft wirklich aus dem Vollen, ohne das Spooky-Entertainment über die menschlichen Aspekte zu stellen. Ist da jetzt der neue "The Ring"? Wir werden sehen. Aber definitiv eine absolute Empfehlung wert.

                      8
                      • 3

                        Ach, die ersten "Hellboy"-Filme hatten Zahnfee, Kobolde, Amphibienwesen und Ron Perlman. Dieser unnötige Wiederbelebungsversuch kredenzt gekochte Kinder, ein nimmermüdes Zivilisten-Gemetzel und doofe Sprüche. Alles getüncht in größtenteils unbeeindruckende Special-Effects, womit selbst diese Bilanz mager ausfällt.

                        Es ist kaum zu glauben. Einer wie Neil Marshall legt so einen missglückten Schrott vor. Dabei standen die Zeichen nicht schlecht, aus ihm könnte so etwas wie der nächste John Carpenter werden. Einer, der mit originellen und gut gehandelten Original-Ideen ("The Descent") anschauliches Kino erschafft und selbst das Spiel mit Referenzen und kleineren Story-Diebstählen ("Doomsday") mit Augenzwinkern durchgewunken wird.

                        Marshalls "Hellboy" bietet keine dieser Qualitäten. Der Film hetzt durch eine Geschichte, der nicht einmal abgenommen wird, dass sie verschiedene Comic-Abenteuer bemüht. Für keines der einzelnen Story-Elemente und Figuren ist eine echte Würdigung spürbar. Stattdessen versumpft der Film auf einem breiigen Matschniveau aus "Teenage Mutant Ninja Turtles"-Adaption (wenn Gruagach mal nicht Rocksteadys Cousin von der Insel ist) und miesem Splatter-Vergnügen.

                        Ja ist klar, mit seiner Chuzpe aus überzogener Gewalt und enthemmt leiernder Kauleiste hat Deadpool eine Menge Kies eingefahren. Was aber kein Grund ist, einen Stoff wie Hellboy zur schundigen Märchen- und Mythen-Blutstunde verkommen zu lassen. Und um davon (und von den schlechten Tricks) wenigstens etwas abzulenken, muss Milla Jovovich als ansehnliche fiese Nimue die Kohlen aus dem Feuer holen. Eine Rolle, die ihr, das sei zugegeben, gut steht.

                        Beim ganzen Rest stellen sich lediglich Fragen wie: "Warum versuchen die bloß, Anime wie "Attack on Titan" oder "Blood-C" nachzuäffen?" oder "Wieso nun denn schon wieder eine Origin-Story?". Fairerweise vermeidet "Hellboy" den gleichen Fehler wie das Spiderman-Reboot mit Andrew Garfield und arbeitet sich nicht nur am selben Inhalt wie die Vorbilder von Guillermo del Toro ab. Nein, dieser Hellboy vermasselt es gleich auf ganzer Linie und erweist den Darstellern, Maskenbildnern und FX-Leuten keine große Ehre.

                        Und was den immer mal wieder diskutierten del Toro angeht, der darf sich angesichts dieser Katastrophe ins Fäustchen lachen. Denn seine Filme haben nicht nur Fantasie, ihnen liegt auch ein Plan zugrunde. Eine Eigenschaft, die Marshall hier weiß Gott warum vermissen lässt. Bei diesem "Hellboy" ist gar nicht klar, ob er in der hintersten Regalecke bei "Spawn" oder lieber gleich im Müll landen wird.

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                        • 8

                          Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2019 und willkommen zu "The Lodge", dem nächsten Streich von Veronika Franz und Severin Fiala. Nach "Ich seh, Ich seh" schnuppert das Austria-Regie-Duo Studioluft in Überseh und darf mal gleich eine britisch-amerikanische Hammer-Produktion inszenieren. Wenn nicht sogar den denkwürdigsten Titel seit der Auferstehung der altehrwürdigen Horrorschmiede.

                          Erneut tauchen Franz und Fiala ganz tief dort hinein, wo das wahre Grauen geboren. In die Psyche einer angeknacksten Kinderseele. Und oh boy, was dort nicht alles für schreckliche Hirngespinste auf uns lauern. Wie schon in ihrem übergroßen Erstling zerlegen Franz und Fiala auch hier das Konstrukt der heilen Familie. In diesem Fall ist es nicht die eigene Mutter, sondern die neue Frau an Papas Seite, die den Geschwistern Aidan (Jaeden "IT" Martell) und Mia (Lia McHugh) ein Dorn im Auge ist.

                          Ein gemeinsames Weihnachtsfest in der Waldhütte soll die Wogen glätten. Und tatsächlich spielt Riley Keough als Grace nicht irgendein jungen Betthüpfer, sondern eine freundliche und einfühlsame Frau, die sich um ein gutes Miteinander bemüht. Bis Daddy in die Stadt muss und ein Schneesturm die Hütte einhüllt. Spätestens als sich über Nacht Strom, sämtliche Vorräte und auch Kleidung in Luft auflösen, zerschlägt sich diese Hoffnung für die Stiefmutter in spe.

                          Und "The Lodge" folgt ohne Blick in den Rückspiegel dem Abstieg in den Abgrund, wo Wahnsinn, Rachsucht und religiöser Fanatismus lauern. Das ist nicht nur wegen der erhabenen Bilder von Kamermann Thimios Bakatakis hübsch düster und klaustrophobisch. "The Lodge" ist ein schwer verdauliches Schmuckstück subtilen Horrors. Ein Film für Freunde der vielen Schattierungen in der Welt der Grau- und Schwarztöne. Auch beim großartig getimten Sounddesign wird das Wechselspiel zwischen beklemmender, trügerischer Stille und nervenzehrender Lautstärke erbarmungslos betrieben, um nicht bloß den Verstand der Figuren in die Enge zu treiben.

                          Schauspielerisch gibt es nichts zu bemängeln, was auch unabdingbar ist bei so vielen Facetten. Denn Veronika Franz und Severin Fiala haben sich ihr vermeintliches "US-Debüt" nicht von irgendwelchen Ansprüchen verwässern lassen. Ihre Figuren sind trotz aller ausgelebten Bösartigkeit nie eindimensionale Abziehbilder und am Ende stellt sich auch die Frage, welchen Anteil der hier omnipräsente christliche Glaube am Geschehen hat.

                          Keine leichte Kost, aber doch auch ein Triumph für Franz und Fiala, die trotz größeren Budgets, internationaler Talente und namhafter Stars, ihren Stoff wie einen Indie- oder Arthouse-Horror behandeln. Und nicht gleich auf Nummer sichen gehen (müssen) um Mainstream-Besucherzahlen zu generieren. Denn dafür gibt es bei "The Lodge" einfach zu viel zum Mitdenken und Aufpassen, auch wenn das einen ganz schön runterziehen kann.

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                          • 1 .5

                            Ach ja, den Achtzigern werden wir wohl nie los. Wieder einmal geht alles mit jungen Leuten in einer einsamen Hütte (auf einer abgelegenen Insel) los. Haben die denn noch nie was von "The Evil Dead" gehört?

                            Spoiler: Haben sie nicht. Und so wird flüssigen, synthethischen und körperlichen Genüssen gefrönt, bis schlechtes Koks die Party-Truppe in eine Horde blutrünstiger Bestien verwandelt.

                            Dieser "28 Days Later"-Einschub versprüht ja mal einen Hauch Moderne im ansonsten sehr altmodischen, sprich: altbackenen, Setting. Und vielleicht böte sich hier sogar die Möglichkeit zu einem vielleicht augenzwinkernden oder halbwegs klugen Spiel mit den Genre-Motiven.

                            Aber das bleibt Autor und Regisseur Jason William Lee mit "The Evil In Us" dem Publikum leider schuldig. Stattdessen serviert er uns ein altes zerkautes Reststück von einem kostengünstigen Horrorfilm, bei dem das Grauen natürlich wieder nur exemplarisches Anschauungsstück eines landesweiten Albtraums sein soll, dessen Auswüchse einfach mal vom Zuschauer hinzugedacht werden müssen.

                            Daneben bereitet Lee uns in einem Parallelstrang auf eine Schlusspointe vor, die mit ihrem Politik-Bezug wohl gerne an die Tradition von John Carpenters "Sie Leben!" ähnlichen Titeln anknüpfen würde. Wieder die Goldenen Achtziger.

                            Doch "The Evil In Us" fehlt es dafür an einer erkennbaren eigenen Haltung, noch überhaupt einer wirklichen Sympathie fürs dargebotene Schlachtvieh. Von spürbarer Atmosphäre mal abgesehen. Und so ist diese Low-Budget-Angelegenheit ein Schaulaufen No-Name-Darsteller, die Präsentation schlichter Effektarbeit im undefinierbaren Kuddelmuddel der eigenen Ansprüche mit dem tatsächlichen Ergebnis.

                            Lieber gleich die Finger davon lassen.

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                            • 0 .5

                              Achtung: Hier kommt der ganz und gar nicht frauenfreundlichste Film des Monats!

                              Es ist ja nicht die schlechteste Idee, zum Auftakt eines Rache-Thrillers den Vorschlaghammer auf einen schmierigen Mechaniker purzeln zu lassen. Aber schon das Close-up auf das knappe rote Kleid der Heldin verrät die schmierige Doppelmoral dieses C-Film-Schunds. "No Mercy" ist wahrhafter Dreck, der es doch tatsächlich schafft, all die großen cineastischen Errungenschaften seiner südkoreanischen Heimat vergessen zu machen und das Land wieder als Ursprungsort echter Gräueltaten am Publikum in Erinnerung zu rufen. Und das hat Südkorea absolut nicht verdient.

                              Aber so ist das halt, wenn ein vollkommen planloser Schinken nichts besseres zu bieten hat, als eine gut aussehende Heldin auf der Suche nach der geistig zurückgebliebenen Schwester. Welche dann von Station zu Station rumgereicht und missbraucht, wobei natürlich kein Klischee und kein Horror-Szenario des modernen Menschen-Handels ausgespart wird.

                              Vom Politiker, der eigentlich Gangsterboss ist, zur Zwangsprostitution und dem missbrauchenden Supermarkt-Besitzer ist dann auch fast jedes erdenkliche schändliche Klischee in "No Mercy" vertreten. Und so zynisch es auch klingt, wenn jetzt wenigstens die handfesten Details dieses fragürdigen Actioners stimmen würden, könnte vielleicht noch großzügig betankt über hölzernes Schauspiel und niedrigstes Dialogniveau, bei dem Schlampe, Nutte und F**** zum Grundvokabular gehören, irgendwie hinweg-gesehen werden.

                              Doch auch hier wirkt dieses Machwerk schlichtweg dilettantisch, kraftlos und kann keinerlei Eindruck schinden. Gedreht wurde scheinbar mit gerade einmal einer Kamera, der Choreografie fehlt es an Dynamik und selbst dem kleinsten gemeinsamen Nenner, dem Versprechen, die DSrecksäcke richtig bluten zu sehen, kann aus Budgetgründen nicht im Ansatz entsprochen werden.

                              Unterm Strich bleiben neunzig Minuten vergeudete Lebenszeit und der Drang, sich die Augen auszuwaschen und dringend etwas Besseres nachzuschieben, um die Erinnerung schnell zu verdrängen. Selbst für SchLeFaz ist "No Mercy" eine Spur zu primitiv und schundig.

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                              • 9
                                über Amy

                                Sie war schon ein Ereignis, diese Amy Winehouse. Ein Pop-Phänomen in einem jungen Jahrhundert, dass Jazz und Soul verinnerlicht hatte und mit einer unvergleichlichen Stimme Texte darbot, deren Aufrichtigkeit und Ausdrucksstärke andere nicht einmal nach Jahrzehnten niederschreiben können.

                                Aber so kometenhaft Amys Aufstieg und Triumphzüge auch erschienen, ihren Absturz konnte jedermann miterleben. Er vollzog sich wie ein Unglück im Zeitraffer. Und eine Menge Leute schienen einfach nur drumherum zu stehen.

                                Asif Kapadias schlicht betiteltes Denkmal "Amy" schreitet den ganzen Weg noch einmal ab. Geht zurück in Winehouses Kindheit, zu ihren ersten musikalischen Schritten bis zum Wahnsinn, den der ganze Durchbruch mit sich bringt.

                                Das ist authentisch, natürlich, unverhohlen und auch sehr schmerzhaft. "Amy" hat das Glück, neben Begleitern aus dem Musik-Biz vor allem Freunde und Familie heranzuziehen und ein für alle mal das Bild von Winehouse als abgehalfterte Junkie-Sängerin zu zerschlagen.

                                Sicherlich rückt der Fokus an einigen Stellen von der Frage ab, wie sehr Amy selbst dem Rausch verfallen war. Auf der Gegenseite kristallisieren sich aber auch Baustellen wie das Verhalten vom eher geltungssüchtigen Vater Mitchell heraus, der einem wie der größte Unsympath daherkommt.

                                Definitiv ist "Amy" eine denkwürdige Dokumentation, die einem als Zuschauer viele Höhen und ebenso viele Tiefen durchleben lässt. Aber auch die große Aufgabe meistert, trotz des bekannten Ausgangs einen versöhnlichen Schlusspunkt unter eine Geschichte zu setzen, die an dramatischer Strahlkraft kaum zu überbieten ist.

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                                • 5 .5

                                  Robert Zemeckis wandelt mit Brad Pitt und Marion Cotillard auf den Spuren von "Casablanca": Das weckt vor allem Erinnerungen oder vielmehr die Ahnung vergangener Hollywood-Zeiten. An Glamour-Paare die sich zwischen den feinlichen Linien bewegten und trotz stetiger Furcht vor der Entdeckung sich und anderen etwas vorzumachen verstanden.

                                  Ich wäre da beinahe geneigt zu behaupten, die Agenten-Romanzen im Nazi-Land als eine der unterbewertesten Genre-Spezialitäten der Traumfabrik zu bewerten. Das Grund-Prinzip wurde ja erfolgreich auf andere Settings wie den Kalten Krieg übertragen. Dass Zemeckis diese Tradition mit "Allied" quasi zum Ausgangspunkt zurückführt, ist schon ein recht romantischer Akt. Und der Mann versteht diese Absicht zu untermauern.

                                  "Allied" bietet ein Top-Traumpaar, überzeugende Kulissen und zeitgerechte Ausstattung. Und im Kern einen recht fiesen Plot, dessen Qualitäten nicht zu bestreiten sind.

                                  Andererseits ist es auch so eine Kopfsache, dass richtig spannend zu finden und sich auch emotional davon einwickeln zu lassen. Bei wem das nicht ganz klappt, kann es auch sein, dass vor allem wieder der digitale Aufwand ins Auge fällt, mit dem Zemeckis seine Illusion kreiert. Oder dass "Allied" im Grunde nur viele Flashback-Momente und Versatzstücke aneinanderreiht (Und nein, damit meine ich nicht, dass August Diehl wieder den Nazi gibt). Als Hommage und fürs Genre natürlich unabdingbar, für die Story heißt das aber auch, dass gefühlte Spannung sich nur bedingt einstellt.

                                  Vielleicht liegt das auch daran, dass sich trotz der guten Chemie von Pitt und Cotillard, und trotz des großen moralischen Dilemmas, alles andere an "Allied" halt doch ein wenig zu künstlich wirkt. Ab der Minute, in der Brad Pitts Figur von der zweifelhaften Natur seiner Angetrauten erfährt, steht das Ergebnis eben schon mit großen unsichtbaren Lettern an der Wand. Und dem ungewillten Zuschauer bleibt nicht mal das Vergnügen von Doppeldeutigkeiten.

                                  Dabei halte ich auch mal fest, dass "Allied" besser als sein Ruf und sein kommerzielles Abschneiden ist. Aber er hat das gleiche Problem wie Soderberghs "The Good German": augenscheinlich perfekte Nostalgie, aber warum nicht gleich zum Original greifen?

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                                  • 7

                                    Weniger Horrorfilm als ein echter Heavy-Metal-Familienfilm. Sean Byrnes "The Devil's Candy" mischt Okkultes, Serienmorde und diabolische Seelenkauf-Offerte zu einem mehr als anständigen Grusel-Vergnügen. Die beiden Geheimwaffen um die schaurigen Ereignisse ums neue Heim der alternativ eingestellten Familie Hellman sind dabei ganz klar Kiara Glasco als Töchterchen Zooey und Pruitt Taylor Vince mit seiner unheimlichen Strahlkraft als mal zurückhaltend einfältiger und dann blutrünstiger Teufelsanbeter.

                                    Zur Handlung möchte ich gar nicht viel sagen. Die ist fast so überschaubar und direkt, wie auch bisweilen mit Ausflügen zum faust'schen Seelenpakt der Marke "Angel Heart" überraschend.

                                    Nur so viel: "The Devil's Candy" ist ein Film, der brutalste und abstoßendste Verbrechen nicht in aller Deutlichkeit zeigen muss und dennoch spannend unterhält. Und der im Kern auch die packende Frage versteckt, was passiert, wenn jemand den teuflischen Stimmen nachgibt. Jetzt nicht der lauteste Schocker unter der Sonne, aber eine der besseren Festival-Entdeckungen der letzten Jahre.

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                                    • 4
                                      über Inferno

                                      Als nur Gelegeneitsleser kann ich sagen, Dan-Brown-Titel sind spinnernde Unterhaltung. Eine Lektüre für langweilige Tage oder die Strandliege. Ron Howards "Sakrileg" und "Illuminati" waren da das passende Leinwand-Äquivalent. Aufgeblasen, starbesetzt und deppert. Aber auch deswegen auch schon wieder genießbar.

                                      Vielleicht sogar liebenswert. Denn Howard zog wirklich alle Strippen, um das völlige Fehlen von Überraschungen und Enthüllungen der bereits millionenfach konsumierten Bestsellertitel vergessen zu machen.

                                      Das fällt mir nur deshalb wieder ein, weil "Inferno", das dritte Kinoabenteuer um den allwissenden Zeichendeuter Robert Langdon mal völlig aus der Spur geworfen wirkt. Tom Hanks, Auftritte von Felicity Jones, Irrfan Khan oder Omar Sy? Geschenkt. So wie die erneute Rundreise zu einigen der schönsten Wahrzeichen der Welt.

                                      Die dieses Mal behandelte Pandemie-Geschichte ist leider so frisch wie Omas schlimmer Fußpilz. Nur dass dessen Behandlung mehr spannende Fragen aufwirft. Bei "Inferno" hingegen ist nur beachtenswert, wie Langdon mit angeknackstem Schädel trotzdem Dantes Inferno entschlüsseln kann, während ihm das Wort für Kaffee nicht einfällt.

                                      Ansonsten ist diese Runde geradezu spektakulär unspektakulär. Die Story ist einem so egal, weil schon öfters durchgespielt. Selbst das Rätselraten wird von einer gewissen Routiniertheit um den lebhaften Charakter gebracht. Es ist eine Enttäuschung und ein Stillstand, für den Profis wie Ron Howard und David Koepp verantwortlich zeichnen (müssen). Es zeigt sich auch wieder, dass selbst die größten Könner ausgelutschte Stoffe nicht zur prächtigsten Kaugummiblase aufpumpen können.

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                                      • 3 .5

                                        Ich muss mich mal zügeln. Phasenweise habe ich mit dem Adjektiv fantastisch um mich geworfen, wie mit Konfetti vom Festwagen. Aber wir haben alle so unsere großen und kleinen Sachschäden. Deshalb kann ich sagen: Jasha Fritz Bauer ist eine fantastische Hauptdarstellerin. Genau die richtige Wahl, um so einem komisch gestelzten Jugend-Porträt aus der Mitte des Nowhereland ein bisschen Gefühlsechtheit einzuflößen.

                                        Ansonsten bietet Helene Hegemann mit der Verfilmung ihres eigenen Stoffes "Axolotl Overkill" nur manch gute Atmo in Ton und Bild. Und ernsthaft, einige der besten Dialoge, die das deutsche Kino in vielen Jahren gesehen hat. Leider zu oft sind diese aber auch so cool konzipiert, dass die Grenze zum Gekünstelten mehr als geschrammt wird.

                                        Ach ja, und die Sache mit Erwachsenen, neben denen eine umtriebige und losgelöste Sechszehnjährige wie die vernünftigste Person auf der Welt wirkt ... tja, ist halt auch nicht wirklich neu.

                                        • 7 .5
                                          über Wir

                                          Nach dem mehr als verdienten Drehbuch-Oscar für "Get Out" rästelten alle, wie Jordan Peele das toppen könne. Ganz einfach. Er versucht es erst gar nicht. Stattdessen gibt sich Peele mit "Us" ganz der Ausschweifung des Cinephile-Sachverstands hin.

                                          Irgendwo zwischen altbekannten Motiven des Home-Invasion-Schockers, Stanley Kubrick, Michael Jacksons "Thriller" und Unmenegn an Eighties-Popculture-Referenzen, setzt Peele ein Puzzle zusammen, das ebenso oberflächlich genossen werden kann. Und gleichzeitig ganz tief in eine Gedanken-Labyrinth führt, in dem Fragen über Rassismus, die Benachteiligung der Dritten Welt und, nicht zuletzt, die Ur-Angst, vom eigenen Selbst ersetzt zu werden, verbaut sind.

                                          Das ist wahrlich harte Kost. Und nur bedingt als Unterhaltung zu empfehlen. Denn so zahlreich auch die Anspielungen in "Us" auch sein mögen. Das Rätselraten und Erkennen von Symbolen wie einem "Jaws"-T-Shirt oder ob die Verketteten nun von H.G. Wells oder vielleicht doch von "Eroberung Vom Planet Der Affen" inspiriert wurden – das alles taugt in diesem Kontext weniger als Partyspielchen und Wiki-Klugscheißen.

                                          Schließlich dreht Peele den Humor deutlich runter. Was denn auch alle etwas abschreckend dürfte, die auf einen "Get Out 2" spekulierten und auf bösen Hintersinn und trotzdem einige Lacher hofften. Aber selbst auf seiner vordergründigsten Ebene kann der Film einige Probleme bereiten.

                                          Denn ich möchte das gleich klären. "Us" ist ein ganz guter Horrorthriller. Doch er ist trotz aller Twists und Einfälle hin und wieder vorhersehbar. Angesichts einer wirklich dichten Atmosphäre, eines starken Ensembles und der richtigen Handhabe natürlich ein absoluter Luxusmakel. Wenn nur dutzende weitere Titel sich da eine Scheibe könnten...

                                          Nun ja. Für "Us" bedeutet das eine Gradwanderung zwischen soghafter Anziehung und dem Jonglieren mit einer Story, die so schon bei "Funny Games" oder "The Strangers" und nicht wenigen andern durchexerziert wurde. Wer auch nur eine Hanvoll davon kennt, wird von den Schock-Momenten nicht unbedingt umgehaut oder kalt erwischt werden. Andererseits besteht vielleicht darin die Brillanz.

                                          Denn so altbacken und rouitiniert der Home-Invasion-Anteil funktioniert, so ausladend und mysteriös wirkt Peeles mythologischer Unterbau der Erzählung. Beim Abstieg in die schauderhafte Vorstellung einer unterirdischen Parallelwelt sprengt "Us" dann wirklich sämtliche Vorstellungskraft.

                                          Und das ohne großes Budget und das bisweilen ermüdende Bemühen um nie gesehene Bilder. Seinem Rahmen entsprechend bleibt "Us" minimalistisch, flüchtet sich in eine Erzählung, die nur eine Ahnung entstehen lässt. Fast wie beim Lesen. Das ist das passend karge Ende eines ungewöhnlichen Horrorfilms. Aber gerade auch weil Jordan Peele uns mit vielen Fragen allein zurücklässt, schindet "Us" schon wieder mehr Eindruck als so manch anderer filmgewordener Egotrip.

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                                          • 4 .5
                                            über Glass

                                            M. Night Shyamalan ist wahrlich nicht zu beneiden. Zwei Mega-Kunststücke haben seine Karriere quasi definiert. Seither warten alle darauf, um zu sehen, ob es ihm abermals gelingen wird, einen Blitz in einer Flasche einzufangen. Meistens stellt sich dabei aber eher die Frage, ob Shyamalans Manierismen der Beleg eines hintersinniges Verständnisses der Erzählkunst sind. Oder ob sich da einfach nur einer mit einem Freifahrtsschein austobt.

                                            Auch "Glass", das späte Ergänungswerk seines zweitbesten Wurfs "Unbreakable", vermurkst Shyamalan. Wohl mit der Absicht, der Ewrwartungshaltung des Publikums entgegenzuwirken. Stattdessen sorgt das hingegen für eine regelrechte Über-Antizipation, die mit recht lustlosen Ideen bedient wird.

                                            Was daran vor allem nervt, ist die Spiellaune des Triumvirats Jackson, McAvoy und Willis. Es braucht ja heutzutage schon enormes Glück, Bruce Willis eine Rolle mit Lust beleben zu sehen. Seine Rückkehr in die Haut des unzerbrechlichen David Dunn mag etwas oberflächlich erscheinen. Wirkt aber im Gegensatz zu vielen anderen Karikatur-Auftritten geradezu glaubhaft. Und noch immer scheint der Glanz der glorreichen Idee, Dunn gegen die Horde antreten zu lassen. Jenem überraschenden Appendix aus "Split".

                                            Das versprach Großes. Verwandelt sich nach einer ersten, teaserhaften Begegnung leider in eine endlos wirkende Therapiestunde. Gerade diese angezogene Handbremse schadet "Glass" gewaltig. Denn bis Samuel L. Jackson im Purple-Rain-Gedächtnislook als Bösewicht Mr. Glass erwacht oder überhaupt irgendwas anstellt, vergeht eine lähmende Ewigkeit.

                                            Zeit, die M. Night Shyamalan damit überbrückt, Sarah Paulson als Psychaterin und Superkräftezweiflerin zu verheizen. Eine Rolle, die spät noch gerechtfertigt wird. Aber deren Hintergrund auch ziemlich interessenlos angerissen erdacht wirkt. Und das ist auch das größte Ärgernis an "Glass". Nachdem "Unbreakable" einen der besten Real-Life-Ansätze zum Thema Comichelden hervorbachte, pflügt Shyamalan einen Acker, auf dem es nichts zu ernten gibt.

                                            Sämtliche Einwürfe über Superhelden, die Gespräche mit Glass' Mutter oder das Ringen um den unschuldigen Teil Kevin Wendell Crumbs sind realtiv uninteressant und teils unmotiviert. Was natürlich auch eine der wirklich spannendsten Eingebungen betrifft. Die Vorstellung, neben Helden und Schurken noch eine dritte Partei zu etablieren, kommt so spät wie auch beinahe nichtssagend.

                                            M. Night Shyamalan kann sich eben auch hier wieder nicht als meisterlicher Strippen-zieher etablieren. Dafür geht "Glass" nicht tief genug. Weder was den psyhologischen, noch den emotionalen Bereich betrifft. Für seine Stars, dem wiederum tollen Persönlichkeiten-Mosaik McAvoy hin zu so tollen Nebendarstellerinnen wie Paulson und Anya Taylor-Joy, wäre da ein auch fordernder Stoff wünschenswert gewesen.

                                            Für "Glass" gilt: Bedachtsamkeit und Langsamkeit sollten eben nicht verwechselt werden. Genauso wie Leerlauf schnell in tödliche Langeweile umschlagen kann. Selbst wenn er einen Gegenentwurf zum sonstigen Comic-Gedöhns im Hinterkopf hatte, Shyamalan sollte es besser wissen. Nur davon zu reden und nicht viel zu zeigen, ist nun einmal nicht das Wesen der Helden aus den bunten Bildergeschichten.

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                                            • 8

                                              Luv it or hate it. Ewan McGregor und seine Junkie-Bagage stehen so sehr für die 90er wie der Game Boy, Tamagotchi und die Überschwemmung Berlins mit lustig ge- und entkleideten Ravefans zu den glücklichsten Loveparade-Tagen. Danny Boyles Ankündigung einer Fortsetzung hat dennoch schon was Provokatives. Aber Entwarnung: "T2 Trainspotting" ist keineswegs die befürchtete Glorifizierung des Drogenkonsums. Wenn überhaupt, verdeutlicht diese Rückkehr ins Milieu von Edinburgh, wie es dort und anderswo viele Leute nötig haben, sich mit irgendwas aus ihrem Leben abzuseilen. Und wenn nur in kleinen Dosen.

                                              "T2" ist so etwas wie der böse Bruder der High-School-Reunion-Märchenstunde. Davon gibt es natürlich auch schon einige. Deswegen gehe ich mal all in und sage, derlei unterhaltsame, wie auch deprimierende Stoffe übers Bilanzziehen gibt es schon weniger. Jedenfalls lösen nicht alle so viele unterschiedliche Emotionen zur selben Zeit aus. Von beispielsweise Schadenfreude, Ungläubigkeit bis zu echtem Mitleid ist quasi alles dabei.

                                              Und das glückliche Händchen des Danny Boyle wird abermals an der Tatsache deutlich, dass sein Trainspotting-Sequel sowohl im Rahmen seiner einstigen Clique funktionert, wie es auch ein Spitzenportrait einer Gegend abgibt, die von den sozialen und wirtschaftlichen Entwicklungen überrollt wurde. Wo sich manche im Club zudröhnen und andere sich im Vereinsheim auf die verblasste protestantische Größe der Heimat einen hinter die Binde kippen.

                                              Im Kern bleibt es natürlich trotzdem die Rückkehr des Mark Renton in seine Heimat und zurück zu seiner Chaoten- und Psycho-Truppe, die vor zwanzig Jahren hinter sich ließ. Und die sind – leider oder Gott sei Dank – immer noch die selben. Sick Boy finanziert seine Dröhnung mit Erpresservideos, Franco ist immer noch die menschgewordene Handgranate mit gezogenem Stift und Spud bleibt die tragischte Sau unter der Sonne.

                                              Für uns gibt es zum Glück auch eine echte Handlung oder solle ich sagen, Motive, denen "T2" nachgeht. Von offenen Rechnungen, Gaunereien oder einfach dem Versuch, die Scherben zusammenzukehren und alles auf die Reihe zu kriegen. Trotzdem sehe ich am meisten Typen, die ihren jüngeren Schatten nachjagen und sich auf der Flucht befinden vor den Anforderungen des geordneten Erwachsenenlebens. Das ist manchmal einfach mal nur komisch, bisweilen ernsthaft abgefuckt. Und wird die ganze Zeit von einem Killer-Soundtrack getragen, nach denen sich unzählige andere die Finger lecken dürfen.

                                              Wie nach der Balance, mit der "T2 Trainspotting" unzählige Zitate des Originals umherschwirren und Nostalgiesucht auf eine Weiterentwicklung treffen lässt. Es schrie nach einer unmöglichen Fortsetzung, abgeliefert wurde ein großer Trip in die Vergangenheit, der Unmöglichkeiten mit Leichtigkeit wegsteckt.

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                                              • 6

                                                Betrunkene und Kinnder sagen ja bekanntlich immer die Wahrheit. Nur geglaubt wird ihnen deswegen nicht. Als titelgebendes "Girl On The Train" gibt Emily Blunt eine völlig abgestürzte und unberechenbare Schnapsdrossel, die neidisch das Familienglück ihres Ex-Gatten beäugt. Und nach einem Blackout blutbesudelt aufwacht, als in der Stadt die ehemalige Nanny ihres Verflossenen vermisst wird.

                                                Und da zeigt sich gleich die größte Schwäche der Bestseller-Verfilmung. Es ist irgendwie alles ganz schön kompliziert und vor dem Verschwinden der Nanny Megan hat "Girl On The Train" schon ein volles Programm an Problemen wie Selbstzerfleischung und Seelenballast runtergespult, das die Entfaltung einer wirklich fesselnden Thriller-Handlung etwas behindert.

                                                Ich muss natürlich zugeben, dass dabei schon klar wird, worin sich dieser Film von "Gone Girl" unterscheidet. Beide Titel wurden vorab etwas miteinander verglichen, wohl wegen der Sache mit einer weiblichen Autorin und Frauenfiguren, die zur Abwechslung die Genre-Strippen ziehen dürfen. An derlei Gedanken im hinterkopf muss der Film scheitern.

                                                "Girl On The Train" dreht sich eben nicht um eine Protagonistin. Letztlich wird ein Beziehungsdreieck dreier Frauen ergründet, bei dem es auch einige Zeit braucht. Zeit, um Fragen und Zweifel zu streuen und die Glaubwürdigkeit von Erinnerungen auf die Probe zu stellen. Und überhaupt, bis sich so etwas wie ein Gegenpart herauskristallisiert.

                                                Dieser Ansatz um fünf Ecken fördert zwar auch eine wirklich tolle Leistung von Emily Blunt zutage. Büßt dafür aber auch an anderer Stelle einiges Einfühlungsvermögen für Blunts "Schicksalspartnerinnen" Rebecca Ferguson und Haley Bennett ein. Ganz kalt lässt es einen natürlich nicht. Die Entfaltungsräumen einer geschriebenen Vorlage und den dramaturgisch notwendigen Straffungen einer Verfilmung machen aber schon den Unterschied. Wenigstens läuft das alles nicht auf einen überkonstruierten Twist hinaus, sondern auf einen, zwei schmerzliche Dreher. Aber für wen, das kann schon selbst herausgefunden werden.

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                                                • 5 .5

                                                  Oh ja, das lang angekündigte Queen-Biopic. Zwischenzeitlich schien eine Einhorn-Sichtung wahrscheinlicher als die Verfilmung des viel zu früh gestoppten Triumphzugs Freddie Mercurys und seiner Band-Kollegen. Doch dann ging alles plötzlich sehr schnell und die Welt wird für ihr Warten mit "Bohemian Rhapsody" belohnt.

                                                  Was ich von dieser Unternehmung habe, kann ich eigentlich auch nicht so genau sagen. Was ich jedenfalls geboten bekomme, ist eine recht wählerische, wie auch selbstgefällige Erzählung, bei der mitunter Glanz und Glorie zum Greifen nah sind und doch unerreichbar hinter einer Trennscheibe aus Milchglas bleiben.

                                                  Ganz klar unschuldig an der Misere ist die engagierte Besetzung, bei der natürlich vor allem Rami Maleks kongeniale Spielweise hervorsticht, mit der er Freddie Mercury für die Leinwand neu erfindet. Den Oscar hat er sich wirklich verdient, denn Maleks Gig steht Großtaten wie der von Val Kilmer in "The Doors" oder Joaquin Phoenix in "Walk The Line" in nichts nach. Auch dann, wenn er nur die Lippen zu Mercurys echtem Gesang bewegt.

                                                  Das Problem von "Bohemian Rhapsody" ist eine Mixtur zweier Umstände, die bei Biopics jeden guten Vorsatz grillen: erstens, ist das Leben eines Menschen nicht gleich-bedeutend mit einer guten Geschichte. Und zweitens wird es immer dann eng, wenn sich die Macher allein auf die Aussagen einiger weniger verlassen.

                                                  Hier wären das natürlich die Herren Brian May und Roger Taylor. Beide halten ja seit geraumer Zeit alleine Fackel und Erbe der übergroßen Queen am Leben. Selbstredend haben sie dabei auch ein Interesse daran, auch die eigenen Beiträge an der Legende zu betonen. Und wer könnte es ihnen verdenken? Queen sind eine Band, bei der jedem Mitglied mindestens ein Welthit gelang.

                                                  In der cineastischen Aufarbeitung resultiert dies allerdings in einer verzerrten und recht verknappten Historie, die zu großen Teilen von den "gefühlten" Erinnerungen Taylors und May's genährt scheint. So lautet denn die bequemste Antwort auf die ärgerliche Frage, wie um alles in der Welt Freddie Mercury so dargestellt werden konnte? Als öffentlich begnadeter Entertainer-King vor dem Herrn, der sich privat ins verrauschte Partyleben flüchtet und dabei die gesitteten Mit-Königinnen verprellt? Oh, please!

                                                  Ich selbst habe vielleicht keinen Abschluss in Queenologie, aber als interessierter Leser und Freund des Musikjournalismus weiß ich, dass hier Fakten sehr frei ausgelegt und verrührt wurden. Wäre ich jetzt nur Mercury-Fan, könnte mich das Bild von Freddie als Primadonna und einziger Störfaktor im Bandgefüge allein schon auf die Palme bringen. Während die Momente der inneren Zerrissenheit Mercurys zwischen seiner Sexualität und seiner Freundin Mary Austin noch zu den aufrichtigsten Momenten des Films zählen.

                                                  So wie es auch die Konzert-Szenen (natürlich das Wembley-Finale), die Studio-Aufnahmen und das gelegentliche Frotzeln innerhalb von Queen sind, die "Bohemian Rhapsody" über seine weiten Strecken tragen. Und doch können solche Moment-Aufnahmen den Gesamteindruck nicht wettmachen, dass hier eine Version der Geschichte zusammengeschustert wurde, die in signifikanten Teilen einfach nicht stimmt oder zu vieles sehr schnell und einfach abhandelt (der Sprung vom ersten Album zum übergroßen, legendären Rhapsody zum Beispiel).

                                                  Treffenderweise spiegelt sich das auch auf handwerklicher Ebene wider. So wurde zwar einiger Aufwand betrieben, um die Darsteller in das Abbild von Queen zu verwandeln. Dafür lassen die künstlich generierten Konzertmassen den Film beinahe wie ein TV-Movie wirken, das ausschließlich im Studio gedreht wurde.

                                                  Aber vor allem, über all diese ärgerlichen Punkte hinaus, gibt es ein Argument, das sich "Bohemian Rhapsody" einfach gefallen lassen muss. Der Film ist vielleicht eine Rekapitulation der glorreichen Queen-Tage. Als Biopic und Charakter-Studie hingegen fallen die Einblicke ins Wesen Freddie Mercurys dann doch eher oberflächlich und fast schon nichtssagend aus. So bleibt das Dilemma beinahe aller posthumen May- und Taylor-Versuche immer das gleiche: Es wird einem eine Fantasie geboten. Ein schöner Traum, doch der geht ein Stück zu weit auf Kosten der Wirklichkeit.

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                                                  • 3 .5

                                                    Einsamer Profi im Vitalzeichen-Beendigungs-Geschäft hat Erbarmen und nimmt sich einer minderjährigen Zielperson an. Selten so viel inhaltliche Innovationskraft auf einen Haufen gesehen. Wow.

                                                    Aber ganz ehrlich: Nicht-Wow. Eher bäh. Schließlich gibt "The Hunter's Prayer" der Welt nichts, was sie nicht schon vorher gesehen hätte. Und dies dann auch noch so schläfrig und ereignislos, dass ich nach ein paar Tagen glatt vergessen hatte, den Film wirklich durchgestanden zu haben.