mikkean - Kommentare

Alle Kommentare von mikkean

  • 8 .5
    über Joker

    Keine Ahnung, ob wir Todd Phillips wirklich dicke Cojones andichten müssen. Es ist dennoch faszinierend, wie der Mann, der mit der Hangover-Saga Fremdschäm-Humor mit Witzen über Mikropimmeln oder Samen im Darm zelebrierte, plötzlich den düsteren Film der Stunde abliefert. "Joker" ist tatsächlich so etwas wie die längst überfällige 180 Grad Wende des Comic-Kinos und seiner sehr verlässlichen Abläufe. Und das alles zum 80. Jubiläum des Dark Knight!

    Für DC ist es ein Befreiungsschlag aus der selbst verzettelten Franchise-Sackgasse. Und für die helden-verwöhnte breite Masse ein echter Aussetzer des Systems. Dieser Trip führt direkt zurück in die ungute alte Zeit des Rotten Big Apple. Als es noch Brennpunkt Brooklyn hieß und die Stadt Heimat des Taxi Drivers, des King of Comedy (ja, ja Scorseses Einfluss ist unverkennbar) aber auch Ferreras Frau mit der 45er Magnum war.

    "Joker" ist eine wirklich gnaden- wie schonungslose One-Man-Show (und Tortur) für und von Joaquin Phoenix. Allein seine abgemagerte Erscheinung ist schmerzhaft anzusehen, aber der wahre Reiz dieser Psychostudie geht natürlich vom fort-schreitenden Zerfall des Arthur Fleck aus. Mitzuerleben, welcher Tiefschlag nun aus dem angeknacksten (und durchaus noch bedauernswerten) Versager jenen Chaos-Zündler werden lässt, der sich als Batmans Nemesis erweisen wird.

    Aber halt. Dieser Joker wandelt sich nicht sofort zum Giftgas versprühenden Massen-mörder, noch zum Oberhaupt seiner eigenen Clown-Armee. Wenn überhaupt, ist es Phillips klügster Schachzug, sich einen Charakter anzueignen und dessen Comic-Vermächtnis außen vorzulassen. Das erlaubt ihm auch, Thomas Wayne nicht als den idealisierten reichen Wohltäter, sondern als milliardenschweres Bonzenschwein zu porträtieren. Als Sinnbild für die Ära der Trumps und anderer Politclowns dieser Welt, die sich nicht einmal mehr in den Sphären der Polemik bewegen und ganze Wählerschaften als minderwertig diskreditieren.

    Ganz richtig, das ist auch so ein erwähnenswerter Aspekt an diesem Film. Und passt sich neben dem glaubhaft ranzigen Retro-Design glänzend in die Darstellung Gothams als fauligen Moloch, den ein gewisser Ra's al Ghul niederbrennen will.

    Da enttäuscht es nicht einmal, dass es "Joker" an einigen Punkten etwas mangelt. Wie etwa wirklich gleichwertigen Figuren an Flecks Seite. Nicht falsch verstehen, die sind nicht selten gut bis hochkarätig besetzt (vor allem De Niro zu gewinnen macht viel aus), doch auch sie bereiten letztlich nur die Bühne für Phoenix übergroße Darstellerleistung. Und auch eine Botschaft (wie Hoffnung, Vertrauen in Recht und Ordnung oder Superhelden) will nicht so recht in Erscheinung treten.

    Das wäre allerdings angesichts der Handlung eine knausrige Forderung. Schließlich setzt "Joker" ganz auf die Wucht der Taten seines Protagonisten. Und Arthurs Ausgangslage allein steht schon für das institutionelle Versagen einer überforderten Gesellschaft, die Fälle wie diese mit Medikamenten und Gesprächsterminen abspeist.

    Zudem fällt auch auf, dass "Joker" einiges mit "Psycho" gemein hat. Vor allem was die Beziehung zur Mutter betrifft. Und auch da war Alfred Hitchcock vorrangig an einer meisterhaften inszenierten Thriller-Erzählung interessiert und nicht am gesellschaftlichen Diskurs über die Behandlung psychischer Erkrankungen.

    Von dieser Reife ist Todd Phillips zwar noch ein Stück weit entfernt. Trotzdem ist es ihm anzurechnen, dass er mit einem beunruhigend glaubwürdigen Psychogramm punkten will und nicht mit einer abstoßenden Gewaltorgie. Die Morde oder besser die Opfer sind nachvollziehbar gewählt und Flecks Fall und Aufstieg als Joker erhalten dank eines genialen Hauptdarstellers und eines gut durchdachten Scripts die Präzision eines in Zeitlupe gefilmten Zugunglücks.

    Von gravierende Schwächen kann in diesem Kontext gar nicht gesprochen werden. "Joker" beantwortet Fragen und Forderungen seines Genres eben auf eine ungewohnte und grimmige Weise. Aber das passt zu seinem Setting, in dem vom Fernsehstar, zum Politiker bis hin zum Sitznachbar ein jeder dem anderen nicht gerade freundlich begegnet. In diesem Gotham muss ein Clown einfach verrückt werden. Wenn er es nicht schon ist.

    15
    • 10

      Auf den ersten Blick passen sie eigentlich gar nicht zusammen: die Nixe Stéphanie, die mit den Schwertwalen schwimmt und Alain alias Ali, der seinen Lebensunterhalt mit seinen Muskeln bestreitet. Doch nach der ersten Zufallsbegegnung werden sich diese zwei gegenseitig auf dem Rücken des anderen ins Leben zurücktragen, auch wenn der Weg ans Ziel mit vielen Schicksalsschlägen gepflastert ist.

      Diese Würdigung war längst überfällig. Jacques Audiards "Der Geschmack von Rost und Knochen" verdient sie für jede einzelne Sekunde. Wir sprechen hier nicht nur von einer tragisch gefärbten Romanze. Nicht bloß von einem Liebesfilm. Es ist ein Monument für die Kraft der Liebe, die unverhofft gedeiht und Einschlägen trotzen muss, die nicht wiegen als hätten die Götter den Hammer geschwungen.

      Hier liegt alles so nah beieinander, Glück wie Unglück, dass von einer Sekunde auf die andere Normalität oder leichtes Hochgefühl, mit dem sprichwörtlichen Boden unter den Füßen weggezogen werden. Gerade stehst du noch auf den Beinen, dann wachst du auf und blickst auf eine Leere, die von den Hüften abwärts beginnt. Audiards Epos ist mit nicht wenigen Einschnitten dieser Gewichtsklasse geschmückt und wirkt dennoch niemals überladen oder unglaubwürdig.

      Viel eher geht von diesem Werk eine Anziehungskraft aus, die natürlich zu großen Teilen auf dem Spiel von Marion Cotillard und Matthias Schoenaerts beruht, aber auch aus der sicheren Handhabe der Erzählung beruht. Da passt nicht nur jedes (auch nicht gesprochene) Wort, jedes Bild und der Kontrast zwischen markerschütternder Stille und jedem geflüsterten Schrei.

      Sicher, "Der Geschmack von Rost und Knochen" ist eine Tortur fürs Publikum. Dieser Film will nicht, dass jemand mitschluchzt oder mitfühlt. Es darf nicht weniger als gelitten werden. Und sei es nur während dieses zögerlichen Prozesses, bei dem sich der Stiernacken Ali langsam für die emotionale Intelligenz erwärmt, um seinen Sohn ein besserer Vater zu sein. Oder wenn es ihm langsam dämmert, dass viel Miteinander schlafen auch was auf der Gefühlsebene mit einem macht.

      Es ist nicht weniger als bewundernswert und zum Niederknien, wie ein solcher Film es schafft, jeden Augenblick des Weges seiner leidgeprüften Figuren unverzichtbar zu machen. Doch dieser Marsch ist es wert. Allein schon um mitzuerleben, wie sich Ali und Stéphanie am Ende gegenseitig stärken und genug Kraft spenden, um wiederum auch gemeinsam feinfühlig sein zu können.

      Ein Film, der an die Nieren geht und weit darüber hinaus geht, aber ebenso auch aufbauend wirkt und unglaublich schöne Momente bereithält. Nicht nur großartig, sondern sprichwörtlicher (emotionaler) Wahnsinn ist.

      9
      • 3 .5

        Wie heißt es doch schön bei Stephen King? Manchmal ist der Tod besser und Remakes wie das von "Friedhof der Kuscheltiere" blieben lieber nur Hirngespinste. Kevin Kölsch und Dennis Widmyer machen sich an einem von Kings unheimlichsten und emotional dicht erzählten Klassikern zu schaffen und beweisen doch nur, worin einige der grundlegendsten Verständnisse beim Adaptieren bestehen.

        Die Begräbnisstätte der Micmacs wie den Vorhof von Mordor aussehen zu lassen (und das nicht einmal überzeugend getrickst) wird mit Atmosphäre verwechselt. Kinder mit Tiermasken ohne Zweck aufmarschieren zu lassen, genauso verschenkt wie das Etablieren solch wichtiger Motive wie die vorbei schnellenden Orinco-Trucks oder die warnenden Besuche von Victor Pascow.

        In dieser 2019er Neuauflage ist "Friedhof der Kuscheltiere" bemühen sich ganz gute bis sehr gute Darsteller, einem Script echte Gefühlsregungen zu verleihen, wo die Macher vor allem den Vorschlaghammer schwingen und vordergründige Shocks setzen. Das geht wie im Falle des großen Laster-Unglücks noch in Ordnung, später aber setzt die Sache mit dem untoten Mädel und ihrer bösen Zunge die Sache an die Wand.

        Nicht, dass dieser Aspekt nicht werkgetreu wirken würde. Er ist nur ein Detail eines ansonsten sehr 08/15-mäßigen Finales, das auch noch die Auflösung vergeigt und eher nach Rob Zombies nächstem Familienfilm ausschaut, als denn nach Stephen King.

        Und selbst wenn Kunst und Horror jeweils ganz der subjektiven Betrachtungsweise unterliegen, ich verspüre bei diesem "Pet Sematary" keine Schauer, ich muss mit dem Kopf schütteln. Lässt diese Fassung doch sinnvolle Freiheiten und Abwandlungen vermissen, wie sie Mary Lambert noch mit der Prise schwarzen Humors bot, um die Wandlung des kleinen Knuddels Cage irgendwie auch erträglich darzustellen. Ganz zu schweigen von der emotionalen Bindung, wie sie noch "IT" zuletzt bot.

        Stoffe wie dieser gehören nicht verschlimmbessert, sie bedürfen eines Einfühlungs-vermögens, wie sie der neue "Friedhof der Kuscheltiere" für aufgesetzten Horror außen vor lässt. Und zudem den Eindruck erweckt, als wäre hier die To-do-Liste einer Zusammenfassung abgehandelt worden.

        Wirklich schade. Mit Titeln wie diesen kommt die neue Welle der King-Verfilmungen schon ins Stocken, nachdem sie gerade erst fahrt aufgenommen hat.

        4
        • 6

          In "The Road" tauchte John Hilcoat noch die ganze Welt in düster-trostlose Farben und zauberte damit die Kulisse eines erschreckend ausgemergelten Planeten der Hoffnungslosigkeit. In "Triple 9" darf er wenigstens Kate Winslet als Mob-Chefin inszenieren, die eben noch liebes Tantchen war und dann wieder Leute zerkleinern lässt.

          Ganz klar hat Hilcoat sich einen straighten Stoff ausgesucht, der moderate Actionkost liefert und schlimmstenfalls dem Heist-Genre keine neuen Züge abgewinnt. Dabei kann "Triple 9" aber auch zugutegehalten werden, dass er weniger als Rennpferd, denn als Charakterstück über verkommene Cops in einer nur oberflächlich schicken Stadt verstanden werden kann.

          Dass Cops, die ihr Insiderwissen und Know-how zur eigenen Bereicherung nutzen (oder dafür erpresst werden) und gegebenenfalls Beute ungern teilen, ist jetzt nicht mehr ganz taufrisch. Dafür gibt es mit der Story um Chiwetel Ejiofors Figur eine noch interessante Handlung, die über nächstliegende Motive hinausreicht.

          Ansonsten ist John Hilcoat ein später kleiner Bruder von "Heat" gelungen, der gute, wenn auch nicht überragende Momente in Sachen Überfälle und Standoffs liefert und bei dem einige große (und mittelgroße) Namen wie Gal Gadot, Aaron Paul oder Woody Harrelson unterm Strich überraschend wenig zu tun haben.

          3
          • 5 .5

            Klassenkampf, Chaos, Unzucht und als Hauptgang wird gebratener Hund kredenzt. Für Roman-Verfilmungen gibt es sicherlich leichtere Kost als "High-Rise". Ben Wheatley aber schickt freudestrahlend sein illustres Ensemble auf diesen überladenen Abstieg in den Wahnsinn, bei dem der Grenzwall der sozialen Hackordnung ebenso aufgeweicht wird wie die moralische Hemmschwelle zum unbeschwerten Ausleben der Urtriebe.

            Kernaussagen oder inhaltliche Kohärenz verkommen dabei zu unbedeutenden Randdetails im Interieur des erlesen hässlich gestalteten Betonmonolithen. Wheatley setzt ganz auf die Wucht der Bildmontage und den Ausdruck seiner Darsteller, die weniger Szenen spielen, als Bewusstseinszustände zu verkörpern.

            Aber das birgt nun einmal auch die Gefahr, dass "High-Rise" selbst zu einer Kunst-Installation, als den einem filmischen Erlebnis verkommt. Also, wie die Kopfgeburt eines Genies wirkt, der mit seinen eigenen Gedanken ein bisschen zu sehr im eigenen Allerwertesten steckt.

            Womit auch die Fülle an Deutungsmöglichkeiten teilweise gar rein suggerierter Natur erscheint, da ein echter Plot so gar nicht existiert. Während immer wieder zwischen all den Abscheulichkeiten des Ausnahmezustands auch so manch treffende Spitze in Richtung Sozialsatire oder ganz fieser Humor aufblinken.

            Aber an sich stellt "High-Rise" eher einen dieser ganz besonderen Titel für Connaisseure dar. Was auch wieder ein freundlichere Umschreibung für selbstverliebte Werke ist, über die sich großspurige Abhandlungen schreiben lassen, während ihnen die eigene Cleverness gerade den beschworenen Zugang zur breiten Masse versperrt.

            Nicht böse sein. Ich könnte jetzt wirklich einige Zeit nachdenken und Beispiele für sehr gelungene Ideen aus diesem Wimmelbild der Degeneration raussuchen. Oder einfach gleich zu David Cronenbergs "Shivers" greifen, der in mancher Hinsicht das Gleiche erzählt. So ist das halt mit der Kunst und der Ansichtssache.

            1
            • 5

              Superman mal in böse – die Idee ist ganz gut, der Film leider nur so halb. Weil "Brightburn" sich neben der Origin-Story des Sohns von Krypton auch massig bei "Das Omen" und dem Slasher-Genre bedient. Und Letzteres mit der Zeit echt affig wirkt.

              Als ob Jackson A. Dunn als Brandon Breyer nicht schon genug creepy wirken würde, muss er dann noch immerzu mit seiner Stoffmaske und Cape über den Boden schweben. Ein Effekt, der sich dann doch schnell abnutzt.

              Doch auch insgesamt wird das sinistre Superboy-Gedankenspiel der James-Gunn-Verwandten Brian und Mark kaum über ein überschaubares 08/15-Mörderspiel genutzt. Wodurch gute Ansätze wie die zunehmende Hilflosigkeit und das folgende Entsetzen der, von Elizabeth Banks und David Denman gespielten, irdischen Zieheltern unterbuttert werden. Während der Horrorpart doch noch gut funktioniert, aber auch nicht wirklich innovatives bietet.

              Dafür sind die Opfer einem auch größtenteils zu egal. Und es stellt sich, angesichts der zwiespältigen Tonalität des Abspanns, ob "Brightburn" mit apokalyptische Ängsten spielt oder augenzwinkernde Keckheit beim Umgang mit ikonischen Stoffen mit perverser Schadenfreude, samt hunderter Todesopfer verwechselt.

              So oder so bleibt "Brightburn" ein echter Jein-Film, bei dem sich gute wie abgestandene Einfälle immer die Waage halten. Und so auch die richtig fesselnden Aspekte der Grundidee außen vor lassen. Was dann übrigbleibt, ist lediglich irgendwie überdrehter Pubertät-Horror, der ansonsten kaum vom Hocker reißt.

              5
              • 3 .5

                Glückwunsch, Herr Kinberg! Sie haben ein sorgsam aufgebautes Franchise mal eben an die Wand gefahren. Damit ist Ihnen Spott, Häme und ein galaktischer Dislike von Millionen von Comic-Fans sicher.

                So oder so, bei "X-Men: Dark Phoenix" darf sich nicht nur Autor und Regie-Debütant Simon Kinberg am Kopf kratzen. Auch dem geneigten, wie sehr interessierten Publikum mag es schwerfallen, an diesem Mutantenfilm etwas Positives zu finden.

                Dabei spielten die X-Men sicherlich nie in der Oberliga der geltungssüchtigen Comic-Spektakel, wie sie Marvel so selbstsicher aus der Hüfte schießt. Somit kann uns ein Mangel an umwerfenden Effektleistungen, wie sie spätestens beim Straßenkampf zwischen Team Xavier und Team Magneto offensichtlich werden, nicht sonderlich aus der Bahn werfen.

                War es doch stets der menschliche Faktor und die zugrundeliegende Darstellung der Angst der Normalo-Gesellschaft gegenüber allem Unnatürlichem, der hier den wahren narrativen Drive ausmachte. Ein leises Echo davon findet sich auch in "Dark Phoenix". Aber was Kinberg in einer neu erdachten Story vielleicht greifbar und "relatable" für Nicht-Kenner machen wollte, wirkt erschreckend undifferenziert und aufgesetzt abgehandelt.

                Das wahre Ausmaß des Comic-Kosmos, der hier Pate stand, muss die Filmversion zwangsläufig vernachlässigen. Was nicht einmal das größte Vergehen darstellt. Aber dieser Albtraum von göttlicher All- und Zerstörungskraft und psychischer Instabilität wirkt dermaßen gleichgültig erzählt, als wäre es den Machern selbst egal gewesen, was für einen Film sie da anfertigen.

                Dies ist der gleiche Fehler, den schon "Der letzte Widerstand" seinerzeit machte: große, einschneidende Momente, aber kein Gefühl dahinter. Bei "Dark Phoenix" scheint sich diese fehlende Einfühlungsvermögen auch auf die Darsteller übertragen zu haben. Nicht nur Jennifer Lawrence, auch Nicholas Hoult oder Michael Fassbender wirken stellenweise so motiviert wie beim Nachsitzen nach Schulschluss.

                Und selbst wenn das Vorhaben darin bestand, mit allen Änderungen und Kürzungen der Vorlage, eine verhältnismäßig zugängliche Geschichte für unkundige Zuschauer zu kreiieren, ging das stark daneben. Dieser letzte 20th-Century-Fox-Mutantenstadl bietet nicht mehr als ein gleichgültiges Gepansche aus "Akira", formwandelnde Aliens (ganz was Neues!) und super verlangsamten Aufnahmen von kosmischen Eruptionen oder zerbröckelnden Gestalten.

                Es ist wirlich schade, aber "X-Men: Dark Phoenix" kickt die einstigen, tiefgründigeren Ansätze der Serie über Bord und lässt den Vorreiter des modernen Comic-Kinos in dieser Reinkarnation so beliebig wirken wie jede andere Sci-Fi-Action-B-Ware. Der Film ist ein einziges Schnarch, die Reaktion darauf nicht mal einen Seufzer wert.

                2
                • 7

                  Tja, die Quadratur des Kreises ist Andy Muschietti nicht gelungen. Aber wer hatte auch ehrlich gesagt erwartet, dass "ES Kapitel 2" in Sachen Emotionalität und Schauer mit seinem Vorgänger gleichziehen oder diesen sogar überflügeln würde? So feiert der Club der Verlierer eine überlange, aber nicht so langweilige, Reunion, um dem wiedererstarkten Pennywise endgültig den Garaus auszumachen.

                  Dabei geht der unheimliche Reiz des ersten Kapitels stellenweise leider verloren. Statt wieder mit den verborgenen Ängsten aus dem tiefsten Unterbewusstsein zu spielen, begnügt sich Muschietti ein bisschen zu sehr damit, Bill Skarsgård im Clownskostüm allerlei Transformationen der Extremitäten und des Kiefers darzubieten. Und ja, dieses Schielen hat immer noch was.

                  Was den Film auf der Horror-Ebene aber von einem gleichwertigen Sequel/zweite Hälfte zu einem eher aufgeblasenen Schock-Spiel schrumpfen lässt. So als hätten wir Pennywises Arsenal an Erscheinungsformen quasi in der ersten Runde abgehandelt, gibt es in "ES Kapitel 2" kaum noch wichtige, wie richtige Schauer-Momente, die wirklich zum Verlauf beitragen können. Da ist es eben geradezu oberflächlich schockierend, wenn der Clown zwei minderjährige Opfer brutal aus dem Leben reißt.

                  Andererseits wird mit dem Erwachsenen-Cast von James McAvoy zu Jessica Chastain zu Bill Hader oder Isaiah Mustafa eine echte Geheimwaffe aufgefahren wird, die in den besten Augenblicken an die emotionalen Stärken des ersten Kapitels anzuknüpfen versteht. Zwar wird auch hier vieles komprimiert (die Ehepartner von Bill und Beverly sind bloße Randnotizen), aber wenn es Klick macht, dann sind die Gefühle echt und nicht bloß rührseliges Geplänkel.

                  Und wenn wir bedenken, dass Stephen Kings Wälzer-Vorlage voller Anekdoten und Kapitel steckt, die Derry zum sprichwörtlichen Hort des Bösen machen, die quasi unmöglich in zwei Filme dieser Länge gesteckt werden konnten, stellt "ES Kapitel 2" unterm Strich einen ganz guten Kompromiss dar. Die Story ist getrimmt und vielleicht sogar zu geradlinig. Dafür bleiben die Charaktere jederzeit noch im Fokus des Geschehens, was im Horrorgenre ja auch nicht immer der Fall ist.

                  Nur wer jetzt tatsächlich mit der Schildkröte Maturin gerechnet hat, muss enttäuscht werden. Was auch alle Hoffnungen betrifft, die dachten, die erste Runde würde in jeglicher Hinsicht getoppt werden. Und wer diese schon scheiße fand, wird jetzt auch nicht konvertiert werden können.

                  So bleibt "ES Kapitel 2", wenn auch keine Meisterleistung, der längste Schocker des Kinojahres und Horror-Unterhaltung mit Abstrichen. Wie auch eine schöne Ergänzung und Alternativerzählung zum Zweiteiler von 1990.

                  4
                  • 7
                    über Kingdom

                    Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2019 und willkommen zu "Kingdom", dem nächsten Pflichttermin für Fans der epochalen Historien-Schlachten-Manga-Unterhaltung. Ernste geschichtliche Kulissen, bunte Stoffe, große Schwertkunst, markante Frisuren und "300"-Flair erfüllen dieses auf Epicness angelegte J-Blockbuster-Fest.

                    Fans und Kenner von Titeln wie "Azumi", "Ruroni Kenshin", "Shinobi" oder "Blade of the Immortal" dürften sich hier gleich wie zuhause fühlen. Auch, weil die Story um den Kampf um den Thron der Qin-Dynastie und wie die Waisenjungen und Sklavenarbeiter Shin und Hyou darin verwickelt werden, nicht allzu überfordernd aufgezogen wird.

                    Ganz klar im Fokus stehen Figuren mit aufopfernder Haltung, großen Träumen und übermenschlichen Fertigkeiten im Umgang mit der Klinge. Und natürlich gibt es da noch doch den bösen Bruder des Königs, der gemeines Volk menschenverachtend mit Ungeziefer gleichsetzt, die hinterlistigen, giftflüsternden Berater am Hof und eine gigantische Armee, die es zu bewältigen gilt.

                    Das hier auch mal abgedrehte Typen wie die gigantische Henkerbestie oder der schräg aussehende Schatten-Assassine auftauchen, gehört zur Natur der Sache. So wie die immer wieder aufblitzenden Schübe komischer Erkenntnisse, die einen auch mal an der geistigen Verfassung des Helden Shin zweifeln lassen.

                    Aber das ist für Asia-Leckerleien wie diese nichts Neues und Ungewöhnliches. Zumal es "Kingdom" auch fertigbringt, derlei abgeschmackte Schwarz-Weiß-Figuren-Zeichnung vergessen zu machen oder mit genügend gut aufgezogenen Tamtam in den Hintergrund zu rücken. Denn so ist es schlimmstenfalls ein bunt überzogener Comic-Fantasy-Actioner, in seinen besten Momenten fast schon so wie eben "300" oder gar "Hero".

                    3
                    • 7 .5

                      Mehr Action, größere Kollateralschäden und dazu wieder die drollig britische Gentleman-Haltung von Colin Firth. Für jedes andere Sequel wäre das schon ausreichend. "Kingsman: The Golden Circle" holt sich mit Halle Berry, Julianne Moore und Jeff Bridges weitere Oscar-Power ins Boot, lässt Channing Tatum halbnackt als Cowboy rumzappeln und lässt Sir Elton John locker mit seinem Diva-Image spielen. Und, oh ha, der Einstieg zu Princes "Let's Go Crazy" ist kongenial choreografiert.

                      Böse Zungen können natürlich meinen, dass die Kingsmen nur eine überdrehte Mischung aus den James-Bond-Filmen der Connery- und Moore-Ära und den Men In Black darstellen.

                      Andererseits ist Bond seit einiger Zeit eher eine bierernste Veranstaltungen, für coole Typen, die keinen Gesichtsmuskel zucken lassen, während sie Ärsche treten. Und dass die Männer und Frauen in Schwarz mit abnehmbarer Qualität und Überraschungs-Faktor in ihrer Fortsetzungen zu kämpfen haben.

                      Insofern hat "Kingsman 2", trotz der ein oder anderen Länge und vielleicht nicht mehr so vielen Wow-Momenten in der Handlung, immer noch die Nase vorn. Und liefert den filmischen Beweis, dass Amis und Briten mit überdrehten Vorstellungen immer noch etwas Gutes und Amüsantes auf die Beine stellen können. Anders als ihre Kollegen aus der Politbranche.

                      2
                      • 6 .5
                        über Darlin'

                        Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2019 und willkommen zu "Darlin'", der uns nach acht Jahren ein Wiedersehen mit der menschenfressenden, wilden Titelheldin aus "The Woman" bescherrt. Unverhofft kommt eben doch manchmal oft. Pollyanna McIntosh hat die Sache schließlich selber in die Hand genommen und führt die Kannibalen-Trilogie nach Jack Ketchum eigenwillig wie eh und je zu Ende.

                        Das kaum jemand nach einem Sequel von Lucky McKees Wildling-trifft-All-American-Psychofamilie-Vorgänger gefragt hat, ist bereits das lautstärkste Indiz für dessen Sonderstellung in der bluttriefenden Hinterecke des Indie-Kinos. Weshalb es auch kaum verwundern mag, dass "Darlin'" vor allem schroff und teils kryptisch zugleich erzählt wird und mit einem sichtbar moderaten Budget realisiert wurde.

                        Oder um es mal auszudrücken: Wenn "The Woman" "Nevermind" war, dann ist "Darlin'" ganz eindeutig "In Utero". Wie schon Kurt Cobain hat auch McIntosh kein Problem damit, mögliche Fans zu verprellen. Jedenfalls bricht der Film mit ziemlich allen Erwartungen, die nach dem Ende von "The Woman" entstanden sein könnten und zieht unbekümmert sein Ding durch.

                        Aus heiterem Himmel Darlin (Lauryn Canny), Zieh-Schwester/-Tochter von McIntoshs Woman erst in der Notaufnahme und anschließend im katholischen Mädcheninternat. Wo ein nicht ganz astreiner Bischof eine Aus-Mogli-wird-eine-Gläubige-Erziehungs-Nummer mit ihr plant. Nicht ganz einfach. Und selbstredend begibt sich die Darlins "Erziehungsberechtigte" zwischenzeitlich auf die Suche nach ihrem Goldstück.

                        Absolut löblich an dieser Erzählung ist, dass Pollyanna McIntosh verstärkt auf leise Töne setzt. Und selbst blutige Details (auch aus Kostengründen) nur sehr spärlich einstreut. Damit läuft "Darlin'" gegen so ziemlich jeden Trend des aktuellen Horrorkinos an. Was aber auch ganz klar eine Warnung an alle Gelegenheitsgucker sein muss.

                        Die verschiedenen Enden sind hier sehr locker miteinander verknüpft und es dauert wirklich eine Weile, bis sich einem die eigentlichen Motive der Geschichte erschließen. In dieser Hinsicht sind Pollyanna McIntosh weniger große und eindringliche Momente vergönnt, als sie McKee noch in "The Woman" gelangen. Das liegt aber nicht zwangsläufig am fehlenden Gespür fürs Regieführen.

                        "Darlin'" ist in seiner Gänze ein eher schwer verdaulicher Brocken, der im selben Atemzug als absolut uninteressant abgetan werden kann. Tatsächlich verbergen sich unter der rauen Oberfläche des Films ein paar interessante Figuren (die Mädelsclique, McIntoshs "Walking Dead"-Kumpel Cooper Andrews als Krankenpfleger) und Ansätze, aber die wirklich zu würdigen, wird einem etwas schwer gemacht.

                        Und so ist es auch nicht wirklich überraschend, dass McIntosh hier Themen wie das kirchliche Zerrbild der weiblichen Unterwürfigkeit, Hmophobie und sogar Kindes-missbrauch aufgreift, aber keines davon richtig zu Ende gedacht oder nur angedeutet wirkt. Schade ist das auch deshalb, weil "Darlin'" so einiges an Qualität als Schläfer einbüsst. Als einer dieser Filme, die anfangs komisch wirken und dennoch mit der Zeit zum Überdenken des präsentierten Kosmos einladen. "The Woman" hatte das, "Jug-Face" auch. Nur bei "Darlin'" ist schwer zu einzuschätzen, ob so ein Prozess überhaupt mal einsetzen wird.

                        2
                        • 7

                          Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2019 und willkommen zu "The Gangster, the Cop, the Devil", einer ganz besonderen filmischen Umsetzung vom Sprichwort über den Teufel, der in der Not Fliegen frisst.

                          Da hat Serienkiller Kang mal so richtig in die Scheiße gelangt. Sein jüngstes Opfer ist ausgerechnet Gangster-Boss Jang (Ma Dong-seok aus "Train to Busan"): ein Schrank von einem Mann, der seine Opponenten mit den eigenen Händen zu blutigen Klumpen schlägt. Und erst niemand, der einfach vergisst. Jang überlebt die Attacke und beißt tatsächlich in den sauren Apfel. Er schmiedet eine Allianz mit Kommissar Jung um das freilaufende Monstrum zur Strecke zu bringen.

                          Kaum zu glauben, trotzdem wahr. Wenn es ein Filmland schafft, einem ausgelutschten Genre abermals einen neuen Dreh zu verpassen, dann ist es Südkorea. Neben der Hongkong-All-Star-Würdigung "Kung Fu Killer", kann "The Gangster, the Cop, the Devil" zu den abgedrehteren Variationen des oft bemühten Serienmörder-Motivs. Und dass sich Sylvester Stallone bereits die Remake-Rechte gesichert hat, will schon was heißen.

                          Denn der Film bringt alle Eigenschaften mit, um international für einiges Aufsehen zu sorgen: die Darsteller sind gut ausgewählt, das Tempo stimmt, ein paar gute Sprüche und sehr oft aufs Maul gibt es auch. Aber vor allem setzt die Killerhatz ganz auf den kurzweiligen Drive, ohne sich von tiefenpsychologischer Betrachtungen der Marke "The Chaser", Thomas Harris und Co. das Vergnügen vernebeln zu lassen. Noch gibt es kaum zu verkraftende Einlagen wie bei "I Saw the Devil" auszustehen.

                          Aber keine Angst. Es gibt auch etwas mehr als nur oberflächliche Unterhaltung. Bis zum Ende hält Autor und Regisseur Lee Won-tae noch die ein oder andere Überraschung bereit und zeigt uns, dass Filme wie dieser nicht nur allein mit ihrer Prämisse punkten müssen oder wollen. Das könnten sogar Leute unterschreiben, die einfach einen gutgemachten Action-Thriller sehen woll(t)en.

                          3
                          • 6 .5

                            Die große Jack-Sparrow-Abschiedsshow: Ein fünfter "Pirates of the Caribbean" war sicherlich nicht zwingend notwendig. Aber in Sachen Ranklotzen macht Disney sonst kaum ein Studio was vor.

                            Die digitalen Tricks sind natürlich überlebensgroß und der untote Javier Bardem lässt den alten "Final Fantasy" in Sachen glaubhafte Mimik antik wie einen Commodore 64 wirken. Handgemachte Action gibt es natürlich auch wieder.

                            Und vielleicht auch deshalb ist der vermeintlich letzte "Pirates" trotz seines überreizten Blattes nicht wirklich etwas vorzuwerfen. Für Fans der ersten Stunde gibt es die überfällige, glückliche Auflösung der Original-Story und den besten Celebrity-Cameo seit Keith Richards.

                            So betrachtet ist das auch immer noch ansprechender als der x-te "Fast & Furious"-Eintrag.

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                              mikkean 08.09.2019, 18:44 Geändert 08.09.2019, 20:52

                              Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2019 und willkommen zu "It Comes": dem neuen WTF-Gipfelrekord des J-Horror. Es dürfte schwer werden, diese Ansammlung skurriler Figuren, Genre-Veratzstücke und Story-Wendungen im laufenden Filmjahr noch zu toppen. "It Comes" ist zweitweise wie ein Flash, starke und mal teils grelle Ideen und Bilder, dann wieder ruhig und gar niederschmetternd in seiner Darstellung einer von dunklen Kräften heimgesuchten Familie.

                              Wenn ich nur behaupten würde, Tetsuya Nakashimas erster Horrorfilm wäre so, als würden "It Follows", "Poltergeist", "Shining", "Mama" und "Der Babadook" allesamt gleichzeitig abgespielt, könnte ich damit nicht mal ansatzweise der umfangreichen Geschichte und ihrer Erzählweise gerecht werden.

                              "It Comes" gehört zu jener Sorte Filme, die mehr als nur den Zeh ins Mindfuck-Becken stecken, ohne sich je in visuellen Sperenzchen zu verlieren. Und das will bei rund 130 Minuten, vielen Zeitsprüngen und einer Armee von Exorzisten und Priestern was heißen.

                              Die Wahrheit ist nämlich, dass Nakashima die übernatürlichen Ereignisse um den Verkäufer Hideki und dessen Liebste nutzt, um eine entlarvende Analyse über die Elternschaft und die japanische Gesellschaft an sich vorzulegen. Und das an genau den richtigen Stellen so gelassen, wenn nicht sogar schonungslos ehrlich wie möglich. Aber keine Panik liebe Horrorfreunde, das heißt nicht, dass nicht trotzdem Platz für abgerissene Körperteile und dämonische Mäuler wäre.

                              Wirklich gekonnt, wenn auch im ersten Moment etwas ungewohnt, ist die Sicherheit, mit der "It Comes" seine Perspektivwechsel in jedem Akt vollführt und mit jedem neuen Blickwinkel und Flashbacks das Bild einer vermeintlichen Vorzeige-Idylle zerpflückt. Bemerkenswert daran ist auch die Balance aus blutigem Horror, Drama und Humor. Allein schon die Darstellungen der Hochzeits-Feier und der Trauergesellschaft zu Beginn sind so erhellend wie auch zum Kopfschütteln.

                              "It Comes" schöpft wirklich aus dem Vollen, ohne das Spooky-Entertainment über die menschlichen Aspekte zu stellen. Ist da jetzt der neue "The Ring"? Wir werden sehen. Aber definitiv eine absolute Empfehlung wert.

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                                Ach, die ersten "Hellboy"-Filme hatten Zahnfee, Kobolde, Amphibienwesen und Ron Perlman. Dieser unnötige Wiederbelebungsversuch kredenzt gekochte Kinder, ein nimmermüdes Zivilisten-Gemetzel und doofe Sprüche. Alles getüncht in größtenteils unbeeindruckende Special-Effects, womit selbst diese Bilanz mager ausfällt.

                                Es ist kaum zu glauben. Einer wie Neil Marshall legt so einen missglückten Schrott vor. Dabei standen die Zeichen nicht schlecht, aus ihm könnte so etwas wie der nächste John Carpenter werden. Einer, der mit originellen und gut gehandelten Original-Ideen ("The Descent") anschauliches Kino erschafft und selbst das Spiel mit Referenzen und kleineren Story-Diebstählen ("Doomsday") mit Augenzwinkern durchgewunken wird.

                                Marshalls "Hellboy" bietet keine dieser Qualitäten. Der Film hetzt durch eine Geschichte, der nicht einmal abgenommen wird, dass sie verschiedene Comic-Abenteuer bemüht. Für keines der einzelnen Story-Elemente und Figuren ist eine echte Würdigung spürbar. Stattdessen versumpft der Film auf einem breiigen Matschniveau aus "Teenage Mutant Ninja Turtles"-Adaption (wenn Gruagach mal nicht Rocksteadys Cousin von der Insel ist) und miesem Splatter-Vergnügen.

                                Ja ist klar, mit seiner Chuzpe aus überzogener Gewalt und enthemmt leiernder Kauleiste hat Deadpool eine Menge Kies eingefahren. Was aber kein Grund ist, einen Stoff wie Hellboy zur schundigen Märchen- und Mythen-Blutstunde verkommen zu lassen. Und um davon (und von den schlechten Tricks) wenigstens etwas abzulenken, muss Milla Jovovich als ansehnliche fiese Nimue die Kohlen aus dem Feuer holen. Eine Rolle, die ihr, das sei zugegeben, gut steht.

                                Beim ganzen Rest stellen sich lediglich Fragen wie: "Warum versuchen die bloß, Anime wie "Attack on Titan" oder "Blood-C" nachzuäffen?" oder "Wieso nun denn schon wieder eine Origin-Story?". Fairerweise vermeidet "Hellboy" den gleichen Fehler wie das Spiderman-Reboot mit Andrew Garfield und arbeitet sich nicht nur am selben Inhalt wie die Vorbilder von Guillermo del Toro ab. Nein, dieser Hellboy vermasselt es gleich auf ganzer Linie und erweist den Darstellern, Maskenbildnern und FX-Leuten keine große Ehre.

                                Und was den immer mal wieder diskutierten del Toro angeht, der darf sich angesichts dieser Katastrophe ins Fäustchen lachen. Denn seine Filme haben nicht nur Fantasie, ihnen liegt auch ein Plan zugrunde. Eine Eigenschaft, die Marshall hier weiß Gott warum vermissen lässt. Bei diesem "Hellboy" ist gar nicht klar, ob er in der hintersten Regalecke bei "Spawn" oder lieber gleich im Müll landen wird.

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                                  Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2019 und willkommen zu "The Lodge", dem nächsten Streich von Veronika Franz und Severin Fiala. Nach "Ich seh, Ich seh" schnuppert das Austria-Regie-Duo Studioluft in Überseh und darf mal gleich eine britisch-amerikanische Hammer-Produktion inszenieren. Wenn nicht sogar den denkwürdigsten Titel seit der Auferstehung der altehrwürdigen Horrorschmiede.

                                  Erneut tauchen Franz und Fiala ganz tief dort hinein, wo das wahre Grauen geboren. In die Psyche einer angeknacksten Kinderseele. Und oh boy, was dort nicht alles für schreckliche Hirngespinste auf uns lauern. Wie schon in ihrem übergroßen Erstling zerlegen Franz und Fiala auch hier das Konstrukt der heilen Familie. In diesem Fall ist es nicht die eigene Mutter, sondern die neue Frau an Papas Seite, die den Geschwistern Aidan (Jaeden "IT" Martell) und Mia (Lia McHugh) ein Dorn im Auge ist.

                                  Ein gemeinsames Weihnachtsfest in der Waldhütte soll die Wogen glätten. Und tatsächlich spielt Riley Keough als Grace nicht irgendein jungen Betthüpfer, sondern eine freundliche und einfühlsame Frau, die sich um ein gutes Miteinander bemüht. Bis Daddy in die Stadt muss und ein Schneesturm die Hütte einhüllt. Spätestens als sich über Nacht Strom, sämtliche Vorräte und auch Kleidung in Luft auflösen, zerschlägt sich diese Hoffnung für die Stiefmutter in spe.

                                  Und "The Lodge" folgt ohne Blick in den Rückspiegel dem Abstieg in den Abgrund, wo Wahnsinn, Rachsucht und religiöser Fanatismus lauern. Das ist nicht nur wegen der erhabenen Bilder von Kamermann Thimios Bakatakis hübsch düster und klaustrophobisch. "The Lodge" ist ein schwer verdauliches Schmuckstück subtilen Horrors. Ein Film für Freunde der vielen Schattierungen in der Welt der Grau- und Schwarztöne. Auch beim großartig getimten Sounddesign wird das Wechselspiel zwischen beklemmender, trügerischer Stille und nervenzehrender Lautstärke erbarmungslos betrieben, um nicht bloß den Verstand der Figuren in die Enge zu treiben.

                                  Schauspielerisch gibt es nichts zu bemängeln, was auch unabdingbar ist bei so vielen Facetten. Denn Veronika Franz und Severin Fiala haben sich ihr vermeintliches "US-Debüt" nicht von irgendwelchen Ansprüchen verwässern lassen. Ihre Figuren sind trotz aller ausgelebten Bösartigkeit nie eindimensionale Abziehbilder und am Ende stellt sich auch die Frage, welchen Anteil der hier omnipräsente christliche Glaube am Geschehen hat.

                                  Keine leichte Kost, aber doch auch ein Triumph für Franz und Fiala, die trotz größeren Budgets, internationaler Talente und namhafter Stars, ihren Stoff wie einen Indie- oder Arthouse-Horror behandeln. Und nicht gleich auf Nummer sichen gehen (müssen) um Mainstream-Besucherzahlen zu generieren. Denn dafür gibt es bei "The Lodge" einfach zu viel zum Mitdenken und Aufpassen, auch wenn das einen ganz schön runterziehen kann.

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                                    Ach ja, den Achtzigern werden wir wohl nie los. Wieder einmal geht alles mit jungen Leuten in einer einsamen Hütte (auf einer abgelegenen Insel) los. Haben die denn noch nie was von "The Evil Dead" gehört?

                                    Spoiler: Haben sie nicht. Und so wird flüssigen, synthethischen und körperlichen Genüssen gefrönt, bis schlechtes Koks die Party-Truppe in eine Horde blutrünstiger Bestien verwandelt.

                                    Dieser "28 Days Later"-Einschub versprüht ja mal einen Hauch Moderne im ansonsten sehr altmodischen, sprich: altbackenen, Setting. Und vielleicht böte sich hier sogar die Möglichkeit zu einem vielleicht augenzwinkernden oder halbwegs klugen Spiel mit den Genre-Motiven.

                                    Aber das bleibt Autor und Regisseur Jason William Lee mit "The Evil In Us" dem Publikum leider schuldig. Stattdessen serviert er uns ein altes zerkautes Reststück von einem kostengünstigen Horrorfilm, bei dem das Grauen natürlich wieder nur exemplarisches Anschauungsstück eines landesweiten Albtraums sein soll, dessen Auswüchse einfach mal vom Zuschauer hinzugedacht werden müssen.

                                    Daneben bereitet Lee uns in einem Parallelstrang auf eine Schlusspointe vor, die mit ihrem Politik-Bezug wohl gerne an die Tradition von John Carpenters "Sie Leben!" ähnlichen Titeln anknüpfen würde. Wieder die Goldenen Achtziger.

                                    Doch "The Evil In Us" fehlt es dafür an einer erkennbaren eigenen Haltung, noch überhaupt einer wirklichen Sympathie fürs dargebotene Schlachtvieh. Von spürbarer Atmosphäre mal abgesehen. Und so ist diese Low-Budget-Angelegenheit ein Schaulaufen No-Name-Darsteller, die Präsentation schlichter Effektarbeit im undefinierbaren Kuddelmuddel der eigenen Ansprüche mit dem tatsächlichen Ergebnis.

                                    Lieber gleich die Finger davon lassen.

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                                      Achtung: Hier kommt der ganz und gar nicht frauenfreundlichste Film des Monats!

                                      Es ist ja nicht die schlechteste Idee, zum Auftakt eines Rache-Thrillers den Vorschlaghammer auf einen schmierigen Mechaniker purzeln zu lassen. Aber schon das Close-up auf das knappe rote Kleid der Heldin verrät die schmierige Doppelmoral dieses C-Film-Schunds. "No Mercy" ist wahrhafter Dreck, der es doch tatsächlich schafft, all die großen cineastischen Errungenschaften seiner südkoreanischen Heimat vergessen zu machen und das Land wieder als Ursprungsort echter Gräueltaten am Publikum in Erinnerung zu rufen. Und das hat Südkorea absolut nicht verdient.

                                      Aber so ist das halt, wenn ein vollkommen planloser Schinken nichts besseres zu bieten hat, als eine gut aussehende Heldin auf der Suche nach der geistig zurückgebliebenen Schwester. Welche dann von Station zu Station rumgereicht und missbraucht, wobei natürlich kein Klischee und kein Horror-Szenario des modernen Menschen-Handels ausgespart wird.

                                      Vom Politiker, der eigentlich Gangsterboss ist, zur Zwangsprostitution und dem missbrauchenden Supermarkt-Besitzer ist dann auch fast jedes erdenkliche schändliche Klischee in "No Mercy" vertreten. Und so zynisch es auch klingt, wenn jetzt wenigstens die handfesten Details dieses fragürdigen Actioners stimmen würden, könnte vielleicht noch großzügig betankt über hölzernes Schauspiel und niedrigstes Dialogniveau, bei dem Schlampe, Nutte und F**** zum Grundvokabular gehören, irgendwie hinweg-gesehen werden.

                                      Doch auch hier wirkt dieses Machwerk schlichtweg dilettantisch, kraftlos und kann keinerlei Eindruck schinden. Gedreht wurde scheinbar mit gerade einmal einer Kamera, der Choreografie fehlt es an Dynamik und selbst dem kleinsten gemeinsamen Nenner, dem Versprechen, die DSrecksäcke richtig bluten zu sehen, kann aus Budgetgründen nicht im Ansatz entsprochen werden.

                                      Unterm Strich bleiben neunzig Minuten vergeudete Lebenszeit und der Drang, sich die Augen auszuwaschen und dringend etwas Besseres nachzuschieben, um die Erinnerung schnell zu verdrängen. Selbst für SchLeFaz ist "No Mercy" eine Spur zu primitiv und schundig.

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                                        über Amy

                                        Sie war schon ein Ereignis, diese Amy Winehouse. Ein Pop-Phänomen in einem jungen Jahrhundert, dass Jazz und Soul verinnerlicht hatte und mit einer unvergleichlichen Stimme Texte darbot, deren Aufrichtigkeit und Ausdrucksstärke andere nicht einmal nach Jahrzehnten niederschreiben können.

                                        Aber so kometenhaft Amys Aufstieg und Triumphzüge auch erschienen, ihren Absturz konnte jedermann miterleben. Er vollzog sich wie ein Unglück im Zeitraffer. Und eine Menge Leute schienen einfach nur drumherum zu stehen.

                                        Asif Kapadias schlicht betiteltes Denkmal "Amy" schreitet den ganzen Weg noch einmal ab. Geht zurück in Winehouses Kindheit, zu ihren ersten musikalischen Schritten bis zum Wahnsinn, den der ganze Durchbruch mit sich bringt.

                                        Das ist authentisch, natürlich, unverhohlen und auch sehr schmerzhaft. "Amy" hat das Glück, neben Begleitern aus dem Musik-Biz vor allem Freunde und Familie heranzuziehen und ein für alle mal das Bild von Winehouse als abgehalfterte Junkie-Sängerin zu zerschlagen.

                                        Sicherlich rückt der Fokus an einigen Stellen von der Frage ab, wie sehr Amy selbst dem Rausch verfallen war. Auf der Gegenseite kristallisieren sich aber auch Baustellen wie das Verhalten vom eher geltungssüchtigen Vater Mitchell heraus, der einem wie der größte Unsympath daherkommt.

                                        Definitiv ist "Amy" eine denkwürdige Dokumentation, die einem als Zuschauer viele Höhen und ebenso viele Tiefen durchleben lässt. Aber auch die große Aufgabe meistert, trotz des bekannten Ausgangs einen versöhnlichen Schlusspunkt unter eine Geschichte zu setzen, die an dramatischer Strahlkraft kaum zu überbieten ist.

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                                        • 5 .5

                                          Robert Zemeckis wandelt mit Brad Pitt und Marion Cotillard auf den Spuren von "Casablanca": Das weckt vor allem Erinnerungen oder vielmehr die Ahnung vergangener Hollywood-Zeiten. An Glamour-Paare die sich zwischen den feinlichen Linien bewegten und trotz stetiger Furcht vor der Entdeckung sich und anderen etwas vorzumachen verstanden.

                                          Ich wäre da beinahe geneigt zu behaupten, die Agenten-Romanzen im Nazi-Land als eine der unterbewertesten Genre-Spezialitäten der Traumfabrik zu bewerten. Das Grund-Prinzip wurde ja erfolgreich auf andere Settings wie den Kalten Krieg übertragen. Dass Zemeckis diese Tradition mit "Allied" quasi zum Ausgangspunkt zurückführt, ist schon ein recht romantischer Akt. Und der Mann versteht diese Absicht zu untermauern.

                                          "Allied" bietet ein Top-Traumpaar, überzeugende Kulissen und zeitgerechte Ausstattung. Und im Kern einen recht fiesen Plot, dessen Qualitäten nicht zu bestreiten sind.

                                          Andererseits ist es auch so eine Kopfsache, dass richtig spannend zu finden und sich auch emotional davon einwickeln zu lassen. Bei wem das nicht ganz klappt, kann es auch sein, dass vor allem wieder der digitale Aufwand ins Auge fällt, mit dem Zemeckis seine Illusion kreiert. Oder dass "Allied" im Grunde nur viele Flashback-Momente und Versatzstücke aneinanderreiht (Und nein, damit meine ich nicht, dass August Diehl wieder den Nazi gibt). Als Hommage und fürs Genre natürlich unabdingbar, für die Story heißt das aber auch, dass gefühlte Spannung sich nur bedingt einstellt.

                                          Vielleicht liegt das auch daran, dass sich trotz der guten Chemie von Pitt und Cotillard, und trotz des großen moralischen Dilemmas, alles andere an "Allied" halt doch ein wenig zu künstlich wirkt. Ab der Minute, in der Brad Pitts Figur von der zweifelhaften Natur seiner Angetrauten erfährt, steht das Ergebnis eben schon mit großen unsichtbaren Lettern an der Wand. Und dem ungewillten Zuschauer bleibt nicht mal das Vergnügen von Doppeldeutigkeiten.

                                          Dabei halte ich auch mal fest, dass "Allied" besser als sein Ruf und sein kommerzielles Abschneiden ist. Aber er hat das gleiche Problem wie Soderberghs "The Good German": augenscheinlich perfekte Nostalgie, aber warum nicht gleich zum Original greifen?

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                                          • 7

                                            Weniger Horrorfilm als ein echter Heavy-Metal-Familienfilm. Sean Byrnes "The Devil's Candy" mischt Okkultes, Serienmorde und diabolische Seelenkauf-Offerte zu einem mehr als anständigen Grusel-Vergnügen. Die beiden Geheimwaffen um die schaurigen Ereignisse ums neue Heim der alternativ eingestellten Familie Hellman sind dabei ganz klar Kiara Glasco als Töchterchen Zooey und Pruitt Taylor Vince mit seiner unheimlichen Strahlkraft als mal zurückhaltend einfältiger und dann blutrünstiger Teufelsanbeter.

                                            Zur Handlung möchte ich gar nicht viel sagen. Die ist fast so überschaubar und direkt, wie auch bisweilen mit Ausflügen zum faust'schen Seelenpakt der Marke "Angel Heart" überraschend.

                                            Nur so viel: "The Devil's Candy" ist ein Film, der brutalste und abstoßendste Verbrechen nicht in aller Deutlichkeit zeigen muss und dennoch spannend unterhält. Und der im Kern auch die packende Frage versteckt, was passiert, wenn jemand den teuflischen Stimmen nachgibt. Jetzt nicht der lauteste Schocker unter der Sonne, aber eine der besseren Festival-Entdeckungen der letzten Jahre.

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                                            • 4
                                              über Inferno

                                              Als nur Gelegeneitsleser kann ich sagen, Dan-Brown-Titel sind spinnernde Unterhaltung. Eine Lektüre für langweilige Tage oder die Strandliege. Ron Howards "Sakrileg" und "Illuminati" waren da das passende Leinwand-Äquivalent. Aufgeblasen, starbesetzt und deppert. Aber auch deswegen auch schon wieder genießbar.

                                              Vielleicht sogar liebenswert. Denn Howard zog wirklich alle Strippen, um das völlige Fehlen von Überraschungen und Enthüllungen der bereits millionenfach konsumierten Bestsellertitel vergessen zu machen.

                                              Das fällt mir nur deshalb wieder ein, weil "Inferno", das dritte Kinoabenteuer um den allwissenden Zeichendeuter Robert Langdon mal völlig aus der Spur geworfen wirkt. Tom Hanks, Auftritte von Felicity Jones, Irrfan Khan oder Omar Sy? Geschenkt. So wie die erneute Rundreise zu einigen der schönsten Wahrzeichen der Welt.

                                              Die dieses Mal behandelte Pandemie-Geschichte ist leider so frisch wie Omas schlimmer Fußpilz. Nur dass dessen Behandlung mehr spannende Fragen aufwirft. Bei "Inferno" hingegen ist nur beachtenswert, wie Langdon mit angeknackstem Schädel trotzdem Dantes Inferno entschlüsseln kann, während ihm das Wort für Kaffee nicht einfällt.

                                              Ansonsten ist diese Runde geradezu spektakulär unspektakulär. Die Story ist einem so egal, weil schon öfters durchgespielt. Selbst das Rätselraten wird von einer gewissen Routiniertheit um den lebhaften Charakter gebracht. Es ist eine Enttäuschung und ein Stillstand, für den Profis wie Ron Howard und David Koepp verantwortlich zeichnen (müssen). Es zeigt sich auch wieder, dass selbst die größten Könner ausgelutschte Stoffe nicht zur prächtigsten Kaugummiblase aufpumpen können.

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                                              • 3 .5

                                                Ich muss mich mal zügeln. Phasenweise habe ich mit dem Adjektiv fantastisch um mich geworfen, wie mit Konfetti vom Festwagen. Aber wir haben alle so unsere großen und kleinen Sachschäden. Deshalb kann ich sagen: Jasha Fritz Bauer ist eine fantastische Hauptdarstellerin. Genau die richtige Wahl, um so einem komisch gestelzten Jugend-Porträt aus der Mitte des Nowhereland ein bisschen Gefühlsechtheit einzuflößen.

                                                Ansonsten bietet Helene Hegemann mit der Verfilmung ihres eigenen Stoffes "Axolotl Overkill" nur manch gute Atmo in Ton und Bild. Und ernsthaft, einige der besten Dialoge, die das deutsche Kino in vielen Jahren gesehen hat. Leider zu oft sind diese aber auch so cool konzipiert, dass die Grenze zum Gekünstelten mehr als geschrammt wird.

                                                Ach ja, und die Sache mit Erwachsenen, neben denen eine umtriebige und losgelöste Sechszehnjährige wie die vernünftigste Person auf der Welt wirkt ... tja, ist halt auch nicht wirklich neu.

                                                • 7 .5
                                                  über Wir

                                                  Nach dem mehr als verdienten Drehbuch-Oscar für "Get Out" rästelten alle, wie Jordan Peele das toppen könne. Ganz einfach. Er versucht es erst gar nicht. Stattdessen gibt sich Peele mit "Us" ganz der Ausschweifung des Cinephile-Sachverstands hin.

                                                  Irgendwo zwischen altbekannten Motiven des Home-Invasion-Schockers, Stanley Kubrick, Michael Jacksons "Thriller" und Unmenegn an Eighties-Popculture-Referenzen, setzt Peele ein Puzzle zusammen, das ebenso oberflächlich genossen werden kann. Und gleichzeitig ganz tief in eine Gedanken-Labyrinth führt, in dem Fragen über Rassismus, die Benachteiligung der Dritten Welt und, nicht zuletzt, die Ur-Angst, vom eigenen Selbst ersetzt zu werden, verbaut sind.

                                                  Das ist wahrlich harte Kost. Und nur bedingt als Unterhaltung zu empfehlen. Denn so zahlreich auch die Anspielungen in "Us" auch sein mögen. Das Rätselraten und Erkennen von Symbolen wie einem "Jaws"-T-Shirt oder ob die Verketteten nun von H.G. Wells oder vielleicht doch von "Eroberung Vom Planet Der Affen" inspiriert wurden – das alles taugt in diesem Kontext weniger als Partyspielchen und Wiki-Klugscheißen.

                                                  Schließlich dreht Peele den Humor deutlich runter. Was denn auch alle etwas abschreckend dürfte, die auf einen "Get Out 2" spekulierten und auf bösen Hintersinn und trotzdem einige Lacher hofften. Aber selbst auf seiner vordergründigsten Ebene kann der Film einige Probleme bereiten.

                                                  Denn ich möchte das gleich klären. "Us" ist ein ganz guter Horrorthriller. Doch er ist trotz aller Twists und Einfälle hin und wieder vorhersehbar. Angesichts einer wirklich dichten Atmosphäre, eines starken Ensembles und der richtigen Handhabe natürlich ein absoluter Luxusmakel. Wenn nur dutzende weitere Titel sich da eine Scheibe könnten...

                                                  Nun ja. Für "Us" bedeutet das eine Gradwanderung zwischen soghafter Anziehung und dem Jonglieren mit einer Story, die so schon bei "Funny Games" oder "The Strangers" und nicht wenigen andern durchexerziert wurde. Wer auch nur eine Hanvoll davon kennt, wird von den Schock-Momenten nicht unbedingt umgehaut oder kalt erwischt werden. Andererseits besteht vielleicht darin die Brillanz.

                                                  Denn so altbacken und rouitiniert der Home-Invasion-Anteil funktioniert, so ausladend und mysteriös wirkt Peeles mythologischer Unterbau der Erzählung. Beim Abstieg in die schauderhafte Vorstellung einer unterirdischen Parallelwelt sprengt "Us" dann wirklich sämtliche Vorstellungskraft.

                                                  Und das ohne großes Budget und das bisweilen ermüdende Bemühen um nie gesehene Bilder. Seinem Rahmen entsprechend bleibt "Us" minimalistisch, flüchtet sich in eine Erzählung, die nur eine Ahnung entstehen lässt. Fast wie beim Lesen. Das ist das passend karge Ende eines ungewöhnlichen Horrorfilms. Aber gerade auch weil Jordan Peele uns mit vielen Fragen allein zurücklässt, schindet "Us" schon wieder mehr Eindruck als so manch anderer filmgewordener Egotrip.

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                                                    über Glass

                                                    M. Night Shyamalan ist wahrlich nicht zu beneiden. Zwei Mega-Kunststücke haben seine Karriere quasi definiert. Seither warten alle darauf, um zu sehen, ob es ihm abermals gelingen wird, einen Blitz in einer Flasche einzufangen. Meistens stellt sich dabei aber eher die Frage, ob Shyamalans Manierismen der Beleg eines hintersinniges Verständnisses der Erzählkunst sind. Oder ob sich da einfach nur einer mit einem Freifahrtsschein austobt.

                                                    Auch "Glass", das späte Ergänungswerk seines zweitbesten Wurfs "Unbreakable", vermurkst Shyamalan. Wohl mit der Absicht, der Ewrwartungshaltung des Publikums entgegenzuwirken. Stattdessen sorgt das hingegen für eine regelrechte Über-Antizipation, die mit recht lustlosen Ideen bedient wird.

                                                    Was daran vor allem nervt, ist die Spiellaune des Triumvirats Jackson, McAvoy und Willis. Es braucht ja heutzutage schon enormes Glück, Bruce Willis eine Rolle mit Lust beleben zu sehen. Seine Rückkehr in die Haut des unzerbrechlichen David Dunn mag etwas oberflächlich erscheinen. Wirkt aber im Gegensatz zu vielen anderen Karikatur-Auftritten geradezu glaubhaft. Und noch immer scheint der Glanz der glorreichen Idee, Dunn gegen die Horde antreten zu lassen. Jenem überraschenden Appendix aus "Split".

                                                    Das versprach Großes. Verwandelt sich nach einer ersten, teaserhaften Begegnung leider in eine endlos wirkende Therapiestunde. Gerade diese angezogene Handbremse schadet "Glass" gewaltig. Denn bis Samuel L. Jackson im Purple-Rain-Gedächtnislook als Bösewicht Mr. Glass erwacht oder überhaupt irgendwas anstellt, vergeht eine lähmende Ewigkeit.

                                                    Zeit, die M. Night Shyamalan damit überbrückt, Sarah Paulson als Psychaterin und Superkräftezweiflerin zu verheizen. Eine Rolle, die spät noch gerechtfertigt wird. Aber deren Hintergrund auch ziemlich interessenlos angerissen erdacht wirkt. Und das ist auch das größte Ärgernis an "Glass". Nachdem "Unbreakable" einen der besten Real-Life-Ansätze zum Thema Comichelden hervorbachte, pflügt Shyamalan einen Acker, auf dem es nichts zu ernten gibt.

                                                    Sämtliche Einwürfe über Superhelden, die Gespräche mit Glass' Mutter oder das Ringen um den unschuldigen Teil Kevin Wendell Crumbs sind realtiv uninteressant und teils unmotiviert. Was natürlich auch eine der wirklich spannendsten Eingebungen betrifft. Die Vorstellung, neben Helden und Schurken noch eine dritte Partei zu etablieren, kommt so spät wie auch beinahe nichtssagend.

                                                    M. Night Shyamalan kann sich eben auch hier wieder nicht als meisterlicher Strippen-zieher etablieren. Dafür geht "Glass" nicht tief genug. Weder was den psyhologischen, noch den emotionalen Bereich betrifft. Für seine Stars, dem wiederum tollen Persönlichkeiten-Mosaik McAvoy hin zu so tollen Nebendarstellerinnen wie Paulson und Anya Taylor-Joy, wäre da ein auch fordernder Stoff wünschenswert gewesen.

                                                    Für "Glass" gilt: Bedachtsamkeit und Langsamkeit sollten eben nicht verwechselt werden. Genauso wie Leerlauf schnell in tödliche Langeweile umschlagen kann. Selbst wenn er einen Gegenentwurf zum sonstigen Comic-Gedöhns im Hinterkopf hatte, Shyamalan sollte es besser wissen. Nur davon zu reden und nicht viel zu zeigen, ist nun einmal nicht das Wesen der Helden aus den bunten Bildergeschichten.

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