mikkean - Kommentare

Alle Kommentare von mikkean

  • 7 .5

    Also, eigentlich wollte ich mir ja nur selbst ein Bild vom neuen Star Wars machen. Doch inzwischen scheint dies eine immens bedeutende Glaubensfrage zu sein. Bist du ein echter Gläubiger oder lässt du dir die grauen Zellen von der weichgespülten Version eines Mythos aus dem Hause Disney pulverisieren? Stehst auf Seiten des Widerstands oder jubelst der Ersten Ordnung blind zu?

    Oder ist "Die Letzten Jedi" einfach nur das achte Kapitel einer riesigen Unterhaltungs-Saga, deren bedeutungsvolle (Unter-)Töne schon immer ein wenig untergingen im Donner der Kritiker-Salven? Oder im Wortschwall bisweilen etwas zu Fantasy-hafter Dialogzeilen-Rohrkrepierer.

    Die Wahrheit ist wahrscheinlich viel einfacher und doch überaus komplex. Rian Johnson hat, auf den ersten Blick zumindest, nicht das Wunder vollbracht, einen "Das Imperium Schlägt Zurück" des neuen Jahrtausends vorzulegen. "Episode 8" erscheint dafür immer wieder zu langgezogen. Doch bei der epischen Laufzeit passiert hingegen gar nicht so viel.

    Wo J .J. Abrams im direkten Vorgänger es meisterte, in einen neuen Erzähl-Abschitt zu hüpfen und uns schnell an neue Konstellationen und Figuren zu gewöhnen, begnügt sich "Die Letzten Jedi" mit drei einfachen Plot-Vorgaben, die anfangs reichen müssen, um diesen anhaltenden Trommelwirbel zu begründen. Und dann merken wir, dass dieses Kapitel als waschechtes Mittelstück einer Trilogie die ganz große Sause noch hinauszögern wird.

    UND AN DIESER STELLE KLINGT SICH EINE ERKENNTNIS EIN:

    Mag sein, dass "Star Wars 8: Die Letzten Jedi" wie ein merkwürdiges Blockbuster-Experiment oder echte Fanbeleidigung anmutet. Es besteht aber auch die klinzekleine Möglichkeit, dass Rian Johnson und sein Stab es gerade darauf angelegt haben.

    Denn wiederum lebt die neueste Episode vom langsamen, aber sicheren Abgesang auf die glorifizierte Vergangenheit. Luke Skywalker, der große Skywalker, ist zum grantigen Einsiedler mutiert, der das Aussterben der Jedi herbeisehnt. Leia, die große Carrie Fischer in ihrem letzten Auftritt, legt zwar eine irre Weltraum-Nummer hin, ist aber ansonsten nicht mehr die strahlende Anführerin eines Widerstands, der unzählige Sympathisanten in der Galaxie mobilisiert. Auch die drängende Frage nach der Herkunft von Rey findet der Film eine wenig glamouröse Antwort. Mysteriös ist da zwar noch was, aber vorerst zieht der kalte Hauch der tristen Realität ein.

    Insofern ist "Die Letzten Jedi" Futter für alle Feuer der Hasser, die am liebsten Jar Jar Binks mit seinen Ohren und seiner Zunge erwürgen würden und immer wieder zur Stelle spulen, wo die Ewoks erschossen werden. Dieser Film markiert durchaus den Versuch, den eigenen Mythos zu kappen und all dem Geplänkel mit Jedi, Sith und Todessternen den Todesstoß zu versetzen.

    Von daher sind Szenen wie die letzte mit Snoke nicht nur eines der Highlights dieses neuen Star Wars. Sie machen durchaus Sinn, wenn uns auf irgendeine Art und Weise mal klar werden muss, dass die Kindheit vorbei ist und auch Batman alt und gebrechlich wird.

    Keine Frage, "Das Erwachen Der Macht" war über weite Strecken einfach der geschmeidigere Film. "Die Letzten Jedi" hingegen bietet wohl nur deshalb so viel blöde Dialoge, dämmliches Helden-Getue, weil er einfach weniger verblüffende Jedi-Mätzchen auffährt. Andererseits war eben jene hahnebüchenen Dialoge auch schon immer ein wichtiger Bestandteil der Star-Wars-DNA.

    Klar, der wohl ernsthafteste und deprimierndste Star Wars ist auch hin und wieder zu lächerlich, um sich direkt dem grimmigen Realismus von "Rogue One" anzuschließen. Aber es bleibt auch dem hasserfülltesten Geist verborgen, dass die letzten Jedi sich in einer Welt zu orientieren versuchen, in der gerade erst die freie Republik zerstört wurde. Während im Space-Monaco eine Party tobt, die auf Sklaven-Arbeit und Waffen-Geschäften fusst.

    So blöd der Film manchmal auch sein mag. Richtig bekloppt sieht auch für Star-Wars-Verhältnisse dann doch anders aus. Dieses Gewitter aus großen (Trick-)Bildern und orchestraler Score-Wucht zerstört weder die letzte Hoffnung, noch die Macht an sich. Viel eher wird mein Interesse daran geweckt, zu sehen, wie diese Mythos sich langsam verändern wird. Vielleicht ein wenig erwachsen. Zumindest war es selbst George Lucas nicht vergönnt, diese Umwandlung erfolgreich und für alle Geschmäcker befriedigend zu meistern. Also warten wir es mal in Ruhe ab.

    9
    • 7 .5

      Und auf einmal bist du wieder mittendrin in der Tragödie eines leidenden Teenager-Herzens. Wirst zurückversetzt in eine Zeit, als unerwiderte Gefühle noch die ganze Welt bedeuteten und dem Leben gleich allen Sinn rauben konnten. In Monja Arts "Siebzehn" ist fast alles da.

      Paula ist klug und vermag ihre Ansichten glänzend auf Französisch formulieren. Ihre Schwärmerei für Mitschülerin Charlotte hingegen bleibt unausgesprochen. So kann Paula nur aus der Ferne träumen, hoffen und scheinbar hoffnungslos begehren. Schließlich hat Charlotte was mit diesem Schülerzeitung-Fuzzi laufen. Und nix deutet daraufhin, dass sie in Paula mehr sieht als eine Freundin.

      Tja, falsch gedacht. Denn auch Charlotte träumt von Paula. Ihrem Happy-End stünde eigentlich nur die Unsicherheit im Wege, den ersten Schritt zu wagen. Aber es ist halt alles nicht so einfach wenn du siebzehn bist.

      Und "Siebzehn" erzählt ja auch nicht einfach von einer aufblühenden Romanze zwischen zwei Mädchen unter den argwöhnischen Augen einer pikierten Umgebung. Monja Art verpflanzt ihren Stoff lieber in ein 21. Jahrhundert, wo die sexuelle Ausrichtung die noch am wenigsten aufregendeste Sache der Welt ist.

      Arts Figuren versuchen lieber, ihr junges Leben in der österreichischen Provinz zu genießen. Liebeleien und Partnerschaften sind da für manche austauschbar und für andere zählen sie eben mehr. Auch die kleine Intrigantin Lili hält es mit echten Gefühlen scheinbar nicht so. Trotzdem scheint die Verführung Paulas ein ihr wichtiges Anliegen zu sein.

      Dennoch ist dieser Film weder der Blick auf eine enthemmte, ziellos dahintreibende Jugend á la Gregg Araki, noch eine bis zum Anschlag mit Drama vollgepumpte Tragödie. Richtige Ernsthaftigkeit blitzt immer wieder auf. Wie bei Paulas Zuhause. Oder den kurzen Anflügen von geträumten Absichten, die auch mit dem Sturz in die große schwarze Leere namens Suizid kokettieren.

      An sich jedoch ist "Siebzehn" vor allem ein herrlich unverkrampftes Stück Film über die Jugend und jugendliche Liebe. Über die Suche nach Sinn, Halt und die Zeit, wo der ganze Schmarn von später noch so furchtbar weit weg hinterm Horizont zu lauern scheint. Monja Art liefert weder einen Leitfaden für die porträtierte Generation, noch seziert sie diese unterm Mikroskop.

      Also Coming-of-Age-Drama? Ein bisschen Melodrama über Selbstfindung und die Orientierung in Sachen Liebe? Sicher, könnten wir auch dazu sagen. Wenn wir alt, vertrocknet wären und eh keine Peilung von so was hätten.

      5
      • 9 .5

        Wow, manchmal kann gerade das Einfache so besonders sein. Und es braucht wohl bisweilen einige Zeit, das Spezielle im einfachen Leben zu finden. Gechweige denn den richtigen Weg, das Simple richtig einzufangen und trotzdem anspruchsolle (Film-)Kunst mit eindringlichem Realitätsbezug daraus entstehen zu lassen.

        "Moonlight" ist auf bestem Wege, mein persönliches Totschlag-Argument der nächsten Zeit zu werden. Andere brauchen Gesangs- und Tanzeinlagen, drehen unsere Gemüter durch den Emotions-Fleischwolf mit Streichersätzen, bedeutungs-vollen Pausen und Geschluchze. Wollen Zeichen setzen und rütteln ihr Publikum mit wie Presslufthammer wach. Jetzt mal übertrieben ausgedrückt ;-)

        Barry Jenkins bedient sich keiner dieser Kunstkniffe. Sein "Moonlight" ist eine stille, gar fragmentierte Erzählung, die sich weder in überladener Symbolik ergeht, noch in den reinsten Betroffenheits-Kitsch abdriftet. Dabei wäre es doch genau das, was wir zwangsläufig erwarten, wenn Worte wie unterstes soziales Milieu, Drogensumpf und Schwarz fallen.

        Aber das bleibt aus. Stattdessen schafft es dieser Film, wichtige Momente im Leben des heranwachsenden Chiron darzustellen, ohne uns Zuschauer gleich mit Leuchtschrift niederzuknüppeln, damit wir verstehen, dass dies alles sehr wichtig ist. Denn das ist es ohnehin. Obwohl "Moonlight" im Grunde eine Geschichte erzählt, wie sie tausendfach jeden Tag geschieht.

        Doch das besondere Element daran ist auch, wie ein kleiner verschlossener Junge ausgerechnet im Drogendealer Juan und dessen Freundin ein gefestigtes Ersatz-Zuhause findet, welches seine Mutter ihm nicht geben kann. Es ist sehr wohl wichtig, dass Chiron schwarz ist und sich irgendwann seiner Homosexualität bewusst wird. Schließlich wird er damit nicht hausieren gehen.

        Umso radikaler auch seine Wandlung, die wiederum das typische Klischee von der Kriminalitäts-Vorbestimmung einer Bevölkerungsgruppe zu bestätigen scheint. Aber eben auch die Maskulinität hinterfragt, die erstrebenswert stilisiert wird.

        Es ist schon ganz große Kunst, eben jene episodenhaften Ausflüge nicht als Kreuzung aus "Boyz N The Hood" und einem farbigen "Boyhood" zu verkaufen. Die Faszination besteht auch darin, mit jeder neuen Szene selbst die Punkte zu verbinden, die uns schon präsentiert wurden. Und da offenbart sich auch die eigentliche, große Schwäche von "Moonlight": Was soll ich davon erzählen, wenn es jeder und jede Zuschauerin selbst erleben muss? Ihr braucht es nicht zu mögen. Aber zum Urteilen bedarf es das Anschauen.

        6
        • 9
          über Selma

          Ein filmisches Denkmal für Martin Luther King, seine Mitstreiter und allen, die dem Ruf folgten. Wäre es nur ein Marsch gewesen, den es gebraucht hätte, um die Vereinigten Staaten von Amerika zu verändern, dann würde "Selma" nur ein langweiliges Filmchen sein. Oder eine Mini-Doku über einen Menschenauflauf. Aber wie wir hoffentlich alle wissen, gingen die Menschen schwarzer Hautfarbe in den 1960er nicht bloß spazieren. Und Martin Luther King war nicht nur ein stimmgewaltiger Wortführer, der seine Schäfchen auf heitere Ausflüge mitnahm.

          Was Regisseurin Ava DuVernay quasi aus dem Nichts herbeizaubert, ist eine lebendige Geschichtsstunde, die jene gewaltlose Bürgerrechtsbewegung auferstehen lässt. Und doch immer wieder auch an einen Kriegsfilm oder mindestens das Porträt einer brutalen Diktatur erinnert, die unliebsames Aufbegehren mit Schlagstöcken, Tränengas oder auch geduldeter Lynchjustiz zu ersticken versucht.

          Ein Film wie "Selma" ist schon was etwas ganz besonderes. Da mit seinen Erzählsträngen und Figurenzeichnungen sogar sein Publikum bisweilen überfordert. Oder gar etwas ziellos anmutet. Doch dies vermag vielleicht sogar die große Klasse dieses Unterfangens zu offenbaren. Schließlich versucht der Film ebenso, die Bedeutung von King und seinen Leuten zu betonen. Ja, Kings übergroße Person nachzuzeichnen, wie er es auch schafft, einfach nur einen Mann darzustellen, der angezweifelt, angegriffen und ganz normal für fehlbar gehalten werden darf.

          Während die grässlichsten Szenen mit ihrer Gewalt gegen Unbewaffnete, Frauen und älteren Menschen nicht dem Selbstzweck dienen, möglichst krasse Anklagepunkte gegen die weiße Regierung zu formulieren. Denn diese bestehen ja eh schon. Natürlich ist "Selma" auch die Rückschau auf eine Demokratie von Weißen für Weiße, die manchmal nicht genug gefragt wird, mit welchem Recht sie sich eigentlich über Lenker wie das Apartheids-Regime erhebt.

          Wie auch immer, bevor jemand meint, ich käme aus dem Schwärmen gar nicht mehr raus oder würde zu viel ins Leere Schwadronieren, sei hier mal festgestellt, dass "Selma" eines dieser Werke ist, die mitreißenund aufrütteln, Geschichte spannend, teilweise thrillerhaft, lebendig werden lassen und eine Rückbesinnung auf den Preis der Freiheit und Gleichberchtigung bieten. Zumal dieser Triumph ja noch leider kein vollständiger ist. Auch diese ist eine Anregung, die dieses emotionale, wie auch mal pathosbehaftete Statement einem mit auf dem Weg gibt.

          Und das ist doch ist das einzig wahre Lob, das angebracht ist. Nämlich keine weichgespülte und gestraffte Geschichtesstunde beim Abspulen zu betrachten, sondern einige wirklich gute Denkansätze und Gesprächsansätze daraus ziehen zu können.

          5
          • 5 .5

            Hollywoods erster Vorstoß auf geheiligte Anime-Gefilde wurde schon in den Jahren zuvor mit Schrecken erwartet. Und dann war sie da, "Ghost In The Shell", die amerikanisierte Real-Life-Adaption eines Stoffs, der gleich als Comic und Animationsfilm Kultstatus erlangt hat. Keine leichte Bürde, die sich Rupert Sanders nach seinem Märchen-Ausflug "Snow White And The Huntsman" da aufgebürdet hat. Aber auch der konnte mir zumindest als hübscher Happen für zwischendurch gefallen.

            Ganz so leicht hat es "Ghost In The Shell" dann leider nicht mehr. Optisch ein ziemlicher Augenschmaus, ist es leider der inhaltliche Faktor, der den Genuss des Happenings schmälert. Wie die Manga-Reihe von Masamune Shirow und die nachfolgenden TV-Serien, konzentriert sich der Film verstärkt auf die Arbeit von Section 9. Jener Spezial-Einheit, zu deren Zugpferden Major Killian, unsere Heldin und erstes, erfolgreiches Mischwesen aus menschlichem Gehirn und kybernetischen Körper, gehört.

            Eine weise Entscheidung, die uns viel Raum lässt, diese Zukunft langsam zu betreten und mitzuerleben, wie Cybercrime in einer Welt ausschaut, in der sich Menschen freiwillig verbesserte Partien in ihre Körper pflanzen lassen. Und selbst jene, die nur darauf warten, ein Ticket für den Hatetrain zu lösen, werden anerkennen müssen, dass einige bedeutsame Motive aus Mamoru Oshiis Anime-Version übernommen wurden.

            Wenn "Ghost In The Shell" jetzt nur ein Cop-Thriller mit Ethik-Einschlag gewesen wäre, könnte der Film zu den Gewinnern des Kinojahrs 2017 zählen. Vergessen die Debatte ums Casting einer Scarlett Johansson in einer Rolle, die ursprünglich asiatischer Herkunft war. Verschieben wir die Debatte, ob Takeshi Kitano lediglich eine Quotenrolle erfüllt oder japanische Ticketverkäufe ankurbeln sollte. Weitaus wichtiger ist nämlich die Frage, ob es den Machern ernst mit der Philsophie war oder ob sie einfach ein gutes Storyelement suchten.

            Falls ersteres zutrifft, so haben sie es lediglich geschafft, eine weibliche "Robocop"-Variante auf die Beine zu stellen. Keineswegs eine schlechte Kopie, aber eine dieser Selbstfindungs-Geschichten, deren Antworten schon viel zu schnell fürs Publikum zurecht gekaut werden, ohne dass dabei echte Überraschungen aufkommen.

            Nicht, dass dies eine der Stärken des Anime-Vorbilds von 1995 gewesen wäre. Oshii hatte nur das Glück, recht eindringliche Fragen über den Wert menschlichen Lebens zu stellen, die quasi durch die Hintertür Platz fürs eigene Nachdenken lassen. Sanders Version hingegen erzählt von Frankenstein-Experimenten, offenherziger Unmenschlichkeit und Gier der Konzern-Giganten. Nichts Neues, aber ordentlich wie auch glattgebügelt.

            Selbst die große Überraschung am Ende, der Twist in unserer Evolution, scheint einfach zu verpuffen. Okay, das war es dann. So geht es für Major Killian also weiter. Dadurch, dass diese Geschichte wie eine Fallakte geschlossen wird, gehen aber auch sämtliche Implikationen und Anregungen etwas verloren.

            Wer also gehofft hatte, eine Balance azus visueller Brillanz und vielschichtigem Inhalt finden, muss doch mit "Blade Runner 2049" Vorlieb nehmen. Nicht, dass "Ghost In The Shell" so viel schlechter wäre. Das Gegenteil ist der Fall, viele Ansätze sind sogar hervorragend. Nur wurde am Ende einfach nicht der Sprung nach Vorn gewagt, diesen Film zu etwas mehr zu machen, als ein abgespeckteres Destillat aus abermals großen Fragen, wuchtigen visuellen Effekten und einigen passenden Verbeugungen vor dem Original.

            Eine Bruchlandung sieht anders aus. Doch das Resultat schankt immer wieder zwischen "doch sehr gut" und "durchwachsen". Aber vielleicht wächst die Anerkennung noch mit ein, zwei späteren Sichtungen, die hier durchaus noch drin sind.

            4
            • 7 .5

              Die Jüngeren unter uns werden das vielleicht nicht nachvollziehen können. Aber ich bringe es trotzdem: "Deadpool" ist ungefähr so, wie damals, als der kleine Scheißer mikkean zum ersten Mal einen Blick aufs Fernsehen nach zehn Uhr werfen durfte.

              Was knallte es einem da um die Ohren! Es gab Explosionen, verfickte Kraftausdrücke und Titten! Ich sag das jetzt mal so. Nicht, dass es heute anders wäre. Mir geht es vor alllem darum, wie "Deadpool" es schafft, dem inzwischen etwas festgefahrenen Superhero-Movie einen gewaltigen Tritt ins Gemächt verpasst, dass die Nüsse bis zum Mond fliegen.

              Es ist natürlich ein schamlos billiger Trick, ein dünnes etwas an Story, das ungefähr so viel wiegt wie eine Serviette, zu nehmen und mit viel Baby-Baller-Baller und derben Sprüchen anzureichern. Um am Ende dreist zu behaupten, die Gags über hautenge Kostüme oder die Vermarktungs-Politik von X-Men-Figuren seien Ironie.

              Aber selbst wenn doch, "Deadpool" besitzt nun einmal die Chuzpe, auf jedwede große Verantwortung zu pfeifen, die aus der großen Kraft einer Comic-Verfilmung folgt. Selbstlosigkeit? Dem Allgemeinwohl dienen? Recht und Gesetz vertreten und auf die eigene Portion Pussy verzichten? Nicht mit dem vernarbten Gesichts-Unfall Wade, mit dessen Darstellung Ryan Reynolds endlich mal den Comic-Streifen erhält, den er seit "Blade: Trinity" verdient hatte.

              Der "Held" Deadpool" mäht alles und jeden nieder, der ihm und seinem Peiniger Francis/Ajax im Wege steht. Er bringt sogar noch einen Spruch darüber, ob es sexistisch ist, Frauen zu schlagen. Nur weil eben welche auf Seiten der Baddies im Dienste stehen. Und überhaupt ist diese befreite Lust am Rumsauen, die "Deadpool" zu einer gelungenen wie überzogenen Action-Komödie der derben Sorte macht.

              Aus irgendeinem Grund fällt mir da der junge Eddie Murphy ein. Du hast nicht viel zu erzählen. Aber wenn du es tust, dann mach es richtig und nimm kein verficktes Blatt vor dein Schandmaul. Von daher sind es nicht gerade die Schauwerte, die bei "Deadpool" als erstes Verkaufsargument dienen. Es sind all die Momente dazwischen, in denen Wade seine Beziehung Revue passieren lässt. In denen über das Sprechen zu zwei "Publikumsen" philosophiert oder bei seiner blinden Mitbewohnerin die Eier schaukeln lässt.

              Wäre da mehr drin gewesen? Natürlich. Aber jetzt nennt mir mal alle Superhelden-Filme, die nicht eine dünne Alibi-Handlung als Vorwand fürs reine Spektakel vorgeschoben haben. Na?

              8
              • 0
                über Kolberg

                Wenn sich eine beschissene Ideologie der filmischen Kunst bemächtigt, dann kann so etwas entstehen wie "Kolberg".

                Einen Film, den ich persönlich nicht mit der schlimmsten Punktzahl bewerte, weil ich gegen ihn ein Ressentiment hege. Ich ordne mich da weder links, rechts noch mittig ein. Auch die Sache mit dem historischen Abstand und der Betrachtungsweise frei von politischer Agenda, die reine Konzentration also aufs Talent vor und hinter der Kamera lasse ich gelten.

                Veit Harlan war ein talentierter Filmemacher, dem ich nicht den Verdienst absprechen will, ein großes Historienwerk auf internationaler Augenhöhe zustande gebracht zu haben. In "Kolberg" ist ja eigentlich alles drin: engagierte Darsteller, beeindruckende Kulissen und große Szenen, nicht nur die mit Massen im Bild, die einen besonderen Eindruck auf den Zuschauer geradezu provozieren.

                Das alles kann letzten Endes aber nicht davon ablenken, dass dieser Film von einer Geisteshaltung, einer Vorstellung der Volksmobilisierung und Animation zur Opferbereitschaft geboren wurde, die nicht verstört, aber gewaltig nervt.

                Mir jedenfalls ist es schon lange nicht mehr so gegangen. Bei "Kolberg" wollte ich mich ständig übergeben. Oder wahlweise einen schweren Gegenstand auf die Birne hauen, damit die Worte nicht mehr so deutlich in selbigen hallen.

                In jeder Faser sind die Figuren verbohrt. Sie sind das Idealbild der damaligen Regierung Deutschlands: Sie lieben ihr Kolberg so sehr, dass sie allen weltlichen und ideellen Besitz opfern. Sie widersprechen und überstimmen alle Abweichler, die hauptsächlich von Diplomatie sprechen oder für den Wehrdienst zu schwach sind. Aber die oberste Instanz, die wird nicht herausgefordert, sondern geradezu verehrt. Wenn sie denn im Geiste des Krieges denkt.

                Dazu gesellen sich noch ein furchtbar überholtes Frauenbild und die offene Verdammung von künstlerischen, also andersartigen Denkansichten, als schwach, beinahe schwuchtelig.

                Hier könnten wir uns durchaus mal hinsetzen und über cineastische Kniffe diskutieren. Die Darstellung der Franzosen ins Gesamtbild einbeziehen und andere interessante Kontextbetrachtungen heraufbeschwören.

                Aber am Ende zählt eben auch, was "Kolberg" halt verkörpert. Eine fehlgeleitete Propaganda-Leistung, für die schon das Publikum 1945 zu klug und vom harten Alltag geprägt war. Als dass es auch nur annähernd gelungen wäre, mit diesem Tapferkeits-Märchen die Bevölkerung in Heerscharen in die Schlacht zu locken.

                Und wer den Film heue betrachtet, wird verwundert feststellen, auf welchen Ebenen die Vermarktung einer Ideologie so funktioniert. Dafür braucht es nämlich keinen Extra-Abschluss, sondern nur Interesse. Was wiederum aber nicht bedeuten muss, dass das was ich sehe, mir irgendwie gefallen muss. Einen Film wie "Kolberg", der so von verirrten Ideen übertrieft, kann ich getrost mal alle Bewertungskriterien absprechen.

                2
                • 5

                  Die Wachowski-Schwestern sind schon ein Phänomen. Jeder ihrer Filme ist einzigartig, lebt vom Optimum aller leistbaren cinematischen Anstrengungen. Und doch sind ihre Werke vor allem beliebte Hass-Objekte. Nur die Wenigsten schaffen es wohl, eine echte Relation zu den Wachowski-Filmen aufzubauen. Während der Rest sich voller Freude daran macht, diese sehr teuren Traumgebilde niederzumachen.

                  Vermutlich wäre es auch am besten, Projekte der Wachowki-Geschwister nur noch als ausgelebte Träume zu betrachten. Ein bisschen so wie die eines James Cameron. Mit dem ich die beiden Schwestern wohlgemerkt nicht vergleiche oder gleichstelle, aber eine gewisse Verwandschaft erkenne.

                  So fiele es auch leichter, "Jupiter Ascending" nicht als filmisches Debakel zu bezeichnen, sondern als Ausflug in die Fantasie seiner Schöpferinnen. Denn dies ist kein regulär erzähltes Märchen. Obwohl Züge davon erkennbar sind. Genau wie die Ränke um einen intergalaktischen Ernte-Betrieb ein Hauch von Frank Herbert umgibt. Der Ausflug in die galaktische Behörde an Douglas Adams und Terry Gilliam erinnert (letzterer absolviert einen passenden Gastauftritt!) und sich sowieso allerlei Querverweise und Einflüsse festmachen lassen.

                  Von König Artus, Star Wars bis zu den Mutanten-Reptilien aus dem verkorksten "Super Mario Bros." sehe ich hier eine Menge Dinge, die mir ein wenig gefallen oder ein flauschiges Gefühl der Nostalgie bereiten. Andererseits betrachte ich "Jupiter Ascending" aber auch als eine Ansammlung hübscher bis, na ja, okayer Perlenkugeln, die einfach nur nebeneinanderliegen, anstatt von den Wachowski auf eine Schnur gezogen zu werden.

                  So kommt vieles vor. Sieht einiges richtig gut aus, wenn auch etwas zu künstlich. Und doch lässt der fehlende Leitgedanke, der hier lediglich eine Ahnung zu sein scheint, zwischendurch genügend Platz, sich über widersprüchliche Aussagen des Scripts oder die sehr affektierte Leistung von Eddie Redmayne so seine abzweigenden Gedanken zu machen. Ein bisschen schade, denn so geht einiges vom Zauber ab, der "Jupiter Ascending" als Ideen-Sammlung zusteht.

                  4
                  • 3 .5

                    Wenn du es schon Gott gleichtust und die Landkarte auf den Kopf stellst, dann mach es doch bitte richtig.

                    Diese einfache Regel wollte "San Andreas" vielleicht befolgen. Aber herausgekommen ist ein heilloses Durcheinander. Das maßlos überpotenzierte Mega-Desaster-Movie, das sämtliche Billig-Anbieter wie The Asylum beschämt in die Ecke schicken und dem Hollywood-Immigranten Roland Emmerich zeigen wollte, dass Amis immer gar keine Hilfe bei ihren Untergangs-Visionen benötigen.

                    Aber was bitte schön ist in die Macher gefahren, so ziemliche alles vom Erbeben, Riesenfeuer bis hin zum Giga-Tsunami in ein Dwayne-Johnson-Vehikel zu stopfen? Da wackelt die Erde, Häuser stürzen ein. Menschen werden erschlagen, vom Boden verschluckt oder von der Flut weggespült. Während sich Johnson als Rettungsflieger Ray ins Epizentrum aufmacht, um seine Tochter zu retten und nebenbei seine Ehe wieder kittet. Ist ja klar, in der ganzen Katastrophe gibt es ja nichts Wichtigeres als das.

                    Doch wollen wir "San Andreas" mal an dieser Stelle schonen. Storytechnisch war das Genre der Distaster-Movies noch nie darum bemüht, auf inhaltlicher Ebene sein Publikum anzuziehen. Wie immer sind es die Schauwerte und möglichst inszenierte Bedrohungs-Szenarien, die uns mit den Figuren mitfiebern lassen sollen. Und genau hier liegt der Knackpunkt.

                    "San Andreas" hat von allem viel zu viel. Nach der x-ten Szene mit getöteten Zivilisten, ob nun direkt daneben oder aus der Vogelperspektive gefilmt, verliert die Sache zwangsläufig an Dringlichkeit. Schließlich ist es schon ausgemacht, dass Film-Tochter Alexandra Daddario sämtlichen Schockwellen, Feuersbrünsten und Monsterwellen entkommt. Während ihre Film-Eltern zwischen Erdrissen und Fallschirmsprüngen den Tot ihres anderen Kindes aufarbeiten und ihre Scheidung aussetzen.

                    Stellen wir mal klar: Das ist alles totaler Schwachsinn. Jedoch nicht mal das, was sich dieser Film als Kritik gefallen lassen muss. Der gewaltige Fehler von "San Andreas" besteht vor allem darin, den ernsten Pathos, ausgemalte Schockszenen von menschlichen Verlusten und den Unterhaltungs-Faktor, das Popcorn-Element eines Dwayne-Johnson-Knallerfilms in einen Mixer zu werfen und gleich auf höchste Stufe zu schalten.

                    Da geht einfach was verloren. Ob es nun die Seele, die gepredigten Werte von Menschlichkeit, Zusammenhalt und der Wille zum Überleben sind. Am Ende erscheint schon fadenscheinig, eine Katastrophe wie diese aufzuziehen und letztlich seinen Hauptdarsteller als unkaputtbaren Übermenschen durchmarschieren zu lassen. Von daher nerven Dinge wie die natürlich gehisste Flagge am Ende nicht einmal. Sie wirken eher bedeutungslos. Wie so ziemlich alles Übertriebene, vom Rechner unter Hochdruck Gerenderte, das "San Andreas" als gigantomanisches Unterfangen über den Zuschauer ausschüttet.

                    4
                    • 6 .5

                      Happy Halloween 2017: Zombie-Apokalypse, die 3527! Im ersten Augenblick scheint ja alles wie gehabt. Der globale Outbreak, Infizierte mit erhöhtem Aggressivitäts-Level und einem Heißhunger nach Menschenfleisch. Forscher, die auf der Suche nach dem Heilmittel jedes emotionale Hemmnis wie das eigene Gewissen ausschalten. Und dann haben wir noch Kinder.

                      So wie Melanie. Jeden Morgen schnall sie sich in ihrem Rollstuhl fest und wird ins Klassenzimmer gefahren. Sie lauscht den Erzählungen ihrer Leherin Helen (Gemma Arterton) oder grübelt über Rätsel, die ihr Dr. Caldwell (Glenn Close) stellt. Melanie ist natürlich etwas Besonderes. Sie und ihre Kameraden kamen infiziert auf die Welt und zeigen dennoch normales, menschliches Verhalten und eine Intelligenz, die der restlichen, infizierten Bevölkerung etwas abgeht. Und da Melanie so außergewöhlich normal scheint, will Dr. Caldwell sie aufschneiden, um ein Gegenserum für die "Hungries"-Epidemie zu gewinnen.

                      Was schließlich ins Wasser fällt, weil die blutrünstigen Kreaturen den Zaun überwinden und ein Blutbad anrichten. Nur eine handvoll Leute kann fliehen, mitsamt Melanie, die ihre Helen einfach retten musste. Auf geht's dann also. Auf den Weg zur nächsten Rettungsstation durch ein überwuchertes Reich der Infizierten. Eine Welt, die ausschaut, als hätte der Mensch gar keinen Platz mehr in ihr.

                      Was denn wohl auch eine der Hauptlehren aus "The Girl With All The Gifts" darstellen dürfte. Unter dem blutigen Beißer-Spektakel versteckt sich weder eine Mahnung, noch ein Appell, die uns mahnen, unsere Menschlichkeit in den unmenschlichsten Zeiten zu bewahren. Stattdessen stellt der Film die nihilistische Diagnose, dass uns irgendwann ein Umbruch wie dieser irgendwann verdrängen wird. Nicht mehr "könnte".

                      Symptomatisch für unsere Anfälligkeit erscheint hier der Umstand, dass es nur Gemma Artertons Figur wagt, Melanie als menschlich gleichgestelltes Wesen wahrzunehmen. Jeder andere Charakter sieht in ihr nur die Missgeburt und ein Versuchsobjekt auf zwei Beinen. Auch wenn sich Melanie mit der Zeit als unentbehrlicher Führer durch die grässliche Welt der Beißer offenbart, eine grundlegende Ablehnung vor dem Ungetüm, dessen Ursprung im Nachhinein noch beleuchtet wird, bleibt immer spürbar.

                      Womit sich "The Girl With All The Gifts" auch als einer dieser Filme erweist, die vor allem im Gefühlszentrum funktionieren sollten und es auch können, wenn nur der inhaltliche Kram hinhaut. Was bisweilen etwas hakt, denn irgendwann versiegt der Input, die Zuführung neuer Komponenten und die grundlegende Motivation geht etwas verloren. Am Ende versteht es der Film und seine tolle Hauptdarstellerin Sennia Nanua, ein stimmiges Bild eines Mischwesens aus kindlichem Gemüt und tierisch bestialischem Charakter zu vermitteln. Ein Mädchen, das sich von Blut ernähren muss und seine Ersatzmutter zu schonen versucht, indem es nach Katzen oder Tauben trachtet.

                      Andererseits sind es gerade die menschlichen Figuren, die, trotz Engagements, in der Sackgasse stecken. So gut Glenn Close immer wieder ist und überhaupt damit überrascht, hier aufzutreten, sie und jeder andere "Normalo" sind schnell durchdefiniert und bleiben mehr oder minder in ihrer Rolle fixiert. So muss eben allein die kleine Melanie reißen, mit der wir trotz aller Blutrünstigkeit echte Zuwendung empfinden können. Wenn wir sie denn zulassen.

                      Ansonsten kann es halt passieren, dass "The Girl With All The Gifts" haarscharf aus der Kurve fliegt und ein weiterer, gut budgetierter Zombie-Apocalypse-Drama-Verschnitt wird, der gute Schauwerte, aber rein kaum inhaltlichen Mehrwert bietet. So etwas wie Romero trifft "Monsters", trifft Killerpilze trifft Kinder. An sich gut gemeint, aber nur dann bewegend, wenn es auch beim Zuschauer funkt.

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                        Happy Halloween und vielen Dank nochmals ans Fantasy Filmfest 2017: "The Autopsy Of Jane Doe" ist mal wieder ein ganz besonderer Horrorfilm. Angefangen vom schaurigen Titel, der die Rädchen im Denkstübchen ankurbelt und allein schon schlimme Bilder suggeriert. Über die Tatsache, dass die Synopsis allein mich schon zum Anschauen animiert hätte, selbst wenn dieser Film keine namhaften Darsteller aufgefahren hätte.

                        Doch Gott sei dank, "The Autopsy Of Jane Doe" hatte alle Mittel um uns zeigen, was André Øvredal, der Mann, der uns in "Trollhunter" auf Monsterpirsch schickte, so unter Horror versteht. Und eines ist danach klar, Øvredal hat sicherlich noch einige Pfeile im Kreativ-Köcher.

                        Tony (Brian Cox) und Austin (Emile Hirsch) sind so ein typisches Vater-Sohn-Gespann. Für "Six Feet Under"-Verhältnisse jedenfalls. Ihr Job ist es, Körper aufzuschneiden und Todesursachen festzustellen. Dinge finden, die für bloße Auge nicht gleich ersichtlich ist. Eben typisch für Leichenbeschauer. Nur ist ihr neuestes Objekt, eine unbekannte Frauenleiche, eine Jane Doe, halt kein Business as usual.

                        Jane Doe ist fahl. Schon ihre Augenfarbe lässt sich der Beschaffenheit ihrer Pupillen wegen nicht deutlich feststellen. Und dann wird jedes Abtasten, jeder neue Schnitt und jeder Blick weiter hinein zu einer Station auf einer Fahrt ins Grauen. Die arme Jane Doe starb nicht nur einen Tod. Es waren schier dutzende. Ihr Körper ist eine Landkarte brutaler Verstümmelung, aus den Öffnungen lässt sich etwas ziehen oder etwas versucht, herauszukommen. Dieser Job ist abscheulich und wirklich furchterregend.

                        Und natürlich scheint die gute Jane Doe schließlich gar nicht so tot zu sein. Oder haust da etwas anderes in ihr, dass nun in die Hallen des Leichenhauses entfleucht?

                        Boah, auf jeden Fall ist "The Autopsy Of Jane Doe" ein stellenweises heftiges Crossover aus "Six Feet Under", "The Evil Dead" oder "Blair Witch". Am besten wirkt das aber, weil der Film sich als subtiler Schocker versteht und greifbaren Horror bis zuletzt aufspart. Jedenfalls was den Spuk betrifft. Ansonsten bietet dieser Film eine echte Innovation: die Umkehr des Body-Horror, bei dem es bislang immer um den Schrecken über die Veränderungen am eigenen Leib ging. Denn hier ist es nun der starre, reglose und doch schauderhafte Körper einer jungen Erwachsenen, der in unseren Köpfen immer heftigere Horror-Momente heraufbeschwört.

                        Ein gewaltiges Lob verdient der Film vor allem wegen seiner guten Handhabung, die sich ohne abscheuliche Inszenierungen von toten Körpern, aber mit einem großen Geschick psychologischer Spannug, in unsere Köpfe windet. Was natürlich auch an den gestandenen Darstellern Cox und Hirsch liegt, die hier nicht irgendein Nebenprojekt runterreißen. Klasse ist auch die Art und Weise, Olwen Catherine Kelly als Hauptperson oder Gegenstand immer wieder in ein neues Licht zu rücken.

                        Einziger Wermutstropfen an der ganzen Sache: So ungewöhnlich und krass "The Autopsy Of Jane Doe" seine Ideen und Asse ausspielt, so moderat gewöhnlich und doch halt vorhersehbar erscheint seine Auflösung. Ist aber auch schon eine Bürde, ein entsprechendes gutes Ende für so ein Werk zu finden. Das drückt zwar die Bewertung, aber keineswegs die Errungenschaften dieses Schockers.

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                          Happy Halloween 2017: Zu diesem Trick or treat klingen wir einfach mal bei den furchterregendsten Geschöpfen, die wir uns vorstellen können: Unsere Nachbarn. Die Hölle, das sind die anderen, hat John Carpenter mal in einer Doku über "Halloween" so oder so ähnlich gesagt. "The Neighbor" versucht wieder einmal, uns vom Wahrheitsgehalt dieser Weisheit zu überzeugen.

                          Schauplatz ein ländliches Kaff irgendwo im Nirgendwo Mississippis. Hier versuchen John und seine Liebste Rose, ihr kriminelles Tagewerk etwas in Vergessenheit geraten zu lassen. Oder lieber gleich den Klauen der blöden Sheriffs-Frau und Johns brutalem Onkel zu entkommen und einfach abzuhauen. Aber diese Schauplätze mit Drogengeld und Autos-Verschwinden-lassen verblassen zu Nebenschauplätzen, als Rose wie so oft durchs Fernrohr starrt und einen verwundeten Jungen vom Nachbarshaus wegrennen sieht.

                          Kurz darauf ist Rose verschwunden. Und John glaubt den knappen Ausflüchten von Nachbar Troy natürlich kein Wort. Er schleicht lieber in dessen Bude und stößt auf eine Mischung aus abgetrennten Zimmern, unheilvoller Deko und einem brutalen Handwerk für den Lebensunterhalt. Troy und seine Söhne kidnappen und erpressen um über die Runden zu kommen. Und ist jemand mal gar nichts wert, lässt sich immer noch trefflich schänden und ein Snuff-Filmchen drehen.

                          Ein wirklich fieses Ausgangs-Szenario als. Überraschenderweise ist "The Neighbor" dabei nicht mal der blutrünstigste oder abartigste Film seiner Art. Und komischerweise funtioniert er sogar recht gut, gemessen an der Tatsache, dass es noch ein paar andere Titel mit ähnlichen Motiven gibt.

                          Dabei kommt es diesem B-Thriller zur Hilfe, dass er es versteht, einem das ungute Gefühl zu vermitteln, dass der wahre Horror keinen Märchen und anderen Dimensionen entspringt. Sondern direkt aus verschimmelten Köpfen übler Zeitgenossen. Außerdem bietet "The Neighbor" einen recht toughen Helden, der mit allen Wassern gewaschen scheint und trotzdem weder allmächtig noch kooperations-renitent auftritt.

                          Aber vor allem überzeugt das Thrill-Niveau, weil "The Neighbor" zwar relativ simple Story-Motive und Zuschauer-Reaktionen bedient, sich jedoch seltener in den eigenen Zahnrädern verfängt. So schlicht der Mechanismus aus sadistischen Ungeheuern, Folterzimmern und Ums-Überleben-Rennen auch scheint, eine Entgleisung in Richtung untergräglicher Brutalität bleibt uns erspart.

                          Und auch wenn es nicht komplett schockierend geraten ist. Eine ordentliche Portion Ich-oder-das-Monstrum-nebenan hat "The Neighbor" dann eben doch zu bieten. Wo ich eigentlich einen deutlich geschmackloseren Film erwartet hätte.

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                            mikkean 31.10.2017, 19:56 Geändert 07.12.2017, 22:45

                            Happy Halloween 2017: Trick or treat? Beim diesjährigen Aufwärm-Schrecken "Phantasm: Ravager" lässt sich diese Unterscheidung gar nicht so leicht treffen. Die Absicht war sicherlich ehrenswert und gut, den ganzen, teils langjährigen Fans von "Das Böse" noch ein weiteres Kapitel zu spendieren. Die Umsetzung hingegen bildet den qualititiven Tiefpunkt der Reihe, die mitunter schon ziemlich zum billigen Spot-Entertainment tendierte.

                            Aber was "Lord Of The Dead" und "Oblivion", respektive Teil drei und vier der "Phantasm"-Saga schon budget-bedingt einbüßten, wusste Urheber und Mastermind Don Coscarelli dann doch hin und wieder mit einigen echten dramaturgischen Lichtblicken oder purem Fun am moderaten Splattern zu kontern.

                            Wovon leider bei "Ravager" so gut wie gar nichts mehr zu spüren ist. Unser guter alter Reggie stapft in seiner mitgenommenen Eisverkäufer-Uniform der doppelläufigen Pumpgun durch die Wüste und trifft auf die mörderischen Spheres. Bis er einfach so in einem Hospiz erwacht, wo ihn sein totgeglaubter Kupel Mike ein paar letzte friedliche Tage ermöglichen will. Die Welt ist nämlich einfach so in Ordnung, nur die fortgeschrittene Demenz zerrt an Reggies geisitger und körperlicher Gesundheit. Aber was ist das denn? Sogar ein gewisser Jebediah Morningside ist plötzlich Reggies Bettnachbar?

                            Neulinge und Nichtkenner müssen an dieser Stelle zwangsläufig kapitulieren. Inhaltliche Kohärenz und die Achtung einer, selbst eigens für die Serie geschaffenen, Logik waren noch nie die Stärke von "Phantasm". Was bei diesem fünften Teil aber einfach fehlt ist schlichtweg Don Coscarelli selbst. Der hat zwar produziert und mitgeschrieben, aber es steht am Ende einfach keine Geschenk an die Gläubigen, sondern ein Trauerspiel, das den Credit dieses ewigen Underground-Klassikers gehörig leiden lässt.

                            "Phantasm V: Ravager" ist einfach nur lustlos erzählt und sieht die ganze Zeit einfach nur erschreckend billig beziehungsweise nach No-Budget und lächerlichen Tricks aus dem Heimstudio aus. Nicht das wir uns falsch verstehen, jeder, der eine Sphere entwerfen und durchs Bild fliegen lassen kann, kriegt von mir Anerkennung. Was aber nicht bedeutet, dass auf filmischen Niveau überzeugt, wenn nur diese Dinger mit mässiger Anpassung an die Original-Lichtverhältnisse auftauchen. Oder wenn alle Gewehrschüsse, Laserstrahlen oder Blut-Fontänen digitaler Natur sind. So etwas fällt leider doch auf, vor allem, wenn es schlecht gespielt ist. Zumindest die Szene mit dem Pferd ist ganz und gar albtraumhaft grottiger Natur.

                            Genauso haarsträubend mutet auch der Versuch an, ein Endzeit-Szenario der Marke "Mad Max" ins Spiel zu bringen. Bei so viel künstlichen wie lachhaften Szenen vom globablen Chaos, dem finalen Schlachtengetümmel und so weiter und so fort.

                            Leider verdient "Ravager" die V im Titel nicht. Es bleibt die Frage, was das überhaupt sollte. Außer einer Art letztem Schaulaufen unserer Helden (und ich meine alle) und dem Abschied vom großen Angus Scrimm hat der Film nichts zu bieten. Er wirkt wie ein heillos durcheinander gefilmtes Fan-Filmchen, in dem nur zufällig die Darsteller des Originals herumturnen. Und leider hat der Tall Man außer wirklich belanglos klingenden Zeilen (die deutsche Synchro ist auch bescheiden) nicht eine Sekunde lang wirkich Ausstrahlung noch Grauen zu bieten.

                            Dieses Halloween-Candy schmeckt also wirklich bitter. Während die Tränen ruhig in Tränen fließen dürfen. Angesichts der Tatsache, dass ein fünfter "Phantasm" wirklich seinem Namen hätte gerecht werden müssen. Denn nicht umsonst steckt in "Phantasm" irgendwo ein phantastisch. Bie heute jedenfalls.

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                              Androiden träumen also doch. Vielleicht nicht von elektrischen Schafen, aber von der Liebe. Eigentlich soll er sich ursprünglich vor Ehrfurht geziert haben. Doch zum Glück ging Denis Villeneuve das Wagnis am Ende ein, "Blade Runner 2049" zu inszenieren und einen seiner persönlichen Lieblingsfilme weiterzuentwickeln und fortzuführen. Natürlich reden viele andere über persönliche Wertschätzung und die große Chance, geliebte Marken mit den modernsten Mitteln neuzubeleben. Jedoch bildet der ambitionierte wie talentierte Visionär Vielleneuve mal wieder die eine Ausnahme, bei der diese Behauptungen tatsächlich stimmen.

                              Denn es nicht weniger als ein überwältigendes Film-Erlebnis, das sämtliche Sinne in Anspruch nimmt. Das gesehen, begriffen und gefühlt werden will, anstatt bloß konsumiert. Wo Action-Sequenzen eher Tupfer auf der Leinwand sind und nicht als Haupt-Verkaufs-Argument fungieren. Und sich stilistische und formale Huldigung mit eigenen Denk-Impulsen die Waage halten. Am Ende stellt sich nicht einmal mehr die zwangsläufigen Fragen aller Fragen bei dieser Art von Projekt. Hätte es Ridley Scott besser gemacht? Das ist nämlich sogar ziemlich egal. Ob wir hier einen künftigen Kult- oder Genre-Klassiker vor uns haben oder nicht, "Blade Runner 2049" hat eines geschafft, was vielen anderen Eighties-Weggefährten verwehrt geblieben ist. Weder "Alien", noch "Predator", "Total Recall" oder "Robocop" bekamen eine solch relevant anmutende Neuauflage spendiert.

                              Sicherlich fällt die eigentliche Handlung für 163 Minuten Spielzeit wiederum doch sehr überschaubar aus. Defintiv gibt es neben der imposanten Gesamtwirkung auf zerebraler Ebene auch einige Details und Rätsel, die am Ende als störend und schwächelnd beurteilt werden können. Es wiederum auch niemand behauptet, dieser Film sei einfach nur brilliant und perfekt. Ob ich selbst nun meine, das große Mysterium von Villeneuves Nachzügler falle klar ab gegenüber der Frage nach Rick Deckards Herkunft. Oder dass ich als Kritikpunkt ganz klar die versponnen Dilaogzeilen von Jared Leto anführen würde, die in die philosphische Eigenbrötlerei von "Ghost In The Shell" kippen – unterm Strich bleibt ein betörend dunkles Retro-Cyberpunk-Gebilde bestehen.

                              Nicht von ungefähr steckt eine gehörige Portion Ironie in der Frage, ob die Kopie so gut wie das Original sein kann. Bei "Blade Runner 2049" bedeutet dies, dass vor allem Replikanten in den Schluchten des schwarzen Megacity-Molochs und in den Trümmern der untergegangenen Zivilisation am menschlichsten wirken. Sie haben doch schon längst das emotionale Empfinden ihrer Vorbilder angenommen. Nun streben sie nach der nächsten Stufe ihrer Evolution, während wir Schöpfer panisch darum bemüht sind, die Trennlinie, den Grenzwall zu unseren ehemaligen Spielzeugen aufrechtzuerhalten.

                              Verraten will ich weiter nichts. Es schien mir nur wichtig, anzudeuten, dass "Blade Runner 2049" gerade wegen solcher Aspekte ein mehr als befriedigenes und eigenständiges Werk darstellt, dass Denkansätze von Ridley Scotts übergroßem Original geschickt und sinnvoll weiterverfolgt und die Tür zum nächsten Raum durchschreitet, als den Spalt bloß etwas zu öffnen. Denis Villeneuve ist eben die richtige Wahl für optisch wie inhaltlich anspruchsvolle Sci-Fi-Unterhaltung. Wie schon mit "Arrival" legt er vor allem ein emotional anrührendes Genrewerk vor, bei dem wiederum der gesamte Cast (von den großen Namen Gosling, Ford, Penn, Leto, zu Aufstrebenden wie Ana de Arma, Sylvia Hoeks bis hin zu Nebenrollen und Gast-Auftritten wie die von Mackenzie Davis oder Barkhad Abdi) begeistert und das Luftschiff auch wirklich fliegen lässt.

                              Also hat dieser Film das Zeug dazu, ähnlich große Fußstapfen wie des Originals auszufüllen? Weiß nicht, ist doch einfach erstmal ein interessanter Streifen. Wäre er heute schon ein Klassiker, wenn er vor vielleicht zwanzig Jahren genau so wie er ist entstanden wäre? Vermutlich. Ist aber nur die Ansicht eines Träumers.

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                                Es wäre eigentlich an der Zeit Liam Nesson sein eigenes Last-Action-Hero-Denkmal zu spendieren. Was hat der Mann bisher nicht alles gehandelt? Reiseziele in Europa und Übersee verwüstet, um ehntführte Familien-Mitglieder zu retten. Flugzeug vorm Absturz bewahrt, perverse Körper-Schnipsler zur Strecke gebracht. Und es immer noch nicht (ganz) langweilig.

                                Natürlich variieren Nessons Action-Werke immer wieder qualitiv ein wenig. Sie sind mal inhaltich etwas blöder oder ähneln sich mitunter. Nicht vergessen, es ist immer auch die spürbar gleiche Rolle des angeknacksten Einzelgängers, die bei allen Titeln zur Hochform aufläuft.

                                So gesehen bildet auch "Run All Night" da keine nennenswerte Ausnahme. Liam Nesson gibt den versoffenen Jimmy Conlon, der mal eine Größe im irischen Unterwelt-Kosmos war. Aber der Alk hat ihm seinen Elan geraubt und das Verhältnis zum erwachsenen und sauberen Sohn zertört. Bis eben jener Sprößling Mike zur wandelnden Zielscheibe wird und ausgerechnet von Jimmys letzten echten Blutsbruder, dem Boss Shawn alias Ed Harris, zum Abschuss freigegeben wird.

                                Was darauf folgt, ist routiniertes Handwerk des ruppigen Thriller-Kinos. Zur Abwechslung darf Nesson als Trinker und gefallener Hitman etwas mehr charakterliche Tiefe ins Spiel bringen. Erwartet natürlich keine Oscar-Leistung. So stark ist das Vater-Sohn-Drama natürlich auch nicht ausgefallen. Dafür ist es aber ein relativ gutes Leitmotiv im Verfolgungs-Rausch. So wie auch das Setting mit der irischen Crime-Welt gefällt. Immerhin wirkt Ed Harris Figur wie eine spät nachgeschobene Fortsetzung an seine Rolle aus "Im Vorhof Zur Hölle".

                                Und unser letzter Actionheld Liam Nesson beweist einmal mehr, dass eben vie cooler ist, wenn dein Protagonist nur schnell läuft und gut ballert. Anstatt sich im fortgeschrittenen Alter mit stark verändertem Gesicht und Wampe an irgendwelchen Martial-Arts-Verrenkungen zu probieren. Selbst wenn nicht jedes Szenario so bodenständig und rational verläuft, wie der Film gern wirken würde. "Run All Night" ist ein streckenweise dichtes Katz-Und-Maus-Spiel geworden. Mit ein paar Sprenklern Pathos und Familen-Sinn. Und eben das, was Liam Nesson zuletzt immer noch am besten verkauft hat: Eine große Ladung Blei-Verbrauchs und viel Getöse um ruchlose böse Buben.

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                                • Geschmackssache. Ich mag ja beides, Bingen (bis zu einer gewissen Stückzahl) und das wöchentliche Dosieren. Es hängt ja ganz vom Format und welcher Form von Handlung du folgen musst.

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                                    mikkean 14.09.2017, 01:17 Geändert 14.09.2017, 01:34
                                    über Es

                                    Schöne Grüße vom Fantasy Filmfest 2017!!!

                                    Ich bin jetzt mal der Typ im Raum, der den Clown killt. Doch es muss einmal gesagt werden: "It" ist keine dieser berüchtigten Neu-Verfilmungen, mit denen das faule Hollywood Erinnerungen und Hoffnungen einer Fanschaft zerquetscht. Es ist auch nicht das Leuchtfeuer, mit dem eine neue Ära der cineastischen Groß-Offensive von Stephen-King-Verfilmungen gestartet wird, sondern ...

                                    ... eine durchaus emotional berührende Erzählung der einschneidenden Sommer-Monate 1989, die das Leben des Losers' Clubs um den stotternden Bill für immer verändern werden.

                                    Mit gut 135 Minuten Laufzeit nimmt sich "It" viel Zeit dafür, um zu verdeutlichen, was Stephen King ja schon immer betont (und auf über 1130 Seiten niedergeschrieben) hat: dass es sich um die Geschichte einer Kindheit handelt, eine Story ums Großwerden und die quälend bittere Entsagung an alles, was mit der Unschuld, der Träumerei und Naivität dieses Lebens-Abschnitts verknüpft ist.

                                    Weshalb der gefrässige und grauenhaft clownige Pennywise auch dankenswerterweise nicht als blutrünstiger Hampelmann ins Bild geschoben wird. Auch ohne ihn hat "It" viel von einer glaubhaften und teils erdrückenden Coming-of-Age-Erzählung. Das noch junge Leben unserer Loser-Helden wie Ben, Beverly, Mike oder Eddie ist auch schon so mächtig getrübt. Da gibt es tödliche Tragödien, Missbrauch oder drastisch über-protektive Eltern, die bereits genügend Nährboden für seelische Narben und Langzeit-Therapien bieten.

                                    Und vor allem knüpft "Mama"-Regisseur Andy Muschietti mit seiner "It"-Neu-Fassung immer wieder an die Tonalität und den seelischen Kern der großen Jugend-Abenteuer wie "Stand By Me" (na klar, King halt) und "Die Goonies" an. Jedenfalls weckt der Film immer wieder die Vorstellung, dass hier nicht ein weiteres Schock-Fest abgefeiert wird. Es ist durchaus möglich, dass der Kampf der Losers gegen Pennywise einen ähnlichen Stellenwert in Sachen Jugendfilm einnehmen könnte. Aber dies ist wirklich nur eine Hoffnung.

                                    Vornehmlich genährt von der Tatsache, dass "It" es schafft, einen interessanten Stoff aus Kindersicht und mit ernstgenommener, dreidimensional gezeichneter Problematik abhandelt. Zu der eben auch leider, grauenhaft zufällig, das uralte Böse in Clownsgestalt gehört. Was an dieser Stelle auch mal erwähnt werden soll. Bill Skarsgård ist ein überzeugener Pennywise. Und er versucht auch nicht, das legendäre Ansehen von Tim Curry zu unterminieren. Currry ist ja bis heute die Quasi-Mutter aller filmischen Killer-Clowns. Da versucht der neue "It" gar nicht erst, die finster-lustige Art des TV-Vorbilds zu imitieren. Pennywise tänzelt 2017 nur am Rande und lässt ansonsten keinen Zweifel daran, dass er zum Fressen gekommen ist.

                                    Verstärkt wird das Grauen durch Bilder und Einfälle, die sogar an eine andere Horror-Ikone erinnern: Freddy Krueger. Szenen wie das "Blut-Bad" hätten auch Wes Craven einfällen können. Oder sie verbeugen sich, im weitesten Sinne, vor Kubricks "Shining". Und auch hier kann dem Film eine weitere Stärke attestiert werden. Er zeigt an dieser Stelle, wie die Kinder diese Horror-Szenen durchleben und ansehen müssen, während sie für die Erwachsenen komplett ausgeblendet scheinen. Noch so eine kleine, feine Nuance für den eigentlichen Kern des Stoffes.

                                    Was sollte da noch gesagt werden? Außer vielleicht, dass "It" keineswegs die TV-Version zu überrollen scheint. Denn die ist älter und wurde unter ganz anderen Umständen und anderem Blickwinkel realisiert. Natürlich ist das neue Es sehr nah dran am typischen Inszenierungs-Stil des gegenwärtigen Horror-Kinos. Manche oder viele Schocks erinnern in ihrer Machart an verwandte Schocker wie "The Conjuring". Aber so what? Ist ja auch im Grunde nicht mehr vermeidbar. Grandios neuartige Einfälle sind rar und müssen sich immer gegen ein gut geschultes Publikum behaupten.

                                    Außerderm sollte diese Adaption ja auch nicht primär als Horrorwerk wahrgenommen werden. Der Clown ist nur das schlimmste oder übertrieben beschriebenste Übel, auf das diese Kids stoßen. Ah ja, eine Fortsetzung ist übrigens vorprogrammiert. Und dies haben das TV-Original und dieser "It" gemein, die Gliederung ist sinnnvoll und nicht aufringlich wie ansonsten üblich. Selbst wenn der nächste Teil abstinken sollte, kann diese Version auch als Stand-Alone-Complex genossen werden.

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                                    • Nichts gegen den Guido, nichts gegen das Konzept. Aber die Sendung ist schon in Dosen schwer erträglich.

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                                      • 8 .5

                                        Reden wir über "The Babadook"! Welcher Art ist der bedrohlich finstre Schatten mit Zylinder, der mit seinen spitzen Finger nach der verwitweten Mutter Amelia und ihrem anstrengend aufgedrehten Sohn Sam greift?

                                        Ist es ein waschechter Dämon, der sich aus den Seiten eines verstörenden Kinderbuchs in unsere Welt materialisiert. Oder ist es gar Symbol für die Schrecken, die eine überforderte, geistig labile Mutter dem eigenen Kind antut?

                                        Es zeichnet sich ja schon hier ab. "The Babadook" ist keiner dieser gewöhnlichen Horror-Schlocker im überfüllten Becken des Spukhaus-Films. Autorin und Regisseurin Jennifer Kent setzt verstärkt auf Charakter-Zeichnung und ein entsprechend behutsames Erzähl-Tempo. Anstatt uns zum hunderttausendsmal mit klappernden Fenster-Läden, auf- und zuschlagenden Türen und Stöhn-Geräuschen im Flur zu malträtieren.

                                        Von daher ist es nicht verwunderlich, dass dieser wahrlich mal vielschichtige Film eher in die einfühlsame Kerbe von "Das Grauen" oder "The Sixth Sense" schlägt. Also eher ein übernatürlich unterfüttertes Drama präsentiert, in dem es um Traumata und Seelenqualen geht. Während die Sache mit dem umherschleichenden Babadook lediglich als untersützendes Story-Element fungiert.

                                        Ob das "Ding" nun real oder nur Fantasmagorie darstellt, ist deshalb – kurioserweise – eine spannende Frage. Aber eigentlich nicht die wichtigste des Films. Das ganze Drama um den Babadook vernebelt uns ja nicht die Sicht auf die komplett überforderte Amelia. Eine Frau, die den Unfall-Tod des Gatten nicht verarbeiten kann. Die ihre komplette Lebensplanung über Bord geworfen hat und den "normalen" Sorgen der Bekannten ihrer Schwester, sagen wir, zynisch begegnet.

                                        Da mögen sonst noch was für abscheuliche Monster unterm Bett lauern. Sie sind garantiert nicht so böse wie die dunklen Schatten, die in unseren Köpfen geboren werden. Ob "The Babadook" nun Trauer, Wut oder Angst repräsentiert, kann jeder für sich allein erforschen. Aber bitte, nicht denken, das hier wäre so ein weiterer Horror-Film mit Gefühls-Duselei. Wir sprechen hier eher von einem faszinierenden Stück "fantastischen" Erzählkinos.

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                                        • 8 .5
                                          über Sicario

                                          So langsam mausert sich Denis Villeneuve zum Meister aller Klassen. Mit dem kleinen, feinen Twist, dass er sich nicht bloß im Imitieren gängigen Genre-Verständisses versucht. Nein, Villeneuve lässt bei "Sicario" nicht mal eben den Michael Bay raushängen. Er nimmt den Zuschauer mit auf einen schmutzigen Feldzug ins Reich der Drogen-Kartelle. Ohne Macho-Typen, endlos dröge Baller-Gewitter und hübsche Kamera-Spielereien.

                                          Nur weil er plötzlich eine Emily Blunt als toughe Sonder-Ermittlerin inszenieren darf, schmeißt Denis Vielleneuve nicht gleich all seine Stärken über Bord. "Sicario" handelt konzentriert sich deshalb eher schon auf das Opfer, dass einem abverlangt wird, wenn er oder sie die Köpfe der Kokain-Medusa abschlagen will.

                                          Eine Sichtweise ist daher das Porträt von Blunts Protagonstin Kate. Eine Frau in der toughen Männerwelt der SWAT-Teams und heimlicher Eingreif-Truppen. Das ist eine Schilderung ziemlich brutaler Vorgehensweisen und unmenschlicher Gräueltaten auf Seiten der Kartelle. Da legt sich eine Frau nicht nur die Schutzweste an, um Kugeln standzuhalten. Sie rüstet sich auch dafür, einen weiteren Tag im Wolfsrudel zu überstehen.

                                          Andererseits geht es in "Sicario" auch eine Regierung, die gar kein Interesse daran hat, die Flut der Opiate zu stoppen. Nee, es ist doch leichter, einen Deal mit dem Leibhaftigen einzugehen und lieber nur die jeweilige Führungs-Riege auszutauschen. Und auch geht es natürlich um die Titelfigur, den Sicario, der auf seinem Weg zur Rache entschlossen ist, viel Blut zu vergießen.

                                          Und trotzdem überstürzt der Film nichts. Als Drogen-Thriller und Cop-Film lässt sich "Sicario" zu nichts hinreißen. Das Tempo ist spürbar gedrosselt oder eben gnadenlos präzise. Was auch die Möglichkeit bietet, viele Facetten dieses Kriegs gegen die Drogen zu streifen. Von den Internierungs- und Verhör-Methoden der Amerikaner gegenüber ihren südlichen Nachbarn. Bis zur Fahrt durchs mexikanische Höllenloch, wo die aufgeknüpften Leichen so selbstverständlich zum Straßenbild gehören wie Laternen.

                                          Dabei wird sich genug Zeit genommen, auch mal kurzzeitig ins Leben von Menschen zu blicken, die auf ihre Art und Weise mit den Drogen und dem Krieg der Dealer untereinander zu leben gelernt haben. Und die unfairerweise nach ausreichender Vorstellung plötzlich aus dem Cast gestrichen werden.

                                          Es passt schon, dass "Sicario" im Grunde keine Helden kennt. Nur Typen, die sich in einer Art Abhärtungs-Wettbewerb befinden. Gefühle wie Mitleid und Zweifel haben in diesem Reich der Finsternis nichts zu suchen. Womit Denis Villeneuve zeigt, dass er lieber eine tiefgründige Analyse dieses schmutzigen Kampfs vorzulegen, als diese Thematik unter Dauerfeuer und Herumgehetze untergehen zu lassen.

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                                            mikkean 28.08.2017, 02:07 Geändert 28.08.2017, 02:07

                                            Und jetzt alle: Es hält ein Zug im Nirgendwo... und macht die Wölfe froh... Da da da, da da da...

                                            Locker bleiben. Einen wolfshaarsträubenden wie "Howl" muss du auch mit Humor begegnen können. Eine schlechte Bewertung bedeutet hier nicht das Ende. Aber zumindest eine spürbare Enttäuschung darüber, wie anfängliche Hoffnungen auf eine "The Descent" des Werwolf-Genres ziemlich schnell zunichtegemacht werden.

                                            Von einer Ansammlung meist unsympathischer Figuren, die sich einmal zu oft wie kopflose Hühner benehmen. Und damit dementsprechend für hahnebüchende Verhaltensweisen und Entscheidungen sorgen, die bisweilen an eine Persiflage grenzen.

                                            Selbst für eine Horror-Komödie fehlt "Howl" dann aber auch der richtige Biss. Was eben in einer recht uninteressanten und zigfach gesehenen Parade von Klischees und auch guten Creature Effects mündet. Eine Angelegenheit, die sich ständig irgendwie selbst die Silberkugel in den haarigen Monsterfuss jagt.

                                            Und bitte nicht falsch verstehen. "Howl" ist auch wieder nicht so missraten und gehört keineswegs von der cineastischen Öffentlichkeit weggesperrt. Aber wahrlich Großartiges sieht dann doch anders aus.

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                                            • Es ist ein schwarzer Tag und ein schwerer Abschied. In dieser Stunde ruhen die Kettensägen und selbst ein Leatherface schluchzt hinter seiner Maske. Mit Tobe Hooper hat sich eine weitere Legende von dieser Welt in die nächste begeben. Und wir denken jetzt von allem an "The Texas Chainsaw Massacre" zurück.

                                              Dieses Kunststück, mit einem klein budgetierten Horrorfilm einen Krater, so gewaltig wie der Grand Canyon, in die Genre-Karte zu sprengen. Das "Blutgericht In Texas" war vielleicht nicht die Geburtsstunde des Terrors, aber seine Wirkung schwingt bis heute in jedem dreckigen VOD-Reißer (früher der Videomarkt) mit, in dem deformierte Mutanten-Gestalten (halb-)nackten Mädchen-Opfern hinterher-jagen. Und erst all jene Nachwuchs-Filmer, die sich bemüßigt sehen, die eigene Schreckens-Vision eines Folter-Streifens mit der Welt zu teilen. Sie alle müssten sich zu jeder Stunde vor Tobe Hooper vorbeugen, dass ihm anno 1974 die Idee mit der Mördersippe um Leatherface im amerikanischen Hinterland kam.

                                              Von da an ging es Hooper allerdings wie den meisten seiner legendären Weggefährten. Wie Wes Craven, George A. Romero oder auch Sean S. Cunningham lieferte Hooper regelmäßig Filme ab. Deren Ruf und Standard glich jedoch gern einem holprigen Ritt durch die Prärie.

                                              "Poltergeist", die Co-Produktion mit Steven Spielberg, ist ein weiteres Highlight in Hoopers Schaffen. Ein knalliger Referenz-Titel im Reich des paranormalen Kinos und auch der einzige, (für Hoopers Standard) unerwartet erfolgreiche Flirt mit dem Mainstream. Ein Versuch, der noch "Lifeforce" ermöglichte und bewies, wie selbst eine total beknackte Grund-Idee mit Weltraum-Vampiren (auch wenn es eine lose Roman-Adaption darstellt) halbwegs amüsant aufgezogen werden kann.

                                              Selbst das Remake von "Invasion Vom Mars" kann noch als fast kultiger Schund angesehen werden. Im Kern noch erkennbar der Versuch, einen düsteren Stoff wie die Umwandlung der Erwachsenen in gefühllose Marionetten, durch Kinderaugen darzustellen. Wenn der Film dann nicht so lächerlich wirken würde.

                                              Und was machte Tobe Hooper sonst noch? Im Fernsehen-Format ließ er Stephen Kings Vampire aus "Brennen Muss Salem" auf die Zuschauer los und landete einen großen Erfolg. Ein zweites Standbein als TV-Gast-Regisseur war geboren. Ansonsten ist es Hoopers bemerkenswertester Verdienst, mit "The Texas Chainsaw Massacre 2" den eigenen Kult-Stoff in einem grellen, völlig überdrehten und blutigen Verfahren auf ein Format aufzublasen, dass am ehesten an "Evil Dead 2" erinnert. Größer, deftiger und mit einem kettensägen-schwingenden Dennis Hopper.

                                              Hoopers restliche Werke sind dann aber wirklich eher Stoff für den cineastischen Stammtisch. "Fire Syndrome", "Night Terrors" und auch "The Mangler" liefern Futter für die Frage, wann ein Regisseur das eigene Schund-Niveau erreicht und hinterlassen sehr oft nur schlechte Erinnerungen. Auch mal etwas solides wie "The Toolbox Murders" konnten da nicht viel daran ändern, dass Tobe Hooper, auch bei mir, immer den Ruf eines Schmuddelkinds genoß. Unfairerweise womöglich, doch besagte Titel knüpfen nun wirklich nicht an die großen, genre-definierenden Stern-Stunden dieses Mannes. Allerdings, als Mit-Autor des bösen wie sarkastischen Horror-Schinkens "Midnight Movie" (mit einer Epdiemie rund um den armen Filme-Macher Tobe Hooper als Urheber!) bewies er dann sehr spät noch ein ganz anderes Talent.

                                              Als ein Autor, der seine eigene Karriere mit Humor zu nehmen wusste und mit einem lange vergessenen Hinterhof-Film die Tore zur Hölle öffnete. Da macht das Lesen doch mal wieder Spaß und gerne hätte ich erfahren, was Tobe Hooper danach noch so in seinem Gehirn ausbrütet. Eine Hoffnung, die nun leider nicht mehr erfüllt werden wird. Doch es ist auch klar, allein sein "Kettensägen-Massaker" gehört zu den Momenten, in denen du das Mic auf den Boden schmeißen und einfach weggehen könntest. Denn der allein hätte gereicht. Es war aber auch schön, dass Tobe Hooper noch einige glanzvolle Momente wie dieser vergönnt waren.

                                              Ciao und R.I.P. Tobe Hooper, du Legende unter den Legenden des New American Horrors.

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                                                Die Geschichte einer besonderen Trauer-Bewältigung, dem zarten und sexuellen Aufblühen eines Mädchens und die letzten Kapitel im Buche eines Psycho-Killers in the Making. "Stoker" ist einer dieser Kandiaten, deren Leinwand-Präsenz zu schnell versiegt und die immer gleich auf dem Grabbeltisch landen. Dabei setzt Groß-Meister Park Chan-Wook bei seinem US-Debüt nicht nur auf echte Star-Power und den Erhalt des eigenen künstlerischen Gespürs.

                                                Er trotzt auch mal wieder allen Erwartungs-Haltungen und legt eine Perle des subtilen Erzähl-Kinos vor. Langsam, sehr langsam im Tempo, wobei es "Stoker" gerade dadurch schafft, leichte Schauer über und unter die Haut kriechen zu lassen. Selbstredend ist hierbei natürlich durchgestylt, jede Einstellung, jedes Einrichtungs-Merkmal genau abgewogen. Typisch für Park Chan-Wook eben eine Träumerei und ein echtes Kunstwerk, das selbst vor gezielt gesetzten Freeze Frames nicht Halt macht. Die ließen mich damals denken, mein Player hätte eine Macke.

                                                Natürlich braucht es da auch die menschliche, schauspielerisch gewichtige Note. Und für die fährt unser südkoreanischer Über-Regisseur mal eben Mia Wasikowska und Nicole Kidman auf. Beide geben ein faszinierend zu beobachtendes Mutter-Tochter-Gespann ab, das den Tod des Gatten und Vaters zu verarbeiten sucht. Wobei Töchterchen India Sympathie nicht nur deutlich ihrem Papi galten. India wohnt auch eine Seite inne, die vor allem der plötzlich aufgetauchte Onkel Charlie zu erkennen und zu fördern scheint. Wenn er seiner angetanen Schägerin nicht gerade zeigt, wie wichtig ein Mann im Haus ist.

                                                Interessanterweise erzählt Autor Wentworth ("Prison Break" und "Captain Cold") Miller nicht unbedingt die überragend innovativste Geschichte. Aber die Art, wie er sie strickt, liefert ein solide ausgeklügeltes Fundament für Park Chan-Wooks Ergänzung und Verwirklichung auf visueller Ebene. Aber selbst ohne diese Tatsache einer ersten US-Arbeit eines ausländischen Schwergewichts bleibt "Stoker" ein sehr markanter Psycho-Thriller mit starker Handschrift, umwerfenden Darstellung und dem Dreh, selbst schäbige Pulp-Motive eine künstlerischen Anstrich à la Hitchcock zu verpassen.

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                                                  mikkean 26.08.2017, 19:50 Geändert 26.08.2017, 19:53

                                                  Der dritte Anlauf für die freundliche Spinne aus der Nachbarschaft in nicht einmal zwanzig Jahren. Wenn das mal kein Luxus-Problem ist. "Spider-Man: Homecoming" schickt nun Tom Holland ins Rennen und verfrachtet ihn zurück auf die Schulbank. Mit all den Herausforderungen der High-School-Zeit, "Iron Man" Robert Downey Jr. als strengem Helden-Mentor und Michael Keaton als bösen Birdman Vulture, der die Welt mit Chitauri-Waffen in Atem hält.

                                                  Unverkennbar war die Bruchlandung nach "The Amazing Spider-Man 2: Rise Of Electro" den Machern eine warnende Lehre. Natürlich werden Comic-Adaptionen inzwischen weniger glimmender Fan-Herzen, sondern des Marken-Erhalts wegen, durchgeplant und kalkuliert. "Homecoming" profitiert jedoch davon, sorgsam und würdevoll ins Marvel-Universum mit seiner etablierten Avengers-Zeitlinie eingeführt zu werden. Auch ist es eine spürbare Entlastung, auf eine abermals aufgewärmte Origin-Story mit toten Onkeln und grünen Kobolden zu verzichten.

                                                  Stattdessen setzt Regisseur und Comic-Debütant Jon Watts auf die bekannten und leicht erkennbaren Trademarks der anderen MCU-Beiträge und lässt den jungen Spider-Man wiederum gänzlich auf den Spuren seiner Herkunft als Pop-Phänomen und Samstagmorgen-Cartoon wandeln. Der neue Wandkrabbler löst sich dabei spürbar von der Last seiner Vorgänger und hinkt lieber den eigenen Helden-Träumen hinterher, als gegen Mutanten, Psychos und letztlich auch der eigenen dunklen Seite in den Kampf zu ziehen. Dabei bilden Fähr-Unglücke oder die wuchtigen Laser-Waffen von Vultures Gang ein neues Maß an Spektakel.

                                                  Wohingegen gezielte Gags, der unsterbliche Blitzkrieg Bop der Ramones und Minirollen und Gastauftritte von Serien-Stars (von "Cagney & Lacey", "Orange Is The New Black" und "Community") ein gesundes Quäntchen Boden-Haftung garantieren. Sogar die brutalste Stelle des Films wird mit einer Dialog-Kirsche entschärft. Andernorts bringen eine revitalisierte Tante May alias Marissa Tomei, Peters bester Freund Ned oder die gut platzierten Gags der Mitschülerin Michelle, eine frische Brise ins Geschehen, die es bisweilen gar mit den Auftritten von Tony Stark oder Happy aufnehmen könnten.

                                                  Zwei weitere gewaltige Pluspunkte: schon die Wahl der Bad Guys bringt etwas Abwechslung ins Spiel und erfreut bestimmt alle, die Spideys Abenteuer der Achtziger und Neunziger miterlebt haben. Und vor allem, weil am wichtigsten für das Gelingen dieser Unternehmung: Tom Holland nehmen wir den fünfzehnjährigen Peter Parker ab, doch erst das Auftauchen vieler wirklich minderjähriger Darsteller verschafft dem Film ein recht authentisches Schul- und Jugend-Feeling.

                                                  Natürlich ist auch "Spider-Man: Homecoming" in erster Linie ein Produkt, danach erst ein Geschenk an die Fans. Zugutehalten können wir dem Film, dass er zwar nach vorne sprintet, aber dafür den vollen Marvel-Rückhalt genießt. Wodurch sich auch Schwächen (formal wie nach persönlichem Geschmack) der Handhabung entschuldigen lassen. Schließlich ging es ja auch darum, einen Ton und eine Gangart (beides sehr leichtfüßig) zu finden, die sich deutlicher von den ursprünglichen Verfilmungen unterscheidet. Und es ist in dieser Zeit auch schon als Stärke anzuerkennen, dass ein Film für sich alleine steht und nicht weitere Verknüpfungen und Querverweise mit dem Holzhammer ins Geschehen eingebettet wurden.

                                                  Von daher ist "Homecoming" ein leicht verdaulicher Solo-Ausflug geworden und ein ballast-befreiter Lückenbüßer fürs nächste große MCU-Kapitel. Ganz gleich, was Spider-Man als Nächstes auffährt, es hätte auch schlimmer kommen können.

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                                                    mikkean 26.08.2017, 14:36 Geändert 26.08.2017, 14:39

                                                    Romeo und Julia im Equilibrium-Land. Oder: Die Wiederentdeckung der Liebe in einer gefühlskalten Welt.

                                                    Letzterer Satz verspricht das Eintauchen in eine erschreckende Dystopie, die vordergründig hoch entwickelt scheint. Im Inneren jedoch völlig gleichgeschaltet funktioniert und sämtliche Emotionen als Ursprung aller Konflikte aus dem normalen Leben verbannt hat.

                                                    Damit bietet Drake Doremus' "Equals" zumindest eine theoretisch faszinierende Idee, die sogar an die Dark-Future-Tradition von Werken wie "Flucht Ins 23. Jahrhundert" anknüpfen könnte. Immerhin hat es bis heute nicht an Reiz verloren, einen Protagonisten wie Nicholas Hoults Silas dabei zu beobachten, wie er aus seinem "Tiefschlaf" erwacht und allmählich die grundlegenden Fehler seiner Umgebung erkennt.

                                                    Und das ist auch wirklich das beste an diesen FIlm. Die vorgeschriebene Trendfarbe ist ein stechendes Weiß, die Räumlichkeiten sind klinisch und reduziert in der Gestaltung. Die Interaktion und Dialoge der Bewohner wirkt, dank festzementierter Gesichts-Haltung, irgendwie an die Duplikate der Körperfresser.

                                                    Wenn "Equals" uns diese ausdrucks- und gefühls-entleerten Menschen präsentiert, dann schafft er Stimmung. Mal ist sie kühl, mal ist sie verwirrend wie der Besuch einer Sekte oder Psychatrie. Aber stets ist klar, dass hier was nicht stimmt. Was spätestens durchs zweite große Plus etwas mehr Kontur erhält: das schauspielerische Talent seiner Stars Nicholas Hoult und Kristen Stewart. Beiden wohnt diese Gabe inne, ihre Figuren durch subtilste Mimik und Gestikulation dreidimensional greifbar zu machen. Von diesem Ansatz profitiert das ganze Projekt, weil es die Romanze der zwei "Gefühls-Erkrankten" wenigstens zeitweise zum Ausbruch aus dieser Welt verwandelt. Die übrigens auch immer wieder mal faschistoide Tendenzen aufzeigt.

                                                    Jedoch, leider, gibt es da noch meinen ersten Satz. Der hier auch schon in der einen oder anderen Abwandlung verwendet wurde. Und vom des sich sicherlich noch weitere Versionen basteln ließen. Mein Anliegen dabei ist, dass "Equals" leider auch immer wieder in eine echte Belanglosigkeit abdriftet. Da zwischendurch auch zu viele Motive und Funktionsweisen der scheinbar zahllosen anderen Young-Adult-Dystopien da draußen bedient werden.

                                                    Die perfekte Gesellschaft mit ihrem verschimmelten Kern? Ein Pärchen, das den Aufstand und Ausbruch wagt? "Divergent", "The Hunger Games" bis zum "Hüter Der Erinnerung" – die Grund-Motive und die Aufstellung der Figuren sind einfach zu bekannt und wurden inzwischen zigfach verwurstet. Von daher mutet es auch ironisch an, dass "Equals" ein Bild der gefühlsfremden Zukunft entwirft, sich, anders als seine Helden, dieser nicht ganz entziehen kann.

                                                    Denn letztlich ist klar, dass dieser Film keine tiefgründige Analyse seiner Problematik wagt, noch einen Gegenentwurf liefert. "Equals" wurde auch deshalb gedreht, um seine Ideen an die Zugkraft seiner jungen Stars zu knüpfen. Was verständlich ist, aber auch keinen besonderen Schritt in Richtung bedeutungsvoller Sci-Fi-Vision bedeutet.

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