mikkean - Kommentare

Alle Kommentare von mikkean

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    Es mag ja merwürdig klingen, eine Komödie ausgerechnet über einen Illegalen zu drehen. Doch das birgt viel Potenzial, selbst im negativen Sinne. Wenn du vor lauter Lachern irgendwann vergisst, dass du eigentlich über die Misere dieses und so vieler anderer Menschen weinen solltest. Oder wenn klar wird, dass es diesem Ausflug in die bittere Realität am Willen fehlt, die Verantwortlichen anzukreiden und ein Gefühl für Engagement zu entzünden.

    Von daher ist "Heute Bin Ich Samba" kein Film geworden, der am nächsten Tag hunderttausende auf die Straßen bringen wird. Noch werden die illegalen Existenzen in unseren Reihen damit abgefertigt, dass sie ja selber Schuld an ihrer Lage sind.

    Es ist dennoch ein Film, der die irrsinnigen wie unmenschlichen Zustände im Rechts- wie auch dem realen Lebensraum darstellt, ohne das alles in unpassende Lacher versinken zu lassen. Sicher, Eric Toledano und Olivier Nakache haben mit "Ziemlich Beste Freunde" sicherlich ein glücklicheres Händchen fürs rechte Maß an Dramatik und Humor bewiesen. Aber ihre Handschrift ist immer noch sehr sicher, selbst wenn es am Ende ein bisschen zu dramatisch wird. Jedoch, "Ziemlich Beste Freunde" war ein anderer Stoff und der bot mehr Gelegenheiten, über viele deprimierende Aspekte des Lebens hinweg zu tänzeln.

    Bei "Samba" hingegen kann ich noch gelten lassen, dass diese Komödie öfters die Vorsilbe Tragik benötigt und sein Thema nicht für schnelle Lacher beschönigt. Ob nun inkonsequent oder oberflächlich, es wird wenigstens der Versuch unternommen, ein Bewusstsein für die unmöglichen Zustände zu schaffen, in denen sich Schatten-Existenzen wie Samba bewegen. Stellen wir uns nur mal vor, Adam Sandler hätte seinen Zohan so angelegt.

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      Liegt es nun an mir, meinem kalten Herz oder weil ich sogar damit überfordert bin, "Für Immer Adaline" so viele positive Seiten abzugewinnen?

      Ich will ja auch mal nicht so sein und halte hiermit fest: Blake Lively steht die Rolle der ewigen Neunundzwanzigjährigen richtig gut. Hübsch ist sie natürlich schon immer gewesen, als unsterbliche Adaline darf Lively dann sogar noch die Aura einer Hollywood-Legende mit dem Selbstbewusstsein und der Weltgewandtheit der Blaupause einerer Millenium-Power-Frau verbinden. Was für eine Mischung, wer würde da nicht weich werden?

      Nicht ganz von der Hand zu weisen ist dennoch, dass die ansonsten gut bebilderte Geschichte der Adaline Motive aus Benjamin Button mit dem Unsterblichkeits-Dilemma eines Highlander kreuzt. Nur halt ohne Säbelrasseln und umgekehrten Rückschrumpfungs-Marathon.

      Dabei fällt auch auf, dass die Lehren und bitteren Konsequenzen eines ewig währenden Lebens auch schon zu bekannt sind. Und dass sich "Für immer Adaline" am Ende auch, selbst nur gefühlt, in Bahnen bewegt, die den Ausgang des Films schon erahnen lassen. Und hier spricht nicht bloß ein selbsternannter Klugscheißer und Berieselungs-Junkie aus mir.

      Weswegen mir Adalines Geschichte mitunter ein bisschen zu egal vorkam. Auch wenn ich nicht behaupte, hier sei lediglich eine hübsche Fantasy-Schmonzette vorgelegt worden. Die Rafinesse hierbei ist geradezu subtil und einfühlsam. Nur muss ich mich nicht genötigt sehen, ausgerechnet von dieser Erzählung so ergriffen zu sein und jetzt darüber nachzudenken, wie meine unsterbliche Existenz so aussehen möge.

      Es ist ja dennoch eine gut überlegte und in sich geschlossene Träumerei über ewiges Leben und Lieben. Selbst wenn meine Glückshormone nicht wie blöde aus allen Poren sprudeln wollten.

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        mikkean 22.08.2017, 14:56 Geändert 22.08.2017, 14:58

        Eine Kritik über "Violet & Daisy" zu schreiben, ist, als würdest du versuchen, das Bild hinter deinem Spiegelbild zu finden. Denn dies ist eine Indie-Perle über ein höchst effizientes Killer-Gespann im Schulmädchen-Alter. Zwischen verschossenen Kugeln blitzt immer wieder ein Fünkchen schwarzen Humors auf. Dann wiederum wird es mysteriös und verträumt, flüchtet sich die Erzählweise ins nebulöse Gemisch aus verdrängter Erinnerung und dem unruhigen Unterbewusstsein.

        Und dabei ist der Film dann vor allem alles andere als das, was du dir erwartet hattest. Was auch den großen Reiz dieses Unterfangens ausmacht. Oder hätte irgendjemand gedacht, Alexis "Gilmore" Bledel und Saorise Ronan würden sich lediglich als maue Hit-Girl-Kopie verheizen lassen? Wäre ja noch schöner.

        Stattdessen biegt "Violet & Daisy" in Richtung Kammerspiel ab. Und lässt unsere beiden Mörder-Grazien auf einen völlig entspannten James Gandolfini treffen, der als Zielperson einfach mal zum Essen bittet und unsere Titel-Heldinnen einlädt zum Sinnieren über die eigene Motivation und Freundschaft.

        Womit es Autor und Regisseur Geoffrey S. Fletcher (erschrieb sich mit "Precious" den Drehbuch-Oscar) dann endgültig schafft, seine Figuren, das Tempo und den Erzählfluss vom restlichen Gros der Genre-Verwandschaft (auch im entferntesten Grad) abzukoppeln. Fletcher ist eben nicht der millionste Typ, der einen auf Tarantino macht. Oder der sich denkt, wenn du schon wenig Geld zur Verfügung hast, zünde am Ende so viele Pulverfässer wie möglich.

        Hier läuft es halt nicht am Ende auf einen augen- und ohrenbetäubenden Showdown hinaus, der bei so vielen anderen, ähnlich gestrickten Filmen mit gleichem Setting aus dem Ruder läuft. Noch hält es der Film nicht für wichtig, mit klaren Gewaltspitzen ein markantes Fähnchen auf der Kino-Landkarte zu setzen. Es mag sogar überraschen, gerade bei einem Streifen über miderjährige Auftrags-Killerinnen, doch ausgerechnet hier wird irgendwie über das verübte Töten gegrübelt.

        Am Ende sind es aber auch diese Merkmale und Pluspunkte, die ein Werk wie "Violet & Daisy" bei anderen Zuschauern abblitzen lassen. Zu zähflüssig, zu uninteressant erzählt. Zu blutarm oder nicht schwarz genug. Wie auch immer, dieser Film lohnt sich dann, wenn der sonstige Lärm an dieser Stelle einfach zu gleich klingt und es auch mal ein klein budgetierter Film sein darf, bei dem mehr übers Morden geredet wird, als tatsächlich zu sehen ist.

        Dies ist auch nicht jeder x-beliebige Thriller oder auch kein bleihaltiges Märchen. Es ist irgendwie eine Kreuzung aus einer Halbautomatik und einem Traumfänger. Klingt unmöglich, dürfte gar nicht funktionieren und doch lässt sich das hier mehrfach ansehen.

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        • Ohne Lachen wäre die Welt nur halb so bunt.

          Ohne jemanden wie Jerry Lewis wären die vergangenen Jahrzehnte nur halb zu ertragen gewesen.

          Und dabei war Lewis nicht nur der Vater aller Gesichts-Akrobaten. Er konnte ein echter Sturkopf sein, versuchte sich auch mal am unmöglichen Balanceakt, Tragik und Comedy zu vereinen. Der Holocaust und Humor? Ein Clown im Vernichtungslager – dieses Bild verkörpert eine Kino-Legende, die vielleicht sogar langlebiger sein wird als die des verrückten Professors. Selbst wenn Jerry Lewis in seinen eigenen Augen an diesem Vorhaben scheiterte und es der Öffentlichkeit vorenthielt. Es macht auch deutlich, wie der große Jerry Lewis sich nicht nur als Spaßvogel auf Abruf definieren ließ.

          Er war mehr als ein lustiger Schauspieler. Er produzierte, schrieb und inszenierte seine Lacher und fällt damit unter die wichtigsten Vordenker, Vorreiter und Vorkämpfer seiner Zunft.

          Von daher ist die Welt wieder ein ganzes Stück ärmer geworden. An Lachern, der Flucht nach vorne – selbst wenn ausgemachte Idioten die mächtigsten Ämter der Welt begleiten, muss das mal erlaubt sein – und besonders aufgrund der Tatsache, dass es heutzutage nur wenigen vergönnt scheint, gleichzeitig die Rolle des Hofnarrn und die des Auteurs zu besetzen.

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          • 7
            über Chappie

            Mit großer Macht kommt große Verwantwortung. Das hätte Neill Blomkamp eigentlich wissen müssen, als er "Chappie" ersann. Und sein drittes Werk irgendwo zwischen briliantem Konzept, Cyperpunk-Einschlägen, Township-Müllhalden und gnadenlos überzeichneten Figuren ansiedelte.

            Letzterer Punkt ist natürlich per se keine Schwäche und erst recht nichts, was "District 9" und "Elysium" nicht auch schon boten. Der Bug liegt vielleicht eher in der Hürde, bei "Chappie" die wirklich bdeutungsvollen Komponenten nicht ernstnehmen zu können. Jedenfalls, wenn die Eltern-Hälfte unseres Titelhelden-Roboters aus Die Antwoord besteht.

            Sortieren was das mal kurz. "Chappie" handelt davon, dass ein Roboter-Polizeieinheit mit genügend künstlicher Intelligenz gesegnet wird, um eine wirkliche Persönlichkeit zu entwickeln. Schöpfer Deon, alias Dev Patel, will sich nämlich nicht damit abfinden, dass seine Kreation blindlings Befehlen folgt und zur Kampftruppe des Staats wird.

            Und hier kommt der große Clou: Chappie hat zwar haufenweise K.I. im Chipsatz, erzogen werden muss er aber wie ein Kind. Was wiederum das Gangster-Duo Yolandi und Ninja ausnutzt, als sie unseren Chappie in die Finger kriegen. Da haben wir denn auch den emotionalen Kern im Gehäuse ausgemacht. Neill Blomkamp erzählt eine teils sehr weise Parabel darüber, wie wir unsere Kinder prägen. Besonders in jenen Regionen der Welt, in denen die Kleinsten und Wehrlosesten zu Kinder-Soldaten erzogen werden.

            Da hat uns "Chappie" am Schopf. Wenn Zieh-Papi Ninja seinem Sohn beibringt, die Waffe zu bedienen und dass er die Leute lediglich schlafen ließe, wenn er sie treffe. Sowieso gehört der Film durchaus in eine Reihe mit "Her" oder "Ex Machina" genannt. Zumindest, wel Blomkamps Konzept nicht nur reizvoll ist. Es wird auch hier und da sorgfältig genutzt.

            Allerdings greifen diese Stärken wirklich eher dann, wenn uns gezeigt wird, wie Chappie hin- und hergerissen wird zwischen der geistigen Blüte, die sein Schöpfer Deon ihm mitgeben will, der gefühlvollen Fürsorge seiner "Mutter" Yolandi und der raubeinigen Weltsicht seines Papis Ninja. Dieser zeigt Chappie natürlich ganz seine Ghetto-Welt voller Knarren, Mackertum und dem Lebensunterhalt durch Überfälle.

            Im Laufe des Films macht unser Chappie dann auch eine erstaunliche Entwicklung durch, die durchaus schon ein Ansehen rechtfettigt. Vom Police-Bot zum Kind, das sich an den Farben und Formen der Welt erfreut, bis hin zum Nachwuchs-Thug, der mit Bling-Bling bewaffnet Johannesburg aufmischt. Ganz nebenbei entdeckt er übrigens auch das versteckte Feature der PS4, mit dem sich die Seele eines Menschen speichern lässt. Wow.

            Was dann jedoch etwas in den Hintergrund rückt, ist Blomkamps Geschick im Umgang mit seinen Figuren. Natürlich preise ich nicht als den begnadetsten Dramaturg des Sci-Fi-Kinos. Seine Figuren haben mich hingegen schon etwas mehr interessiert. Bei "District 9" war es schon etwas, den ignoranten und alien-feindlichen Wikus mutieren zu sehen. Und einen Perspektiv-Wechsel erleben zu lassen. "Elysium" war immerhin bevölkert von jeweils heldenhaften Slum-Märtyrern oder bösen Elite-Säcken.

            "Chappie" verlässt sich da ganz auf den Reiz seines mechanischen Protagonisten und dem Charme der alternativen Südafrika-Realität, in die wir eintauchen. Bei Trümmern, High-Tech-Spielzeug und Feuergefechten mit echten Robter-Einheiten fällt es vielleicht weniger auf, dass sowohl Dev Patel, Sigourney Weaver und Hugh Jackman wenig dazu beitragen können, ihren Figuren wirklich erinnerungswürdige Konturen zu verleihen. Das ist nicht auf lustloses Schauspiel zurückzuführen. Die Charaktere sind allesamt mehr ihrer Funktionalität nach geformt wurden. Da ist es dann auch echt egal, ob Yolandi und Ninja hier zum ersten Mal aus ihren Videoclips auf die Leinwand gebeamt wurden.

            Mag sein, dass es vollste Absicht war, das wirkkliche Augenmerk allein auf den blechernen Helden zu legen. Und die Menschen, trotz Elternparts, die echten Nebenrollen zu überlassen. Dann hätte sich "Chappie" aber auch seine Action-Einlagen komplett sparen können. Wenigstens das Finale wirkt ein wenig aufgesetzt, vermutlich musste am Ende einfach noch ein Wumms her.

            Doch gerade hier zeigt das nicht verwendete Alternativ-Ende, wie sich "Chappie" irgendwann auch vom menschlichen Trubel löst. Und die Frage aufwirft, was eine derart geprägte Maschine wohl als nächstes anstellt. Von daher ist Neill Blomkamp tatsächlich mehr denn je ein Film gelungen, der großes visionäres Können mit egalen Momenten paart. Und vielleicht, am eigenen Standard gemessen, schon zum Mittelmaß tendiert. Gäbe es da nicht immer wieder diese wirklich wichtigen Einschübe, die aus Chappie den ernsteren und rundum upgegradeten Bruder von Nummer 5 machen.

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              mikkean 29.07.2017, 14:23 Geändert 29.07.2017, 14:27
              über Maggie

              Unser Arnie in einem Zombiefilm. Das wäre ja schon eine Meldung wert. Aber ein wirklich guter Arnold Schwarzenegger in einem Zombiefilm – das ist dann doch schon wahrhaft bemerkenswert.

              Vor allem, weil "Maggie" eben keinen Arnie in seiner typischen Rolle auffährt: als terminierende Ein-Mann-Armee mit hoffentlich selbstironischem Einschlag. Nee, Fehlanzeige. Das hier ist auch kein wuchtiger Weltuntergangs-Kracher, bei dem einen Horden von Untoten vor die Flinte laufen.

              Viel mehr geht "Maggie" den Weg des kammerspiel-artigen Indie-Dramas, in dem Schwarzeneggers Film-Tochter gebissen wurde und bald selbst zum Zombie werden wird. Der sprichwörtliche Sturm, die große Epidemie, ist da eigentlich schon übers Land gefegt. Aber jetzt ist es halt das eigene Kind, dass plötzlich selbst zur Gefahr werden wird.

              Da bleibt umso Raum für Stille, Intimität und die zunehmende Entfaltung dieser quälenden, schleichenden Gewissheit, dass diese wenigen Tage die letzten gemeinsamen sein werden. Also dann doch ziemlich harter Stoff, statt Zombie-Apokalypse.

              Am besten funktioniert der Film dann auch, wenn einem das Gefühl vermittelt, hier könne es ebenso um HIV oder eine andere ansteckende Krankheit gehen. Denn auch hier treffen die wirklich liebevolle Art des Vaters und die Abneigung und die Furcht der anderen aufeinander. Da flieht die Stiefmutter und nimmt gleich die Geschwister mit. Es rückt die Polizei an, um Maggie als Trägerin des Zombie-Erregers wegsperren zu wollen.

              Und doch geht es immer wieder um die Frage, wie ein Vater das baldige Ableben seiner Tochter bewältigt. Umso erfreulicher, dass Schwarzenegger die talentierte Abigail Breslin zur Seite gestellt wurde, um Maggie zu spielen. Doch bevor ich an dieser Stelle zu überschwenglich werde, muss ich dennoch etwas korrigieren.

              "Maggie" ist ein ambitioniertes Sterbe-Drama in der Hülle eines Zombie-Streifens geworden. DIe Tatsache, dass der richtige Spuk schon gelaufen ist, könnte ihn gleich zu einer Post-Zombiefilm machen. Aber leider ist die Handhabung auch etwas zwiegespalten. Die düsteren, teils ausgezerrten Landschaften der Zerstörung verstärken oder reflektieren sogar die innere Betrübtheit der Figuren. Was sich dann jedoch mit der Zeit auch etwas abnutzt.

              Ebenso wie der Fakt, dass das Drehbuch zwar recht geradlinig auf die Verschärfung der Situation hinarbeitet. Dadurch wirkt der Film dann jedoch weniger besonnen und entschleunigt, sondern schon zäh wie Gummi. Und damit doch noch etwas passiert, darf Arnie halt kurz die Bullen vermöbeln. Was dann auch keinerlei Konsequenzen nach sich zieht, die haben halt Schiss vor ihm.

              Nun ja, ein wenig haben diese anderthalb Stunden auch etwas von einem Kurzfilm, der über Gebühr gestreckt wurde. Vielleicht auch, weil die wenigen, unbeschwerrten Momente immer mehr erdrückt vom nahenden Tod. Das haben wir dann auch verstanden und brauchen oder wollen es nicht noch mehr unter die Nase gerieben haben. Es mag auch daran liegen, dass "Maggie" sehr düster und depressiv rüberkommt und wenige Chancen bietet, letzten Endes eine echte Beziehung zum tragischen Vater-Tochter-Gespann aufzubauen. Die Charaktere sind halt schon fertiggeformt, wir können ihnen nur dabei zuschauen, wie sie diese letzten Stunden verbringen.

              Da ist es nur konsequent, wie sich "Maggie" am Ende auch der einzigen Schluss-Folgerung entzieht. Was in einem Kniff mündet, der größeres Konflikt-Potenzial aus der Gleichung nimmt und einen der noch klügeren Zombies präsentiert, die wir bisher erleben durften. Oder ist es nur der verbliebende Antrieb, die Sache lieber selbst zu beenden? Was wir wissen ist, dass "Maggie" ein sehr ambitionierter Film geworden ist, der dem eigenen Anspruch nicht ganz gerecht wird. Obwohl sehr viele Dinge funktionieren, ist dann doch hier und da immer noch der Wurm drin. Für eine echte Ausnahme-Erscheinung in Arnold Schwarzeneggers später Filmografie reicht es hingegen. Da hat er schon Schlimmeres gedreht.

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                mikkean 24.07.2017, 19:30 Geändert 24.07.2017, 19:33

                Die meisten Geschichten handeln ja davon, wie ein Träumer oder eine Träumerin der bedepperten Kleinstadt-Enge entflieht, um in der Big City groß rauszukommen. Es gibt aber auch die entgegengesetzte Narration. Hauptfigur steht vor dem Scherben-Haufen ihres Lebens, fühlt sich mies und ausgelaugt. Und kehrt zurück ins beschauliche, wie manchmal erdrückende Idyll der Kindheit.

                Einmal angekommen werden entweder familiäre Wunden aufgerissen und mühsam verarztet. Lehren alte Freunde einen, diese übersichtliche Welt wertzuschätzen. Und vielleicht findet unsere Hauptfigur wieder Gefallen an einem Leben mit der lang verloren geglaubten Jugendliebe.

                Tja, warum ich über so etwas labere? Zum einen, weil "Der Richter" vielerlei Anstalten macht, genau diese Art von Film zu sein. Zum anderen, weil diese Geschichte, trotz überschaubarer Eckpunkte, ein wenig weit ausgeholt ist und mit fast zweieinhalb Stunden Laufzeit lange braucht, um auf den Punkt zu kommen.

                Denn es geht ja eigentlich darum, dass Anwalt Hank (Robert Downey Jr.) in den Schoss der Familie zurückkehrt, nachdem seine Mutter gestorben ist. Er trifft nicht nur seine beiden Brüder wieder. Nein, auch sein Vater Joseph (Robert Duvall), der sich von seinen Söhnen nur Richter titulieren lässt, ist noch da. Und gleich spürbar ist die Kluft voller Kälte und unausgesprochener Aggression, die Hank und seinem Erzeuger trennt.

                Wenn es jetzt nur das wäre. Doch "Der Richter" erzählt seine Geschichte mit vielen emotionalen Spurwechseln. Da kommt die Jugendliebe in Gestalt von Vera Framiga wieder. Stürzt sich Hank ins begrenzte Nachtleben, weil er sowieso in einer Scheidung steckt und ihm die Liebe zur eigenen Tochter zu entgleiten droht.

                Und schließlich gesellt eine Thriller- und Gerichts-Drama-Episode zu all den Familien-Geschichten, die hier im Laufe des Films aufgewirbelt und hitzig debattiert werden. Selbstredend hat diese schmerzvolle Katharsis am Ende etwas Gutes und kann einen langen gehegten Groll zumindest lindern.

                Was andererseits aber auch den Begeisterungs-Level etwas drückt, ist die Tatsache, dass "Der Richter" jetzt keine allzu neue Geschichte erzählt. Der Krimi-Anteil ist nicht das Wesentliche am Film. Die Aufarbeitung der Familien-Historie dauert etwas und es brauchte wohl schon den Gerichts-Einschub, um die Sache mal zum Abschluss zu bringen.

                Und dann wäre da noch die Tatsache, dass Downey Jr., Duvall, Vincent D'Onfrio oder auch Billy Bob Thornton – alle Beteiligten halt – hier groß auftrumpfen dürfen und nicht auf Autopilot spielen. Dennoch hinterlässt "Der Richter" bei mir den Eindruck, am Ende eher Zaungast aller emotionalen Loopings zu bleiben. Anstatt wirklich auf eine echte Tauchfühlung mit den Figuren zu gehen. Eben gut gespielt, nicht dumm erzählt und doch fehlt noch ein bisschen was.

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                • 3 .5
                  mikkean 24.07.2017, 18:55 Geändert 24.07.2017, 18:57

                  So sehr es mein schwarzes Herz auch nach neuem Vampir-Futter dürsten mag, "Dracula Untold" hätte lieber doch unerzählt bleiben sollen.

                  Es brauchte diese Version des transsilvanischen Grafen nicht, der als gutmütiger Lehnsherr und Familien-Vater, seiner blutrünstigen Schlächter-Vergangenheit zu entkommen versucht. Und dann doch wieder genau das werden muss, als die bösen Türken 1000 Jünglinge fordern oder mit totaler Vernichtung drohen – halt blutrünstig eben.

                  Dabei geht es gar nicht um die Frage, ob diese Story vom gutmütigen Grafen Vlad, der einen Pakt mit der Finsternis eingeht, jetzt mal interessant oder neuartig wäre. Sie ist halt recht belanglos erzählt. Und zieht über den Zuschauer her, wie die meisten anderen Fantasy-Schlachten-Getümmel heutzutage auch.

                  Die Türken spielen "300", Transsilvanien sieht aus wie Mittelerde und erst die abertausenden Fledermäuse bringen etwas Abwechslung ins Spiel. Ansonsten ließe sich auch bei "Dracula Untold" der alte Witz von der lang gezogenen Cutscene eines Videogames bemühen. Wenn es nur nicht nur so abgestanden wäre. Dennoch gäbe es auch hier genügend Anhaltspunkte, um eine derartige Diskussion anzuheizen.

                  Nur wären sich die Parteien vermutlich am Ende schnell einig, dass dieser Film einige Bilder auffährt, anders als eine Cutscene, aber nichts vergleichbares aufregendes folgen lässt. Von daher verschenkt "Dracula Untold" einiges mehr als nur eine Chance, eine echte Frischzellenkur des Mythos vom Ur-Blautsaugers zu werden. Selbst wenn der Film schnell vorbeigeht und nicht wehtut, stört es doch, wie viele Punkte hier einfach kein sinnvolles Ganzes ergeben wollen. Aber sei's drum. Kurzweil wird einem schon irgendwie geboten. Dann jedoch nicht drüber nachdenken.

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                  • 7 .5

                    Vor Hausfreunden sei gewarnt. Selbst wenn sie so gut aussehen und charmant wirken, als hätte es sie aus Downtown Abbey hierher verschagen. Hahaha ;-)

                    Familie Peterson muss diese Lektion auf die harte Tour lernen. David, Kamerad des gefallenen ältesten Sohnes, verzaubert im Handumdrehen alle Hausbewohner. Vertreibt der Charmebolzen doch einfach mal die schwarze Wolke, die über der Familie hängt. Er packt im Haus mit an und wirkt scheinbar nur durch Zuhören Wunder.

                    Oder die lieben Petersons sind einfach nur zu eingewickelt, um eine Verbindung zwischen Dan Stevens Charisma und den plötzlichen Todesfällen in ihrer Umgebung ziehen. Aber dann würde Adam Wingards "The Guest" auch nur halb so viel Spaß machen.

                    Die Mischung aus Psycho-Thriller und Slasher-Verbeugung profitiert gerade vom Kontrast des Engelsgesichts und der Killermaschinen-Art, mit der Dan Stevens schließlich durchs Finale stapft. Unverwüstlich, unkaputtbar und extrem tödlich gibt sich der nette Hausgast schließlich. Und wirkt wie der hübschere Killer-Cousin von Jason Vorhess. Pretty but deadly.

                    Es ist aber auch mal wieder eine nette Abwechslung, wenn jemand wie die starke Maika Monroe, nicht bloß von einem gesichtslosen Schatten oder maskierten Schlitzer-Buben verfolgt wird.

                    Andererseits muss ich gestehen, haut Wingard am Ende etwas zu sehr auf die Kacke. Zumindest kippt "The Guest" am Ende etwas zu sehr ins Horror-Klischee des unkillbaren Bösewichts. Wirken der psychologische Aufbau des ersten und zweiten Akts, mit den zunehmend düsteren Facetten Davids, noch richtig straff geführt, wirkt die finale Gradwanderung dann doch zur sehr am Rande der Genre-Parodie. Es passt natürlich auch, David als Terminator-Verschnitt zu präsentieren. Nur der absehbare Gag am Schluss kann da sowohl als Sahne auf dem Kuchen, wie auch als Extra-Portion mit Würge-Garantie begriffen werden.

                    Alles in allem zeigt Adam Wingard bei "The Guest", wie schon mit "You're Next", dass er das Genre ordentlich aufzumischen versteht. Und die anfangliche zurückgeschraubte Gangart lässt jeden Verdacht von Selbst-Kopie oder beschränkten Zauber-Repertoires verstummen. Dazu noch die ideale Besetzung der beiden Gegenpole Stevens und Monroe. Und schon ist er fertig, der angenehm überraschende Schocker um den bösen Bruder von Jason Bourne. Lediglich einige kleine Aspekte sorgen für einen Abzug meiner persönlichen B-Note. Was aber nicht bedeutet, dass "The Guest" locker so manch anderen gelobten Genre-Kollegen in den Schatten stellt. Allein schon wegen der guten Handhabung und seiner irren Geschichte wegen.

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                    • 7

                      "Slumdog Millionaire" trifft auf "Ratatouille" in einer beherzten Küchenschlacht der Kulturen. Lasse Hallström gelang vielleicht kein zweiter "Chocolat", doch "Madame Mallory Und Der Duft Von Curry" ist einer dieser Wohlfühl-Filme geworden, bei denen zwei Stunden wie im Fluge vorbeiziehen.

                      Und die größte Magie darin besteht, dass alle kulinarischen Köstlichkeiten quasi mit der Hand gepflückt werden könnten. So schön werden die Eingefangen. EIn Jammer, dass das Geruchs-Fernsehen noch nicht erfunden wurde.

                      Ansonsten ist es natürlich die große Klasse der Helen Mirren, die diesen Film weitesgehend trägt oder zumindest in die richtigen Bahnen lenkt. Manish Dayal ist als gutherziges Koch-Genie Hassan zwar der eigentliche Dreh-und Angel-Punkt. Es braucht allerdings eine Mirren, die als Madame Mallory mit sehr erhobenem Haupt über ihr Sterne-Restaurant herrscht. Halt als echte Queen, die mit der Zeit lernt, dass es auch absonderliche Einfälle und Zutaten braucht, damit der kulinarische Standard nicht im Dornröschen-Schlaf verkümmert.

                      Jetzt braucht es nur noch eine sanft gesponne Liebes-Geschichte, etwas Lehrreiches über den Abbau von Vorurteilen und Fremdenhass. Ein wenig Stänkerei zwischen der stolzen Restaurant-Dame und ihrem indischen Konkurrenten. Und voilà, fertig ist die Leibspeise für die unaufgeregten Minuten des Lebens. Die Zeit, in der es kaum große Sorgen zu geben scheint. Und wenn doch, dann verflüchtigen sie beinahe von selbst. Oder rücken ab, weil das Gute halt immer überwiegt.

                      Na und wenn schon. Filme wie "Madame Mallory Und Der Duft Von Curry" müssen halt auch ihren Platz im Leben haben. Sonst werden wir alle noch zu zynisch und unausstehlich. In diesem Fall sind es gerade die etwas naivere Sichtweise, die fast märchenhafte Erzählweise und der Glaube an die positiven Kräfte, die diesen FIlm zur empfehlenswerten Entschleunigungs- und Entspannungs-Medizin machen. Oder der dringend benötigten Wohlfühl-Speise.

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                      • 3

                        Grazia Patriza – die Mutter Courage von ... Nein, warum nicht gleich die Schutzheilige von Monaco. In Olivier Dahans ziemlich schwülstigem Biopic wird aus der Gräfin, die mal Grace Kelly war, eine überaus hochgelobte Licht-Gestalt, die in einer schweren Krise, ihre wahre Berufung als Prinzen-Gemahlin und Mutter einer Nation zu erfüllen lernt.

                        Und wenn Nicole Kidman jetzt nicht aufgehübscht wie für den Catwalk stolzieren dürfte, könnte ich fast meinen, Grazia Patrizia musste wie Atlas die Last des Himmels auf den Schultern tragen.

                        Andererseits trieft "Grace Of Monaco" dann doch leider ziemlich vor Schmalz. Der Witz über Kidmans Botox-Behandlungen hat schon einen langen Bart. Trotzdem wirkt ihr Talent gnadenlos verschwendet. Nicole Kidman durchquert den Streifen teilnahmslos wie ein Mode-Püppchen, das möglichst echt der realen Grace nachempfunden wurde.

                        Während der ganze Trubel um die unterforderte Haupt-Darstellerin, zwischen dem peinlichen Dramchen-Standard der Öffentlich-Rechtlichen und einer künstlich aufgebauschten "13 Days"-Endzeit-Variante pendelt. Kein Grund, historische Ereignisse kleinzureden. Mag alles irgendwie passiert sein. Oder auch nicht.

                        Fakt ist, "Grace Of Monaco" wirkt, trotz aller handwerklichen Bemühungen, wie ein seichter Groschen-Roman, der sich vor einer Welt-Untergangs-Kulisse abspielt. Und über allem schwebt diese verklärende Haltung, die beinahe schon einer Schmeichelei des Monegassischen Königshaus gleichkommt. Denn die Monegassen lieben ihre Grazia ja. Warum also nicht auch ein überschwengliches Leinwand-Denkmal zurechtzimmern lassen?

                        Von all den Biografien der vergangenen Jahre ist diese eine der enttäuschendsten geworden. Belanglos, wie durch all den Glitter auszumachen. Hoffnungslos verfahren in einer pathetisch überfrachteten Geschichte um die Selbst-Findung einer Hollywood-Königin die Prinzessin wurde. Und einem diplomatischen Geplänkel, bei dem ständig das Gefühl vermittel wird, Monaco hätte die Freiheit des Erdballs verteidigt.

                        Da kann noch so viel Glamour aufgetragen werden. Noch so viel meisterhaft mit Licht, Farben und Ton gespielt werden. Letzten Endes ist das alles so gekünstelt und über Gebühr dramatisiert, dass sich gar keine Emotionen wie Interesse oder Empathie einstellen wollen. Was dann leider doch eine Grund-Voraussetzung dafür wäre, sein Publikum mit auf die Reise zu nehmen.

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                        • Rest In Peace George A. Romero

                          Eine Horror-Legende verabschiedet sich. Romero, der Herr der Zombies. Eigentlich ist er nicht nur der Meister des Sub-Genres, er hat es verdammt noch mal erfunden. Vor "Die Nacht Der Lebenden Toten" waren Zombies ferngesteuerte Diener finsterer Voodoo-Priester. Fahle, emotionslose Marionetten.

                          Aber mit Romero war er plötzlich da: der untote Fleischfresser. Das seelenlose Ungetüm, das nach allem trachtet, das noch einen Puls hat. Viel wichtiger als das jedoch (und alle unglaublichen Make-Up-Leistungen der kommenden Jahrzehnte):

                          Romero erfand das unbeschreibliche Grauen. Ein Spiegelbild, dem alles Menschliche fehlte und uns deshalb so sehr im Innersten erschüterte. Egal, wie viele Kugeln du hast. Ganz gleich, wie lange du rennen kannst. Am Ende wirst du auch du zu einem dieser Verdammten, die ziellos über die Erde schlurfen.

                          Das ist wohl der entscheidene und wichtigste Verdienst von George A. Romero. Untote mussten gar nicht widerwärtig aussehen. Auch wenn es mal hilfreich war. Und natürlich sind es ebenfalls die äußerst plastischen EIndrücke (der platzende Schädel, die brutal entnommenen Eingeweide), mit denen Romero seinen "Dawn" und "Day Of The Dead" zum Inbegriff des Farbfilm-Zombiefilms machte.

                          Danach konnte es für Romero in Sachen Dead ja nur abwärts gehen. Zumindest inhaltlich und bisweilen qualitativ stehen die letzten Einträge der Saga in ziemlichen Kontrast zu den besten Werken Romeros. Was wiederum schade ist, denn auch hier blieb sich der Mann treu. Drehte (meist) ohne großes Studio und pflegte vorrangig die eigenen Vorstellungen zu erfüllen.

                          Was leider auch die restlichen Filme und Ausflüge des George A. Romero in den Schatten drängt. Filme wie "Martin", "Der Affe Im Menschen" oder "Stark" mögen nicht gleich jeden Geschmack bedienen. Sie verdeutlichen allerdings auch, dass sich Romero im Grunde gern dem menschlichen Irrsinn widmete. Der selbe Irrsinn, der einem Wissenschaftler dazu bringt, die Intelligenz eines Affen zu verstärken. Der Wahnsinn, der eine ganze Stadt in "Die Crazies" erreicht, als der vom Militär entwickelte Kampfstoff, friedliebende Bewohner in verrückte Bestien verwandelt.

                          Oder einfach der Irrsinn, dass Milizen in der größten Unruhe das Land durchqueren, um Zombies zu erschießen. Bei Romero ging es halt immer auch darum, wie eine Gesellschaft und ihre Instutionen, ihre (Glaubens-)Systeme und Regeln auseinanderbrechen, wenn sich der Himmel umkehrt. Wenn in der Hölle kein Platz mehr ist und die Toten auf die Erde zurückkommen.

                          Aber wem sag ich das. Romeros beste Werke, die wohl ultimativsten des Zombie-Horrors, besitzen Grips, blutig fiese Momente für die Ewigkeit. Und sie ergeben mehr Sinn als zwanzig, dreißig oder noch mehr zusammengewürfelte Nachahmer. Das George A. Romero sogar noch mehr wollte und auch konnte, ist leider wiedereinmal Ironie des Schicksals.

                          Deshalb, vielen Dank George A. Romero. Für dieses Genre. Für den Archetyp des Untoten, der mehr Albträume bescherrt, als alle versammelten Monster-Wesen. Sie haben das Genre wie kaum ein zweiter geprägt. Und ja, im Grunde genommen haben Sie dafür Ihr eigenes Genre erst erfinden müssen. Vielen Dank dafür. Und für Filme wie "Night Of The Living Dead" oder "Dawn Of The Dead", die auf lange Zeit Bestand haben werden. Egal, wie "farblos" oder auch Indie-tantisch manche ihrer Facetten und Darsteller auch sein mögen.

                          George A. Romero – eine echte Ikone verlässt uns. Aber das Grauen, das Unbehagen und auch mancher Ekel bleiben uns erhalten.

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                            mikkean 04.07.2017, 14:57 Geändert 04.07.2017, 15:01

                            Der durchschnittliche Mann verfällt in eine Midlife-Crisis, wenn er der Jugend nachtrauert und noch einmal durchstartet. Die da in Hollywood drehen dann wohl Werke wie "Transformers 5: The Last Knight". Eine bild- und ton-gewaltige Kindheits-Phantasie im XXXL-Über-Format, die plötzlich auf die Leinwand überschwappt.

                            Was sich da entfaltet, ist ein Mahlstrom, bei dem Artus-Sage, Riesen-Roboter, das Ende der Welt und die Teufelshörner des Unicron eine Zündschnur formen. Die doch nur zum Böller führt, mit dem Michael Bay mal wieder das Silvester-Feuerwerk des Jahrhunderts entfesseln will. Neulich murrte die Zeitungs-Kritik, dass hier Menschen nur noch schmückendes Beiwerk seien. Und das fällt euch jetzt erst auf?

                            Guten Morgen! Das ist "Transformers"! Hier stapfen Autobots und Decepticons durch die Welt-Geschichte. Und bei dem Reise-Tempo, einer Art sonneklar.tv auf Acid, wirken selbst die Vielflieger Bond und Ethan Hunt wie lahme Schnecken.

                            "The Last Knight" ist einfach nur der übliche Krawall. Dünne Story-Politur, blechernes Gelaber und ein paar Alibi-Menschen, die natürlich doch überflüssig wären. Aber wer fehlende Logik, haarsträubende Dialoge und die bedenkliche Freimütigkeit, mit der hier Menschen-Leben plattgetreten werden moniert, hat die ersten vier Teile wohl verschlafen. Oder hinterm Mond gelebt.

                            Dies ist ein Frontal-Angriff auf die Sinne, nicht Futter für den Denkkasten. Das soll weder bedeuten, ich selber würde mittlerweile eine Alters-Milde gelten lassen. Oder dass ich mich gerne auf ein vermeintlich niedriges Niveau herabbegebe. Im Gegeneil. "Transformers 5: The Last Knight" ist nicht das cineastische Nonplusultra.

                            Michael Bay ist ein Mann für gute Bilderstürme. Aber bei ihm ist und war eine Story schon immer nur dann groß, wenn die Bilder den Rahmen sprengten. Und da ist es eigentlich nur konsequent, dass sich bei diesem fünften Teil sogar die Drehbuch-Autoren mittlerweile widersprechen.

                            Wenn Optimus Prime meint, er habe Bumblebees Stimme zuletzt nach dem Untergang Cybertrons gehört, scheinen die Schreiber den ersten "Transformers" doch glatt vergessen zu haben. Apropos Bumblebee. Wenn Autobots und Decepticons im ersten Film auf der Erde landeten, wieso hat Bumblebee dann Nazis bekämpft? Und warum hängt bei Anthony Hopkins ein Kriegsplakat mit B's Konterfei? Oder die Dinobots, um deren Auftritt der letzte Film gestrickt wurde. Sie verkloppen anfangs noch Decepticons und dann fehlt beim Showdown jede Spur von ihnen?

                            Aber wie gesagt, Transformers-Filme sind seit jeher eine Beleidigung der Logik und dramaturgischen Grund-Gesetzen. Hier geht es allein um die Optik und darum, kindliche wie jugendliche Augen zum Strahlen zu bringen. Während sich Michael Bay und sein Team ebenso austoben können, als würden sie sich das Geschehen gerade auf dem Spielplatz ausdenken.

                            "Transformers 5: The Last Knight" bietet da im Grunde nur einen Trost. Dieser, im besten wie schlechtesten Sinne, sinnfreie Streifen ist etwas straffer als die direkten Vorgänger. Er quillt vor Schwachsinn über. Und hat trotzdem sein Publikum. Wie "The Fast & The Furious". Oder damals der x-te "Freitag Der 13.".

                            Große Epen gehen natürlich anders. Aber auch aufgeblasene Hohl-Geschosse ohne substanzielle Verpflichtung, wie "The Last Knight" eines ist, können mal zur Abwechslung unsere Welt zum Beben bringen. Wenn der Sachschaden nur auf der Leinwand oder dem Bildschirm stattfindet, ist das okay. Solange der Verstand und die Liebe zum Film nicht erschüttert werden.

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                              mikkean 03.07.2017, 20:31 Geändert 03.07.2017, 20:37

                              Und dann war es auf einmal doch ganz einfach. Ohne großen Crossover-Schnickschnack und verkrampfte Timeline-Verortung, zeigen DC Comics und Warner Brothers, dass auch sie ein richtig schnittiges Superheldin-Vehikel vorlegen können.

                              "Wonder Woman" erzählt mal ganz ohne Fledermäuse und Kryptonier-Einmischung davon, wer Diana, Prinzessin von Themyscira war und wie sie erst richtig zur Verteidigerin des Friedens und der Wahrheit wurde. Es ist eine Geschichte, die vom versteckten Insel-Paradies der Amazonen hin in die Gräben des Ersten Weltkriegs führt.

                              Vor allem gelingt es "Wonder Woman", bei aller dick aufgetragener Comic-Mythologie und fetten Effekt-Geshützen, sich einen emotionalen Kern zu bewahren. Und seiner Heldin einen spür- und fühlbaren Zwiespalt anzuheften, den Zac Snyder zuletzt ein wenig zu sehr mit düster cooler Symbolik unterbutterte.

                              Auch Regisseurin Patty Jenkins bedient den düsteren Look, aber bei ihr passt es. Da ein großartiger Bruch entsteht, zwischen dem farbenfrohen Paradies von Dianas Heimat und dem kargen, unmenschlichen Schlachtfeldern Europas. Es ist schon verständlich und greifbar, wie jemand wie Diana Prince diese neue und "wirkliche" Welt der Menschen entdeckt. Wie sie die Grausamkeiten und Gräuel beobachtet und über all das ihre Vorstellung einer göttlichen Fremdbestimmung der Kriegs-Parteien setzt.

                              Diese Idee ist natürlich sehr naiv. Und das auch wurde auch bewusst genutzt. Denn wie schon "Superman" anno 1979, erzählt "Wonder Woman" nicht nur von einer Frau, die ihre Superkräfte entdeckt. Diana ist ebenfalls eine Art Alien. Belesen, trainiert und in vielen Sprachen fit. Doch ihre Idee von den Menschen wird schon noch auf den Kopf gestellt.

                              Was denn auch die eigentliche Magie von "Wonder Woman" ausmacht. Trotz aller Kraft und magischen Waffen ist Diana, wie ihre Amazonen-Kolleginnen, auch verletzlich. Kugeln können ihr etwas anhaben. Da braucht es schon jemanden wie Steve Travor alias Chris Pine, der zu Dianas Freund, Wegweiser und schließlich Love Interest wird. Es wurde bestimmt schon geschrieben und gelobt von der Chemie, die zwischen Pine und Gal Gadot herrscht. Und all das ist richtig. Die beiden verkörpern ein Paar, das schnell begeistert und entwaffnet. Überhaupt steckt in "Wonder Woman" dann doch der ein oder andere Gag, ein Kommentar, der nicht rein zufällig stimmungsvoll oder gut durchdacht wirkt.

                              Es ist schon lustig, Zac Snyder wurde schon vorgeworfen, dass "Man Of Steel" und "Batman V. Superman" vor Kraft nur so strotzen und doch kaum vom Platz wegkommen. Die neue Wonder Woman hingegen sprintet nur so von der Sagenwelt der Antike ins Weltkriegs-Getümmel. Rein in das Pathos von Menschlichkeit, dem Wert des Lebens und doch mächtig wuchtiger Kämpfe zwischen Quasi-Unsterblichen.

                              Da kann es schon sein, dass auch "Wonder Woman" etwas zu viel will und im "Herz Aus Stahl"/"Inglorious Basterds"-Ambiente doch nur eine übersichtliche Story präsentiert. Im End-Effekt wiegt dies gar nicht so schwer, wenn die Stimmung passt. Die Idee, dass hier eine Heldin gut aussieht und machtvoll ist, und doch lernen muss, dass sie nicht die Welt auf einmal retten kann.

                              Bei so einer konsequent verfolgten Ausrichtung stören selbst Geschichts-Umschreibungen wie Danny Hustons Luzifer-ähnlicher Erich Ludendorff oder der Indianer Chief, der einfach so im Niemandsland Belgiens als Fremdenführer tätig ist. Na, es ist ein Comic! Why not?

                              Abzüge in der B-Note gibt es allerdings auch zu vermelden. "Wonder Woman" ist dann doch sehr lang ausgefallen. Und es hätte sicher ein paar Momente gegeben, die etwas gestrafft hätten werden können. Dies trifft vor allem auf den Showdown zu. Allerdings geht der dann doch nicht im Götter-Kampf unter. Inmitten der Schlacht bewahrt sich der Film auch hier eine richtig schöne Abschieds-Szene, die selbst das erstarrte Männerherz rühren könnte. Wenn wir mal akzeptieren, dass eben auch da ein Helden-Mut bigger than life in seinen Figuren steckt.

                              Und es ist auch sicherlich die eine oder andere Verbindung versteckt, die an späterer Stelle ("Justice League" oder der unvermeidliche zweite Teil) nochmals betont werden müssen. Ansonsten aber ist "Wonder Woman" ein richtig gutes Heldinnen-Spektakel geworden. Ein Film, der trotz Länge und etwas pathetischer Haltung, für Wonder Woman das vollbringt, was "Batman Begins" einst dem Dunklen Ritter bescherrte: eine dolle Origin-Story mit eigenständiger Bild-Sprache. So gut wie "The Dark Knight" ist "Wonder Woman" vielleicht nicht. Dennoch durfte der Begriff Frauen-Power schon sehr lange nicht mehr mit einem so berauschenden Produkt in Verbindung gebracht werden.

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                                mikkean 03.07.2017, 19:32 Geändert 03.07.2017, 19:37

                                Überraschungen gibt es bei Biopics ja immer wieder. Ein Menschenleben lässt sich einfach nicht in vollem Umfang auf zwei oder drei Stunden komprimieren. Es müssen also Abstriche gemacht werden. Oder es rückt verstärkt eine besondere Episode oder Phase in den Fokus.

                                Wie bei "The Imitation Game", das grob das Dilemma des Alan Turing als Rahmen absteckt. Der Mann war ein genialer Kopf. Sein Obsession mit Zahlen und Kryptologie bescherrte den Briten eine der wichtigsten Kriegs-Wenden ihrer Geschichte. Doch Turing war auch homosexuell und auch sonst wohl im sozialen Umgang mindestens gehemmt oder sehr behutsam.

                                Dass er schließlich wegen seiner sexuellen Orientierung angeklagt wurde, in Ungnade fiel und sich einer chemischen Kastration aussetzte, wird in diesem Edel-Drama-Biopic-Kriegs-Thriller eher zur traurigen Coda. Ein Negativ-Punkt, der ein bisschen vermuten lässt, "The Imitaton Game" sollte eben mehr das spannende Tauziehen zwischen dem schwierigen Genie Turing und dem Enigma-Code darstellen. Ein Mann, der es schon so schwer genug hat, sich immer und überall zu behaupten. Und wenn überhaupt, irgendwie eine echte Bindung zu den Leuten aufzubauen, mit denen er arbeiten soll.

                                Schwer vorstellbar, wie so jemand wie Alan Turing dann auch noch die geheimen Kommunikationswege der Nazis aufdeckt. Und auch noch gezwungen ist, diese Entdeckung nicht gleich anzuwenden. Inklusive der Opferung eigener Soldaten, damit der Feind nicht spitzkriegt, dass du ihn abhören kannst.

                                Andererseits zeigt Benedict Cumberbatch Turing nicht als umgängliche und gänzlich sympathische Helden-Figur. Er passt schon besser in die Kategorie verschrobener, kluger Köpfe. Menschen mit hohem Intelligenz-Quotient und Erfindungs-Gabe, die es aber nicht schaffen, einen Kaffee zu bestellen, ohne wie verklemmte Gestalten aus einer anderen Welt zu erscheinen.

                                Zum Glück gibt es da noch Keira Knightley in der Rolle der Joan Clarke. Die als unterschätzte kluge Frau von Turing gefördert wird und zur guten Freundin wird. Dem emotionalen Gegenstück, das alle Empathie aufweist, die dem genialen Turing abgeht. Clarke steht auch dafür, wie in so manch fundamentalen Entscheidungen zum Wohle aller das Herz mit dem Verstand kollidiert.

                                Was natürlich auch eine großkotzige Deutung darstellt, wie sie jeder und jede aus "The Imitation Game" herauslesen kann. Aber nicht muss. Wie nicht wenige Filme dieser Art, handelt es sich auch hier um ein exzellent ausgestattetes und gut gespieltes Stück zwischen Geschichts- und persönlichem Drama. Abstriche gibt es da hauptsächlich, wenn die Erwartung in Richtung "Sündenfall" des Alan Turing geht. Diese Episode haben Dokus und mindestens eine andere TV-Produktion schon deutlicher und schonungsloser herausgearbeitet.

                                "The Imitation Game" konzentriert sich da mehr auf die Hintergrund-Geschichte um den Enigma-Code. Welche Kosten hatte diese Errungenschaft? Wer funkte wie dazwischen? Und wie gesagt, welche Bürde es bedeuten kann, wenn ein großer Kopf mit dem Verstand urteilt und andere mit dem Herzen.

                                Dabei ist es schon etwas unangebracht, das Wörtchen Spannung im Zusammenhang mit den Mechanismen des üblichen Thriller-Kinos zu verwenden. Denn diese Art von Spannung bedient "The Imitation Game" eher als Facette. Richtiges Agenten- und Kriegs-Feeling wird anderswo bedient. Von daher wäre es auch unangebracht, diesen Film pauschal als funktionierend oder befriedigend zu bewerten.

                                Die Geschichte dreht sich tatsächlich mehr um einen geplagten Charakter, der sich sexuell wie intellektuell von der (vorgeschriebenen) Norm seiner Zeit unterscheidet. Eine Moral, eine Botschaft und den eigentlichen Sinn des Gezeigten muss sich da schon jeder selbst erschließen. Es sei denn, er oder sie hält "The Imitation Game" lediglich für ein hübsch ausgestattetes und bebildertes Drama-Filmchen, das nur einen weichgespülten Abriss realer Hintergründe zelebriert. Ja dann wäre die Deutung natürlich einfacher.

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                                  mikkean 03.07.2017, 18:34 Geändert 03.07.2017, 18:37
                                  über Lucy

                                  Mal ganz grob gesagt, gibt es zwei Arten von Luc-Besson-Filmen. Die, in denen er Männertypen wie Tunnelraten, Tauchern oder Cleanern huldigt. Und dann die, bei denen Besson seinen weiblichen Heldinnen vom Kopf bis zum Zeh verfällt.

                                  Da ist es dann ganz egal, ob es in der Geschichte um eine Straßen-Göre geht, die zur Auftrags-Killerin geformt wird. Oder um eine Johanna von Orleans oder gleich ein menschgewordenes fünftes Element. Wenn Luc Besson sich in seine Haupt-Darstellerin verguckt, ist alles andere doch ganz egal.

                                  Auch bei "Lucy" drängt sich der Verdacht ganz stark auf, dass Bessons Sujet hauptsächlich aus einem Satz bestand: "Ich mach aus Scarlett Johansson ein Superwesen, das Zeit und Raum verformt!"

                                  Punkte wie eine vielschichtige Geschichte oder ein ausgearbeiteter Background der Titel-Figur sind da gar nicht weiter von Belang. Hauptsache, die Lucy wird unversehens von Gangstern überwältigt und mit einer Wunderdroge vollgepumpt. Okay, nicht absichtlich. Soweit habe ich schon noch aufgepasst.

                                  Aber Fakt ist, dass Luc Besson wie immer mehr Wert auf den Style und das beschleunigte Tempo gelegt hat, damit die sonderbaren Fähigkeiten seiner Heldin möglichst schnell wieder inszeniert werden können. Es wäre allerdings ohne solche Kräfte auch ein sehr viel langweiliger Trip von Taiwan nach Paris geworden.

                                  Wahr ist aber auch, dass "Lucy" ein hanebüchener Nonsense-Trip in die Twilight Zone des Luc Besson geworden ist, bei dem die Hauptfigur ultra-bösen Ärschen das Licht ausknippst. Während die wissenschaftliche Grundlage und Lucys Kräfte die Nadel des Bullshit-Barometers gehörig ausschlagen lassen.

                                  Was natürlich pure Absicht ist. Denn so eine richtige stimmige und stimmungsvolle Erzählung wie noch bei "Nikita" hatte Besson bestimmt nicht im Sinn. Er weiß, dass bei so einer Erklärung wie dieser, seine Heldin gnadenlos auftrumpfen lassen muss. Also werden die physikalischen Grundlagen unserer Dimension ordentlich durchgeschüttelt, während Johansson quasi einmal durch die Menschheits-Geschichte von "2001" geblasen wird.

                                  Ein Glück, dass "Lucy" nicht nur auf seine Haupt-Darstellerin fixiert ist. Sondern auch davon profitiert, dass unsere Scarlett das hier so unbekümmert spielt, als wäre sie wirklich eine unbekümmerte Feier-Tussi und dies ihr erster Film, bei dem sie plötzlich mit Superkräften umgehen muss. Und noch ein beiläufiges Schmankerl ist sicherlich die Besetzung von Choi Min-sik, dem "Oldboy", als Ober-Bösewicht.

                                  Ein schönes Detail, das bei Luc Bessons Handhabung jedoch fast im Sturm untergeht. Es wäre aber auch nicht zu erwarten gewesen, dass Besson nach seinen produzierten Reißern wie "96 Hours" oder "The Transporter" plötzlich ein nuanciertes Superhelden-Drama präsentieren würde. "Lucy" ist ganz klar eine Kopfwäsche im hohen Waschgang geworden. Mal schon sensationell bebildert, mal etwas zu viel des digitalen Budenzaubers. So richtig cool ist vielleicht auch nur, mit welchem Starrsinn sich Luc Besson Stolpersteinen wie einer überzeugenden Dramaturgie, den Prinzipien der Wissenschaft und der eigenen Vernunft widersetzt.

                                  Dafür ist "Lucy" immerhin einfach nur kurzweilig und strotzt nicht allzu sehr vor recht stumpfsinnigen Dialogen. Denn die sind sowieso nur zweitrangig, wenn sich Scarlett Johansson vor unseren Augen an all den Fähigkeiten versuchen darf, die uns in unserem tristen Alltag fehlen. Und immer noch eine gute Figur macht.

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                                    "Vor Conjuring gab es ANNABELLE". Das liest sich schon wie eine Drohung. Und zeigt wieder mal das alte Dilemma. Ist ein Film erfolgreich, wird gleich die Hölle in Bewegung gesetzt, damit die Genre-Ausschlachtung beginnen kann.

                                    Also zieht es uns vom Haus der Familie Parron hin zur "Vorgeschichte" ums Dämonen-Püppchen Annabelle. Der verhassten Cousine von Barbie, die so böse ist, dass nicht einmal Bruder Chucky ihr Weihnachtskarten schickt.

                                    Größtes Problem bei "Annabelle" ist jedoch, dass dieses Prequel unsere Fantasie ab der ersten Sekunde beschneidet. Und damit die Möglichkeit, dass diese Puppe echte Albträume nährt, zunichte macht. Wäre es nicht wirklich schauderhaft, sich auszumalen, wer diese Annabelle geschaffen und mit dem Bösen infiziet hat? Dies muss doch ein durch und durch schwarzes Herz gewesen sein...

                                    ... oder halt ein verrücktes Mörder-Pärchen, womit wir nach dem Übernatürlichen ins reale Horror-Reich von Charles Manson rutschen. Ob die Idee jetzt schlecht oder vielleicht etwas gut ist, spielt gar keine Rolle. "Annabelle" verpasst insgesamt die Chance, eine Vor-Geschichte zu servieren, die wirklichen Grusel verbreitet und echtes Interesse am Stoff generiert.

                                    Denn das Geschehen rund ums Ehepaar und Neu-Eltern Form wirkt zu beliebig und geradezu einladend offen gedacht, damit ja irgendwann ein anderer Teil produziert werden kann. Was mal komplett schade ist – euphemistisch gesprochen. Schließlich wäre genug Schock-Potential vorhanden. Unheimliche Besucher in der Wohnung, ein Baby im Laufstall. Da muss das Herz aussetzen.

                                    Aber: Pustekuchen! Es will nicht so recht spuken bei "Annabelle". Was auch daran liegt, dass der Dreh mit der hölzernen Protagonisten überreizt wird. Einmal zu oft wollen uns die Macher den Bären aufbinden, dass die Puppe sich gleich bewegen oder einfach nur eine Regung zeigen wird. Und dann bleibt es aus.

                                    Noch gravierender wiegt allerdings, dass die anderen Schauer-Szenen es ständig schaffen, die Grawanderung zwischen Psychologie und Subtilität zu verfehlen. Manches Setup ist gar nicht so übel. Das weckt Hoffnung und dann implodiert der Augenblick doch wieder ohne Feuerwerk. Einzig das kurze Auftauchen des dämonischen Puppenspielers vermag so etwas wie ein nachhaltiges Highlight zu setzen. Dennoch verpufft es auch wieder, da dieses Inetrmezzo leider nicht die Routine im Drehbuch aufhebt.

                                    Und es (ver)stört umso mehr, da "Annabelle" vielleicht zu den günstigeren Produktionen der großen Studios gehört. Dennoch hat der FIlm einen Produktions-Standard und Talent hinter der Kamera, von dem andere Horror-Werke nur träumen dürfen. Immerhin ist das Handwerk des Films durchaus ansprechend. Leider setzt sich dieser Trend nicht beim Interesse für seine Figuren und das Schauer-Püppchen fort.

                                    Für einen echten Schocker wirkt "Annabelle" halt zu steif und leblos. Da boten selbst die "Insidious"-Filme interessantes Personal und Atmosphäre, wenn es darauf ankam. Die Annabelle hingegen macht es in ihrem ersten eigenen Film richtig: sie bleibt sitzen, grinst und wartet auf ein besseres Drehbuch.

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                                      mikkean 11.06.2017, 03:01 Geändert 11.06.2017, 03:07

                                      Der amerikanische Traum: vom Tellerwäscher zum Millionär. Er kann Wirklichkeit werden, auch für so kleine Lichter wie Lou Bloom. Dieser hat sein Dasein bisher lieber als Klein-Krimineller im Schatten gefristet. Aber eines Nachts, ganz zufällig, wird er Zeuge, wie "Stingers" – die Freibeuter unter den Foto-Journalisten – um die besten Aufnahmen wetteifern. Lou leckt Blut und kennt nur ein Ziel: der Beste und Erfolgreichste werden.

                                      Blut und Gedärm bringen Quote. Wir als Gesellschaft verdammen ja regelmäßig alle Gaffer. Und doch sind es nicht zuletzt die Medien, die immer noch unsere Lust an Voyeurismus und Schock-Effekten bedienen. Insofern ist "Nightcrawler" keine moralische Standpauke. Sondern ein rabenschwarzes Vergnügen, dem immer noch die alte Gier nach krassen Bildern zugrunde liegt.

                                      Ob das Kabel-Fernsehen als Haupt-Abnehmer hier überspitzt dargestellt wird oder millimetergenau seziert wird, sei dabei sogar einmal hingestellt. Denn wie bereits erwähnt, belehrt "Nightcrawler" niemanden.

                                      Der Trick ist vielmehr, dass uns der Aufstieg von Lou absolut fesselt. Wir kriegen gar nicht genug von diesem ruchlosen Gauner, dessen übereifrige Motivation keine Grenzen kennt. Erst will er nur Bilder machen, dann inszeniert er sie. Und schließlich lässt er gar Konkurrenten wie lästige Mitarbeiter in die Schusslinie laufen.

                                      Selten vermochte es ein ausgemachter Unsympath, uns mit seinem Aussehen, seinem doppeldeutigen Grinsen und den immer derberen Methoden, an sich zu ketten. Ich meine sogar, Lou Bloom fasziniert so stark, dass wir teilweise einfach die Ver- oder Be-Urteilung dieses Charakters vergessen.

                                      Und damit zeigt Jake Gyllenhaal wiederum, dass er zurecht zu den untriebigsten Schauspielern unserer Tage gehört. Er kann es einfach und scheut kaum Risiken. Noch besser, seinen Lou gibt er nicht nur als Teufel mit dem Engels-Gesicht. Er sieht eher grundätzlich aus wie der Joker ohne Make-Up. Sorry, Jared Leto, so durchgeknallt ist Gyllenhaals Darstellung allemal.

                                      Dazu noch ein toll nuanciertes Script und die Magie der neonlicht-durchtränkten Nacht-Aufnahmen, die von "Thief", "Terminator" bis zu "Drive" immer ziehen. Wenn sie denn gut eingefangen werden.

                                      Und wie gesagt, bedient "Nightcrawler" die wechselseitige Vampir-Beziehung der Lieferanten und Abnehmer. Als wäre es nicht schon doll genug, Rene Russo nach gefühlten Ewigkeiten, in einer fragwürdig angehauchten Rolle zu sehen. Nein, Russo zeigt uns eine Programm-Direktorin, die nur zu gern ins blutige Sensations-Bad eintaucht, um Zuschauer anzulocken.

                                      Von daher wird schließlich klar, dass dies gar kein Albtraum ist. Sondern eine leider gar nicht so abwegige Erfolgs-Geschichte, die vielleicht weniger als Charakter-Studie funktoniert. "Nightcrawler" ist eher schon ein Lackmustest fürs Gewissen.

                                      "WENN SIE DAS GESEHENE ALS VERWERFLICH EMPFINDEN, DANN HAT IHRE SEELE KEINEN SCHADEN GENOMMEN" Und, wie sieht's bei euch aus?

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                                      • Ach, Shit. Mach's gut, Adam. Du bist für wohl nicht wenige die einzige wahre "Lichtgestalt" unter all den Batman-Darstellern. Deine Serie war schon bekloppt, aber ihr wusstest das und habt es für euch genutzt. Und jetzt noch ein letztes "POW!"; "BAP", "CLANK", "KAPOW" und "EEE-YOW" – dir zu Ehren.

                                        Leb wohl Adam West

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                                        • Ich sehe Frau Connelly gerne spielen. Aber eine Serie zu "Snowpiercer" wrkt geradezu überflüssig. Der Film ist ein Gesamt-Kunstwerk, da kann eine nachgeschobene Adaption nur verlieren. Es sei denn, sie revolutioniert das Format.

                                          • 3 .5

                                            Es ist heutzutage ja geraezu wundervoll, ein Ensemble wie dieses vereint zu sehen. Und zwar in keinem Remake oder einem weiteren unnötigen Fortsetzungs-Aufwasch.

                                            Nur: leider ist "Mortdecai" eine recht unlusitge Wieder-Belegung der Schussel- und Verwirr-Schule eines Inspektor Clouseau geworden. Eben leider. Denn irgendwann wird deutlich, dass hier eine recht überschaubare Anzahl aus Gags immer wieder runtergeleiert wird. Und diese werden bei durch Wiederholung nicht viel besser. Und wenn dann noch gekotzt wird, rutschen wir gleich nochmals im Klassen-Durchschnitt.

                                            Irgendwie schade, denn obwohl Johnny Depp die meiste Kritik abbekam, krankt "Mortdecai" ganz klar daran, dass alle Affektiertheit und jeder noch so schlüpfrige Gag eben kaum das Tempo und das Interesse für diese Chose zu steigern vermochten. Es ist zwar was los, nur eben nicht viel Gutes.

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                                            • 5 .5
                                              mikkean 08.06.2017, 03:14 Geändert 08.06.2017, 03:19

                                              Selbst Killer-Maschinen erreichen halt mal das Ende der Fahnenstange. Es war ja aber auch kein wirklich gutes Vorzeichen, dass "Terminator Genisys" der fünfte Teil einer zerfahrenen Reihe darstellt. Und den erneuten Versuch, von der Denkarbeit und den Leistungen eines James Cameron zu zehren.

                                              Jede Debatte erübrigt sich. "Terminator" und "T2" revolutionierten das Action-Kino und stellen, mit ihren wirklich gut konzipierten Geschichten, das ultimative Statement zur Thematik dar. Seither kreisten alle Fortsetzungen um die immer gleichen Motive. Mit Ausnahme von "Salvation", der sich schließlich mal ganz dem zukünftigen Krieg gegen Skynet widmete.

                                              Nur ohne große Innovations-Schübe natürlich. Eine Entschuldigung, die "Genisys" nicht gelten lassen wollte und deshalb lieber gleich eifrig zitiert und nachahmt, um schließlich genüsslich die bekannten Eckdaten der eigenen Storyline über den Haufen zu werfen.

                                              Und tatsächlich fällt Arnold Schwarzeneggers vielleicht letzter Termintor-Auftritt damit sogar recht selbstironisch aus. Ein Wesenszug, der dieser Reihe in jenem Fünfer-Stadium nur behilflich sein kann. Warum also nicht Sarah Connor von der Killer-Maschine großziehen lassen, die sie einst töten sollte? Warum nicht die verjüngte Sarah Kyle Reese retten lassen, während die Ramones aus den Boxen ballern dürfen? Ist doch eigentlich ganz lässig.

                                              Wenngleich auch eine deutliche Mischung aus Reste-Verwertung und Quasi-Parodie, die diesem Zeitreise- und Alternativ-Stränge-Quark ganz gut durchflutschen lassen. Während der Reihe selbst gar keine bis kaum neue Ideen verpasst werden können.

                                              Auf die List mit den guten Einfällen gehören trotzdem der neue John Connor (Bruch mit der Tradition), das Konzept um Genisys (für unsere Post-Kalter-Krieg-Welt eine recht bedrohliche Alternative zum Atomschlag), die Partikel-Terminatoren und eben der rüstige Arnie als Papa-Borg.

                                              Wohingegen "Terminator Genisys" auch eindeutig zeigt, dass alle Um-Dichtungen, Verdrehungen oder visueller Buden-Zauber nur wenig darüber hinwegtäuschen, dass die Luft aus der Serie raus ist. Oder dass wir erneut mit Variationen derselben Ideen verwöhnt werden. Ein anderes offensichtliches Problem sind die Action-Sequenzen. Viel Spott musste dieser Terminator beim Kino-Start ertragen. Und irgendwo stimmt es auch. So hoch das heutige Effekt-Niveau auch liegen mag, spätestens bei der Helicopter-Verfolgungs-Jagd wirkt das alles fast wie eine Parodie. Und erinnert an "The Dark Knight" oder einen anderen Blockbuster.

                                              Es ist inzwischen manches halt zu austauschbar geworden. Da kann nicht mehr alles mitreißen. Eine Problematik, die bei "Terminator Genisys" zu offensichtlich wird. Dieser fünfte Anlauf mag sonst wie teuer gewesen sein. Er wirkt bisweilen ziemlich beliebig. Und so starr wie die Chemie zwischen Emilia Clarke und Jai Courtney. So richtig fetzig sind da wirklich nur die direkten Auseinander-Setzungen mit den Mord-Maschinen. Schon immer das Herzstück der Reihe. Trotz aller Explosionen und Chase-Szenen.

                                              Dieses Gebashe soll nicht heißen, dass "Genisys" eine Bankrott-Erklärung an die Kreativ-Abteilung geworden ist. Diese Zitat-Spielerei kann durchaus auch als leichtfüßiges Jonglieren mit der Bürde der eigenen Tradition verstanden werden. Aber auch hier dürfte der Film so manchen echten Fans zu sehr in FSK-freundlicher Familien-Unterhaltung versumpfen. Das Original von 1984 wird schön nachgeahmt, aber einen richtig eigenen Charakter vermag dieser Film nicht mehr zu erreichen.

                                              Also entweder ist das ein Bastard aus Rezitation und dichterischer Freiheit. Oder "Terminator Genisys" stellt den letzten, trostlosen Versuch einer Mogelpackung dar, die eine abgelutschte Geschichte krampfhaft wieder zu käuen versucht. Eine echte Bewertung wird vermutlich erst ein weiterer Terminator erleichtern.

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                                              • 5 .5
                                                mikkean 08.06.2017, 02:14 Geändert 08.06.2017, 02:26

                                                Wann ist der Punkt erreicht, an dem ich bei "The Purge 2: Anarchy" mit dem Denken aufhöre und nur noch Mitfiebere? Es passiert wohl spätestens bei der Verfolgungs-Jagd im U-Bahn-Schacht. Da bete ich nur dafür, dass endlich eine Kugel den Flammen-Werfer-Arsch im Tank trifft und er gleich den Jeep zerfetzt. Und ... here we go!

                                                Es schien ja wohl alles gesagt. "The Purge" hatte eine ganz coole Grund-Idee, gepaart mit beunruhigenden, moralischen Abgründen einer fanatischen Gesellschaft mit unbegrenztem Waffen-Zugang.

                                                Aber das Konzept war letztlich besser als der eigentliche Film. Die Macher des Sequels wussten das wohl auch. Und hielten es lieber gleich so wie "Rückkehr Zum Planet Der Affen". Wenn du schon nicht viel tiefgründig Neues erzählen kannst, dann hol lieber gleich die Entertainment-Keule aus dem Sack.

                                                Weshalb "The Purge: Anarchy" eben von Anfang den Weg des Unterhaltungs-Schockers geht und von allem etwas mehr und krasseres bietet. Todes-Schwadrone in der Sozial-Bau-Siedlung, Purge-Versteigerungen der High Society, eine Untergrund-Widerstands-Bewegung und vor allem noch mehr comic-artig überzeichnete Gestalten wie die Street-Gang oder Frank Grillo als Aushilfs-Punisher.

                                                Keine Frage, dieser Film verstärkt den düster-grotesken Einblick ins radikal fehlgeleitete Amerika der Zukunft. Doch über allem steht nun mal mehr denn je das Mitfiebern, welch perverse Menschen-Fänger und Killer-Schweine den Protagonisten als Nächstes begegnen.

                                                Immerhin klappt das recht ordentlich. Und für rund 100 Minuten schafft es "The Purge: Anarchy", dass wir bei Logik und Moral die Schlummer-Taste drücken und uns ganz dem Spektakel öffnen. Wobei der Film natürlich selber seinen Charakter als Prophezeiungs-Werkzeug und Gewalt-Karikatur der Gegenwart vernachlässigt. Am Ende ist das hier halt nur groteske Unterhaltung und ungefähr so kraftvoll revolutionäres Polit-Kino wie "Running Man".

                                                Ein paar dolle Bilder aus dieser Nacht des Massenmords dürfen halt doch nicht allzu sehr versetzt werden mit echten Denk-Anstößen. Und trotzdem bleibt es irgendwie ein ansehnliches Augen-Futter. Mehr aber auch nicht.

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                                                • Nee, also sorry. What a bad idea. Cowboy Bebop lebt gerade davon, dass diese ganze Culture-Clash-Schiene und Sci-Fi-Elemente in gezeichneter Form so überwältigend gut funktioniert. Eine Real-Adaption würde da nur überkünstelt und doch unecht daherkommen. Menschen aus Fleisch und Blut vorm Blue Screen gibt es doch schon zur Genüge.

                                                  • 5
                                                    mikkean 24.05.2017, 19:55 Geändert 24.05.2017, 20:02

                                                    Nummer Zwei der Julianne-Moore-Mini-Festspiele ist "Freeheld". Ein Film der Marke "Wichtige Themen weichgespült".

                                                    Laurel Hester war Polizistin. Und sie liebte Frauen. Jahrelang hielt sie ihre Homosexualität geheim. Bis sie unheilbar an Krebs erkrankte und beschloss ihre Pension auf ihre eingetragene Lebensgefährtin Stacie überschreiben zu lassen.

                                                    So einfach lässt sich "Freeheld" zusammenfassen. Natürlich braucht es dramaturgisch gesehen noch etwas Pfeffer, damit sich diese Grundidee auf einen abendfüllenden Film dehnen lässt. Und selbstverständlich haben wir den. Es wäre ja schon schlimm genug, Laurel dabei zuzuschauen, wie sie sich der Karriere und dem Burgfrieden mit den Kollegen wegen selbst verleugnet.

                                                    Aber nein. Ein echt dramatischer Stoff braucht einen Gegenspieler. In diesem Fall das sogenannte "Board Of Chosen Freehelders". Bundesvertreter oder Anzug tragende Korinthenkacker, die der echten Laurel Hester lange den Wunsch nach Absicherung einer gleichgeschlechtlichen Gattin verweigerten.

                                                    Selbstredend, weil diese Plenum aus feigen Amtsinhabern bestand, das nur zu gerne bigotte Moral-Vorstellungen aus dem Wahlkreis vertrat und sich nicht wagte, den wichtigen Präzedenz-Fall in Sachen LGBT-Gleichberechtigung zu schaffen.

                                                    Leider ist das alles zu bekannt und es wäre schon was emotional Wichtiges von Nöten gewesen, diese filmische Nacherzählung zu einem Denkmal wie "Philadelphia" zu machen. Es mag etwas zu hochgegriffen sein, doch im Grunde handeln "Philadelphia" und "Freeheld" vom Kampf einer homosexuellen Figur um das Recht auf Würde und die Anerkennung durch die Justiz.

                                                    Deshalb ist schon fast tragisch, dass sich "Freeheld" am Ende vor unseren Augen wie ein aseptischer Fernseh-Film der Woche entfaltet. Nichts gegen TV-Movies. Was ich meine, ist die überklare Absteckung aller Grenzen. Die vorhersehbare wie arg geleckte Dramaturgie, die wirklich nur das Nötigste der Geschichte abdeckt. Und dabei wirklich beinah jede emotionale Investition vonseiten des Publikums unterbindet.

                                                    Denn allein die Gleichung "Lesbische kranke Frau gegen das System" birgt so viele unsichtbare Variablen, die ausgerechnet das Oscar-gekrönte Mini-Doku-Pendant gleichen Namens, in der Hälfte der Zeit, auszudrücken wusste.

                                                    Beim Leinwand-Bruder "Freeheld" hingegen spielen Talente wie Julianne Moore, Ellen Page als Partnerin Stacie, Michael Shannon als Kollege und selbst der gut aufgelegte Steve Carell eindeutig gegen das engstirnige Unterfangen der Macher an. Große Gefühle sollen da herbeigezaubert werden. Aber gleichzeitig werden sie in ein Format gepresst, das so undankbar viel Raum lässt wie eine Sardinen-Büchse.

                                                    Da ist alles schnell klar. Die Mauer in den Köpfen der Freehelder, das Unbehagen des Kollegen, der sich dann doch voll für seine Partnerin einsetzt. Und schließlich der Protest in den Rats-Sitzungen, die Carell als schwuler Aktivist leitet. Es schmerzt zwar das zu sagen, aber es stimmt doch. Bei diesem wichtigen Thema verkommen derlei Details und Seitenhiebe (wie die Rede des Priesters) zu klaren Rand-Details, die irgendwo im vorbestimmten Erzählfluss dahinplätschern.

                                                    Weshalb es eigentlich schon verstimmt, wie hier ein wichtiges Thema und die wahren Betroffenen auf ein Mindestmaß reduziert werden. Okay, die gab's also wirklich. Und sie haben gekämpft. Gut zu wissen. Next!

                                                    Sollte das Vorhaben der Macher darin bestanden haben, die üblichen Fallstricke dick aufgetragener Dramen zu übergehen und sich nach einem sachlichen, wie klaren Blick auf die Geschichte zu bemühen. So ist klar, dass derlei Erzählungen dann doch nur funktionieren und berühren, wenn wir uns auf die Figuren einlassen und für deren Schicksal interessieren können. In seiner Form ähnelt "Freeheld" da leider eher einem zwanghaften komprimierten Re-Enactment der Marke "Aktenzeichen XY ... ungelöst".

                                                    Alle Fakten da, nur das wahre Drama und das Ausmaß aufs Leben der Figuren geht dabei regelrecht unter. Bis, fast nach dem Lehrbuch, schließlich doch die Bilder der echten Laurel und Stacie einen echten Bezug zum wahren Leben vermitteln. Aber das hätte auch der Film davor schon schaffen können.

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