Mr_Phil - Kommentare

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  • 7 .5
    Mr_Phil 18.12.2016, 12:33 Geändert 18.12.2016, 12:56

    Deusfantasy und Mr_Phil begeben sich auf die Pfade von Elvis Presley in "Mystery Train".
    #12 unserer persönlichen Kommentar-Reihe, bei der jeden Monat (ab jetzt leider nicht mehr) eine weitere Rezension von uns beiden folgt.

    Wohin uns unserer ganz persönliche kleine Reise in unserem Leben hinverschlägt, wissen wir anfangs oftmals leider nicht.
    Wir steigen einfach auf den Zug des Lebens auf, fahren mit ihm eine Weile mit, machen dann an diesem und jenen Bahnhof Halt, an dem sich dann unser eigentliches Leben abspielt.
    Wie schnell oder langsam wir dabei fahren, haben wir zumeist nicht selbst in der Hand - wir können gewissermaßen nur entscheiden, ob wir mitfahren und wann wir wo aussteigen wollen.
    Leider wissen wir auch davor nie, ob wir an dem Ort, an dem wir aussteigen werden, auch genau das erhalten, was wir vom Leben erwarten.
    Wenn wir uns nämlich erst einmal dazu entschlossen haben, auszusteigen, können wir unserem Zug vorerst nur noch hinterherschauen.

    Jun und Mitzuko lassen sich in "Mystery Train" ebenfalls einfach so von ihren Träumen und ihrer Liebe zur Musik treiben, halten hierbei am Bahnhof in Memphis, versuchen dort ihr Glück und übernachten in einem Hotel.
    Unsere Reise ist aber bestimmt nicht immer ohne auftretende Probleme zu bestreiten, was auch Luisa - ebenfalls in Memphis - feststellen muss. Sie möchte nämlich ihren verstorbenen Ehemann nach Italien bringen, hat währenddessen verschiedenste unheimliche Begegnungen mit Personen und all das gipfelt letztendlich in einer nächtlichen Erscheinung - in einem Hotel.
    Das Leben verläuft also nicht immer reibungslos und wartet stets mit Überraschung auf.
    Dass sich im Zuge dessen dann unsere Probleme nicht mit Trinken von Alkohol lösen lassen, wird anhand Johnny, seinem Freund Will und dem Schwager Charlie ersichtlich, die - ebenfalls in Memphis im gleichen Hotel - unterkommen müssen.

    Was das nun alles miteinander zu tun hat?

    Drei Geschichten.
    Eine Nacht in Memphis.
    Ein Radio.
    Eine Musiklegende.
    Ein Schuss.

    Jim Jarmusch verwebt in seinem Episodenfilm "Mystery Train" genau diese drei grundsätzlich verschiedenen Geschichte gekonnt miteinander, indem er alle auf den kleinsten gemeinsamen Nenner herunterbricht - das Leben selbst.
    Wer Jarmsuch liebt, wird durch diesen Vertreter gewiss nicht enttäuscht werden, denn auch hier ist blitzt seine Gabe, banale Geschichten aus dem Leben interessant aufzubereiten, immer und immer wieder auf.
    Es wird also höchste Zeit, auf den Mystery Train aufzuspringen, um zu sehen, wohin er euch führen wird.

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    Ein intensives und ziemlich verrücktest Filmjahr neigt sich nun also langsam dem Ende hingegen und mir bleibt nicht mehr viel, als mich schlicht zu bedanken.
    Danke an die Commnunity, die immer eifrig unsere gesamten Texte gelesen und kommentiert hat.
    Und natürlich gebührt ein ganz großes Dankeschön insbesondere Janus, der mit mir diese Aktion ins Leben gerufen, wunderbaren zwölf Texte geschrieben hat und darüber hinaus auch zu einem echten Freund in diesem Jahr avanciert ist, womit ich so niemals rechnen konnte.
    Ich wünsche euch schon jetzt eine schöne Weihnachtszeit mit euren Liebsten und hoffe, dass wir uns alle gesund und munter im neuen Jahr (vielleicht ja mit einer weiteren Kommentar-Reihe mit Deusfantasy) wieder lesen werden.

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    • 8 .5
      Mr_Phil 13.12.2016, 12:54 Geändert 13.12.2016, 16:37

      Wie wir Glück definieren, hängt zumeist vom Standpunkt unserer Betrachtung ab.
      Da meine familiären Wurzeln aus eher ärmlicheren Verhältnissen stammen, habe ich schon früh die kleinen Dingen im Leben schätzen gelernt, war mit deutlich weniger zufrieden und habe auch feststellen müssen, dass es trotzdem immer noch Menschen gibt, die sich über scheinbar noch viel bedeutungslosere Kleinigkeit so viel mehr freuen können, als ich es überhaupt jemals im Stande wäre.
      T-Shirts, die mir inzwischen zu klein und Hosen, die mir inzwischen zu eng waren - all das hat noch Verwendung gefunden und machte somit Menschen auf dieser Welt doch noch glücklich, obwohl diese Kleidungsstücke für mich faktisch (bis auf die Tatsache, dass ich mich schwer von etwas trennen konnte/kann) keinerlei Bedeutung mehr besaßen.
      Für die einen bedeutet Glück also, wenn sie morgens überhaupt etwas zum Anziehen haben, wohingegen für andere genau das als pure Selbstverständlichkeit erachtet wird und folglich zum "glücklich sein" nichts beitragen kann.
      Der Standpunkt ist eben entscheidend.

      Wenn ich beinahe jedes Wochenende meinem Nebenjob an einer kleinen Tankstelle in einem noch viel kleineren Dorf nachgehe, erlebe ich auch hier die unterschiedlichsten Formen von Glück.
      Angefangen bei der Rettung eines Kuchens am späten Sonntagabend für den Mann einer älteren Frau, die schon Jahre lang genau diese Person aufopferungsvoll pflegt und nun freudestrahlend zu mir aufblickte, als ich ihr die fehlende Zutat überreichte bis hin zu den verlorenen Seelen, die täglich perspektivlos zu mir kommen, ihr Bier bei mir trinken und dabei endlich mit einer Person reden, ihre Sorgen und Ängste also mit mir teilen können und sich zumindest für diese halbe Stunde nicht mehr ganz so alleine auf der Welt fühlen.
      Sie alle sind bestimmt irgendwo glücklich - jeder dabei eben auf seine ganz eigene Art und Weise.

      Auch die Schwestern im Experimentalfilm " Ménilmontant" suchen nach ihrem Glück, denn auch sie erhoffen sich mehr vom Leben, fernab der Armut in ihrem Arbeiterviertel.
      Sie werden dabei dann immerzu von ihren scheinbar glücklichen Kindheitstagen eingeholt, in denen sie noch nichtsahnend miteinander gespielt haben und in eine vermeintlich positive Zukunft blickten.
      Ihre Suche nach dem Glück wird zudem noch dadurch sichtlich erschwert, dass sie den gleichen Mann begehren.

      Dieser atemberaubend gefilmte Kurzfilm " Ménilmontant" erzählt dabei aber ganz gewiss keine klassisch narrative Handlung, sondern erzeugt mit Bilderfolgen und sehenswerten Montagen eine bedrückende und nachdenkliche Stimmung. Ein Film so einzigartig wie das Glück und so unergründlich und tiefgreifend wie das Leben eben selbst ist.

      Glücklich sein.
      Eigentlich sind es ja nur zwei Worte. Zwei Worte, die aber vielleicht die ganze Essenz des Lebens beinhalten.
      Viele sind schon daran zerbrochen, haben ihr Glück also nie gefunden, vielen Weiteren wird es wohl leider noch ähnlich ergehen - das Rad der Zeit scheint nämlich niemals still zu stehen. Für keinen von uns.
      Wir alle können aber träumen und haben eigentlich auch genug Zeit, um glücklich zu werden - entscheidend ist hierbei einzig und allein, welchen Standpunkt wir bereit sind, zu wählen.

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      Hier zum Anschauen:
      https://archive.org/details/menilmontant1924-25

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      • 8 .5

        Ganz gewiss haben wir alle eine bestimmte Last, die wir stets mit uns tragen müssen.
        Bei den einen fällt diese eben etwas größer, bei den anderen hingegen etwas kleiner aus.
        Auch ich fühle mich manchmal so, als müsse ich die ganze Welt auf meinen Schultern tragen.
        Mir erscheint es deshalb oftmals nicht möglich zu sein, auch nur einen einzigen Schritt nach vorne zu machen, ohne Gefahr zu laufen, unter dieser immensen Last zusammenbrechen zu müssen.
        Es gibt also sehr viele Dinge in meinem Leben, die mich gewissermaßen nach unten ziehen, ich sie aber trotzdem bisher nie ablegen konnte - so sehr ich es auch versucht habe.
        Mein größtes Problem dürfte dabei wohl darin bestehen, dass ich nicht loslassen kann.
        Dies fing schon ganz früh an, als ich mich von keiner meiner Spielzeuge (ganz egal wie kaputt sie auch waren) trennen, ich später dann Klamotten nie weggeben (auch wenn ich sie noch nie an hatte, irgendwann würde der Tag nämlich ganz bestimmt noch kommen, an dem ich sie brauchen werde) wollte und zieht sich tatsächlich bis heute wie ein roter Faden durch mein komplettes Leben.
        Bis heute, denn auch diesmal kann ich nicht loslassen.

        Natürlich ist eine jahrelange Beziehung zu einem Menschen, den man geliebt hat, nur schwer mit Spielzeugen oder Klamotten zu vergleichen, doch irgendwo ist das Gefühl letztendlich ein recht ähnliches - sind sie erstmal weg, fehlen sie einem leider im nächsten Moment bereits, schließlich waren sie immer da und man hat sich so sehr an sie gewöhnt.
        Es war vielleicht nicht beabsichtigt, wie all das jetzt zwischen uns gegen Ende gelaufen ist - das Endergebnis bleibt jedoch dasselbe und lässt den Abschied nicht zwingend leichter erscheinen - zwei Menschen gehen für immer getrennte Wege und das obwohl sie sich einst so nahe standen.

        Bei Cheryl aus "Wild" verlief das zwar ein wenig anders, da sie mit den ein oder anderen Fehltritten großen Anteil dazu beigetragen hat, dass ihre Ehe zerstört wurde und es folglich nicht ganz so unbeabsichtigt wie bei mir erscheint - geändert hat es am Ausgang aber natürlich rein gar nichts.
        Aber auch fernab ihrer Fehler, die sie in ihrer Beziehung gemacht hat, ist sie scheinbar vom Weg abgekommen und möchte durch eine Wanderung auf dem Pacific Crest Trail (kurz PCT) wieder zu sich finden.
        Am Beginn ihrer Reise ist ihr Rucksack dann auch viel zu groß und viel zu schwer für sie, was metaphorisch für ihre zu tragende Last auf ihren Schultern interpretiert werden kann.
        Im Laufe der Zeit versucht sie all ihre Fehler zu reflektieren und sich ihrer Altlasten zu entledigen, um von vorne beginnen zu können bzw. wieder diejenige zu werden, die sie einst war.
        Sie begegnet auf ihrer Reise dann vielen Menschen, durchlebt einige schwere Stunden und muss folglich viel Kraft investieren, um nicht aufzugeben und ihr Ziel dennoch zu erreichen - gleichzeitig spendet ihr diese Reise zu ihr selbst aber noch viel mehr als sie ihr letztendlich nehmen kann.

        Der Film "Wild" war für mich zugegebenermaßen ebenfalls eine Reise zu mir selbst.
        In Zeiten wie diesen, in denen man nicht so recht weiß, wohin es einen als nächstes verschlagen wird, können einem solche Filme enorm viel geben - irgendwie ein Film zur richtigen Zeit also.
        Durch die ständigen Voice-Over im Film erfährt man so viel über die Person Cheryl und im Grunde noch so viel mehr über sich selbst.

        Was wäre, wenn all unsere Taten wirklich einer tieferen Bedeutung unterliegen und alles genau so passieren musste?
        Und was wäre, wenn wir nur aus Rückschlägen wirklich zu dem Menschen werden können, der wir sein wollen?

        "Wild" packte mich also bereits früh an der Hand, ließ mich die ganzen Meilen über den PCT dann auch nicht mehr los und wurde dadurch zu einem ganz besonderen Geschenk für mich.
        Cheryls große Reise mag hiermit zwar vorbei sein - meine hat aber vielleicht gerade erst begonnen.

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        Auch wenn ich auf Zahlen normalerweise (Ausnahme bildet hier natürlich mein Studium) nicht ganz so viel wert lege, ist es doch etwas Besonderes, hier die 2000. Filmbewertung - noch dazu mit diesem Film - abgeben zu können.
        Also, auf die nächsten 2000 Filme und einer hoffentlich weiterhin so schönen Zeit auf moviepilot.

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        • 8
          Mr_Phil 30.11.2016, 11:08 Geändert 30.11.2016, 19:51

          Beinahe jeder meiner Tage ist von immer gleich ablaufenden Prozessen geprägt.
          Der morgendliche Gang zur Kaffeemaschine, gefolgt vom Befüllen der Müslischüssel und späteres Fertigmachen im Bad.
          Der Kaffee, den ich während dem Früchstück nie anrühre, ist dann leider nach dem Duschen meist schon kalt und schmeckt mir nicht mehr.
          Einige Gewohnheiten kann man scheinbar nie ablegen.
          Manchmal ist meine Mutter auch schon wach, wenn sie mal wieder von einem zum nächsten Arztbesuch rennen muss.
          Auf der einen Seite freue ich mich natürlich, wenn ich sie sehe. Auf der anderen Seite wird mir aber die bittere Realität, die ich noch nie wirklich wahrhaben wollte, jedes Mal doch ein bisschen bewusster.

          Beinahe auf die Minute genau (08:17 Uhr meistens) steige ich anschließend in mein Auto und fahre an den einige Kilometer entfernten Bahnhof.
          Vom Auto zum Zug sind es dann zwar nur wenige Schritte, aber trotzdem begegnet mir hier ritualsmäßig eine ältere Frau mit Rolator und wünscht mir einen wunderschönen guten Morgen - jedes einzelne Mal mit dem selben fröhlichen Gesichtsausdruck.
          Sie kann zwar nicht mehr allzu gut gehen und trotzdem wird sie scheinbar nichts daran hindern können, ihre tägliche Route (wohin auch immer) zu laufen, was ich extrem bemerkenswert finde.
          Anschließend ziehe ich mir ein Ticket (die Monatskarte lohnt sich bei mir rein rechnerisch komischerweise nicht) und steige in den bereits wartenden Wagon ein.
          Ich bin meist deutlich zu früh am Zug, was wohl daran liegt, dass ich schon immer einfach ein überpünktlicher Mensch gewesen bin und nur selten etwas dem Schicksal überlassen möchte.
          Nach ziemlich genau einer dreiviertel Stunde steige ich aus, nehme die Straßenbahn (die auch diesmal schon wartet, ich aber folglich oftmals einen Schritt schneller laufen muss, um sie noch zu erreichen) und gehe weiter meiner bekannten Wege.

          Beinahe jeden Morgen läuft das so.
          Keine Überraschungen, eine Banalität reiht sich an die Nächste. Und doch stehe ich jeden Morgen auf, bin motiviert, zuversichtlich und eigentlich auch glücklich - schließlich wird es ja ein guter Morgen, wenn man der Frau mit ihrem Rolator Glauben schenken darf.
          Das Leben ist eben nicht immer spektakulär und ab und an muss man sich auch schlicht mit diesen ruhigen, leisen und dadurch minimalistischen Momenten, die einen aber durchaus auch erfüllen können, zufrieden geben.

          Auch unserem Busfahrer aus Paterson in dem Bundesstaat New Jersey, der ironischerweise ebenfalls Paterson heißt, ergeht es jeden Tag aufs Neue ähnlich wie mir.
          Aufwachen, seine Frau liebevoll wach küssen, Frühstücken und seiner täglichen Arbeit nachgehen. Genau diesen Ablauf verfolgen wir als Zuschauer in "Paterson" exakt eine Woche lang.
          Der Film ist dabei dann derart minimalistisch gehalten, dass dem Zuschauer jede noch so winzige Änderung des Tagesablauf direkt auffällt und auch gleich ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Überhaupt durchströmt den ganzen Film ein vollkommen positives Lebensgefühl, weshalb ich auch fast durchgehend schmunzelnd im Kinosessel saß.

          Jarmuschs neuester Geniestreich "Paterson" lebt also von seinen leisen Zwischentönen, ist wunderbar verträumt, lebensnah und einfach über alle Maße gefühlvoll inszeniert.
          Ich weiß auch gar nicht, ob ich jemals Banalitäten des täglichen Lebens im Kino mit so viel Charme präsentiert bekommen habe.
          Stille Wasser sind aber ja bekanntlich tief und unter dieser Oberfläche verstecken sich auch in "Paterson" dann so viele Weisheiten, wodurch der Film trotzt seines Minimalismus einer der aussagekräftigsten Filme dieses Jahres geworden ist.

          Vielleicht führt euch euer täglicher Tagesablauf ja auch an einem kleinen Kino vorbei und ihr habt die Möglichkeit, eine Woche mit Paterson und seiner Frau zu verbringen.
          Eine Woche, die sich rückblickend wie ein ganzes Leben anfühlen wird.

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          • 8 .5

            Die Zeit scheint der einzig limitierende Faktor für uns Menschen zu sein, denn für Jeden von uns ist sie irgendwann abgelaufen.
            Das letzte Sandkorn aus unserer Lebensuhr fällt auf den Boden, das irdische Leben hat ein Ende, der Vorhang fällt für immer.
            Was aber wäre, wenn wir dieses Leben gegen die Unsterblichkeit eintauschen könnten?
            Wir alle sehnen uns nämlich nach dem ewigen Leben, wollen die Zeit überdauern und jeden Morgen erneut aufwachen dürfen.
            Doch niemand ist in der Lage, seinem letzten Atemzug zu entkommen, egal wie weit und schnell wir dabei auch rennen mögen - der Tod steht immer unausweichlich am Ende unserer kleinen Reise und erlöst uns.
            Aus diesem Grund sprechen wir auch oftmals davon, dass uns keine Zeit mehr für dieses oder jenes bleibt, dass das Leben insgesamt einfach viel zu kurz ist.
            Aber ist dem wirklich so?
            Der eigentliche Ursprung dieser Problematik ist nämlich meiner Meinung nach viel mehr darin begründet, dass wir Menschen uns diese scheinbar fehlende Zeit schlicht nicht nehmen wollen.
            Eigentlich wäre es ja so einfach - und doch stellt es für viele eine unlösbare Aufgabe dar.

            Der Engel Damiel aus "Der Himmel über Berlin" hingegen muss sich zumindest damit nicht sonderlich beschäftigen, wie er seine Zeit richtig einzuteilen hat, denn er hat unendlich viel davon - er war schon vor und wird auch noch nach uns da sein.
            Interessanterweise ist sein größter Wunsch jetzt allerdings konträr zu unserem - er möchte sein ewiges Leben nämlich aufgeben und als Mensch auf der Erde verweilen.
            Er möchte endlich fühlen, schmecken, riechen und seinem weiteren Dasein eine Sinnhaftigkeit geben.

            Genau diese Thematik setzt Wim Wenders in seinem "Der Himmel über Berlin" nun relativ eigen um, indem er zwei Engel (Damiel und Chassiel) auf der täglichen Reise durch Berlin begleitet, dabei die Gedankengänge verschiedener Personen in die Off-Kommentare packt und damit lyrische Passagen in die Geschichte einbettet.
            Diese gnadenlos poetische Erhabenheit wird von einer selten so schönen Kamera eingefangen und lässt uns dadurch selbst Teil einer Reise werden, welche das Kino so in der Form wohl noch nicht gesehen hat.
            Wenders legt darüber hinaus einen beachtlichen Grad an Feingefühl an den Tag, wenn es um Schaffen von Atmosphäre geht - der melancholisch poetische Charakter durchzieht quasi den kompletten Film und lässt Berlin dadurch zum Leben erwecken.
            Die Stadt war ohnehin nie so schön und so hässlich zugleich.

            Wer also auf übliche Filmstrukturen verzichten kann und sich für knapp zwei Stunden einem Bilderrausch mit Tiefgang hingeben möchte, darf Wim Wenders Geniestreich auf keinen Fall verpassen.
            Berlin, du bist einfach nur wunderbar.

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            • 6 .5

              Deusfantasy und Mr_Phil bestreiten das Abenteuer ihres Lebens in „Kubo and the Two Strings“.
              #11 unserer persönlichen Kommentar-Reihe, bei der jeden Monat eine weitere Rezension von uns beiden folgt.

              Wie muss es sich wohl anfühlen, ohne eine feste Stütze, ohne den nötigen Halt und die helfenden Hand an seiner Seite aufwachsen zu müssen?
              Den Vater im Grunde nie kennengelernt, das Gedächtnis der Mutter scheint von Tag zu Tag immer mehr zu schwinden - was bleibt für einen dann noch übrig, woran es sich festzuhalten gilt?

              Der kleine Kubo muss bereits früh lernen, dass das Leben nicht immer einfach ist und manche Gegebenheiten einen folglich leicht aus der Bahn werfen können.
              Mit Hilfe seiner Erinnerungen und seinen treuen Wegbegleitern muss er jedoch trotzdem versuchen, das Abenteuer seines Lebens zu bestehen, alle ihm in den Weg kommenden Hindernisse zu überwinden und seine ganz eigene Persönlichkeit schlussendlich daraus zu formen.
              Diese Reise des tapferen Samurai Kubo kann dabei sicherlich als Metapher für den Übergang von der Kindheit zum Erwachsensein interpretiert werden, da auch hier allem voran die Suche nach dem eigene Platz in dieser großen weiten Welt im Mittelpunkt steht - wie eben auch bei Kubo, der mal mehr, mal weniger bitterlich feststellen muss, dass diese Suche einer der schwersten Abschnitte in unserem Leben darstellt und einen bis an die Grenzen treiben kann.

              Es erscheint deshalb auch nicht sonderlich verwunderlich, dass der Film stets von kindlicher Naivität umgeben ist, nur um im nächsten Moment diese Illusion gnadenlos einzureißen und einen mit der bitteren Wahrheit des Lebens zu konfrontieren.
              Auch wenn dieser Drahtseilakt dann nicht immer glückt und manche Szenen dadurch etwas lose im Gesamtwerk erscheinen mögen, wird einem dies durch diverse kreative Einfälle und opulente Settings fast gänzlich verschmerzbar gemacht.
              Neben der technischen Raffinesse dieses Stop-Motion-Filmes (ab jetzt wohl auch ein absolutes Referenzwerk in diesem Bereich) schafft er es allerdings nicht ganz, eine in meinen Augen packende und emotional mitreißende Geschichte die komplette Spielzeit über zu erzählen, weshalb für mich die Optik stets Oberwasser gegenüber den inhaltlichen Elementen behält.

              Spätestens wenn der Schlussakt (der mir gleichzeitig auch am wenigsten zusagte) dann eingeläutet wird, musste ich vor allem eines feststellen: in beinahe jeder Ader von "Kubo and the Two Strings" steckt so unglaublich viel Herzblut, dass es mir selten so weh getan hat, mir eingestehen zu müssen, dass es der kleine tapfere Samurai trotz all seiner Bemühungen nicht in mein Herz schaffen wird und er seine abenteuerliche Reise somit auch leider größtenteils ohne meine Begleitung auf sich nehmen musste.
              Wie schade, denn selten hätte ich es mir wohl mehr gewünscht, dass mich ein Film erreichen würde.

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              • 10
                Mr_Phil 06.11.2016, 17:10 Geändert 06.11.2016, 17:11

                "A Torinói ló" - mehr als bloß drei aneinandergereihte Worte.

                Es ist still um mich geworden.
                Nur das Pfeifen des Windes durch die nächtliche Dunkelheit ist zu hören.
                Die Blätter fliegen durch die Luft, ohne eine feste Richtung einzuschlagen und lassen sich einfach so vom Strom der Jahreszeiten treiben, weg von ihrem Ursprung und hin zu einem neuen Ort.
                Es ist vielleicht mit einer der schönsten Zeiten im Jahr, wenn alles ein letztes Mal im neuen Glanze erstrahlt, ein letztes Mal bevor der Winter einbricht und alles unter seiner weißen Schneedecke begraben wird.
                Der Wind tobt noch immer draußen, während ich ganz still, ja fast schon in mich gekehrt, mit meinen Gedanken ganz alleine dasitze.
                Ob es draußen wirklich tobt oder sich all das nur in meiner kleinen Gedankenwelt abspielt, vermag ich nicht ausmachen zu können.
                Die letzten Minuten habe ich mich jedenfalls viel weniger mit all den Sorgen beschäftigt, wie ich es sonst so üblicherweise tue, wenn ich alleine in der sich langsam ausbreitenden Dunkelheit sitze, alleine mit meinem Schicksal und warte, dass etwas passiert.
                Sei es nur ein Vogel, der sich auf meine Fensterbank setzt oder irgendwas Vergleichbares, was mir zeigt, dass nicht alles verloren ist, in dieser Dunkelheit, die nun beginnt, alles in sich hineinzuziehen.

                Ich wäre glücklich um jede noch so winzige Kleinigkeiten, die mich jetzt aus meiner tristen Welt zieht, hinein ins farbendurchflutet aufregend Neue.
                Doch ich habe jetzt vielleicht auch einfach begriffen, dass das Leben nun mal kein Wartezimmer ist, denn ehe man sich versieht, zieht alles so schnell an einem vorbei - ohne dass man überhaupt die Chance hat, es zu verhindert.

                Genau solche Momente sind es, die das Medium Film zu etwas Besonderem, zu etwas Einzigartigem für mich machen.
                Wenn ein Film einen derart in sich kehren, ja gar alles reflektieren lässt, gibt es beinahe nichts Größeres.
                Wenn die Gefühle der Protagonisten zu den eigenen werden, verschmilzt scheinbar alles zu einem Raum-Zeit-Kontinuum und es wird klar, dass jegliche Rationalität hinten angestellt werden muss.
                Dies ist persönlich auch der Grund, wieso ich Filme überhaupt schaue.
                Ich möchte auf einer gewissen Ebene berührt und meine Gedankenwelt soll auf nie zuvor dagewesene Art und Weise angeregt werden.
                Wenn dabei dann noch dazu Seiten an mir angesprochen werden, von denen ich gar nicht wusste, dass es sie an mir überhaupt gibt, muss es sich für einen persönlich um einmalige Werke handeln. Für einige mag das dieser oder jener Film sein, für mich ist es inzwischen ganz eindeutig "A Torinói ló ".
                All meine Gedanken und Gefühle wurden in eine Glaskugel gepackt, einmal kräftig durchgeschüttelt und was daraus entstand, sind schlicht neue Verkettungen, neue Ansichten und Ansprüche an das Medium Film.

                Wie es mir jetzt danach geht?
                Ich würde meinen Gefühlszustand wohl kaum von dem Fuhrmann und dessen Tochter unterscheiden können.
                Auch mir machte der gezeigte routinierte Ablauf aus schlafen und essen, die daraus unmittelbar resultierende Monotonie ganz schön zu schaffen und ließ mich gleichzeitig trostlos in meine eigene Zukunft blicken.
                Soll das wirklich das Leben sein?
                Und was genau macht unser Leben überhaupt lebenswert?

                Was fernab dieser Fragen bleibt, sind dann zumindest diese Momente, wie ich sie jetzt gerade nach dem Abspann erlebt habe.
                Diese Momente, die einfach unendlich viel wert und so schwer beschreibbar sind.
                Diese Momente, die so fragil, vielleicht anfangs auch so unscheinbar, aber gerade deshalb so selten sind, weshalb ich sie so gerne ewig in meinen Händen halten würde.
                Sie ändern zwar vielleicht nichts an der Nichtigkeit meines kleinen menschlichen Daseins - aber sie bedeuten mir immerhin etwas und entfachen in mir dieses Feuer, das scheinbar niemals aufhört zu lodern, wie eine kleine Kerze, die immer weiter und weiter flackert und nie ausgehen mag.
                Diesen winzige Hoffnungsschimmer trage ich nun in mir und lasse ihn auch hoffentlich solange nicht los, bis der Vorhang fällt, bis das Licht also endgültig ausgeht.
                Alles ist tot, doch das Kino lebt für 146 Minuten und ich womöglich mit ihm.
                Und das ja vielleicht für immer.

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                • So meine lieben Freunde,

                  mit etwas Verspätung kommt hier ein kleines Fazit zu meinem Horroroctober:
                  Ich habe alle Filme gesehen, leider aber nicht jeden Einzelnen kommentieren können, da der Semesterbeginn mir einen Strich durch die Rechnung gemacht hat. Erschwerend kam da dann noch hinzu, dass es sich bei einigen Filmen ("Das Phantom der Oper" beispielsweise) schlicht nicht angeboten hat, einen Kommentar zu verfassen - erzwingen möchte ich hier an dieser Stelle dann natürlich auch nichts.

                  Mein persönliches Highlight war ganz klar Argentos "Opera", der einen nachhaltigen Eindruck bei mir hinterlassen hat.
                  Besonders enttäuscht war ich hingegen von "Das Phantom der Oper", der fernab seiner gelungenen Kostüme und Requisiten wenig zu bieten hatte.

                  Insgesamt war es aber auch ein sehr intensiver Monat für mich, da ich so viele Filme geschaut, so viele Listen angelegt und so viele Kommentare wie wohl noch nie zuvor geschrieben habe.
                  Es hat mir allerdings eine Menge Spaß bereitet und mich darüber hinaus natürlich sehr gefreut, dass ihr mich so tatkräftig mit eurer regen Anteilnahme den Monat über unterstützt habt.

                  Also bis zum nächsten Jahr wenn es wieder heißt - Gemeinsam Gruseln im Horroroctober.

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                  • 9
                    Mr_Phil 28.10.2016, 14:31 Geändert 28.10.2016, 17:57
                    über Dekalog

                    Bis vor einigen Jahren sah ich in Filmen nicht viel mehr als reine Unterhaltungsmedien.
                    Wenn mir oder meinen Freunden langweilig war, ging es in die nächstgelegene Videothek und es wurde der nächstbeste Film ausgeliehen.
                    Nachdem wir die DVD dann konsumiert (treffender kann man dies in diesem Zusammenhang wohl kaum nennen) hatten, landete sie wieder in ihrer Verpackung und wurde am darauffolgenden Tag auch schon wieder abgegeben.
                    Wir verloren dabei zwar meist immer zwei oder drei Sätze nach dem Abspann über die Filme - eine tiefergehende Auseinandersetzung fand jedoch leider eher selten statt.

                    Irgendwann merkte ich dann aber, dass mir das nicht mehr ausreichte. Ich wollte nicht bloß DVD-Hüllen aufmachen und zwei Stunden später wieder zumachen, ohne mich davor oder gar danach mit dem Gesehenen weiter zu beschäftigen.
                    Warum sich das bei mir plötzlich änderte? Schwer zu sagen.
                    Vielleicht war ich die immer wiederkehrenden Enttäuschungen, die zwangsläufig aus den blinden Griffen ins Regal resultieren mussten, einfach Leid.
                    Vielleicht konnte ich aber auch einfach nicht glauben, dass es keine Filme in dieser großen weiten Welt geben sollte, die mich in ihren Bann ziehen. Wie dem auch sei - ich bin jetzt einfach nur froh, dass sich diese Vermutung bestätigt hat.

                    Als momentaner Filmliebhaber hat man über diese eigene Denkweise von vor paar Jahren inzwischen natürlich nur ein müdes Lächeln übrig und erinnert sich nur ungern daran zurück.
                    Aber selbst ich werde natürlich, von Zeit zu Zeit, noch positiv überrascht und entwickle mich weiter, denn es gibt in der Filmwelt einfach so viel Neues zu entdecken, von deren tiefgreifenden Bedeutung man für einen selbst im Vorfeld nicht mal im Ansatz zu träumen gewagt hatte.
                    Ein ähnliches Erlebnis (wie damals beispielsweise bei "Mulholland Drive") hatte ich jetzt also endlich wieder, bei dem meine Sinne für das Medium Film erweitert und sogar sensibilisiert wurden.

                    "Dekalog" von Kieślowski ist nämlich tatsächlich eine kleine Offenbarung für mich geworden, mit der ich so ganz gewiss nicht gerechnet hatte.
                    Mir wurde, nachdem ich den letzten Teil angesehen hat, relativ schnell bewusst, zu was dieses Medium Film im Stande sein kann, wenn es denn ernst genommen wird.
                    Kieślowski ist nämlich mit seinen 10 Geboten so verdammt nah am Menschen dran, dass ich teilweise nicht glauben konnte, dass es sich hierbei wirklich um einen Film handeln kann. Die Szenarien sind so erschreckend realistisch, nehmen einen derart mit und berühren einen so tief im Herzen, dass es schmerzt.
                    Es ist ohnehin eine große Kunst, diese 10 Gebote in die Neuzeit zu transferieren und ich war dermaßen angetan, wie genial und clever dieser Mann dieses Projekt umgesetzt hat.
                    Allein die unendlichen Interpretationsmöglichkeiten, die sich beim Sehen dieser Werke einem jeden Zuschauer offenbaren können, sind schon eine reine Meisterleistung und zeugen von hohem Verständnis über die Welt und deren Menschen.

                    Wer also die Faszination des Kinos auf eine noch nie dagewesene Weise erleben möchte, muss sich Kieślowskis Opus magnum "Dekalog" schlicht stellen und einsehen, dass Kino selten schöner, aber auch gleichzeitig wohl nie schmerzhafter und ehrlicher war.
                    Ein Herz für "Dekalog".

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                      Mr_Phil 23.10.2016, 12:47 Geändert 23.10.2016, 12:49

                      Es beginnt.
                      Die Landung in der Normandie.
                      Die Truppen sind bereit. Wir sind bereit.
                      Sie blicken ihrem Schicksal ins Auge.
                      Sie werden alle kämpfen, so hoffnungslos es auch erscheinen mag.
                      Manche werden es überleben, manche werden fallen.
                      Der Krieg kennt keine Gnade. So war es schon immer, so wird es immer bleiben.

                      Die Eingangssequenz in "Saving Private Ryan" gehört zu einer der eindringlichsten Kinomomente aller Zeiten. Mit Gänsehaut am ganzen Körper folgt der Zuschauer den Geschehnissen des D-Days und das Gezeigte ist an Intensität kaum zu überbieten. Inszenatorisch macht Spielberg in diesem Falle wohl alles richtig und lässt uns selbst auch aus diesem Grund mit schwitzigen Händen ums Überleben der Alliierten zittern.

                      Wäre hieraus ein Kurzfilm entstanden, welcher nach der Aufnahme vom blutgetränkten Meer endet - ja, ich würde mit dem Gedanken spielen, die Höchstwertung zu vergeben.
                      Leider ist "Saving Private Ryan" kein Kurzfilm, sondern eher das genaue Gegenteil: ein episch angelegtes 170-Minuten-Werk nämlich, welches seine gnadenlos effektiven Anfangsbedingungen dieser ersten halben Stunden nicht weiter nutzen kann bzw. will.
                      Statt also weiterhin auf diese Prinzipien zu setzen, verliert sich Spielbergs oscarprämierter Film immer weiter und weiter in einer belanglosen Handlung, die nie mehr die Größe dieses ersten Abschnitts erreichen soll - der Aufprall auf den Boden der Tatsachen ist folglich nicht ganz schmerzfrei, denn ich hatte alle Befürchtungen davor in den Wind geschlagen und wollte nicht glauben, dass es einen derartigen Leistungsabfall geben wird - ich wurde leider eines Besseren belehrt.

                      Abseits davon begeht der Film im weiteren Verlauf dann zumindest noch einen weiteren gravierenden Fehler, welcher mich den Meisterwerkstatus ganz klar ausschlagen lässt: der konzeptuelle Bruch und die damit einhergehende pathosgeladene und patriotistische Darstellung.
                      Hierdurch bekommt der Zuschauer nämliche ein ambivalentes Filmerlebnis präsentiert, welches somit aufgrund der Inkonsequenz konsequent "scheitern" muss und sich folglich selbst seiner eigenen Stärke beraubt, welche doch so akribisch während der Landung in der Normandie aufgebaut wurde.

                      Spielberg liefert insgesamt aber bei Weitem keinen schlechten Film ab, da er dafür sein Handwerk zu sehr versteht und stets weiß, Momente zu kreieren, die den Zuschauer wieder mit ins Boot ziehen, um den Soldaten James Ryan lebend zurückzuholen.
                      Am Ende wird dieses Boot dann also zwar sicher an Land ankommen, doch durch die Verluste, die erlitten wurden, fühlt es sich am Ende irgendwie nur bedingt nach einem Sieg für den Zuschauer an.

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                        Horroroctober #6 - The Fog

                        Eigentlich sind sie ja nur ausgedachte, also frei erfundene Geschichten, um speziell kleinen Kindern Angst zu bereiten.
                        Die Rede ist hier natürlich von Gruselgeschichten, die wohl schon ein Jeder - in welcher Form auch immer - erzählt bekommen hat.

                        Auch ich war kein furchtloser Junge und hatte vor so einigem Angst, was man mir erzählte.
                        Für mich war allerdings die "Bloody Mary" (dass auch dieses doch tatsächlich so oder so ähnlich wohl aus einem Film entstammte, erfuhr ich indes erst kürzlich) am schlimmsten von all diesen Schauermärchen.
                        Mir wurde erzählt, dass sie im Spiegel hinter einem erscheinen soll, wenn zwölf Minuten nach Mitternacht mit zwölf Kerzen zwölf Mal ihr Name gesagt wird. Die Zahl zwölf soweit das Auge reicht.
                        Glaubt aber nicht, dass ich ihren Namen auch nur ein einziges Mal in all den Jahren vor dem Spiegel über meine Lippen gebracht hätte.
                        Irgendwie war es mir nämlich nie ganz möglich, mit fester Überzeugung dies alles als Hirngespinst abzutun. Ich denke, dass genau dieser Umstand den Reiz solcher Geschichten ausmacht, da es wohl den meisten so ergehen könnte.
                        Was nämlich, wenn wirklich etwas dahintersteckt und es nicht bloß ausgedachte Geschichten sind?

                        Die Geisterstunde.
                        Mitternacht.
                        12 Uhr.

                        Seit jeher scheint es also ein Mysterium um diese Zeit am Tage bzw. in der Nacht zu geben, weshalb es nicht verwunderlich erscheint, dass John Carpenter seinen Film "The Fog" mit eben einer solchen Geistergeschichte beginnen lässt.
                        Rational natürlich absolut unmöglich, dass sich diese Geschichte, die der alte Mann am Lagerfeuer ein paar Kindern erzählt, genau so zugetragen haben kann - und doch ertappen wir uns dabei, dass der Verstand einen Funken Restzweifel übrig lässt.
                        Genau aus diesem Grund funktioniert "The Fog" aus atmosphärischer Sicht auch noch heute (und wohl auch noch in 12 Jahren) ganz wunderbar.
                        Mit zunehmender Laufzeit entpuppt sich die vermeintliche Gruselgeschichte dann aber auch erstaunlicherweise als tiefgreifender und psychologisch ansprechender als zunächst angenommen. Carpenter versteht sein Handwerk scheinbar und lässt den Zuschauer somit deutlich tiefer in den Nebel des Grauens blicken, vernebelt dabei wortwörtlich den Verstand eines jeden Einzelnen, bis wir gefangen sind im Nebel der Verzweiflung und es aus ihm kein Entrinnen mehr gibt.

                        Der Nebel, der die Beteiligten (und die Zuschauer) also in Angst und Schrecken versetzt, reißt die Wunden alter Tage, die eigentlich schon längst vergessen schienen, in einer Stadt letztendlich gar wieder auf.
                        Dieser aufkommende Nebel ist folglich nicht bloß irgendein Nebel.
                        Er ist viel mehr das Netz aus Lügen und Intrigen, welches die Stadt langsam aber sicher heimsucht und seinen hohen Preis von den Bewohnern schonungslos einfordern wird.

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                          Deusfantasy und Mr_Phil isolieren sich von der Außenwelt in "Castaway on the Moon".
                          #10 unserer persönlichen Kommentar-Reihe, bei der jeden Monat eine weitere Rezension von uns beiden folgt.

                          Ein Teil davon sein, einfach dazugehören.
                          So unkompliziert das jetzt für viele auch klingen mag, so verdammt schwer kann genau das für manche aber sein.
                          Unvorstellbar demnach für die einen, bittere Realität für die anderen.
                          Vom Fluss des Lebens (aus welchem Grund auch immer) an einen Ort angespült worden, wo die eigenen Träume langsam wie eine Sandburg in sich zusammenfallen. Gestrandet und verloren.
                          Es tut weh, zu akzeptieren, dass es einen solchen Punkt bzw. Ort gibt, an dem es einfach nicht mehr weitergeht - wie sehr man sich auch bemühen mag.
                          Dies ist aber zeitgleich auch immer die einmalige Chance, sich endlich seinen inneren Dämonen, Angesicht zu Angesicht, stellen zu können - an eben diesem Ort, wo es kein Zurück mehr gibt.
                          Retten kann dich dann auch keiner mehr, nur du selbst natürlich.

                          Der Sand, aus dem deine Träume und Visionen waren, liegt auf deiner Haut und fängt jetzt auch langsam an zu jucken, brennt und lässt dich nicht zur Ruhe kommen. Die Enttäuschung steht dir ins Gesicht geschrieben.
                          Du bist einsam und verschollen auf deiner Insel, die jedoch deinen Neuanfang begründen könnte.
                          Du musst dich dazu nur deiner Altlasten entledigen, den Mut haben, etwas verändern zu wollen.

                          Der Mann aus "Castaway on the Moon" ist auch an einen Ort gestrandet worden, nachdem ihm sein Selbstmord missglückt ist. Meiner Meinung nach ist dieser Ort allerdings nur metaphorisch zu sehen und spielt folglich eine untergeordnete Rolle, denn es ist eine Reise in seine Vergangenheit. Er wird konfrontiert mit all den Dingen, die ihn die Jahre über nach unten in einen Abgrund voller Sorgen und Ängste gezogen haben.
                          Er führt von da an ein Leben abseits der Gesellschaft, ohne Zwänge und Konventionen.
                          Er kann diesen Weg aber nicht alleine bestreiten und bekommt im Laufe des Filmes Unterstützung von einer weiteren Person, die ebenso Teil einer Randgruppe ist. Es bedarf also einer ebenfalls verlorenen Seele, um sein Glück wiederzufinden.

                          Bis zur Einführung dieses eskapistischen Charakters ist der Film dann auch eine mehr als interessante Charakterstudie mit sozialkritischem Unterbau geworden.
                          Die Geschichte ist dramatisch und gleichzeitig so feinfühlig humorvoll, ja trotz aller Misstände gar als lebensbejahend zu bezeichnen.
                          Der Umbruch wirkt sich dann aber leider in meinen Augen negativ auf den weiteren Verlauf von "Castaway on the Moon" aus, da die anbahnende Liebesgeschichte zum einen mit zu viel Leerlauf bestückt und zum anderen thematisch nicht mehr derart tiefgreifend ist, wie noch der erste Abschnitt zuvor.

                          Vielleicht seht ihr euch den Film aber am besten gleich an und wartet einfach ab, was euch selbst dort auf eurer einsamen Insel erwartet, mitten im Nirgendwo, wo es nichts außer euch und eure Gedanken gibt.
                          Mehr hat es aber ohnehin auch vielleicht noch nie gebraucht.

                          https://m.youtube.com/watch?v=bQwIve4zMxU

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                            Horroroctober #5 - The Descent

                            Zum zweiten Mal habe ich mich also in den Abgrund des Grauens begeben und der Ausflug dorthin war leider viel weniger aufregend und mit weniger Schauwerten versehen, als ich ihn noch zuvor in Erinnerung hatte.

                            Das Horrorgenre lebt in meinen Augen größtenteils von einer gelungene Atmosphäre, die den Zuschauer in das Szenario hineinziehen und nicht unbeschadet wieder ausspucken muss.
                            Auch "The Descent" entführt uns (nach unnötig erscheinender und später auch nicht im nötigen Maße weiter vertieften Vorgeschichte) in eine unerforschte Höhle, aus der es scheinbar keinen Ausweg gibt.
                            Das Konzept, den Zuschauer sich seinen klaustrophobischen Ängste stellen zu müssen und diese dabei dann gar bis ans Äußerste auszureizen, gelingt zunächst auch ausgesprochen gut.
                            Doch dann passiert etwas, was fast überraschender als der gesamte bisherige Verlauf der Handlung von "The Descent" ist - es wird nämlich die konzeptuelle Raffinesse komplett eingerissen und mit ihr fällt auch leider die so akribisch aufgebaute Atmosphäre früher oder später in sich zusammen.

                            Die Höhle ist nun folglich nicht länger ein Ort, der von der unbekannten Bedrohung im Dunkeln profitiert - nein, der Zuschauer wird in eine reine Schlacht ums Überleben hineingezogen und der Film verliert sich somit in einem belanglosen 08/15 Horror-Survival-Film, der sich im weiteren Verlauf durch beinahe jede Konvention beschränkt, die diesem Genre eine so große Angriffsfläche für Kritik liefert.
                            Per se ist dieser Umschwung natürlich nicht zu verteufeln: für mich funktionierte diese zeitliche Aufteilung der Akte aber in dieser Form leider nur bedingt.
                            Das Sehvergnügen wird letztlich deshalb auf ein Minimum heruntergedrückt und der Abgrund des Grauens ist nicht länger der erhoffte Schauplatz , vor dem man sich zu fürchten braucht.
                            Die Höhle stürzt ein, der Zuschauer bleibt ratlos zurück.

                            Wäre hier jetzt nicht noch das herausragend inszenierte Ende gewesen, welches die Ruinen der Höhle glücklicherweise in einem besseren Licht dastehen lässt, hätte die Enttäuschung meinerseits kaum größer sein können.
                            Manche Ausflüge sollten wohl scheinbar einmalig bleiben, denn "The Descent" lebt nur von seiner aufgebauten Atmosphäre im ersten Abschnitt, beraubt sich dieser aber selbst, begräbt sich unter seinen Ambition folglich zunehmend immer mehr und bleibt schlussendlich im etwas gehobeneren filmischen Durchschnitt wortwörtlich stecken - zugeschüttet und ohne Aussicht auf Rettung.

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                              Horroroctober #4 - Opera (Originalfassung)

                              Ob wir etwas sehen wollen oder nicht, liegt zumeist in unserer eigenen Hand.
                              Wir sind Herr über unsere Sinne, zu jeder Zeit. Das glauben wir zumindest.
                              Wir können die Augen zwar ganz gewiss nicht vor allem verschließen, doch trotzdem versuchen wir oftmals genau das - mit noch dazu teils großem Erfolg.
                              Was aber, wenn wir nun gezwungen werden, hinzusehen, alles also genau mitverfolgen zu müssen, obgleich wir es vielleicht gar nicht wollen?

                              Dario Argento eröffnet dem Zuschauer bereits früh Einblicke (im Grunde in den ersten Einstellungen nämlich) in welche Richtung sich sein Film entwickeln wird und gibt gleichzeitig ein Rätsel auf, welches es zu entschlüsseln gilt - egal zu welchem Preis.
                              Das immer wiederkehrende Motiv des Sehens bzw. Nichtsehens wird also nicht nur den Protagonisten früher oder später zum Verhängnis werden.
                              Wir lassen uns fortwährend von unseren Sinneseindrücken in Folge dessen dann aber bewusst verleiten, lassen uns gar täuschen und merken dabei nicht, wie wir immer tiefer und tiefer in einen Strudel hineingezogen werden - einem Strudel, aus dem es kein Entkommen mehr gibt.
                              Auch wenn wir alles sehen, gezwungen werden überall genau hinzuschauen, scheinen wir doch mit jedem Wimpernschlag weniger zu verstehen, weniger wahrzunehmen.

                              Wir sind dann auch nicht länger nur Beobachter - wir sind die, die beobachtet werden.
                              Wir sind nicht länger die, die bloß bei den Morden zuschauen - wir sind die, die die Morde inszenieren.
                              Nicht länger übernehmen wir also bloß den passiven Part im perfiden Spiel um Leben und Tod, sondern viel mehr den aktiven, der die Schlinge um unseren Hals nur immer enger und enger werden lässt, von Minute zu Minute.
                              Wir können nicht länger eine Distanz zum Gesehenen wahren, da wir selbst darin verstrickt sind und uns die Luft zum Atmen somit fehlt.

                              Was schlussendlich übrig bleibt, ist die Sprengung jeglicher Konventionen, hin zu einem freien Kino, losgelöst von Form und Inhalt.
                              Genau dieser Umstand lässt die Sinne des Zuschauers in unnachahmlicher Weise vernebeln und uns der Ansicht sein, das Kino sei frei, weshalb auch wir frei sein müssen.
                              Aber wir irren gewaltig, denn wir sehen nur hin, aber verstehen nicht.

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                                Mr_Phil 06.10.2016, 10:45 Geändert 06.10.2016, 10:49

                                Horroroctober #3 - The Witch

                                Die Wälder waren mir schon immer irgendwie unheimlich.
                                Bereits als kleiner Junge übten sie aber trotzdem eine seltsame Faszination auf mich aus, die ich so bis heute nie wirklich in Worte fassen kann.
                                Aus diesem Grund ist mein Großvater mit mir wohl auch beinahe jeden Sonntag spazieren gegangen. Wir sind dabei jedes Mal unweigerlich an einem kleinen Waldstück vorbeigekommen, dass wir daraufhin bald unser Eigen nannten. Es war also nicht länger bloß irgendein Wald - es war unser Wald, der für mich bedrohlicher kaum sein konnte.
                                Wir nahmen uns stets Proviant mit auf unsere abenteuerliche Reise und immer wenn wir auf Höhe dieses Waldstückes ankamen, umklammerte ich seine Arme und griff in seine Jackentasche, um etwas davon herauszuholen - möglichst natürlich etwas süßes, für die Nerven, vielleicht aber auch gegen die Angst - ich weiß es nicht.
                                Manchmal hatte ich auch mein Fahrrad dabei und fuhr dann immer etwas voraus und hängte meinen Großvater ab. Spätestens an der Stelle unseres Waldes blieb ich aber immer stehen und der alte Mann machte seinen Rückstand wieder wett. Die Angst war mir ins Gesicht geschrieben.
                                Wir sahen uns beide dann daraufhin stillschweigend an und wussten, was zu tun ist. Wir mussten in diesen Wald, koste es was es wolle.
                                Ich malte mir aus, dass dort dunkle Kräfte herrschten und eine Hexe den Wald in ihren Besitz genommen hatte. Nur mit vereinten Kräften war es uns möglich, in ihr Revier einzudringen.
                                Wir waren dabei bewaffnet mit Stöcken, die wir auf dem Weg dorthin einsammelten und wenn ich heute so darüber nachdenke, glaube ich, dass mein Großvater für diese Zeit gerne nochmal jung gewesen wäre.
                                Ich bin nämlich über Baumstämme gesprungen, auf Äste geklettert, während er mir stets nur von hinten zurufen konnte, ich solle aufpassen, dass mir nichts passiert und mich die böse Hexe nicht fängt. Das Alter hat natürlich auch vor ihm nicht Halt gemacht und ließ ihn in seinen Bewegungen einschränken. Trotzdem ist er jedes Mal mit mir bis ganz oben auf den "Berg" gestiegen, wenngleich er danach völlig außer Atem war.
                                Ich habe die Hexe dann zwar nie gesehen, aber ich war mir immer ganz sicher, dass es sie geben würde - Überwindung hat es mich deshalb natürlich trotzdem immer gekostet.

                                Wenn ich an diese Zeit meines Lebens zurückdenke, habe ich fast nur ein Lächeln für meine kindlich verspielte, ja fast schon phantasievolle Ader übrig. Aber Hand aufs Herz - waren wir nicht irgendwie alle so?
                                Kurioserweise habe ich, obwohl ich seit dieser Tage nicht umgezogen bin, nie mehr einen Fuß in unser Waldstück gesetzt.
                                Nach "The Witch" wird sich dieser Umstand wohl so bald aber auch nicht ändern, denn dieser Film hat die Äste früherer Tage um mich gelegt, sie immer enger werden lassen und mich tief im Mark erschüttern lassen.
                                Ich war zwar nie wirklich religiös - und doch verbindet mich zumindest diese gewisse Urangst vor Wäldern mit den Protagonisten aus diesem Film.
                                Die Angst vor einer Hexe, das plötzliche Verschwinden im Wald - all das sind Sorgen und Ängste gewesen, die auch ich hatte.
                                "The Witch" geht dabei aber noch einen erheblichen Schritt weiter und verwebt eine ganze familiäre Tragödie, die weit über die sonstigen Konventionen eines Horrorfilmes hinaus gehen, vor eben einer dieser stimmungvollsten Settings überhaupt - dem Wald, nichts als dem Wald.
                                Kinematografisch gehört "The Witch" dabei dann sogar noch dazu zu einem der gelungensten Beiträge der vergangenen Jahre und lässt es dem Zuschauer oftmals eiskalt den Rücken herunterlaufen.
                                Der Wald war nie bedrohlicher, die Äste der Bäume nie umklammernder und die Stille nie trügerischer.
                                Am Ende stehen wir dann gar mit unseren Ängsten ganz alleine im Wald - so und nicht anders muss Horror einfach sein.

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                                  Mr_Phil 04.10.2016, 11:05 Geändert 04.10.2016, 17:28

                                  Horroroctober #2 - Die Fliege

                                  Die Wissenschaft entwickelt sich stetig weiter.
                                  Stillstand bedeutet Rückstand - das ist allen bewusst.
                                  Wir müssen deshalb auch ständig an unsere Grenzen gehen und immer ein bisschen mehr leisten, ein bisschen mehr wagen, ein bisschen mehr riskieren.
                                  Wer nicht wagt, der nicht gewinnt - so heißt es doch auch.
                                  Doch was passiert, wenn wir langsam die Kontrolle verlieren, wenn uns die Dinge quasi über den Kopf wachsen, wir deren Ausgang also nicht länger in unseren Händen halten?
                                  Der Preis, den wir dafür zahlen, könnte vielleicht nicht teurer sein und doch gibt es für uns kein Zurück mehr.
                                  Manche Ereignisse lassen sich eben nicht einfach so rückgängig machen, sind somit irreversibel und richten einen größeren Schaden an, als wir es uns je zu träumen gewagt hätten.
                                  Und all das nur, weil wir nie genug bekommen, wir mit nichts zu Frieden sind und immer und immer mehr wollen.

                                  Seth Bundle war sich in "Die Fliege" all dessen vielleicht sogar bewusst, als er in seine Teleportationsmaschine stieg.
                                  Er wusste jedenfalls, dass sich alles verändern wird, dass dies ein riesengroßer Schritt auf seinem Forschungsgebiet darstellen würde und dass alles auf dem Spiel stand, wofür er jahrelang gekämpft hatte.
                                  Was er sich allerdings nicht bewusst war, war der Umstand, dass es für ihn persönlich noch einen viel größeren Schritt bedeuten sollte, jedoch nicht wie geplant in die positive, sondern viel mehr in die negative Richtung.

                                  Kultregisseur Cronenberg schafft es auch noch heute, den Zuschauer zu schocken, an den Rand der Verzweiflung zu bringen und ein unwohles Gefühl in der Magengegend zu erzeugen. Selten war der Zuschauer so angeekelt und fasziniert zugleich von dem dargebotenen Szenario. Ein Mensch verwandelt sich in eine Fliege - diese Transformation, so unglaublich sie auch erscheinen mag, wird so erschreckend realistisch dargestellt, dass "Die Fliege" auch noch heute auf ganzer Linie überzeugen kann. Das Erzähltempo passt sich dabei der Entwicklung Seth Bundle wunderbar an - nicht schnell und kurz, sondern eher langsam und qualvoll wird der Zuschauer Zeuge einer kafkaesken Verwandlung, die in der Filmgeschichte ihres Gleichen sucht.

                                  Spätestens seit diesem Film meldet Cronenberg also verständlicherweise Anspruch auf einen Platz als einer meiner Lieblingsregisseure an, wenngleich mir die Angst noch immer ins Gesicht geschrieben steht, nach diesem phänomenalen Bodyhorror, der nichts, aber auch gar nichts von seinem Glanz über die Jahre eingebüßt hat.

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                                    über Ring

                                    Horroroctober #1 - The Ring

                                    Es ist doch bloß ein Video.
                                    Leg' die Kasette ruhig ein. Na los, komm' schon.
                                    Was soll denn groß passieren?
                                    Ja, ich weiß, nach 7 Tagen sollst du angeblich tot sein.
                                    Aber glaubst du wirklich an so etwas?
                                    Natürlich nicht. Was hindert dich also daran?
                                    Mal im Ernst, es ist doch nur ein blödes Video, um Leuten Angst zu machen.
                                    Es wird schon nichts dabei sein - oder willst du etwa auf ewig ein Angsthase bleiben?
                                    .
                                    .
                                    .
                                    Siehst du, geht doch. Konnte ich dich jetzt also doch noch davon überzeugen.
                                    Und war es denn jetzt so schlimm?

                                    ----------------------------------------------------------

                                    Wir haben uns wirklich nichts dabei gedacht.
                                    Doch dann kam alles anders.
                                    Ich gebe euch deshalb einen guten Rat mit auf den Weg: schaut euch das Video nicht an, schaut es euch bloß nicht an.

                                    Wenn es um bekannte Horrorfilme des vergangenen Jahrzehnts geht, wird man unweigerlich auf "The Ring" stoßen, denn wohl jeder kennt die Rahmenhandlung rund um das Video, welches niemals ansehen werden darf.
                                    Doch was macht den Film so besonders, worin liegt sein Reiz?

                                    Zum einen spielt der Film geschickt mit seiner Prämisse und weiß seinen Zuschauer das ein ums andere Mal auf die falsche Fährte zu locken, nur um später eiskalt zuzuschlagen.
                                    Zum anderen ist das Video an sich ist überaus gelungen und würde sich ausnahmslos für einen Kurzfilm eignen.
                                    Die bedrohliche Atmosphäre, die aus beiden genannten Punkten entsteht, trägt den Film somit zwar über weite Strecken - wenngleich sich der Film leider hier und da in unnötigen Handlungsträngen verläuft, welche die Laufzeit aufblähen, die Geschichte jedoch nicht sonderlich vorantreiben - kann aber hiermit trotzdem einige offensichtliche Schwächen nicht gänzlich kaschieren.
                                    Wer also zum Beispiel zu sehr damit beschäftigt ist, die Logik einzelner Ereignisse zu hinterfragen oder auf einen reinrassigen Gruselschocker gehofft hat, dürfte mit "The Ring" so seine Probleme haben.

                                    Trotzdem sitzen wir dann am Ende kurioserweise irgendwie doch alle gespannt vor unserem Fernseher und warten, bis der letzte der 7 Tage abgelaufen ist, bis es endlich soweit ist, bis es endlich passiert. Aber was genau passiert eigentlich?

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                                      Mr_Phil 01.10.2016, 16:01 Geändert 02.10.2016, 01:30

                                      Objektiv betrachtet ist "Finding Dory" zwar ganz gewiss keine seelenlose Produktion, wie wir sie dieses Jahr von vergleichbaren Studios bereits mehrfach ("Pets" möge einem da spontan in den Sinn kommen) gesehen haben, geworden - doch trotzdem stellt sich der aufmerksame Zuschauer im Nachhinein die Frage, ob es dieser Fortsetzung wirklich bedurfte.

                                      "Finding Dory" ist natürlich wieder toll anzusehen, was den gelungen animierten Bilder zu verdanken ist, auch inhaltlich finden wir uns in einer für Pixar typischen Geschichte wieder, in der es hauptsächlich um die Wiedervereinigung einer einst getrennten Familie geht - diesmal nur eben nicht die des Clownfisches, sondern viel mehr steht der Paletten-Doktorfisch im Zentrum des Geschehens - und ebenfalls die gewohnt eingängigen Botschaften können den Zuschauer mit auf die Unterwasserreise nehmen.
                                      Davon ausgehend bettet Pixar dann zwar wieder diverse Handlungsstränge in sein neuestes Werk ein und vermag auch hier, unvergessliche Momente zu kreieren - und doch fehlt es dieser Produktion an Leichtigkeit, die Pixar sonst so ausmacht und lässt "Finding Dory" an vielen Stellen zu schwerfällig erscheinen.

                                      Leider verpasst es der Film aus genau diesem Grund dann auch größtenteils, sonderlich neuartige Ideen in seinen Film einfließen zu lassen und der Zuschauer wird in Folge dessen nur schwer das Gefühl wieder los, "Finding Dory" lebe fast ausschließlich von seinem innovativen Vorgänger.
                                      Was dies im Konkreten bedeutet, ist leicht zu verdeutlichen: der Film knüpft bedingt durch diesen Umstand zwar perfekt an den vorherigen Teil an (durch Rückblicke/Erinnerung von Dorie werden dem Zuschauer Szenen wieder ins Gedächtnis gerufen, die essentiell für "Finding Nemo" waren), kann aber gleichzeitig nur einen wirklichen neuen Protagonisten gebührend einführen (den Oktopus Hank) und bietet dem Zuschauer somit sonst fast nur Identifikationsfiguren aus Teil 1.

                                      Übrig bleibt also ein netter Spaß für zwischendurch, der sich aber den Vorwurf gefallen lassen muss, zu wenig Eigenständigkeit zu besitzen, um sich zwingend so anzufühlen, als hätte die Welt auf einen derartigen Film gewartet, was somit insgesamt irgendwie ernüchternd ist und folglich ganz klar nicht den größten "Fang" Pixars darstellt.

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                                        Deusfantasy und Mr_Phil kämpfen für eine Zukunft in Freiheit in "Spartacus".
                                        #9 unserer persönlichen Kommentar-Reihe, bei der jeden Monat eine weitere Rezension von uns beiden folgt.

                                        Der Bildschirm bleibt schwarz, die Ouvertüre beginnt.
                                        Wir sehen förmlich Kirk Douglas vor unserem geistigen Auge auf seinem Pferd in den Kampf vorauseilen, um für seine, für unsere, ja gar für die Freiheit aller einzustehen in einem Kampf, der eigentlich keine Sieger kennt.

                                        Auch die darauffolgenden Filmminuten nach diesem Auftakt sind schlichtweg größte Filmkunst - pure Poesie vom Meister Kubrick eben.
                                        "Spartacus" scheint in seiner Filmografie auch endlich sein zweiter (nach dem wunderbaren "Paths of Glory") nahezu perfekter Film zu sein - und das, obwohl es für mich nach seinen ersten Versuchen (spontan kommen einem da "Fear and Desire", "The Seafarers" oder "Killer's Kiss" in den Sinn) fast undenkbar erschien, dass aus ihm der wohl größte Regisseur für mich werden sollte. Aber machen ihn gerade diese anfänglichen Fehltritte nicht nur noch viel sympathischer und menschlicher?

                                        "Spartacus" ist aber nun also doch die weitere erhoffte Offenbarung in jeglicher Hinsicht geworden.
                                        Jede Einstellung sitzt, Kostüm und Requisiten transportieren uns direkt ins alte Rom, lassen uns über drei Stunden in Faszination dem Treiben zuschauen und der noch dazu passende Score lässt uns Teil des Ganzen werden, ja gar in einer Reihe mit all den Unterdrückten stehen.
                                        Bereit für den Kampf, bereit für die Revolution.
                                        Nicht nur "Spartacus" will also frei sein - auch wir wollen es, endlich losgelöst von unseren angelegten Ketten.

                                        Auch wenn es Kubricks letzte (und gleichzeitig auch erste) Auftragsarbeit gewesen ist und er vom Film letztlich wohl nicht ganz zufrieden gewesen ist, wofür wohl die Produktionsumstände verantwortlich gemacht werden können, so darf dieser Film doch niemals in Kubricks Filmografie übergangen werden - zu einzigartig und zu kraftvoll kommt dieser Werk hierfür daher.
                                        Der Weg in die Freiheit war folglich steinig - nicht nur für "Spartacus".

                                        Viele werfen zwar hier an der Stelle dem Film dann auch vor, er fühle sich nicht wie ein Kubrick an, doch sie irren in meinen Augen gewaltig.
                                        Wer genauer hinsieht, wird Kubrick an jeder Ecke erkennen können, sofern er denn verstanden wurde.
                                        Der Film ist ein Gemälde durch und durch, ein breitgefächertes Melodram und ein inhaltlich höchst brisanter Monumentalfilm mit teils satirischem Charakter (das Wort "monumental" war übrigens selten derart passend) geworden. Aktualität und Relevanz der angesprochenen Themen ist zu keiner Zeit von der Hand zu weisen, denn noch heute gibt es vereinzelt derartige Zustände.
                                        Der Film arbeitet dann dabei eben diese angesprochenen Themen exzellent heraus und vermittelt somit dem Zuschauer ein umfassendes Bild über die damalige Lage, ohne manipulativ zu wirken.
                                        Alles wurde darüber hinaus natürlich akribisch genau aufgearbeitet und in Szene gesetzt: kein Lichtstrahl wirkt zufällig, jede Farbgebung ist genauestens bemessen - das ist doch Kubrick in Reinform, Kubrick wie wir ihn kennen und lieben.
                                        Die dabei gezeigten menschenverachtenden Zustände sind dann zwar grausam, weshalb dieses Werk wohl auch zu seinen ekelhaftesten Filmen zu zählen ist - irgendwo aber doch auch gleichzeitig wohl zu einer seiner schönsten mit einem noch dazu bittersüßen Ende.

                                        Die Würde des Menschen, die Sklaverei, der Kampf der Unterdrückten gegen ihre Unterdrücker - der Film ist so facettenreich und vermag dadurch den Zuschauer über drei Stunden lang zu packen und mitzureißen, sodass jeder am Ende, Seite an Seite, mit Spartacus in die Schlacht zieht.
                                        Ich bin Spartacus. Du bist Spartacus. Wir sind Spartacus.
                                        Chapeau, Herr Kubrick.

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                                        • Wahnsinnig abwechslungsreiche und grandiose Auswahl bis hierher - Hut ab, mein Lieber.
                                          Zudem ist dein Tagebuch außerordentlich übersichtlich dank deiner kurzen Verweise hinter den jeweiligen Filmen.
                                          Wirklich tolle Arbeit und ich hoffe, es kommen für dich dieses Jahr noch etliche Filmperlen hinzu. :-)

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                                          • Bedingt durchs Studium werde ich vielleicht nicht zu jedem Film einen Kommentar verfassen können - habe aber doch tatsächlich noch nie hier mitgemacht, weshalb ich es dieses Jahr endlich versuchen möchte!
                                            Hier meine Auswahl:

                                            http://www.moviepilot.de/liste/der-horroroctober-mit-mr_phil-mr_phil

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                                              Für die meisten dürfte es undenkbar erscheinen, ohne Vater aufwachsen zu müssen.
                                              Auch ich habe bis zu meinem zehnten Lebensjahr keinen Gedanken daran verloren und konnte mir nie vorstellen, wie das überhaupt gehen soll. Meine Erfahrung damit musste ich leider trotzdem machen.

                                              Die Erinnerungen an die Zeit mit ihm schwinden zwar mit der Zeit mehr und mehr, an manches jedoch werde ich mich ganz gewiss mein Leben lang mit einem Lächeln im Gesicht erinnern können.
                                              Der Anblick von ihm auf unserem kleinen Sessel, wenn ich meine Kinderzimmertür morgens mit verschlafenen Augen öffnete, während er das Formel 1 Rennen, welches er beinahe ritualsmäßig Sonntagfrüh schaute - völlig egal zu welcher Uhrzeit es auch immer kam - und ich mich dann kuschelnd zu ihm auf den Platz zwängte oder die Freitagnachmittage, an denen er frei hatte und wir zusammen auf den Fußballplatz bei uns in der Nähe gefahren sind, während ich stets freudestrahlend den Ball schon auf der Fahrt ungeduldig in meinen Händen hielt - wenn ich glücklich war, dann eben in genau diesen Momenten.
                                              Nie im Leben hätte ich es für möglich gehalten, dass mir dieser Mann je fremd werden und ich kaum mehr einen Gedanken seiner Person widmen würde.

                                              Ich nehme es ihm zwar prinzipiell nicht böse, dass er uns damals verlassen hat, denn hier und da kriselte es natürlich auch in unserer kleinen Familie und der Haussegen hing somit oftmals schief.
                                              Dass er mir dann in den folgenden Jahren jedoch nicht bei meinem ersten Liebeskummer beistand, dass er meine erste Freundin nie kennen gelernt oder einfach nie da war, wenn ich einen Vater so dringend gebraucht hätte - das ist schon irgendwie eine andere Sache.
                                              Ich habe von ihm in Folge dessen auch nie lernen dürfen, wie man eine Glühbirne austauscht, Werkzeuge benutzt, Reifen vom Auto wechselt oder sonstige Selbstverständlichkeit, die in der Regel vom Mann im Haus erledigt werden sollten. Ich konnte mit ihm auch nie über meine pubertären Sorgen reden, die teilweise natürlich bei der männlichen Bezugsperson besser aufgehoben wären oder habe nie meinen Hintern versohlt bekommen, wenn ich 'mal eine Stunde zu spät von einer Party nach Hause gekommen bin. Die prägendsten Erlebnisse meiner Jugend sind also einfach so an ihm vorbeigezogen, ohne dass er je davon Kenntnis genommen hat und ohne dass es ihn je zu interessieren schien.

                                              Verwunderung meinerseits ruft also es nur bedingt hervor, dass ich im Laufe der Zeit immer weniger Bezug zu ihm herstellen konnte.
                                              Unser Vater-Sohn-Verhältnis beschränkt sich heute auch nur noch auf die Treffen, die nötig sind, um Formalitäten, wie beispielsweise Unterschriften oder ähnliches, abzuhandeln. Über den üblichen Smalltalk in diesem getakteten Zeitintervalls von einer halben Stunde (manchmal auch weniger, wenn wir beide dann genug vom peinlich berührten Schweigen haben) geht es natürlich selbstredend nie hinaus. Es ist wie in einem Theaterstück, in dem wir beide einfach nur eine bestimmte Rolle auszufüllen versuchen und die ganz große Bühne in der Zeit eben nur uns beiden gehört.

                                              Ich redete noch nie gerne über Probleme und habe das somit in der ganzen Zeit auch nicht wirklich in die große Welt hinausgetragen, habe also nie wirklich nach außen den Anschein gemacht, als würde es mich sonderlich verletzen.
                                              Dieses Bemittleiden von allen Seiten konnte ich noch nie leiden und diese zwanghaft gestellten Fragen nach meinem Befinden hätten ohnehin nichts an meiner Seelenlage ändern können - also wozu das Ganze?
                                              Viel mehr habe ich das alles mit mir selbst vereinbart, habe, wenn ich mich heute im Spiegel anschauen müsste, wohl die richtigen Schlüsse und Entscheidungen über die Jahre hinweg gezogen und getroffen. Ob er selbiges von sich behaupten kann, entzieht sich meiner Kenntnis - große Zweifel hege ich über diesen Umstand indes trotzdem.

                                              Heute ist es mir folglich nahezu gleichgültig geworden, wie unser Verhältnis zueinander ist.
                                              Ob sich daran jemals ändern wird? Die Hoffnung besteht natürlich, weil ich wohl zu naiv bin und er irgendwo ja trotzdem mein "Vater" geblieben ist, aber mit jedem weiteren Tag wird mir die eigentlich Redundanz dieser Beziehung immer bewusster. Damals hätte ich ihn bestimmt gebraucht, heute hingegen zunehmend immer weniger.
                                              Vielleicht ist er sich über all das auch im Klaren, dass er einfach den richtigen Moment verpasst hat, um für mich da zu sein. Inzwischen bin ich nämlich nicht mehr dieser kleine Junge von damals und habe meinen Weg durch die Welt alleine bestritten.

                                              Der Moment, als die Familie in "O Menino e o Mundo" entzweit wird, kenne ich also nur zu gut. Meine Mutter und ich sind ebenfalls alleine zurückgeblieben und kämpfen uns seither zusammen durchs Leben.
                                              Ich wurde in den 80 Minuten somit plötzlich wieder direkt zurück in diese Zeit geworfen und es fühlte sich so an, als wäre all das erst gestern gewesen, als hätte jemand die Zeit für einen kleinen Moment zurückgedreht und mich einfach nochmal der kleine naive Junge von damals sein lassen, freudestrahlend, ohne zu wissen, dass dies das Ende eine Abschnitts werden würde, ein letztes Mal zu ihm hinaufblickend.
                                              Sinnbildlich habe ich mich seitdem ebenfalls auf die Suche nach meinem Vater gemacht, genau wie dieser kleiner Junge eben, der nichts außer ein Bild mit sich trägt, auf dem eine glückliche Familie zu sehen ist. Es ist aber nicht bloß irgendeine Familie - es ist seine und hätte auch meine sein können.
                                              Auch wenn ich inzwischen meine Kraft nicht mehr aus einem gemeinsamen Bild von uns dreien ziehen kann, wie noch der Junge aus diesem wunderbaren Film - ein solches Bild existiert nämlich schlicht nicht mehr - weiß ich, dass diese Zeit mein Leben geprägt hat, wie keine andere.
                                              Bis heute bin ich auch noch gewissermaßen auf der Suche nach dieser mir inzwischen fremd gewordenen Person und bin jetzt wohl auch einfach müde geworden - mit manchen Kapiteln im Leben sollte man deshalb vielleicht besser abschließen.
                                              Ich sehe mich zwar noch heute mit meinem Teddy an meiner Kinderzimmertür stehen, irgendwie an der Schwelle zum Erwachsen werden also, jedoch ohne zu wissen, dass dies nie mehr so sein wird - heute ist mein Blick auf die Dinge aber einfach ein anderer, ja schon fast ein reiferer geworden.
                                              In meiner kindlichen Erinnerung leben wir aber dennoch weiter, was am Ende ja vielleicht noch viel mehr wert ist.
                                              Der Weg ist schließlich das Ziel - was auch immer das in meinem Fall heißen mag.

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                                              • Mr_Phil 21.09.2016, 21:59 Geändert 22.09.2016, 13:39

                                                Guten Abend liebe Community,

                                                7 moviepilotfreie Tage liegen jetzt hinter mir. Warum? Ein spontaner (wirklich spontan, es war schon fast eine 'Nacht-und-Nebel-Aktion') Urlaub im schönen Italien am Lago Maggiore ist Schuld daran.
                                                Das Wetter war zwar nur bedingt so schön wie die Gegend, aber einfach mal abschalten geht fernab der Heimat ja doch irgendwie am Besten.
                                                Seid mir also nicht böse, dass ich in den letzten Tagen keine Beiträge oder ähnliches lesen konnte - vielleicht finde ich in den kommenden Tagen ja noch die Zeit, das ein oder andere nachzuholen!

                                                Ich möchte diesen Beitrag jetzt aber auch noch kurz für ein persönliches Anliegen meinerseits nutzen.
                                                Seit geraumer Zeit beschleicht mich so ein Gefühl und der Gedanke daran lässt mich seither auch nicht mehr los - in den letzten Wochen, wenn nicht gar schon Monaten, scheint sich moviepilot auf einem absteigendem Ast zu befinden und irgendwie "auszusterben".
                                                Ist dies ein temporärer oder gar ein permanenter Schock? Ich weiß es nicht - wünschenswert wäre natürlich ersteres.
                                                Nutzer löschen sich vermehrt (dazu später nochmal mehr), Aktion finden weniger Anklang aufgrund fehlender Beteiligung seitens der Community, Aushängeschilder wie der Kommentar der Woche ziehen immer weniger Leserschaft an, der Newsfeed wirkt immer liebloser und unkreativer (Star Wars und Marvel/DC ist zwar scheinbar furchtbar interessant, nach dem 586749 Artikel darüber hat aber bestimmt selbst der größte Fan wohl genug davon) und auch insgesamt ist die Community nicht mehr so aktiv im Kommentarschreiben/-lesen wie beispielsweise noch zu Beginn des Jahres.
                                                Ich hoffe, dass sich dies mit den Wintermonaten jetzt wieder legt und moviepilot zur alten Stärke zurückfindet.

                                                Nun noch kurz zum Löschungsverhalten: Selbst wenn ihr euch mal nicht mehr so wohl auf moviepilot fühlt - muss denn gleich die Terminierung des Accounts der einzige Ausweg sein?
                                                Viele scheinen sich über die Konsequenzen dieser Handlung vielleicht gar nicht so bewusst zu sein und vergessen, dass sie damit auch den restlichen Mitgliedern schaden.
                                                Antworten unter Kommentaren verschwinden für immer (Selbstgespräche führe ich im echten Leben oft genug, weshalb ich das hier nicht zwingend ebenfalls tun muss), alle erstellten Listen (inklusive (!) darauf erstellte Beiträge) und generell veröffentliche Kommentare werden nie mehr angezeigt oder auch alle verteilten Likes werden annuliert - ich möchte da natürlich keinem hineinreden, aber Stilllegen ist doch mit Sicherheit eine Alternative, die weit weniger derartige Konsequenzen mit sich ziehen würde.

                                                So, da auch ich in letzter Zeit nicht mehr allzu aktiv war, möchte ich jetzt mit gutem Beispiel vorangehen und wieder öfter Kommentare veröffentlichen und moviepilot wieder zu dem Ort machen, den ich so sehr lieben gelernt habe.
                                                Das war es jetzt auch vorerst von meiner Seite und ich hoffe, dass mein Dashboard bald wieder voll gefüllt mit tollen Beiträgen von euch ist.
                                                Bis dahin,
                                                Euer Mr_Phil

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                                                  Mr_Phil 01.09.2016, 14:43 Geändert 01.09.2016, 17:02
                                                  über Nerve

                                                  Ich war noch nie der Typ dafür, jedem Trend gleich hinterherlaufen zu müssen.
                                                  Sei es früher MySpace gewesen oder nun eben Facebook - ich habe mich solange es ging (die Unruhen innerhalb meines Freundeskreises wegen dieser Ablehnung gegenüber sozialen Netzwerken wurde irgendwann dann doch einfach zu viel und auf Dauer vor allem zu nervig für mich) dagegen gewehrt, weil sich mir schlichtweg die Sinnhaftigkeit dieser Seiten entzog.
                                                  Snapchat, Instagram oder wie sie alle sonst noch so heißen mögen, besitze ich folglich erst gar nicht und habe mir auch geschworen, diesen Umstand nie zu ändern - eine Anlaufstelle um mein Leben der Öffentlichkeit zur Schau zu stellen und so der Gesellschaft ihren Seelenfrieden zu geben, reicht meiner Meinung nach völligst aus. Ich weiß auch nicht mal, ob die Leute wirklich jeder Schritt interessiert, den ich mache.

                                                  Soziale Kontakte lediglich über eine Internetplattform pflegen, den Leuten also eine ernsthafte zwischenmenschliche Beziehung vorgaukeln? Ich weiß ja nicht wie es euch geht, aber ich finde es immer noch wesentlich angenehmer, wenn man den Personen im wirklichen Leben und somit auf persönlicher Ebene begegnet.

                                                  Es ist für mich also kein Wunder, dass für diese Generation der Film "Nerve" wie geschaffen zu sein scheint.
                                                  Ein Leben in Dauervernetzung, in dem jeder alles über einen weiß, da die Transparenz bis aufs Letzte ausgereizt wird und ein Spiel "Nerve", welches eben genau dort ansetzt, indem es private Informationen über einen verarbeitet und im Spielverlauf einsetzt und so zur omnipräsenten Ausschlachtung der persönlichen Privatsphäre wird - wenn das die Zukunft sein soll, muss ich mich wohl warm anziehen.

                                                  Das Spielprinzip dabei ist denkbar einfach: entweder schaust du zu, während irgendwelche dir völlig fremden Menschen eine Aufgabe meistern müssen - was vielleicht anfangs mit einem Kuss beginnt, kann ganz schnell weitaus größere Dimensionen annehmen - oder du bist eben derjenige, der die Zuschauer bespaßt. Welche Seite wirst du bloß wählen?

                                                  Was sich hier vielleicht noch nach einer interessanten Prämisse für einen gelungenen Film anhört, entpuppt sich leider zunehmend als eine große Farce.
                                                  Mit nervtötende Hipster-Optik, die mit aller Gewalt versucht, den Zuschauer zu blenden, also von der fehlenden Essenz dieses Films abzlenken und mit einem so furchtbar charmantem Pärchen, welches sich nahezu problemlos durch die Spielewelt mit Bravour schlägt und in Folge dessen natürlich die Herzen aller Zuschauer im Handumdrehen für sich gewinnen kann, wird versucht, das Lebensgefühl dieser "tollen" Gemeinschaft abzubilden und den Zuschauer mitzureißen.
                                                  Auf diese Reise wollte ich mich allerdings nie wirklich einlassen, denn hinter der glitzernden Fassade scheint kein Platz mehr für ernsthafte Kritik zu bleiben, weil der Film viel zu sehr damit beschäftigt ist, sein Publikum ein hohes Maß an Schauwerten zu bieten, ohne jemals einen dieser interessanten oder gar ansprechenden Ansätze - aufgrund des sensiblen Themas "Cyberspace" gab es diese natürlich zur genüge - auszuspielen.
                                                  Alles wird sofort im Keim erstickt, keine Sekunde hinterfragt oder kritisch durchleuchtet.
                                                  Selbst das Ende dann, welches nochmals enormes Potential hinsichtlich Risiken dieses Wandels bereithielt, enttäuscht auf ganzer Linie, da es sogar meines Erachtens höchst fragwürdig umgesetzt wurde. Belanglosigkeit soweit das Auge reicht - schade.

                                                  Wer sich also lediglich von Bildern berieseln lassen möchte, darf gerne einen Blick auf "Nerve" riskieren.
                                                  Wer hingegen auf eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema gehofft hat, sollte den Kinogang lieber meiden und stattdessen in der Zeit draußen an der frischen Luft einen Spaziergang machen.

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                                                    Für einige Filme fehlen mir schlicht die passenden Worte, um jenes Gefühl zu beschreiben, welches mich währenddessen und insbesondere dann nach dem Abspann einnimmt.

                                                    Ich könnte ja auch nie treffend beschreiben, wie sich mein erster Kuss angefühlt oder mein erster Liebeskummer geschmerzt hat, ebenso wenig wie ich in der Lage bin zu definieren, wie mein Gefühlszustand war, nachdem ich erfahren hatte, dass meine Mutter erkrankt ist oder mein Vater uns im frühen Kindesalter verlassen wird.
                                                    Manches muss einfach selbst erlebt werden, um zu wissen, wie sich das anfühlt.
                                                    Es bedarf dann auch keiner Worte - es gibt sie nämlich ganz einfach nicht.
                                                    Und vereinzelt trifft man eben auch im Medium Film auf dieses Phänomen, wo es dann auch ganz gleich aussieht, einem also die Worte fehlen und dieses gewisse Maß an Ratlosigkeit zurückbleibt, sodass die eigene Faszination schwer beschrieben werden kann.
                                                    "Melancholia" ist eben genau einer dieser Filme, die einem nicht nur den Atem rauben, sondern einen gleich ganz um den Verstand bringen.

                                                    Ich könnte jetzt erzählen, mit welch erschreckender Intensität Lars von Trier die Welt und den Zuschauer an den Rand des Abgrunds drängt oder mit welch feinfühligem Gespür er dabei die Seelenlage der Protagonisen widerspiegelt, diesen Seelenstriptease dann gar bis ans Äußerste ausreizt - bis es letztlich schmerzt, mit ansehen zu müssen, wie sie alle an der Welt verzweifeln und keinen Halt mehr zu haben scheinen. Die Gleichgültigkeit des Seins schlägt spätestens dann nicht bloß den betreffenden Protagonisten ins Gesicht.

                                                    Auch müsste in diesem Zuge die virtuose Inszenierung von von Trier Erwägung finden, die, wie ich finde, hier ihren Zenit in seiner Filmografie erreicht.
                                                    Nie war der Weltuntergang vergleichsweise schöner gefilmt - höchstens vielleicht noch bei meinem Freund Tarr und seinem "A Torinói ló". Wenn es dann mal soweit sein sollte und wir endlich von unserem menschlichen Dasein erlöst werden, weiß ich ganz genau, welcher Film in meinem Player landet und mir einen eiskalten Schauer - spätestens beim Ertönen von Richard Wagners "Tristan und Isolde" ist es um mich geschehen - den Rücken herunterlaufen lassen wird. Vielleicht muss es aber ja einfach so sein.

                                                    Ferner könnte ich jetzt noch das perfekte Schauspiel von Kirsten Dunst loben, die Justine nicht spielt, nein - sie lebt die Rolle und packt den Zuschauer mit dieser Leistung an der Hand, führt ihn durch den Film und lässt auch uns schlussendlich erkennen, dass die Welt ein Ort ist, an dem wir nicht länger bleiben wollen, da er schlecht und somit nicht rettenswert ist. Am Ende steht die persönliche Erlösung von all dem also über Allem.
                                                    Wir wollen einfach nur noch unseren Seelenfrieden finden, der scheinbar einzig und allein im Untergang der Welt gefunden werden kann.
                                                    Schön, wenn Filme derartiges mit einem anstellen können und man sich mit einem gemischten Gefühl aus Hoffnungslosigkeit und wahrhaftigem Erkenntniszuwachs nach dem Abspann wiederfindet.
                                                    Hoffnungslos, weil die Endlichkeit des Lebens einem deutlichst vor Augen geführt wurde und reicher um zumindest die Erkenntnis, eben genau dies endlich verstanden zu haben.

                                                    All diese Versuche, das Gefühl aufs Blatt Papier zu bringen, um dem Film gerecht zu werden, scheitern jedoch zwangsweise an der Tatsache, dass dies kein bloßer Film, sondern ein reines Erlebnis ist.

                                                    "Melancholia" zieht einem - zumindest dies lässt sich jetzt treffend beschreiben und zum Abschluss festhalten - am Ende nicht bloß den Boden unter den Füßen weg: er stellt grundsätzlich in Frage, ob es diesen überhaupt jemals gab.
                                                    Wohlfühlkino mit Lars von Trier - höchste Filmkunst verdammt nahe der Perfektion, ja vielleicht so nahe wie der Planet Melancholia der Erde war.

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