Mr_Phil - Kommentare

Alle Kommentare von Mr_Phil

  • 8

    Deusfantasy und Mr_Phil kämpfen nach einem verhängnisvollen Fehler um die Liebe ihres Lebens in "Sunrise: A Song of Two Humans".
    #8 unserer persönlichen Kommentar-Reihe, bei der jeden Monat eine weitere Rezension von uns beiden folgt.

    Die Sonne geht auf, ein neuer Tag beginnt.
    Ein Tag, der vielleicht alles verändern könnte.

    Du fühlst dich schon länger unwohl, bist gefangen in den Alltagszwängen und das Glück früherer Tage scheint längst verflogen.
    Wie konnte es nur soweit kommen?
    Es ist diese Versuchung, die uns Menschen nicht zur Ruhe kommen lässt.
    Wir wollen immer das, was wir gerade nicht haben können, sind also selten mit dem zufrieden, was wir im Moment besitzen.
    Wir wollen immer mehr und mehr, aber erkennen dabei oftmals nicht, dass wir eigentlich alles in unseren Händen hielten, was uns glücklich macht.
    Wäre da bloß nicht dieses aufregend Neue. Das gewohnte Leben einfach hinter sich lassen und irgendwo von vorne beginnen - erfüllt uns das jedoch schlussendlich wirklich?
    Ist nämlich nicht alles Neue zu Beginn erstmal aufregend und schön?
    Sollten wir im Zuge dessen also nicht viel mehr daran arbeiten, dass unserem jetztigen Leben interessante neue Impulse gegeben werden?
    Schließlich würde auch niemand, wenn eine Glühbirne kaputt ist, direkt in ein neues Haus ziehen.

    Dem Protagonisten in "Sunrise: A Song of Two Humans" wäre eben genau dies - die Familie mit Frau und Kind für die Versuchung eintauschen - fast zum Verhängnis geworden.
    Das Vertrauen der Frau wird im Zuge dessen natürlich zerstört und auch die Liebe muss anschließend wieder zurückerkämpft werden.
    Auch wenn all das anfänglich dann vielleicht erstmal schwer fällt und unverzeihlich erscheint, so liegt es doch an uns Menschen, Stärke auszustrahlen, zu vergeben und zu vergessen.
    Menschlichkeit zu zeigen, ist am Ende eben doch das größte Gut, was wir einander geben können.

    Die Sonne geht unter, der Tag ist vorbei.
    Ein Tag, der alles verändert hat.

    Thematisch deckt Murnaus "Sunrise: A Song of Two Humans" somit beinahe jede Facette des Lebens ab, ist folglich vielleicht als einer seiner konzeptuell durchdachtesten und gelungensten Werke anzusehen.
    Auf inszenatorischer Ebene ist zudem ein herausragender Kniff gelungen, indem die Seelenlage der Protagonisten stets durch die Natur dargestellt wird - dieses Stilmittel ist zwar ganz gewiss nicht neu und wird von Murnau auch häufig verwendet, doch scheint es hier am wirkungsvollsten zum Einsatz zu kommen, um den Zwiespalt, die innere Zerissenheit des Protagonisten im Laufe des Films perfekt abzubilden.
    Vielleicht ist dieses Werk also in der Summe ein Murnau in Reinform und stellt den Höhepunkt des Schaffens des Regissuers dar - ganz gewiss ist es aber Gefühlskino in all seiner Pracht.

    26
    • 8 .5
      Mr_Phil 13.08.2016, 10:17 Geändert 13.08.2016, 10:53

      Manchmal braucht es scheinbar nicht mehr, als ein kleines unscheinbares Bild aus seiner Kindheit, um einen glücklich zu machen.

      "Der König der Löwen" war für mich schon immer einer der ganz großen Filme - groß natürlich bedingt durch den Umstand, dass ich selbst ein kleiner Junge war, der durch seine kindliche Naivität die Welt noch als einen unbeschwerten Ort sah, wenngleich der ebenfalls kleine Löwe mir früh zu verstehen gab, dass nicht alles im Leben so laufen würde, wie es einem wohl am liebsten wäre.
      Was aber vielleicht einen noch viel entscheidenderen Charakter für diese frühe Liebe besaß, war nicht bloß diese sehr frühe Bekanntschaft mit diesem Löwen und meine daraus gezogenen Lehren - es war viel mehr die Bekanntschaft mit der Hauptverantwortlichen für das alles hier.

      Sie besuchte uns zwar nur dreimal, jedoch blieb sie dann zumindest ihre ganzen Sommerferien bei uns. Von Amerika bis hier her zu uns ist es eben doch eine enorme Strecke.
      Und schon direkt bei ihrem ersten Besuch brachte sie unzählig viele Geschenke mit. Mein Opa war mehr als nur glücklich - nicht wegen den Geschenken, sondern weil sie die Tochter seiner Cousine war und er sie zum ersten Mal überhaupt sah.
      Bei mir sah das natürlich ein wenig anders aus und als sie mir dann diesen kleinen gelben Löwen in die Hand drückte, wusste ich im ersten Moment gar nicht, was dies auslösen würde und wozu dieses Plüschtier überhaupt gehörte.
      Die Verwunderung auf ihrer Seite war daraufhin aber auch nicht minder groß, als sie bemerkte, dass ich den kleinen Simba tatsächlich nicht kannte.
      Ihr könnt euch sicher denken, was daraufhin folgen musste - ein "König der Löwen"-Marathon mit meinem neuen gelben Wegbegleiter, welcher mir fortan nicht so schnell von der Seite weichen sollte.

      Wir sprachen zwar nicht die selbe Sprache - verstanden haben wir uns doch trotzdem immer.
      Durch Gestik und Mimik, mit Händen und Füßen und eben durch diesen wunderbaren Film - "Der König der Löwen" war viel mehr als nur ein Film für uns, wir haben es gelebt, dieses Lebensgefühl inhaliert, indem wir den ganzen Film versucht haben, zusammen nachzuspielen. Meine Sammlung wurde Stück für Stück natürlich unlängst in jedem weiteren Sommer um viele Figuren erweitert, wie beispielsweise Timon und Pumbaa.

      Als sie dann eines Sommers nicht mehr zu Besuch kam - was hauptsächlich ihrer gefundenen Arbeitsstelle und ihrem Freund, welchen sie inzwischen sogar geheiratet hat, weshalb ich ihr das Ganze jetzt im Nachhinein sogar verzeihe, geschuldet war - musste ich eben auch ohne sie, die Geschichte um Simba mit meinen Kuscheltieren am Leben erhalten.
      Eines Abends muss meine Mutter wohl unbemerkt in mein Zimmer gekommen sein und ein Foto von einem dieser Szenarien geschossen haben.

      Hiermit würde sich der Kreis des Lebens also auch irgendwo wieder schließen.
      Dieses Bild mit dem kleinen Jungen, welcher an der Bettkante sitzt, sein Kuscheltier Simba festhaltend, steht methaphorisch gesehen für das Ende eines Lebensabschnittes, während er sich natürlich noch verzweifelt versucht am Alten zu klammern, obwohl Loslassen oftmals der einzigst richtige Weg ist.
      Wie gerne würde ich zu ihm hingehen, mich auf sein Bett neben ihn setzen und ihm sagen, dass das alles ganz gewiss nicht leicht werden würde, es also auch für ihn (wie auch für Simba) bestimmt nicht immer nach Plan laufen wird in seinem Leben, er aber doch trotzdem jede Hürde im Leben meistern wird und gestärkt aus allen Rückschlägen hervorgeht.
      Der Kreislauf des Lebens hat also auch vor ihm nicht Halt gemacht.

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      • 9 .5

        Ich verspüre momentan einfach keine Lust.
        Habe kein Verlangen, interessiere mich nicht sonderlich fürs Schreiben und auch anderen Dingen gegenüber bin ich eher abgeneigt - stecke ich etwa in einer Krise?
        Vielleicht brauche ich jetzt auch einfach einen Film, der mich vollends begeistern kann.
        Der Weg zum DVD-Regal scheint die einzige Möglichkeit, mich aus diesem Tief wieder herauszuholen, mir wieder die nötige Inspiration zu geben.
        Ich durchforste jede Reihe, gehe durch die verschiedenen Genre - nichts.
        Absolut nichts scheint mich überzeugen zu können.
        Innerlich bereits aufgegeben, drehe ich mich um, irgendwie frustriert und traurig zugleich, erblicke auf einem separaten Wandregal doch "8 1/2" von Fellini im Pappschuber und halte inne, während sich meine Gedanken einzig und allein um den Film drehen.
        Meine Augen werden größer und größer - das muss er sein. Ja, das ist er.
        Ich greife nach dem Stück Pappe, öffne den Schuber und betrachte den schimmernden Rohling. Wirst du, kleines Ding, mir wirklich helfen können?
        Während des Versuchs, meine scheinbar persönliche Erlösung aus der Verpackung zu befreien, fällt ein kleines unscheinbares Booklet auf den Boden. Ich bücke mich und lese

        "Man hat geschrieben, '8 1/2' sei ein autobiographischer Film."

        ....und lese weiter und weiter, bis die Zeilen ein Ende finden.
        Ein Film über einen Mann also, der in einer Krise steckt, privat wie künstlerisch.
        Zufall oder doch schicksalhafte Fügung?
        Mittlerweile schon am DVD-Player angekommen, lässt mich der Gedanke nicht los, es handle sich hier rein um einen Zufall. Gibt es Zufälle überhaupt?
        Der Film beginnt.
        .
        .
        .
        Die letzte Einstellung.
        Überblendung
        Aus und vorbei.

        Es ist um mich geschehen.
        Ich laufe zu meinem Laptop, fahre ihn hoch, öffne den Browser und gebe, nachdem sich die Seite "moviepilot" geöffnet hat, "Achteinhalb" ('8 1/2' führte komischerweise nicht zum gewünschten Ergebnis) in der Suchleiste oben rechts ein.
        Ich werde noch heute einen Kommentar dazu schreiben, dessen bin ich mir sicher. Doch wie fange ich am Besten am? Fragen über Fragen, auf die nur ihr eine Antwort zu haben scheint.
        Die letzten Worte.
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        Aus und vorbei.

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        • 8 .5
          Mr_Phil 30.07.2016, 12:07 Geändert 30.07.2016, 12:12
          über Birth

          Versuche erst gar nicht zu verstehen.
          Lass' es einfach zu und hör' auf mich.

          Ich bin immer da, egal was du machst.
          Du kannst mich nicht abstellen, wie sehr du dich auch anstrengen magst.
          Im Grunde bin ich der kleinste gemeinsame Nenner deiner ganzen Existenz.
          Gibt es mich nicht mehr, so gibt es auch dich nicht mehr.
          Wir verbringen die gesamte Zeit miteinander, auch wenn du mich nicht immer wahrnimmst, mich oftmals gar verdrängen willst.
          Redest du dir Sachen dann bloß ein, bin ich der Einzige, der die Wahrheit kennt, da du sie zu oft nicht erkennen willst oder vielleicht nicht kannst.
          Ich kenne dich also besser als du dich selbst, weil ich Keinem etwas vormachen möchte.
          Wenn ich dann jedoch Besitz von dir ergriffen habe, ist es lediglich eine Frage der Zeit, bis auch du endlich begreifst, dass du auf mich hören musst.
          Lass' es einfach zu und versuche erst gar nicht zu verstehen.

          Ohne Gefühle wären wir Menschen nicht das, was wir sind, auch wenn sie nicht rational erklärbar sind.
          Sie sind immer da, definieren uns, sind unser Motor und Antrieb.
          Sie können dich zwar auch an den Rand der Verzweiflung bringen und Situation falsch einschätzen lassen, dich also fernab des richtigen Weges leiten lassen, doch das scheint genau unser Leben zu sein.
          Und überhaupt - wer definiert, was richtig, was falsch ist, wenn nicht unsere Gefühle und unser Herz?

          Wir Menschen sind demnach auch Gewohnheitstiere. Es ist viel einfacher, sich an alten Gegebenheiten festzuhalten, anstelle einfach einen Schritt nach vorne zu machen.
          Die Wahl der Eiskugel fällt immer auf die gleiche Sorte, wir hören lieber tausend Mal den selben Song und selbst jahrelange Rituale, die uns inzwischen selbst auf die Nerven gehen, können wir zumeist nicht ablegen.
          Wir gewöhnen uns auch an einen Partner, je länger wir mit diesem zusammen sind.
          Die daraus entstehende Verbundenheit bzw. Liebe ist wohl auch mit das stärkste Gefühl, welches wir kennen.
          Kein Wunder also, dass Anna in "Birth" nicht weiß, was mit ihr geschieht. Ein Junge, der die Reinkarnation ihres längst verstorbenen Ehemanns sein soll? Ist so etwas denn möglich?
          Auf rationaler Ebene ganz gewiss nicht. Doch sobald Gefühle mit im Spiel sind, befinden wir uns auf irrationalem Gefilde.
          Die einstige Liebe einfach so zu verstoßen, scheint folglich auch undenkbar.

          Was genau ist jetzt hier der richtige, was der falsche Weg?
          Dies muss Anna und der Zuschauer wohl für sich selbst entscheiden.
          Vielleicht geht es aber ja auch gar nicht immer um richtig oder falsch, sondern viel mehr um das Gefühl längst vergessener Tage wieder aufleben zulassen, um sich also dem Mysterium der vollkommenen Schönheit in "Birth" vollends hinzugeben.

          27
          • 8 .5
            Mr_Phil 23.07.2016, 12:04 Geändert 23.07.2016, 12:14

            Ich habe die Gesetzmäßigkeit zwischenmenschlicher Beziehung noch nie wirklich fassen können.
            Freunde, die mich mein halbes Leben lang begleiten haben, also einen unverkennbar großen Anteil an meiner daraus geformten Persönlichkeit haben, sind mir heute fremd geworden, haben folglich keinerlei Bedeutung mehr für mich.
            Wenn wir uns zufällig treffen, ist dieses Gefühl alter Tage zwar kurzzeitig wieder da, doch nach den ersten Momenten muss auch ich realisieren, dass nichts mehr ist, wie es einst war. Wir sprechen zwar die gleiche Sprache, doch verstehen uns nicht mehr.
            Wir haben uns verändert, sind im Reifungsprozess scheinbar zu unterschiedliche Wege gegangen, um auf einen gemeinsamen Nenner zu kommen, konnten im Prinzip nie wirklich auf der selben zwischenmenschlichen Welle weiter schwimmen.
            Die Strömung des Lebens hat uns irgendwie an verschiedenen Stellen mitgenommen und somit - manchmal früher, manchmal später - voneinander wegtreiben lassen.
            Auch wenn es schmerzt, dies zu akzeptieren, so ist es doch der einzige Weg, um "weiterzumachen", denn es gibt immer Gründe, wieso genau diese Leute Teil deiner Vergangenheit, aber nicht mehr länger deiner Gegenwart sind - ganz gleich wie schwer diese Differenzen anfänglich ins Gewicht fielen, aufsummiert ergeben sie doch meist eine einfach zu große Last.
            Aller Ende begründet aber bekanntlich ja auch einen Neuanfang, weshalb der Lauf der Dinge vielleicht einfach als das einzigst Logische erachtet werden darf, dass das Loslassen letztendlich essentiell ist. Meistens zumindest. Denn manchmal gelingt es auch, neue Brücken zu schlagen und sich wieder anzunähern.

            Winfried hat sich auch entfernt. Allerdings von keinem Freund, sondern von seiner eigenen Tochter Ines.
            Um ihr trotzdem nahe sein zu können, erschafft er eine Art Alter Ego "Toni Erdmann". So skurril wie das jetzt auch klingen mag - glaubt mir, es ist noch viel skurriler.
            Die beiden wissen im Grunde nichts mehr voneinander, weshalb der Film einen dann auf eine Reise begleitet. Eine Reise, die beide um mindestens eine Erkenntnis reicher machen wird.

            Zu Beginn des Filmes sind sie zwar im selben Raum, doch am selben Ort sind sie selten - Ines ist mit den Gedanken stets bei der Arbeit, während Winfried unfähig ist, in die Welt seiner Tochter ernsthaft einzutauchen, da sie einfach zu unterschiedlich zu seiner erscheint.
            Diese Szenario ist zwischenmenschlich zwar so dramatisch angehaucht und doch schafft es der Film stets, mit trocken inszenierten Absurditäten, den Zuschauer zum Lachen zu bringen. Und überhaupt - wann habe ich jemals im Kino vor Lachen geweint? Im Grunde noch nie.
            "Toni Erdmann" schafft aber genau dies und ist folglich kurioses Wohlfühlkino, ja gar ein Stück Lebensgefühl, in dem jeder nochmal den Ernst des Lebens hinten anstellen, unbeschwert, ohne jegliche Hemmungen und Maskierungen also, seinen eigenen Weg gehen und schlussendlich neue alte Beziehungen wiederaufleben lassen darf.

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            • Es musste ja irgendwann passieren.
              Lars von Trier gehörte schon immer zu einem meiner liebsten Regisseure, weshalb er nun verdientermaßen endlich in diese Liste aufgenommen wird.

              Auch wenn es wehtut, wird für ihn leider vorerst Coppola das Feld räumen müssen, da ich ohnehin noch einige Werke (eine Chance auf eine Wiederberufung in diese Liste schließe ich danach folglich nicht aus) von ihm nachholen muss.
              Zudem habe ich die Gunst der Stunde genutzt, um die Reihenfolge nach meiner Beliebtheit festzulegen und welch Überraschung - Nummer 1 ist und bleibt natürlich Lynch.

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              • Was ein irrsinniges Listenprojekt!
                Ich ziehe wirklich meinen Hut vor deinem Engagement und bin total gespannt, welche Filme nächste Woche vorgestellt werden - ganz besonders fiebere ich natürlich dem Sieger dieses Rankings entgegen.
                Jedenfalls ist es eine tolle, aufwendige und sehr detaillierte Auflistung bis hierher - ganz großes Kino.

                7
                • 8 .5

                  Deusfantasy und Mr_Phil enträtseln mysteriöse Zahlenspiele in "Drowning by Numbers".
                  #7 unserer persönlichen Kommentar-Reihe, bei der jeden Monat eine weitere Rezension von uns beiden folgt.

                  Manchmal kommt alles anders.
                  Es beschleicht dich, ist damit total überraschend, ja ganz unerwartet und trifft dich noch dazu an einer der verwundbarsten Stelle, der Gefühlsebene nämlich, wo rationales Denken unmöglich erscheint.

                  Auf den ersten Blick ist es vielleicht ein Greenaway wie seine meisten anderen Werke.
                  Opulente Bilder, welche stringente Handlungen in den Hintergrund rücken lassen, eine musikalische Untermalung, welche sich perfekt ins Geschehen einfügt, lange Totaleinstellungen auf die künstlerische Anordnung von Schauspieler mit den Requisiten und schließlich die daraus resultierende Liebe zum Detail, woraus letztendlich ein Szenenbild entsteht, welches eine unnachahmliche Sogwirkung ausübt und den Zuschauer zum genaueren Hinsehen zwingt, um jede noch so kleine Metaphorik entschlüsseln zu können.
                  Zwei Greenaways habe ich bereits zuvor gesehen und war extrem angetan von genau dieser unverkennbaren Handschrift. Aller guten Dinge sind aber ja bekanntlich drei, weshalb "Drowning by Numbers" für mich jetzt irgendwie etwas Besonderes darstellt.
                  Keine fünf Minuten hat es nämlich gedauert, bis ich mich auch diesem Film hingeben musste, mich also erneut in seinen Bildern verloren habe. Es fühlte sich dann auch so an wie der Hauptgewinn im Lotto, also sechs Richtige mit Zusatzzahl (= sieben Richtige), wenn einen ein Film derart zu packen vermag.
                  Es durchströmt einen beim Schauen einfach ein durch und durch positives Gefühl - so schön kann Filme schauen also sein.
                  Ich weiß selbst nicht mal so ganz, wie Greenaway das eigentlich macht und will mich jetzt auch nicht für neunmalklug halten - trotzdem vertrete ich die Meinung, dass er mit zu einer der intellektuellsten Filmemacher, der scheinbar keine nullachtfünfzehn Werke dreht, zu zählen ist. Nach drei herausragenden Werken kann es schließlich fast kein Einzelfall mehr sein.
                  Wer also bei diesem Film aufpasst und sich für ein Zahlenspiel (inklusive diverser Erklärungen von abstrus erscheinenden Regeln bzw. Spielen) aktivieren kann, wird unvergessliche Minute erleben und einen besonderen Vertreter aus dem zwanzigsten Jahrhundert kennen und schätzen lernen, über welchen man sicherlich auch noch in Jahrzehnten reden wird, denn eine solch radikale Unterordnung eines Filmes in ein formales System gab es selten zuvor. Zahlen über Zahlen, Fragen über Fragen.

                  Manchmal kommt eben wirklich alles anders.
                  Jetzt sitze ich nämlich hier und schreibe diese Zeilen, während diese Zeilen auch mich schreiben und dabei das Prinzip "Schreiben nach Zahlen" zum Motto wird - also vergleichbar mit dem, was Greenaway in "Drowning by Numbers", der hier nämlich das Motto "Malen nach Zahlen" verfolgte, erschaffen hat.
                  Überraschend und unerwartet trifft euch das jetzt aber hoffentlich nicht, denn ansonsten habt ihr den Text wohl nicht aufmerksam genug gelesen. Ein Glück ist es aber ja noch nicht fünf vor zwölf und ihr habt sicherlich noch zwei, drei Minuten Zeit, um (m)ein Rätsel zu lösen.

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                  • 7

                    Alles dreht sich um sie.
                    Sie ist mehr, als wir uns je zu träumen gewagt hätten.
                    Sie, deren Schönheit unverkennbar ist. So natürlich, so rein.
                    Das Blitzlichtgewitter blendet sie, blendet uns.
                    Wir können nichts sehen, sind somit unfähig zu verstehen, was eigentlich mit ihr und mit uns passiert.
                    Wir gehen mit ihr mit und treten ein in eine Welt, die uns im selben Moment direkt wieder auszuspucken versucht.
                    Doch wir lassen uns von der Strömung des Fiebertraums leiten, verlieren uns in deren Glanz, der uns jedoch nur oberflächlich zu befriedigen scheint.
                    Die Fassade fängt an zu bröckeln.
                    Wir wollen dennoch mehr, geben uns der Verlockung vollends hin, treten also tiefer in den Abgrund hinein, obgleich wir genau wissen, keine passenden Antworten zu finden.
                    Doch vielleicht brauchen wir diese auch gar nicht und es reicht, dem vordergründigen Schein und Sein zu verfallen - die Versuchung allein ist es anscheinend wert.

                    Alles pulsiert, der Rausch vernebelt unsere Sinne.
                    Wir wissen nicht mehr, wo uns der Kopf steht.
                    Die Fassade der Schönheit fällt endgültig in sich zusammen.
                    Wir versuchen dann auch auszubrechen aus dem Wahnsinn, der sich "The Neon Demon" nennt. Selten war ein Titel übrigens passender gewählt, denn auch wir entfesseln den in neonfarben getränkten Dämon in uns selbst, wenn wir erst einmal in der Nacht der Reichen und Schönen angekommen sind.
                    Doch all das es ist zwecklos. Wir sind bereits verloren und haben es selbst nicht gemerkt.

                    Refn beweist erneut, dass er zu einer der polarisierensten Regisseure unserer Zeit gehört und erzählt ein Märchen im Horrorgewand, welches wieder beinahe ausschließlich auf audiovisueller Ebene die Höchstnote verdient hätte.
                    Abseits der Bilderflut befindet sich Refn nämlich wieder nur an der Oberfläche, schafft es also nicht wirklich, tiefgreifende Fragestellungen zu intensivieren, obwohl das Thema soviel mehr zugelassen hätte und auch im Film stellenweise ersichtlich wird, dass diese nötigen Grundlagen vorhanden bzw. sogar auch erkannt wurden.
                    Natürlich ist das dann mehr als nur schade, da so in meinen Augen ein Meisterwerk ausbleibt - das Kinoerlebnis hat dieser Umstand indes trotz alledem nicht so maßgeblich trüben können, da solche Filme einfach schlussendlich für die große Leinwand geschaffen worden sind und manchmal eben schlicht die Oberflächlichkeit mit samt seiner puren Ästhetik ausreicht, um den Zuschauer mit einem zufriedenen Gefühl aus dem Kinosaal zu entlassen.

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                      Mr_Phil 02.07.2016, 11:45 Geändert 02.07.2016, 11:49

                      Es gibt Filme, welche einen immer wieder aufs Neue faszinieren und niemals ihren Glanz verlieren, weil sie einen, egal wie alt man auch immer sein mag, auf eine Reise in eine längst vergangene Zeit mitnehmen.

                      Meine Eltern hatten sehr gute Freunde, welche weit entfernt von uns gewohnt haben und die gemeinsamen Besuche demnach an einer Hand im Jahr abgezählt werden konnten.
                      In mir kam daher stets ein kaum zu überbietendes Gefühl der Vorfreude auf, wenn ich mitbekam, dass wir sie endlich wieder besuchen fahren, denn sie hatten eine Tochter, welche für mich wie eine große Schwester war - als Einzelkind ist das schon eine kleine Sensation, wenn plötzlich ständig jemand um dich herum ist.
                      Ich kannte die Fahrt (und kenne sie auch noch heute) in und auswendig.
                      Immer wenn wir dann die Hofeinfahrt hochfuhren, bin ich direkt ausgestiegen und bin zuerst in das Zimmer ihrer Tochter gerannt und egal mit was sie auch immer gerade beschäftigt gewesen sein mag - sei es lernen, Klavier spielen, aufräumen oder einfach nur Musik hören - sie hat alles stehen und liegen gelassen und hat sich sofort mir gewidmet. Sie war einfach genau die Schwester, die ich nie hatte und inzwischen leider auch nicht mehr habe. Es gibt demnach nicht viele Zeiten im Leben, an die ich mich so gerne zurück erinnere, wie an diese hier.
                      Das eigentliche Highlight sollte aber immer erst abends auf mich warten, denn ein jedes Mal schauten wir zusammen auf ihrem kleinen Fernseher "Edward mit den Scherenhänden". Meine Augen wurden immer ganz groß, wenn der Film anfing und das obwohl ich ihn inzwischen eigentlich auswendig kennen musste.
                      Sie liebte diesen Film und ich tat es, nicht zuletzt dieser Zeit wegen, natürlich ebenfalls. Daran hat sich auch bis heute nichts geändert.

                      Am Morgen darauf wollte ich dann immer in den Garten gehen und mit ihr dort spielen.
                      Ihr könnt euch nicht ausmalen, wie unbeschreiblich schön und unglaublich groß dieser Garten war.
                      Bäume, die für mich damals bis knapp unter den Himmel reichten.
                      Blumen in allen erdenklichen Farben und Formen, Büsche und Sträucher, welche akkurat geschnitten waren, sodass ich immer dachte, sie hätten für diese Gartenarbeit einen Mann mit Scherenhänden eingestellt - einen Mann wie Edward eben.

                      Auch ich bin im Zuge dessen ein ums andere Mal mit einer Gartenschere durch den Garten gelaufen und habe überall ein bisschen herumgeschnitten, was meine Mutter (und natürlich unsere Bekannten) schier wahnsinnig und auch bestimmt krank vor Sorge zugleich machen musste, da sich meine Künste im Gestalten des Gartens (die Verletzungsgefahr lassen wir hier besser außen vor) doch sehr im Rahmen hielt. Verstanden habe ich das allerdings nie, denn bei Edward sah das doch alles immer so spielend leicht aus. Wenn ich jetzt so darüber nachdenke, glaube ich, dass es fast nichts Schöneres geben kann, als diese unreflektierte Naivität kindlicher Tage.

                      Leider zogen unsere Bekannten eines Tages noch weiter weg, was im Umkehrschluss bedeutete, dass wir uns aus den Augen verloren.
                      Meine Eltern mussten mir daraufhin natürlich die VHS zu "Edward mit den Scherenhänden" besorgen. Immer wenn ich ihn dann alleine (meistens nachdem der erste Schnee gefallen war) ansah, hatte ich trotzdem das Gefühl, sie würde neben mir sitzen, da ich unzählige gemeinsame Erinnerung von uns in mir trug und auch noch trage. Heute wüsste ich nicht mal, ob ich sie auf offenere Straße noch erkennen würde.

                      Wenn ich jetzt als Erwachsener einen Schritt aus der Haustür heraus mache und eine Schneeflocke auf meinen Kopf fallen spüre, muss ich auch immer sofort an damals denken und weiß, dass es Edward gut geht, egal wo er gerade auch sein mag.
                      Für viele klingt das jetzt vielleicht albern oder kindisch, doch für meine Person sind es genau diese Augenblicke, die mich mit höchster Freude erfüllen und mich lebendig fühlen lassen.
                      Ich fiebere wohl auch kaum einem Ereignis im Jahr so sehr entgegen wie eben diesem ersten Schnee, der mich früher immer meine VHS-Kasette herauskramen ließ - heute ist daraus inzwischen eine DVD geworden - und mich darauffolgend zwei Stunden lang in ein Märchen hinabtauchen lässt, welches schöner kaum sein könnte.

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                      • 8

                        Früher, als ich noch ein kleiner Junge war, schien die Welt für mich unendlich groß zu sein.
                        Das ganze Leben lag noch vor mir, alles war noch in weiter Ferne, all die Fragen des Lebens waren somit noch Zukunftsmusik und haben mich nicht sonderlich interessiert.
                        Ich habe mich mit meinen Freunden nahezu jeden Tag draußen getroffen, wir haben zusammen gespielt und das Leben war einfach noch unbeschwert, ohne Sorgen und ohne ernst zunehmende Verpflichtungen.
                        Unser Handeln unterlag dabei keinerlei Gesetzmäßigkeit, wir haben eben genau das getan, nach was uns gerade der Sinn stand.
                        Kein Bach war zu tief, kein Fels zu groß und kein Regen zu stark - nur das tägliche Abendessen hat uns damals streng genommen trennen können.
                        Viele unüberlegte Dinge wurden dabei natürlich getan, doch haben wir aus ihnen zumindest immer unsere eigenen Erfahrungen machen dürfen und können heute darüber lachen, wenn wir uns an eben genau diese Taten zurückerinnern.

                        Wir sind im Sommer einfach immer zueinander hingegangen, haben an die Tür geklopft, um zu fragen, ob der jeweils andere Zeit hat.
                        Klingt ganz unkompliziert - und das war es tatsächlich auch und die Erfolgschancen waren stets hoch, dass man den Nachmittag zusammen verbringen könnte, da es einfach keine bessere Beschäftigung gab, als die große weite Welt da draußen zu erkunden.
                        Wenn ich an heute denke, ist das alles nicht mehr ganz so einfach und der Zeitpunkt, an dem auch ich diesen Umstand realisiert habe, dass ich nie mehr Freunde wie damals haben werde, war auch der Zeitpunkt, an dem ich gewissermaßen Erwachsen geworden bin und mit einer Träne in den Augen Abschied von meiner Kindheit genommen habe.
                        Ausbildung, Studium, Beruf - jeder ist zu jederzeit verplant, man findet kaum noch Zeit für den Anderen, man hat kaum noch Zeit zu atmen.

                        Zum Glück erinnern Filme wie "Stand by Me - das Geheimnis eines Sommers" einen an seine eigenen früheren Abenteuer, die man mit seinen Freunden, die damals das Wichtigste für einen waren, erlebt hat. Für 85 Minuten wird man also in eine Welt entführt, die einst die Eigene war.
                        Sommer, die nicht enden wollten, mit Freunden, die du für immer haben wirst - schade, dass wir mit dieser Einschätzung wohl alle falsch lagen.
                        Der Film ist dadurch aber sozusagen auch Balsam für die Seele, doch spätestens wenn der Abspann dann anläuft, sitzt man wieder auf seinem Sofa, ist gefangen in nostalgischen Erinnerungen, die ein Gefühl der Wehmut in einem aufkommen lassen und der Zauber längst vergangener Tage löst sich plötzlich wieder auf.
                        Immerhin werden wir solche Sommer in unserem Leben nie vergessen und uns auch für immer daran zurückerinnern können, denn Erinnerungen kann uns keiner nehmen - nicht heute und auch nicht morgen.

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                          Mr_Phil 19.06.2016, 11:30 Geändert 19.06.2016, 11:38

                          Deusfantasy und Mr_Phil begeben sich auf eine gefährliche Reise bei der Suche nach "Die verborgene Festung".
                          #6 unserer persönlichen Kommentar-Reihe, bei der jeden Monat eine weitere Rezension von uns beiden folgt.

                          Manchmal sind es nur die ganz kleinen Nuancen, die ganz feinen Unstimmigkeiten eben, die sich zu ungunsten für einen Film auslegen lassen.
                          So klein diese Auffälligkeiten im ersten Moment vielleicht auch sein mögen - wenn sie sich langsam die Spielzeit über, immer weiter und weiter, aufsummieren, wachsen sie am Ende zu einem großen Kritikpunkt heran, welcher sämtliche positiven Aspekte regelrecht überschattet.

                          Sowohl schauspielerisch, allen voran natürlich dem grandios aufspielenden Mifune geschuldet, als auch musikalisch ist "Die verborgene Festung" nämlich eigentlich über jeden Zweifel erhaben und ist auf dieser Ebene äußerst gehobene Genrekost. Der Nährboden für einen gelungenen Film sollte demnach gegeben sein.
                          Doch bereits hier offenbart der Film erste Schattenseiten, indem er die Fokussierung zu stark auf die zwei sich ständig selbst bekämpfenden Bauern, durch die die Handlung ein wenig zu eintönig erscheint, gelegt wird, anstelle die Schwerpunkte etwas ausgewogener auf die restlichen Charaktere zu verteilen, was den Zuschauer bereits zu Beginn erste Wurzeln der Unzufriedenheit schlagen lässt.
                          Insgesamt wirkt der Film durch diese Entscheidung auch etwas zu sehr auf das Unterhaltungskino - eigentlich für Kurosawa eher untypisch - ausgelegt, zu gewollt witzig und folglich mit zu wenig Tiefgang versehen.
                          Es werden zwar auch hier wieder essenzielle Themen der japanischen Kultur, wie etwa die der Ehre, angerissen, aber eben nicht ganz so geschickt in die Handlung eingewebt, wie es beispielsweise bei einem seiner Großwerke "Die sieben Samurai" gelingt.
                          Zwar ist auch der Ideenreichtum und der damit verbundene Aufopferungswille des Charakters, den Mifune verkörpert, äußerst detailliert ausgearbeitet - so wirklich erreichen wollte mich das Ganze aber zu keiner Zeit.
                          Somit fehlt einfach insgesamt der Charme und die Unbefangenheit, mit der Kurosawa sonst immer in der Lage war, die Handlung voranzutreiben und dem Zuschauer somit Werte der fernöstlichen Kultur nahezubringen.
                          Glücklicherweise schafft es der Film im zweiten Abschnitt dann zumindest, insbesondere durch die asymmetrische Informationslage bezüglich der wahren Identität der 'Prinzessin', eine gewisse Eigendynamik zu entwickeln und fortlaufend durch wunderbar inszenierte Choreografien und stark bebilderte Verfolgungsjagden zu bestechen.
                          Nichtsdestotrotz war ich am Ende ein wenig enttäuscht und sehe "Die verborgene Festung" bis dato als Kurosawas schwächstes Werk an.

                          Viele schreckt dieser Kommentar mit seinem doch äußerst negativen Tenor jetzt sicherlich ab und steht vielleicht im ersten Augenblick im Konflikt mit der vergebenen Punktzahl.
                          Aber stellt euch bloß vor, ihr steht mit einem Freund vor einem wunderschönen Blumenbeet. Vereinzelte Blumen sind beim genaueren Hinsehen allerdings verwelkt. Wo bleibt euer Blick wohl unweigerlich hängen und auf was macht ihr euren Freund in Folge dessen dann zuerst aufmerksam? Auf das wunderschöne Beet oder eben auf genau diese verwelkten Blumen?

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                          • Mr_Phil 18.06.2016, 23:51 Geändert 18.06.2016, 23:52

                            Beeindruckender Kommentar.
                            Bin ja selbst ein absoluter Fan von Lynch (somit natürlich auch von diesem Werk) und habe jede einzelne Zeile von dir genossen.
                            Verdienter Beitrag zum Kommentar der Woche also - nicht nur des Filmes wegen! Sehr schön.

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                              Mr_Phil 14.06.2016, 08:57 Geändert 07.07.2016, 14:38

                              Wie sicher ein Jeder von euch weiß, bin ich ein äußerst großer Lynch-Fan.
                              Dass ich nun den ersten Kommentar zu einem seiner Werke verfassen darf, erfüllt mich zugegebenermaßen ein wenig mit Stolz.
                              Auch wenn ich jetzt vielleicht nicht viele Worte verlieren werde, so sind es doch Worte, die hoffentlich eine breite Masse erreichen, damit 'Industrial Symphony No. 1: The Dream of the Broken Hearted' ein wenig mehr Beachtung in Lynchs Filmografie geschenkt bekommt.

                              Eigentlich sind Musikfilme ja so gar nicht mein präferiertes Genre, doch Lynch persönlich ist es erneut, der mir zeigt, dass auch diese Art von Film durchaus zu beeindrucken vermag.
                              Der Film beginnt mit einem Telefonat zwischen Dern und Cage - Zufall oder pure Absicht? (Stichwort 'Wild at Heart') - und beginnt anschließend mit dem Verabeitungsprozess einer jungen Frau, die mit einem gebrochenen Herz zurückgelassen wurde.
                              Was nun folgt ist also eine Reflexion der Seelenlage dieser Frau, verarbeitet in einer Art Traumsequenz und fantastisch umgesetzt durch ausgewählte Songs.
                              Immer wenn die Stimme von Julee Cruise, unterlegt von den Klängen aus der Feder von Badalamenti stammend, einsetzte, bekam ich Gänsehaut und konnte meine Augen nicht von ihr lassen.
                              Beachtlich ist zudem, dass Lynch im weiteren Verlauf dieser Symphonie wesentliche Motive seiner späteren Werke bereits hier zum Einsatz bringt. Sei es der vorkommende Baumstamm, der später in 'Twin Peaks' eine Rolle spielen wird oder das eingesetzte (blaue) Lichtspiel, welches beispielsweise sowohl in 'Lost Highway' als auch in 'Mulholland Drive' einprägsame Elemente darstellen - all das wird einfach perfekt zusammengefügt und wird dadurch atmosphärisch zu einer Meisterleistung.

                              Ich bin fasziniert und beeindruckt zugleich, welche Sogkraft dieses 50-minütige Musical insgesamt entwickelte.
                              Egal was Lynch anfasst - es wird scheinbar zu Gold.
                              Ganz gewiss bin ich auch nicht das letzte Mal in die Traumwelt einer Frau hinabgestiegen, die über ihren Herzschmerz singt und mein somit Leben für diese Zeitspanne ein wenig erträglicher gemacht hat.

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                                Mr_Phil 09.06.2016, 12:11 Geändert 09.06.2016, 12:21
                                über Ekel

                                Einsamkeit und Entfremdung.

                                Ich höre das Ticken der Uhr in meinem Kopf.
                                Es wird immer lauter. Es hämmert und hämmert und lässt mich nicht zur Ruhe kommen. Was ist nur los mit mir?
                                Die Wohnung ist mir fremd, die Luft schmeckt ganz anders und die Straßen in der Welt da draußen führen ins Nichts - drehe ich mich etwa im Kreis?
                                Ich bin überfordert mit den Alltäglichkeiten des Lebens, flüchte mich in Tagträume - verliere ich langsam die Kontrolle?
                                Die Wände kommen auf mich zu, scheinen mich zu verschlucken, lassen mich nicht mehr los. Was ist überhaupt noch real, was bilde ich mir ein?
                                Ich bin unfähig, ernsthaften Kontakt zu Männern aufzubauen. Ich ekel mich regelrecht von ihnen, sie widern mich an.

                                Ich glaube ich muss hier 'raus.
                                Doch ich scheine gefangen in dieser Großstadt, gefangen in meinen eigenen Ängsten und Sorgen, gefangen in meinem eigenen Kopf.

                                Einsamkeit und Entfremdung.

                                Genau das sind zentrale Motive aus Polanskis 'Repulsion', welche zunehmend in einen Realitätsverlust umschlagen.
                                Es ist aber nicht bloß die gekonnte Inszenierung derer, die den Zuschauer dabei selbst paranoid werden lässt - es ist auch der subtile Spannungsaufbau, der die Luft zum Atmen für einen immer dünner und dünner werden lässt.
                                Am Ende sitzen wir dann in unserer Wohnung, aus der wir einfach nur noch fliehen möchten, denn alles ist plötzlich so fremd. Ein unbehagliches Gefühl überkommt uns. Wir sind uns selbst überdrüssig geworden, ekeln uns selbst an und das Schlimme ist - es gibt scheinbar keinen Ausweg, auch wenn wir es uns so sehr wünschen würden.

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                                  Mr_Phil 06.06.2016, 14:00 Geändert 06.06.2016, 14:22

                                  So schnell hast du dich also wieder verliebt, obwohl du dachtest, es würde eine halbe Ewigkeit dauern.

                                  Es fühlt sich dabei auch immer so an, wie als wäre es das erste Mal.
                                  Die betörenden Bilder ziehen dich in den Bann, die Farbgebung spiegelt deine eigene Seelenlage wider, die getragenen Kostüme sind dir wie auf den Leib geschneidert und spätestens die eindringliche musikalische Untermalung lässt dich dann daran erinnern, wieso du dieses Medium Film an sich so sehr ins Herz geschlossen hast.
                                  Es ist wie ein Anflug von purer Ekstase, die dich überkommt und 120 Minuten nicht mehr los lässt - das ist der Grund, wieso du Filme schaust.
                                  Kurioserweise immer dann, wenn du gerade denkst, du wirst dieses Gefühl nie mehr spüren, fällt dir ein Film wie "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" dann in deine Hände und lässt deine alte, schon fast vergessene Liebe wieder aufflackern.
                                  Es ist wie ein scheinbar verschollener Freund, der plötzlich vor dir steht, du aber sofort weißt, dass er es ist - von der ersten Sekunde an.
                                  Du hast es schon fast aufgegeben, warst müde vom Warten - aber am Ende hat sich all das doch letztendlich gelohnt, denn du bist überglücklich und möchtest ihn nie mehr gehen lassen.

                                  Jeder sieht in Filmen vielleicht auch etwas anderes.
                                  Metaphorisch gesehen ist es vielleicht eine Art Liebe, ein guter alter Freund oder schlichtweg das, was es eben am Ende ist - ein Film, der dich auf ganzer Ebene überzeugt hat.
                                  Greenaways "Der Koch, der Dieb, seine Frau und ihr Liebhaber" ist für mich opulent inszeniertes Kino, welches durch den humoristischen Einschlag extrem bissig daherkommt und folglich gekonnt Kritik an der verschwenderischen Gesellschaft und dem Kapitalismus übt - grotesk und schonungslos.

                                  Ich hoffe jetzt, dass ich diesen alten Freund so bald wie möglich wieder sehe, denn das Treffen hätte kaum traumhafter sein können. Danke Greenaway für diese unvergesslichen Stunden.
                                  Alte Liebe rostet scheinbar doch nie.

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                                    Mr_Phil 01.06.2016, 08:29 Geändert 01.06.2016, 12:21

                                    Nächster Halt: 1500. Filmbewertung!
                                    ____________________________________

                                    Ich glaube ein Jeder hat sie und schämt sich wohl auch für sie - Filme, die als absolute Klassiker angesehen werden, von den meisten also bereits gesehen wurden, bloß von einem selbst irgendwie noch nicht.
                                    Ich bilde hier natürlich keine Ausnahme, weshalb ich dachte, dass dieses Jubiläum eine gute Möglichkeit darstellen könnte, etwaige Lücken endlich zu schließen.
                                    Sei es "Schindlers Liste", "Der Soldat James Ryan" oder endlich die Pate-Trilogie abschließen - meine Liste kann dahingehend fast beliebig lang weitergeführt werden und lässt mich immer ein wenig peinlich berührt zurück, wenn ich auf Filme aus dieser Liste angesprochen werde.
                                    Ich habe also überlegt, gerätselt und mich am Ende dann aber doch wieder für einen ganz anderen Vertreter entschieden.
                                    Ich habe mich für einen Film entschieden, der deutlich mehr Aufmerksamkeit verdient hätte und diese hiermit hoffentlich auch erhält.
                                    "L'eclisse" von Antonioni (übrigens auch gleichzeitig mein erster Film von ihm) ist nämlich ein filmischer Diamant, welcher von seinen großartigen 'Zwischentönen', also von den kleinen, ruhigen und dadurch scheinbar unbedeutenden Momenten, lebt.
                                    ____________________________________

                                    Wir drehen uns im Kreis.
                                    Es hat sich nichts verändert.

                                    Vielleicht muss man ein Filmliebhaber sein, um von der Kraft der Bilder erschlagen zu werden - vielleicht muss man aber auch einfach bereit sein, sich darauf einzulassen, sich dem Sog also hinzugeben.
                                    "L'eclisse" erzählt nämlich eigentlich von Nichts und doch von Allem ein bisschen.
                                    Was macht uns glücklich? Was hält uns davon ab, selbiges zu sein?
                                    Ist es die Unfähigkeit in der modernen Zeit zu lieben, uns dem gegenüber also nicht öffnen zu wollen?
                                    Oder ist es die Leere ins uns, die einen Jeden von innen heraus auffrisst?
                                    Oder ist es vielleicht gar die Verzweiflung, die nach dem Scheitern aufkommt, welche uns letztendlich unsicher und nachdenklich werden lässt?
                                    Denkanstöße, die einen zur Reflexion zwingen und auch noch lange Zeit nachhallen werden. Das ist vielleicht auch das, was ganz große Filmkunst ausmacht.

                                    Die stilistische Farbgebung spielt hierfür dann auch eine bedeutende Rolle, sie passt sich perfekt an die Stimmung des Films an und wird exzellent ausgearbeitet - die verwendeten Graufstufen aus den tristessen Momenten werden in Momenten des Glückes nämlich gewissermaßen aufgebrochen und durch hellere Einstellungen ersetzt, wodurch sie einen Kontrastpunkt bilden und somit den Effekt der vorherrschenden Gegensätze verstärken.
                                    Antonioni arbeitet insgesamt mit diversen solcher Kleinigkeiten, mit den zwischenmenschlichen Interaktionen an sich und serviert dem Zuschauer folglich nicht alles mit einem Paukenschlag. Eher beiläufig müssen wir also selbst zu einer Erkenntnis kommen, den Film spüren, ihn in uns aufnehmen.
                                    Das Resultat ist dann dabei aber eine zutiefst ehrliche und äußerst schmerzhafte Auseinandersetzung mit dem menschlichen Sein.

                                    Wir drehen uns im Kreis.
                                    Es hat sich nichts verändert und das wird es auch nicht.
                                    Das Leben ist aber eben nun mal vielleicht genau so, auch wenn wir es uns oftmals nicht eingestehen möchten.

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                                      Mr_Phil 28.05.2016, 11:35 Geändert 30.05.2016, 09:36

                                      Ich weiß gar nicht mehr ganz genau, wie alt ich damals war, aber ich schätze mal, dass ich so um die 16 oder 17 gewesen sein muss.
                                      Es war ein wirklich schöner Sommer in diesem Jahr. Das Wetter war fantastisch und ich hatte erst kürzlich ein äußerst attraktives Mädchen kennen gelernt.
                                      Mein Herz hat jedes Mal, wenn ich sie gesehen habe, ein bisschen schneller geschlagen und ich habe mich regelmäßig dabei ertappt, dass ich, wenn sie mich dann auch angesehen hat, anfing zu grinsen. Ja, sie war unglaublich schön und hat mich wirklich verzaubert. Ich war wohl das erste Mal so richtig verliebt.
                                      Manche Zeiten im Leben bleiben einem scheinbar ewig im Gedächtnis, denn noch heute sehe ich ihre braunen Haare im Wind wehen und spüre die laue Luft dieser Sommernächte auf meiner Haut.

                                      Diese Liebe ist aber schon ein komisches Phänomen, findet ihr nicht auch?
                                      Sie kann dich zum glücklichsten oder aber auch zum unglücklichsten Menschen machen - einfach so, von jetzt auf gleich.
                                      Wie sich in meinem Sommer heraustellen sollte, machte sie mich leider zum unglücklichsten Menschen.
                                      Ich habe nämlich im Laufe der Zeit feststellen müssen, dass sie wohl nicht die gleichen Gefühle für mich hegte wie ich für sie.

                                      Unwissend über den Ausgang habe ich also versucht, soviel Zeit wie nur möglich mit ihr zu verbringen. Ich wollte immer in ihrer Nähe sein, einfach ihre Anwesenheit spüren und jede freie Sekunde mit ihr teilen. Sie sagte mir ständig, wie sehr sie mein Lachen doch liebt.
                                      Ihr könnt euch nicht vorstellen, wie glücklich ich in diesen Momenten dann war. Ich dachte auch, all das würde ewig genau so weitergehen und ich würde somit für immer auf dieser Welle des Glückes reiten, ja ich dachte sie würde niemals brechen.
                                      Meine Güte, wie falsch ich damit letzten Endes doch lag.
                                      Rückblickend war dies alles wohl meinem jugendlichen Leichtsinn geschuldet - aber waren wir nicht alle irgendwie so und dachten, dass wir die ganze Welt in unseren Händen halten und nichts unmöglich erscheint?

                                      Wir gingen bei unseren Treffen dann oft spazieren, haben bis spät in die Nacht in ihrem Garten gesessen, über Gott und die Welt geredet und ich entwickelte dadurch immer mehr und mehr Gefühle für sie.
                                      Das Problem an der Sache war natürlich, dass ich eben mehr von ihr als sie von mir wollte.
                                      Schon interessant, wie weit Wirklichkeit und Fiktion in manch dieser Situation dann auseinander lagen - aber Liebe macht ja bekanntlich blind.
                                      Die Tage und Wochen vergingen dann, der Sommer neigte sich langsam dem Ende entgegen.
                                      Ich wurde unruhig, denn die unerwiderten Gefühlen setzen mir nun schwer zu.
                                      Ich schlief schlecht, habe melancholische Musik gehört und hatte praktisch nur sie im Kopf. Wieso erging es ihr nicht einfach genauso?
                                      Irgendwie schwammen wir doch auf unterschiedlichen Wellen, was ich aber nie wirklich realsiert habe oder vielleicht auch einfach nicht realisieren wollte. Unsere Wege mussten sich folglich irgendwann trennen.

                                      Als ich einige Zeit danach erfahren musste, dass sie sich in einen anderen Typen verliebt hat, schien sich meine Welt für einen kurzen Moment aufgehört haben zu drehen. Mein Kartenhaus fiel von der einen auf die andere Sekunde endgültig in sich zusammen.
                                      Meine Träumereien haben also somit ein abruptes Ende genommen und ich war auf dem harten Boden der Tatsachen angekommen. Die Hoffnung hatte man ja doch die ganze Zeit über irgendie nie so ganz aufgeben wollen.
                                      Die Leichtigkeit des Seins war also plötzlich verschwunden und musste einem depressiven Tief weichen.
                                      Wenn ich heute so darüber nachdenke, war das vielleicht die prägendste Zeit meiner Jugend. Abschied nehmen von der einst unbeschwerten Zeit und direkt hinein in den ersten Herzschmerz - das Leben ist nicht immer fair.
                                      Jetzt, Jahre später, wenn wir uns zufällig über den Weg laufen, blicke ich mit einem lachenden und einem weinenden Augen auf eben genau diese Zeit zurück und realisiere, dass Zeit keine Wunden heilen kann - wir gewöhnen uns nur an den Schmerz und finden einen Weg, damit umzugehen.

                                      Was lernen wir aber jetzt daraus?
                                      Unerwiderte Liebe ist mit das Schlimmste, was einem wiederfahren kann.
                                      Ich konnte den Hauptprotagonisten Tom aus '(500) Days of Summer' somit nicht nur verstehen, ich habe mich sogar wie er gefühlt - ich war im Prinzip 90 Minuten lang Tom, durchlief nochmal die einzelnen Stadien dieses wunderschönen Sommers, der für mich und auch für ihn leider kein glückliches Ende nehmen sollte.
                                      Toms Gefühle wurden nämlich nie erwidert - wie eben auch meine nicht von diesem Mädchen, in welches ich unsterblich verliebt war.
                                      Manches soll im Leben aber wahrscheinlich einfach nicht sein und passiert aus einem bestimmten Grund.
                                      Aus genau diesen schmerzlichen Erfahrungen lernt man dann nämlich und geht viel größer aus ihnen heraus.
                                      Was dich nicht umbringt, macht dich schließlich nun mal nur stärker.
                                      Wie wahr, wie wahr, wenngleich Tom und ich das zum erlebten Zeitpunkt wohl leider nicht so sehen konnten. Zum Glück folgt nach jedem Sommer aber auch ein Herbst, der vielleicht ja ganz neue Möglichkeiten für einen bereithält - wir müssen es nur zulassen.

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                                      • Mr_Phil 27.05.2016, 10:30 Geändert 27.05.2016, 10:31

                                        Dem einen wird es vielleicht aufgefallen sein, dem anderen hingegen nicht - ich war aber bis heute 5 Tage inaktiv hier auf moviepilot. Grund: Städtetrip nach Prag.
                                        Falls ihr selbst noch nicht dort wart, holt es unbedingt nach. Es ist eine wirklich wunderschöne Stadt.
                                        Ich hoffe, ich habe in der Zeit nicht allzu viel verpasst und ihr seid mir auch nicht böse, dass ich diverse Beiträge von euch nicht gelesen habe!
                                        Also, ab jetzt wird dafür wieder angegriffen - wir lesen/schreiben uns :)

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                                        • 7 .5

                                          Deusfantasy und Mr_Phil im Kampf für Gerechtigkeit und gegen Rassismus in "To Kill a Mockingbird".
                                          #5 unserer persönlichen Kommentar-Reihe, bei der jeden Monat eine weitere Rezension von uns beiden folgt.

                                          Im frühen Kindesalter war ich oft krank und mein Immunsystem schien scheinbar noch nicht bereit für das große Leben da draußen zu sein.
                                          Aus diesem Grund sind wir eines Tages zu einer Mutter-Kind-Kur gefahren. Ich erinnere mich an nicht mehr sonderlich viel, was ich als ganz kleiner Junge erlebt habe, aber das hier ist mir bis heute in Erinnerung geblieben.
                                          Ich war also ziemlich schwach, zierlich und hatte somit Probleme, mit den anderen in meinem Alter mithalten zu können. Nicht, dass ich nicht alles versucht hätte - irgendwie waren die Ungleichheiten aber doch immer recht schnell offensichtlich und ließen mich zu einem Außenseiter werden.
                                          Auf dieser Kur habe ich dann aber diesen farbigen Junge, welcher ein ähnliches Schicksal wie ich teilte, kennengelernt.
                                          Damals konnte ich mir keinen Reim darauf machen, wieso dem so war, denn er war bestimmt 1-2 Jahre älter, gefühlt doppelt so groß wie ich und auch vom Körperbau her mir doch deutlich überlegen. Wieso aber war er trotzdem immer alleine und wurde von keinem beachtet?
                                          Eines Mittags kam er dann auf mich zu. Wir verstanden uns auf Anhieb sehr gut und er war fortan auch eine Art Beschützer für mich.
                                          Klingt vielleicht doof, aber ohne ihn hätte ich wohl keine Freunde dort gehabt.
                                          Wir Außenseiter haben uns also zusammengeschlossen, hatten Spaß und es entstand eine Art Freundschaft, welche aber leider nur von kurzer Dauer sein sollte, denn er war schon eine Weile vor mir hier angekommen.
                                          Am letzten Tag seiner Kur habe ich ihn schließlich gefragt, wo er denn wohne. Er hat geantwortet, dass ich durch vier Brücken hindurchfahren muss und dann wäre ich auch schon bei ihm.
                                          Diese Beschreibung zaubert mir auch noch heute in stillen Momenten ein kleines Lächeln in mein Gesicht, wenn ich daran zurück denke.
                                          Ich weiß zwar nicht, wieso ich genau diesen Wortlaut noch exakt im Kopf habe, manche Sachen vom Vortag aber bereits heute nicht mehr weiß - das Leben ist eben einfach kurios.

                                          Ich habe diesen Jungen seither natürlich nicht mehr gesehen und werde ihn wohl auch nicht mehr sehen, dafür war die Wegbeschreibung dann leider doch zu ungenau. Möglicherweise hat er seitdem auch keinen weiteren Gedanken mehr an mich verloren, aber diese eine Sache habe ich ihm, unabhängig davon, ganz bestimmt zu verdanken: er hat meine Vorurteile gegenüber Farbigen und Minderheiten bereits im frühen Alter im Keim ersticken lassen.

                                          In "To Kill a Mockingbird" überschattet eben genau diese angedeutete Problematik, nämlich der aufkeimende Rassismus, die sonstige Kindheitsidylle von Scout, der Erzählerin der Geschichte, und ihrem Bruder Jem in den 1930ern in den Südstaaten der USA.
                                          Diese Misstände in der Gesellschaft sind aber heutzutage keineswegs weniger aktuell, wie mein Beispiel mit dem kleinen Jungen andeutet, weshalb der Film noch immer zu packen vermag und einen Nerv trifft.
                                          Der Vater Atticus will seine Kinder Scout und Jem vor all diesem Unheil im Verlauf der Geschichte natürlich stets beschützen, doch vor Unmenschlichkeit und Rassismus kann man sich nicht schützen - man muss aktiv dagegen vorgehen.
                                          Genau das macht er dann auch und geht folglich als gutes Beispiel voran, was jedoch nicht überall auf positive Resonanz stößen wird. Er geht seinen Weg aber trotzdem - oder gerade deshalb - unerbittlich weiter und lässt sich von niemandem davon abbringen, wenngleich sein Vorhaben eigentlich aussichtslos erscheint.
                                          Ich persönlich konnte mich mit Atticus identifizieren und würde zu jeder Zeit genauso handeln - allein für meinen ersten richtigen "Freund", welcher mir gezeigt hat, dass es keinen Platz für Rassismus auf dieser Welt gibt, da wir alle Menschen sind, ganz gleich welche Hautfarbe wir haben.

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                                          • Mr_Phil 21.05.2016, 11:25 Geändert 21.05.2016, 11:25

                                            Ich freue mich, dass endlich ein Kommentar der Woche zu E.T. geschrieben wurde.
                                            Noch mehr freue ich mich aber, dass er aus deiner Feder entsprungen ist :)
                                            Sehr schön geschrieben und auch ich habe bei diesem Film mit den Tränen gekämpft - wie du siehst, können folglich auch die Großen weinen :)

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                                            • 9 .5

                                              Wie definiert man etwas, was abstrakter kaum sein könnte?
                                              Liebe.
                                              Das Gefühl geliebt zu werden, ist für viele Menschen von höchster Bedeutung. Doch hinterfragt man, was diese Liebe eigentlich ausmacht, findet man kaum zufriedenstellende Antworten.
                                              Ein warmes Gefühl in der Magengegend, ein dauerhaft positives Befinden, wenn der Geliebte in der eigenen Gegenwart ist.
                                              Aber was genau ist denn diese Liebe von der alle immer reden?
                                              Was genau steckt wirklich dahinter?
                                              Ist sie fassbar, ist sie denn noch irgendwie anders greifbar?

                                              Viele Menschen suchen ihr ganzes Leben nach ihr und werden dabei nie fündig.
                                              Was ist aber, wenn diese Liebe auch gar nicht exisitiert, wenn sie nur eine Illusion menschlichen Daseins und es dadurch lediglich eine Art Stütze ist, damit die Menschen an etwas glauben können, um verschiedene Handlungen begründbar zu machen?
                                              "Ich habe es aus Liebe getan".
                                              Ein Satz, welcher hinsichtlich der möglichen Nichtexistenz der Liebe falscher folglich nicht sein könnte.
                                              Aber an irgendetwas muss man sich schließlich klammern, das war doch schon immer so. Wir Menschen brauchen das scheinbar.

                                              Auch Tomek ist in 'Ein kurzer Film über die Liebe' verliebt. Er hält an genau diesem Gedanken fest, bis er es nicht mehr aushält, bis er unter der Last zusammenbricht.
                                              Denn leider ist er dabei in jemanden verliebt, der so überhaupt gar nicht glaubt, dass es so etwas wie Liebe geben könnte.
                                              Wie soll das je funktionieren?
                                              Diese Konstellation könnte folglich tragischer kaum sein und sowieso scheint sein Vorhaben dadurch von Anfang an zum Scheitern verurteilt.
                                              Tomek versucht im Verlauf der Geschichte aber trotzdem alles erdenkliche, um seiner Liebe möglichst nahe sein zu können.
                                              Für dieses Gefühl der Liebe geht er somit auch weiter, als jemals zuvor in seinem Leben.
                                              Ironischerweise scheint es nämlich gerade in den dunkelsten Stunden als ausreichend, wenn man weiß, dass sie einfach da ist.
                                              Sie war wohl auch schon immer da und wird es immer sein - wir müssen vielleicht einfach nur daran glauben.

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                                              • 8 .5
                                                Mr_Phil 13.05.2016, 17:32 Geändert 14.05.2016, 08:18

                                                Manche Nächte, so scheint es jedenfalls, wollen einfach nie enden.
                                                Das vor mir stehende Glas ist eigentlich schon längst leer, es war auch das Letzte für heute.
                                                Eigentlich wäre es jetzt Zeit für mich zu gehen. Aber irgendwie will ich nicht, irgendetwas hindert mich, hält mich davon ab.
                                                Ich blicke durch den Raum. Es sind unzählige Menschen um mich herum, doch mein Blick fällt plötzlich auf eine weitere verlorene Seele, wie ich sie selbst eben bin und sie kommt mir auch irgendwie direkt bekannt vor.
                                                Denkt sie, fühlt sie denn genauso wie ich?
                                                Kommt sie sich auch so alleine vor?

                                                Die Musik um mich herum wird immer leiser, bis sie nicht mehr zu vernehmen ist.
                                                Ich schaue nur sie an. Immerzu. Sie ist so wunderschön und raubt mir den Atem.
                                                Was hat sie hierher verschlagen?
                                                Wieso blickt auch sie lächelnd zu mir hinüber?
                                                Ich saß dann noch eine Weile an meinem Tisch. Nichts geschah, weder von ihr noch von mir aus. Wir haben uns nur immer wieder angesehen und angelächelt.
                                                Ich für meinen Teil kann sagen - Angsthase bleibt eben Angsthase. Was sie gehindert hat, weiß ich bis heute leider nicht.
                                                Aber mal ehrlich - was hätten wir denn zu verlieren gehabt?
                                                Irgendwann ist sie dann auch aufgestanden. Sie ist zur Tür gelaufen und verschwunden.
                                                Raus in die Nacht.
                                                Weg. Für immer.
                                                Die Tür fiel wieder ins Schloss. Der Moment war vorbei.
                                                Ich saß dann wieder alleine vor meinem leeren Glas und war versunken in meinen einsamen Gedanken.
                                                Ich weiß, manchmal sieht man sich zweimal im Leben. Manchmal aber eben auch nicht, wie in diesem Fall.

                                                Ich bin so unendlich froh, dass es bei Bob Harris und Charlotte in 'Lost in Translation' anders gelaufen ist, sie somit nicht denselben Fehler wie wir damals gemacht haben und glücklicherweise letztendlich aufeinander zugegangen sind.
                                                Eine kleine Geste reicht völlig aus. Ein Getränk an den anderen Tisch bringen lassen und alles nimmt seinen Lauf.
                                                Ihre Wege sollen sich von da an nämlich, nachdem dieser erste Schritt getan war, noch mehrfach kreuzen.
                                                Sie erleben in Folge dessen unvergessliche Stunde zusammen, führen tiefsinnige Gespräche und es deutet sich gar eine Romanze zwischen ihnen an.
                                                Sie fühlen sich beide fremd, teilen ein ähnliches Schicksal und fühlen sich wohl genau deshalb auch voneinander so verstanden, obwohl sie sich kaum kennen.
                                                All das, was uns damals vielleicht entgangen ist, erleben die beiden in Tokio.
                                                Wenn ich oder sie doch nur diesen einen Schritt aufeinander zugemacht hätten - aber vorbei ist vorbei.
                                                Das Leben ist ohnehin eindeutig zu kurz, um solchen verpassten Chancen nachzutrauern.
                                                Stattdessen sollte man auf Neue warten, um sich endlich selbst in einer solchen Nacht, wo dann zwei grundverschiedene Welten aufeinander prallen werden, zu verlieren.
                                                Verloren zwischen den Welten - lost in translation, was auch immer das für jeden Einzelnen von uns schlussendlich bedeuten mag.

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                                                  Mr_Phil 10.05.2016, 11:34 Geändert 10.05.2016, 12:28

                                                  Nach dem äußerst intensiven Auftakt der Farben-Trilogie lässt Kieślowski in 'Weiss' leider wesentliche Elemente, welche den Vorgänger 'Blau' noch so auszeichneten, zumeist vermissen.

                                                  Inszenatorisch wird die Farbe 'Weiss' nämlich längst nicht mehr so herausragend in die Handlung eingebettet, die Abhandlung der Gleichheit wird folglich nur noch schemenhaft ersichtlich und auch sonst bewegt sich der Film leider inhaltlich auf weitesgehend uninteressantem Gebiet.
                                                  Weder die komödiantischen Einflüssen wollen so recht gefallen, noch kann die erzwungen wirkende Rahmenhandlung rund um den gebrochenen Ehemann, welcher im Laufe der Spielzeit dann immer weiter aufsteigt und sich so gewissermaßen an seiner Frau, die ihm zuvor wegen des fehlenden Vollzugs der Ehe (aus sexueller Sicht) die Scheidung einreichte, rächen will, vollends überzeugen und den Zuschauer folglich nie derart vereinnahmen, wie es die Farbe 'Blau' noch zuvor im Stande war.
                                                  Dass kein unbedingt schlechter Film vorliegt, darf in diesem Zuge jedoch nicht oft genug betont werden - die Erwartungshaltung, welche durch den herausragenden Vorgänger entstanden ist, scheint jedoch einfach zu hoch gewesen und somit zu einer zu großen Bürde für 'Weiss' geworden zu sein.
                                                  Da mir das Projekt, alle drei Farben thematisch abzuarbeiten, jedoch bisher insgesamt von der Idee her äußerst zusagt, komme ich - zumindest hier - um eine gnädige positive Wertung nicht herum - seine gelungenen Momente hatte 'Weiss' ja schließlich trotz all der genannten Kritikpunkte.

                                                  Hoffen wir also, dass es mit der kräftigeren Farbe 'Rot' nun inszenatorisch auch wieder etwas kräftiger bzw. interessanter wird und es Kieślowski wieder schafft, an den schönen ersten Teil anzuknüpfen.

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                                                    Mr_Phil 08.05.2016, 12:43 Geändert 08.05.2016, 18:53

                                                    Blau.
                                                    Die leuchtende Kraft dieser Farbe durchzieht den ganzen Film.
                                                    Sie schimmert durch jede Faser, sie gibt dem Zuschauer den nötigen Halt und bildet die nötige Stütze.
                                                    Sie ist der kleinste gemeinsame Nenner, durchdringt den kompletten Körper, lässt einen schlichtweg nicht mehr los.
                                                    Sie überdeckt die Narben der Vergangenheit, spendet Hoffnung für die Zukunft.
                                                    Die Farbe Blau steht für Freiheit.
                                                    Doch wie wird diese Freiheit definiert, wenn zuvor alles verloren wurde, was man liebte - einschließlich dem eigenen Ich?
                                                    Es ist die Chance, alles auf Anfang zu setzen.
                                                    Doch wo beginnt man, wo hört man auf, wenn nichts mehr ist, wie es einst war?
                                                    Verloren im Hier und Jetzt, verfolgt von den inneren Dämonen - wie soll es nur weitergehen, wenn du nicht weißt, an wen du dich jetzt noch wenden kannst?

                                                    Ein Unfall zerstört auf einen Schlag eine ganze Familie.
                                                    Doch dann ist da diese Farbe Blau, die vielleicht schon immer da war, aber jetzt doch omnipräsent erscheint.
                                                    Die Farbe des Wassers wirkt nun kräftiger, der Himmel scheint ein wenig heller zu sein, das getragene Kleid erstrahlt in neuem Glanze und selbst die eigentlich so verstaubte Lampendekoration durchdringt ein warmes bläuliches Schimmern.
                                                    Das ist die ersehnte Freiheit, das ist das Leben - du musst nur genau hinsehen und dich öffnen.

                                                    Es bleibt jetzt also nur noch eine ehrfürchtige Verneigung meinerseits übrig für eine solch gelungene Inszenierung der Farbe Blau.
                                                    Die Vorfreude auf die weiteren Farben Weiß und Rot sind hiermit stetig am Steigen.
                                                    Ein Zwischenfazit kann an dieser Stelle aber ganz gewiss trotzdem schon gezogen werden - die Farbe Blau war niemals schöner.

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