Dergestalt - Kommentare
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Alle Kommentare von Dergestalt
Takashi Miike sticht selbst im Kontext des japanischen, oft überdrehten Genrekinos als besonders willkürlicher Regisseur hervor. Und mit "Gozu" liefert er sicher einen seiner willkürlichsten Filme. Zunächst ist es bloß die alte Gangsterstory um eine Leiche, die entsorgt werden soll, dann aber plötzlich verschwindet. Die Suche nach dem Ding gerät bei Miike allerdings sofort zu einer regelrechten Skurrilitätenrevue. Jede Szene scheint für sich die einzige, weirdeste sein zu wollen, oft verliert sich die eigentliche Handlung. Vor allem bleiben mehr oder minder kontextlose Posen und überdrehte Charaktere. Miike wirft wie nicht viele Regisseur*innen die Frage auf, wie sehr ein Film freidrehen kann, um noch in irgendeiner Form konsistent zu sein. Im Falle von "Gozu" bleibt von der Konsistenz über weite Strecken jedenfalls wenig. Dafür viel gesuchte Provokation mit Brustmilchfetischen, Küchengerätstimulanzien oder einem rotierenden Hund an langer Leine. Erst gegen Ende scheint "Gozu" zu einer Thematik zu finden, die der japanischen Mythologie ebenso anzuhängen scheint wie der im japanischen Kino oft thematisierten unterdrückten (Homo-)Sexualität. "Gozu" bestätigt sich dabei als das, was er eigentlich ist: Ein manischer Fiebertraum, der Verdrängtes fragmentarisch an die Oberfläche schwemmt und es dort grell, poppig und komödienhaft zelebriert. Bis am Ende niemand mehr lacht. Das ist konsequent und bringt Miike vom selbstherrlichen Comedy-Trash zum transgressiven Kino.
Machtkampf der Eitelkeiten. Eine Gruppe wohlsituierter Männer duelliert sich auf einer Luxusyacht. Gewinner wird, wer in allem der Beste ist. Genauere Maßgaben gibt es nicht und damit setzt Athina Rachel Tsangaris Kammerspiel voll am Problem an: Wettkampf, Duell, Maximierung ohne endgültiges Ziel, aber um jeden Preis. Klar, dass damit der von weißen Männern gemachte Kapitalismus gemeint ist. Daraus speist sich ein Plot, den ein Til Schweiger gerne zur Prolo-Komödie geritten hätte, der von Tsangari aber angenehm subtil und lakonisch präsentiert wird. In matten Farben, mit viel Dialog und wenig Schauwerten verweigert sich der Film selbst jeglicher Kraftmeierei. Auch sind die Duelle der Männer überraschend körperlos, überraschend pointenlos, darin durchaus absurd. Viele feine Beobachtungen und die Vermeidung billiger Klischees machen "Chevalier" zu einem ernstzunehmenden Film jenseits schriller Komödienkost. Eine Stärke, die bald aber auch zur Schwäche reicht. Denn ohne wirklich prägnante Szenen bleibt "Chevalier" am Ende wenig eindrücklich, langweilt bisweilen. Generell wäre auch etwas mehr Schärfe nicht schlecht gewesen. So bleibt der Film im Ganzen ebenso blass und ungreifbar wie jene, die tatsächlich die Mächtigen sind. No damage done.
Dass vielen Filmen Yorgos Lanthimos' ein greifbares, wenn auch groteskes Gedankenmodell zugrundeliegt, ist bekannt. Meist handeln seine Werke von totalisierten Gesellschaftssystemen, in denen Individuen gerade so viel Platz bleibt, dass sie ihre nötigsten Bedürfnisse ausleben können. Und oft führen gerade diese Bedürfnisse, vor allem solche nach Nähe und Körperlichkeit, zu einem leisen Kollaps, worunter vor allem die Figuren, nicht so sehr die Systeme leiden. So lakonisch Lanthimos' Filme sind, so zynisch letztlich ihr Fazit.
Lanthimos "Dogtooth"-Nachfolger "Alpen" hält seine Prämisse erstaunlich lange im Unklaren und bleibt auch im Weiteren an Vexier- und Rollenspielen interessiert. Für die Zuschauer*innen bedeutet das eine nicht unerhebliche Eigenarbeit. Figuren, die andere Figuren verkörpern, die zwischen Spiel und Realität so munter wechseln, dass beide Kategorien bald nicht mehr zu trennen sind. Gerade darin liegt die Spannung des Films, zugleich aber auch seine Unschärfe. Dabei ist Lanthimos gerade dann am stärksten, wenn er seine Szenarien deutlich konturiert, in deren Vertiefung dann aber rätselhaft bis irritierend wird. Kontrastspannung. Hier ist von Beginn an nichts deutlich, vieles diffus, sodass "Alpen" weniger von einer überraschenden Dramaturgie als von seinen starken, eindringlich gespielten Szenen lebt. Die meisten lassen schon für sich genommen erstaunliche Einblicke in das schwierige menschliche Wesen zu. Und darum geht es Lanthimos letztendlich. Auch "Alpen" verlässt man nicht ohne schwere Nachgedanken.
Allgemeine Streaming-Info: Obwohl der Film auf Mubi um 0:00 Uhr abgelaufen ist, hätte ich ihn über diese Zeit noch fertigschauen können (habe um 23 Uhr mit der Sichtung begonnen).
Individuelle Tragik: Um 0:30 Uhr ist mein Internet abgestürzt. Eine Rückkehr zum angefangenen Film war nicht mehr möglich.
Schaut man sich den Beginn von "Tag" an, könnte man meinen, Shion Sono hätte seine düster-irrealen Welten gegen schieren Splattertrash getauscht wie man ihn im japanischen Raum ja durchaus kennt. Aber stimmt natürlich nicht. Sono nutzt die diversen Klischees dieses und vieler weiterer Genres nur, um daraus einen voyeuristischen wie feministischen Metafilm zu gestalten. Und von der Metaebene aus lassen sich die Stimmungen genüsslich abrupt wechseln. Splatter, Coming-Of-Age, Mystery oder Science-Fiction - alles Genres, die Sono beiläufig anzitiert. Zusammen mit plötzlichen Figurenhandlungen, prompten Wechseln im Soundtrack und irritierend hässlichem CGI-Splatter entsteht ein seltsam entrücktes Panorama, bei dem über weite Strecken unklar bleibt, ob Sono seinen freidrehenden Film überhaupt unter Kontrolle hat. Kurzweilig ist das Ganze jedenfalls und fängt sich gegen Ende sogar erstaunlich konsequent ein. Je weniger der Film dann noch als surrealer Off-Beat-Streifen funktioniert, umso intensiver wird er schließlich als pessimistisches Charakterdrama, das von der Trash-Anlage kaum mehr etwas ahnen lässt. Horror- und Weirdhouse-Fans sind am Ende vielleicht enttäuscht, müssen aber auch zugeben, dass nur wenige Regisseur*innen so schonungslos durch die Register wechseln wie Sono.
"Kill List" ist ein Film, der je nach Perspektive eher ein Beziehungsdrama, eher das Psychodrama einer Person oder ein willkürliches Genrespiel ist. Ben Wheatlys frühes Werk über zwei pessimistische Killer, die zunehmend abartigere Dinge entdecken, zeigt schon zu Beginn mit harschen Schnitten und plötzlichen Stimmungsumschwüngen, dass die Handlung hier maximal unvorhersehbar funktioniert und das nicht auf die übliche, schicksalsschwer Nolan-hafte Weise. Vor allem sind es die unberechenbaren Figuren, die immer wieder plötzliche Handlungen lostreten und die Zuschauer*innen in deutlicher Ungewissheit lassen, was als nächstes kommt. Insofern bleibt Wheatleys dynamisch gefilmter wie klanglich untermalter Film nichts, was vorgegebenen Bahnen zu entsprechen scheint, sondern an verschiedenen Punkten jederzeit in verschiedene Richtungen gehen könnte. Dass damit auch eine gewisse Beliebigkeit bis Selbstherrlichkeit droht, ist offensichtlich und schließlich passiert es "Kill List" am Ende auch, dass nach irritierenden Schauwerten und plötzlicher Handlungsentwicklung eine großspurige Enthüllung steht, die zwar ihren Schockeffekt hat, angesichts der diffusen Ereignisse aber auch etwas zu verkürzt, fast platt wirkt. Dabei ist der Film als fragmentarisches, düsteres Werk ein wunderbares Beispiel für lebendige und deshalb bedrohliche Filmkunst.
Ein durchaus launischer Film ist "High Life" geworden. Deutlich verkopft mit steten Flashbacks, Voice-Over-Elementen und einer subtextschweren Sci-Fi-Versuchsanordnung, dann aber zunehmend assoziativ in seiner poetischen, 2001-haften Verschränkung von Geburtraum und Weltraum. In reduzierten Bildern, ätherischen Soundscapes und kühler Farbpalette erscheint der Weltraum abstrakt, während die Konflikte der Menschen zunehmend an Sinn und Zusammenhang verlieren. Steigen in diesem Setting sexuelle Gelüste auf, zeigen sie sich als eruptiv und immer nahe am absoluten Egoismus, als Vergewaltigung in verschiedenen Formen. Die Leistung Claire Denis' bleibt es trotz sperriger Einleitung eine konsequent eigene Welt zu gestalten, die in ihren Figuren und Handlungen nur skizziert bleibt und sich damit allem öffnet. Vor allem die Physis wird dann entscheidend, wobei sich die sonst eher in fragileren Rollen agierende Juliette Binoche als überraschend aggressiv und kühl herausstellt, fast ein wenig Lanthimos-Style. Überhaupt ist der die nächste Referenz, wobei von ihm vor allem die Kälte einer Versuchsanordnung bleibt, in der ein jedes Wesen letztlich mit sich selbst spielen muss, oder mit dem kalten Fleisch der Abwesenden. Pessimismus mit Stil.
Klassischer Okkult-Horror in Slow Mo. "Hagazussa" bietet alle bekannten Konstellationen und Motive des Horrorsubgenres. Eine junge Frau wächst als Außenseiterin in einer Gesellschaft auf, wird aufgrund ihres Stigmas diskriminiert und wendet sich ihren ureigenen Triebkräften zu. Sorgfältig inszeniert Regisseur Lukas Feigelfeld diese Handlungsschablone als wortkarges Charakterdrama vor abgeschiedener Bergkulisse im 15. Jahrhundert. Die Nebelschwaden ziehen über die Bergkämme, das Bild bleibt selbst im Sonnenlicht eher blass, im Hintergrund dröhnen Streicherteppiche. Die Wandlung der ohnmächtigen Außenseiterin hin zur selbstbewussten Okkultistin bleibt subtil, weder akzentuiertes Schauspiel noch Schrecksequenzen prägen den Film. Selbst die düstersten Szenen bleiben in einer gewissen Gleichförmigkeit stehen, die in der stoischen Miene der Protagonistin Albrun ihre konsequente Entsprechung findet. Das Grauen so stumpf und beiläufig zu zeigen, quasi als tauber Traumzustand, bleibt eine interessante Herangehensweise, die ihre aufregenden Momente bietet. Gerade wenn der Film die typischen Versatzstücke und absehbaren Handlungsverläufe beiseite lässt, um Bild und Ton auseinanderdriften, Blut, Wasser und Pflanzenmasse zusammenlaufen zu lassen, entstehen originelle Momente. Meist bleibt "Hagazussa" jedoch ein eher zähes Charakterdrama mit atmosphärisch eingefangenen, an sich aber wenig spannenden Szenen. Grusel bietet diese gleichförmige Abfolge typisch morbider Ereignisse fast gar nicht. Nicht zuletzt bleibt auch das Schicksal der Protagonistin seltsam egal. Aleksandra Cwens entrückte Gesichtsausdrücke funktionieren zwar zur Horrormodellierung, psychologisch griffige Einblicke gibt ihr blasser Charakter aber nicht. "Hagazussa" demonstriert, was der sorgfältige Umgang mit dem Medium Film erreichen kann und was trotzdem fehlt, wenn die Ideen dahinter mittelmäßig sind.
"Tamala" ist der inspirierte wie hilflose Versuch, ein dystopisches Cyberpunkszenario mit süßen Mangavorlagen zu kreuzen. Also ein kleines Kätzchen auf Reise durch das Universum, zwischendurch seltsam sexualisiert, mal gurrend, mal geil, mal brav, mal fluchend. Alles im minimalistisch flachen S/W Animelook mit Tendenz zur Abstraktion. Dazwischen ab und an strahlende Farbe, auch billige Computeranimationen finden ihren Platz. Von der Handlungsdynamik her funktioniert der Film über weite Strecken als halluzinatorisch-dahintreibender Stimmungsstreifen, der seine Motive eher mit sich schleift, als sie wirklich zu thematisieren: Tod, Wiedergeburt, Kapitalismus, Utopie, unterdrückte Sexualität. Tatsächlich sprechen die Figuren, meist interstellare Kätzchen, auch nicht richtig miteinander, sondern tauschen abrupte Impulse aus, dazwischen eiern auch mal die Zwillinge aus "Shining" durchs Bild. Ab einem gewissen Punkt will "Tamala" aber doch noch etwas Sinn und sucht alle seine Motive für einen erstaunlich forcierten Erklärbär-Monolog zusammen. Der hat mit seiner Verquickung von Kapitalismus wie Tod und Wiedergeburt zwar einige interessante Grundannahmen, gestaltet sie aber kaum aus, bleibt eher als lahmes Referat stecken. Viel mehr passiert danach auch nicht mehr und man bleibt beim Fazit, dass "Tamala" ein besserer rein atmosphärischer 60-Minüter gewesen wäre. Für Freunde exotischer Eye-Candy-Kost dennoch eine Empfehlung.
Jim Hosking hatte mit seiner durchgestylten Groteske "The Greasy Strangler" 2016 eine kleine Kultkomödie geschaffen. Skurrile Gestalten in skurrilen Outfits wiederholen skurrile Handlungen angesichts einer allgemeinen Nicht-Handlung. Sein Zweitling "An Evening With Beverly Luff Linn" führt das Rezept leicht modifiziert fort. Zwar gibt es dieses Mal eine transparente Story um eine verflossene Liebe, einen notgeilen Auftragskiller und einen eifersüchtigen Ehemann, die bleibt aber nur Folie für sehr eigenständige, überdrehte Szenen. Spontansex auf ein Bier, orgiastische Schwimmbewegungen oder Süßigkeiten als Belohnung für erfolgreiche Heimscheißer bilden ein Panorama grotesk-willkürlicher Geschmacklosigkeiten. Das erschöpft sich im Gegensatz zum Vorgänger nur leider viel früher, da die alte Radikalität in Sachen allgemeiner Asozialität, Setdesign und Figurenmotivation zugunsten einiger eher konventionellerer Comedy-Gags zurückgenommen wird. Noch dazu wird der typische Loser-Wants-Sex-Love-And-Understanding-Trope auf übliche Weise forciert und zu allem Überfluss einem maximal vorhersehbaren Ende zugeführt. Es bleibt also ein Szenepicken und ein Feiern des nach wie vor großartig schratigen Synth-Soundtracks. Für Freunde alter und neuer Exploitationkost von John Waters bis Quentin Dupieux aber eine Empfehlung.
Der Künstler und Regisseur Julian Schnabel hatte mit "Le Scaphandre et le papillon" schon einmal einen Film gedreht, der sich voll aus der Hauptfigur, ihren Sinneseindrücken und Fantasien ergab. Radikal-subjektiv verließ die Kamera nie, was die Figur sah, gab durch einige Experimente im Bilddesign sogar die Besonderheiten der Wahrnehmung eines fast vollständig gelähmten Mannes wieder. Mit seinem Van Gogh-Film bleibt Schnabel nun nicht nur den Außenseitern treu, sondern fasst deren besondere Wahrnehmungen auch wieder experimentell ein. Wenn die Kamera bei einem erhitzten Gespräch Van Goghs mit dem Malerfreund Paul Gaugin wie verrückt durch die Räume gleitet, ihre Exzentrizitäten produziert, stehen die Zuschauer*innen natürlich immer wieder vor der Frage, ob hier eine besonders anregende, weil assoziative Beziehung zwischen Inhalt (erregter Künstler) und Bild (erregte Form) geschaffen wird oder bloße Effekthascherei. Nun ja, es passt. Das Subjektive des Genies Van Goghs erschöpft sich auch nicht nur in einigen freidrehenden bis wackligen Kamerabewegungen jenseits naturalistischer Wiedergabe oder diversen Farbfiltern oder Bildverschiebungen, sondern auch in einem konsequent gebrochenen Narrativ, das immer wieder im Argen lässt, was Van Gogh nun wirklich getan hat. So löst Schnabel auch elegant das Problem diverser Mythenbildungen - seine "Biografie" bleibt ein filmisch-subjektives Zeugnis. Für den richtigen Schwung bringt Schnabel auch eine Riege bewährter Charakterschauspieler zusammen (Oscar Isaac, Emmanuelle Seigner, Mads Mikkelsen...), in deren Mitte Willem Dafoe ganz ohne diabolisches Grinsen naiv, urwüchsig und enthusiastisch den getriebenen Künstler spielt. Auch wenn der Film einige plakative Momente hat, in denen die Gegenüber Van Goghs vor allem zu drapierten Stichwortgebern für dessen Empfindungen und Theorien geraten, bleibt ein erstaunlich konsequenter Film über die Wahrnehmung in der Kunst, glücklicherweise nicht noch ein Film über das Leben Van Goghs.
"La Casa Lobo" erzählt als Stop-Motion-Film von einer Frau, die aus dem chilenischen Sektenlager Colonia Dignidad geflohen ist und sich nun eine Existenz in einem Haus im Walde aufbauen will. Bei sich hat sie eine weitere Frau und ein Kind. Aber der Wolf, wohl die Inkarnation des Sektenführers, rückt an und ist nur allzu bereit die verwirrten Schweinchen wieder aus dem Haus zu blasen. So basal der Plot demnach auch ist und so wenig handlungsstark das ganze daherkommt, so visuell eindrücklich ist "La Casa Lobo". Ständig sind die Figuren aus Pappmaché in Bewegung, die Wände des Hauses ergießen sich in neuen Formen und Farben und das ängstliche wie hoffnungsvolle Geflüster der Figuren ist überall. Weniger geht es dabei um das Alltagsleben im Haus und die Vorgeschichte der real existenten Colonia als um das Psychogramm misshandelter Menschen an einem Ort, der durch Diktatur wie fanatische Konditionierung endgültig durchwirkt ist. Das wirkt letztlich essayhaft, überkommt die schlichte "Schweinchen vs. böser Wolf"-Vorlage aber auch allein durch sein komplexes Bilddesign. Ein Problem insofern, da der Film durch seine steten Verwandlungen immer wieder neue Räume erschließt, diese letztlich aber recht fad durch statische Monologe beackert. Auch auf nur 75 Minuten ein recht zähes, aber lohnenswertes Vergnügen für Freunde experimenteller Bildkunst der Art Jan Svankmajer.
Mit "Spring Breakers" wurde klar: Für Harmony Korine ist Hedonismus alles. Deshalb hatte der Film für viele wohl auch einen bitteren Beigeschmack. Es ging gar nicht wirklich um Kriminalität, Drogenprobleme oder eine rücksichtslose Jugend, sondern vor allem um den Moment, alle Verpflichtungen von sich abzustreifen und frei und schwerelos zu sein. YOLO als absoluter, asozialer Realitätsentwurf ohne Konsequenzen. In "Beach Bum" ist es nicht anders, vielleicht sogar noch extremer. Zwar haben wir hier noch immer die romantische Küstenkulisse der USA und die herrlich strahlenden Neonfarben Benoît Debies, dafür aber kein Drama, keinen besonderen Plot, auch keine experimentellen Montagetechniken mehr, einfach nur das herrliche Gammelleben des Protagonisten Moondog, entspannt und in Anlehnung an den Dude gespielt von Matthew McConaughey. Was auch immer diesem Mann zustoßen mag: Drogenprobleme, polizeiliche Verfolgung, der Tod einer geliebten Person oder auch eine sanfte Splattereinlage - bei allem behält er seine entspannte, urteilsfreie Miene, während ein gemütlicher Easy Listening Soundtrack im Hintergrund dudelt. Handlung gibt es zwar, eine Spannungskurve aber nicht. Es geht um den Lifestyle und wie man ein Leben für so wenig real oder ernst nimmt, dass es einen erst gar nicht treffen kann. Dass der Film nicht langweilt, liegt an der lakonischen Art mit der Korine von den Klischees eines Kiffer- und Macholebens erzählt, manchmal bis ins Groteske hinein. Die Radikalität des Entwurfs führt nicht zuletzt zur Frage, ob das alles real sein kann, so widerspruchslos wirft Korine die sonderbarsten Momente in die Handlung und krönt sie mit einem übertriebenen Finale. Das einzig sichere bleibt am Ende Moondog selbst, Moondog und seine gleichmütige Miene.
"Mandy" bedeutet die reizvolle wie kontroverse Vermählung von abstraktem Stimmungskino und überdrehter Exploitation. Bringt der erste Part noch diffus mystische Impressionen einer Liebe zwischen Mann und Frau in farbüberblendeten Bildern und sanften Ambientklängen, stellt sich der Mann im zweiten Part als Nicolas Cage heraus und treibt fortan einen straighten Racheplot vor sich her. Denn böse Sektenmitglieder haben seiner Frau etwas angetan. In einer zitatreichen Welt zwischen Prog-Rock, Heavy Metal, Okkultismus und LSD-Romantik bewegt sich "Mandy" mal schlafwandelnd, mal gewaltgeil und zielstrebig. Indem sich Panos Cosmatos' Film jeglichen Stimmungen öffnet, passt auch die Überfigur Nicolas Cage ideal hinein. Zwischen schweigsamem Understatement und vollkommen überdrehter Off-Beat-Pose markiert er hier den archaischen Krieger mit Hellebarde oder eben Kettensäge, ein wandelndes Mosaik diverser Genrezitate. Auch wenn sich "Mandy" bisweilen uneinheitlich, und deshalb wie ein waschechter Exploitationer anfühlt, hält Cosmatos seinen Film über ein audiovisuelles Design zusammen, das heutzutage wohl nur er auf diese Art beherrscht. Die kontrastreichen, farbverwaschenen Bilder, die ich so maximal noch in "Forbidden Room" gesehen habe und der sphärisch-dröhnende Soundtrack schaffen eine zwingende Atmosphäre, die mal traum- mal albtraumhaft ist, aber immer daran zweifeln lässt, was als Nächstes kommt. In "Mandy" träumt das Kino narzisstisch von sich selbst, in vielen Stimmungen und auf beeindruckende Weise.
Nicolas Cage, ähm, Sailor und seine Snakeskin Jacket ("Wild at Heart"):
"Did I ever tell you that this here jacket represents a symbol of my individuality and my belief in personal freedom?"*
Von wegen Luna.
*https://www.youtube.com/watch?v=w85NLPB2wjQ
Hélène Cattet und Bruno Forzani haben sich schon mit ihrem ersten Film "Amer" eine klare Nische gesucht und sich mit "Laissez bronzer les cadavres!" darin nur gemütlicher eingerichtet. Statt der Darstellung irrealer Innenwelten geht es dieses Mal um ein handfestes Gangsterkammerspiel vor traumhafter Küstenkulisse. Obwohl der Film dabei in der Gegenwart spielt, wirken die coolen Figuren mit ihren rauen, genusssüchtigen Posen ganz wie aus einem Western entnommen. Klare Referenz bleibt für Cattet/Forzani das europäische Exploitationkino der 60er und 70er zwischen Giallo, Western und dieses Mal auch Poliziottesco. Ästhetisch zeichnet sich auch dieser Film durch eine rhythmisch getimte Reihung vieler Shots aus, die mal unmittelbar physische Prozesse, mal assoziativ verschiedene Fantasien zeigen, teils, und hier werden Cattet/Forzani richtig gut, auch in wilder Mischung. Dazu ein aggressives Sounddesign, das auch mal ein Feuerzeug wie einen Waldbrand klingen lässt.
Im Mittelpunkt von "Laissez bronzer les cadavres!" stehen die Konflikte innerhalb einer Gangsterbande, repräsentiert durch raue Dialoge, wilde Schusswechsel und knisternde Stille. Ein bisschen blutig wird es auch. Der irreale Subtext, der bei Cattet/Forzani immer und so auch hier von der sadomasochistischen Gewalt des Sex handelt, kommt sehr sporadisch zum Zug. Etwa dann, wenn die Gangster statt echter Schusswechsel plötzlich die Klamotten einer Frau hinwegschießen oder Seile plötzlich an ein Bondage-Szenario erinnern, bei dem Milch und Natursekt wesentliche Zutaten sind. Das Cattet/Forzani keine guten Dramaturgen und Geschichtenerzähler sind, wird immer dann klar, wenn die steten wie unübersichtlichen Schusswechsel bei kaum vorhandener Handlung ermüden und nur die verrückten Fantasiegebilde Abwechslung bringen. In seiner Form hätte man den Film tatsächlich auch auf 80 Minuten herunterkürzen können und dem Subtext so mehr Prägnanz geben können. So bleiben es im Grunde zwei, mal mehr, mal weniger gut kontrastierte Ebenen, die handwerklich furios präsentiert werden. Wie bei den großen Vorbildern, die in ihrem Style immer weit über die Substance gingen und vor allem deshalb Klassiker wurden.
Wer den Diskurs sucht, wird fündig werden. "Us" ist mindestens ebenso wie sein Vorgänger "Get Out" daran interessiert, Identitätsthematiken zu verhandeln und das nur im Gewand des Horrorfilms. Denn spürbarer Horror ist hier nur wenig. Die Grundproblematik wird früh offengelegt, wird den Zuschauer*innen steif erzählt. Der Rest bleibt Metapher. Weil es bei all dem Tell-Don't-Show mit dem Unheimlichen dann nicht mehr weit her ist, wechselt der Film auch munter die Register. Thriller-, Sci-Fi-, Mystery- und Komödienelemente folgen in schnellem Wechsel. Wie bei "Get Out" erweisen sich so manche Stereotype dabei als bewusste Fehlfährten, nur wird hier gegen Ende wirklich alles dekonstruiert. Das ist definitiv erfrischend und eine deutliche Abkehr vom heutigen Jump-Scare-Zirkus irgendwelcher Exorzismen hin zu engagiertem, diskussionsoffenem Kino. Nur treibt es einen auch zur Frage, wie viel kritischer Diskurs so ein Genrefilm überhaupt tragen kann, um sich nicht endgültig auszubremsen, seine Dynamik zu verlieren und schlicht langatmig zu werden. Trotz atmosphärischer Setpieces, eigensinniger Schauspielleistungen und einigen originellen Stimmungswechseln bleibt "Us" letztlich filmisch im Irgendwo stecken. "Us" ist vor allem etwas, das man diskutieren, in seiner sperrigen Form aber nur unzureichend erleben kann. Aber vielleicht wirft der Film auch nur die Frage auf, was man vom Horrorkino überhaupt erwarten darf. Souverän ist das, ermüdet mich aber gleichermaßen.
"November" beweist, dass Kunst ganz eigene Welten schaffen kann, einen autonomen Wirklichkeitskosmos voller fremder Gestalten und Riten, entrückter Augenblicke mit eigensinniger Logik. Der einfache Plot erzählt von einem Bauernmädchen, das einen Bauernjungen liebt, der aber leider eine Baronin liebt, das angereichert mit zahlreichen märchenhaften bis surrealen Momenten. Immer wieder bricht die Handlung auf, um in plötzlichen Sequenzen von einem Dorfleben zu erzählen, in dem Geister ganz natürlich zum Abendessen kommen oder die Pest als nettes Mädchen am nächsten Ufer winkt. Die beeindruckend präzise Ausgestaltung von Licht und Schatten im Schwarzweißlook des Films, die detailreichen Stop-Motion-Animationen belebter Gegenstände und der träumerisch sphärische bis dröhnende Soundtrack ziehen tief in die entrückte Wirklichkeit einer schmutzigen, düsteren wie verspielten Bauernwelt. Dabei vergisst man auch gerne, dass der Film manchmal selbst nicht ganz zu wissen scheint, wohin mit der Handlung, wenn es doch tausend andere tolle Details oder Figuren zu erkunden gilt. In seiner Seinsvergessenheit ist "November" für das heutige Kino definitiv ein Unikat und erinnert darin an die Filme von Jan Svankmajer oder an den tschechischen Surrealismus der Art "Valerie". Oder gibt es noch mehr solcher estnischer Filmkunst?
Ganz interessant: Kommt ein Film wie "Der goldene Handschuh" im Umfeld des arg einseitigen deutschen Kinos heraus, das noch dazu vor physischen Darstellungen oft zurückschreckt, ist das eine kleine Sensation. Noch dazu, wenn ein gewisser Fatih Akin dahinter steht. Wäre der Film aus irgendeinem anderen europäischen Land gekommen, wäre er vermutlich kaum diskutiert worden, maximal als später Nachläufer der New French Extremity, die mit trübe-verzweifelten Filmen wie "Seul contre tous", "Intimacy" oder "In My Skin" Sexualität, Einsamkeit und Körperlichkeit verhandelte. Nun ja, all das gibt es in "Der goldene Handschuh", dessen Qualitäten ganz klar in seiner stimmigen und konsequent inszenierten Atmosphäre liegen. Die nur grob skizzierten Figuren sind vor allem in ihrem Dreck und Elend dar- oder eben ausgestellt, spielen das Melancholische bis Verzweifelte beharrlich aus. Vor allem die Dialoge in der namensgebenden siffigen Schunke Der Goldene Handschuh sind in ihrer schnoddrig-familiären Art atmosphärischer Ankerpunkt des Films - man glaubt sich wirklich auf St. Pauli.
Zur geschlossenen Atmosphäre trägt tatsächlich auch die Eintönigkeit der Handlung bei: mehr als geschnoddert, gefickt und getötet wird nicht. Die kurzzeitige Hinwendung des Killers hin zum Good Man dient dabei vor allem als Kontrastfläche, die sich in ihren hell-sterilen Farben vom altdeutschen Muff auch visuell ausgezeichnet abhebt. Ansonsten braune Farben, Trostlosigkeit, zerstörte Lebensläufe. Der utopisch-säuselnde Schlagersoundtrack auf der Tonspur läuft daran einfach und vergnüglich vorbei. So wird auch das Töten dazu zu etwas Drögen und Alltäglichen. Die Kackwurst nach dem Morgenkaffee. Motivische Details wie die faschistischen Hintergründe durch Nazigeneräle in der Gesellschaft und Missbrauch durch die Kirche geben dem Film subtil seinen Subtext. "Der goldene Handschuh" ist als konzentriertes Kammerspiel im besten Sinne minimalistisch und behutsam. Und das für einen Killerfilm sagen zu können ist doch auch mal was.
"The Endless" ist der spannende, aber bald hoffnungslose Versuch, Mystery-Horror und Science-Fiction bildstark neu zu vereinen. Ähnlich ambitioniert war schon das Projekt "Spring" des Regisseurduos Benson/Moorhead mit seinem Mix aus Bodyhorror und Romanze, der allerdings ähnlich unbeholfen endete. Gute Unterhaltung bleibt es in beiden Fällen. Hier sind es zwei Brüder (auch gespielt von den Regisseuren), die mit mancher Nostalgie in ein Sektenlager zurückkehren, aus dem sie ehemals geflohen sind. Irgendetwas stimmt nicht, aber irgendwie ist es auch nett dort. Die Spannung aus irrealer Gefahr und Homecoming-Geschichte schafft "The Endless" mit seiner beiläufigen Erzählart elegant, streut seine düsteren Andeutungen sehr weitläufig, um vor allem eine traumhaft-unheimliche Atmosphäre zu schaffen. Dröhnende Sounds gibt es obenauf. Dann aber, und hier geht der Film den Weg des Sci-Fi-Kastendenkens, gilt es eine Auflösung zu bringen, die nicht nur wenig originell ist, sondern alles Folgende auch sehr konstruiert erscheinen lässt. Und je absehbarer die Problematik, umso unlogischer verhalten sich die Figuren. Grundregel: Wer ein logisches System schafft, muss darin auch mit Logik agieren oder eben attraktive Widersprüche schaffen. Beides passiert hier nicht, sodass nur einige verstrahlt-irreale Bilder bleiben, die für eine Kleinproduktion wie diese doch bemerkenswert sind. Andererseits gibt es dann auch noch sperrigen Pathos, den man so nicht erwartet hätte. Unterhaltsames Rätselraten bietet der Film aber und am Ansatz Sektenhorror, Science-Fiction und einen Hauch Surrealität zu vermengen bleibt nicht viel falsch. Da kann man ansetzen.
Also mal wieder "The Wicker Man", nur eben ohne Nic Cage. Dafür grelle Farben und schöne Kontraste. Könnte was werden.
Jean Rouch ist ein Vertreter der "Ethnofiction", eines Genres, das ich bisher nicht kannte, das vom Namen her aber bereits für sich spricht. Einer der vielleicht kontroversesten Filme Rouchs ist "Les maîtres fous". Rouch berichtet von einer (ursprünglich) nigerianischen Protest- oder Kultbewegung, den Hauka. In ekstatischen Ritualen geraten die Anhänger*innen dieser Bewegung in andere Rollen, werden zu ihren französischen Kolonialherren, aber auch zu den Lokomotiven, die durch die Europäer in ihr Land gebracht wurden. Klar ist wohl bis heute nicht, inwiefern diese Bewegung eine politische Protestbewegung, inwiefern sie eine unbewusst-kultische Auseinandersetzung war. Zumindest ist deutlich, welche Spuren der Kolonialismus hinterlassen hat.
Jean Rouch kontrastiert das Alltagsleben der Anhänger*innen mit ihrem kultischen Verhalten. Lachende, freundliche Gesichter gegenüber schaumverschmierten Mündern und zuckenden Gliedern. Das ist in seiner sichtlichen Schaulust und suggestiven Montage effektheischend, auch durch den konstanten Voice-Over, den nicht nur übersetzt, sondern auch kommentiert. Auf etwa dreißig Minuten ist das in seiner hektischen Art (Rouchs Filme werden auch mit der Nouvelle Vague assoziiert) anstrengend wie inspirierend und man muss sich fragen, ob dieser Film nicht einfach nur Sensationsgelüste befriedigen will. Ein spannendes Thema hat er immerhin, hat es immerhin in eindrücklichen Bildern festgehalten. Was dann Doku und was dann Fiktion ist, darf man im Nachhinein überlegen. Inmitten des Films wird einem das Nachdenken genommen. Dokumentarfilm in Ekstase. Filmisch immerhin konsequent.
Vom Surrealismus zum Magischen Realismus.
Alejandro Jodorowsky ist nicht mehr allzu jung und deshalb scheint er mehr denn je über seine eigene Person und sein Leben nachdenken zu wollen. In "Endless Poetry" blickt er (gespielt von seinem eigenen Sohn) noch einmal auf die eigene Inspiration zurück und erweckt das alte Dichterleben auf metaphorische Weise. So sentimental das klingt, so sentimental ist auch der bereits entsprechend betitelte "Endless Poetry" geworden. In sorgfältig choreografierten Szenentableaus reflektiert der Dichter über seine Inspiration, das Leben und die Liebe. Die wilden Landschaften, das zwischenmenschliche Unverständnis, die abrupten Szenenmontagen wie sie Jodorowsky in seinem Großwerk "El Topo"/"Holy Mountain" zelebrierte, weichen hier geradezu liebevollen zwischenmenschlichen Begegnungen auf engem Raum, gern auch von akzentuierenden Streicher- und Klavierteppichen unterlegt. Ein gewöhnliches Künstlerbiopic ist das natürlich trotzdem nicht, zu sprunghaft die Figurenmotivationen und zu grotesk sind manche Elemente (kleinwüchsige Hitlerfiguren, bunt-vulgäre Dichterinnen, ein großer Stuhl als Schlaflager). Nur wirkt alles durch klärende Dialoge nun eingebettet und vermittelt. Das sinnsuchende Raunen ist lauter geworden, die unmittelbare Brutalität der modernen Erfahrung auf ein sanftes Toben heruntergebrochen. Das ist trotz kleiner Vulgaritäten nicht nur überraschend harmlos, sondern in seiner sorgfältigen Selbstanalyse auch zunehmend enervierend. Was dieses Kammerstück trotz bildkräftiger Inszenierung nur stückweise schafft, ist eine erzählerische Dynamik. Aber ja, Jodorowsky scheint bei sich angekommen und vieles, was irritierte ist nun skurril geworden. Vielleicht auch einfach der Lauf der Zeit. Endless Poetry kann es dann aber nicht sein.
Cage verfeinert sein Rollenprofil und nimmt sich dafür die besten Regisseure. Nach Werner Herzog und Panos Cosmatos ist nun Sion Sono ("Love Exposure") an der Reihe.
Nach Cages eigener (!) Ansicht wird es wohl ein etwas übersteuertes Filmvergnügen. Muss gut werden.
https://filmschoolrejects.com/sion-sono-starter-kit/
"Inflatable Sex Doll of the Wastelands" klingt nach Trash, ist es aber gar nicht. Vielmehr ein experimentelles Pink Movie aus der Hochzeit des Genres. Gerade zu Beginn war dort wohl alles möglich, solange nur nackte Frauen und Sex gezeigt wurden. Heute ruft das natürlich keine Sittenwächer mehr auf den Plan, der Film hat aber auch ganz andere Qualitäten. Der Plot um einen Killer, der zwischen Auftrag und eigener leidvoller Biografie hin- und hergerissen ist, zeigt sich schon zu Beginn zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Imagination verortet. Die zerrüttete Psyche des getriebenen Protagonisten lässt immer wieder unwirkliche Bilder springen, die teils auch ganze Handlungssequenzen in Frage stellen. Die rohe Machart des Exploitationfilms mit Wackelkamera, holprigen Anschlüssen und harschen Schnitten passt dazu ideal, vor allem, wenn noch der freidrehende Jazzsoundtrack zu hören ist. Zwischen zielloser Experimentierlust und gekonnter Dynamik ist dabei alles zu finden. Ebenso kommt auch der Plot mal mehr, mal weniger voran - ob gewollt oder ungewollt kann man nicht immer entscheiden. Sicher bleibt nur, dass Regisseur Atsushi Yamatoya im gleichen Jahr das Drehbuch zum legendären "Branded to Kill" geschrieben hat. Immerhin schon mal eine Referenz.