lieber_tee - Kommentare
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Alle Kommentare von lieber_tee
Untote im Fahrstuhl.
Es ist eine nette High-Konzept-Idee klaustrophobischen Fahrstuhl-Horror mit einer Zombie-Apokalypse von außen zu kombinieren, aber der italienische Low-Budget-Streifen bietet nur die Wiederholung von bekannten Genre-Klischees mit einer zunehmend repetitiven Erzählstruktur, irgendwann ermüden die Angriffe der Infizierten. Auch den Protagonisten bzw. die Invasion als Symbol für skrupellose Ökonomie und den metallenen Aufzug als emotionalen Käfig darzustellen ist nie pointiert herausgearbeitet, funktioniert kaum. Während sich außerhalb die Menschen zu unmoralischen Monstern verwandeln, wird unser Anti-Held zunehmend menschlicher, wird geläutert von seinem triebhaften, kapitalistischen Denken. Das plätschert alles ausreichend interessant vor sich hin, ist gut gespielt und sauber in Szene gesetzt, aber am Ende hat der Film kein Alleinstellungsmerkmal das ihn aus der Flut an Zombie-filmen herausholt, außer seine interessante Grundidee.
5 Blut-Pfützen mit Statistik-Tabellen abdecken.
Chronik eines unerfüllten Traumes.
Faszinierende Doku über die monumentalen Ideen und Hintergründe eines bizarr-ehrgeizigen Filmprojektes, das letztlich durch die Hybris eines Regisseurs und die Feigheit der Geldgeber gescheitert ist. Der Zuschauer schaut in den ebenso wahnsinnigen wie kreativen Kopf von Jodorowsky, der sich hier als unbändiger Egoist mit immenser Persönlichkeit offenbart, bzw. eine (zwiespältige) Bühne bekommt. Dadurch entsteht ein Loblied auf den Wert und die Kraft von kreativer Leidenschaft. Und es entsteht eine Traurigkeit über eine verpasste Chance. Im Nachhinein wird offensichtlich, dass diese Verfilmung des Romans „Dune“ der blanke Irrsinn gewesen wäre, trotzdem hätte ich mir gewünscht, das die fehlenden 5 Millionen Dollar irgendwie doch zusammengekommen wären. Egal, denn es wird auch deutlich, welche Spuren diese Vorproduktion im phantastischen Kino hinterlassen hat. Vielleicht sogar, weil dieser Traum nie verwirklicht wurde, nicht real existiert, aber von anderen Filmemachern weiter geträumt wurde, so das Motive z.B. in "Alien" und "Star Wars" weiterleben konnten.
7-mal einen 14-stündigen Film anschauen.
Dystopischer Hindi-Action-Horror, fernab von Bollywood.
Co-produziert mit den Amerikanern (Blumhouse), unter der Regie eines Briten, mit indischen Schauspielern und auf Netflix veröffentlicht. Das klingt interessant. Entstanden ist aber nur ein magereres Filmchen, das auf eine Drei-Episoden-Miniserie aufgebläht wurde. Redundant werden Plot-Ideen zerkaut. Arabischer Folklore, religiöse Vorurteile, Diktatur, Folter und familiärer Verrat finden keine Horror-Einheit. Möchtegern-ambitioniert bleibt der Film ständig an seiner unter-komplexen Oberflächlich. Die Action-Szenen sind allerdings kompetent inszeniert, die öden Jumpscares weniger. Manchmal gibt es ein Gefühl der Klaustrophobie, wenn die hochbegabte Schauspielerin Radhika Aptes durch die dunklen Gänge rennt. Allein wegen ihrer nuancenreichen Darstellung als ebenso naive wie tatkräftige Soldatin kann man einen Blick riskieren.
5 Monster des Totalitarismus.
Spurrillen des Lebens.
„The Endless“ entwickelt aus dem Motiv einer seltsamen UFO-Sekte, die an kosmische Kräfte glaubt, eine elliptische Lovecraft-Geschichte, die das Unendliche als Reflexion über das (nicht-) erfüllte Leben nutzt. Mit einer Neigung zu artifiziellen Horror kitzeln die beiden Filmemacher Moorhread und Benson nach und nach eine tragische Beziehung zwischen zwei Brüdern hervor und begründen damit die phantastischen Elemente und paranoiden Spannungen. Über die übliche Science-Fiction-Genre-Mechanik hinaus, mit sanften Humor, schafft es diese effektive Micro-Budget-Produktion, ohne viel Schnickschnack, ein Gefühl des Unbehagens zu generieren. Die kryptische Faszination wird gerade durch die Nichtbeantwortung zahlreicher Fragen erhalten.
Mindfuck-Kino vom Feinsten.
7 anständige Mahlzeiten.
1000 Meilen bis zur Erlösung.
Die lange Pacific-Crest-Trail-Wanderung einer gescheiterten Frau wird von Regisseur Jean-Marc Vallée als innere und äußere Reise erzählt, wo am Ende die hart erkämpfte, persönliche Neuerfindung als Lohn zu finden ist. Die bewegende (und durchaus humorvolle) Coming-of-Age-Geschichte wirkt teilweise etwas zu didaktisch in der Darstellung der Selbstermächtigung durch kräftezehrende Einsamkeit. Es mag an Cheryl Strayeds autobiographischem Bestseller liegen, dass die Lebenslektionen und Erklärungen für ihre emotionale Misere manchmal wie Kalendersprüche wirken. Am stärksten ist der Film dann auch wenn er nur beobachtet, nicht austeilt. Wenn er in der atemberaubende Postkarten-Wildnis strandet, um zu sehen wie die Protagonistin an sich selbst scheitert, aber nicht aufgibt. Die Flashbacks und ihre Enthüllungen stören dabei ein wenig, sind aber als dramaturgisches Mittel durchaus sinnvoll. Denn eigentlich passiert in dem Film äußerlich wenig. Erzählt wird das Wenige aber als großes inneres Drama. Für Reese Witherspoon wirkt „Wild“ ebenso wie ein Befreiungsschlag. Weg von der verklemmten Romantik-Komödie-Tussi, hin zur selbstbestimmt-abgerockten (und mit-produzierten) Charakter-Darstellerin. Das habe ich persönlich ihr zwar nicht voll abgenommen, dafür fehlten mir dann doch die Ecken und Kanten, aber sie macht ihre Sache sehr gut.
7-mal die Traveler-Sandalen mit Gaffer-Tape umwickeln.
Die glorreichen Sieben in Afghanistan.
Kurz nach 9/11 reiste eine US-Spezialeinheit mit Thor in das ebenso unwegsame wie "rückständige" Hindukusch-Gebirge um den Taliban und al-Qaida zu zeigen wo der amerikanische Rache-Hammer hängt.
„Operation: 12 Strong“ bietet geschichtliche Verklärung als eine patriotische Leistungsschau mit viel Wumms. Für die geopolitischen Zusammenhänge interessiert sich der Film nicht. Der dänische Fotojournalist und Regisseur Nicolai Fuglsig macht aus seinen eigenen Kriegserfahrungen und dem Tatsachenbericht "Horse Soldiers" von Doug Stanton einen Neo-Western mit Pferden, Bergen und Lagerfeuer. Bestaussehende Männer ballern statt „Indianer“ böse Afghanen weg. Es wird unreflektiert die amerikanische Tapferkeit und die zwiespältige Zusammenarbeit mit einem Warlord für einen begrenzten Erfolg gefeiert, in einem Krieg der nie gewonnen wurde. Die Fehlschläge im "Krieg gegen den Terror", die Sinnhaftigkeit von militärischer Vergeltung werden nie hinterfragt, sondern als „wahre“ Geschichte von großem Heldentum gefeiert. Charismatische, furchtlose, selbstbewusste und humorvolle Cowboys erledigen ihren Job, während Frau und Tochter zu Hause warten. Komplexe Gedanken über Krieg, Imperialismus und Sterblichkeit finden keinen Raum, dazu ist die Gedankenwelt eines filmischen Landes, das immer noch daran festhält, das es der moralische und militärische Kompass der Welt ist, zu klein. Das sich die Welt außerhalb bereits stark verändert hat und komplizierter geworden ist will der Film nicht wahrhaben.
2-mal ein nationales Trauma wiedergutmachen.
Eskapismus vom Feinsten.
Die sechste Kino-Mission von Ethan Hunt ist ein sommerliches Big-Budget-Spektakel, mit einer (vermeintlich) komplizierten Story, die gerade noch so interessant ist, um bei der geilen Action-Sause nicht zu stören. Verworrene Plot-Machenschaften, gefährliche Schönheiten und schmachtende Frauen, die durch Tom ihrer Bestimmung finden, Gegenspieler mit enormen Haarwuchs im Gesicht, epische Raufereien mit breiten Oberarmen und dicken Prügel, Masken mit echten Identitäten, Täuschungen, tickende Countdowns, Kameradschaft und Over-the-Top-Action, die aber immer irgendwie geerdet erscheint. "MI 6" bedient gekonnt Stile und Versatzstücke der vergangenen Teile, gerne mit unterschwelligem Augenzwinkern.
Tom Cruise als unnahbar sexualisiertes, moralisches Zentrum bietet extravagante und akrobatische Stunts vor Touristenattraktionen. Seine altersauffällige Begierden zu zeigen was er für ein toller Hengst ist (und damit mindestens 3 Frauen im Film beeindrucken kann) passen zu der alten Schule wie Regisseur Christopher McQuarrie praktische Effekte mit dem Computer kombiniert.
Fallout beweist, das Mission-Franchise funktioniert zuverlässig als ein James Bond ohne Ermüdungserscheinungen.
7-mal von Gebäude zu Gebäude springen.
Super-Duper-Cut.
Superhelden-Meme-Generator.
Der Film wirkt wie ein Brainstorming-Treffen von professionellen Berufsjugendlichen einer erfolgreichen Firma, mit dem Ziel alles was sie über Superhelden wissen krass aber risikolos zu veralbern, selbst die emotionalen Momente werden verspottet. So gibt es einen endlosen Pool an Kalauern, wo manche tatsächlich Esprit haben, viele geschwätzig und ebenso viele pubertär-vulgär sind. Das war schon im ersten Teil so, dort hatte die popkulturelle Gulaschkanone aber noch Spuren von Anarchie im Genre hinterlassen, hier ist sie nur noch ein profitables, selbstausbeutendes Geschäftsmodel. Nicht böse oder düster, sondern bunt und blöd ist die Divise. Einer der Typen, die John Wicks Hund gekillt haben, fügt das allerdings alles mit sympathischer Respektlosigkeit recht organisch zusammen. Der Film ist mit guter Chemie und launig gespielt, hat visuellen Witz. Irgendwo zwischen Action-Blutbad als Screwball-Comedy und (Anti-)Superhelden-Parodie versucht „Deadpool 2“ seine Subversivität für den Mainstream auszubalancieren, weil er letztlich doch die Familien-Regeln einhalten muss. So entstehen bereits erste Verschleißerscheinungen, dasselbe aufgewärmt schmeckt am zweiten Tag nun mal irgendwie fade.
Knuffig-doof.
6 Green Lantern-Witze.
Rache ist sexy...
Das atemberaubende, nur so vor Selbstbewusstsein strotzende, Spielfilmdebüt der französischen Autorin und Regisseurin Coralie Fargeat ist eine ebenso brutal-grimmige wie aufregende Vergewaltigung-Vergeltungs-Fantasie, fest in weibliche Hände gelegt. Die stylisch-reißerische und ungemein druckvolle Rambo-Version (bzw. Vision) eines übernatürlichen Engel der Rache ist formal ebenso streng komponiert wie furchtlos-übertrieben. Die Archetypen und die Geschichte sind aus zahllosen anderen Genre-Filmen dieser Art vertraut. Hier wird der Geschlechterkrieg nicht transzendiert oder intellektualisiert, „Revenge“ ist das was der Titel verspricht. Ein kompromissloses, voyeuristisches Surrogat des ausbeuterischen und fetischisieren Körperkinos, mit offensichtlicher Lust an Terror und garstiger Gewalt, wo weibliche Ermächtigung geil aussieht und geil sein darf.
7 Blutspuren folgen.
"Du wirst es nie verstehen."
Kino hat die Aufgabe (und Fähigkeit) den Zuschauer mit radikalen Themen, Ereignissen zu konfrontieren. Besonders Terroranschläge sind eine (drohende) Gefahr, die an jedem Ort, zu jeder Zeit stattfinden kann. Eine Angst, die ich (mehr oder weniger) bewusst verdränge, weil ich sonst gelähmt im Alltag bin. Regisseur Erik Poppe wagt dieses Unaussprechliche zu zeigen. Er zeigt das Massaker vom 22. Juli 2011 auf der norwegischen Insel Utøya, wo ein rechtsextremer Psychopath 69 Menschen in einem Jugendcamp eiskalt mit einem automatischen Gewehr ermordete. Diese Hölle erlebt der Zuschauer mit der fiktiven Figur Kaja.
„U - 22. Juli“ ist eindringlich, bedrückend und wühlt den Magen auf. Auf zermürbende Art erlebt der Betrachter den Terror, versetzt ihn kompromisslos in die Rolle, in die Erfahrungen, der Opfer. Er ermahnt uns daran, dass wir diesen Akt der Grausamkeit nie vergessen (oder verdrängen) sollen.
Die Geschichte ist eine fiktive Komposition aus den damaligen Ereignissen. In einer 72-minütigen Echtzeit-Plansequenz, ohne Musik und aus Opfer-Perspektive gedreht. Im Prinzip ist es unmöglich vom Kino-Sitz aus zu fühlen was für ein Martyrium die Menschen in Utøya erlebt haben. Aber die eindringlich-aufsaugende Wirkung der One-Take-Technik und die intensive Performance von Andrea Berntzen erzeugen ein spürbares Gefühl der Angst, Panik, Hilflosigkeit, Desorientiertheit, lässt (irrationales) Handeln in einer Extremsituation hervortreten. Das macht keinen „Spaß“ sich anzuschauen, ist nicht „unterhaltsam“, ist aber als filmische Grenzerfahrung ungeheuer intensiv.
Der Regisseur Poppe zwingt den Zuschauer einen Albtraum zu durchleben. Offenbart keine sentimentale Geschichte über Liebe, Helden und Hoffnung, er zeigt (verdichtet) was wirklich passiert ist. „U - 22. Juli“ ist dabei nicht sachlich oder nüchtern. Die Ereignisse werden nach den Erfordernissen des fiktionalen Dramas erzählt. Sie haben unerwartete Wendungen, melodramatische und tragische Elemente, eine Dramaturgie. Das lässt (so hoffe ich) niemanden kalt.
Es ist gut, dass es eine Debatte darüber gibt, ob solche Filme notwendig sind. Ob sie eher Wunden aufreißen, oder (so wie es der Filmemacher will) den Angehörigen eine Sprache für das Unaussprechliche geben. Für viele (Kritiker) sollte „U - 22. Juli“ nicht existieren, weil er ein reales Trauma reißerisch ausschlachtet, in dem er es so hautnah zeigt. Aber nicht diese Art von Filmen sollte nicht existieren, sondern dieser Terror, der immer noch für viele verblendete Menschen etwas Geiles, etwas Faszinierendes hat. Solange es solchen Gräuel gibt, gibt es solche Filme, muss es sie geben, die etwas Ungeheuerliches rekonstruieren, ohne den Täter in den Mittelpunkt zu stellen, ihn nicht zum Mysterium verklären. Durch die sensible und fokussierte Art sich auf die seelische Erschütterung einer Person zu konzentrieren vermeidet der Film den ausbeuterischen Charakter der Thematik, schafft stattdessen Empathie für die traumatisierten Menschen. Dass es am Ende keine Katharsis gibt ist klar. Unfassbare Gewalt kennt keine Barmherzigkeit oder Erlösung.
8-mal gemeinsam einen Döner essen gehen.
Kuriositätenkabinett.
Die ersten beiden Staffeln der 90er Jahre Serie (und der Film) sind Kult. Den eigenwilligen, nicht-linearen Erzählrhythmus als mutigen Mix aus stimmungsvoll-abgründigen Kleinstadt-Krimi, subtil-grotesken Humor, Horror und ikonischen Figuren zu präsentieren war prägend für die moderne Fernsehgeschichte und ist ein Teil der Pop-Kultur geworden. David Lynch übertrug erfolgreich seinen menschlichen Surrealismus auf die kleine Matscheibe.
26 Jahre später folgt nun (überraschend) die dritte Staffel. Die Erwartungshaltung war hoch. Konnte das hohe Niveau der Vorlage gehalten oder gar weiterentwickelt werden, findet der Meister (der ewig keinen Film mehr gedreht hat) zu seiner alten Form zurück, oder gibt es nur noch nostalgischen Service, einen müden Abklatsch?
Die neuen Folgen sind definitiv keine einfach konsumierbare Mainstreamprodukte geworden. "Twin Peaks" 3.0 ist Lynch pur. Wie im Guten als auch im Schlechten. Das radikale Spielen mit der Imagination, mit den Albträumen des Zuschauers, der immer wieder Teile des Gesehenen selbst mit geduldigen und hohen Abstraktionsvermögen füllen muss, ist ebenso magisch wie anstrengend. Das war auch schon in den vorherigen Staffeln so, hier treiben es die beiden kreativen Köpfe Lynch und Frost bis zum Äußersten.
"The Return" ist eine irritierende, kryptische, mythologische, gallige, halluzinogene, ausufernde Schnitzeljagd durch die Vereinigten Staaten, mit zahllosen Handlungssträngen und Figuren. Im Mittelpunkt steht der FBI-Agent Dale Cooper (bzw. seine Fassetten von ihm), grandios verkörpert von Kyle MacLachlan. Hinzu kommen Echos aus der Serien-Vergangenheit, die auch gerne als Fanservice bezeichnet werden dürfen. Mit trockenen Witz und typisch visuellen Lynch-Stempel taucht der Zuschauer in eine Welt des Bösen und des Absuden. Es gibt immer wieder starke Momente, aber auch Leerlauf mit quälend langen Einstellungen. Hier wäre weniger mehr gewesen. Der visuelle bzw. auditive Output ist enorm, trägt aber nur bedingt die ausufernde Laufzeit von 1014 Minuten, weil die digitale Ästhetik oftmals wie eine (trashige) Kunst-Videoinstallation aussieht. Dass einige Subplots keinerlei Relevanz haben, für einen typischen selbstreferentiellen Lynch-Effekt verpuffen, hat manchmal etwas Selbstgefälliges, ist allerdings in ihrer Radikalität (nicht nur für die Fans) durchaus reizvoll.
In der dritten Staffel von „Twin Peaks“ leben Lynch und Frost gnadenlos (bis zum Exzess) ihre bizarrsten Vorlieben aus. Sie erschaffen ein düsteres Labyrinth, transformieren eine Hölle, wo das Fantastische auf die Banalität des Alltäglichen trifft und Fragen aufwirft die garantiert nicht beantwortet werden. Das ist ebenso genial wie anstrengen, weil es so wirkt als ob die Macher ihre eigene Ansprüche leidenschaftlich übertreiben. Das tun sie aber grandios.
7,5 Welten zwischen Gut und Böse.
Dystopische Emojis.
Ramin Bahranias Adaption von Ray Bradburys Klassikers ist der Versuch die „alte“ literarische Anti-Utopie auf die heutige Zeit umzuformulieren, sie futuristischer, cooler erscheinen zu lassen. Die Kerngeschichte der Vorlage wird grob beibehalten und mit allerlei technologischen Brimborium modernisiert. Entstanden ist eine wenig-mutige, simpel-glatte Untergrund-Rebellen-Geschichte, die wie ein Pilot für eine TV-Serie erscheint. Die Selbstzweifel des Anti-Helden, seine Sohn-Ersatz-Vater-Beziehung und der aktuelle "Fake News"-Sicherheitsstaat-Bezug wirken seltsam oberflächlich. „Fahrenheit 451“ 2.0 ist für die neue Ich-like-alles-Generation gemacht, vom eisigen Tonfall der 1966er Francois Truffaut-Verfilmung ist nichts zu spüren. Trotz manch netter Einfälle bleibt diese HBO-Version nur ein kleines, mageres Tech-Sci-Fi-Filmchen auf Netflix-Niveau.
In 4 gedanken-frohen Büchern lesen.
Schrumpfen und Wachsen.
„Ant-Man 2“ wirkt wie eine Folge aus einer Superhelden-Serie im TV, sowohl optisch in seiner seltsam flachen Sitcom-Ästhetik, als auch in seinem miniaturisierten Wagnis irgendetwas erzählen zu wollen. Völlig plot-befreit geht es irgendwie um ein auf Koffergröße geschrumpftes Versuchslabor als McGuffin-Rettungsmission. Dazu kommt gestelztes Blabla um Familie, Verantwortung und was es bedeutet, ein Held zu sein. Das ist dann alles eher unzusammenhängend, voll-gestopft mit (un-) wissenschaftlichem Firlefanz, Querverweisen auf das eigene Comic-Universum und populärer Kultur. 5 Drehbuchbuchautoren mühen sich dabei ab Screwball-Komödien-Dialoge zu schreiben, die aber auf die Dauer nur geschwätzig wirken und in den Pointen oftmals versagen. Immerhin gibt es einige kreative Action-Szenen zu bestaunen, wo die angestrebte Verspieltheit des Films funktioniert. Das depressive Massenmord-Programm von Thanos wird dabei nahe zu vergessen, stattdessen mit unbeschwerter Comedy ersetzt. Letztlich ist diese Marvel-Quartal-Dröhnung (wieder) nur ein harmlos-trivialer Superhelden-Blockbuster den man schnell vergisst.
5 Ampullen des Wahrheit-Serums spritzen.
Gefräßige Fracking-Anlagen.
In „Cargo“ geht es um mehr als nur um das pure Überleben in der Zombie-Apokalypse. Der zentrale Protagonist Andy trägt nicht nur sein Baby auf dem Rücken, sondern das Symbol für eine neue Generation, die von den vorangegangen Fehlern lernen muss. Seine kompromisslose Väterlichkeit angesichts der Katastrophe macht aus der Untoten-Formel einen humanistischen und sozialen Kommentar auf verantwortungsvolle Elternschaft, räuberische Umweltzerstörung und kulturelle Ausgrenzung. Das ist nicht originell, hat Romero schon (besser) gemacht, gefällt aber in seinem hübsch-fremdartigen Outback Setting, seiner verwobenen Aborigine-Ethno-Mystik und einem knuffig agierenden Freeman. Letztlich interessieren sich die beiden Filmemacher Yolanda Ramke und Ben Howling gar nicht so sehr um ihr Horrorszenario. Langsam, fast träge, machen sie Zugeständnisse an die Formeln des Subgenres. Die Bedrohung wirkt irgendwie beiläufig und wenn mal Action kommt, ist die schon fast reduziert, eher desinteressiert. Im Zentrum steht der Charakter von Andy, sein allegorisches Handeln, das zum Ende hin in einen Aufopferung-Effekt kulminiert, der emotional verdammt stark ist.
6,5-mal den Kopf im Sand stecken.
Wenn der Mensch unmenschlich wird, wird der Roboter menschlich. (Glückskeks-Weisheit aus dem Hause Netflix)
In seiner geometrischen Darstellung des luxuriös-automatisierten High-Tech-Haus hat das Regiedebüt vom Storyboard-Künstler Federico D'Alessandro visuelles Flair. Die Optik stimmt, das Drehbuch allerdings nicht. Wie ein auf Papier erzwungenes Konstrukt wirken der Verlauf und die Figuren des Films. Weder die angestrebte Humanisierung der KI, noch das klaustrophobische Bedrohungsszenario sind glaubwürdig. Und für Maika Monroe, als Julia im MacGyver-Modus, fehlte mir die Empathie, ich starrte eigentlich nur auf ihren hübschen Körper in wechselnden Klamotten. Ein niedliches Versuchskaninchen, Entschlossenheit spürte ich kaum. Die Idee, dass sie im selben Maß wie sie dem Haus-Roboter Menschlichkeit vermittelte, selbst humanistischer wird, ist im Prinzip originell, aber die philosophischen Ansätze über „Was macht einen Menschen aus“ werden mit purer Trivialität beantwortet. „Zu welchem Zweck erschaffen wir uns selbst?" fragt HAL 9000 3.0 im Film. „Füreinander“ antwortet das Entführungsopfer. Mehr tieferes Denk-Niveau ist im Film dann auch nicht drin. Dabei hätte „TAU“, in seiner Ästhetisierung von Objekten (der penetrierende Roboter, die fast schon penetrant abgefilmte Körperlichkeit von Monroe), etwas über die Fetischisierung von Dingen erzählen können, aber der kleine Technik-Thriller reflektiert seine gestylten Bilder nie. D'Alessandro ist eben kein Alex Garland. Und so gibt es nur schlichte Genre-Ware. Ein böser bzw. guter Roboter, ein größenwahnsinniger Dr. Frankenstein, eine klassische Heldin mit sexy Outfit und etwas Action. Nix tiefgründiges, nix cleveres, passable Popcorn-Unterhaltung für die Netflix –Couch.
5 nicht-bestandene Turing-Tests.
Unkontrollierbare Kettenreaktion.
Mit seiner abgedroschenen Feindseligkeit zwischen Stadtbewohnern und Hinterwäldlern bedient Matt Palmers Spielfilmdebüt zunächst die bekannten Klischees des typischen Backwood-Thrillers. Der Streifen entwickelt sich zunehmend, in seiner grausigen Präzision, zu einem schuldhaften Moraldilemma, wo schlechte Entscheidungen der Protagonisten eine unangenehme Gewaltspirale erzeugen. Nahezu klaustrophobisch zieht sich die Schlinge zu, das Grauen ist hier nicht übersinnlich, sondern tragische Realität. Immer den vertrauten Konventionen des Horrorfilms folgend, ist „Calibre“ doch kein reiner Horrorfilm, mehr ein psychologisches Drama mit bitterer Konsequenz.
Mal ein guter Netflix-Einkauf.
7-mal mit einem Kater jagen gehen.
"Lady Bird" als Horrorfilm.
Eine unzufriedene Jugendliche, die von okkulten Ritualen fasziniert ist, beschwört im Affekt einen teuflischen Geist, um ihre Mama zu töten. Im Mittelpunkt von „Pyewacket“ stehen die emotional wackeligen Ängste einer Teenagerin. Der Stil von Autor und Regisseur MacDonald (Backcountry) ist dabei sehr zurückhaltend, folgt nur oberflächlich den konventionellen Mustern des Horrorfilms, auf Jumpscares, Splatter oder reißerische Elemente verzichtet er komplett. Ihm ist psychologischer Grusel wichtiger, er fokussiert den Film auf den Aspekt der dysfunktionalen Beziehung zwischen einer alleinerziehenden Mutter und ihrer Tochter. Das ist durchaus effektiv, gerade wenn die weltlichen Probleme auf über-weltliche Motive treffen, um in einen erschreckend grausigen Höhepunkt zu kulminieren. Subtil inszeniert und erzählt, vielleicht dadurch auch etwas zu subtil in seiner Spannung.
6 Manson-Küken.
Papa wird's schon richten…
Die Rettungsmission von zwei Vätern, die Angesichts der Apokalypse lernen müssen Männer mit Knarren, Männer mit Gefühlen und Teamplayer zu werden, ist in den ersten vierzig Minuten ein durchaus intensiver und treibender Film, der sich mit der Rücksichtslosigkeit und Enthemmung von Menschen in Extremsituationen auseinandersetzt. Wunderbare Bilder auf einsamen Straßen und Gegenden treffen auf gut dosierte Actionsequenzen und sorgfältigen Spezialeffekten. Das hat Potenzial wirklich groß zu werden, aber aus der post-apokalyptischen Standard-Situation wird einfach nichts gemacht. Der Black-List veredelter Film hat keine Ideen mehr, baut auf der gesamten Länge komplett ab. Unglaubwürdig, ohne Kohäsion, nur mit Klischees und Redundanzen, wird das Netflix-Original zunehmend ein schlampiger Streifen. Die fehlende Geschlossenheit kann er nicht kaschieren, der Last-Minute-Konflikt ist peinlich und am Ende driftet „How It Ends“ ins komplette Null-Nummer-Nirwana.
4 Stromausfälle in den USA.
Papa wird's schon richten…
Neugierde war angesagt. Das Drehbuch stand auf der Blacklist der besten unproduzierten Drehbücher des Jahres 2013, der Film ist eine von Netflix aufgekaufte Kino-Produktion, der knuffig-liebe Schauspieler Michael Peña spielt die Hauptrolle und gemacht wurde der Streifen vom australischen Regisseur Ben Young, der mit seinem Serienkiller-Debüt „Hounds of Love“ ein echtes Brett hinlegte. Aber genau die oben genannten Gründe für Interesse, sind die Ursachen warum der Film eine so seltsam leblose Gurke geworden ist. Ständig wird das mögliche Potential untergraben, sei es drehbuch-technisch, schauspielerisch oder inszenatorisch. Die (wenigen) Set-Pieces sollen bombastisch wirken, leiden aber an den mittelmäßigen Effekten, die Geschichte ruht sich ständig auf bekannten Genreplätzen aus. Die paar gutaussehenden Momente, die vielen Explosionen, Balgereien und Ballereien, wollen der arg formelhaften Story Leben einhauchen, was aber durch das tranige Spiel von Peña ständig unterlaufen wird. Stattdessen wirbeln die Klischees nur so herum, der eigentlich ambitionierte Twist bzw. Perspektivwechsel, der den Film von anderen Alien-Invasionen abhebt, ist letztlich dann doch nur das Recyceln von bekannter Ware. Und so ist „Extinction“ eine uninteressante Direct-to-Video-Produktion auf einem Online-Anbieter geworden. Mal wieder.
Mit vier kleinen Kabeln die futuristische Handfeuerwaffe nutzbar machen (peinlichste Szene des Films).
Nehmt ihr bei MP Drogen, oder säuft ihr während der Arbeitszeit? Die Bilder zu den News (hier oder bei Game of Thrones) mit ihren grellen Farbkorrekturen und Scherenschnitt-Bildern sehen so was von schräg, alt-backend und Bravo-mäßig aus... Erzeugt solch ein Design wirklich Klicks? Oder ist das Kunst...dann kann es weg. Sorry, hole meine Augenkrebsbrille...
Konvoi im Land der Wölfe..
"Sicario 2" ist sicherlich nicht so meisterhaft wie das Original. Regisseur Sollima arbeitet sich deutlich linearer (vorhersehbarer) an den mexikanisch-amerikanischen Grenzkonflikt heran. Entstanden ist ein robuster, eigenständiger Nachfolger, dessen grimmiger Realismus einen hohen Grad an Unmittelbarkeit erzeugt. Der Film knüppelt mit Badass-Attitüde die US-amerikanische Paranoia und Feinseligkeit gegenüber Mexikanern, Themen wie Menschenhandel und Terrorismus, als nihilistischer Nervenkitzel in den Zuschauer. Bewusst auf das (weibliche) humanisierende Element (wie Blunts Charakter im Vorgänger) verzichtend, ist der Film ein fieser Wettlauf nach unten. Das Politische wird in das Private getragen, wenn sich die kommerzielle Verwertung von Migranten im Katz-und Maus-Spiel mit dem Entführungsopfer spiegelt. Der Mensch als begehrte Austauschware, auf beiden Seiten. Ein moralischer Verfall ist nicht mehr aufzuhalten, der amerikanische Zynismus auch nicht, unerbittliche Gewalt ist die Realität. Und trotzdem gibt es am Ende zarte Strahlen des Mitgefühls, des Verzeihens…
7 hilflose Menschen im blendenden Licht eines Helikopterscheinwerfers.
Verschlafene Riesenechse.
Der 31. offizielle Godzilla-Film aus dem japanischen Toho Studio ist das Mittelstück einer (Netflix-) Anime-Trilogie. War im vorherigen Kapitel das träge Vieh ein Symbol für die Zerstörung des irdischen Klimas, muss nun der Genpool des Monsters genutzt werden um die Erde zu retten. Evolution bzw. Natur vs. Technologie. Das klingt durchaus interessant, aber thematisch fehlt der Biss. Stattdessen gibt es (wieder) ellenlange Militär-Durchhalteparolen mit Mut und Opferbereitschaft, klobige Figuren und schwülstiges Philosophieren. Die Geschichte entwickelt keine Dringlichkeit, kann seine verschiedenen Ideen nicht zusammenbringen oder ausbauen und versinkt in den letzten 20 Minuten in eine mäßig animierte Action-Sequenz, die so chaotisch gemacht ist, so dass das Gezeigte noch mal verbal per Kommandozentrale erklärt werden muss. Der folgende dritte Teil kann die eigentlich erfreuliche Idee Godzilla als SF-und Zeichentrickfilm zu erzählen kaum noch retten. Schade.
3D-Drucker aus Nanometall.
Numerische Muster.
Die Adaption des Romans von Paul Pen kombiniert (mathematischen) Wahn mit einer übernatürlichen Komponente zu einem Puzzle, das Filmemacher Daniel Calparsoro mit makelloser Eleganz und einem guten Gespür für Rhythmus zusammensetzt. Hier kreuzen sich Vergangenheit und Gegenwart, um zu einem Rennen gegen die Zeit zu werden. Die zahlreichen Wendungen erschaffen immer wieder neue Rätsel, die mit Tempo und Entschlossenheit gelöst werden und zu einem kribbeligen Höhepunkt steuern, eingebettet in eine paranoide Stimmung, die auf Subthemen wie psychische Erkrankungen, Verlust und Schulmobbing trifft. Ich ignoriere ein paar Skriptlücken, den Hang zur Sentimentalität und bin wieder einmal begeistert wie gut der Zustand des Genrefilms in Spanien ist.
7 Tabletten Risperidon (nicht) schlucken.
Ein Film über den man noch in 20 Jahren sprechen wird, oder wieder... ;)
Ich möchte gerne Jason Momoa komplett nackt auf dem Poster sehen, wo die Schamhaare nicht glatt sind sondern "hochstehen" und das Wasser nicht abperlt.