lieber_tee - Kommentare
Die 5 meist diskutierten Serien
der letzten 30 Tage
-
UntamedUntamed ist eine Thriller aus dem Jahr 2025 von Mark L. Smith und Elle Smith mit Eric Bana und Wilson Bethel.+40 Kommentare
-
MobLand - Familie bis aufs BlutMobLand - Familie bis aufs Blut ist eine Gangsterserie aus dem Jahr 2025 mit Helen Mirren und Pierce Brosnan.+11 Kommentare
-
BallardBallard ist eine Kriminalserie aus dem Jahr 2025 mit Maggie Q und Titus Welliver.+10 Kommentare
Die 5 meist vorgemerkten Filme
-
Weapons - Die Stunde des Verschwindens145 Vormerkungen
-
One Battle After Another119 Vormerkungen
-
Bring Her Back96 Vormerkungen
-
The Long Walk - Todesmarsch85 Vormerkungen
-
Caught Stealing62 Vormerkungen
Alle Kommentare von lieber_tee
Schlitzohriges Kino.
Noch so ein austauschbarer spanischer High-Concept-Thriller aus der Mindfuck-Schule von Oriol Paulo, wo die letzte Wendung spektakulär sein soll, aber furchtbar verpufft. In „Boy Missing“ wird alles nur kurz und oberflächlich berührt. Themen wie soziale Ungerechtigkeit, miese Justiz, Mobbing werden grob angerissen, wie auch seine funktional agierenden Figuren. Das ist solide gespielt, hübsch aber steril fotografiert und der Film verfliegt auch recht schnell, aber letztlich kaschiert er mit konstruierten Wendungen seine eigentlich recht fade Handlung, die nur auf den konventionellen Oh-damit-habe-ich-jetzt-nicht-gerechnet-Ansatz aus ist.
Naja.
4-mal mit leidlich cleveren Twists das Gehirn beim Zuschauer verdrehen.
Ex und hopp.
Der von den Geschwistern Ian und Eshom Nelms geschriebene und inszeniert Hard-Boiled-Kleinstadt-Thriller kann sich nicht so recht entscheiden ob er eine schrullige Parodie auf billige Pulp-Literatur oder ein schmutziger Detektivkrimi sein will. In seinem hohen Tempo und seiner Verspieltheit, wo selbst das Düstere irgendwie optimistisch wirkt, ist der Streifen durchaus sympathisch, ich habe aber nie eine wirklich abgründige Kleinstadtatmosphäre gefühlt, eigentlich auch keine Bedrohung durch die Killer oder ein Leiden der Opfer. Alles plätschert flott vor sich hin, selbst das Saufen, der selbstzerstörerische Alkoholismus des Protagonisten, ist locker von der Leber erzählt. Das kriminelle Geheimnis wirkt halb gar gekocht und nur die Lead-Performance von John Hawkes ist so weit gelungen, dass er den Film im soliden Mittelmaß über die Ziellinie trägt.
5 Muscle Cars
Dieser Horrorfilm ist laut Netflix zu gruselig für euch!
Es ist schon faszinierend wie eine Handvoll reißerischer News in den Medien einen unscheinbaren, kleinen Film (der bereits Ende 2017 auf DVD erschienen ist) zu einem gehypten Streaming-Produkt macht. Natürlich kann „Veronica“ die Erwartungshaltung nicht erfüllen. Im Gegenteil, der Film offenbart, das auch das spanische Gruselkino oft nichts zu erzählen hat und auch an einem Mangel an kreativen Visionen leidet. Auf das zeitgenössische Hollywood-Horror-Kino schielend, bietet Paco Plazas paranormaler Spukfilm die Gegenwart des Bösen im Haus, spirituelle Sitzungen und unnötige Jump-Scares, gefüttert mit Alpträumen...
„Ouija 2“ trifft auf „Insidious“. Ok, es ist scheinbar schwierig etwas Neues hinzuzufügen und der Mangel an Originalität muss ja auch kein Problem sein, wenn er seine Genre-Stereotypen ordnungsgemäß ausführt. Und das schafft „Verónica“ durchaus ordentlich, auch wenn sein Narrativ und seine Psychologie etwas leer wirken. Zeitweise beängstigend, mit Phasen die sogar subtile Spannungen aufbauen, erschreckt der Film nicht nachhaltig, bietet aber solides, altmodisches Handwerk. Nicht mehr und nicht weniger. Aber „zu gruselig für euch“ ist er auf keinen Fall. Was aber auch nicht wirklich überrascht.
5-mal in die Sonnenfinsternis schauen.
Wenn Drehbuchseiten dramatisch rascheln.
„Forgotten“ ist ein neuer südkoreanischer Thriller auf Netflix und hat das offensichtliche Ziel mit seinen zahlreichen Plot-Twists, Wendungen und Überraschungen vom Anfang bis zum Ende den Zuschauer umhauen zu wollen. Er erzählt viele, sehr viele Geschichten innerhalb seiner Geschichte, entfaltet ein Vexierspiel aus ungeklärten Morden, traumatischer Amnesie, Versicherungsbetrug, tödlichen Autounfällen, psychologisches Rollenspiel, Hypnose und Entführung. Regisseur Jang Hang-jun wechselt mühelos die Genres. Horror, Krimi, Thriller und Mystery werden bedient. Der Betrachter galoppiert durch unterschiedliche tonale Stimmungen, von Glaubwürdigkeit zu Unglauben. Er wird durch den Verlauf ständig manipuliert, die Charaktere sind nie berechenbar, die Genre-Standards führen ständig in eine nicht vorhersehbare Richtung. Das macht letztlich natürlich kaum einen Sinn. Austricksen als filmisches Konzept hat seinen oberflächlichen Reiz, gerade weil hier das Tempo und die Produktionswerte hoch sind, aber irgendwann habe ich mich dann doch zu oft verarscht gefühlt. Die Drehungen sind so dünn wie das Drehbuchpapier auf die sie geschrieben wurden und bereits am nächsten Tag habe ich den Film vergessen.
6 Punkte für, äh, wie hieß der Film nochmal?
Darf der Umgang mit der Last der Holocaust-Vergangenheit humorvoll erzählt werden? Führen Witze über eine werbefinanzierte Aufarbeitung der deutschen Vergangenheit die Opfer und Betroffenen der NS-Zeit vor?
Regisseur und Autor Chris Kraus persifliert die heutige, akademische Erinnerungskultur, macht respektlose Gags über etwas worüber man eigentlich keine Witze machen darf. Und das ist erlaubt, weil er empathischen Schmerz und Farce im Gleichgewicht hält. Denn seine durchgeknallte Liebesgeschichte im Stil einer amerikanischen Screwball-Comedy schafft es Slapstick, bissige Satire und feine Ironie mit einer private Familientragödie zu verbinden, die von dem selbst-zweifelnden Lars Eidinger, und der kratzbürstigen Adèle Haenel glaubwürdig verkörpert wird. Der Film ist immer dann gut wenn er die Faschismus-Keule mit grellen Witz schwingt. Leider will „Die Blumen von gestern“ aber auch großes dramatisches Kino sein, was ihm aber nicht so recht gelingt. Denn spätestens nach der Hälfte geht ihm erzählerisch die Luft aus. Kraus muss konstruierte Tragik und Traumata dazu erfinden, um dem Film einen noch höheren emotional-privaten Wert zu geben. Und so wirkt alles überladen. Die Figuren funktionieren, um bloß am Ende nicht in ein versöhnliches Ende abzudriften, denn das wäre ja zu einfach.
6 Judensterne, äh, ich meine Mercedessterne natürlich.
Fremdheit begegnet Fremdheit.
Ein einsamer Mann versucht mit Entschlossenheit und Willenskraft einen Platz in eine nach außen abgeriegelte Welt zu finden, einen familiären Ersatz, der ihm Loyalität, Liebe, Akzeptanz und vorgegebene Strukturen gibt. Regisseur Martin Zandvliet erkundet in dieser viel gescholtenen Netflix-Produktion unterkühlt diese existenzielle Selbsterkundung, konsequent aus dem Blick des Erkundenden. Das macht Sinn, denn so lernt man als Zuschauer selbst nach und nach die vielen komplizierten (oder vereinfachten?) Rituale und Traditionen der Japanischen Kultur kennen.
Offensichtlich nach den Konventionen des 60er und 70er Jahre Yakuza-Gangsterfilms erzählt, mit ihren typischen Themen des Verrats und der Ehre, trifft hier gut poliertes japanisches und amerikanisches Genre-Kino aufeinander, deren einzelnen Prämissen, die Fremdheit und das langsame Annähern, mit einer entsprechenden Genre-Filmsprache dargereicht werden. Wir begleiten einem Gaijin mit lange Blicken und langen Einstellungen in einen ungewohnten Lebensraum voller seltsam wirkenden Gepflogenheiten und nähern uns so langsam und mit Neugierde dieser Umgebung, die (möglicherweise) nicht frei von exotischen Klischees ist.
Jared Letos Charakter ist dabei ebenso geheimnisvoll und mysteriös wie die kriminelle Unterwelt der 50er Jahre in Japan. Dadurch entsteht eine kunstvolle und künstliche Stimmung, die die Fremdheit der Lebensweisen wie ein Spiegelbild des entfremdeten Protagonisten gegenüber stellt. Die Ausbrüche von Gewalt sind dabei weniger körperlich, sondern mehr psychologisch, nie ganz zu Ende erzählt. Der Zuschauer bleibt bis zum Ende ein Gast, ein faszinierter Tourist in einer ihm nicht vertrauten Welt.
Ob dieser Ansatz des Erzählens über Japan „Whitewashing" ist, oder eine "Verwestlichung" der Kultur erzeugt, weil hier angeblich ein „weißer Retter“ kommt, der Japan befreit, kann jeder für sich entscheiden. Ich habe es nicht so wahrgenommen.
7 emotionslose Blicke auf die Unabwendbarkeit.
Zerebrale Lähmung.
Sicherlich ist Sam Raimis „Evil Dead“ einer der einflussreichsten Horrorfilme der Moderne. Die einfache Formel, eine Hütte im Wald mit versehentlich erweckten Dämonen, ist Vorlage für zahllose Jung-Filmemacher, die ihre Sporen noch verdienen wollen. Auf den ersten Blick ist „Bornless Ones“ solch ein Klon, auf den zweiten Blick ebenfalls.
Das abendfüllende Spielfilmdebüt von Autor und Regisseur Alexander Babaev atmet schwer den Geist des Klassikers, in Story, Optik und Sound. Bemüht er sich in der ersten Hälfte noch skizzenhaft die Klischees von geilen Mittzwanziger mit Verantwortung und Sorgen gegenüber Behinderten zu kombinieren und dieses auf seltsame Runen, Albträume und alter Dämonologie im Keller treffen zu lassen, manifestiert sich im zweiten Teil schlagartig die Besessenheit. Früheres Fehlverhalten der Protagonisten ist das Futter der Schreckgespenster. Ihre Möglichkeit Krankheiten heilen und somit die Last einer Behinderung verschwinden zu lassen sind Plot-Points, die zweckmäßig für eine Terrorformel benutzt werden. Dass die Charaktere hier aber auch mit innerlichen Ungeheuer kämpfen, wird nur unausgereift psychologisiert.
Wirklich bahnbrechend ist hier nichts. Eher werden redundant die typischen Stereotype bedient, teilweise durchaus effizient, grundiert von einer solide agierenden Schauspielriege und einigen praktischen Splatter-Effekten der alten Schule. Das ist interessant genug, um die gesamte (kurze) Laufzeit zu beschäftigen, die Würze für etwas Großartiges fehlt aber.
5 menschliche Nadelkissen.
Beängstigend schlecht.
Der vierte Film im Insidious-Franchise ist ein fauler Film. Die bewährten Spukhaus-Spielereien, wie flackernde Lichter, knarrende Dielen, schattenhafte Gestalten und Hui-Buh-Effekte, sind nur banale Tricksereien um eine Geschichte über Kindheitstrauma- / verarbeitung zu erzählen, die in einem berührenden und emotionalen Finale enden soll, das aber nie berührend oder emotional wirkt.
3 Taschenlampen, die immer dann ausgehen wenn sie nicht ausgehen sollen.
Blutlust und Fleischlichkeit.
Brutal-grimmige Popcorn-Unterhaltung, die ebenso schamlos wie flach ist. Das pseudo-komplexe Plot-Geschwurbel um Doppel-, Dreifach- oder Vierfach-Agenten im „neuen“ kalten Krieg ist nicht einmal Edel-Trash. Obwohl „Red Sparrow“ mehr oder weniger elegant alles überzeichnet, sein Sabbern nach Sex und Crime wirkt so, als ob der Zuschauer einer seelenlosen Peep-Show beiwohnt, wo das Star-Vehikel Jennifer Lawrence versucht die frivolen Grenzen einer großen Studioproduktion auszuloten. Letztlich provoziert der Film aber in seiner Furchtlosigkeit an dem Betrachter vorbei. Sexueller Erniedrigung, grafische Foltereinlagen und etwas nackte Haut soll irgendwo eine pervertierte (weibliche) Selbstermächtigung gegen männliche Fremdbestimmung suggerieren, der ausbeuterische Charakter des Films kann allerdings nicht verhehlen, dass er zwar teilweise effektiv in seinen Sauereien ist, aber ebenso uninspiriert den Zuschauer über zwei Stunden auf die Nüsse geht.
5 magische Muschis.
Putzkolonne der Macht.
Im ersten Spielfilm von Thomas Kruithof werden die Karten immer wieder neu gemischt. Das skrupellose und manipulative Ränkespiel konkurrierender Geheimdienste ist für unseren kleinen Bürokratie-Held ein Spießrutenlauf. Die monochrom-nüchternen Abläufe und Bildern verstärken die kafkaesken Züge der Geschichte. Über weite Strecken schafft es der Film eine Verunsicherung beim Zuschauer zu erzeugen, besonders weil er Motive und Mittel des paranoiden Thrillers der 70er Jahre nutzt. Die Auflösung und die Katharsis sind dann etwas banal und unter-komplex aus dem Hut gezaubert. Das Thema, wie ein Individuum im Hamsterrad aus politischen Interessen und Machtmissbrauch nach und nach heiß läuft, wird mit packender Effizienz eines französischen Politthrillers erzähl, der die alte Schule besucht hat.
6,5 (angeblich) sichere Leitungen.
In der Gesellschaft des freundlichen und höflichen Bären geht die Welt in Ordnung.
Paul King's Fortsetzung ist ein herzlicher Familienfilm, der äußerst fürsorglich, fern von Zynismus, den humanistischen Geist der Harmonie bis in die letzte Sitzreihe des Kinos transportiert. Seine gutmütige Komik trifft auf sanfte Exzentrik, der Charme und Witz des ersten Films wird beibehalten und wieder von einem sympathischen Ensemble britischer Schauspieler unterstützt. Mit unbekümmerter Leichtigkeit ist ein animationstechnisches Feuerwerk voller kreativer Ideen zu bestaunen, wo die eher formelhafte Sightseeing-Schatzsuche als perfekt abgestimmtes Muster für Gags dient. Wunderbar anzuschauender, wunderbar freundlicher, wunderbar gut gemeinter Film, der in seiner wunderbaren Makellosigkeit am Ende bei mir eine gewisse Sättigung an Wunderbaren erreicht hat.
7 Marmeladen-Schnittchen.
Die Zukunft ist schwarz.
Oberflächlich bewegt sich dieser Superheldenfilm für die schwarzen Community im vorhersehbaren James-Bond-Action-Standard und hat manchmal in Tempo und Aufbau seine Probleme, manch CGI-Qualität lässt zu wünschen übrig. „Black Panther“ kennt die Grenzen der Marvel-Formel, ist Mainstream-Eskapismus. Aber gerade diese Vertrautheit nutzt Filmemacher Ryan Coogler, um den Zuschauer in eine wohltuend anders wirkende Welt eintauchen zu lassen. Es entsteht ein Kosmos aus schwarzen Gesichtern, Gewändern, Traditionen, Ritualen und Konflikten, der voller Stolz seine bunten, folkloristischen Kostüme und Ausstattung mit fortschrittlich-modernen Technologien kombiniert und so aus den Afrika-Klischees eine politische Ästhetik macht.
Der Panther bringt den Afrofuturismus in den Mainstream.
Und das mit einer einzigartigen, visuellen Identität, die so in bislang keinen anderen Marvel-Superhelden-Film im Mittelpunkt stand. Afrikanischer und afroamerikanischen Stolz als Spektakel, in dem der Superheld menschlich und ambivalent sein darf, seine Identität hinterfragen muss, persönlich Verantwortung für sein (geopolitisches) Handeln übernimmt. Fast schon allegorisch philosophiert der Film immer und immer wieder über die Fragen nach den Grenzen des Isolationismus und Konformismus und ob Widerstand bzw. schwarze Vorherrschaft friedlich oder mit Gewalt vollzogen werden soll. Ein Diskurs den nicht nur die schwarze Community in den USA spaltet, wenn es um die Frage geht ob globale (Kultur-) Konflikte mit militärischer Macht gelöst werden sollen oder mit gemeinsamer Teilhabe an wirtschaftlicher Macht.
Eins sagt „Black Panther“ aber deutlich: Wir haben afrikanisches Selbstbewusstsein und wir haben eine Verantwortung. Denn der Film zeigt mit seinem visualisierten Afrofuturismus einen Widerstand gegen „weiße“ Bilder, gegen eine rein „weiße“ Zukunft und alleinige „weiße“ Macht. Und der Film fordert die Welt auf Potenzial, Schätze und Ressourcen miteinander zu Teilen, um eine gerechte Aufteilung des Wohlstands zu erreichen. Zum Wohle der Gemeinschaft.
Das mag naiv klingen, ich mag aber die kraftvolle Form wie das dieser Film propagiert.
7 Klauen aus Vibranium.
23 Jahre Winterschlaf.
Der erste "Jeepers Creepers" von Victor Salva hat damals etwas frischen Wind in das Horror-Genre gebracht, weil er einige Bock-starke Sequenzen und eine schaurige Mythologie bot. Die Fortsetzung konnte das Niveau nicht mehr halten, war zumindest in seinem eigenwilligen Belagerungsszenario wirkungsvoll. Finanziell erfolgreich waren beide Teile. Keine Ahnung ob es daran lag, das Investoren Salva wegen seines sexuellen Kindesmissbrauchs lange kein Geld geben wollten, 14 Jahre später erscheint nun die von den Fans der Reihe heiß ersehnte, nächste Fortsetzung. Für den Videomarkt gedreht, entschied sich der Filmemacher die Geschehnisse zu verfilmen, die zwischen den ersten und zweiten Teil liegen. Das ist sicherlich nicht das was die Fans erwartet haben, weil der Streifen so zum Lückenfüller wird, er bietet allerdings für die erwartungsvollen Freunde der Reihe dadurch reichhaltige Bezüge zum ersten Teil. Leider ist Salva bei seinem Fan-Service die Begabung an erzählerischen Handwerk verloren gegangen. Trotzt weiterhin ordentlicher Bildgestaltung wirkt Creepers 1,5 seltsam verworren zusammen-gestückelt, mit wenig Gespür für Rhythmus und schauriger Stimmung. Die Nebenhandlungen interessieren nicht, vieles wird nur für ein Kasperletheater kruder Ideen und Zitate missbraucht. Schaut man sich alle bisherigen Teile in ihrer Zeitlinie chronologisch an, dann offenbart sich die Flickschusterei besonders. Da ergibt vieles wenig Sinn oder ist nicht sauber ausgearbeitet. Auch wirkt die Mythologie um den Creeper nicht mehr bedrohlich, sie soll jetzt als cool-pfeifender Freddy-Krueger-Witz daherkommen, der durch die trashigen Asylum-Effekte bei Tageslicht verstärkt wird. Naja, irgendwie habe ich mir mehr versprochen.
4 -mal der abgetrennten Creeper-Hand die Hand geben.
„Arrival“ auf Acid.
Alex Garlands albtraumhafte Adaption von Jeff VanderMeers ersten Teil seiner Roman-Trilogie ist Mindfuck-Kino mit den Mitteln des Terror- und Körperhorrors. Der Filmemacher versteht es großartig dem Fremden mit Furcht und Ehrfurcht zu begegnen und so einen zerebralen Sog zu erzeugen. Die Hybris trifft auf Hybriden und offenbart schaurige Ungeheuerlichkeiten. Im bio-psychologische Sumpfgelände der Seelenlandschaften entstehen Sequenzen voller seltsamer Pracht, die visuell auf die große Kinoleinwand gehören und tragischer weise jetzt nur auf dem heimischen Stream zu betrachten sind. Mag sein, das die Geschichte etwas in die Länge gestreckt wurde, mag sein, das die Charaktere zu funktional sind und es mag auch stimmen, das der Film eine Tiefe vorgaukelt, die er letztlich nicht erfüllt, weil er am Ende nicht den allwissenden Erklärbär stottern lässt. Ja, „Auslöschung“ ist ebenso ambitioniert wie unordentlich, hinterlässt mehr Fragen als endgültige Antworten. Und genau das macht seinen Reiz aus, da er keine vorgekaute oder x-mal wiedergekäute SF-Hausmannskost ist. Als Parabel über die Grenzen des menschlichen Seins, über die untrennbare Verbindung zwischen Schöpfung und Zerstörung, über die Ungewissheiten der Evolution, erschafft Garland einen visionären Bilderrauch aus surreal-verkitschten Landschaften, deren halluzinogene Wirkung in eine metaphorische Erzählung eingebettet ist. Das ist phantastisches Kino von seiner besten Seite.
Sich 7,5-mal im Inneren des „Schimmers“ verlieren.
Es gab mal Zeiten, da war das Hongkong-Aktion-Kino das Maß aller Dinge.
„Shock Wave“ ist hoch-produzierter, geglätteter Mainstream, der ohne große Überraschungen und solide vor sich hin plätschert. Es ist schon fast eine Kunst den Thrill von Bombenentschärfungen nicht zu nutzen, stattdessen brav die zwei Stunden Laufzeit mit einer aseptischen Liebesgeschichte und verkitschten Heroismus für die Staatspolizei zu vertrödeln, bzw so viele Scheiß-egal-Figuren in einem Film zu versammeln. .
4 tickende Zeituhren ohne Spannung.
Still leidend gegen den Sturm angehen.
Marina, eine unbeugsame Transgender-Frau, will sich in Würde von ihrem verstorbenen Geliebten verabschieden. Aber die (chilenische) Gesellschaft hindert sie daran, denn sie ist geprägt von Verachtung, Hass und Vorurteilen gegenüber dem „dritten Geschlecht“, weil es ihre eigene nominierte Identität angreift.
Der Anspruch, die gute Absicht, ist bei Filmemacher Sebastián Lelio offensichtlich. Sein Film ist ein Plädoyer für Akzeptanz und Toleranz. Seine Hauptdarstellerin ist selbst eine Transfrau. Sie durfte in der 90-jährigen Geschichte der Oscars als erste Transfrau eine Rede halten. Der Film wurde als bester fremdsprachiger Film des Jahres ausgezeichnet, hat den Berlinale-Drehbuchpreis gewonnen. Bei so viel wichtiges Wohlwollen schäme ich mich ein bisschen, das ich die „fantastische Frau“ gar nicht so fantastisch fand. Denn so gut gemeint und relevant wie diese Geschichte auch ist, der Film hat einen seltsamen Duktus, der sich immer wieder in großen melodramatischen Seifen-Oper-Pathos entlädt. Seine plakative Filmsprache lässt oft Zwischenräume oder Subtilität vermissen. Ich kann das Symbol des Spiegels (ca. 50 mal im Film) als Ausdruck von Identität nicht mehr sehen, gesellschaftlichen Gegenwind wortwörtlich mit einer Windmaschine zu erzeugen finde ich platt und Frust-Ficken in coolen Clubs zu cooler Musik ist auch schon arg verstaubt. Passend dazu, sind alle Figuren des Films nur Karikaturen ihres Selbst, lassen keinerlei Tiefe erkennen. Und dass die Protagonistin, obwohl die Kamera ständig ihr Gesicht umschmeichelt, für mich unnahbar-fremd in ihrer phantastischen Überhöhung blieb, finde ich schon fast kontraproduktiv im Umgang mit der Transgender-Thematik.
Letztlich ist „Die fantastische Frau“ gut gemeintes, leidendes Betroffenheitskino, das beim Feiern seiner „Richtigkeit“ durchaus mehr Differenzierungen in seinen Figuren und gesellschaftlichen Kontext vertragen hätte. Aber so ist alles Schwarz und Weiß, niemand fühlt sich angepisst, in seinem (geschlechtlichen) Status quo gestört. Zu mehr ist vielleicht das aktuelle Kino zu diesem Thema noch nicht bereit.
5 mal die Regenbogenflagge hissen.
Es ist mal wieder ein guter Tag zum Sterben...
Joel Schumachers Original aus dem Jahre 1990 ist sicherlich kein Meisterwerk des Genre-Kinos, geht in die popkulturellen Annalen eher wegen seiner (vor-) prominenten Besetzung ein. "Flatliners" 2.0 hat nicht einmal das zu bieten. Geschweige denn irgendeinen Ansatz den Vorgänger irgendwie weiter zu entwickeln, außer dass die Medizin- technischen Geräte jetzt etwas moderner blinken. Regisseur Oplev entfaltet keinerlei Sog. Die abgestandenen Jump Scares erschrecken nie. Die gesamte Dramaturgie offenbart das Problem von glatt-gebügelten Mainstream-Horrorfilmen der Neuzeit, sie zeigen keinerlei Mut oder Raffinesse. Die Figuren haben kein Leben, sind nicht getrieben, sondern nur arsch-langweilig. Dass ihre freiwilligen Nahtod-Erfahrungen zu Manifestationen ihres schlechten Gewissens werden, ist nur Anlass für einen heuchlerischen Film, der das christliche Mantra über Schuld, Versöhnung und Vergebung vor-betet.
Mit 3 fetten Motorrädern durch leere Straßen brausen und von der großen Freiheit träumen.
Von subtilen Schüttelfrost, zu fiebrigen Horror.
Die erste Hälfte ist ein traditioneller, langsam erzählter Geisterfilm. Ein von der Außenwelt isoliertes, strenges Mädchen-Internat, Mobbing, vermisste Kinder und schaurige Erscheinungen. Aber „The Silenced“ ist nicht diese Art von viktorianischen Grusel, mit verdrängter Sexualität und halluzinierenden Psychosen. Autor und Filmemacher Lee Hae-yeong nutzt die sanfte Dramatik, um plötzlich die Geschichte auf den Kopf zu stellen. Es geht nicht um das Erschrecken mit billigen Scares oder um einen übersinnlichen Racheplot. Der Story-Verlauf ist kaum vorhersehbar (auch wenn es genügend Hinweise gibt). Er setzt sich mit der Japanischen Kolonialzeit in Korea auseinander, mit der Unterdrückung und dem Misstrauen. Die weibliche Ermächtigung hat hier nicht nur eine kathartische Wirkung, ist auch ein befreiendes Sinnbild von der erniedrigenden Vergangenheit des Landes. Zuverlässig gespielt, liebevoll ausgestattet und mit einer erlesenen Kinematographie, schafft es der Film eine geistreiche Geschichte zu erzählen. Und ich mochte diese plötzliche Tonverschiebung des Films, auch wenn sie ein wenig übertrieben wirkte.
7 Kirschblüten-Stickereien auf einer Karte von Korea.
Es gibt und gab eine Reihe von Plagiats-Vorwürfen gegenüber "Shape". MP hat darüber nur zum Teil berichtet. Nehmt euch mal 10 Minuten Zeit und schaut den niederländischen Studenten-Kurzfilm „The Space Between Us“ (der übrigens toll ist) Und vergleicht mal...
https://www.youtube.com/watch?v=xEIpzBPUjEo
Sprinkler des Grauens.
„Summer Camp“ ist kein Slasher-Film, wo ein Jason Voorhees-Abklatsch am Badesee hormon-geprägte Jugendliche killt. Das Regiedebüt von Drehbuchautor und Produzent Alberto Marini ist eine Metamorphose aus der Wackelkamera von [REC] (aber kein Found Footage) und dem Wut-verursachenden Virus aus „28 Days Later“. Sein durchaus aggressiv-treibender Horrorfilm bietet neben reichlich Gore und Gewalt eine angenehme Einfachheit, die an achtziger Jahre Produktionen erinnert. Die bewährte Formel des Infektion- bzw. Zombie-Themas zu variieren und die Erwartungshaltung des Zuschauers (manchmal) zu unterlaufen sind die Stärken des Films. Hier geht es um Vertrauen, oder das Fehlen davon. Den Plot um eine Wut-Seuche mit Misstrauen und wechselnden Loyalitäten, sowie einigen herrlich makaberen Ideen, zu erzählen, um ein brutales Katz und Maus-Spiel zu entwickeln, nutzt der Streifen aber nicht wirklich. Denn die effektiven Wendungen gehen verloren, weil die Interesse an den unsympathisch und unglaublich flachen Figuren schnell verloren geht. Und weil der Debütant Hektik, nervige Parkinson-Kamera-Arbeit und konfusen Schnitt mit Spannung bzw. Dynamik verwechselt. Bei den ständig sich wiederholenden Verfolgungsjagden bleibt der Nervenkitzel aus, trotz kreativer Drehbuchideen. Schade.
5 Hill-Billy-Meth-Labor-Wohnwagen.
Wenn das Monster aus dem Sumpf per Youtube-Videos zum Leben erweckt wird.
Vor zehn Jahren wurde die Horrorwelt mit einem bulligen Filmmonster beehrt, der deformierte Victor Crowley. Sein Erfinder Adam Green wollte einen selbstironischen Rückblick auf die Slasher-Flicks der 80er Jahre wagen, wo Köpfe gespalten und Körpern zerrissen wurden. Der Splatter war zugleich auch die Quelle des makaberen Humors.
Auch der vierte Teil der Reihe versucht nie ernst zu sein. Die Todesfälle sind ebenso verdorben wie unverschämt, in ihrer comichaften Übertreibung und billigen Handarbeit. Die Handlung hält sich (wie schon bei den Vorgängern) uninspiriert an der Stalk-and-Kill-Grundformel fest.
Ich kann mir kaum vorstellen, dass dieser Film den Crowley-Fans gefallen wird. Nach einer geschwätzigen ersten Hälfte, mit derben Unterleibs-Humor, dürfen endlich die nervigen Figuren auf bewährter Art und Weise in ihre Einzelteile zerlegt werden. Allerdings frage ich mich, wenn dieser Film als Fan-Service gedacht war, welches Bild Adam Green eigentlich von seinen Fans hat. Denn diesem Klamauk fehlt die Liebe zu seinen Genre-Vorbildern, kopiert und ironisiert sie nur stumpf. Seine Überspitzungen sind nicht kreativ, sondern billigstes Kasperletheater für selten dämliche und vulgäre Witze. Da nutzen die Kunstblut-Attacken auf den Zuschauer auch nichts mehr, da sie bereits aus den vorherigen Filmen mehr als bekannt sind.
3,5 Schwanz-Autogramme.
„Wenn man aufwacht und als erstes jemanden tötet, dann weiß man, dass die Welt eine andere ist.“
Die Vergletscherung der Menschlichkeit angesichts der Apokalypse. Michael Haneke trifft auf George Romero, in einem franko-kanadischen Arthouse-Zombiefilm.
Über den gesamten Film liegt eine beklemmende Stimmung. Angst und Bedrohung sind allgegenwärtig. Mit lakonischem Tempo bedient LES AFFAMÉS lustvoll das Horror-Genre und reduziert es auf das Wesentliche. Eine atemlose Spannungssequenz folgt der anderen. Drei Viertel des gesamten Films ist von überwältigender Stille geprägt, die nur vom Kreischen der Zombies unterbrochen wird und dadurch eine eigene Persönlichkeit bekommt. Erst gegen Ende, wenn sich die Menschheit gegenseitig aufgefressen hat, erfährt der Film ein Gefühl für Hoffnung und Humanität.
Die mit Aussparungen und Zersplitterungen erzählte Geschichte wird vom Filmemacher Robin Aubert mit surrealen und eindrücklichen Momenten garniert, immer wieder mit schwarzen Humor gewürzt und mit heimtückischen und expliziten Splatter verfeinert. Die Figuren werden nicht durch Drama oder Pathos per Dialog charakterisiert, sondern bekommen durch ihr Handeln Profil.
Im Prinzip hat LES AFFAMÉS inhaltlich dem Zombiefilm nicht Neues anzubieten, aber er ist ein verdammt stark inszenierter Beitrag, weil er den Standart-Katalog des Sub-Genres mit angenehmen Understatement, fast kühl aber nicht emotionslos, bedient und mit dieser cleveren (und verstörenden) Zurückhaltung voll in die Fresse haut. Gemacht von einem Filmemacher der offensichtlich das Horror-Kino liebt.
7,5 Badass-Mamas, die wissen, wie man eine Axt schwingt.
Aschenputtel in den brennenden Slums.
Das ambitionierte Indie-Debüt der Filmemacherin Houda Benyamina beschreibt mit rohe Kraft die Marginalisierung und Chancen-Ungleichheit von Einwanderer, die inmitten der Gewalt in den Vorstätten von Paris versuchen sich durch Drogen und Kriminalität ihre Träume zu erkaufen. Im Mittelpunkt steht eine Teenagerin, die im Moment lebt. Ihre Herausforderungen des Erwachsenwerdens drohen zwischen dysfunktionaler Familie, Rebellion und Lohnsklaverei einzufrieren. Oulaya Amamra verkörpert dieses Energiebündel ebenso natürlich wie mürrisch und trägt mit ihrer elektrisierenden Frische den ganzen Film.
Für ein klares Genre entscheidet sich die Filmemacherin nicht. Ständig wechselt das Werk seine Ausrichtungen. Mal ist „Divines“ eine Sozial-Studie, mal ein Migranten-Drama oder eine Coming-Of-Age-Story, selbst Motive des Tanzfilms sind zu finden. Die Kern-Geschichte folgt dem Gangsterfilm. Leider werden typische Ghetto-Klischees aus dem Banlieue-Milieu reichhaltig bedient, allerdings durch das unerwartet tragische Finale auch gebrochen. Gebrochen bzw. vertauscht werden auch die klassischen Geschlechterrollen. Hier darf der Mann ein Objekt der Begierde von einer Frau sein und Feminismus hat hier eher etwas Machoides.
Wenn die Jugend um jeden Preis versucht zu überleben, dann braucht der Film dafür keine moralisierende Töne. Er bleibt bei den Menschen, ihren Sehnsüchten, ihrem Hunger nach Leben, ihrer Verzweiflung die Umstände zu ertragen und bei ihren Anstrengungen aus diesen zu entfliehen.
7 Selfies in Markenkleidung.
Anmerkung: Der Film ist ein „Netflix-Original“.
Martial-arts-Knast-Klopper aus Kambodscha.
Die einfache Escort-Mission eines verhafteten Gangsters durch ein Hochsicherheits-Gefängnis ist, freundlich formuliert, eine geradlinige Idee um Kampfsport-Helden, umgeben von einem Haufen grimmig dreinschauender Bösewichter, die Möglichkeit zu geben ihre Kampf-Kunst zur Schau zu stellen. Offensichtlich von „The Raid“ in Inszenierung, MMA-Technik und geschlossener Umgebung, die auf engsten Raum Fights bietet, inspiriert, kann der Film als Kambodschas Antwort auf das allgegenwärtige, übergroße Vorbild aus Indonesien gesehen werden. Mit (sehr) wenig Geld gedreht, werden immer wieder die gleichen Flure und Zimmer gezeigt. Eine Schlägerei folgt der nächsten. Über Handlung, Geschlechter-Stereotypen, Vorurteilen und Charakterisierung der Figuren sollte der Mantel des peinlichen Schweigens gedeckt werden. Ich weiß auch nicht, warum dieses Genre kaum Versuche unternimmt wenigstens Ansätze von Seriosität zu zeigen. Scheinbar will das Zielpublikum nur stupid auf die Fresse gehauen werden, mehr darüber hinaus ist wohl nicht erwünscht, oder stört sogar. Dazu passt auch der seltsam dümmliche und weinerliche Slapstick-Humor (in der deutschen Synchronisation verstärkt und somit kaum ertragbar), der jegliches Erstnehmen des Films unterläuft. Ernst zu nehmen ist allerdings die famose Kampfkunst aller Beteiligten und besonders die des Kameramanns. Der Betrachter fühlt sich wie in den Fights selbst, ist hervorragend orientiert, wird nicht durch kaschierende Montagen aus dem Flow geworfen. Allerdings haben mich diese endlosen Aneinanderreihungen von ähnlich choreographierten und eingefangenen Prügeleien irgendwann gelangweilt, weil keinerlei dramaturgisches Konzept erkennbar ist. Und der primitive Humor, die dümmlichen Sprüche, haben mich persönlich massiv genervt.
4 französische Ex-Porno-Darstellerinnen im Kampfmodus.
Soziales Unbehagen.
Auf den ersten Blick ist „The Square“ eine Satire auf die moderne Kunstszene, Kommerz und Hype wird verspottet. Der Film ist aber auch ein Sozial-Kommentar auf bildungsbürgerliches Denken und Handeln, das in einem männlichen Ego voller Selbstgefälligkeiten Ausdruck findet. Ruben Östlund amüsiert sich über den Mittelschicht-Wohlstand, der mit seiner blasierten Art über alles eine Meinung hat, ohne eine Meinung haben zu können, weil er in einer hermetisch abgeschlossenen und abgehobenen Luftblase lebt. Wie in einer 150 Minütigen Kunst-Performance nimmt der Zuschauer an zahlreichen Geschichten teil, die mal in ihrer Toxizität fokussiert sind, mal ziellos daneben her laufen. Typisch-narratives Kino wird hier nicht geboten, manch Zurschaustellung wirkt didaktisch gewollt. Im Kern aber funktioniert dieser ausufernde Ansatz den zentralen Protagonisten bei seiner zunehmenden Verzweiflung zu folgen, um (notwendig oder nicht) einer menschlichen Läuterung beizuwohnen. Wann ist Güte angebracht, wann ist Güte Selbstgerechtigkeit, wann ist ein Mensch (Mann) ein Arschloch bzw. ein trieb-gesteuerter Affe, wann macht das Betrachten von Demütigungen eigentlich noch „Spaß“, ist das nicht schon eine perfide Form von Nihilismus was der Film da propagiert? Mal nuanciert, mal grob, mal kritisch, mal verletztend werden unsere (sozialen) Werte hinterfragt, diskutiert, dekonstruiert, unsere Ethik von Gut und Böse relativiert. Das mag in seiner Gesamtheit vielleicht zu unpräzise sein, gern auch mal über das Ziel des „guten Geschmacks“ schießen, bohrt aber unangenehm in gesellschaftliche Wunden und privat-politische Themen, über die wir selbst nicht gerne nachdenken, oder wo wir lieber nicht genau hinsehen wollen.
7,5 Kondome lang ziehen.