lieber_tee - Kommentare

Alle Kommentare von lieber_tee

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    lieber_tee 25.03.2015, 20:54 Geändert 02.11.2015, 02:21

    1001 Filme, die Sie sehen sollten, bevor das Leben vorbei ist.
    Charakterstudie über Ruhm, Eitel- und Einsamkeit, zwischen Größenwahn und Wahnsinn, sensibel-hysterische Tragikomödie und absurde Satire auf das Showbiz, der Film hat von allem etwas und viel mehr.
    Mit fließenden Kamera-Flow und „unsichtbaren“ Übergangen lebt Iñárritu seine Leidenschaft für verschachteltes Erzählen aus, ständig versucht er die Grenzen von Kino und Theater auszuhandeln, sie inhaltlich und stilistisch zu sprengen. Dabei spielt sich selbst-reflektierend Michael Keaton die Seele aus dem Leib.
    Im Vexierspiel über die Wahrhaftigkeit von Kunst werden sämtliche Thesen von allen Seiten beleuchtet, mehrfach wiederholt, aus andern Blickwinkeln betrachtet bis der neurotische Narzissmus seines Protagonisten ein ebenso theaterhafter Fetisch wird, wie das Spiel des Regisseurs mit seinen unendlich vielen Referenzen. Inszenatorische Kunstfertigkeit, die echt aussieht aber so künstlich wirkt wie Kunstblut.
    Aber das ist sicherlich so gewollt…Oder?

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      lieber_tee 25.03.2015, 01:12 Geändert 26.03.2015, 00:56

      Geiler Scheiß!
      Zwischen Kindesmisshandlung, Jugendkriminalität, Klassenunterschieden, herum-fliegenden Körperteilen, blumig platzenden Köpfen, lispelnder Weltherrschaft, kostenfreien Zugang ins Internet, maßgeschneiderten Anzügen, zu treibend choreographierten Kampfballett und cooler Musik tänzelt Regisseur Matthew Vaughn in KICK-ASS-Manier mit dem ober-coolen King's-Speech-Firth durch ein Potpourri aus versauten, albernen und pfiffigen Gags. Der kleine Sohn von 007 feiert sich ironisch-rabenschwarz und hopst erregt durch ein visuelles Freudenfest. Manchmal verliert dieser selbst-verliebte und selbst-verarschende Diskurs über das Agentenfilm-Genre seinen Schwung um dann immer wieder locker aus der Hüfte das Ziel zu treffen. Das ist oft zynisch, nie politisch korrekt, findet (fiktive) Gewalt geil und gerade diese ungesunde Mischung reinigt den cineastischen Magen.
      Wohl bekomms!

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      • Wow, die DVD/BD besorge ich mir, denn ich wollte schon immer einen "Rundgang durch die Kleiderschränke der beiden Protagonisten und einen Blick in die Garage" sehen...

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          lieber_tee 24.03.2015, 23:28 Geändert 24.03.2015, 23:30

          Die teuflische Version von Carpenters "Assault on Precinct 13".
          Vergeltung steht auf den alt-testamentarischen Stundenplan. In einer langen dunklen Nacht wird der Preis der Sünden mit Blut bezahlt, wir steigen mit dem Engel des Todes zu den Leichen im Keller.
          Offensichtlich von einem enormen Horror-Liebhaber brachial in Szene gesetzt leiht sich Debütant Brian O'Malley mit erfrischender Selbstsicherheit alle Arten von Ideen und Elementen aus verschiedensten Subgenre des Grauens aus, von rohen 70er Jahre Grindhouse bis zu grotesken 80er Jahre Slasher und verwebt alles punktgenau zu einen apokalyptischen Schreckensszenario, das vorhersehbar, wahrlich nicht originell und völlig überzogen aber sehr wirksam in die Fresse haut.

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            lieber_tee 23.03.2015, 16:08 Geändert 25.03.2015, 01:26

            Wer DEN ultimativen Klein-Mädchentraum als knalligen Farbenrausch mit opulenten Szenenbildern und bunten Kostümen mag,
            auf eine blonde Barbie-Puppe in wallenden Gewändern mit etwas Schmutz im marklosen Gesicht steht, die einen Schmier-Schmalz-Ken aus guten Haus anhimmelt,
            DEN Märchenklassiker um Tugendhaftigkeit und Selbstaufopferung, mit Idealen als die Hausfrau noch mutig und freundlich war, ohne wesentliche Brüche, erzählt wie aus einem Bilderbuch für Kindervorlesegeschichten, schätzt,
            diesen neu-modischen Kram mit `ner emanzipierten Prinzessinnen bereits zu modern findet und nichts aber auch gar nichts Neues von einer heutigen Adaption eines Märchenklassikers erwartet,
            sich dem Rausch des Kitsches und der biederen Bodenständigkeit hingeben möchte,
            der wird mit Cindy vom Bauernhof seinen Spaß haben.
            Meine Tochter und ich saßen, überdrüssig der Dessinteresse den x-ten Cinderella-Plot irgendwie mal zu variieren, im Kinosessel und haben uns das erwartungsgemäße Ende herbei gesehnt, da konnten uns noch so die Farben, Klamotten und Effekte um die Augen knallen und sind nach Hause gegangen um drei Haselnüsse für das Aschenblödel zu essen.
            Hatschi, sorry, bei solch einen Schmu bekomme ich eine leichte Disney-Allergie.

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              lieber_tee 22.03.2015, 00:09 Geändert 22.03.2015, 00:11

              Das Mittelalter-Fantasy-Möchtegern-Epos „Seventh Son“, inspiriert von Joseph Delaneys Jugendbuch-Reihe, stolpert auf Grund seiner schwierigen Produktionsgeschichte mit zweijähriger Verspätung in die (deutschen) Kinos und es wundert nicht, das er katastrophal floppt. Sein dutzend-mal erzählter Plot um einen Jungspund, der mit Meister, Magie und Mut Hexen jagt, seine Vergangenheit erkennt und sich verliebt um erwachsen zu werden, ist so unkompliziert wie es geht, damit das Teenager-Zielpublikum alles versteht und hat nur die Funktion zahlreiche, laute Action-Sequenzen aneinander zu reihen. Seine Geschäftigkeit beseitigt nicht die Klischees, geschweige denn das sie den Streifen emotional oder thematisch bereichert, aber sie gibt zumindest dem Zuschauer wenig Zeit darüber nachzudenken wie hohl der Film ist. Einfallslos konzipiert und uninspirierend ausgeführt, karikieren zwei renommierte Schauspieler sich selbst, während der Rest des Personals blass in der Ecke steht. Der Regie-Russe Bodrov darf mal Hollywood-Luft schnuppern, macht Dienst nach Vorschrift in diesem wenig einnehmenden Genre-Beispiel, das bei mir dezentes Gähnen verursacht hat.

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                lieber_tee 21.03.2015, 00:01 Geändert 21.03.2015, 01:57

                Knallharte, emotionale Ohrfeige, die im Gesicht des Betrachters ihre Spuren hinterlässt...
                Geschichte, besonders wenn das Politische in einen privaten Kontext gebracht wird, kann eine bittere Pille, so grausam, sein. Das Leben ist eine unbekannte Variable, die nicht logisch aufgeht, besonders da detektivisches Suchen in die eigene Vergangenheit niemals das Ende ist. Villeneuve lässt seine Figuren (und den Zuschauer) zum Finden des inneren Friedens durch die emotionale Hölle gehen. Sein Puzzlespiel aus Heute und Gestern ist ein wuchtiges Drama, das große Gesten nicht scheut und kalkuliert nach einer parabelhaften Auflösung sucht um den Kreislauf von Gewalt im Glaubenskrieg des nahen Ostens friedlich aufzuheben, um Vergebung zu bitten. Das ist ehrenhaft, wenn auch zum Ende etwas dicke.

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                  lieber_tee 20.03.2015, 12:08 Geändert 20.03.2015, 12:16

                  Jake Gyllenhaal spielt den über Leichen gehenden Soziopath beängstigend, da sich in seinem schmierig-grinsenden Gesicht und beim Rezitieren von Grundregeln aus dem Manager-Lehrbuch, die manische Selbstüberzeugung seines exzessiven Charakters spiegelt ohne das es dabei zu einem befreiende Ausbruchs des blanken Wahnsinns für den Zuschauer kommt. Das erzeugt einen verstörend-irritierenden Bezug auf die Realität des amerikanischen Traums, vom Tellerwäscher zum Millionär, der hier zu einer übersteigerte Spirale aus Angebot und Nachfrage wird. Der filmische Rahmen von „Nightcrawler“ ist der Umgang mit medialer Darstellung von „Wahrheit“, bzw. die Gier nach möglichst noch blutrünstigen Nachrichten für die Masse und macht die dargestellte nächtliche News-Jagd zu einer bösartigen Satire, auch wenn seit Sidney Lumets „Network“ keine neuen Erkenntnisse zu gewinnen sind. Hier ist Moral nur noch eine juristische und ökonomische Frage. Diese Form von Kapitalismuskritik ist nicht neu, wird von Regiedebütant und Drehbuchautor Dan Gilroy als packender Thriller, bösartige Psychopathen-Studie und giftiger Medien-Sarkasmus inszeniert.

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                    „Wir arbeiten zwar in der Gosse, leben aber bei den Sternen!“
                    In der Phase wo Dominik Graf die mobile Digital-Kamera für sich entdeckt hat, wackelt wir wie ein Korken auf prickelnden Sekt durch West-Berlin, in dem das (Über-) Leben von Käuflichkeit und Statussymbolen abhängig ist. Das Luden-Leben ist (k)ein Lotterleben, wenn man unten ist, dann ist Unten zugleich Oben. Aus einer „distanzierten Nähe“ beobachtend, ist Hotte, der Nutten-Versteher und Verkäufer, ein irgendwie charmanter Hohlkopf mit schnodderigen Halbwahrheiten aus dem Off, der versucht auf der Überholspur in der Spur zu bleiben. Zugleich offenbaren sich die Strukturen einer kriminellen Halbwelt, die nicht frei von abgedroschenen Klischees sind, sie werden aber ebenso ironisch wie empathisch gebrochen. Qualitätsfernsehen!

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                      lieber_tee 19.03.2015, 00:26 Geändert 19.03.2015, 07:51

                      In drei mehr oder weniger originellen Geschichten offenbart sich die Stil-Begabung von Mario Bava.
                      Beginnend mit einer soliden Suspense-Telefon-Übung, die wirkungsvoll das Kammerspielartige als Giallo nutzt, über Gothik-Horror par excellence, in dem das Vampir-Motiv als schauriges Ausstattung- und Grusel-Stimmungs-Kino benutzt wird, bis zu morbiden Humor in einer Gespenster-Heimsuchungs-Geschichte, die stark am schlechten Gewissen einer Edgar-Allan-Poe-Story erinnert, beweist der Meister mit theatralischen Gestiken und einer Kamera die scheinbar in den Farbtopf gefallen ist, das er mehr als nur die Nebelmaschine bedienen kann.
                      Die volle Dröhnung altmodischen Gruselns, wenn sie so geschmackvoll und offenkundig ironisch serviert wird bin ich stark begeistert.

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                        lieber_tee 18.03.2015, 18:03 Geändert 18.03.2015, 23:15

                        Mit Morgenstund‘ hat Blei im Mund wird die Wildwest-Vergangenheit gefeiert und zugleich zugrunde geschossen, in einem Verbrecher-Polizisten-Duell, das nichts Heroisches hat. Dillinger, Staatsfeind No. 1, ist ein raubeiniges, narzisstisches Arschloch, das noch nicht mitbekommen hat das seine Art bereits am Aussterben ist, sein Gegenspieler ist ein durchtriebener Bulle mit einer unergründlichen Sympathie für kriminelle Randtypen. Nie seinen B-Movie-Charme verleugnend, schafft John Milius in seinen episodenhaft erzählten Debütfilm eine Outlaw-Ballade mit viel Schrot und Korn, grimmigen Chauvinisten-Humor und entmythologisiert dabei das Gangster-Genre bis zur Grenze einer Karikatur, als ob kleine Jungen ihre infantilen Räuber und Gendarm-Träume ausleben.

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                          lieber_tee 18.03.2015, 00:11 Geändert 18.03.2015, 11:31

                          Morde, Masken und Moral.
                          „Onibaba“ ist die perfekte Fusion zwischen Arthouse-Kino und atmosphärischen Horror, betrachtet Krieg auf einer höheren Ebene.
                          Nach einem buddhistischen Märchen, erzählt der Film ein menschliches Drama über Lust, Eifersucht, Zorn und Verrat, bindet es an ein Kriegsszenario ohne action-orientierte Schlachten. In der japanisch-feudalen Zeit ist das Überleben von Frauen, fern des männlichen Kampfes, die pure Selbsterhaltung. Reduziert auf die Grundbedürfnisse Nahrung, Sex und Unterkunft ist ihre Existenz, trotz schützenden Schilfes, immer bedroht, was in einen psychologischen und physischen Kampf zwischen drei Personen in einem Niemandsland führt.
                          Regisseur Kaneto Shindô gelingt mit seinen symbolischen Zeichen ein sehr körperlicher Horrorfilm über den Krieg. Mit schwitzige-schwülen Bildern in Schwarz-Weiß, voller epischer Breite wird eine Geschlechter- und Generationen-Schlacht geführt, wobei Sex als eine wogende Lust und nicht als Fortpflanzung innerhalb der Ehe betrachtet wird. Die kargen Innenräume der Behausungen zeigen einen Mangel an allem, ein natürliches Bedürfnis auszubrechen vor der Vereinsamung und Vereinnahmung des Krieges, der allgegenwärtig ist. Das Feuchtgebiet des Grauens ist letztlich losgelöst von Werten, der sexuelle Impuls ist stärker, die Moral vom (Über-) Leben bereits korrumpiert.

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                            lieber_tee 17.03.2015, 21:58 Geändert 25.03.2015, 00:27

                            David Mackenzies spröde Romanadaption des schottischen Beat-Poeten A. Trocchi erzählt in ebenso poetischen, wie nüchternen Alltags-Bildern die Geschichte eines Mannes, dem es auf Grund seiner Beziehungsunfähigkeit nicht möglich ist für sein (Nicht-) Handeln Verantwortung zu übernehmen. „Scharmlos“ nutzt er die Einsamkeit von Frauen mit seiner Potenz aus, über seine Gefühle kann er dabei nie reden. Wie ein toter Körper lässt er sich auf den trüben Fluss namens „Leben“ treiben, der Zuschauer folgt ihm und versinkt zunehmend in der Tristesse des Films. Der reichhaltig dargestellte Sex ist unverkrampft und hat eine (Un-)Erotik, die zum reservierten Ton des Films passt. Ein aufmerksames (und geduldiges) Publikum ist von Nöten um diesem Noir-Drama mit Krimi-Anleihen zu folgen, mir war „Young Adam“ wegen seiner bedeutungsvollen Schwere zu schwer, bin versunken in der Trostlosigkeit, die wohl ihren Reiz hat, mich aber wegen der Unnahbarkeit und Un-Sympathie der Figuren wenig berührte. Ein „Problem“, das ich mit bleischweren Arthauskino so oft habe.

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                              Überraschend gelungene Horror-Komödie aus Neuseeland. Der Humor entwickelt sich aus den leicht absurden Situationen und schrägen Charakteren, die zwar cartoonhaft wirken, dabei aber immer ihre Menschlichkeit bewahren. Regisseur und Autor Gerard Johnstone versteht es clever durch die typischen Stationen des Gespensterfilms zu hopsen, ebenso den Schrecken wie das Kichern zu bedienen, um ein Haunted-House als Resozialisierungsprogramm dyfunktioner Typen erfahrbar zu machen. Mit nicht unbedingt den originellsten Offenbarungen und Ablenkungsmanövern trifft Farce, Spannung und Gewalt aufeinander, das Horror-Genre wird dabei nicht für den blanken Ulk untergraben, sondern flink als ironischer Diskurs und schwarzhumorige Slapstick-Komödie im Stil von Tucker & Dale vs. Evil ohne dessen aufgesetzten Splatterfun-Attitüden benutzt.

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                              • lieber_tee 15.03.2015, 23:55 Geändert 26.05.2015, 20:26

                                Wow, Marc Lawrence, geboren am 22.10.1959 hat es tatsächlich geschafft schon mit nur 6 Jahren seine erste Regiearbeit laut MP zu veröffentlichen. Respekt... Äh, oder war es dann doch der andere Marc Lawrence...

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                                  lieber_tee 15.03.2015, 00:12 Geändert 15.03.2015, 01:26

                                  Der spätere Porno-Schlawiner Joe D'Amato versucht sich als Surrealist. Ob freiwillig oder unfreiwillig weiß ich nicht. Dieser schrecklich dröge Langweiliger funktioniert vorne und hinten nicht. Der wirre Mischmarsch durch Barbie-Puppen-Rache-Fantasie, Frankenstein-Mad-Scientist-Kinski, Giallo-Schlächtereien mit Pampe ins Gesicht, Edgar-Allan-Poe-Haunted-Castle-Unsinn bietet kaum nackte Haut, noch weniger Kunstblut und keinerlei schauspielerische Begabung zu schwülstiger Musik. Money-Shot-Joe kann immerhin seine Kamera halten und ein paar hübsche Bilder schießen aber das rettet den Müll auch nicht vorm Stinken. Das der Streifen furchtbar synchronisiert ist macht nur noch ein zusätzliches Kot-Häufchen auf den Eimer siebziger Jahre Euro-Gülle. Da ich aber wenigstens über diesen Dilettantismus herzhaft lachen musste gibt es zwei Kratzer und ein halb-ausgerissenes Auge fürs Gemüt. Da sind mir D'Amatos Wichsvorlagen lieber.

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                                    lieber_tee 14.03.2015, 20:28 Geändert 15.03.2015, 01:30

                                    Hallam Foe ist ein verschrobener, siebzehnjähriger Junge, der im höchsten Maße pubertiert und ödipiert.
                                    Zunächst noch sicher aus seinem Baumhaus auf dem Lande heraus beobachtend, erschreckt er Leute wie ein kindischer Derwisch. Er wünscht sich eigentlich den schützenden Schoß seiner Mutter zurück, was seine böse Stiefmutter nicht leisten kann / will, die er daher zu seinem Feindbild erkoren hat. Nutzt nichts, er wird aus seinem Nest geworfen. Die sichere Distanz von oben geht zunächst verloren, er muss runter und sich im befremdlich wirkenden Leben der Großstadt beweisen. Seine Sehnsucht nach Geborgenheit bleibt, sein schräges Spannertum ebenso, da trifft es sich gut, das er ein Ebenbild seiner Mutter trifft. Mit der beziehungsunfähigen Personalchefin beginnt er eine latent inzestuöse Verbindung, die über die ersten sexuellen Erfahrungen hinausgeht.
                                    Der schottische Filmemacher David Mackenzie erzählt eine typische Coming of Age-Geschichte aus der Sicht eines unkonventionellen Blickwinkels. Die Titelfigur ist ein sympathischer Freak, der mit unangepassten, ja perversen Verhalten im Erinnern und Nicht-Loslassen-Können gefangen ist. Seine ganze Gefühls-Welt ist ein einziges Durcheinander. Mit viel Schwung und Humor aber auch Tragik und Wut nimmt Hallam nach und nach von dem Todestrauma seiner Mutter und von seiner Kindheit Abschied.
                                    Jamie Bell ist dafür die perfekte Besetzung. Zwischen nervig-aggressives Arschloch, trauriger Junge und sympathisch-neugieriger Teenager schafft er das Chaos in seinem Kopf glaubwürdig zu verkörpern. So verschroben seine weltliche Wahrnehmung ist, so ist auch das leicht surreale Setting, mit seinen skurrilen, märchenhaften Motiven. Dabei weht immer eine leise Melancholie durch den Film, der mit einer angenehmen Unbeschwertheit immer den angemessenen Ton einer schwierigen Adoleszenz findet.
                                    Toll.

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                                      lieber_tee 14.03.2015, 12:33 Geändert 14.03.2015, 16:14

                                      Irland sehen… und sterben?
                                      Ein Fest des schwarzen Humors. Auch wenn die hohe Witzdichte manchmal angestrengt, nicht jeder Spruch sitzt und der Streifen zeitweise schleppend wirkt, das Debüt von Regisseur und Autor John Michael McDonagh ist ein angenehm unkonventionelles Buddy-Movie, das vor allem vom lebensechten Spiel seines Titel-Protagonisten lebt. Gleeson verkörpert den Homer-Simpson-Dorf-Bullen mit „irischen Tugenden“ herrlich lakonisch-launisch. Zwischen Blödheit und Gerissenheit pendelnd, ist er ein stoisches Arschloch mit Herz, dessen renitente schlechte Laune sich mit Dickköpfigkeit und Lebensfrohsinn paaren. Zusammen mit einen etwas blass wirkenden dunkelhäutigen FBI-Fremdkörper trifft er in der Provinz auf ein kriminelles Trio, das der philosophischen Betrachtung ihres Gangsterlebens eine extrem hohe Beachtung schenkt. „The Guard“ ist so etwas wie ein verregneter Tarantino aus dem Norden, offenbart mit grimmigen Witz die Künstlichkeit von Genrekonventionen und findet in seinen liebenswerten Figuren eine unsentimental-sensible Seite.

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                                        lieber_tee 13.03.2015, 16:12 Geändert 16.03.2015, 00:53

                                        Mit den kindlich-neugierigen Augen eines Steven Spielbergs schaut Martin Scorsese in Jean-Pierre Jeunets fabelhafte Welt von Méliès. Mit opulenten, dreidimensionalen Postkartenwelten taucht er in die Magie des Kinos, flötet ein bildmächtiges Hohelied auf das Filmegucken, Bücherlesen also über die Macht der Phantasie und das Verlieren in märchenhaften Welten. Das ist romantisch, humorvoll, eingängig aber ermüdet auf die Dauer in seiner verkitschten Überwältigung der Sinne. So sympathisch auch die Absicht ist eine Hommage auf Filmkunst und traumhafte Geschichten zu erschaffen, "Hugo" bleibt eine glatte, schillernde Blase, die mit ihrer schlichten Story und ihren etwas seelenlos wirkenden Figuren sanft dahin schwebt und im banalen Schatten des Kinos platzt. Hübsch sieht sie aber aus.

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                                          lieber_tee 13.03.2015, 09:56 Geändert 13.03.2015, 13:59

                                          Angesichts der Vergangenheit von Victor Salva ist es fast unvermeidlich, das seine Filme weit mehr als andere (moralisch) geprüft werden. Von einem objektiven Standpunkt aus hätte, nach einen viel versprechenden Start, „Dark House“ ein weiterer Überraschungserfolg werden können. Leider verliert der Regisseur der gefeierten "Jeepers Creepers"-Saga jegliche Orientierung in diesem wilden Mischmasch aus verschiedenen Horrorgenres. Haunted-House, Backwood-Slasher, Schwangerschaftsterror, Okkult-Thriller, Irrenhaus-Flick mit Mystery-Einschlag, unzählige Genre-Motive werden bunt zusammen geworfen, finden aber keine einheitliche Linie. Die einzelnen Zutaten dieses irren Cocktails sind wirkungsvoll dosiert aber der Film verspricht zu viel als er am Ende hält. Denn wenn Axt-schwingende, blutrünstigen Höhlenmenschen mit lächerlichen Perücken durch ein konstruiertes Drehbuch eiern, über Spannungsbögen stolpern und Charakterisierungen sträflich vergessen werden, Bäume umarmt werden und Hausmeister-Tobin Bell doof aus der Wäsche schaut, dann ist die eigentlich nicht un-gruselige Geschichte um ein verfluchtes Haus als Hort des Teufels wirrer Unsinn voller Genre-Zitate, inszenatorisch auf hochpoliertem Low-Budget-Niveau. Ständig baut Salva eine bedrohliche Stimmung auf, schüttelt einige abgefahrene Ideen aus dem Ärmel um sich dann selbst in den Fuß zu schießen. Spätestens am Ende gehen den Machern das Geld und die Zeit aus, das Finale ist banal-daneben. Dieses verrückte Puzzle aus dem Unterholz der Horrorfilme wirkt über-angestrengt, der Mangel an schaurigen Ideen ist nicht sein Problem, eher sein Überangebot.

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                                            lieber_tee 11.03.2015, 23:10 Geändert 13.03.2015, 14:14

                                            Regisseur Eduardo Sánchez ist kein Fremder im Found-Footage-Horrorfilm, er co-inszenierte 1999 das einflussreiche Blair Witch Project. Zurück nach einer Handvoll gescheiterten Streifen, ist er wieder am Anfang und versucht sich in seinem bewährten Terrain.
                                            Eine Gruppe von College-Freunden macht einen Ausflug zu einer Hütte in den Wäldern von Ost-Texas und fährt versehentlich ein junges Big-Foot platt. Papa (oder Mama?) ist sauer und dezimiert den Haufen an uninteressanten Charakteren nach und nach.
                                            Uninteressant ist das Schlüsselwort des Films, denn es werden brav die Paradigma der gefundenen Wackel-Kamera und des Slashers abgearbeitet, bei Tag und bei Nacht, die Damen kreischen und kauern ängstlich herum, der obligatorische Video-Nerd kifft und filmt den potenten Afro-Amerikaner beim Poppen, während sein cooler Bruder halsbrecherisch durch die Wälder biked.
                                            „Exists“ ist halbwegs gut wenn billiger Nervenkitzel erzeugt wird und manchmal schafft es der Regisseur sogar so etwas wie spürbar angespannte Stimmung mit seinen Offscreen-Sound, schrägen Kameraspielereien und halb-verwaschenen Silhouetten zu erzeugen.
                                            Beraubt von jeglichen unverbrauchten Ideen oder cleveren Dialogen, gepaart mit austauschbaren menschlichen Fleisch, kann er dem Big-Foot-Mythos allerdings nichts Neues abgewinnen, dem Horror-Genre ebenso wenig, selbst das Bewährte ist wenig aufregend.
                                            Letztlich gibt es keinen triftigen Grund für die filmische Existenz dieses drögen Heulers.

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                                            • 6 .5

                                              Liam Neeson und New York sind das Fundament dieses fatalistischen Hardboiled-Krimis der alten Schule.
                                              Der unter Schuld und Sühne Gram-gebeugte Ex-Cop, jetzt Detektiv ohne Lizenz, geht energischen Schrittes durch ein Drehbuch, das in seinen pulphaften Stereotypen und Abläufen vorne und hinten hinkt aber vom Hauptdarsteller sowie von der vorzüglichen Kamera über jede Peinlichkeit getragen wird.
                                              Staubtrocken, voll lakonischen Humor, ist das Film-Noir-Kino par excellence, dessen behutsames Tempo und schrägen Blicke auf seine Außenseitertypen sympathisch sind.
                                              Kein großer Wurf, aber chic anzusehen.

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                                                lieber_tee 11.03.2015, 13:25 Geändert 11.03.2015, 13:27

                                                Boobs, Blut, Bier und Blödheit.
                                                Piranha 3D mit glubschäugigen Mümmelzahntieren.
                                                Drei Verbindungs-Chicks, für die "Festnetz" ein Fremdwort ist, wollen ein Wochenende auf dem Land allein mit ihren Vaginas verbringen (klappt nicht) und werden von Biber-Handpuppen angegriffen.
                                                Tierhorror, Slasher, Splatter und Zombie-Belagerungs-Unsinn, der schwungvoll mit genauso viel blöden wie originellen Ideen die genannten Genre durch grüne Biberpisse zieht. Das ist total schwachsinnig, gibt sich auch alle Mühe so zu sein aber ich musste, trotz arg gewollten Trash, herzlich lachen.
                                                Ordinär-harmlos aber witzig.

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                                                  lieber_tee 10.03.2015, 21:35 Geändert 10.03.2015, 23:13

                                                  Hiromasa Yonebayashis Debüt ist die volle Dröhnung Ghibli, wirkt wie eine Hommage, böse formuliert zahme Kopie, der Filme des Meisters und Urvaters des Animation-Studios. In gewohnt liebevoll-märchenhaften Bildern wird Poesie, Witz, Abenteuer und naturromantischer Kitsch, fern von Innovation, nahe am Herz, mit einer arg konventionelle Geschichte sehr, sehr geradlinig erzählt. Die Subthemen wie Verlust, Krankheit und Umgang mit andern Lebensformen (=Natur) geben bei aller Liebe einen leicht pessimistisch-melancholischen Touch in dieser Coming-Of-Age-Geschichte der kleinen Leute unter dem Fußboden.

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                                                  • Meine vollste Zustimmung ohne wenn und aber!

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