Martin Canine - Kommentare

Alle Kommentare von Martin Canine

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    Die namensgebende Figur in "Paul" wurde öfter als animierter Seth Rogen beschrieben, und wahrscheinlich stimmt das auch so. Vermutlich ist der Humor tatsächlich auf den Sprecher des etwas rüden Aliens zugeschnitten. ABER, und das muss man sagen, es ist Seth Rogen in einem Simon Pegg/Nick Frost-Film.
    So wie 'Shaun of the Dead' nicht nur eine Parodie, sondern auch eine liebevolle Hommage ans Zombiekino ist, und 'Hot Fuzz' Buddy-Actioner gleichermaßen persifliert wie vergöttert, verhält es sich mit "Paul" und dem Science Fiction-Genre.
    Die Protagonisten sind keine Figuren, die man im herkömmlichen SciFi-Abenteuer finden würde, es sind Charaktere, die selbst alle mit diesem Genre bestens vertraut sind.
    Es sind zwei... Nerds.

    Frisch aus England kommt unser altbekanntes Duo nach Amerika, um an der Comiccon teilzunehmen, und anschließend durch alle wichtigen UFO-Sichtorte zu touren.
    Doch die beiden Fanboys sollten mehr über diese erfahren als gewollt: Paul, ein modernes Alien mit losem Mundwerk, bittet sie um Hilfe, zu fliehen. Was die Beiden auch tun.
    Auf dem Weg zum Ziel werdem sie jedoch von Polizisten und einem strengst gläubigen Katholiken verfolgt, dessen ebenso verschlossene wie charmante Tochter eher unfreiwillig mit von der Partie ist.
    Es entsteht ein rasanter und spaciger Road Trip der Extraklasse.

    Nur ein Nerd kann einen Nerd verstehen, und nur ein Nerd weiß, wie sich ein Nerd fühlt, wenn er eine für ihn interessante Convention besucht.
    Okay, die Comiccon wäre die letzte, auf die ich gehen würde, bin halt kein Comicfreak, aber solch geekige Interessen laufen nach dem gleichen Schema ab: Fanboys vergöttern abgründisch irgendein Zeug oder eine Person, die keinem etwas sagt, außer denen, die sie vergöttern. Und in dieser Szene wäre es ein Verbrechen, dieses nicht zu kennen.
    In diesem Film ist es z.B. der fiktive SciFi-Autor Adam Shadowchild, der offenbar jedem Freak in diesem Film ein Begriff ist, sein es die Hauptfiguren oder aber der nerdige Polizist, alle Außenstehenden reagieren jedoch immer gleich: "Wer zur Hölle ist Adam Shadowchild?"
    Das ist Selbstironie, die wohl jedem Freak irgendwie bekannt ist.
    Jede Art von Subkultur besitzt so etwas, auf die ein oder andere Art. Ich würde mich wahrscheinlich blamieren, wüsste ich nicht, wer Uncle Kage oder NIIC ist, ihr werdet euch jetzt denken: Wet zum Henker ist das? Eben.
    Der gemeine Nerd wird sich hier oft wiedererkennen.

    Und jetzt stellt euch Seth Rogen umringt von einem Haufen Geeks vor. Ungefähr das ist "Paul".
    Ich sage ganz ehrlich: Rogen gehört zu einer Art von amerikanischem R-Rated Humor, dem ich selten etwas abgewinnen kann. Das liegt nicht an ihm per se, sondern daran, dass ich die Streifen einfach nicht ansprechend finde. Vermutlich, weil die Vulgarität an sich lustig sein soll.
    Das ist hier definitiv NICHT der Fall.
    Es wird geflucht, ja. Aber dieser Umstand allein macht den Witz nicht aus. Sondern es ist die Situation. Komödienschreiber müssen verstehen, dass selbst Humor unter der Gürtellinie pointiert werden muss. Hat man hier gut gelöst.
    Es ist ein Unterschied, ob irgendeine Figur zwanzig Mal fuck sagt, oder ob eine schwerstfundamentalistische religiöse Fanatikerin nach Ablegen ihres Glaubens die abenteuerlichsten Schimpfkreationen von sich gibt, weil sie nicht weiß, wie man den Vulgärvokabular richtig einsetzt. Zweiteres ist witzig.
    Denn Pegg und Frost sind nicht an solchen Gags interessiert. Sie waren immer schon die Männer für humoristische Einlagen der guten alten Sorte.
    Und was weiters nicht zu kurz kommt: alle Protagonisten haben Herz, und sind sympathisch.
    Niemand ist ein Arschloch, jeder hat zwar Macken, aber letztlich doch einen liebenswerten Charakter. Das gibt dem Film auch noch die nötige Prise Charme.

    Nebenbei macht diese Komödie auch etwas, was ich sehr gerne in Filmen sehe: fiktionale, gar utopische Situationen in die Realität übertragen.
    "Paul" spielt nicht in einer fiktiven Welt, sondern in unserer. Einer Welt, die sich durch Filme, Serien, etc. eine eigene Vorstellung von Aliens und ihren Tätigkeiten gemacht hat.
    Das Beste ist immer, wenn die Figuren Paul mit irgendwelchen Alienklischees konfrontieren, z.B. Sonden implantieren. Er dann genervt "Wieso glauben das immer alle? Wieso sollte ich das tun?"
    "Kommunizierst du mit uns über einen Sprachsensor?"
    "Nein, ich sprech ganz einfach deine Sprache!"
    Wären Aliens heute auf der Erde mehr oder minder in die Gesellschaft eingegliedert, mit welchen Stereotypen hätten sie wohl zu kämpfen?
    Natürlich bieten sich hier auch die besten Möglichkeiten für unzählige Referenzen und Verbeugungen vor dem Science Fiction-Genre. Möglichkeiten, die der Film auch zu Genüge ausnutzt.

    Aber, und das ist natürlich bei einer Komödie das Wichtigste, ist "Paul" natürlich verdammt witzig. Die Pointen sitzen, perfekt getimte Gags werden en Mass angelassen, die Situationen sind mordskomisch und der gesamte Cast spielt so, dass man wirklich oft über den Humor lachen kann.
    Im Endeffekt handelt es sich hierbei um einen gelungenen, kurzweiligen und unterhaltsamen Comedy-Road-Trip im SciFi-Gewand von Nerds für Nerds, bei dem aber auch Normalsterbliche vortrefflich amüsieren können.

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    • Shit ganz vergessen zu sagen: den müsst ihr gucken. Müsst.

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      • 10

        Es wird sicherlich in den nächsten Tagen oder Wochen, vermutlich Tagen, aber Vorsätze halte ich erfahrungsgemäß eher selten ein, von mir auch eine richtige Review zu diesem Film kommen, einfach, weil er mir dermaßen viel bedeutet und in diversen Stationen meines noch kurzen Lebens, die auch nicht immer einfach waren, immer da war.
        Dieser Kommentar jedoch widmet sich in erster Linie den 10 Minuten aus der japanischen Originalfassung, die in der internationalen fehlen, weil sie für Kinder als zu tragisch und deprimierend angesehen wurden. Es fehlt quasi die komplette Vorgeschichte der Ereignisse aus der Hauptstory.
        Wer den Film nur in der deutschen Version kennt, und damit schöne Kindheitserinnerungen verbindet, dem sei gesagt, ich finde, dieser alternative Beginn lässt den restlichen Film wesentlich ernster und tragischer erscheinen. Nix mit Feel Good. Außerdem wird vor Spoilern gewarnt.

        Es geht um einen Mann namens Dr. Fuji, einem Klonforscher, der sein Leben seiner Tochter gewidmet hat: Ai. Liebe. Sie war noch sehr jung, als sie durch einen Schicksalsschlag ihr Leben lassen musste. Der Vater kam nie über den Tod seiner geliebten Tochter, voller Leben und Fröhlichkeit, hinweg. Nie wieder ihr Lachen hören. Doch es ist ihm gelungen, eine Probe ihrer DNA zu retten. Ein Strang. Ein Funke, an den sich der Mann verzweifelt klammert. Er wird seine Tochter eines Tages wieder in den Armen halten können.
        Als er von einem großen Verbrechersyndikat die finanziellen Mittel bekommt, um seine Forschungen und Experimente durchführen zu können, gelingt es ihm, neben den Versuchsobjekten durch seine Methode auch in Ai wieder Impulse auszulösen. Die anderen Klone sind Kopien der Pokémom Bisasam, Glumanda und Shiggy, und für die Geldgeber am Wichtigsten, Mew. Da sie alle zweite Versionen sind, bekommen sie am Ende ihres Namens die Silbe "-two" angehängt. So wird aus Ai Aitwo und aus Mew... Mewtwo.
        Die Klone, welche physisch verkabelt in Röhren zu schlafen scheinen, kommunizieren miteinander und erschaffen sich aus den Erinnerungen an ihr früheres Leben eine eigene Realität, in der sie leben und spielen können.
        Hier lernt Mewtwo von Aitwo die Welt kennen: die Sonne, den Wind, den Mond.
        Doch die Klone sind nicht stabil.
        Einer nach dem anderen verschwinden sie aus dieser Parallelwelt... und sterben.
        Auch für Aitwo ist die Zeit gekommen. Mewtwo beginnt, zu weinen. Er ist traurig, erklärt Aitwo, die sich allmählich auflöst. Der junge Mewtwo gerät in Rage, Trauer und schwere Anfälle, die auch seine Stabilität bedrohen. Dr. Fuji, vom Schwinden der Hoffnung auf ein Wiedersehen mit seiner Tochter mitgenommen, muss zumindest Mewtwo am Leben erhalten. Er stellt ihn durch Mittel ruhig und lässt ihn in einen tiefen Schlaf fallen. Er wächst heran, überlebt... und vergisst, was er erlebt hat.

        Hier setzt auch die internationale Version wieder ein, in der es neben Mewtwo nie andere Klone gab.
        Hm. Ich kenne beide Versionen schon ziemlich lange. Die internationale, die angepasst wurde, um kinderfreundlicher zu wirken (neben der Introsequenz wurden auch Dialoge umgeändert) war vielleicht der erste Film, den ich je im Leben gesehen habe. Mit etwa 11 Jahren dann hab ich mir die japanische Version mit unverfälschten englischen Untertiteln angesehen, fand ich ziemlich interessant.
        Es ist verständlich, weshalb die Szene weggefallen ist, zumal sie in ihrer Thematik und Emotion wirklich etwas heftig ist. Es gibt zwar such weiters emotionale und eigentlich such philosophische oder psychologische Inhalte, aber nicht diesen Ausmaßes. Außerdem ist der Streifen inhaltlich trotzdem verständlich, der Schnitt fällt überhaupt nicht auf. Andererseits gibt es dem Film eine gewisse ernstere Note, da einige Motive auch später wieder auftreten und einige Handlungen erklärt werden. Die Charakterentwicklung ist ausgereifter.
        Zum Beispiel sind die ersten Klone, die Mewtwo erschafft, eben die Weiterentwicklungen der Versuchsobjekte, die er als "Kind" kannte. Er selbst war einmal exakt so wie Mew, neugierig und verspielt, wurde aber durch die... "Medikamente", die ihn ruhigstellen und durch die danach folgenden Ereignisse sehr negativ eingestellt. Ai hat ihm erzählt, alle Lebewesen wären gleichgestellt, Giovanni das Gegenteil. Und dann ist da natürlich die Bedeutung der Tränen.
        Das Traurigste an der Sache ist aber, dass er durch die Zerstörung von Dr. Fujis Labor auch die letzte DNA-Probe von Ai vernichtet hat, und ein Klonen somit unwissend endgültig verhindert hat.
        Eigentlich erschließt sich hier erst die Psyche hinter seiner Figur. Und wenn man den Film im Original sieht, dann merkt man auch, wie düster und teils verzweifelt das Werk eigentlich ist, durch die Übersetzung allerdings um Einiges leichter und lustiger gemacht wurde.
        Man hat ja auch die Tränen zwangsläufig umdichten müssen.

        Ich mag beide Versionen, auch, wenn sie an und für sich fast zwei verschiedene Erzählungen derselben Geschichte sind. Eher ist die internationale Fassung eine Art Remake. Das merkt man allein an den unterschiedlichen Filmplakaten.

        Die vollständige Introsequenz gibt es hier:
        https://m.youtube.com/watch?v=4KItZIc3BX0

        8
        • Tolle Antworten, und Dredd gehört auf jeden Fall fortgesetzt!
          Mann, war der Film geil.

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          • 10
            Martin Canine 08.02.2015, 13:52 Geändert 08.02.2015, 22:05

            Wir schreiben das Jahr 2019.
            Die Städte sind übersät mit dunklen, schwarzen Wolkenkratzern, Nacht und Regen scheinen nahezu endlos vorzuherrschen.
            Die Schwärze der riesenhaften Gebäude wird mit gleißendem Neonlicht, übergroßen Werbetafeln und alles umrandenden Leuchtdioden gebrochen.
            Die Straßen strotzen nur so von der Bevölkerung, es wimmelt nur so vor Zivilisation.
            Da es auf der Erde allmählich knapp an Platz wird, werden künstliche Menschen erschaffen, die einen fremden Planeten auf Bewohnbarkeit untersuchen sollen, die sogenannten Replikanten.
            Um die Reise zu überstehen, werden sie höherer Stärke ausgestattet.
            Doch dann geschieht etwas: die Replikanten erlangen ein eigenes Bewusstsein.
            Um die Gefahr zu vermeiden, dass sie den Menschen etwas antun können, werden sie in ihrer Lebenserwartung eingeschränkt: sie können nur 4 Jahre überleben.
            Replikanten ist der Besuch der Erde strengstens untersagt und wird mit dem Tode bestraft.
            Die Jagd und Exekutive übernehmen die sogenannten Blade Runner.

            Soweit die Ausgangslage der Welt von "Blade Runner", deren System zu Filmbeginn bereits zur Gänze ausgeführt und routiniert abläuft.
            Die 4 wichtigsten Charaktere in der Geschichte, die uns in diesem Universum erzählt wird, sind Rick Deckard, ein Blade Runner, Roy und Pris, zwei Replikanten, die auf die Erde gelangt sind, um nach einem Weg zu suchen, ihr Leben zu verlängern, und Rachel, welche eine auf der Erde lebende Replikantin ist, sich diesem Umstand allerdings nicht bewusst ist.
            Die Schicksale dieser Personen sind eng miteinander verknüpft und werden im Laufe immer weiter verlaufen und aufeinander abfärben, diese komplett unterschiedlichen Weltanschauungen, diese unterschiedlichen Arten des Lebens und Auffassungen, Bewusstsein und Denkweise, werden nach dem intensiven Aufeinanderprall nicht unangekratzt bleiben können.

            Aber bevor ich nun auf den inhaltlichen Teil eingehe, möchte ich den Film erstmal ordentlich an der Oberfläche loben.
            "Blade Runner" ist Cyberpunk ist Reinkultur. Vom retrofuturistischen Stadtdesign, über die grandiose Musik von Vangelis (einer meiner Lieblingssoundtracks, die bei mir oft rauf und runter laufen), die ein Zusammenspiel aus Arcade-ähnlichen Synthesizermelodien und bombastischen Symphonien, mystischen Ambienttönen oder auch Jazz- und Bluesmelodien darstellt, bishin zu den Anleihen des klassischen Detektiv- und Film Noir-Genres in aller Romantik und Hartgesottenheit, ist der Streifen einfach purster, unverfälschtester Cyberpunk wie man ihn auch als Fan in Filmen nur wirklich ganz, ganz selten sieht, und schon garnicht in Live Action-Werken. Nicht nur ist "Blade Runner" der Film, dessen visuelle Kraft mich am Meisten beeindruckt hat, sondern auch jener, den ich neben dem Anime 'Ghost in the Shell' am Häufigsten hernehme, um das Genre Nichtkennern beispielhaft zu erklären. Er vermittelt auch ein ganz eigenes Großstadtfeeling, immer eine enge Symbiose aus Dreck und Hochglanz. Jedes Mal gibt mir der Film Gänsehaut, durch die perfekte Inszenierung, der unwirklich schönen Optik und dem hypnotischen Aufbau. Es handelt sich hierbei vermutlich um den ausgereiftesten und vollendetsten Vertreter dieser Unterkategorie von Science Fiction, sowohl inhaltlich als auch formell. Dem Liebhaber geht das Herz auf.

            Was "Blade Runner" aber letztlich auch über die nerdige Fanbase hinaus unsterblich macht, sind die Fragen, die sich zwangsläufig stellen, wenn man den Film sieht.
            Das mögen Fragen sein, mit denen sich die Charaktere selbst konfrontiert sehen, oder einfach jene, die dem Publikum zwangsläufig in den Sinn kommen, sei es nun während der Sichtung, oder danach, wenn man beginnt, über den Film nachzudenken.
            Denn gefinkelt ist es hierbei, mit wem man mitfühlen soll, den keiner aus der Figurenkonstellation wirkt unsympathisch oder böse - wenngleich die Protagonisten ja verfeindet sind und sich gegenseitig jagen und bekämpfen. Verzweifelt vielleicht, aber hier gibt es kein klassisches Schema.
            Die Frage ist doch, wie würdet ihr reagieren, wenn ihr wüsstet, eure Zeit läuft nach 4 Jahren ab?
            Replikanten sind durch ihre Stärke durchaus in der Lage, die Welt an sich zu reißen, und die Menschen zu stürzen. Aber würden sie das auch tun?
            Sie sind lebende und fühlende Wesen, mit voll entwickeltem Bewusstsein und Persönlichkeit, und wenn sie auf die Erde kommen, und Chaos anrichten - kann man es ihnen verübeln?
            Ohne etwas getan zu haben, mit einer Lebenseinschränkung versehen und auf ewig auf einen abgeschiedenen Planeten verbannt?
            Tatsache ist, sie unterscheiden sich weder körperlich noch geistig von den Menschen. Sie denken gleich und unterscheiden sich ausschließlich in ihrer Kraft, und der Tatsache, erschaffen worden zu sein.

            Ich verwende den Begriff "Mensch" nicht gerne im Zusammenhang mit bewusstem Denken und Seele, ich bevorzuge den Begriff "Person" oder "Individuum". Mir stellt sich, gerade, weil ich oft utopisch denke, die Frage, was man wohl sagen würde, wenn durch weitere Evolution noch mind. 1 andere Spezies selbiges bewusstes Denken erlangen würde. Wären das dann auch Menschen? Wohl eher nicht.
            Sind Replikanten Menschen? Wohl eher nicht. Es sind Replikanten, aber es sind Personen, und Individuen.
            Sie zerstören nicht aus Rache oder weil sie es können - sie zerstören, um einen Weg in ein gleichlanges Leben zu finden. Aber sie machen auch Fehler. Sie werden irrational. Sie werden gefühlsgetrieben.
            Das alles lässt wieder darauf schließen, dass die Blade Runner die Bösen sind, aber sind sie das?
            Wenn du immerzu gesagt bekommst, dass Replikanten künstlich erschaffene Kampfmaschinen sind, die auf die Erde kommen, um die Bevölkerung zu zerschlagen und zu versklaven, und dazu auch noch nachweislich Tote zu verzeichnen haben, würdest du nicht ähnlich reagieren?
            Wer fragt dann schon nach, ob wirklich alle gleich sind, und ob sie nicht alle individuell und mit unterschiedlichen Zielen und vielfältigen Ambitionen auf die Erde kommen?
            Es muss nur ein schwarzes Schaf geben, das in der Tat die Menschen als niedere Spezies ansieht, und schon stehen alle unter dem selben Stern. Weil man nicht gerne differenziert.
            Was denkt ihr - würden die Replikanten soviel Schaden anrichten, wenn sie nicht verfolgt und umgebracht werden würden?

            Blade Runner gegen Replikanten. Feindbild gegen Feindbild. Man macht es sich auch gern leicht. Im Blade Runner-Jargon sagt man bei der Exekution von Replikanten nicht "kill", töten, sondern "retire", in den Ruhestand versetzen. So ganz einfach scheint es doch nicht zu sein. Ob die Replikanten selbst auch "retire" sagen? Was meint ihr?

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            • Martin Canine 07.02.2015, 19:21 Geändert 07.02.2015, 19:23

              Unheimlich toller Film und sehr interessant, wie sie jetzt aussehen.
              Molly Ringwald erinnert auf dem Bild etwas an Sigourney Weaver, finde ich. Nur verkleidet als Dolores Umbridge.
              Aber wieso der Film als Komödie bezeichnet wird...
              ...so als Film über Gruppendynamik, Generationsunterschiede, Missbrauch, Abhängigkeit und dem Einfluss unserer Umwelt auf unsere Identität?
              Naja, lustig finde ich den nicht gerade, auch, wenn er seine Themen vergleichsweise "leicht" herüberbringt.

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                Martin Canine 07.02.2015, 13:43 Geändert 05.02.2023, 13:36

                (Originalwertung 3.0)

                Gibt es noch Wesen, deren Mythos derartig abstrus und überzeichnet ist als Vampire?
                Angst vor Kreuzen, Knoblauch, Nachtruhe in Särgen, kein Sonnenlicht,...
                ...die mehr als skurrilen Eigenheiten dieser Sorte Filmungeheuer sind eigentlich nicht wirklich furchterregend und bieten weitgehend viel Potenzial für eine gelungene Parodie.
                Die Angriffsfläche ist einfach viel zu groß.
                Was mich schon immer gewundert hat, sind die Särge. Was ist ihre Funktion?
                Die anderen Besonderheiten sind Dinge, die dem Blutsauger schaden, aber der Schlaf in Särgen bringt ihnen eigentlich garnichts.
                Man muss den Tatsachen ins Auge sehen: sie sind einfach witzige Figuren, deren Mythologie ihnen in der Moderne mehr schadet als hilft.
                Erst, wenn man all diese Traditionen ablegt, kann man das Wesen des Vampirs wieder als ernste Bedrohung wahrnehmen.

                Wie kommt es dann, dass ich "Tanz der Vampire" dermaßen schleppend und unamüsant empfand?
                Der Film von Roman Polanski, seines Zeichens als Kult angesehen, gilt als Horrorkomödie.
                Ich kann dieser Genreverschmelzung im Normalfall recht viel abgewinnen, wenn man die Komponenten richtig einsetzt.
                Es ist eine Brutstätte des bizarren, makaberen und düsteren Humors, einer tollen Verschmelzung aus Humor und Morbidität, die einen oftmals durch augenzwinkernde Szenen zum Lachen bringt, die eine wunderbar groteske Note haben, und anders dargebracht eigentlich nicht zum Lachen animieren würden.
                Richtig inszeniert wird die Horrorkomödie zu einem schaurig-schrägen Vergnügen.
                Ich suchte diesen Witz, diese Gags, lange in Polanskis Kultfilm, und konnte sie nicht finden.

                Ich finde es nicht witzig und intelligent, wenn eine der Protagonisten zu Beginn einfriert, und die Leute dann mit den abstrusesten Mitteln wie Eis ins Gesicht reiben oder Senf ins Fußband antanzen.
                Ich finde es auch nicht witzig, dass der Sohn des Grafen ziemlich offenkundig homosexuelle Tendenzen hat.
                Ich finde es weiters nicht witzig, wenn Alfred sich nicht überwinden kann, die Vampire zu töten.
                Auch nicht, dass Shagal zuerst mit unnatürlich vielen Bisswunden übersät aufgefunden ist, und auch nicht, dass er später nicht in der Familiengruft schlafen darf und murmelnd und fluchend in den Stall geschickt wird.
                Wobei ich ehrlich gesagt garnicht weiß, ob das alles auch tatsächlich witzig gemeinte Szenen waren, denn ich musste, und das sollte bei einem Film, der sich als Komödie betitelt und auch nichts anderes sein will, nicht sein, kein einziges Mal lachen.

                Ich musste an zwei Stellen schmunzeln.
                Die erste ist die im Keller, als die Protagonisten den Holzpflock einschlagen und literweise rote Flüssigkeit herausschießt - die beiden haben irrtümlich ein Weinfass erwischt.
                Die zweite ist ein einziger Satz, der eher den Humor trifft, den ich in Horrorkomödien erwarte:
                "Ich bin ein Nachtschwärmer, bei Tag bin ich kaum zu gebrauchen."

                Ich finde diese Gags eigentlich nicht sonderlich gut. Aber sie lassen schon einen Ansatz von Pointen erkennen.
                Etwas, was ich in "Tanz der Vampire" grundsätzlich vermisse.
                Ich verstehe auch die Situationskomik nur selten, oftmals wirkt das Szenario einfach nur grotesk, aber wenig humorvoll.
                Oder mir erschließt sich die Prämisse des Humors einfach nicht.
                Erklärungen werden gern und dankend von mir angenommen.
                Ich habe versucht, mir einige positive Kritiken durchzulesen, um zu verstehen, weshalb dieser Film als große Komödie, großer Klassiker und großer All-Time-Favourite vieler Leute gilt.
                Da wären zum einen Zitate, die ich für absolut nichtssagend halte ("Alfred, gib's her"), die mir auch nicht im Gedächtnis geblieben wären.
                Eine unterschwellige Erotik, die sich wohl entweder auf Sharon Tates tiefen Ausschnitt oder aber den homosexuellen Vampir bezieht, aber mir auch nicht aufgefallen wäre.
                Oder aber echte Schockszenen, die gruselig wären, allerdings durch die skurrile Überzeichnung in ein parodistisches und ulkiges Licht gerückt werden. Gab es wirklich Momente, die man als gruselig hätte interpretieren können? Mir wären keine aufgefallen.
                Die Story soll wohl, ganz gemäß einer Parodie, eine stereotype Übertreibung aller Klischees darstellen.
                Okay, das gebe ich zu, kann ich erkennen, aber ich finde, man hat nicht viel daraus gemacht.

                Womit ich auch nochmal auf die zweite Szene zurückkommen will, der ich etwas abgewinnen kann.
                Ich bin jemand, der sich darüber amüsiert, wenn Hannibal Lecter irgendwelche trockenen Wortwitze zum Thema Essen macht (der Klassiker "Ich erwarte einen Freund zum Abendessen", aber vor Allem im zweiten Film, 'Hannibal' gibt es ein wahres Feuerwerk des trockenen und bitterbösen Horrorhumors), oder wenn die Munsters Sätze vom Stapel lassen, a la "Ach, unsere Tante XY ist gestorben. Letztes Mal, als sie das gemacht hat, hat sie uns mehr hinterlassen".
                Ich bin auch jemand, der darüber herzlich lachen kann, wie die Meryl Streep in 'Der Tod steht ihr gut' auf die entsetzte Feststellung "Sie ist tot!!!" ganz heiter erwidert "Das sind die Momente, die das Leben lebenswert machen."
                Ich finde es aber NICHT witzig, wenn in jeder Ecke eine Stange Knoblauch hängt.
                Und zum Teil fällt mir überhaupt schwer, zu erkennen, was in "Tanz der Vampire" zu den Gags und was zur Handlung gehört.
                Die letzte Szene ist dann wirklich recht augenzwinkernd makaber. Aber das kommt leider etwas zu spät.
                Wenn ich mir die Kulisse und die Kostüme ansehe, die tatsächlich an alte Horrorfilme erinnern, dann frage ich mich wirklich, wieso man nicht weiter dabei geblieben ist, die Klischees so dermaßen auf die Spitze zu treiben, dass es einfach nur mehr lustig ist. Wie gesagt: Vampire machen es einen so dermaßen leicht, sich über sie lustig zu machen.

                Meinen abschließenden letzten Satz zu diesem für mich leider doch recht enttäuschenden Kultklassiker eines ansonsten genialen Regisseurs:
                "I've expected a movie with a bit more bite, but eventually, it kinda sucked."

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                • Warum stolpere ich erst jetzt drüber?
                  Ein tolles Filmtagebuch, aber ich muss dir leider sagen... ich führe :3

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                    Martin Canine 06.02.2015, 00:04 Geändert 06.02.2015, 13:14

                    In Douglas Sirk's 'Solange es Menschen gibt' aus dem Jahre 1959, einem meiner persönlichen zehn liebsten Filme, stellt eine der beiden Protagonistinnen an einer Stelle die Frage "Wie erklärt man seinem Kind, dass es auf die Welt gekommen ist, um zu leiden?"
                    Die Rede ist davon, wie zweitrangig das Leben und die Gefühle eines Schwarzen in einer von Vorurteilen und Rassentrennung bestimmten Gesellschaft behandelt wird.
                    Dieses Zitat schwirrte mir immer wieder im Kopf herum, als ich "Das Leben ist schön" gesehen habe, einem Film, der formell so grundlegend anders und doch in seiner Idee so gleichartig ist.
                    Es geht um die Schwierigkeit der Bewahrung seiner Identität, seiner Fröhlichkeit und seiner Unschuld in Zeiten absoluter Zerstörung, Schmerz, Pein und Folter.

                    "Das Leben ist schön" sind zwei Filme.
                    So ist der erste die humorvolle Geschichte einer stürmischen Liebe, so unberührt, so liebenswert, so ungestüm.
                    Zwei Leute kommen sich immer näher. Es sind zwei Spinner, zumindest in den Augen der Gesellschaft, und gerade deswegen passt man so gut zueinander. Er, Guido, ein quirliger Kellner, der durch seinen abstrusen, kindlichen und zuweilen aufdringlichen, aber liebenswürdigen Humor auffällt, und sie, Dora, die in eine etwas feinere Gesellschaft eingegliedert ist, bei jedem Zusammentreffen mit Guido aus ihrer Fassade hervorkommt, die sie schon elendig satt hat. Sie will leben, Spaß haben, und lieber den glücklichen Narren heiraten, als den ihr zugedachten, ernsten und versnobbten Verlobten. Was sie auf einer Feier über die Hochzeit auch spontan beschließt und mit ihrem geliebten Guido in ein neues Glück flieht.
                    Der Film bietet turbulenten Humor, rasante Slapstick, große Blödler, dass sich ein Jerry Lewis nur verstecken kann. Ich musste viel lachen, und diese schrägen Außenseiter wachsen einem sofort ans Herz.
                    Das Leben ist schön.

                    Und dann kommt die Stelle, an der ich mir wirklich wünschte, dass "Das Leben ist schön" zwei Filme wäre.
                    Aber das ist er nicht, und die Zukunft unserer noch so heiteren Protagonisten wird von dem dunkelsten aller Schatten verschluckt und verdaut: dem Nationalsozialismus.
                    Eines Tages werden Guido und sein Sohn Giosue, den er mittlerweile mit Dora bekommen hat, von Nationalsozialisten in ein Konzentrationslager gebracht - Guido ist Jude.
                    Seine Frau Dora beschließt, freiwillig mit ihnen zu gehen.

                    Ab diesem Zeitpunkt tritt meine Frage von oben zum ersten Mal in Kraft.
                    Wie alt wird Giosue sein? Fünf vielleicht. Er kann nicht verstehen, was vor sich geht, und es liegt nicht in Guidos Absicht, seinem Sohn davon zu erzählen, was dort passiert.
                    Er schildert die Ereignisse in dem Lager, als wären es die Regeln eines Spiels, bei dem es einen tollen Panzer zu gewinnen gibt.
                    Arbeitsaufgaben müsse man lösen, um Punkte zu erhalten, die Wächter-Gefangene-Thematik, sowie die Trennung von Mann und Frau dienen der Mannschaftseinteilung, und Gerede über Tod und Folter seien nur gefinkelte Taktiken seiner Gegner, um ihn das Spiel zu vermiesen, und selbst zu gewinnen.
                    Warum solle es seinem Sohn nicht vergönnt sein, dass auch sein Leben schön ist?

                    Jede Kritik an diesem Film, er würde seine Thematik ins Lächerliche ziehen, jedes Empfinden, er würde sie gar verharmlosen, ist ein Zeugnis von Verschlossenheit und Ignoranz.
                    Bierernst nimmt Regisseur, Drehbuchautor und zurecht oscargekrönter Hauptdarsteller Roberto Benigni seine schwere und menschenverachtende Geschichte, und bierernst nimmt Guido diese auch.
                    Guido mag eine fröhliche und unbeschwerte Person sein, aber er ist nicht dumm. Er ist nicht naiv. Und ist sich seiner Lage bewusst. Er erkennt die Hölle aus Tod, Gewalt, Folter - es sind alles zu harmlose Ausdrücke für diese widerwertige und ekelerregende Tatsachen.
                    Als sein Sohn entgeistert ankommt, und erzählt, dass die Nazis vorhaben, Juden zu Knöpfen und Seife zu verarbeiten, IST Guido schockiert, da HAT Guido Angst und Guido WEINT. Aber innerlich. Seinem Sohn gegenüber hält er diese Fassade aufrecht, dass das alles ein gefinkelter Trick sei, um selbst das Spiel zu gewinnen: "Das hast du geglaubt? Sie wollten dich zum Narren halten. Sie wollen selbst den Panzer bekommen!"
                    Er nimmt einen Knopf von seiner Kleidung, und beginnt, damit herumzualbern.

                    Es ist ein Plädoyer, sich auch in dieser perversen und kranken Situation Würde, Hoffnung, Humor und am Wichtigsten, sein Herz zu bewahren. Es ist ein Versuch, durch Fantasie und ehrliche Gefühle nicht zu brechen, sich nicht hinzugeben, und die Maske, die Guido im zweiten Film trägt, die für den Zuschauer, nicht aber für Giosue durchsichtig ist, ist ein Symbol dafür, dass auch, wenn man selbst in Angst, Schrecken und Trauer schwelgt, einem Anderen diese zermürbenden und den Willen knackenden Gefühle zu ersparen, in dem man sich selbst eine Rolle auferlegt. Bereits als sich die ersten Zeichen ankündigen, ist Guido selbst bewusst, was geschieht. Aber seinem Sohn will er der Grausamkeit dieser Welt nicht zur Unterwerfung dalassen. Nicht ihn. Gleichzeitig versucht er spielerisch, seinen Sohn dahin zu trainieren, dass er möglichst lange im KZ überlebt. Keine Fragen stellen, nicht auffallen oder am Besten verstecken - dann gibt es Punkte, und man ist dem Hauptpreis schon viel näher. Und Guido hält mit jedem Satz Tränen zurück. Er hätte Heulkrämpfe. Er HAT Angst. Doch er kaschiert sie unter einem fröhlichen Lächeln.
                    Auch die Mitgefangenen steigen zum Wohle des Kindes immer wieder darauf ein, um die Interpretationen des Vaters zu untermauern und die Illusion aufrecht zu erhalten.

                    Ich schreibe diese Review mit Tränen in den Augen.
                    Dieser Film hat mich emotional enorm mitgenommen. Mehr als die wirklich ungeschönt kompromisslosen Werke mit vergleichbarer Thematik. Und vor Allem stellt sich mir immer wieder die Frage: Würde ich wissen wollen, wenn ich bald sterben müsse? Wenn es alle ringsherum um mich wissen, und es mir nicht sagten, und versuchen, mir eine schöne Zeit zu bereiten, ohne mir die Absicht zu sagen...
                    Schönheit, Spaß und Freude ist in "Das Leben ist schön" eng mit Grausamkeit verbunden.
                    Einer schrecklichen, ja unerträglichen Wahrheit wird durch eine schöne, wunderbare Lüge alles genommen. Man kann diese Wahrheit nicht verhindern, man kann nichts ändern, und sie ist hart und nicht verdaulich.
                    Die Frage ist: muss man sie kennen?
                    Muss man sich mit ihr abquälen, bis sie letztlich eintritt, oder ihr lieber plötzlich, ohne viel von ihr mitbekommen zu haben, gegenübertreten?
                    Ein schönerer Gedanke, das Zweite.

                    Und ich liebe diesen Titel...
                    ..."Das Leben ist schön"...
                    Ja, ist es.
                    Auch in hässlichen Zeiten.

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                      "Das Böse unter der Sonne" ist, um es kurz und knapp auf den Punkt zu bringen, eine gewöhnliche Agatha-Christie-Verfilmung, wie es sie zuhauf gibt.
                      Ihr kennt mich aber schon gut genug, um zu wissen, dass ich es nicht kurz und knapp auf den Punkt bringe.

                      Peter Ustinov spielt hier den belgischen Meisterdetektiv Hercule Poirot, den er bereits in 'Tod auf dem Nil' verkörpert hat.
                      Und in beiden Streifen geht es ungefähr gleich zu:
                      Poirot ist privat unterwegs, um sich zu erholen und zu vergnügen. Er lernt nach und nach seine Mitreisenden kennen, die allesamt einen bestimmten Feind haben, der ihr Leben in totem Zustand bereichern könnte. Wir können uns zu diesem Zeitpunkt schon ungefähr ausmalen, wer die zweite Hälfte des Filmes nicht mehr erlebt. Es findet ein Mord statt. Jeder hat ein Motiv, doch wer hatte die Möglichkeit?
                      Wir kommen ins Grübeln, und werden immer gespannter, wer letztlich die Tat begangen hat - denn irgendwann wird der Detektiv alle bitten, sich zu versammeln...

                      Man kann bereits von vornherein sagen, nach welchem Schema der Streifen ablaufen werden, und man erhält auch genau das. Nicht mehr, nicht weniger.
                      Seien es die beiden Ustinov-Hercule Poirot-Filme oder 'Mord im Spiegel', der verspätete Miss Marple-Teil ohne Rutherford, man weiß, worauf man sich einlässt, und wenn man nicht mehr als das erwartet, dann wird man auch nicht enttäuscht.
                      Für mich sind es pure Unterhaltungswerke, die ihren Spaß daraus ziehen, dass man als Zuschauer selbst mitgrübelt, wer der Täter ist, und wie er das gemacht hat.

                      Es ist dann nur logisch, was die weitere Folge daraus ist, wenn man die Auflösung des Falls erst einmal kennt: es bietet sich wenig Anreiz und Bedürfnis, den Film nochmal zu sehen.
                      Ein wirklich herausragender Thriller oder Krimi soll zwar eine spannende, plausible und unvorhersehbare Aufklärung am Ende besitzen, aber nicht ihr gesamtes Potenzial daraus beziehen.
                      Die Streifen leben vom Mitdenken und vom hoffentlichen Nicht-Erraten der Identität und der Vorgehensweise des Killers.
                      Aber warum sollte ich dann das Verlangen haben, sie ein weiteres Mal zu sehen?
                      Diese Werke besitzen keine dichte Atmosphäre, keine markanten Momente, die einem im Gedächtnis bleiben, keinen besonderen Haken, keine Nebenhandlungen, und keine Elemente, die neben der Auflösung des Falles bestehen.
                      Die Darsteller sind gut, spielen aber nicht so feinfühlig und brillant, dass sie einem diesen Anreiz bieten.

                      Warum funktioniert 'Columbo' so gut, und ist so spannend, obwohl wir den kompletten Tathergang samt Täter schon von Beginn an kennen? Kreative Ideen, brillant inszenierte Einzelszenen, umwerfend spielende Darsteller und facettenreiche Figurenzeichnung, dichter Spannungsaufbau.
                      Ein richtig genialer Krimi besteht nicht nur darin, ein großes Ende zu liefern, der Weg dahin muss genauso überzeugen, und für sich alleine stehen können.
                      Um bei Agatha Christie-Filmen zu bleiben: 'Zehn kleine Negerlein' hatte eine so intensive und nervenkitzelnde Aufmachung, dass einen das Blut in den Adern gefror. 'Zeugin der Anklage' war ein Film Noir mit tiefgehenden und komplexen Charakteren, die fast schon Züge eines Dramas annahmen, und '16 Uhr 50 ab Paddington' hatte eine süße Schrulligkeit und liebenswerten Humor, der vollends überzeugte.
                      Das ist es, was mir von den Filmen in Erinnerung bleibt. Weswegen sie auch beim zweiten Mal toll sind. Weshalb ich sie mir überhaupt nochmal ansehen will.

                      "Das Böse unter der Sonne" macht formell alles richtig. Genau wie auch schon 'Tod auf dem Nil' und 'Mord im Spiegel' zuvor. Ich kann mich eigentlich nicht beklagen, ich wurde vortrefflich unterhalten, und bin auch von selbst nicht auf's Ende gekommen. Trotzdem scheint sich mir der Stoff nicht ganz für einen Spielfilm zu eignen, er fühlt sich zu sehr wie ein (sehr gut besetzter) Teil einer längeren Serie an.
                      'Tod auf dem Nil' hinterließ da aber doch etwas mehr Eindruck. Aber eher als Pilotfolge.

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                        Roland Emmerich ist, etwa wie David Cronenberg, eine meiner Grauzonen in Sachen Filmen. Ich will nicht sagen, dass ich ihm komplett negativ gegenüberstehe, aber er ist ein Regisseur, dessen Stil ich tendenziell nicht allzu angetan bin.
                        Mir kommt oft vor, dass er sich nicht wirklich entscheiden kann, ob seine Werke nun reine Action-Effektspektakel oder rührselige Melodramen sein sollen. Das sind zwei Genres, denen ich wohl weit mehr abgewinnen kann als der normale Durchschnittsfilmfan, aber in der Kombo wirkt das oftmals seicht und billig - erst recht, weil sich beide Komponenten oft im Wege stehen, und daher jeweils halbherzig wirken.

                        Aber natürlich gibt es auch Ausnahmen. Filme, die ich von Emmerich sogar ziemlich gern mag. Ich finde die weniger guten Streifen ja auch nicht komplett scheiße, aber ich gehe eigentlich nie mit niedrigen Erwartungen ran, und meistend werden diese auch erfüllt. Wirklich viel Spaß hab ich da selten, diese Werke sind eher lauwarm.
                        Aber wie gesagt, es gibt Streifen in seiner Filmografie, die mir auch zeigen, dass er es durchaus kann. Neben dem sehr vergnüglichen 'Godzilla' gehört vor Allem "Stargate" zu den Emmerich-Filmen, denen ich wirklich etwas abgewinnen kann, und die eine gute Zeit garantieren.

                        "Stargate" ist ein Science Fiction-Abenteuer, welches in seinem stürmischen Blockbustergeist der frühen 90er allein durch eine spannende Geschichte, eine gute Machart und mitreißende Gefühle überzeugen kann.
                        Ich habe schon oft meine Bewunderung für das Filmjahrzehnt 1990-1999 kundgetan. Es war eine revolutionäre Zeit, und die Blüte sowohl der Autoren- als auch des Mainstreamkinos. Viele Strukturen und Techniken, die man heute als selbstverständlich erachtet, wurden hier populär.
                        Es war eine Zeit, in der die Blockbuster noch mitreißen konnten, und die gerade neu entdeckten CGI-Effekte den Film untermauerten und nicht bestimmten.
                        Und ein Kind dieser Zeit ist dieses Werk.

                        In "Stargate" folgen wir dem kauzigen Ägyptologen Daniel Jackson, der für seine Theorien zur Entstehung der Pyramiden stets belächelt, jedoch vom Militär beauftragt wird, ihnen bei der Entschlüsselung der Inschrift eines antiken Artefaktes helfen.
                        Es stellt sich heraus, dass es sich um ein sogenanntes Stargate handelt, mit dem man sich quer durchs Universun auf einen anderen Planeten teleportieren kann.
                        Der Zielplanet ähnelt einer Zivilisation wie im alten Ägypten.
                        Die Bewohner werden dort vom Sonnengott Ra beherrscht, der einst ankam und die menschliche Spezies versklavte.

                        "Stargate" ist für mich der weitaus bessere 'Dune'.
                        Es sind beides Science Fiction-Filme, die weniger im Weltall als in der Wüste uns fremder Planeten spielen.
                        Der Unterschied ist, dass der David Lynch-Film zwar höher gestrckte Ziele hat, an nahezu pausenloser unfreiwilliger Komik, absoluter Sinnfreiheit und abstrusen Zufällen klaglich scheitert. Der Emmerich-Film hingegen ist genau das, was er auch sein will: ein unterhaltsames Abenteuer mit Science Fiction- und Fantasy-Elementen. Er nimmt sich nicht zu wichtig, und das ist auch gut so.

                        Es ist nämlich überaus erfrischend, dass in einem großen Streifen, der als SciFi gilt, ausgerechnet die Wüste und das alte Ägypten das Filmuniversum inspirierten, und als visuelle Kulisse herhalten, während das Geschehen von außerirdischer Technologie und Teleportation maßgeblich bestimmt wird.
                        Es entwickelt sich ein scharfer Kontrast, ein Zusammenspiel aus Futurismus und Antike, als würde man die Crew der Enterprise in die Herrschaft von Cleopatra schicken.
                        Ein bizarres Mosaik, bei welchem jedes Teil für sich und das Gesamtwerk gut gefallen können.
                        Dabei versucht "Stargate", anders als sein lynchscher Genrekollege, nicht, großen Intellekt oder eine bedondere Andersartigkeit vorzugaukeln, sondern ist vor allen Dingen daran interessiert, durch ein abwechslungs- und ideenreiches Drehbuch größtmöglichen Spaß zu bieten.
                        Ja, die Charaktere sind stereotyp, ja, der Ausgang ist von vornherein klar, aber der Weg dahin ist ein pures Vergnügen.
                        Sonnengott Ra, gespielt vom wunderbar androgynen Jaye Davidson, ist eine der anziehendsten und charismatischsten, weil diabolischsten Bösewichten, die es in der Geschichte des Science Fiction-Genres gibt, und die Aura, die ihn umgibt, jede Bewegung, die künstliche Verzerrung der Stimme und dieser (größen)wahnsinnige Blick in den Augen, verschafft mir ein angenehm wohliges Gefühl von Gänsehaut, welches nur Leute bekommen, die einen Fetisch für das Böse haben.
                        Man wünscht sich ja fast, dass hier mal der Antagonist gewinnt. Fast.
                        Dann sind da noch einige humoristische oder dramatische Elemente, die hier auch durchaus funktionieren, da der Regisseur ihnen genügend Zeit einräumt, und nicht durch obligatorische Action durchbricht und ihrer Wirkung beraubt.
                        Dieser Film ist eine meiner heißgeliebten filmischen Achterbahnfahrten. Aufregend, niemals lantweilig, und kreativ.

                        Filme wie "Stargate" sind eine Weiterführung klassisches Adventure-Filme, angereichert durch (damals) moderner Elemente und Tricktechniken. In den 50ern und 60ern gab es solche Filme auch, doch es fehlte ihnen an den Mitteln, die übernatürlichen und utopischen Inhalte glaubhaft darzustellen. Die 90er aber machten's möglich.

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                          Martin Canine 03.02.2015, 14:11 Geändert 03.02.2015, 16:42

                          Die Story vom fünften 'American Pie'-Film ist im Grunde, wie ein Paar, welches eine offene Beziehung eingeht, an dieser 'modernen' Art der Partnerschaft elendig zugrunde gehen droht.
                          Eine Thematik, die ich als offenkundiger Gegner dieses jede Romantik und Intimität zerstörenden Trends eigentlich nur begrüßen kann.
                          Viele argumentieren ja damit, dass dann kein Vertrauensbruch stattfindet, wenn einer fremdgeht.
                          Dann gebe ich nächstes Mal einem verdächtig aussehenden Mann mein gesamtes Geld, dass ich nicht auf ihn böse sein muss, wenn er es stiehlt. Klingt sinnvoll.
                          Ich möchte meinen Partner definitiv nicht teilen, und umgekehrt möchte ich auch nur ihn.
                          Nur so kann man doch eine innige Bindung eingehen.
                          Und die Leute, die sich auf so etwas einlassen, sind zumeist verwunderlicherweise welche, die von der wahren Liebe sprechen.

                          Okay, dass man eine ethische Grundsatzdiskussion daraus erschafft, ist bei einem 'American Pie'-Film auch nicht zu erwarten gewesen, aber es als Fundament für eine heitere und rasante Situationskomödie zu nutzen, ist doch nicht zu viel verlangt, oder?
                          Vor Allem, wenn man bedenkt, wie charmant und liebenswert man im ersten Film noch die Figuren gezeichnet hat, wie lustig es war, als sie ins Fettnäpfchen traten und nebenbei entdeckten, dass ihre Gefühle zumindest gleich wichtig sind wie der Sex.
                          Der Witz der ersten drei Filme entstand auch daraus, dass die Charaktere jedes Mal, wenn sie dachten, sie hätten endlich die Oberhand über ihre Sexualität, unschön in den Loserstand zurückgeholt werden: bei der lustvollen Selbstbefriedigung mit einem Stück Obstgebäck betritt ein Elternteil den Raum, und hat man einmal den Ruf des Ladykillers erreicht, sorgt Abführmittel schnell für Abhilfe.
                          Es ist ein Film, der trotz seiner Thematik garnicht so viel zeigte, und seinen Humor rein daraus bezog, dass die Situationen witzig und mit viel Charme von sympathischen Figuren vorgetragen waren.
                          Aber damit lockt man heutzutage niemanden, und spätestens bei der vierten Fortsetzung (wobei Teil 4-7 ja generell gern eingeklammert und auch mit dem Zusatz "präsentiert" beworben werden) reicht so ein Humor bei Weitem nicht mehr.
                          'American Pie' beginnt damit, dass Jim in seinem Zimmer zu einem Porno masturbiert, als seine Eltern plötzlich reinkommen und er verzweifelt versucht, zu verstecken, was er da tut, was kläglich scheitert.
                          "American Pie - Nackte Tatsachen" hingegen beginnt damit, dass Eric, der neue Protagonist ebenfalls zu einem Porno onaniert (im Wohnzimmer, ganz prima!), als seine Eltern mit Großmutter im Schlepptau plötzlich in die Wohnung kommen, er sich umdreht, auf seine Oma ejakuliert und diese dann an einem Herzinfarkt stirbt.

                          Dieses Opening setzt den Ton für den restlichen Film.
                          Es gibt eine Grenze zwischen schwarzem Humor, sexuellem Humor und purer Geschmacklosigkeit, die hier überschritten wird.
                          Ich stelle mir auch die Frage, wie man vom Todesfall eines nahen Verwandten so unangetan sein kann.
                          Außer, die Familie Stifler wären wie die Munsters dazu in der Lage, mehrmals zu sterben.
                          Generell sind die Stiflers eine sehr merkwürdige Familie.
                          Bis zu diesem Teil der Reihe schien alles noch logisch und auf freiem Willen des Individuums basieren.
                          Jeanine Stifler (Stifler's Mom) scheint ein Faible für junge Männer zu haben, zumindest für Paul Finch. Steve Stifler ist eben etwas sehr sexbesessen und machohaft. Matt Stifler ist schlicht unter dem schlechten Einfluss seines Bruders großgeworden und eifersüchtig auf dessen Karriere als erfolgreicher Pornoproduzent. Das Verhalten ist noch nachvollziehbar, es ist ein Haushalt, in dem Sex eben von der Mutter her präsent ist.
                          Mit diesem fünften Film wird Sex jedoch zum Großfamilienunternehmen erhoben. Das bekannteste unbekannte Gesicht Christopher McDonald spielt Erics Vater und ist schwer enttäuscht, dass sich sein Sohn immer noch selbstbefriedigt und nicht wie der Rest der Familie mit irgendwelchen dahergelaufenen Schlampen herumvögelt. Mir graut bei dem Gedanken, was passiert wäre, hätte der Typ statt Eric eine Tochter bekommen.
                          Man hat es sich trotzdem nicht nehmen lassen, ihn später selbst beim Onanieren zu selbigem Porno zu zeigen. Gott sei Dank von hinten, weit entfernt und nur für ein paar Sekunden.

                          Naja, jedenfalls teilt Erics Freundin ihm mit, sie wäre bereit für den ersten Sex und schnurstacks saust er los. Doch dann kommen ihre Eltern überraschend nach hause und er versteckt sich im Wäschetrockner, den er vor lauter Nervosität... ankackt. Wortwörtlich.
                          Immerhin gibt's jetzt den ersten und letzten lustigen Dialog im Film:
                          "Du hast in unseren Trockner geschissen!"
                          "Doch nur aus Angst vor deinem Dad!"
                          Sie hat letztlich doch keine Lust mehr, und gibt ihm eben die Erlaubnis, mit jemand anderem zu schlafen.
                          Doch dann kommen ihr allmählich Zweifel, ob das eine gute Idee war.
                          Eric und seine muschifixierten Kumpel fahren zur "nackten Meile", wo StudentInnen traditionell komplett nackt eine Meile laufen.
                          Dort trifft er neben einigen Zoten auch seinen Cousin Dwight Stifler, der für Sex- und Alkoholparties bekannt ist (da ein Stifler bekanntlich über keine anderen Charaktereigenschaften verfügt), und naja, somit haben wir den Plot.

                          So scheiße und billig wie das Cover aussieht, ist auch der Film, und wer jetzt immer noch nicht abgeschreckt ist, der kann ja mal einen Blick riskieren.
                          Wer Teil 1-3 jedoch mochte, weil sie charmant, witzig und originell waren, der braucht das hier garnicht erst in Erwägung zu ziehen. Bis auf Jim's motherfucking awesome Dad und den Namen Stifler gibt es hier auch keinen Bezug zur Reihe mehr.
                          Dass die Charaktere selbst dann nicht blasser sein könnten, wenn der Streifen in Schwarzweiß gedreht worden wäre, muss wohl nicht erwähnt werden.
                          Auch schade ist, dass Jordan Prentice immer nur auf seine Größe reduziert und als Arschloch eingesetzt wird. Verdient er nicht mehr als das?

                          Das Highlight des Films ist letztlich der Vibrator, der gegen Ende gezeigt wird. Der hätte es aber auch verdient, in einem besseren Werk aufzutreten.
                          Naja, immerhin hab ich ein neues Partyspiel gefunden. Es hängt mit blauen Pillen und Ringen zusammen.

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                          • Tolle Liste, wenn auch mit einem kleinen Fehler:
                            Nicht "Louis und seine außerirdischen Kohlköpfe", sondern "Louis unheimliche Begegnung mit den Außerirdischen", sind 2 verschiedene Filme, und ersteren hab ich erst einmal gesehen!

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                            • Martin Canine 02.02.2015, 17:45 Geändert 02.02.2015, 19:12

                              ...und die Welt kennt meine Phobien.
                              Zumindest die, die die Startseite liest^^

                              • 9 .5
                                Martin Canine 02.02.2015, 14:07 Geändert 02.02.2015, 16:53

                                Woran denken wir, wenn wir das Wort "Prostituierte" hören?
                                Frauen in aufgetakelten, aufreizenden Klamotten, mit Tonnen an Schminke, womöglich mit Sonnenbrille, die am Straßenrand stehen und warten, dass ein Freier mit dem Wagen anhält.
                                Bei dem Begriff "Prostitution" sieht das Bild doch etwas anders aus.
                                Wir denken an Zuhälter, Ausbeutung, unwürdige Behandlung und Misogynie.
                                Vielleicht, weil der Term den Ausschnitt vom Individuum auf die gesamte Branche erweitert hat?

                                "Whores' Glory" von Michael Glawogger, dessen Film 'MegaCities' mir immer noch ein Bisschen quer im Magen liegt, wirft einen Blick auf Prostitution in drei verschiedenen Ländern. Thailand, Bangladesch und Mexiko. Drei sehr unterschiedliche Nationen, drei sehr unterschiedliche Konditionen, zu denen die Frauen leben.

                                In Thailand sehen die Frauen die Prostitution als Beruf an. Sie werden gut bezahlt, scheinen an Sex auch durchaus ihr Vergnügen zu haben, und werden auch nicht schlecht behandelt. Hinter ihrer Glaswand sitzen sie, und werden mit Nummern betitelt, von denen die Kunden sich dann eine aussuchen. Als sie selbst zu Wort kommen, scheint für sie dennoch das Schlimmste zu sein, zwischen den Freiern warten zu müssen. Sie geben an, dass dies auf Dauer recht langweilig ist. Die Prostituierten können es sich leisten, in Restaurants essen zu gehen, und sind von Hungersnot weit entfernt. Als bei einem Tischgespräch mehrerer Frauen das Thema aufkommt, ob man den Beruf einer Masseuse ausführen würde, gibt es eine klare Antwort: "Nur einer, die auch Sex mit ihren Kunden hat." Ohne Sex wäre der Job uninteressant. Es sind Frauen, die sich diesen Lebensstil freiwillig ausgesucht haben, und sich ausgezeichnet damit arrangieren können. Vielleicht ist es nicht der beste Job der Welt, aber man kann, wenn man gefragt genug ist, ganz gut damit leben.

                                In Bangladesch sind in der 'Stadt der Freude' um die 800 Prostituierte auf engem und überaus dreckigem Raum zusammengepfercht, werden oft als Minderjährige von älteren Frauen, die selbst ehemalige Prostituierte sind, eingekauft und müssen für eine schmutzige und schäbige Unterkunft durch ihren Körper Geld eintreiben.
                                Eine dieser 'Puffmütter' sagt selbst: "Ohne die Mädchen müssten meine Kinder und ich auf der Straße leben".
                                Eine jugendliche Frau, mit zerzausten Haaren und zerklüftetem Körper, wird in das Geschäft eingeführt, zerstreitet sich mit den Anderen und wird letztlich wieder ausgesetzt, als sie es nicht schafft, Freier anzulocken.

                                In Mexiko stehen die Frauen ihrem Beruf unterschiedlichst gegenüber. Die Prostitution ist hier eng mit dem kriminellen Milieu verbunden. Einige der Prostituierten sind cracksüchtig, von den Kunden angewidert, und sprechen von einem gegenseitigen Hass beider Parteien - die einen wollen das Geld, die anderen einen Fick, ein Geschäft, aber Achtung hat man voreinander nicht. So empfinden es einige zwar nicht als die Hölle, aber als einen unangenehmen Beruf. Andere sind da klarer, und weitaus positiver: "Ich habe gerne Sex, bekomme einen Orgasmus, und krieg dafür sogar noch Geld!"
                                Eine andere, ehemalige Prostituierte sagt, sie sei im Ruhestand, erzählt aber recht munter und nostalgisch über ihre Erfahrungen und kleinen Geschichten, die sie zwar nun auch nicht mehr machen würde, aber auch nicht bereut, getan zu haben.

                                In seiner Originalfassung unter komplettem Verzicht auf einen Voice Over-Kommentar entstanden, lässt "Whores' Glory" die Frauen selbst die Geschichten erzählen, selbst ihre Erfahrungen, Umstände, Bedingungen und Anekdoten schildern. Dazwischen wird der Alltag gefilmt, die Gespräche der Mädchen untereinander, mit Freiern, oder ihren Arbeitgebern. Gewissen Individuen wird gefolgt, und so erscheinen sie als eine Art Protagonistinnen der einzelnen Stränge.
                                Es entsteht nicht selten ein spielfilmartiger Eindruck, zumal der Dokumentarfilm eine klare Struktur und Dramaturgie aufweist, und die Handlungen stellenweise sehr intim, umgestört und privat erscheinen. Nicht der Sex, sondern die Dialoge sind es, die man den Leuten im Umgang miteinander vor einer Kamera nicht zutraut. Vielleicht war diese versteckt, oder (in Anbetracht der guten Kamerafühung) die Frauen sehen kein Problem in ihrer Verhaltensweise. Die Puffmutter im Besonderen zeigt sich von keiner guten Seite, aber vermutlich ist ihr das garnicht bewusst.
                                In dem Moment, indem die einzelnen Frauen ganz alleine befragt werden, wird in etwa klar, wie kontrastreich die Verhältnisse sind. In Thailand bleiben die Damen recht objektiv und professionell, in Bangladesh bricht eine Frau verzweifelt in Hilferufen aus ("Wieso müssen wir Frauen so leben? Gibt es keine andere Zukunft?") und in Mexiko entsteht der Eindruck einer Unterschicht, die zwar einen niederen Lebensstandard hält, aber sich schon zum Teil daran gewöhnt hat.
                                Prostitution als gewöhnlicher Beruf, als Sklaverei und Unterdrückung, oder als niedere Tätigkeit. Es fällt nach diesem in 3 abgeschlossene Episoden eingeteilten Film schwer, sich eine absolute Pro- oder Kontrameinung zu dem Thema zu machen, was auch zu einfach und nicht in der Intention des Filmemachers wäre.

                                Auf der Welt gibt es jene, die Prostitution als unwürdig und verachtenswert ansehen, und fordern, sie von daher komplett zu verbieten. Andere wieder setzen sich dafür ein, das Klischeebild zu verändern, und machen sich stark, sie ins Licht eines gesellschaftlich akzeptierten Berufes zu erheben.
                                Beide Ansichten sind schwer zu halten, vor Allem absolut.
                                Sollte man die Thailänderinnen wirklich ihrer freiberuflichen Arbeit berauben?
                                Im Gegenzug aber darf man die Mädchen in Bangladesch ihrem Schicksal überlassen und nicht aus dieser Hölle herausholen?
                                Und sollte man den Frauen in Mexiko nicht einen besseren Standard gönnen, dass sie mehr Freude und weniger Ekel an ihrer Tätigkeit verspüren?
                                Es ist immer eine Frage der Bedingungen, und der Würde.
                                Ist es Zwang, oder eine freie Wahl?
                                Ist die Behandlung eine Zumutung, oder wird man respektiert?
                                Arbeitet man nach eigenem Ermessen, oder wird man mit Gewalt gedrängt, sich für einen Hungerslohn von jedem dahergelaufenen Flegel ficken zu lassen?

                                Wie man zur Prostitution steht, ist eine Frage, die man so schnell nicht beantworten kann, und ehrlich gesagt will ich es auch nicht.
                                Zu unterschiedlich geht es auf der Welt zu, um eine Lösung für alle zu finden. Da gibt es Dreck, und Hochglanz, Ekel und Vergnügen, Gewalt, Drogen und Sex.
                                Aber es fällt ja so leicht, alles in einen Topf zu werfen.
                                An einer Stelle sagt ausgerechnet in Bangladesch eine Frau zu einer anderen einen Satz, der mir angesichts ihrer Lage zu denken gab:
                                "Du verkaufst deinen Körper, nicht deine Seele."

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                                  Martin Canine 01.02.2015, 15:26 Geändert 01.02.2015, 16:22

                                  Ja, so wird das gemacht.
                                  Eine Genugtuung, dass vergangene Nacht nicht wie erwartet der zurückhaltende Schönling Jörn das Rennen machte, sondern wirklich jener Dschungelbewohner, der am Meisten leistete, und zusätzlich noch Ausstrahlung hatte wie die Sonne: Glücksradfee Maren.
                                  Nicht, dass mir Jörn unsympathisch gewesen wäre, aber das Zusammenspiel von Mut (zum Ekel) und Charisma ist es doch, das den Dschungelmonarchen ausmacht. Ich hätte es somit auch der lebensfrohen Tanja gegönnt, die unter sichtlichem Kampf mit dem Würgereiz bis zum Schluss durchgehalten und selbst die Insekten in Aspik verspeist hat, die sogar mich, hartgesotten in Sachen TV-Ekel, zum beinahe Übergeben brachten. Ehrlich, Kakerlaken essen alleine sind schon nicht schön, aber die krabbeligen Beine und den Kopf von der Gelatine komplett eingeweicht, das ist nochmal eine Nummer grauslicher.

                                  Es sind mal wieder die 2 Wochen vorbei, die den deutschsprachigen Raum annual spalten. In Pro und Kontra, Intellektuelle und Popcornmasse, Kulturpessimisten und Amüsierte. Interessant ist hierbei, wo man manche Meinung wiederfindet. Nicht nur in Boulevardzeitungen, selbst im ein oder anderen für hohe Qualität bekannten seriösen Blatt liest man ausgibig über das große TV-Spektakel "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!"
                                  Und zu meiner eigenen Überraschung, nicht IMMER negativ.
                                  Die selben Magazine, die sich über Castingshows auslassen, sehen im Dschungelcamp nicht so selten die eine Ausnahme, die Rettung des deutschen Reality-TVs.

                                  Wie jedes Jahr verfolge ich das Finale mit, manchmal auch die Sendungen davor.
                                  Dieses Jahr war für mich wenig interessant, da ich keinen einzigen der Teilnehmer kannte.
                                  Doch das, was ich mitbekommen habe, verschaffte mir ein gutes Bild der unterschiedlichen Charaktere, die erst nach der Hälfte des Events vollends ausgeprägt sind. Vielleicht ist dieser zweiwöchige Aufenthalt in der australischen Insekten- und Hodenhölle auch so eine Art Selbstfindungstrip für die Kandidaten. Wie groß ist der Wille, und wie weit geht man, wenn man unter Druck steht. Und wenn man die Hemmungen und die selbst auferlegten Grenzen erstmal überwunden hat, dann kommt erst der wahre Charakter zum Vorschein, dann wird die Fassade fallen gelassen.
                                  Auf begrenzte Zeit fernab jeder Zivilisation, und die einzige Möglichkeit, selbst zu gewinnen, ist, besser zu sein, als der Gegner. Der einzige Kontakt sind die Gastgeber und die Konkurrenten. Battle Royale.
                                  Im Laufe dieser Zeit passiert jedoch etwas: die immer kleiner werdende Gruppe wird durch diese Umstände und die Tatsache, dass ihre einzige Gesellschaft die ihrer Widersacher ist, zusammengeschweißt. Das Geschehen wird von einer paradoxen Mischung aus Siegeswillen und Freundschaft angetrieben.
                                  Man verbündet sich, und wird auch durch die ekelerregenden und demütigenden Prüfung oft dazu getrieben, sich aufeinander zu verlassen.

                                  Das Dschungelcamp ist eines der psychologisch interessantesten Formate im deutschsprachigen Fernsehen, obwohl ich eher der Castingshow- und Dokusoap-Typ bin, da dort der Trashfaktor und die unfreiwillige Komik größer ist und die Sendung somit mehr Unterhaltung bereitet.
                                  Aber den interessanten Ton der Gruppendynamik kann man der Sendung kaum absprechen.
                                  Dabei wird die wohl eigentliche Intention immer weiter in den Hintergrund gerückt, verhassten Promis dabei zuzusehen, wie sie leiden. Mittlerweile sind es nämlich zum Einen keine wirklichen Stars mehr. Nicht einmal GewinnerInnen der anderen großen deutschen Shows werden für's Dschungelcamp ausgesucht, keine Leute, die einen Hit oder einen bekannten Namen zu verzeichnen haben, sondern Verwandte von Prominenten, oder einfach nicht weit gekommene KandidatInnen.
                                  Das macht eine gewisse Unvoreingenommenheit aus, man kann den Teilnehmern neutraler gegenüberstehen.
                                  Zum Anderen wissen diese mittlerweile auch schon sehr genau, auf was sie sich bei dieser Sendung einlassen. Das Mitleid lässt nach.
                                  Wobei ich nachwievor der Meinung bin: Insekten essen ist eine Sache, sie zuvor töten müssen, etwas anderes.
                                  Ich habe eine Phobie vor Insekten. Aber ich würde sie nie töten.
                                  Andererseits muss man die Organisation dieser Show hervorheben, die durchgehend ziemlich gut produziert war.

                                  Meine Lieblingsstaffel ist nachwievor 2011. Die interessanteste Konstellation und die spannendste Aufmachung. Man konnte nie wissen, was geschehen wird, da gab es im Camp soviel Action.
                                  Die Jay Kahn-Indira Weis-Sarah Dingens-Dreiecksbeziehung und -feindschaft, sowie Katy Karrenbauer als die ultimative Sympathieträgerin machten die Ausgabe vor 4 Jahren überaus abwechslungsreich und unvorhersehbar, und von Intrigen, Gezicke, offen gefakter Liebe, Humor und Spaß war alles dabei, was man sich wünscht. Eine Zusammenstellung aus allen Charaktertypen.
                                  Bin schon gespannt, was nächstes Jahr geschehen wird, denn eines ist mal sicher: solange der Erfolg da ist, wird auch das Dschungelcamp da sein. Und wem das nicht passt, der braucht sich nicht jedes Jahr auf's Neue zu echauffieren, sondern es einfach nicht gucken.

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                                  • Sind ja lauter tolle Texte! :3
                                    Das Projekt scheint ja gut gestartet zu sein.
                                    Hoffe, dass das so gut weitergehen wird.

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                                      "Wild" beginnt mit einem Shot, der hörbar im gesamten Saal ein kollektives angewidert auf die Lippe beißen hervorrufte. Reese Witherspoon zieht sich ihren angelockerten, blutigen großen Zehennagel vom Fuß. Das steht sie durch, wenngleich es hart und schmerzhaft ist, und schmeißt die zu kleinen Schuhe den Hang runter.
                                      Wunden, blaue Flecken und Narben übersäen ihren Körper, zeichnen sich auf ihrer Haut ab, einige, die meisten werden dort wohl verewigt sein, aber irgendwann nicht mehr auffallen, weil man gelernt hat, mit ihnen zu leben.
                                      Es ist eine dieser Eröffnungsszenen, von denen man bereits beim ersten Sehen weiß, dass sie symbolisch stehen und etwas bedeuten, doch an dieser Stelle können wir noch nicht sagen, in welche Richtung der Film gehen wird.
                                      Es ist nur ein Beispiel von Witherspoons beispiellos intensivem Spiel, mit welchem sie ihrem Charakter Leben und eine Vielzahl an Facetten und Emotionen einhaucht.

                                      Auf Grundlage einer wahren Geschichte schrieb Nick Hornby, der Autor von 'About a Boy', das Drehbuch über Cheryl Strayed, eine Frau, die mehr oder minder spontan beschließt, ohne wirkliches Vorwissen und auf eigenen Füßen den 1600 Kilometer langen Pacific Crest Trail entlangzuwandern, der sie durch eine von der Zivilisation nahezu unberührte Wildnis führt. Es ist für die unerfahrene Stadtfrau ein besonders harter und steiniger Weg, den sie aber beschlossen hat, bis zum Ende durchzustehen. Selbst wesentlich fachkundigere und besser organisiert wirkende Wanderer, die sie auf dem Weg trifft, sind nicht selten daran, aufzugeben.

                                      Aber diese Reise ist auch ein Neuanfang. Sie steht symbolisch für einen langen und schweren Kampf, den sie in ihrem Leben außerhalb gekämpft hat, ein vernichtendes Zusammenkommen von schwierig zu bewältigenden Schicksalsschlägen und persönlichen Fehlern.
                                      Cheryl wird als Sympathieträgerin eingeführt, doch durch den gekonnten Einsatz eines zeitversetzten Erzählstrangs, der ihr Leben vor dem Trip bebildert, dass sie keineswegs eine rein gute Persönlichkeit war. Sie hat unter Drogen ihren Mann mit zahlreichen Männern betrogen, und ging oft harsch oder wirklich verletzend mit denen um, die ihr am Nächsten standen. Bei einer Therapie stürmt sie wütend aus dem Zimmer... doch warum? Wo hat man sie hier getroffen? Und wie wurde sie zu der Frau, die sie war?
                                      Der große Trip ist mehr als nur eine schlichte Wanderung. Eine Reinwaschung ihrer Vergangenheit, eine zeitgleiche Auseinandersetzung mit derselben. Das Gewesene macht sich vor Allem im Umgang mit Männern bemerkbar, die sie allein auf dem Weg trifft. Sie erwartet das Schlechte, einen weiteren Schlag in ihrem Leben.
                                      Aber verliert sie dabei nicht die Wahrheit aus den Augen.
                                      Der zermürbende Weg, all diese Kilometer entlanzugehen, mit zu kleinen Schuhen, eine zierlichen Körper, ohne Erfahrung, aber mit einen dermaßen riesigen Rucksack auf den Schultern, dass die Last erdrückend wirken muss, ist wohl als Abrechnung mit ihrem alten Leben anzusehen, dem Abschluss mit den Ehemaligen, und die Begrüßung des Zukünftigen.

                                      Obwohl der Trip in die Wildnis weitaus weniger extrem und nur halb so philosophisch ausfällt, hat mich "Wild" weitaus mehr gepackt als der andere große Trip in die Wildnis, 'Into the Wild'.
                                      Cheryl ist mit all ihren Ecken, Kanten und Hürden eine viel intensivere, unmittelbarere Figur als Alex Supertramp.
                                      "Wild" ist direkter, rauer und näher. Die Protagonisten hat diesen besonderen Haken, und steht nicht nur mit ihrer Umwelt, sondern auch mit sich selbst in Konflikt.
                                      Ihre Reise ist nicht so radikal wie Alex's, aber durch ihre quasi nicht vorhandene Vorbereitung (sie schleppt auch viel unnötigen Balast wie Ferngläser oder Sägen mit, den sie eigentlich nicht braucht) wird er zu einer fast noch schwereren Prüfung, die noch mehr Willenskraft abverlangt.
                                      Mir kommt ihr Charakter einfach wesentlich komplexer und einfühlsamer vor.
                                      Aber sollte man das vergleichen?
                                      Cheryl muss auch nie töten, um am Leben zu bleiben, da sie Essen mitgebracht hat, sie muss nicht bangen, giftige Früchte und Beeren zu essen. Dafür ist ihr Weg noch mehr von der Gesellschaft abgeschieden als seiner. Eigentlich sind die Hürden und Willenstests derartig unterschiedlich, dass sich die Filme nur auf den ersten Blick ähneln.

                                      "Wild" ist nämlich auch eine Biografie.
                                      Der eigentliche Trip ist nur das halbe Geschehen. Was den Film mindestens genauso ausmacht, ist der Abgleich ihres harten Kampfes im Leben mit dem harten Kampf ihres Wanderpfades in der Wildnis.
                                      So ist der Film auch ein Drama, und eine Biografie. Und auch für den Zuschauer so etwas wie ein emotionaler, großer Trip.

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                                      • Hmmm...
                                        ...das, was ich hab, sind keine Guilty Pleasures.
                                        Ich steh stolz dazu, Fan von einem ganzen Haufen von Filmen zu sein, die wenig Leute mögen.

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                                        • Super!
                                          Verdienter Kommi der Woche.

                                          Hat mich jetzt aber eher angereizt, die Filme auch mal zu sehen^^

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                                            Martin Canine 31.01.2015, 00:19 Geändert 31.01.2015, 09:10

                                            Kennt ihr diese unzähligen Cartoons, die so alt sind wie der Trickfilm selbst, in denen es einen Helden gibt, der sich, egal wie brenzlig die Situation auch ist, immer wieder aus der Patsche helfen kann. Widersacher verfolgen ihn und wollen ihm an den Kragen, sind aber letzten Endes selbst die, die in die Falle hopsen. Das geht solang weiter, dass man sich fragt, ob diese überhaupt noch einen Lebensinhalt hätten, würde ihnen das gelingen. Am Bekanntesten ist wohl Wile E. Coyote und der Road Runner, aber auch im Realfilm hat sich das Konzept in Komödien wie 'Das große Rennen rund um die Welt' bestens bewährt.
                                            Der Animefilm "Das Schloss des Cagliostro" beginnt mit einem ähnlichen Grundkonzept, erzählt aber nebenbei eine ernsthafte wie klassische Heist- und Kriminalgeschichte, welche immer weiter dramatische Züge annimmt.
                                            So steht der Protagonist Lupin in einer Szene von zig bewaffneten Männern umkreist auf einer Falltür, die mit Stacheln ausgestattet einige Meter in die Tiefe reicht und meint zur weiblichen Hauptfigur beiläufig "ach, mir passiert nichts." - was dann auch genauso eintrifft, in einer späteren Szene sinniert derselbe Mann über seine Vergangenheit und wie man ihm nach einem harten Schlag Güte entgegenbrachte.

                                            "Das Schloss des Cagliostro" ist, obwohl er hierzulande eher als alleinstehender Film bekannt und auch als einziges Werk der Reihe im Handel erhältlich ist, die bereits zweite Filmadaption einer in Japan kultigen Manga- und Anime-Reihe, die zum Erscheinungszeitpunkt in besagtem Land vermutlich jedem längst bekannt war und kaum einer Erklärung bedarf. In unseren Breitengraden ist 'Lupin III' allerdings keine große Nummer und in Sachen Kriminalanime hat sich eher 'Detective Conan' durchgesetzt (die beiden Figuren haben es Jahre später auch zu einem Crossover gebracht). Der Film war also meine erste Begegnung mit der Figur, und ich kann sagen, dass man ihn ohne Vorwissen perfekt verstehen kann und zu keiner Zeit das Gefühl aufkommt, der Streifen sei kein Stand-Alone-Film.

                                            Viel interessanter als das alles ist jedoch eine ganz andere Tatsache, die auch ausschlaggebend dafür war, diesen Film entdeckt zu haben: "Das Schloss des Cagliostro" ist der Debutfilm von Hayao Miyazaki. 1979 verfasste der heute weltberühmte Regisseur das Drehbuch und führte Regie bei diesem in seiner Filmografie eigentlich ziemlich unbeachteten Heistmovie mit starken Action- und Abenteuerelementen.
                                            Er folgt dabei Lupin, seines Zeichens Meisterdieb und Playboy, und seinen Gehilfen Daisuke und Goemon, die nach einem als großen Coup geplanten Überfall erstmal mit einer Unmenge an Falschgeld darstehen. Aber damit nicht genug: Lupin beobachtet, wie eine junge Frau von einem Mann gewaltsam weggeschleppt wird. Dabei gelangt er in den Besitz ihres Ringes, welches das Wappen von Cagliostro zeigt. Zu dessen Schloss begibt sich der gewitzte Gauner nun, denn niemand darf eine Lady so behandeln...

                                            "Das Schloss des Cagliostro" ist, neben seinem Abschiedswerk 'Wie der Wind sich hebt' der einzige Film Miyazakis, der in einer unveränderten Version unserer realen Welt spielt, ohne Magie, ohne Fantasiewesen, ohne starke Abweichungen des durchaus plausibel.
                                            Anders als der Rest der Werkschau des Filmemachers ist dieses Regiedebut jedoch sehr cartoonhaft gehalten. Dadurch fällt vielleicht garnicht so sehr auf, dass das fantastische Element fehlt.
                                            Lupin ist ein gerissener Actionheld mit James Bond-Allüren, gefinkelt, mit einem Polizisten als Erzrivalen, der nicht unbedingt ernstzunehmen ist, die Handlungen sind rasant, gespickt mit vielen oftmals slapstickhaften Gageinlagen, und dem steten Wissen, dass das Gute wohl am Ende gewinnen wird - in diesem Fall also der Dieb.
                                            Wirklich viele Parallelen zu seinem späteren Stil sind gewiss nicht zu erkennen, genauso wenig wie wiederkehrende Motive. Eher handelt es sich um einen reinen Unterhaltungsfilm, der abenteuerlustig daherkommt, und dabei eine interessante und klassische Gaunergeschichte erzählt, die Genrefans schmeichelt. Hier haben Ganoven noch Ehre und einen Gerechtigkeitssinn, sowie viel Humor und Sympathie!

                                            "Das Schloss des Cagliostro" ist ein Cartoon, der eben im Animestil gezeichnet wurde.
                                            Dabei pendelt er zwischen einem Hang zum weltmännisch anmaßenden Kriminalgenre, einem alten Trickfilm in bester Slapsticktradition und einem abenteuerlustigen, aufregenden Blockbuster für Jung und Alt.
                                            Einen derartigen Film hat Hayao Miyazaki später nie gemacht, einen dermaßen turbulenten Langfingerausflug, aber bereits hier zeigt er sein Händchen für gute und spannende Inszenierungen.

                                            PS: Ponyo fehlt mir noch, dann bin ich seine Regie-Filmografie durch.
                                            Und natürlich die 26-teilige Serie 'Sherlock Hound' an die ich höchste Erwartungen habe (Miyazaki macht klassische Detektivgeschichten in einer Welt voll Hunden. Und das Beste ist, dass das auch tatsächlich existiert :3).

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                                              Martin Canine 29.01.2015, 23:48 Geändert 31.01.2015, 00:38
                                              über Hancock

                                              "Hancock" erzählt eine interessante Geschichte auf uninteressante Weise. Während der umgekehrte Fall (uninteressante Geschichte, intressante Erzählweise) mmer noch formell beeindruckend sein kann, ist diese Kombination fast noch tödlicher, als hätte man eine uninteressante Geschichte uninteressant erzählt. Denn so wird man sich immer wieder vor Augen halten, welch Potenzial hier verschenkt wurde.

                                              Der große Clou an "Hancock" ist, dass die namensgebende Figur zwar Superkräfte besitzt und diese auch zur Bekämpfung von Verbrechen einsetzt, privat und öffentlich jedoch als versoffenes, unsympathisches, homophobes und arrogantes Arschloch auftritt und bei seinen Rettungsaktionen keinen Wert auf Konsequenzen legt - (Sach-)Beschädigungen stehen an der Tagesordnung. Eigentlich geht er den Leuten nur mehr auf den Sack, weshalb sich auch alle freuen, als er sich endlich für seine Schäden verantworten und ins Gefängnis gehen muss.
                                              Nur nicht Ray, der von Hancock das Leben gerettet bekam (auch, wenn ein Zug dabei in die Brüche ging), und sich jetzt als dessen Manager für eine Imageverbesserung des Superantihelden stark macht...

                                              Eine der größten Schwächen von "Hancock" ist, dass er sich nicht entscheiden kann, was genau er eigentlich ist, und was er will.
                                              Ist er eine Komödie, Satire, Genreparodie - etwas worüber man lachen kann?
                                              Ist er ebenfalls ein Unterhaltungsactionblockbuster, der jedoch einen Twist in die klassischen Archetypen bringt?
                                              Oder ist er ein Drama, welches sich damit auseinandersetzt, wie es Superhelden wohl im realistischen Alltag ergeht, wo nicht alles reibungslos verläuft?
                                              Hm. Am Liebsten ware mir Letzteres gewesen. Ich finde derartige Szenarien immer interessant, wenn man archetypische Filmfiguren mit der Realität konfrontiert, sie vor Probleme stellt oder ihr typisches Verhalten mit Konsequenzen in Konflikt geraten lässt.
                                              Eigentlich sind aber die Möglichkeiten nahezu unbegrenzt, aus dem Stoff etwas Großes oder zumindest Außergewöhnliches zu gestalten.

                                              Aus all den genannten Richtungen sind Ansätze zu Genüge vorhanden, letzten Endes geht "Hancock" aber doch sehr gewohnte Wege, und gibt sich mit einer 08/15-Mischung aus den Komponenten trockener Witz, Action und ernstem Finale zufrieden, wie schon unzählige Mainstreamblockbuster vor ihm. Dass das auch gut funktionieren und trotzdem massenhaft Spaß machen kann, dafür gibt es genug Beweise, allerdings ist dieser Film hier nicht unbedingt einer der guten Vertreter des Hollywoodsuperheldenactioners. Die Gags wirken nicht wirklich lustig, viel zu stark auf Will Smith zugeschnitten - der ein guter Darsteller sein kann, wenn er ernst spielt, in Komödien oder Comic Relief-Szenen aber einfach nur nervt ('Der Prince von Bel Air' mal ausgenommen) - und sollen wohl primär ein testosterongeladenes Publikum ansprechen. Ich hab aber wohl leider gefehlt, als dieses verteilt wurde.
                                              Die Action wirkt ganz passabel, nicht herausragend, aber schlecht sieht auch anders aus. Es wird nicht langweilig, aber 'abfeieren' würd ich das nicht nennen.

                                              Was "Hancock" dann wieder perfekt beherrscht, ist ein dramaturgisch gelungener und wohlüberlegter Abschluss. Ab dem Zeitpunkt, ab dem sich der Film seinem Finale nähert, Charlize Theron in die Handlung rückt und das Genre immer weiter in Richtung Science Fiction-Drama wandert, wird er plötzlich um Einiges besser, und auch so, wie ich ihn mir als Gesamtwerk vorgestellt hätte.
                                              Wieso muss man sich aber zuvor erst durch ein Dickicht aus altbackenen Formeln, mutlosen Inszenierungen und Standard-Comic-Relief-Sprüchen (nicht One-Linern, eher James Bond-, Indiana Jones- und Wolverine-like) kämpfen?
                                              Ist es nicht Sinn und Zweck eines Twists in der Haupthandlung, dass auch der Film an sich anders und besonders sein soll?

                                              Aber "Hancock" schmeckt wie das Schnitzel vom Vortag, in der Mikrowelle aufgewärmt. Diesmal hat man halt Reis als Beilage gewählt, anstatt Pommes. Aber ist es deswegen gleich ein anderes, neues Gericht?

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                                              • Martin Canine 29.01.2015, 22:34 Geändert 29.01.2015, 22:55

                                                Welcher Freak schlüpft schon in Tierkostüme... ts...

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                                                  über Akira

                                                  "Akira" hat es innerhalb von 2 Stilen zu einem absoluten Kultfilm geschafft.
                                                  So ist er einer jener Animefilme, die es im Westen auch außerhalb der Fangemeinde zu großem Ruhm und Klassikerstatus gebracht haben - nicht selten ist er diese eine Ausnahme, die Amime-Gegner doch ziemlich gut finden.
                                                  Zum Anderen gilt der Film als Kanon des Cyberpunkgenres. Durch sein düsteres, futuristisches Stadtdesign voller Wolkenkratzer, Neonreklame und Dreck, seiner rauen, zerwüsteten, dystopischen Zukunftsperspektive, und der immer wieder auftretenden Philosophie gilt er neben Ridley Scotts 'Blade Runner' und dem großen Konkurrenten 'Ghost in the Shell' für manche als DIE Genredefinition schlechthin.

                                                  Es sei dahingestellt, ob sich "Akira" tatsächlich mit diesen beiden Filmen messen kann (die spielen für mich einfach nochmal in einer ganz anderen Liga), Fakt ist, dass der Streifen vollkommen zurecht diesen hohen Status hält.
                                                  Der Film spielt im Jahr 2019 (wir werden ja sehen, ob er recht behält) und zeigt eine Stadt namens Neo-Tokyo, da das alte Tokyo durch den 3. Weltkrieg vollkommen zerstört wurde.
                                                  Wenngleich die Zivilisation und der Wohlstand mittlerweile wieder aufgebaut wurden, gibt es doch eine erhöhte Rate an Jugendkriminalität und Aufständen.
                                                  Kaneda ist Anführer einer Motorradgang, zu der auch Tetsuo gehört, der den anderen Mitgliedern etwas am Rockzipfel hängt.
                                                  Als Tetsuo mit einem merkwürdig aussehenden Mann, mit der Statur eines Kindes, aber dem Aussehen eines alten Greises, kollidiert, wird er in ein Krankenhaus gebracht, doch irgendetwas scheint mit ihm nicht zu stimmen. Wieso will der Gang niemand sagen, wie es ihn geht, und wo er ist.
                                                  Und wer war dieser Mann?
                                                  Währenddessen leidet Tetsuo immer weiter unter heftigen Wahnvorstellungen und beginnt allmählich, telekinetische Kräfte aufzubauen, die ihm zunehmend zu Kopf steigen.

                                                  "Akira" ist vielleicht gezeichnet und im Science Fiction-Genre angesiedelt, allerdings sehr harte und massig brutale Kost. Dabei spreche ich nicht von Fantasygewalt a la 'Inuyasha' oder 'Prinzessin Mononoke', sondern wirklich schwerverdauliche Szenen, mit realistischem Blutfluss und grausig detaillierten Ansichten von blutig rinnenden Stümpfen, Wunden oder Innereien. Diese sind nicht actionlastig gehalten und werden auch nicht entlastend gebrochen. Tetsuo verfällt im Laufe des Filmes immer weiter und die Bilder werden immer verzerrter, grotesker, alptraumhafter, verstärkt von einem oftmals verstörenden, düsteren Score.
                                                  Vielleicht ist es zum Teil "Akira" zu verdanken, dass man den Animestil nicht als pures Kindergenre abstempelt.
                                                  Diese Spirale, dieser Alptraum, der sich immer weiter in die Psyche brennt, ist es auch, der den Film zu einem unheimlich intensiven Erlebnis macht, dass den Zuschauer auch am Empfinden der Charaktere teilnehmen lässt.

                                                  "Akira" vollends zu verstehen ist eine Sache, die wohl mehrere Sichtungen und die Bereitwilligkeit zum eigenen Überlegen voraussetzt, und ich muss sagen, dass ich die Idee von Akira nach 2 Sichtungen noch nicht zur Gänze verstanden habe. Nicht falsch verstehen, die Handlung ist nachvollziehbar und verständlich, aber es gibt da die Akira-Philosophie in Bezug auf Evolution und Energie, deren Kern ich noch nicht ganz durchschaut habe. Dadurch bleibt der Film aber auch jedes Mal aufs Neue spannend.
                                                  Bin schon gespannt, was die nächste Sichtung bringt.
                                                  Ich finde es auch schön, dass ein Streifen das Publikum etwas fordert, es dabei aber auch in der Lage ist, den Film zu genießen, wenn eben dieses Philosophische auch noch nicht ganz erfassbar ist.
                                                  Da macht man sich auch gerne Gedanken.

                                                  Dem Cyberpunkfan wird "Akira" insbesondere durch seine visuelle Gestaltung, die eine perfekte Großstadt im Neo-Noir-Baustil zeigt, sowie der düsteren und gefährlichen Atmosphäre, die in besagter Metropole vorherrscht, sehr gut gefallen. Es kann immer etwas passieren.
                                                  Den anderen sei der Film auch wegen den Denkansätzen und dem paranoid-psychologischen mentalen und physischen Zerfall eines Charakters sehr zu empfehlen, der irgendwie zwischen Aronofsky und Cronenberg anzusiedeln und die Grenzen zwischen Wahrheit und Wahn oft überschreitet, dabei aber auch auf den Körper anschlägt.

                                                  Oder einfach ausgedrückt: ein inspirierender und kreativer Genreklassiker, der ein grandioses Bild einer postapokalyptischen Großsradt bebildert, welches zur Ikone und zum Vorbild der Gattung des Cyberpunks avancierte und sich zurecht einen Platz in der Filmgeschichte erkämpfte, und den Anime auch einem westlichen Publikun näherbrachte - obwohl er so radikal anders ist als die ähnlich populären Werke des Kollegen Hayao Miyazaki.

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                                                    Martin Canine 29.01.2015, 00:04 Geändert 29.01.2015, 11:43

                                                    "Madagascar" hat das selbe 'Problem' wie so gut wie alle Dreamworks-Animationsfilme, nämlich mangelnde Tiefe.
                                                    Keiner der Charaktere wächst einem ans Herz, die dramatische Wendung der klassischen U-Dramaturgie wirkt nicht unbedingt dramatisch, und wirklich viel Charme und Gefühl kommt nicht herüber.
                                                    Es sind Filme, die ausschließlich auf ihren Humor aufbauen, der im Vergleich zu Produktionen des Konkurrenzstudios Disney-Pixar wesentlich frecher, abgefahrener und auch amerikanischer wirkt.
                                                    Der Witz ist nicht selten ganz auf die eigentlich immer hochkarätig besetzten Originalsynchronsprecher zugeschnitten, die sich dann durch ihre markanten Stimmen selbst auf die Schippe nehmen.

                                                    In "Madagascar" folgen wir den New Yorker Zootieren Marty, einem Zebra mit Sehnsüchten nach der Wildnis, Alex, einem steaksüchtigen Löwen mit Star-Allüren, Gloria, einem Nilpferd bei dem das Drehbuch für keine Besonderheit außer ihrer peppigen Art gereicht hat, und Melman, eine Giraffe, die den Begriff Hypochonder auf ein neues Level bringt.
                                                    Dann gibt es da natürlich noch die vier Pinguine Skipper, Private, Rico und Kowalski, die als Sondereinsatzkommando in die Antarktis wollen, und zwei hochgebildete Affen namens Mason und Phil, die sich nicht zu schade sind, mit Poo-Poo zu werfen (aber kein Fäkalhumor hier).
                                                    Als Marty einen Fluchtversuch unternehmen will, folgen ihm die anderen Zootiere, um ihn zurückzuholen, werden aber allesamt eingefangen und sollen verfrachtet werden. Doch sie erleiden Schiffbruch und landen über den Ozean in dem von partyfeiernde Lemuren bewohnten Madagaskar.

                                                    Das ist einmal die Grundstory.
                                                    "Madagascar" ist kein Film, der ernsthaft eine tiefgehende Storyline verfolgt und sich bemüht, dem Zuschauer sonderlich nahe zu gehen. Die Story ist trivial, der große dramatische Tiefpunkt obligatorisch.
                                                    Ist an und für sich okay und legetim.
                                                    Ich frage mich dabei, wieso man sich entscheiden muss.
                                                    Das ist es auch, was mich bei vielen älteren Disneyfilmen stört, und generell bei so ziemlich jedem Dreamworksfilm, der nicht 'Shrek' heißt.
                                                    Sie opfern eine große Story für eine Gagparade.
                                                    Dabei beweisen doch soviele moderne Animations- und Zeichentrickfilne seit den 90ern, dass Platz für Alles vorhanden ist: gute Story, eine Vielzahl an Gags, ernste Momente und tiefschürfende Figuren.
                                                    Wieso sind die 4 Protagonisten aus "Madagascar" uninteressanter als die 4 (im ersten Film noch 3) Protagonisten der 'Shrek'-Reihe?
                                                    Weil letztere einfach wesentlich komplexere Figuren sind, die eine volle Palette an Emotionen haben, unverwechselbare Charaktere, und ihre Probleme besitzen, weil sie Außenseiter sind und ihre Persönlichkeit nicht dem ersten Eindruck entspricht.
                                                    Die Figuren aus "Madagascar" sind Archetypen, die über 1-Satz-Beschreibungen nicht hinausgehen.
                                                    So wird Marty bis zum Schluss ein animierter Chris Rock als Zebra bleiben. Die Charaktere haben keine Kipppunkte, keine Geheimnisse, keinen Haken, keine Konflikte.
                                                    Alex, der auf der Insel mehr als alle anderen zum wilden Tier wird, hat den thematisch interessantesten Part der Geschichte. Er ist Fleischfresser, und wenn er sein Steak nicht vom Zoowärter bekommt, muss er einmal seinen Instinkten folgen.
                                                    In Geschichten um anthropomorphe Tiere gibt es kaum einen interessanteren und philosophischeren Aspekt, als die Nahrung, die den Umgang erschwert.
                                                    Aber auch hier gibt man sich mit der Oberfläche zufrieden. Es reicht für ein paar Gags, einen seichten Tiefpunkt des Us. Aber nicht, um aus Alex mehr als einen Comedian zu machen.
                                                    Aber das ist etwas, was kaum ein Dreamworks-Animationsfilm schafft: ernst zu sein, echte Gefühle zu vermitteln und interessante und komplexe Figuren auszugestalten, die man auch wirklich ins Herz schließt. Es werden wohl 'Shrek 1&2', 'Drachenzähmen leicht gemacht' und 'Große Haie - Kleine Fische' die einzigen Streifen bleiben, die es bei mir in die Oberliga schaffen.

                                                    Als Komödie funktioniert "Madagascar" sogar recht gut.
                                                    Da ist der Test einfach: ich konnte gut lachen, waren einige recht amüsante Szenen dabei. Ich hab mich kurzweilig unterhalten gefühlt.
                                                    Was mir gefällt, ist, dass Dreamworks in den Gags etwas weiter geht, etwas rotzigere, jungshafte Gags bringt, und nicht so sehr daran gebunden ist, den Film komplett unschuldig aussehen zu lassen.
                                                    Ich glaube nicht, dass Disney es durchgehen lassen würde, dass Marty "Motherf-" sagt, auch wenn der zweite Teil abgeschnitten ist. Ich glaube auch nicht, dass das Wort 'Rektalthermometer' dort seine Verwendung findet und Filme wie 'American Beauty' humorvoll auf die Schippe genommen werden. Da lachen die Kinder halt darüber, dass das Szenario witzig ist, und Erwachsene können die Anspielung verstehen.
                                                    Ja, in Sachen Humor wusste Dreamworks immer, was man macht.

                                                    Aber als Film im Ganzen ist mir die Umsetzung des Stoffes nicht genug. Alles wirkt etwas hölzern und unausgegoren, dann werden ernsthafte Momente wieder mit vielen Gags gebrochen. Durchaus gut, aber man könnte mehr daraus machen, zumal Ansätze ja da sind.
                                                    Aber letztlich hat der Film eine ganz, ganz große Sache zu verantworten, die damals noch nicht abzusehen war: die Spin-off-Serie 'Die Pinguine aus Madagascar' ist die beste animierte Sendung seit das Niveau von 'Spongebob' im Meer versunken ist. Ein extrem seltener Fall einer TV-Adaption, die wesentlich besser ist als der eigentliche Film.

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