Patrick Reinbott - Kommentare
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Alle Kommentare von Patrick Reinbott
[...] Biller erzählt ihre Geschichte einer Hexe, die im modernen Kalifornien mithilfe spezieller magischer Rituale auf der Suche nach der großen Liebe ist, in kräftigen Technicolor-Bildern, die den Betrachter aufgrund ihrer gewaltigen Farbpracht, wunderschönen Dekors und den von der Regisseurin selbst entworfenen Kostümen hypnotisieren und ihren Bann ziehen. The Love Witch sieht aus, als entstamme er geradewegs dem europäischen Genre-Kino der 60er Jahre, was auch daran liegt, dass die Regisseurin auf 35mm Film gedreht hat, wobei das Material im fertigen Werk neben der überbordenden Bildgewalt einen zerbrechlichen, sensiblen Eindruck erweckt, nicht unähnlich dem Wesen der Hauptfigur, die hinter ihrer auffällig attraktiven Fassade verletzte Gefühle sowie unerwiderte Sehnsüchte offenbart. [...] Ein ausgelassener Sexploitation-Film, den die Regisseurin auch aufgrund der freizügigen Art ihrer Protagonistin und den verführerisch anmutenden Erotik-Anleihen immer wieder anzukündigen scheint, ist The Love Witch allerdings nur auf den ersten Blick. Biller will ihren Film viel mehr als feministischen Kraftakt verstanden wissen, der den gesellschaftlichen Stellenwert von Frauen in den Mittelpunkt rückt, wobei vor allem ihr kompliziertes Verhältnis zu Männern beleuchtet werden soll und die Forderungen, die das vermeintlich stärkere Geschlecht an seinen Gegenpart stellt. Sonderlich subtil geht die Regisseurin dabei nicht vor, denn ihre Aussagen, die sie in das Gewand eines mysteriös-abgründigen Thriller-Melodrams kleidet, werden dem Zuschauer regelrecht mit dem Holzhammer eingeprügelt. Die Unterdrückung sowie Unverstandenheit des weiblichen Geschlechts inszeniert Biller in redundanten Handlungsabläufen, in denen sich alles darum dreht, dass Elaine einen Mann verführt, wobei dieser wenig später ein Ableben findet. Verdeutlichen will sie dabei, dass sich Männer zuerst auf blinde, selbstsüchtige Weise an dem vergreifen, was sie wie wilde Tiere begehren, nur um kurz darauf an ihrer eigenen Unfähigkeit, tiefere Gefühle für ihr bedürftiges Gegenüber zu zeigen, scheitern und zugrunde gehen. Zusätzlich bringt die Regisseurin Elemente einer Kriminalhandlung sowie kitschige Fantasie-Sequenzen in ihr Werk, die niemals stimmig miteinander harmonieren. Durch das Schauspiel, welches generell zwischen hölzern und miserabel schwankt, penetrant missratene Dialoge, die spätestens im verträumt naiven Voice-over zu Peinlichkeiten geraten und dem durchwegs ungelenken Spagat zwischen frivoler Retro-Ästhetik, die sich nahe an der amüsanten Parodie bewegt, sowie den offenbar völlig ernstgemeinten, feministischen Untertönen der Geschichte mutiert The Love Witch letztlich zum hanebüchenen, auf schier endlose zwei Stunden Länge aufgeblähten Kuriosum, das an seiner eigenen unverständlichen Ambition komplett zerbricht und nichts übrig lässt als schön funkelnde Scherben, in denen sich immerhin Rückstände ansehnlicher Einzelmomente erkennen lassen. [...]
Wenn sich im Auftakt von Alexandre Bustillos und Julien Maurys „Aux yeux des vivants“ ein Messer in den Bauch einer Schwangeren bohrt, dann wirkt es, als würden die beiden Regisseure in selbstreferentieller Manier auf ihr eigenes Debüt „À l'intérieur“ verweisen, wobei sie die Rollen zwischen Täter und Opfer nicht nur vertauschen, sondern auf verstörende Weise direkt miteinander verschmelzen.
Nach diesem originellen Kniff, durch den der dritte Film des Regie-Duos aufgrund des kompromisslosen Beginns zunächst ein weiteres Mal im Bereich der neuen französischen Härte angesiedelt zu sein scheint, schlagen Bustillo und Maury bereits einen ersten Haken, welcher keinesfalls der einzige bleiben wird. Statt sich am modernen Terrorkino zu orientieren, das die beiden 2007 selbst noch wesentlich mitgestaltet haben, werfen die Regisseure stattdessen einen nostalgischen Blick zurück auf die verwegenen, vorwiegend amerikanischen Coming-of-Age- und Jugendfilme der 80er wie „Stand By Me“ oder „The Goonies“.
Drei Freunde sind es, die in „Aux yeux des vivants“ am letzten Schultag vor den Ferien zum Nachsitzen verdonnert werden, woraufhin sie in der Pause abhauen und lieber auf Entdeckungstour gehen. Dabei stecken die Jungs nicht nur eine Scheune in Brand, sondern finden inmitten heruntergekommener Überreste eines verlassenen Filmstudio-Geländes eine gefesselte, schreiende Frau im Kofferraum eines Autos.
Indem Bustillo und Maury den Erzählton nun ein weiteres Mal radikal umschlagen und schaurig-spannenden Horror in die unschuldige, ausgelassene Lebenswelt der minderjährigen Protagonisten eindringen lassen, wird ihr dritter Film endgültig zum schier undefinierbaren, wild zwischen Stimmungen und Genre-Versatzstücken umherspringenden Werk. Die erzählerische Inkonsistenz wird den beiden dadurch nicht grundsätzlich zum Verhängnis, doch im weiteren Verlauf, für den sich die Regisseure auf drei verschiedene Home-Invasion-Szenarios konzentrieren, offenbaren sich vermehrt störende Logiklücken, die in Verbindung mit der ungelenken Tonalität zunehmend für Frustration sorgen.
Atmosphärisch ist „Aux yeux des vivants“ erneut vom handwerklichen Geschick des Duos gekennzeichnet, das auch hier wieder, mitunter nur für die Dauer weniger Sekunden oder sogar lediglich in Form eines einzelnen Bildes, Momente kreieren, die für erhöhten Pulsschlag, unangenehmes Ausharren oder entsetztes Abwenden sorgen, wobei vor allem ihr ausgeprägtes Gespür für räumliche Verdichtung zum Vorschein kommt.
Neben diesen inszenatorisch vereinzelten Bravourstücken im Mittelteil schlittern Bustillo und Maury im Finale aber schließlich in Gefilde des nahezu komischen Theaters, wenn ihr Showdown sämtliche Regler auf Anschlag dreht, um zwischen Splatter-Einlagen, absurden Masken und Kostümen sowie an völlig unpassender Stelle eingefügter Gefühligkeit zu einem Ende zu gelangen, das wie auch schon der größtenteils zerfahrene, unentschlossene Vorgänger „Livid“ erneut ernüchtert zurücklässt.
„Collateral Beauty“ ist einer dieser Filme, die man mit einer Mischung aus ungläubiger Faszination und angewiderter Abscheu verfolgt. Diese Gefühlsregungen verwundern umso mehr, handelt es sich bei David Frankels Film doch um ein Werk, das sich im Kern um die schmerzvolle Lebensmüdigkeit eines Mannes dreht, der nicht dazu imstande ist, den traurigen Tod seiner kleinen Tochter zu verkraften.
Es liegt aber nicht an dem von Will Smith gespielten Werbefachmann, dass dieser nur vordergründig als Drama verkleidete Streifen so kläglich zugrunde geht, sondern an sämtlichen Menschen, die das nähere Umfeld von Howard bilden. Das sind vor allem seine Geschäftspartner und angeblichen Freunde Claire, Whit und Simon, die auch drei Jahre nach der Tragödie keine Besserung von Howards Zustand erkennen können. Bei dem darauffolgenden Plan, den die drei gemeinsam schmieden, würde man annehmen, dass dieser darum bemüht ist, einem vom Schicksal schwer gebeutelten Menschen und zugleich Freund beizustehen.
Nicht in diesem Film, wo es fortan darum geht, dass das Trio tatsächlich dafür sorgen will, den psychisch instabilen Howard, welcher für wichtige Kunden immer stärker zum Risikofaktor wird, aus der Werbeagentur zu verdrängen, damit Arbeitsplätze und vor allem eigene Profite zukünftig gewahrt werden können. Bereits nach der ersten halben Stunde regiert beim Betrachter der Eindruck blanken Entsetzens, durch den sich „Collateral Beauty“ im Umgang mit einem hilfsbedürftigen, bemitleidenswerten Menschen als derart bösartig zu erkennen gibt, dass Verunsicherung darüber entsteht, ob man hier womöglich einer schwarzen Komödie aufgesessen ist, die gängige Klischees eines anrührenden, tränendrückenden Dramas auf fast schon menschenverachtende Weise ins Absurde verdreht.
Als Gegengewicht zu dieser Theorie existiert allerdings noch Howard selbst in diesem Film, der von Smith mit einer glaubwürdigen, eindringlichen Emotionalität verkörpert wird, die ihn zum einzigen Charakter in einem Film werden lässt, in dem eiskalt kalkulierter Kapitalismus mittels eines perfide konstruierten Rollenspiels über ein schwer gebrochenes Herz triumphieren soll. Wenn Howard im Dialog mit Theaterschauspielern, die von Claire, Whit und Simon engagiert wurden und menschliche Erscheinungen von Abstraktionen darstellen sollen, über sein Verhältnis zu Liebe, Zeit und Tod spricht, wobei er seiner resignierten, verzweifelten Verbitterung über den Verlust seiner Tochter Ausdruck verleiht, sind es einzig diese wenigen Momente, die wirklich ergreifen, auch wenn sie sich abermals wie Fremdkörper in einem ansonsten nahezu grotesk anmutenden Machwerk anfühlen.
Spätestens wenn ein geschiedener Vater seiner geschätzt achtjährigen Tochter, die mit diesem eigentlich nicht viel zu tun haben will, ein Lächeln entlockt, indem er ankündigt, sie so lange zu stalken, bis sich die Tochter selbst dazu genötigt sieht, eine einstweilige Verfügung gegen den Vater zu erwirken, ist „Collateral Beauty“ allerdings wieder in jenen Sphären angekommen, die reines Unverständnis darüber erzeugen, wie ein solches Drehbuch prominente Darsteller wie Edward Norton, Michael Peña, Kate Winslet, Keira Knightley, Helen Mirren und Naomi Harris verpflichten konnte. Eine Art verborgene Schönheit lässt sich selbst durch diesen Umstand zu keiner Sekunde erkennen.
An „You Are Wanted“ sind zwangsläufig einige Erwartungen und Interessen unterschiedlicher Parteien geknüpft. Für Amazon soll die erste deutsche Eigenproduktion nicht weniger als ein Premium-Erzeugnis darstellen, mit dem sich der Versandhändler und längst ernstzunehmende Mitspieler auf dem Streaming-Markt auf internationalem Niveau behaupten möchte. Für Kritiker und Zweifler von Matthias Schweighöfer könnte die Serie hingegen einen Beweis erbringen, dass mit dem Schauspieler abseits seiner seichten, romantischen Komödien noch zu rechnen ist.
Als Hauptdarsteller und Regisseur drückt Schweighöfer dem Projekt unweigerlich seinen ganz eigenen Stempel auf, zumal er die Drehbücher von Hanno Hackfort, Bob Konrad und Richard Kropf vor Produktionsbeginn nochmal persönlich überarbeitet haben soll. Das sechs Folgen umfassende Resultat bedeutet für den mittlerweile hauptsächlich auf warmherzige, humorvolle sowie betont sympathische Rollen gebuchten Schauspieler anfangs tatsächlich eine Art Kurswechsel. Sicherlich wirkt er in der Rolle des Lukas Franke, einem beruflich erfolgreichen Projektmanager, liebevollen Ehemann und Vater eines kleinen Sohns, immer noch wie der typische Protagonist seiner eigenen Erfolgsfilme, doch „You Are Wanted“ gibt sich über den Lauf der ersten Folge hinweg deutlich als temporeicher Thriller zu erkennen, in dem das Leben von Lukas durch einen Hacker-Angriff maßgeblich auf den Kopf gestellt wird.
Dieses Abgleiten von Schweighöfers Figur in den persönlichen Ruin, bei dem er zunächst seinen Job verliert und um das Wohl seiner Familie bangen muss, während er schon bald von der Polizei verfolgt und mit einem möglichen terroristischen Akt in Verbindung gebracht wird, ist schließlich der interessanteste Aspekt an dieser Serie. Der Schauspieler, der schon früher in dramatischeren Rollen überzeugen konnte, schlägt sich hier überzeugend als vordergründig intakter Karrieremensch sowie fürsorglicher Familienvater, der zwischen Verzweiflung und Überforderung in ein vermeintlich komplexes Machtspiel verstrickt wird, während nach und nach enthüllte Details über seine Vergangenheit wie etwa psychische Probleme oder eine mögliche Affäre immer stärkere Risse in das strahlende Antlitz des Protagonisten reißen.
Jegliches Potential für ein mitreißendes Charakterporträt wird jedoch frühzeitig verschenkt, da sich „You Are Wanted“ als fast schon zwanghaft plotgetrieben entpuppt, wobei Schweighöfer als Regisseur nie unter die sauber polierte Oberfläche seines aus wahnhafter Paranoia und realer Zuspitzung gestrickten Szenarios vordringt. Lukas‘ digitales Spiegelbild wird entfremdet und verzerrt, seine intimste Privatsphäre infiltriert, doch anstelle eines drastischen Kontrollverlusts, der die Gefahren einer Manipulation aus Zeichen und Symbolen schlüssig vergegenwärtigt, besteht die Serie aus Klischees, soweit das Auge reicht.
Übergewichtige oder ungepflegte Hacker, die in schwach beleuchteten Kellerräumen vor den Rechnern sitzen und Online-Games zocken befinden sich dabei ebenso im Repertoire der abgegriffenen, eigentlich nur noch zum Scherz tauglichen Bilder wie das Sondereinsatzkommando, das zwei untrainierten Zivilisten bei der Verfolgung überfordert hinterherhinkt, während vor allem die ohnehin stereotyp angelegten Nebenfiguren beinahe durch die Bank weg katastrophal fehlbesetzt wurden.
Karoline Herfurth als abgebrühte Polit-Bloggerin, die in Lederjacke gekleidet und mit Pistole bewaffnet auf dem Motorrad unterwegs ist, lässt sich dabei ebenso schwer ernst nehmen wie ein gewohnt strahlender Tom Beck, der den kalten Vorgesetzten spielen soll. Am schlimmsten hat es aber Edin Hasanovich getroffen, der generell zu den besten Nachwuchsschauspielern seiner Generation zählt, als erfahrener LKA-Beamter aber gnadenlos untergeht.
Sie alle sind neben Schweighöfer selbst aber überwiegend kleine Zahnrädchen, die sich in vorhersehbare, übereilte Mechanismen einer auf konstante Rasanz angelegten Handlung einfügen müssen, wobei „You Are Wanted“ spätestens durch die Enthüllung der Identität des Hackers mit Gott-Komplex und einem endgültig realitätsfremden Finale vom bodenständig angedachten Hacker-Thriller zur aufgeblasenen Fantasie mutiert. Große Beachtung dürfte die Serie also letztlich kaum finden, denn dafür ist die internationale Konkurrenz, was den Serien-Sektor betrifft, schon lange wieder einige Schritte weiter.
Neben der Möglichkeit, eine Geschichte erzählen und audiovisuell in Form gießen zu können, diente das Kino seit seiner Existenz auch oftmals als eine Art Spiegel der Realität. Wie schnell diese in die Fiktion Einzug halten kann, wird an Peter Bergs „Patriots Day“ wieder einmal deutlich. Der Bomben-Anschlag auf den Boston-Marathon liegt erst knapp vier Jahre zurück und doch dient er dem Regisseur in seinem aktuellen Film als konkretes Ereignis, anhand dessen Berg das Porträt einer Stadt und ihrer Bürger entwirft, die im Angesicht einer schockierenden Katastrophe reagieren, handeln und vor allem zu einem hilfreichen Miteinander finden müssen.
Es überrascht durchaus, wie der einstige Regisseur von „Battleship“ mittlerweile gereift ist, was nicht nur auf dessen nach wie vor beachtliches Handwerk sowie Geschick für druckvolle und zugleich schweißtreibend verdichtete Action reduziert werden sollte.
Berg konzentriert sich zunächst viel mehr auf ein vielschichtiges Netz aus Figuren, das entscheidenden Personen, wenn auch nur knapp, Profil verleiht. Wenn der Film nach einer guten halben Stunde im Chaos versinkt und zwei Explosionen die ursprünglich freudige Veranstaltung des jährlich stattfindenden Boston-Marathons in ein wüstes Schlachtfeld verwandeln, das aus panischen Bewegungen, hilfesuchenden Schreien und blutüberströmten Opfern besteht, ist „Patriots Day“ in diesen Momenten mehr als nur die einnehmende, intensive Schilderung einer Katastrophe.
Dem Regisseur und seinen Drehbuchautoren gelingt es stattdessen, dass einfache Namen, die nach dem realen Anschlag vielleicht noch mit einem dazugehörigen Bild in Erinnerung geblieben sind, nicht nur ein Gesicht bekommen, sondern zu Persönlichkeiten werden, mit Beziehungen zueinander, Hintergründen, die eine Bedeutung erhalten oder Charakterzügen, die sie schlichtweg menschlich greifbar werden lassen. Ob Polizisten, Vorgesetzte, Rettungskräfte, Angehörige, Zivilisten oder auch Attentäter, sie alle werden in ein gemeinsames Bild gerückt, das Bild einer ganzen Stadt, der Berg zwar auf mitunter plakative und simplifizierte, aber nichtsdestotrotz effektive und ehrwürdige Weise huldigt.
Nachdem „Patriots Day“ nach seinem zentralen Unglück von geradliniger Ermittlungsarbeit vorangetrieben wird, zwischen der sich immer noch einige ruhige Charaktermomente, aber auch eine Handvoll ungeschickter Szenen wiederfinden, lässt es sich Berg als kompetente Action-Größe trotzdem nicht nehmen, nochmal die Muskeln spielen zu lassen.
Ein mehrminütiger Schusswechsel, bei dem Polizisten und Attentäter zwischen der Dunkelheit der Nacht, tanzendem Blaulicht und ohrenbetäubenden Sprengkörpern im Kugelhagel förmlich verschwimmen, gerät zu einer der beeindruckendsten Actionsequenzen des bisherigen Kinojahres, auch wenn sie zwischen dem ansonsten fast schon bescheidenen, gemäßigteren Tonfall des Films beinahe wie ein extrovertierter Fremdkörper wirkt.
Durch den herausragenden Score von Trent Reznor und Atticus Ross sowie die Inszenierung, bei der Berg gekonnt zwischen dokumentarischer Unschärfe und hyperrealistischer Drastik pendelt, besticht der Streifen durch eine Form, die mit einer inhaltlichen Ebene gleichgesetzt wird, bei der selbst kleinere Schnitzer bezüglich Motivation und Figurenverhalten kaum negativ auffallen. Wie Berg einer realen Tragödie schlussendlich warmen, fast schon in Kitsch verfallenden Optimismus beschert, macht „Patriots Day“ zu einer Überraschung, mit der so nicht unbedingt zu rechnen war.
Bevor Paul W.S. Anderson mit „Resident Evil: The Final Chapter“ zum sechsten und angeblich letzten Mal in das von ihm selbst im Jahr 2002 erschaffene Filmuniversum eintaucht, schildert der Regisseur im Vorspann mithilfe von Voice-over seiner Partnerin und Hauptdarstellerin Milla Jovovich zunächst grobe Teile der bisherigen Handlung, um sämtliche Ereignisse bis zum Finale zu rekapitulieren.
Man könnte es als gemeinen Wink mit dem Zaunpfahl an die Aufmerksamkeitsspanne der eigenen Zielgruppe auffassen, die einen ähnlich umstrittenen Ruf genießt wie der über die Jahre mehr und mehr in Verruf geratene Versuch von Anderson, ein ungemein populäres Videospiel-Franchise für die Leinwand zu adaptieren und dabei weitestgehend zu ignorieren, dass „Resident Evil“ in spielerischer Form vor allem durch schleichenden Horror, ungewisses Grauen und brutale Schockmomente geprägt war, während der Regisseur eher auf Hochglanz-Action setzte.
Prinzipiell spielt dieser Zwiespalt zwischen den Wurzeln der Videospiele und einer eigenen Vision im nunmehr sechsten Teil der Filmreihe aber kaum mehr eine Bedeutung. Spätestens mit „Resident Evil: Afterlife“, bei dem er nach Teil 1 neben dem Drehbuch auch wieder selbst für die Regie verantwortlich war, hat sich Anderson ein völlig eigenes cinematisches Universum geschaffen, für das er Videospiel-Versatzstücke, kühnen Design-Wahn, dynamische Action-Setpieces und hölzerne C-Movie-Anleihen bezüglich Schauspiel und Dialoge zu einem fast schon avantgardistischen, auf pure Kinetik ausgelegten Ganzen formte.
Dieser Formel folgt der Regisseur im Finale seiner Reihe ebenfalls, auch wenn „Resident Evil: The Final Chapter“ zu Beginn vor allem ästhetisch geradezu der eigenen Vergangenheit hinterherhechelt. Das postapokalyptische Wüstensetting gab es bereits in „Resident Evil: Extinction“ zu bewundern, wobei Anderson kaum mehr einfällt, als seine stoische und zugleich graziöse Kampf-Amazone sowie unfreiwillige Klon-Kriegerin Alice mit müden Jumpscares aufzuscheuchen oder gegen leidlich beeindruckende Widersacher in Konfrontationen zu schicken, unter denen immerhin die Auseinandersetzung zwischen Alice und Isaacs auf einem wuchtigen Umbrella-Panzer hervorsticht.
Durch die vom Regisseur neu für sich entdeckte Montage, bei der jeder einzelne Schnitt in der Regel innerhalb einer Sekunde erfolgen muss, wobei die Bilder in diesem Film eher wie zerstörte Fragmente anmuten, die in unkontrollierter, rasender Frequenz am Betrachter vorbeirauschen, gelangt „Resident Evil: The Final Chapter“ gefühlt schneller als wirklich erfolgt an den Ort, welcher den Ursprung der Saga darstellt.
Im „Hive“, dem Umbrella-Hauptquartier in Raccoon City, richtet Anderson die Architektur in tödlichen Variationen gegen die letzte Gruppe des Widerstands, die abgesehen von Alice so deutlich wie nie ohne jegliche Charakterisierung als gesichtsloses Kanonenfutter wie unbedeutende NPCs in einem Videospiel verheizt wird. Wenn sich die Protagonistin schließlich zwischen Isaacs, Albert Wesker, der „Red Queen“ und einer weiteren überraschenden Person wiederfindet und mit Fragen über die eigene Identität konfrontiert wird, während sie nur Minuten vom Ende der Menschheit trennen, nutzt der Regisseur dieses Szenario keineswegs als tiefgründiges Charakterdrama.
„Resident Evil: The Final Chapter“ endet so, wie „Resident Evil“ begonnen hat und es ist bezeichnend, dass Anderson die eindringlichste Intensität lediglich in einem langen Korridor findet, dessen blaue Laserstrahlen schon damals im Jahr 2002 für den größten Gesprächsstoff nach dem Filmerlebnis sorgten.
Albernen Trash („You are fired!“) kann sich der Regisseur auch im auf hochtrabende Epik abzielenden Finale nicht verkneifen, doch Anderson führt auch im vermeintlich letzten Teil zusammen, was zusammengehört und trotzdem manchmal kaum zusammenpasst, so dass die Reihe zumindest höchst konsequent zu einem Abschluss gelangt, der viele zufriedenstellen dürfte, wenn auch nur aus Erleichterung, dass womöglich keine weiteren Teile mehr folgen dürften.
Inmitten der endlosen Weite der Wüste von Nevada sieht sich eine Familie nach einer Autopanne zunehmend einem Albtraum ausgesetzt, in dem sie von wilden Mutanten terrorisiert werden. In „The Hills Have Eyes“, Wes Cravens erst zweitem Spielfilm, verfolgt der Regisseur ein ähnliches Konzept wie in seinem Debüt „The Last House on the Left“, in dem Craven gutbürgerliche Wertevorstellungen und vermeintlich familiäre Sicherheit in einem brutalen Delirium aus Vergewaltigung, Tötung und Vergeltung ins Gegenteil kehrte.
Das Familiengefüge der gestrandeten Carters nutzt Craven dabei als uramerikanisches Sinnbild, in dem er sämtliche Befindlichkeiten der damaligen Ära reflektiert, darunter das unbedingte Vertrauen in die Hilfe von Gott, welchem ein ähnlich hoher Wert beigemessen wird wie das Vertrauen in offensive Waffengewalt.
Bibeltreue und Schusswaffen erweisen sich im Verbund jedoch als zunehmend nutzlos, denn durch die Konfrontation mit den Mutanten, dem vermeintlich Bösen, inszeniert der Regisseur ein ebenso verstörend wie tragisch verzerrtes Spiegelbild der Carter-Familie. Die Mutanten sind die Ausgestoßenen der Gesellschaft, Resultate atomarer Versuche, die nun als Abfallprodukte ein Dasein als Monster fristen und in ihrer verzweifelten Aggression zum rational unverständlichen Gegenschlag ansetzen.
„The Hills Have Eyes“ ist dadurch genauso gesellschaftskritisches Zeitdokument, in dem sich Craven mit einer stigmatisierten sowie gebrandmarkten Minderheit solidarisiert, wobei er absurde Wertevorstellungen der heilen Familiensymbolik durch stereotype Figuren in noch absurdere Höhen überspitzt. Den Konflikt zwischen strahlender Privilegierung und verstrahlter Degenerierung führt der Regisseur dabei bewusst in Regionen des beklemmenden Terrors, der aufgrund begrenzter finanzieller Mittel und womöglich noch unausgereifter handwerklicher Fertigkeiten hinter dem Niveau seines intelligenten Konzepts zurückbleiben muss.
Die ungefilterten Bilder werden durch Anschlussfehler, schlechte Beleuchtung oder überfordertes Schauspiel noch stärker verunstaltet als durch den ohnehin rohen Ansatz des Regisseurs. Durch groben Dilettantismus raubt Craven seiner durchaus kraftvollen Illusion des Schreckens viel Wirkung, womit „The Hills Have Eyes“ zwischen einem erschreckenden Spiegelbild des damaligen Amerikas, einem effektiven Horrorfilm voller unangenehmer Impressionen und einem unfreiwillig komischen Zirkus der grotesken Attraktionen auf ungestüme Weise hin und her wankt.
Hätte „Brimstone“ eine physische Gestalt, dann würde der Film vermutlich als Bestie mit mehreren Köpfen in Erscheinung treten, die mit Schaum vor den Mündern wutentbrannt um sich schnappt. Martin Koolhovens Werk ist im wilden Westen angesiedelt und handelt von einer jungen Frau, die vor einem grausamen Priester auf der Flucht ist, der sie aus Gründen bestrafen will, die dem Zuschauer zunächst vorenthalten werden.
Die von Dakota Fanning gespielte Liz ist dabei der Mittelpunkt einer Geschichte, die für ihre weibliche Hauptfigur kaum weniger als die Hölle auf Erden bereithält, während der Regisseur sein Publikum ebenso wie Liz einem nur schwer verdaulichen Martyrium aussetzt. Im Kern erzählt Koolhoven davon, wie Religion im Amerika des 19. Jahrhunderts Einzug hält, doch dem niederländischen Regisseur geht es vor allem darum, sich in die tiefsten Abgründe dieses Prozesses zu wühlen. Als der von Guy Pearce gespielte Priester anfangs zum ersten Mal die Szenerie betritt, könnte man meinen, auf den Teufel in Menschengestalt zu blicken. Der australische Schauspieler tritt hier tatsächlich als das pure Böse auf, denn sein Priester terrorisiert Liz mit dem Ziel, alles auszulöschen, was ihr etwas bedeutet.
Wie ernst es Koolhoven mit seiner erbarmungslosen Geschichte wirklich meint, verdeutlicht der Regisseur bereits im ersten Kapitel des Films unmissverständlich. Ein Kind wird tot geboren, ein ganzer Stall voll mit Schafen wird getötet, wobei den Tieren mitunter Embyros aus dem Mutterleib gerissen wurden und ein Mann wird mit einem Messer malträtiert, bevor er die aus seinem aufgeschlitzten Körper herausgezogenen Eingeweide wie eine Schlinge um den Hals gelegt bekommt.
Es sind Bilder wie aus einem brutalen Horrorfilm, denen der Regisseur sein Publikum schon früh aussetzt. Die sind allerdings erst der Auftakt für eine Odyssee an schier unvergesslichen Gewalttaten, mit der sich Koolhoven in den darauffolgenden Kapiteln auf unchronologische Weise dem Verhältnis zwischen Liz und dem Priester annähert, bis er im Finale wieder zum Anfang zurückkehrt und seine Rachegeschichte zur Vollendung führt.
Indem „Brimstone“ rückwärts bis in die Kindheit von Liz führt, offenbart der Regisseur Stück für Stück und vor allem Qual für Qual ein erschreckendes Schicksal, dessen Pfad von Inzest, Missbrauch, Folter, Prostitution, diversen Morden, herausgeschnittenen Zungen, ausgepeitschten oder erschossenen Kindern gesäumt wird. Die Frauen werden in Koolhovens Film dabei nicht zu übersehenden Schandtaten ausgesetzt, während die meisten Männer bis auf wenige Ausnahmen als bösartige, abscheuliche Unmenschen in Erscheinung treten.
Durch die epische Laufzeit von knapp 2,5 Stunden wird zunehmend unklarer, ob der Regisseur mit seinem Film einen feministischen Kraftakt inszenieren wollte, der erst sehr spät kurz vor dem Abspann leise Hoffnung aus einem ansonsten nihilistischen Höllentrip schöpft, oder einen konsequent schmerzhaften B-Movie-Exploitation-Reißer, der aufgrund seiner fantastischen Bilder und der makellosen Ausstattung wie großes A-Kino erstrahlt.
„Brimstone“ befindet sich schlussendlich am Rande des Unbewertbaren. Koolhoven zelebriert scheußlichste Gewaltexzesse mit einer konsequenten Grimmigkeit, die seinen Film immer wieder nahe an der Selbstparodie vorbeischrammen lassen, wenn beispielsweise Figuren, die in Brand gesteckt wurden, noch Zeit für eine im wahrsten Sinne des Wortes flammende Rede haben. Die thematische sowie stilistische Bandbreite zwischen feministischem Befreiungsschlag, sadistischer Korruption religiöser Wurzeln und einem garstigen Western-Rache-Drama wird dabei unter gewaltigen Szenen nahezu bis zur Unkenntlichkeit begraben, so dass es zur Herausforderung wird, sich über Koolhovens definitiv kontroverses Werk eine klare Meinung bilden zu können. Vergessen wird man diesen Kraftakt von einem Film, der einen gleichzeitig ausgelaugt, leer und überfragt zurücklässt, jedenfalls nicht so schnell wieder.
[...] Was Speed zu einer spannungstechnischen Glanzleistung macht, lässt sich in der Filmgeschichte bis zu einem Zitat von Alfred Hitchcock (Cocktail für eine Leiche) zurückverfolgen. Der Master of Suspense höchstpersönlich erläuterte einst den Unterschied zwischen Spannung und Überraschung, indem er anhand des Beispiels einer Bombe unter einem Tisch erklärte, dass das Explodieren der Bombe überraschend sei, während erst die Kenntnis des Zuschauers über deren Existenz und den Zeitpunkt der Explosion für Spannung sorgen würde. In Speed wird die Bombe unter dem Tisch zur Bombe unter dem Bus, welche explodiert, sobald das Fahrzeug eine Geschwindigkeit von 50 Meilen pro Stunde unterschreitet. De Bont setzt seine Zuschauer so einer puren Form von Action-Kino aus, für das der Regisseur auf pausenlose Kinetik, regelmäßig zu überwindende Hürden und eskapistisches Spektakel vertraut. In Kauf nimmt er dafür, dass sämtliche physikalische Gesetze wie von Zauberhand außer Kraft gesetzt werden. Ein Bus, der sich mit hoher Geschwindigkeit einen Weg durch ein paar glückliche Zufälle im Straßenverkehr zu viel bahnt, gehört ebenso zum Konzept von de Bont wie ein Bus, der reibungslos über die klaffende Lücke einer Brücke fliegt und selbst beim Aufprall auf der anderen Seite problemlos die nötige Geschwindigkeit der mindestens 50 Meilen pro Stunde aufrechterhält. In Hauptdarsteller Keanu Reeves (Matrix), der sich mit seiner Rolle endgültig einen Status als Action-Star erspielen konnte, findet Speed derweil eine treffende Verkörperung seines gleichermaßen hanebüchenen wie glorreichen Konzepts. Wenn Reeves mit Co-Star Sandra Bullock (Ein Chef zum Verlieben), die eher unfreiwillig als Busfahrerin einspringen muss, in Anflüge eines Flirts verfällt, wirkt der Schauspieler wie ein unbeholfener, überforderter Jüngling, den man mit fast schon kindlicher Faszination beobachtet, während er gleichzeitig mit einer physischen Präsenz glänzt, die jeder seiner Actionszenen zu staunenswerter Größe verhilft. [...]
Zu den traurigen Klängen von Henry Mancinis „Moon River“ steigt sie in den Straßen New Yorks aus einem Taxi, bis sie vor „Tiffany's“ stehen bleibt, um mit Kaffee und Gebäck in den Händen verzückt und neugierig durch die Fensterscheibe auf das Sortiment des edlen Juweliers zu blicken. Es dauert nur wenige Minuten, da ist Audrey Hepburn durch die Verkörperung ihrer Figur der Holly Golightly schon zur Ikone aufgestiegen. Mit ihrem stilvollen Modebewusstsein, das von bildschönen Kleidern über schicke Accessoires wie auffällige Sonnenbrillen bis zur eleganten Steckfrisur reicht, ist Hepburns Anblick aus Blake Edwards‘ „Breakfast at Tiffany’s“ aus der Popkultur nicht mehr wegzudenken.
Neben ihrem unverwechselbaren Erscheinungsbild versetzt diese Holly Männer wie Frauen gleichermaßen in Entzückung, denn sie ist keineswegs auf den Mund gefallen, zieht jeden um sich herum sofort in ihren Bann und macht keinen Hehl daraus, dass sie sich gerne dafür bezahlen lässt, anderen Männern Gesellschaft zu leisten. Neben ihrem Alltag als Partymaus, Call-Girl und quirlige Träumerin offenbaren sich hinter der unscheinbaren Fassade jedoch auch Zweifel und Unsicherheiten, die es für den Schriftsteller Paul, der zu Beginn des Films in dasselbe Gebäude, in dem sich auch Hollys Apartment befindet, einzieht, zu ergründen gilt.
Dieser Paul ist es dann auch, der neben der unwiderstehlichen Energie Hollys stellvertretend für den seichten Charakter dieses Films steht, in dem sämtliche Ecken und Kanten zugunsten einer zuckersüßen Liebesgeschichte abgeschliffen wurden. Die von George Peppard gespielte Figur erfüllt kaum mehr als die Funktion des fürsorglichen, gutmütigen Liebhabers, der stets um das Wohl seiner Angebeteten bemüht ist. Sicherlich kann man es ihm nicht verübeln, dass er sich in Windeseile in Hepburns Figur verliebt, die sämtliche Herzen mit einem einzelnen Blick oder Lächeln zum Schmelzen bringt, doch „Breakfast at Tiffany’s“ bewegt sich erzählerisch trotzdem unentwegt im Rhythmus eines gefälligen Hollywood-Märchens, in dem die innigsten Fantasien eines jeden Mädchens auf bezaubernde Weise und in naiven Kitsch eingebettet in Erfüllung gehen dürfen.
Durch dieses Vorgehen erreicht Edwards jedoch auch einen strahlenden Höhepunkt, wenn Holly und Paul, nachdem sie sich ihrer Liebe zueinander erstmals bewusst geworden sind, gemeinsam durch die Straßen von New York ziehen. Wenn sie sich gemeinsam eine Bühnenvorführung fallender Hüllen ansehen, bei der nicht klar wird, worauf die Blicke gerade besser fallen sollten, um wenig später im titelgebenden Juwelier zu landen, wo Paul für Holly einen Ring aus einer Snack-Packung für 10 Dollar gravieren lässt, verzaubert „Breakfast at Tiffany’s“ sein Publikum mit einer ausgelassen-vergnüglichen Unbekümmertheit, die einen ganz eigenen Esprit versprüht, welcher nicht einmal im fast schon irrealen Finale erreicht wird, in dem endgültig alle Träume wahr werden dürfen.
Es wirkt fast schon ein wenig wie bittersüße Ironie. In den ersten Szenen von Scott Coopers „Crazy Heart“ fährt der von Jeff Bridges gespielte, in die Jahre gekommene Country-Sänger Bad Blake zu einem seiner Auftritte, die mittlerweile nur noch vor kleinerem Publikum stattfinden, und beschwert sich prompt lautstark darüber, dass er diesmal in einer Bowlingbahn gelandet ist. Wie er dann an der Bar sitzt, mit der Bowlingbahn im Rücken, könnte man fast meinen, den Dude aus „The Big Lebowski“ wieder beobachten zu dürfen.
Ähnlich wie die vom Dude geschlürften White Russians spielt Alkohol auch in „Crazy Heart“ wieder eine bedeutende Rolle, auch wenn sämtliche Lakonie und Lässigkeit des zeitlosen Kultfilms der Coens in Coopers Werk einem geerdeten Realismus weichen. In einem seiner meistgespielten Hits singt Blake darüber, wie witzig es sei, dass sich das Fallen für kurze Zeit wie Fliegen anfühlen würde. Durch seinen mittlerweile nur noch mäßigen Erfolg geht es für ihn aber weder um das Eine, noch um das Andere, denn Blake ist vor allem auch aufgrund seines konstanten, regelmäßigen Alkoholkonsums schon lange ganz weit unten angelangt und zehrt nur noch von verblassendem Ruhm aus seiner Vergangenheit.
Zwischen meist volltrunken im Autopilot runtergespielten Auftritten in kleinen Bars, flüchtigen Bettmomenten mit betagten Groupies und Telefonaten mit dem Manager, der zu retten versucht, was noch zu retten ist, erzählt der Regisseur die Geschichte eines Musikers, der als Mensch von seinem eigenen Symbolstatus überlistet und schließlich in den Schatten gestellt wurde, wo er ein Dasein führt, das ihn zu sozialer Vereinsamung und alkoholischen Eskapaden verdammt.
Cooper hangelt sich in seinem Film an einer eher schlicht konstruierten Dramaturgie entlang, bei der seine Hauptfigur doch noch zumindest zeitweise einen Hoffnungsschimmer hegen darf, nachdem er die deutlich jüngere Reporterin Jean trifft, die ihn in ihr Herz lässt. Die Beziehung zwischen dem ausgebrannten, lebensmüden Blake und der von vergangenen Liebschaften enttäuschten Jean inszeniert der Regisseur mit einer zutraulichen Aufrichtigkeit, die aus „Crazy Heart“ weit mehr macht als eine simple Abfolge flüchtiger Momente, die um die emotionale Zuneigung des Zuschauers buhlen.
Wenn Bridges seiner Figur im Umgang mit Jeans erst 4-jährigem Sohn ein liebevolles Charisma verleiht, nur um im nächsten Moment als schwer umgängliche, unverantwortliche Zeitbombe zu enden, während er auf der Bühne singt, als hätte er nie etwas anderes gemacht, traut man diesem Schauspieler endgültig alles zu. Coopers elegische Ballade vom Scheitern, dem Kampf um ein letztes Stückchen Anerkennung und dem Wunsch, im Leben eines anderen Menschen nochmals Bedeutung zu erhalten ist ein würdiges Denkmal für Jeff Bridges, ein feinfühliges Charakter- und Künstlerporträt und zugleich eine anrührende Liebesgeschichte, die offensichtliche Klischees sanftmütig zur Seite schiebt, um den Blick auf nachhaltige Erkenntnisse und eindringliche Gefühle freizulegen. Auch wenn diese Gefühle womöglich so flüchtig sind wie ein guter Country-Song, der für Minuten größtmögliche Illusionen schürt, um dann zärtlich zu verklingen.
[...] In seiner Romanverfilmung Die Klavierspielerin konfrontiert der Regisseur den Betrachter mit einer gleichermaßen komplexen wie anstößigen Hauptfigur, aus deren Verhalten sich zwangsläufig extreme Situationen entspinnen, in denen Empathie und Unverständnis zu einem drastischen Wechselspiel verschmelzen. [...] Es ist vor allem eine Art der sexuellen Restriktion, die sich für den Verlauf der Handlung als entscheidend erweist. Speziell Erikas Gefühle, die auch nur im Ansatz als erotisch empfunden werden könnten, gehen bei ihr automatisch mit Blockaden, Selbstgeißelung oder anderen befremdlichen Reaktionen einher. Haneke stiftet bewusst Verwirrung, wenn seine Protagonistin in einer Video-Kabine zu Pornofilmen an benutzten Taschentüchern riecht, sich mit einer Rasierklinge im Intimbereich selbst verletzt oder einer ihrer Schülerinnen Glasscherben in die Manteltasche steckt, wodurch sich diese die Hand zerschneidet. Erikas ungeschützte Überforderung wird schließlich auf die Spitze getrieben, nachdem sie Walter kennenlernt. [...] Das Verhältnis zwischen diesen beiden Figuren inszeniert der Regisseur fortan als beklemmenden Machtkampf aus sadomasochistischen Obsessionen, taumelnder Ohnmacht, destruktiven Abhängigkeiten und gegenseitigem Unverständnis. Erikas Intimleben, das bisher aufgrund der übermächtigen Dominanz ihrer Mutter nicht möglich war, ist der schmerzhafte Schlüssel zu diesem Werk, in dem sich der Wunsch eines Menschen nach Liebe, Zärtlichkeit und Geborgenheit ins verstörende Gegenteil kehrt, nachdem die Fähigkeit zur Kommunikation nach rationalen Maßstäben versagt und in eine Abfolge blinder, rasender und beinahe unerträglicher Konsequenzen mündet. Neben den gewohnt kühlen Impressionen des Regisseurs, für die Haneke mit präzisester Genauigkeit jede Einstellung kontrolliert und damit steuert, was der Zuschauer im Detail sehen oder eben nicht sehen soll, ist Die Klavierspielerin allem voran eine Demonstration von Isabelle Hupperts (8 Frauen) gewaltiger Schauspielkunst. Durch sie wird Erika zum nahezu unergründlichen Mysterium, wobei hinter der beängstigenden Fassade aus purer Gleichgültigkeit stets das neugierige, unerfahrene sowie schüchterne Mädchen zum Vorschein kommt, das verzweifelt Ansprüche auf ein Leben erhebt, das ihr bislang nie vergönnt war und vielleicht auch nie vergönnt sein wird. [...]
Jonathan Demmes „Something Wild“ übt zu Beginn die gleiche unwiderstehliche Wirkung auf den Betrachter aus wie Lulu auf den zunächst überforderten Charles. Als die ungestüme, impulsive Frau zum ersten Mal vor dem yuppiehaften Bankmitarbeiter steht, nachdem er ohne seine Rechnung zu bezahlen aus dem Restaurant eilt, wirkt diese Lulu für Charles sofort wie ein Gegenangebot zu dessen biederen Lebensstil, das er trotz der Auskunft, er sei verheiratet und habe zwei Kinder, ohne größeres Zögern annimmt.
Gemeinsam schickt der Regisseur die beiden auf einen Road-Trip, der von spontanen Ereignissen, ungeplanten Überraschungen und Aktionen geprägt wird, die zwischen knisternder Sinnlichkeit und kribbelnder Euphorie pendeln. Demmes Film erweist sich gerade in seiner ersten Hälfte als wundervoll ungezwungenes Erlebnis, für das der Regisseur eindeutige Stimmungsbilder ganz bewusst über das konkrete Erzählen stellt. Für Lulu, die eigentlich Audrey heißt, und Charles führt die Reise durch ein von Großstädten entferntes Amerika, in dem sie sich in Motelzimmern aufhalten und sich ganz der Lust hingeben, zu einem Soundtrack über den Highway fahren, der wie eine Best-of-CD voller 80er Jahre Hits klingt, aus Restaurants stürmen, ohne zu bezahlen, plötzlich bei Audreys Mutter zuhause landen, wo sie sich als Ehepaar ausgeben oder zu einem Klassentreffen gehen, bei dem beide einer unheimlich charmanten Tanzeinlage verfallen.
Zwischen Melanie Griffith und Jeff Daniels entzünden sich gerade aufgrund ihrer gegensätzlichen Persönlichkeiten schnell große Funken, die „Something Wild“ zusammen mit der ungezwungenen, freiströmenden Atmosphäre zu einem Juwel des amerikanischen 80er Kinos erstrahlen lassen.
Wäre da nicht die zweite Hälfte, in der sich der Streifen mit dem Auftauchen von Audreys Ex-Freund Ray, der gleichzeitig ein Ex-Häftling ist, langsam zu einem Psychothriller entwickelt, der sich wie der benommene, schwerfällige Kater nach einem wohligen Rausch anfühlt. Indem Demme die Geschichte von nun an auf die angespannte Dynamik zwischen Ray, Audrey und Charles fokussiert, nimmt er seinem Film zugleich die Luft zum Atmen und schränkt den eigenwilligen, besonderen Charakter von „Something Wild“ zugunsten konventioneller Spannungsmomente und brutaler Spitzen ein.
Demmes Werk, welches zunächst in erster Linie von Spontanität, Ungezwungenheit und anarchischer Ekstase vorangetrieben wurde, verkommt hierdurch zu einem angepassten, herkömmlichen Thriller, dessen zweite Hälfte sich fast schon wie ein Fremdkörper anfühlt, auch wenn am Ende doch noch einmal dieselben magischen Klänge ertönen dürfen, die sich schon bei der frühen Begegnung zwischen Audrey und Charles im Kopf des Zuschauers eingenistet haben.
[...] Bisher waren die Werke der Mo Brothers wie Macabre oder Killers derbe Horror-Reißer oder psychotisch verdrehte Thriller, was ihnen für diesen Film vor allem in atmosphärischer Hinsicht durchaus zugute kommt. In Headshot begreift das Regie-Duo brodelnde Aggressionen, schleichende Eskalationen sowie explosionsartige Ausbrüche als Situationen voller unangenehmer Beklemmung, abstoßender Zuspitzungen und hässlicher Brutalität. Unter donnernden Trommelschlägen tauchen die beiden spröde Schauplätze wie karge Büroräume in regelrechte Blutbäder, bei denen sich die jeweiligen Kontrahenten wie Raubtiere belauern, übereinander herfallen und schließlich in messerscharfen, beinahe auf den Punkt inszenierten Kampfsequenzen förmlich ins Delirium massakrieren. Handwerklich orientieren sich die Regisseure dabei ganz deutlich an den makellosen und zugleich nahezu unerreichbar virtuosen Martial-Arts-Orgien des anfangs erwähnten Gareth Evans, wobei die schwungvoll um die Charaktere herum wirbelnde Kamera, die sich außerdem immer wieder einzelnen Bewegungsabläufen angleicht, manchmal ein wenig zu unkoordiniert in unübersichtliche Wackelkamera-Regionen entgleitet. Nichtsdestotrotz schwingen sich auch die Mo Brothers mit ihrer Version eines mitunter schwindelerregenden, gnadenlosen Kampfkunst-Infernos in Dimensionen auf, von denen das amerikanische Actionkino beispielsweise längst nur noch träumen kann. Daneben wartet Headshot außerdem mit Elementen auf, die man vorab vermutlich gar nicht erwartet hätte. Während sich die Regisseure zuletzt in Killers an einer schlüssig funktionierenden Mischung aus Charakterdrama, Thriller und Torture-Porn verhoben haben, gelingt es ihnen hier scheinbar mühelos, eine vorab überflüssig erscheinende Liebesgeschichte als Nebenhandlungsstrang in ihre Geschichte zu integrieren, die ohne große Sentimentalitäten angenehm berührend nebenher läuft und zum Ende hin sogar eine überaus stimmige Auflösung erhält. [...]
In „Kicks“ dreht sich alles um Nike Air Jordans in schwarz/roter Farbe. Was für die einen nicht mehr als schick anzusehende Sportschuhe sind, bedeutet für Brandon die Möglichkeit, endlich zeigen zu können, dass er mehr ist als der kleine, schwache Junge aus der Nachbarschaft, den man beliebig rumschubsen kann.
Der in ärmlichen Verhältnissen in Oakland aufwachsende Brandon kratzt sein letztes Geld zusammen, um sich ein Paar seiner heiß begehrten Sneaker eher durch Zufall von einem Schwarzhändler zu kaufen. Nur kurze Zeit später wird er aber von ein paar Kleinkriminellen zusammengeschlagen, die ihn umgehend um seine neu erworbenen Schuhe bringen. Brandons Ziel, die Air Jordans zurückzugewinnen, inszeniert Regisseur Justin Tipping als absurd anmutende Odyssee, bei der es auf den ersten Blick tatsächlich kaum um mehr geht als einen Jungen auf der Jagd nach einem Paar Schuhe. Ab der ersten Szene wird „Kicks“ jedoch durch das Voice-over von Brandon eingeleitet, dessen ganz persönliche Sichtweise entscheidend für die Ereignisse in diesem Film sind.
Tippings Film handelt unter der Oberflächliche von den Schwierigkeiten des Aufwachsens unter betont erschwerten Bedingungen, wobei der Regisseur bewusst einen Blick auf die ärmlichen Verhältnisse und das Leben innerhalb von Spannungen und Konflikten durchzogener Problemviertel wirft. Tippings inszenatorischer Stil erhöht realistische Bedingungen des Szenarios dabei gelegentlich bewusst in surreal-überzeichnete Gefilde. Wenn sich Brandon immer wieder wünscht, er könne einfach ins Weltall reisen, wo er ganz alleine ohne Sorgen wäre, lässt der Regisseur einen Astronauten mitten in die Hood schweben, der die Fluchtgedanken des Jugendlichen auf träumerische Weise versinnbildlicht.
„Kicks“ verliert zwischen all den künstlerisch ansprechenden Stilmitteln allerdings zunehmend den Bezug zur Realität. Tipping versteht es vortrefflich, die drastische, bittere Seite seiner Geschichte zu verdeutlichen, indem er in vermeintlich lockere Szenen, wenn Brandon beispielsweise mit seinen beiden besten Freunden rumhängt, überraschende Momente harter Gewalt einbrechen lässt. Das hier porträtierte Leben, Brandons Leben, schildert der Regisseur effektiv als von plötzlichen Erschütterungen geprägten Alltag, in dem ein Menschenleben von einer Sekunde auf die nächste ein Ende finden kann.
Der von einem starken Soundtrack untermalte Film erweckt hingegen häufig den Eindruck eines stylish in Szene gesetzten Musikvideos, bei dem sich der Regisseur viel zu oft in bedeutungsschwangeren Slow-Mo-Montagen verliert, durch die „Kicks“ in Verbindung mit den elegischen Voice-over-Passagen wirkt, als träfe „Boyz N the Hood“ auf die zärtlichen Leinwandgedichte eines Terrence Malick.
So schwankt Tippings Werk stark zwischen effektiven Anflügen ungeschönter Authentizität, durch die „Kicks“ durchaus als präzise Milieustudie durchgehen würde, wären da nicht die Momente, in denen der Regisseur aufgrund seines inszenatorisch überbordenden Eifers wie sein 15-jähriger Protagonist nach den Sternen greifen will, die er nie ganz erreichen kann und sich somit auch selbst ein wenig im Weg steht.
Über die gesamte Laufzeit von „Silence“ hinweg ist durchwegs spürbar, wie sehr Martin Scorsese dieses Projekt am Herzen lag. Jahrzehntelang versuchte sich der Regisseur an einer Verfilmung von Endō Shūsakus Roman und erst nach mehrfachen Drehbuchänderungen und Finanzierungsschwierigkeiten sollte es ihm gelingen, seine ganz persönliche Vision auf die Leinwand zu bringen.
Eine Vision, bei der Scorsese keinerlei Rücksicht auf Verluste nahm und ein in höchstem Maße herausforderndes Epos gedreht hat, das es in derartiger Form heutzutage nur noch selten in die Kinos schafft und das voller anregender, irritierender, frustrierender oder überwältigender Gegensätze und Denkanstöße steckt. Wie schon zuletzt in „The Wolf of Wall Street“, der einem energiegeladenen, kaum zu bändigenden Rausch glich, umschifft der Regisseur selbst im mittlerweile hohen Alter sämtliche Abnutzungserscheinungen, in dem er sich trotz wiederkehrender Motive und Stilistik auch immer ein Stück weit neu erfindet oder weiterentwickelt, auf ein ungewöhnliches Werk wiederum ein völlig andersartiges folgen lässt und sich stets mit Themen auseinandersetzt, die viele Zuschauer schon von vornherein vor den Kopf stoßen dürften.
In „Silence“ erzählt der Regisseur die Geschichte zweier portugiesischer Jesuitenpriester, die sich im 16. Jahrhundert nach Japan begeben, um ihren verschollenen Mentor Pater Ferreira zu finden, der dem christlichen Glauben angeblich abgeschworen hat. Die Mission von Sebastião Rodrigues und Francisco Garupe gestaltet Scorsese dabei als meditatives Vordringen in eine fremde Kultur, die von vielen verschiedenen Faktoren und Aspekten geprägt wird. Der beeindruckenden Schönheit der Naturkulisse stellen sich nach einer Weile bestürzende Abgründe gegenüber, bei denen die beiden Priester nicht nur lernen, dass Teile der dortigen Bevölkerung als Christen leben, sondern sich darüber hinaus vor der Regierung verstecken müssen, die ihren Glauben durch Folter und Gewalt austreiben wollen.
Dieses Zusammenprallen unterschiedlicher Glaubensrichtungen, kultureller Gesinnungen und extrem ausgeprägter Überzeugungen nutzt Scorsese dabei als differenzierte Meditation über die Standhaftigkeit des menschlichen Glaubens, wobei der Regisseur thematisch komplexe Aspekte in ein auslaugendes Erzählkonzept kleidet, durch das er die zähe, niederschmetternde Reise der Figuren am eigenen Leib erfahrbar werden lässt. Rodrigues, der sich ab einem gewissen Punkt im Mittelpunkt der Handlung befindet, wird vor zunehmend schwierigere Prüfungen gestellt, die seinen Glauben genauso wie sein Weltbild erheblich erschüttern und ihn moralisch geradezu verzweifeln lassen.
Mit der oftmals expliziten Art der Gewaltdarstellung, bei der Scorsese Körper mit heißem Wasser malträtiert, kopfüber gefesselt ausbluten lässt oder in Flammen steckt, bewegt sich der Regisseur oftmals in fragwürdigen Gefilden, doch der Blick auf die Geschehnisse bleibt stets die subjektive, intensivierte Sichtweise des jeweiligen Protagonisten, der man hier beiwohnt. „Silence“ wird hierdurch zu einem Film, der seine Zuschauer nachdrücklich zum Aushalten zwingt, während er zwischen dem schwerfälligen Rhythmus der Erzählung und den grausamen Gewalttaten genügend Freiräume lässt, um über die vielfältig aufgeworfenen Fragen und Zwiespälte nachdenken zu dürfen.
Scorseses Werk ist dabei ebenso wenig plumpe Christenpropaganda wie bestialische Dämonisierung der damaligen japanischen Zivilisation. Der Regisseur sucht die Antworten irgendwo dazwischen, denn auch wenn Rodrigues und Garupe bei ihrem Vorhaben auf fast schon naive Art friedfertig wirken, steckt in ihrer Absicht der christlichen Missionierung auch eine Form der erzwungenen Kolonialisierung, die im Zusammenhang mit der blinden Aufopferungsbereitschaft der christlichen Japaner mehr als fragwürdige Eindrücke hinterlässt. Dass sich die Regierung gegen einen Verlust der kulturellen Werte ihres Landes zur Wehr setzt, wirkt daher geradezu verständlich, wenngleich die Wahl der verwendeten Mittel in ihrer aggressiven Radikalität wiederum ratlos stimmt.
„Silence“ entfaltet seine nachhaltig beschäftigende Stärke immer dann, wenn der Film seinem Titel gerecht wird und sich allem voran damit auseinandersetzt, wie sich der Mensch im Angesicht der Abwesenheit einer höheren Stimme, womöglich der Stimme eines Gottes, verhält. Neben Szenen von kompromissloser Brillanz und subtiler Intelligenz verheddert sich Scorsese jedoch auch in einigen Einlagen, die den Film aufgrund plakativer Momente wie eine Spiegelung im Wasser, eine gewisse, als Voice-over einsetzende Stimme oder generell allzu offensichtliche Parallelen zwischen Rodrigues‘ Reise und der überlieferten Geschichte von Jesus Christus knapp an unbeabsichtigter Komik vorbeischrammen lassen.
Diese Gratwanderung zwischen epischer Größe und tiefem Fall, subtiler Stärke und plakativer Eskalation, tiefgründigen Denkanstößen, differenzierten Betrachtungen, auslaugender Anstrengung und intensiver Vereinnahmung ist es aber, die Scorseses Herzensprojekt letztlich zu beachtlicher Relevanz führt und „Silence“ trotz seiner offensichtlichen Mängel zu einer Ausnahmeerscheinung werden lässt, die in ihrer herausfordernden Kompromisslosigkeit im zeitgemäßen Kino eher selten vorzufinden ist.
Mit ausgeprägter Unruhe stürzt sich die zittrige Handkamera in Josh Monds Debüt auf das Gesicht seiner Hauptfigur. Die Menge tobt, euphorisiert von pumpenden Hip-Hop-Beats, doch der Regisseur gewährt uns nur kleine Ausschnitte vom gesamten Geschehen, das sich um James White herum abspielt. Mit Kopfhörern in den Ohren bewegt sich der Mittzwanziger wie ein instabiles Pulverfass über den Boden des Clubs irgendwo in New York, bereit, jeden Moment zu explodieren und auf der Suche nach einem Ventil, um das Schlimmste zu verhindern.
Wie stark die Parallelen zwischen Regisseur und Hauptfigur wirklich sind, lässt sich nur mutmaßen, doch anhand der Flut an rohen Emotionen und intimen Momenten, mit denen Mond seine Zuschauer konfrontiert, schimmern die zutiefst persönlichen Züge dieses Werks von Beginn an durch. „James White“ nutzt das Medium Film als schmerzliche Therapiesitzung. Schmerz, Trauer, Verzweiflung und Überforderung kanalisiert der Regisseur in unangenehm intensiven Szenenfolgen, in denen sich die Hauptfigur entweder in bedrohlicher Introvertiertheit zu verlieren droht, unfähig, die eigenen Gefühle in eine passende Richtung zu lenken, oder in brachialer Erschütterung entlädt.
Eben erst ist der Vater gestorben, den er sein ganzes Leben über kaum kannte, da wartet auf James nur wenig später der nächste Schicksalsschlag. Seine Mutter ist an Krebs erkrankt, offenbar nicht zum ersten Mal, und wieder muss der orientierungslose, in sich selbst verlorene Sohn rund um die Uhr für den Menschen da sein, der ihm am meisten bedeutet, in dem Wissen, dass die eigene Mutter diesmal nicht überleben wird. Auch Mond hat seine Mutter 2011 an dieselbe Krankheit verloren und „James White“ kommt nun einem Versuch gleich, das Unbegreifliche in Bilder fassen zu wollen, den Worten, die einem in dieser Situation fehlen, Sinn zu verleihen und die Hölle aus überbordenden Gefühlen und der Unfähigkeit, diese akkurat einem nahestehenden Umfeld vermitteln zu können, mit anderen zu teilen.
Der Regisseur nimmt dem Zuschauer schnell jegliche Hoffnung auf eine späte Läuterung, seine Geschichte bewegt sich nicht auf einen Schlusspunkt zu, an dem aus James ein völlig anderer Mensch wird, der an den Herausforderungen, die das Leben ihm stellt, zu neuer Größe reift. Mond will seine Hauptfigur viel eher als Resultat aus komplexen äußeren und inneren Einflüssen verstanden wissen. In einer Szene sitzt James bei einem Gespräch vor einem Bekannten, der ihm möglicherweise einen Job beschaffen kann. Durch die Blessuren im Gesicht, dem Schweiß auf der Stirn und der Alkoholfahne, die seinem Gegenüber entgegenweht, wird er aber schnell als Wrack abgestempelt und weggeschickt.
Mond macht auf schmerzhafte Weise begreifbar, was die Menschen in James‘ Umfeld in genau solch einem Moment nicht sehen. Oberflächlich blicken sie auf die Spuren, die das Leben äußerlich an ihm hinterlässt, wenn dieser auf der Couch neben seiner Mutter sitzt, die plötzlich kurzzeitig die Fähigkeit zu sprechen verliert, geradezu nach den Wörtern in ihrem Kopf röchelt und den Sohn in panische Ratlosigkeit versetzt.
Dieses Verhältnis zwischen den beiden ist es dann auch, das der Regisseur im letzten Drittel unaufhörlich in den Mittelpunkt rückt. Nach den destruktiven Eskapaden von James, die ihren traurigen Höhepunkt in einem eindringlichen Panikanfall finden, versiegelt Mond Mutter und Sohn in einen ungeschönten Mikrokosmos aus gegenseitiger Hilfsbedürftigkeit und Pflege, in dem er kein noch so unerträgliches Detail aus diesem Todeskampf ausspart. Hierbei steigen Christopher Abbott und Cynthia Nixon speziell in einer gemeinsamen Szene für einen kurzen Moment zu beinahe übermenschlicher Größe auf, wenn der Sohn seiner Mutter vor ihrem geistigen Auge eine Zukunft vorzeichnet, in der er schildert, wie ihr Leben weiterhin verlaufen würde, sollte die Krankheit von einem auf den anderen Moment einfach verschwinden.
Zeitweise fühlt man sich als Zuschauer von „James White“ fast schon wie ein ungebetener Gast in einer Situation, in der man nichts zu suchen hat, doch Monds Drama zeigt letztlich, wie das Kino als universell geteilte Schicksalsbewältigung und audiovisuell geformtes Stück Leben schmerzhaft und aufbauend zugleich seine ganze Kraft entfalten kann.
Zuletzt durfte man Macon Blair vor allem in den Filmen von Regisseur Jeremy Saulnier beobachten. In besonderer Erinnerung blieb der Schauspieler dabei durch seine Hauptrolle in „Blue Ruin“, wo Blair den obdachlosen Dwight verkörperte, der gegen die Mörder seiner Familie Vergeltung ausüben will. Dieses Vorhaben inszenierte Saulnier als katastrophale Abfolge von blutigen Missgeschicken, ungeplanten Zwischenfällen und herben Konsequenzen, mit denen der Regisseur Erwartungen und Sehgewohnheiten geschickt unterwanderte und die gesamte, sinnlose Tragweite eines Racheakts auf bittere Weise verdeutlichte.
Für sein Debüt als Regisseur und Drehbuchautor hat sich der Schauspieler sichtlich von seinem Mentor inspirieren lassen, denn Saulniers Einfluss auf „I Don’t Feel at Home in This World Anymore“ ist überdeutlich zu erkennen. Auch Blair widmet sich vornehmlich eher den Außenseitern und Randgruppen der Gesellschaft, denen von vornherein ein bestimmter Ruf anhaftet, aufgrund dessen sie speziell in zwischenmenschlichen Bereichen zu einem Schattendasein verdammt sind.
Ruth zählt ebenfalls zu dieser Kategorie von Menschen. Als in das Haus der einsamen, unsicheren Krankenpflegehelferin eingebrochen und neben ihren Antidepressiva außerdem das kostbare Besteck der Großmutter gestohlen wird, ist sie geradezu erschüttert, dass die verständigte Polizei den Fall eher beiläufig behandelt und schließlich zur lapidaren Nebensächlichkeit erklärt. Unterstützung findet Ruth in diesem Szenario aus teilweise berechtigter, teilweise selbstgesponnener Ungerechtigkeit von ihrem Nachbarn Tony, der sich früh als überaus gewöhnungsbedürftiger, unberechenbarer Zeitgenosse entpuppt.
Das flapsige Detektivspiel der beiden, bei dem sie sich auf die Suche nach den entwendeten Wertgegenständen begeben und für das sich Ruth zuallererst eine falsche Polizeimarke direkt aus der Cornflakes-Packung besorgt, wird allerdings schnell blutiger Ernst. Mit der Unterstützung eines glänzend aufgelegten Hauptdarsteller-Duos in Gestalt von Melanie Lynskey und Elijah Wood zeichnet Blair seine Protagonisten zunächst als lebhaftes, herrlich unangepasstes sowie teilweise schroff aneckendes Gespann, aus dem sich wie von ganz alleine eine verschrobene Dynamik entwickelt, die zwischen schrägem Offbeat-Humor und seltsam rührenden Gefühlen pendelt.
Anflüge einer charmanten, unkonventionellen Romanze, wie sie in den mittlerweile zahlreich verbreiteten Independent-Streifen des Sundance Film Festivals, wo Blairs Werk ebenfalls seine Premiere feierte, Tradition ist, erstickt der Regisseur allerdings schneller im Keim als so manchem Zuschauer lieb sein dürfte. „I Don’t Feel at Home in This World Anymore“ verdreht und bricht bequeme Konventionen des Genres ebenso schnell und ruppig wie die Finger seiner Figuren. Im Umgang mit Gewalt setzt der Regisseur auf wüste Erschütterungen unvermittelter Brutalität, die sich in ihrem zynischen Tonfall nicht nur als ziemlich schmerzhaft erweisen, sondern aufgrund ihrer Unberechenbarkeit überaus treffsicher einschlagen.
Spontane Zufälle, Fehlentscheidungen im Sekundentakt sowie drastische Verwicklungen bündelt Blair spätestens im letzten Drittel zu einer Verkettung von schwarzhumorigen Überraschungen und blitzschnellen Gewaltexzessen. Dass Ruth und Tony in diesem Chaos wie überforderte, hilflose Fremdkörper enden, bedeutet jedoch nicht, dass der Regisseur seine Figuren zugunsten des reißerischen Effekts opfert. Sonderbares Herzblut und heftiges Spektakel sind zwei Komponenten, die sich in „I Don’t Feel at Home in This World Anymore“ keineswegs ausschließen müssen. So lässt Blair am Ende Besonnenheit und Souveränität über Waffengewalt und Überstürzung triumphieren, damit neben Blutlachen, gebrochenen Knochen und angehäuften Leichen ein glückliches, ehrliches Lächeln in den Abspann überleiten und sich im Kopf des Zuschauers einbrennen darf.
[...] Die anfängliche Szene des perfekt erscheinenden Liebesglücks entpuppt sich in SMS für dich umgehend als falsche Fährte, an die sich ein tragischer Unfalltod anschließt. Auch zwei Jahre nach dem plötzlichen Verlust ihres Verlobten Ben, der von einem Betrunkenen überfahren wurde, kommt Clara nicht über ihr persönliches Unglück hinweg und beschließt, wieder nach Berlin zu ihrer Freundin Katja zu ziehen. In einem frühen Moment bekommt Clara von ihrer Mitbewohnerin geraten, sie solle bloß nicht wie eine der Frauen aus diesen kitschigen Liebesfilmen enden, die in ständigem Selbstmitleid vor dem Fernseher auf der Couch hocken und Eis in sich reinstopfen. Es ist eine Szene, in der Karoline Herfurths (Wir sind die Nacht) Regiedebüt zumindest ansatzweise so etwas wie augenzwinkernde Selbstreflexion offenbart, durch die beim Zuschauer kurzzeitig die Hoffnung aufkeimt, etwas anderes als die übliche, mit altbackenen Elementen durchzogene romantische Komödie vorgesetzt zu bekommen. Dieser Hoffnungsschimmer stellt sich allerdings im weiteren Verlauf des Films als Irrtum heraus, denn tatsächlich begibt sich Herfurth als Regisseurin für SMS für dich beinahe vollständig auf ausgetretene, vorhersehbare Erzählpfade, auf denen unzählige Vertreter dieses Genres bereits zuvor gewandert sind. Mit schicken Hochglanzbildern und einem Soundtrack, in dem sich vor allem angesagte Charthits versammeln, fügt sich der Film nahtlos in das Raster der Erfolgskomödien von Til Schweiger (Honig im Kopf) oder Matthias Schweighöfer (Vaterfreuden) ein, ohne an einem eigenen, unverbrauchten Stil Interesse zu zeigen. [...] Während Cordula Stratmann (Krömer - Die internationale Show) als Claras Verlegerin beispielsweise mit grandioser Bissigkeit auftrumpft, bewegen sich Besetzungen wie Enissa Amani (Fack ju Göthe 2) oder Katja Riemann (Er ist wieder da) im Rahmen der reinen Karikatur. Dieser Spagat zwischen lebensnahen, authentischen Menschen und bewusst überzeichneten Charakteren misslingt auf der Figurenebene ebenso wie auf der Gefühlsebene. Nie wird klar, ob SMS für dich gängige Rom-Com-Klischees absichtlich bedient, mitunter ins gewollt Absurde überspitzt oder wirklich darauf abzielt, ganz große Emotionen erzeugen zu wollen, die in diesem seichten, sämtliche Erwartungen mutlos bedienenden Geflecht kaum aufkommen wollen. [...]
Selbst fühlen zu dürfen ist während der Sichtung von Garth Davis‘ „Lion“ nichts, was einem zur freien Verfügung gestellt wird. Die auf wahren Tatsachen beruhende Geschichte des kleinen indischen Jungen Saroo, der in einem Zug versehentlich über Tausend Meilen von seinem zu Hause wegreist und sich mitten in Kalkutta wiederfindet, wo er nicht einmal die dortige Sprache richtig sprechen kann, wird mit Bildern und Klängen erzählt, die einem in jedem Moment des Films gezielt vorschreiben, was man nun zu empfinden hat.
„Lion“ ist bequemes, manipulatives Wohlfühlkino der unkompliziertesten Sorte. Jede Figur lässt sich bereits nach wenigen Szenen in ein charakterliches Schema einfügen, das in erster Linie von eindimensionaler Vorhersehbarkeit oder stereotyper Gefälligkeit geprägt ist. Nachdem sich Saroo, der von Nachwuchsschauspieler Sunny Pawar mit herzerweichenden Knopfaugen und zutiefst liebenswürdiger Mimik verkörpert wird, beispielsweise in der Millionenmetropole Kalkutta wiederfindet, sind es die Männer, von denen grundsätzlich eine bedrohliche Präsenz ausgeht, hinter der man stets finstere Absichten vermutet, während die Frauen in fast schon engelsgleicher Erscheinung auftreten und mit extra gekochten Mahlzeiten und kühler Limonade aus dem Kühlschrank aufwarten, um als Retter in der Not aushelfen zu dürfen.
Als Saroo wenig später von einem australischen Ehepaar adoptiert wird, bewegt sich Davis immer stärker auf das Terrain eines naiv gestrickten Märchens, in dem subtile Zwischentöne zugunsten einer von Pathos und Kitsch durchtränkten Erzählung vollständig ausgemerzt werden. Was sich in seiner Thematik ganz wunderbar als Auseinandersetzung mit der unsicheren Identität von Saroo, der zwischen einer unfreiwillig aufgegeben Heimat und seiner neuen Heimat Australien hin- und hergerissen wird, geeignet hätte, verkommt nach einem Zeitsprung von 25 Jahren in der zweiten Hälfte zur repetitiven Spurensuche via Google Earth, bei der ununterbrochene, wehmütige Klaviertöne auf der Tonspur ebenso signifikant für den plakativen Tonfall des Films sind wie der gequälte Gesichtsausdruck von Dev Patel, der bei seiner Darstellung der mittlerweile erwachsen gewordenen Hauptfigur keine anderen Facetten als Trauer und Verlorenheit zeigen darf.
Mit seiner optimistischen Kraft, die „Lion“ am Ende vor allem auch aus seinen der Realität entnommenen Entwicklungen schöpft, gelingen Davis zumindest kurzfristig einige Momente menschlicher Warmherzigkeit, die sich unter der meterdicken Schicht aus emotionalem Zuckerguss, forcierter Dramatik und weltfremd gezeichneten Charakteren nur noch schwach erahnen lassen.
Schauspieler, Dialoge und eine Bühne. Drei Bestandteile, die im Theater ganz vortrefflich harmonieren und unweigerlich in direktem Einklang miteinander stehen, lassen sich nicht immer einfach auf das Medium Film übertragen. Was in oftmals spärlicher, minimalistischer Ausstattung sowie auf das Nötigste reduziert eine unmittelbare, vollkommen vereinnahmende Intensität entfachen kann, läuft als fürs Kino adaptierte Version schnell Gefahr, in gekünstelte, überdramatisierte oder zu dick aufgetragene Regionen abzurutschen.
Jegliche Bedenken dieser Art macht Denzel Washington in seiner dritten Regiearbeit „Fences“ schnell vergessen. Für seine Verfilmung des gleichnamigen Theaterstücks klammert er die unterschiedlichen cineastischen Stilmittel und Inszenierungsmöglichkeiten zugunsten einer kammerspielartigen Umsetzung weitestgehend aus und konzentriert sich in jeder einzelnen Szene auf das, was in und zwischen den wichtigsten Figuren vorgeht.
Im Mittelpunkt der in den USA der 50er Jahre spielenden Geschichte steht dabei Washington selbst, der als Hauptfigur Troy Maxon den entscheidenden Dreh- und Angelpunkt sämtlicher Geschehnisse darstellt. Troy ist ein harter Arbeiter, der sich Woche für Woche durch seinen Job als Müllmann schlägt, damit er seiner Ehefrau Rose und dem gemeinsamen Sohn Cory ein Dach über dem Kopf und eine warme Mahlzeit auf dem Tisch bieten kann. Daneben gibt es noch den mittlerweile 34-jährigen Sohn Lyons aus Troys früherer Ehe, ein Musiker, der mit seinem Hobby unbedingt noch den großen Erfolg erreichen will, ganz zum Missfallen seines Vaters.
Die offensichtlichen Verhältnisse und Zustände innerhalb dieses Familiengefüges bringt Washington früh durch eine regelrechte Flut an Dialogen zum Vorschein, die auch im weiteren Gesamtverlauf des Films kaum nachlässt. Mit seinem überdeutlichen Fokus auf umfassende Konversationen und Monologe gelingt dem Regisseur das seltene Kunststück, nahezu jedem gesprochenen Wort eindringliche Bedeutung sowie nachdrückliche Relevanz zu verleihen, wodurch sich „Fences“ zu einem erfreulich komplexen Drama entwickelt, in dem sich zuvor entstandene Eindrücke und festgesetzte Meinungen über Charaktere innerhalb von Sekunden völlig verändern können.
Dass sich Washington als Hauptdarsteller dabei permanent in den Mittelpunkt stellt und inszeniert, ist nur konsequent, denn sein Troy zählt zu jener Sorte Mensch, in der sich geradezu unvereinbare Extreme erkennen lassen und seine gewaltige Präsenz ist maßgeblich dafür verantwortlich, in welcher Gestalt sein Umfeld gerade auftritt. Sei es seine auf den ersten Blick liebevolle, fürsorgliche Ehefrau Rose, die in einer späteren Konfrontation für den herzzerreißenden Höhepunkt an markerschütternder Emotionalität sorgen wird oder sein Sohn Cory, welcher als widerspenstiger, lebhafter Teenager auftritt, der unter seiner Fassade jedoch nach und nach eine tiefe Angst vor jedem Schritt und Tritt des eigenen Vaters offenbart.
Troy selbst ist es allerdings, den man nach der Sichtung am wenigsten wieder vergessen wird. Wie Washington diese komplexe Persönlichkeit zwischen charismatischem Monstrum, tragischem Gescheiterten, starkem Familienvater und hassenswertem Abschaum verkörpert, macht den Charakter zu einer ambivalenten Herausforderung, an der man sich die gesamten 138 Minuten und noch lange darüber hinaus abarbeiten kann.
In jedem Wortgefecht öffnet Washington ganze Tore in die Seelen seiner Figuren, das Gesprochene malt konkrete Bilder in die Köpfe der Zuschauer und zwischen lautstarken Eskalationen, in denen der von Troy so gefürchtete Teufel leibhaftig anwesend zu sein scheint, sowie leisen Zwischentönen, für die der Regisseur damalige gesellschaftliche Problematiken wie beispielsweise das Ungleichgewicht zwischen der weißen und der afroamerikanischen Bevölkerung subtil in den Hintergrund einbindet, reift „Fences“ zu markantem, wuchtigem Schauspielkino, in dem Gesichter, Bewegungen und Worte eine Fülle an Geschichten und Details offenbaren, die sich nicht mehr so schnell abschütteln lassen.
[...] Direkt zu Beginn erklärt er, dass sein Film ein Ereignis dokumentiert, das nie stattgefunden hat. Madsen will die geschilderten Ereignisse dabei ganz konkret nicht als „Was wäre wenn“-Szenario, sondern als „Was und wann“-Szenario verstanden wissen. The Visit nimmt sich die Landung einer außerirdischen Lebensform als Anlass, sämtliche Entscheidungen, Reaktionen und Möglichkeiten durchzuspielen, welche die Menschheit in diesem Zusammenhang betreffen würden. Dafür befragt der Regisseur einzelne Personen aus unterschiedlichen Bereichen und Institutionen ausführlich, wie sie handeln würden und was für Maßnahmen im Fall eines Erstkontakts mit fremdartigen, womöglich hochgradig fortschrittlichen Existenzen ergriffen werden sollten. [...] The Visit ignoriert sensationslüsterne Aspekte aber weitestgehend und konzentriert sich viel mehr auf moralische und ethische Fragestellungen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben. Die Aussagen von Experten aus wissenschaftlichen oder militärischen Fachbereichen nutzt der Regisseur dabei schließlich, um vor allem ein Bild des menschlichen Wesens zu skizzieren und zu ergründen, was uns im direkten Angesicht mit einer unerklärlichen Spezies überhaupt auszeichnet. Den stringenten Fokus verliert der Regisseur allerdings immer wieder aus den Augen. Zu oft verläuft die Dokumentation unentschlossen zwischen einer introvertierten, nahezu philosophischen Meditation, für die Madsen in elegischen Zeitlupe-Montagen schwelgt, einem augenzwinkernden Gedankenspiel, bei dem der Zuschauer persönlich in die Rolle des auf der Erde gelandeten Aliens versetzt und angesprochen wird, und einer nüchternen Aneinanderreihung konkreter Entscheidungen und Handlungen. Auf sämtliche aufgeworfene Fragen gibt The Visit bewusst keine Antworten. Als komplexer, vielschichtiger Leitfaden durch verschiedenste Themenfelder fühlt sich Madsens Film daher viel mehr wie eine nachdenkliche, neugierige sowie philosophische Diskussionsrunde an, bei der schlussendlich der Eindruck entsteht, dass zu wenig Teilnehmer an der Veranstaltung teilnehmen, um ein rundum befriedigendes Bild zu formen. [...]
20 Jahre ziehen nicht einfach so spurlos an einem vorüber. Erst recht nicht an Mark Renton, der seine damaligen Freunde um 16.000 Pfund betrogen hat, mit denen sich der ehemals Heroinsüchtige klammheimlich aus dem Staub machte. Das Geld aus einem lukrativen Drogendeal wollten die Junkies eigentlich gerecht unter sich aufteilen, doch am Ende siegte wie bei jeder Abhängigkeit die Gier über den Verstand. Es war der wüste Endpunkt einer Geschichte, mit der Danny Boyle im Jahr 1996 gewissermaßen Kinogeschichte schrieb.
„Trainspotting“ entwickelte sich innerhalb weniger Jahre zum popkulturellen Phänomen, versetzte Kritiker in Begeisterung und prägte eine ganze Generation vornehmlich Jugendlicher, die sich von Boyles energetischer Inszenierung und der rebellischen Attitüde der Protagonisten mitreißen ließen, während die erschreckenden Konsequenzen schwerwiegender Drogensucht ebenso innovativ wie intensiv in den Handlungsfluss eingeflochten wurden. Zwei Jahrzehnte nach seinem unrühmlichen Abgang treibt es Mark nun aus Amsterdam in jenes Edinburgh zurück, das er mit ungelösten Konflikten und offenen Fragen hinter sich gelassen hatte. In anfänglichen Parallelmontagen gewährt Boyle einen Einblick in das Leben der übrig gebliebenen Charaktere und gelangt schnell zu einem mehr als ernüchternden Status quo. Auch wenn die Jungs von damals mittlerweile überdeutlich zu Männern geworden sind, hat sich an ihrer Situation kaum etwas verändert. Während Begbie im Knast eine lange Haftstrafe verbüßen muss, ist Sick Boy, der mittlerweile nur noch als Simon angesprochen werden möchte, von Heroin zu Kokain gewechselt und verdient sich sein Geld wechselweise aus dem Betreiben einer schlecht besuchten Bar oder dem Erpressen von Kunden seiner Freundin und Prostituierten Veronika. Am schlechtesten scheint es Spud getroffen zu haben, der nach wie vor an der Nadel hängt und kurz davor ist, sich das Leben zu nehmen.
Mit der Ankunft von Mark, der zunächst in den geplanten Selbstmord von Spud hereinplatzt, setzt der Regisseur eine unkonventionelle Odyssee in Gang, die sich bezüglich Atmosphäre und Erzählart deutlich vom kultigen Vorgänger unterscheidet. Wo es in „Trainspotting“ in erster Linie darum ging, niemals in Stillstand zu verfallen, immer dem nächsten Rausch nachzujagen und im betäubten Dauerzustand den spießigen Konventionen des Bürgertums den Kampf anzusagen, entspricht „T2: Trainspotting“ der lähmenden Bilanz eines Lebens voller Fehlentscheidungen und verpasster Möglichkeiten. Auch Mark, der im Gespräch mit Simon ausgeglichen von seiner Frau, zwei Kindern und einem anständigen Bürojob erzählt, erweist sich nur wenig später als Lügner, der vor den Trümmern seiner Existenz steht, die Boyle mit einem Mal enthüllt und schließlich mit den Schicksalen der anderen Figuren zu einer turbulenten Geschichte verwebt, in der zeitgemäße Dramatik und galliger Humor aus einer Kombination von Nostalgie und Melancholie destilliert werden. Direkte Zitate sowie wehmütige Rückblenden aus dem Vorgänger und darüber hinaus dienen dabei als Pflaster eines Bodens, auf dem sich sämtliche Figuren aus purer Verzweiflung oder mit letzter Kraft nach vorne bewegen wollen, obwohl ihnen kaum mehr als der Blick in eine gemeinsame Vergangenheit bleibt, die von purer Dunkelheit gekennzeichnet ist.
Im Zusammenspiel entwickelt der zentrale Cast aus Ewan McGregor, Jonny Lee Miller, Ewen Bremner und Robert Carlyle sofort wieder dieselbe Chemie von früher, doch „T2: Trainspotting“ lässt kaum Momente eines freudigen Wiedersehens zu, da er hierfür zu eng mit dem Vorwissen aus Teil 1 verhaftet bleibt. Versuche einer fragwürdigen Wiedergutmachung bleiben bis zuletzt zweifelhaft, jede Begegnung wird von dem Gefühl begleitet, dass eine Eskalation früher oder später unvermeidlich ist und über allem schwebt die von Spud mehrfach wiederholte Kenntnis über eine Gelegenheit, auf die unweigerlich der Betrug folgt. Das Geflecht aus Charakterdrama und Rache-Plot inszeniert Boyle als Regisseur dabei immer noch wie ein junger Wilder, der selbst unmöglichste Kamerapositionen und Einstellungswinkel einfordert, etwaige Längen unter rasanten Schnitten begräbt, einen Soundtrack-Cocktail aus Rock, Punk und Disco-Hits durch die Szenerie schallen lässt und in den ekstatischsten Momenten zum Rausch aus grellen Farben und schummrigen Eindrücken übergeht. Für kurze Momente ist es dann auch tatsächlich wieder zu spüren, dasselbe Gefühl von damals, doch in „T2: Trainspotting“ ist dem Rausch kein Dauerzustand mehr gewährt. Zu viel Zeit nimmt das Wegfegen der Scherben von gestern in Anspruch.
Die liebevoll modellierte Stop-Motion-Animationswelt, die Claude Barras in seiner Buchverfilmung „Ma vie de courgette“ entwirft, könnte in kaum einem größeren Gegensatz zu der Gefühlswelt stehen, in der sich die Hauptfigur mit dem Spitznamen Zucchini befindet. Ein Papierdrachen dient dem 9-Jährigen als einziges Andenken an den Vater, der die Familie offenbar schon früh verlassen hat, während er die vielen leeren Bierdosen, welche ständig aus dem Wohnzimmer gerollt kommen, zu einem Turm aufstapelt, der nur kurze Zeit später unter dem wütenden Gepolter der alkoholkranken Mutter wieder in sich zusammenfällt.
Fernab von kindgerechter, seichter Unterhaltung lässt sich Barras‘ Film nach der bedrückenden Eröffnung eher in eine Riege mit erwachseneren, latent düsteren Werken wie „Mary and Max“ oder „Anomalisa“ einordnen, in denen mit simplen und doch ergreifenden Stilmitteln des Animationsfilms existenziellen Fragen und Problemen nachgespürt wurde. In „Ma vie de courgette“ gibt es neben dem Schatten, der Zucchinis anfänglich geschildertes Leben fest umklammert und sich tief in die traurigen Augen des Kindes eingenistet hat, aber auch genügend Platz für neues Licht. Nachdem seine Mutter durch einen Unfall ums Leben kommt, für den Zucchini auch noch selbst verantwortlich ist, wird er von einem freundlichen Polizisten in ein Kinderheim gebracht. Hier trifft der eingeschüchterte, verunsicherte Junge auf Gleichgesinnte, die ähnlich schreckliche Schicksale mit ihm teilen.
Wie durch ein Vergrößerungsglas betrachtet der Regisseur das Innenleben seiner Figuren, die durch ihr eigenwilliges Verhalten besondere Beziehungen zueinander entwickeln. „Ma vie de courgette“ nähert sich dem Wesen der frühen Jugend auf eine geradezu naive und somit erst recht aufrichtige Art an, indem er die Kinder einfach Kinder sein lässt. Fiese Sticheleien können sich im nächsten Augenblick in vorsichtiges Herantasten auflösen und ungebremste Neugierde sowie der Drang, hinter jeder Ecke etwas Neues, Aufregendes entdecken zu können werden durch die tragischen Hintergründe der eigenen Vergangenheit in Bahnen der Überforderung und des generellen Unverständnisses gelenkt.
Barras begegnet der komplexen Beschaffenheit eines ernsten Sozialdramas auf gleicher Augenhöhe wie die Kinder, um die es hier geht, wodurch dem Regisseur ein nicht ganz leichter Spagat gelingt. Die jüngeren Zuschauer nimmt er an die Hand und führt sie durch eine Geschichte voller Höhen und Tiefen, in der sich ein gemeinsamer Ausflug in die verschneiten Berge als wahres Abenteuer entpuppt, erste Anzeichen einer sich entwickelnden Liebe ganz vorsichtig ausgestreut werden und trotzdem mit äußerster Sorgfalt Momente aufkommen, in denen selbst die ganz Kleinen verstehen und fühlen werden, was gerade nicht in Ordnung ist.
Ganz zum Schluss findet „Ma vie de courgette“ aber zu einer einheitlichen Sprache, bei der Zuschauer aller Altersklassen verstehen, wie schwierig das Loslassen für ein größeres Glück und vor allem wie vielschichtig das Vergießen von Tränen sein kann, das früher womöglich regelmäßiger Ausdruck einer tiefen Verzweiflung war, die irgendwann vielleicht einem Gefühl schlichter Freude weicht.
Zu Beginn erweckt Scott Derricksons „Doctor Strange“ für kurze Zeit tatsächlich den Eindruck, man könnte es mit einem neuen „Iron Man“ zu tun haben. In der Hauptrolle als Dr. Stephen Strange wirkt Benedict Cumberbatch mit seinem egozentrischen, arroganten Charisma, das einem Tony Stark durchaus Konkurrenz bereitet, ein wenig, als hätte sein Sherlock Holmes das Berufsfeld gewechselt, um komplexe, medizinische Fälle im Krankenhaus zu behandeln.
Ein schwerer Autounfall, der die Nerven in den Händen des ebenso genialen wie selbstsüchtigen Neurochirurgen derart stark beschädigt, dass er womöglich nie wieder arbeiten kann, sorgt auch dafür, dass sein massives Ego in gleichem Maße geschädigt wurde wie sein Körper. Der fürs Marvel Cinematic Universe typische Rettungsanker lässt allerdings nicht lange auf sich warten, nachdem Strange von einem ehemaligen Patienten erfährt, dass dieser durch den Besuch eines Ortes namens Kamar-Taj nur aufgrund seiner geistigen Fähigkeiten wieder laufen konnte, obwohl er als dauerhaft querschnittsgelähmt diagnostiziert wurde.
Mit der Ankunft des Protagonisten in Kathmandu stolpern die insgesamt drei Drehbuchautoren bereits über die gängigen Fallen des mittlerweile abgenutzten „Origin-Story“-Konzepts. „Doctor Strange“ tauscht das exzentrische, grundsätzlich interessante Potential der Hauptfigur gegen die typische „From-Zero-to-Hero“-Mentalität ein, durch die sich Strange als simpler Anfänger einem harten Training unterziehen muss, damit sein Körper und sein Geist darauf geschult werden, die magischen Fähigkeiten des Ordens von Kamar-Taj zu erlangen und selbst zu einem mächtigen Zauberer zu werden.
Dass Derrickson hierbei wenig bis gar nichts Originelles zu erzählen hat, gleicht der Regisseur dafür mit einigen Special-Effects wieder aus, die bereits im frühen Verlauf erahnen lassen, wohin die Reise des Zauberlehrlings noch führen wird. Nach einer mehr als behäbigen ersten Hälfte, die wie gewohnt mit einigen überflüssigen Witzchen gelockert werden soll, auf die selbst beim ersten Aufeinandertreffen von Strange und Antagonist Kaecilius nicht verzichtet werden kann, schwingt sich „Doctor Strange“ zumindest im finalen Drittel in Höhen auf, in denen das Potential der außergewöhnlichen Fähigkeiten auf Seite der Guten und Bösen tricktechnisch atemberaubend zur Geltung kommt.
Hier mutiert der Film zu einem wahren LSD-Trip, in dem farbenprächtige Multiversen eingeführt und ganze Stadtteile gedehnt, zerstückelt oder ineinander verschoben werden, während die räumliche Begrenzung zugunsten sprunghafter Auseinandersetzungen in Form einer physisch losgelösten Astralform ausgehebelt ist und Zeit zur beliebig manipulierbaren Komponente verkommt, die sich wie mit einer Fernbedienung einfach zurückspulen lässt.
Je fantasievoller sich „Doctor Strange“ in die Möglichkeiten des staunenswerten, effektgetriebenen Spektakels stürzt, desto stärker rücken sämtliche Charaktere in den Hintergrund, bis sie nur noch blasse Stichwortgeber oder Erfüllungsgehilfen sind, welche Strange dabei unterstützen, vom anfangs durchaus anstößigen und somit interessanten Individuum zum generisch-gefälligen Helden heranzureifen, den die Welt vielleicht braucht, das Kino aber nicht.