YupYum - Kommentare

Alle Kommentare von YupYum

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    YupYum 18.06.2019, 04:56 Geändert 05.07.2019, 02:09

    "Sicario 2" ist ein völlig desillusionierendes (Action-)Drama , dass kaum noch etwelche Parallelen oder Finessen vom ersten (und nicht als Sequel-Reihe) geplanten "Teil Eins" aufweist. Kein Wunder, Villeneuve und Blunt sind dankbar abgesprungen, dafür ist die mir gänzlich unsympathische Catherine Keener ("Get Out") mit an Bord - und natürlich wieder Del Toro und Josh Brolin (der selbst ernannte, "härteste" Mann, den Hollywood im Köcher hat). Ist das alles (gemäss meinem Verdacht) schon Selbstzweck der Schauspieler oder tatsächlich eine Anprangerung dieser hier gezeigten Missstände der völlig absurden U.S.-Migrationspolitik und der Tatsache, dass diese eigentlich ein schmutziges Geschäft der mexikanischen Mafia-Kartelle sind. "Mit Menschen kann man heute mehr Geld verdienen, als früher mit Kokain" sind Sätze, die man hört oder dann konkreter: "They are like sheeps, treat 'em like that!". Der Side-Aspekt, wie schon Jugendliche skrupellos zu professionellen Killern ausgebildet werden, ist ein Schlag in die Magengrube und man möchte einfach niemals mit allen, hier gezeigten Menschen, was zu tun haben.

    Nun, ist "Sicario 2" denn gut, spannend oder wenigstens packend? Da kann ich Sie leider ziemlich enttäuschen, denn auf mich persönlich wirkten die zwei überlangen Stunden voller aufgeblasener (Miltär-)Ausstattung im Wüstensand nur ziemlich einschläfernd und ich freute mich auf ein Glas Wein nach der (endlich kommenden und überaus schwachen) Schlussszene. Das dramaturgisch sehr kompakt umgesetzte "Sicario 1" würde ich mir gerne wiedermal ansehen, von diesen Film hier rate ich nun eher mal mit Vorsicht ab.

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      YupYum 01.06.2019, 02:09 Geändert 23.06.2019, 05:04

      Nico aka/Christa Päffgen (16th October 1938 – 18th July 1988) sah ich noch kurz vor ihrem Tod ca. 1987 in einem Konzert LIVE im Volkshaus in Zürich mit meiner Mutter. Sie war erstaunlich gut drauf (und wirkte sympathisch, clean, ruhig und nüchtern), spielte als Mainline eigentlich alle Songs selbst auf ihrem kleinen Tret-Akkordeon und traf jeden Ton und Textzeile sauber. Sie sah nicht schlecht aus, trank keinen Alkohol auf der Bühne und glich so überhaupt nicht der Hauptdarstellerin Trine Dyrholm hier. Zigaretten rauchte sie in den Pausen der Songs zwar, aber nicht permanent während den Songs (wie hier dargestellt - das machte eigentlich nur Frank Sinatra). Von "Velvet Underground" spielte sie gar nichts, viel mehr von ihrem völlig unterschätzten und grossen 1985-Minimal-Electronic-Album "Camera Obscura" - mit der Single "Das Lied vom einsamen Mädchen", die wiederum gross von John Cale (wie auch das grosse Album "Desertshore") produziert wurde). Im Film wird eigentlich nur "The Marble Index" (1969) erwähnt, dass nicht ihre tollste Platte war war, sondern wahrscheinlich erwähnt wird, weil sie damit eine Schnitt mit ihrer Model-Karriere mache und das zeigte, indem sie ihre blonde Haare tiefschwarz färbte und unmögliche Augen-Schminke auftrug. Dass sie dem Keyboardist John Cale eigentlich sehr vieles verdankte und dass sein Name nie im Film auftauchte, ist als schändlich zu vermerken. A.W., mein Zürcher Freund und sehr grosser historischer Kenner von Indie-Musik sagte mir im vornherein, dass er solche Neu-Interpretationen von vermeintlichen Bio-Pis kaum ansieht: ""Schauen Sie doch lieber solche Leute in echt in den Dokus an!", sagt er. Weder "Bohemian Rhapsody", noch "Ray", "Walk The Line", "Rocket Man" oder eben "Nico, 1988" interessierten ihn je wirklich. Über Nico gab es tatsächlich mal ein Bio-Pic "Nico - Icon" (1995), in dem man schockierend sah, wie krank ihre gebrochene Natur halt immer wieder war - wie sie z.B. in einem Wutanfall ihre gebrauchten und blutigen Heroin-Spritzen den anderen Musikern im Tour-Bus anwarf. Dass Nico tatsächlich bei einen Fahrradunfall auf Ibiza ihr Genick brach, ist heute immer mehr ein Mythos - die Wahrheit ist wohl einfach, dass nur an den Folgen der Sucht starb.

      "Nico, 1988" ist wiedermal ein von der Presse ein hochgelobtes und auch nicht wirklich unsympathisches Indie-Piece über den immer wieder vermeintlich gestraucheltenten Kult-Star, eröffnet aber den Zuschauer kein einziges wirkliches Müh an neuen erröternden Fakten. Denn Nico war schlussendlich ein gebrochener Junkie. Aber ihre (Solo-)Songs sind ein Geschenk an die Ewigkeit - "Desertshore" (1970) und "Camera Obscura" (und auch das Debut "Chelsea Girl" von 1968) müssen in die Plattensammlung. PS: Ein echter Geheimtip ist auch ihre allererste Single auf dem legendären "Immediate"-Label von 1965:

      Nico - "I'm Not Saying"
      (1965; "Immediate"-Single-A-Side, Non-Album-Track; written by Gordon Lightfoot)
      https://www.youtube.com/watch?v=JEey5Fl-chw

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        YupYum 25.05.2019, 01:54 Geändert 23.06.2019, 04:34

        Nach den mehrmonatigen und langwierigen Phasen meiner Glaukom-Augen-OP's (in der mir die Ärzte das Film-Schauen strikt verboten hatten), bin ich richtig Story-hungrig geworden und so ein tolles und edles Film-Erlebnis wie "Agathe Christie's Crooked House" hatte mir nun richtig die Balance zurück gegeben! Vorweg: Lassen Sie sich nur nicht durch die vielen schlechten Wertungen hier vom Pfad der Tugend abbringen, denn die Neuverfilmung von "Das krumme Haus" ist Ensemble-Unterhaltung auf höchstem, britischen Niveau mit dessen Ruf des einmaligen und unerreichten Stils! Der geschliffene Krimi, allen voran mit der, zu Unrecht erneut Oscar-gescheiterten Glenn Close, sitzt wie Gusseisen. Dass niemand von uns das Rätsel lösen kann (das einem noch in den letzten 7 Minuten eine falsche Lösung vorgaukelt), ist eh von vornherein sonnnenklar. Dass aber die Figuren in ihrer (eleganten!) Chemie so böse und missgünstig aufeinander abgestimmt sind, macht den Reiz dann doppelt aus: Meine Lieblingsfilme waren eh schon immer die, bei denen die Dialogkunst so perfekt ist, dass man immer wieder retour-spulen muss, um die Genialität erneut und gänzlich zu erfassen. Jede einzelne Figur wird hier in ihrem Wesen so toll portraitiert, jede gibt erneut wiederum neue Rätsel auf: Die gescheiterte Schauspielerin, die unter ihrer schwarzen Perücke nur noch Alkohol durch mehr Alkohol "kuriert" (Gillian Anderson - "Akte X"), die junge Stefanie Martini (die ihren Ex-Liebhaber vom damals sophisticated Cairo, und nun den ermittelnden Detektive Max Irons in eine Intrige einwickelt), die rothaarige, äusserst attraktive aber labile Christina Hendricks, die als vermeintliche Allein-Erbin und Ex-Las Vegas-Tänzerin alles aus einem Testament-Fehler zu bekommen vermag "und dadurch auch den letzten Sargnagel" der Familie zu erfahren droht, Josephine und Leustace, die unglücklichen Hoch-IQ-Kinder und natürlich Glenn Close als wahrscheinlich einzig integre Figur "Lady Edith" des Ganzen. Die Männer kommen allesamt so peinlich und schlecht weg, dass es eine wahre Freude ist. Die vermeintliche Dinner-Party ist ein cineastisches Highlight absurder Bösartigkeiten und erinnert fast an Luis Buñuel's "Diskreter Charme der Bourgoisie" (1972). Dann taucht plötzlich unverhofft ein neues Testament auf und die ganze Geschichte ist damit wieder in ein einem völlig neuen Licht. Dass hier zu guter Letzt noch alles in der tollsten Dekade ever spielt, nämlich in den 60's, ist noch das letzte grosse Plus dieses wundervollen Films.

        Das Allergrösste in Filmen sind aber immer Real-Dejà-Vues: Auf meinem Urlaub damals 2013 in Kos (Griechenland) lernte ich damals eine tolle britische 50erin (die in Luxembourg English-Unterricht gibt) kennen, die bei meinem Wiedersehen mit ihr 2016 so völlig gemein und bitchy wurde, das ich sie hätte killen können! Die fantastische Schauspielerin Amanda Abbington ("Sherlock") mit ihrer einmaligen Intonierung war für mich hier genau deren Abbild - ich kugelte mich fast vor Lachen!

        Fazit: Lassen Sie sich "Crooked House" nicht entgehen, gerade auch wenn Sie von der Neuverfilmung von "Murder On The Orient Express" (von Kenneth Branagh) enttäuscht wurden.

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          YupYum 24.05.2019, 00:34 Geändert 27.05.2019, 01:37
          über Widows

          In unserer, doch mittlerweile sehr vergeblich gewordenen Marvel-, Sequel- und Remake-Ärä von allgemeinem Austauschbarkeits-Kino sind richtige Geschichten mit echtem Ensemble-Schauspiel tatsächlich langsam zur traurigen Rarität geworden. "Widows" (2018) ist streng genommen natürlich auch ein Remake - von einer britischen Mini-Serie von 1983, doch wer über 50 und Nicht-UK-Insulaner kennt sie denn überhaupt (noch)? Steve McQueen, der schwarze und übergewichtige Oscar-Winner-Drama-Director, verpackt in seine Heist/Blaxplotation-Geschichte allerhand Versatz-Stücke und lässt sie in Chicago spielen, seiner Meinung nach einer Stadt, die von der Filmindustrie immer sträflich vernachlässigt wurde. Seine schwarzen Frauen (allen voran natürlich Viola Davis) sind allesamt Sympathie-Trägerinnen, die dunklen Männer kommen (oft als korrupt und gewalttätig) schon um einiges schlechter weg - und die Weissen sind dann (u.a. mit der schrecklichen Jackie Weaver als Zugpferd von Antipathie oder dem schmierigen Colin Farell) natürlich gar nichts mehr in seiner Liste - ist das schon als positiven Rassismus zu werten?

          Anyway, soziologische Manko-Freiheiten und ihre Anklage gesteht man gerne tolerant zu, wenn der Film dann auch genügend zu packen weiss. Und das tut er in meinen Augen nicht wirklich: In den langen zwei Stunden wird hier für mich zu viel reingepackt, viele angedeutete Motive verzetteln sich, Spannung will bis zuletzt nicht wirklich aufkommen und Aha-Effekte sind rar gestreut. Als Fazit kann "Widows" schlussendlich eher als ein formuliertes und langatmiges U.S.-Gesellschafts-Abbild denn als Thriller wahrgenommen werden, Steve McQueen blieb sich also in seiner schwerfälligen Indie-Tradition treu.
          PS: Schöner neuer Song ("The Big Unknown") im Abspann von Sade, dem grössten Überbleibsel der 80's...

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            YupYum 22.03.2019, 23:33 Geändert 24.03.2019, 16:06
            über Brecht

            Macht Heinrich Breloer wiedermal eines seiner berühmten Doku-Dramas, muss man das eigentlich immer als TV-Ereignis wahrnehmen. Doch was früher bei "Todesspiel" (1997) oder "Die Manns" (2001) fesselnde und atmosphärische Geschichtslektionen waren, die einem in einen Sog der Ereignisse, der Erkenntnisse und des Zeitkolorits eintauchen liessen, ist es bei "Brecht" für mich eine ziemlich knochentrockene Angelegenheit geworden. An der akribisch genauen Recherche gibt es natürlich nichts auszusetzen, aber das Ganze liess mich besonders im zweiten Teil mit zunehmender Lauflänge immer emotional kälter und dann gar erschöpft zurück - es kam mir vor wie eine endlose Aneinanderreihung von historisch verbrieften Rein-Fakten. Burghard Klausener's Schauspiel ist seltsam steril, Tom Schilling in der Jungrolle brachte da noch etwas mehr Seele mit ein.

            Das grösste Manko des überlangen Film ist für mich als Resumée jedoch, dass einfach überhaupt keine Magie des Theatersschaffens oder der berühmten Songs (mit Kurt Weill) rüberkommt, was sich besonders im kurzen und minimalen Flash der Dreigroschen-Oper zeigt.

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              YupYum 21.01.2019, 01:45 Geändert 21.01.2019, 03:50

              Mit der 80er-Serie hatte schon der erste Teil (mit Ausnahme des Titels) kaum was zu tun, aber immerhin war dieser eine schön abgerundete und unterhaltsame Over the Top-Action-Tour De Force. Mit dem zweiten Teil wollte man wohl Denzel's Figur etwas mehr Tiefe in einer ausgedehnteren Story verleihen, doch für mich ist dieses Experiment ziemlich gescheitert: Alle Versatzstücke von "EQ2" hat man schon hundertmal davor gesehen und meistens erst noch besser. Die Geheimdienst-Komplott-Geschichte ist hier so mau (und mit viel zu vielen verwirrenden Schauplatz-Switches) erzählt, dass sie nach Melissa Leo's Film-Tod null packende Aufregung mehr bringt und der überraschungslose Twist völlig vorhersehbar ist. Das eingewobene Sozialarbeiter-Element, den jungen Ashton Sanders doch noch auf die richtige Bahn zu lenken, birgt kaum Emotionen. Was aber alle erwarten, nämlich wirklich fette Action zu integrieren, ist ein völliger Schuss in den Bug - sie ist seltsam rar gesät und der ideenlose Showdown im Sturm bietet keinerlei nennenswerte Einfälle. Ausser Denzel Washington's Charisma (für das er auch nicht wirklich viel machen muss), sind Schauspiel, Szenerien und Dialoge sehr farblos ausgefallen, Schnitt und Kamera sind immerhin sauber.

              Der grösste Kritikpunkt an diesem Sequel-Erzeugnis ist jedoch, dass es in den zwei langen Stunden kaum Spannung erzeugt, sondern im Gegenteil noch mit Längen plagt. Dramaturgisch verzeichnet sich hier nicht einen einzigen im Gedächtnis verbleibenden Höhepunkt, ein klares Manko zu Teil eins.

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                YupYum 16.01.2019, 03:21 Geändert 16.02.2020, 03:05

                Cillian Murphy's One-(Wo-)Man-Show "Breakfast On Pluto" ist sein ur-britisches Kaleidoskop des schrägen Ideenreichtums, dramaturgisch ambitioniert, knallbunt inszeniert, in Komik getränkt, mit vielen absurden und surrealen Einlagen versetzt und spielt in den frühen 70's - oder ist die Fassade doch nur Staffage? Der einzige Lead, des in 36 Kapitel unterteilten Ganzen ist Murphy's Suche nach seiner verschwundenen Mutter, und diese (völlig unglaubhafte) Meta-Ebene ist dereinst nur ein Vehikel, um alles Mögliche reinzupacken: Der Trip streift ziemlich alles, was das Leben "versüsst" - von der Kirche über Bars, Bühnen, Discos, (Abtreibungs-)Kliniken bis in die Bordell-Szene von Soho und ist gespickt voller Aphorismen aus Büchern, Glam-Songs und Herzschmerz mit einer allumfänglichen schwebenden Note von Tragik. Ein ziemlich lautes und schrilles Ganzes also, von Pseudo-Besinnlichem bis zu blutüberströmten (Halb-)Leichen und gar ziemlich fiesen Schock-Effekten wird einem hier geboten, und (Gender-)Grenzen werden bewusst verwischt. Der Schluss des symbol-getränkten Films ist (genau erraten!) wieder sein Anfang. In Gastrollen: Pop-Stars Brian Ferry und Gavin Friday, Liam Neeson und Brendan Gleeson.

                Ist es nun auch gut? Unter uns gesagt, irgendwann begann mich das alles leicht zu nerven und ich hatte ab all diesen Mini-Diverse-Szenen einer Odyssée, die kaum einen roten Faden beinhaltet, einen ziemlich stürmischen Kopf und war dem Ganzen plötzlich recht überdrüssig - die vollen zwei Stunden fühlten sich als unendlich lang an. Irgendwie muss sich dieses farbige Panoptikum von Neil Jordan auch den Vorwurf einer gewissen (künstlichen) Aufgesetztheit gefallen lassen. Cillian Murphy ist übrigens mit seiner Musik-Sendung immer wieder mal Gast auf "Radio BBC 6 Music".

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                  YupYum 07.01.2019, 00:15 Geändert 11.01.2019, 04:43
                  über Infam

                  "The Children's Hour/Kinderstunde" (1961) ist der Film eines adaptierten Broadway-Bühnenstücks aus den Dreissiger Jahren (nach wahren Begebenheiten) von der aus Wien in die U.S.A. emigrierten Autorin Lillian Hellman, deren erfolgreiches Buch bereits damals schon ein erstes Mal unter dem Titel "These Three" verfilmt wurde, von United aber zu viele aufgezwungene, bagatellisierende Korrekturen drin hatte. So nahm William Wyler sich dem Ganzen 25 Jahre später nochmals an, und diesmal wurde es dann echt bewegend und dramatisch! Trotz der ganzen zunehmenden Schwere des desillusionierenden Stoffes bleiben die Dialoge geschliffen und es wird ein hohes Mass an Spannung erzeugt. Mit Miriam Hopkins (aus der Erstverfilmung) als durchgedrehte Tante gibt es gar noch etwas Humor. Der Film jedoch ist schlussendlich eine grossartig formulierte Klage an Bigotterie und Spiessigkeit und ein Tabubruch mit der immer als unschuldig gezeigten und naiv geglaubten Kindheit.

                  Audrey Hepburn und Shirley MacClaine spielen derart gefühlsbetont intensiv, sie sind hier keine Holly Golithtly's oder Irma LaDouce's - aber auch der einzige Mann des Films James Garner darf ein hohes Mass an Sensibilität zugestanden werden. Jede weitere (Laien-)Nebenrolle ist perfekt besetzt. Die schattierungsreiche Aesthetik der Bilder in der zweiten Hälfte erinnern zeitweise an düsterste Film Noir-Werke. SPOILER ALERT: Nur das tieftraurige Ende hätte meiner Meinung nach doch noch einen Twist des Guten erfahren dürfen, denn seine ehrenwerten Protagonistinnen werden (als letzten Schlag in die Magengegend des Zuschauers) für mich damit nochmals (unnötig) bestraft.

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                    YupYum 05.01.2019, 03:41 Geändert 06.01.2019, 02:13
                    über Maurice

                    Auch wenn ich dem Respekt zolle, den die meisten Leute mit grosser Hochachtung diesem Film von James Ivory (von 1987) entgegenbringen, mich hat "Maurice" (bei meiner Zweitsichtung nach ca. 30 Jahren) eher enttäuscht und empfinde ihn auch nicht als das "Brokeback Mountain" oder das "Imitation Game" der 80er-Jahre: Dafür ist mir hier alles etwas zu gekünstelt, zu abgehoben, zu dramaturgisch harmlos, zu Fassaden-verliebt, zu Kostüm-lastig und vor allem viel zu langfädig. Der Film kann schlussendlich in der zweiten überlangen Hälfte nicht einlösen, was er in der ersten Stunde als Setting vorgab. Die zwei sich ehemals liebenden jungen Männer driften in ihrem weiteren Lebensweg so weit auseinander, wie wenn sie niemals eine gemeinsame Vergangenheit gehabt hätten - einer von ihnen (Hugh Grant) ist plötzlich glücklich mit einer nicht besonders cleveren Frau, der Titel-gebende Maurice (James Wilby) tröstet sich mit einem Stallburschen/Gamekeeper, der ebenso nicht sein intellektuelles Niveau erreicht. Der Film verliert mit seiner Endlos-Lauflänge nicht nur an emotionaler Kraft, sein bescheidenes Ende macht zudem ratlos. Dass Homosexualität im Königreich unter Margaret Thatcher noch bei Erst-Ausstrahlung dieses Dramas mit einem perfiden 21-Jahre-Schutzalter-"Clause" einer Illegalität (und schwerer Strafverfolgung) quasi gleichkam, gibt dem Film immerhin viel gesellschaftliche Relevanz für seine Zeit.

                    An opulenter Ausstattung, eleganter Sprache und britischen Stars hapert es indes nicht: Ben Kingsley gibt einen toleranten Hypnotiseur, Billie Whitelaw ("Das Omen") ist die Mutter von Maurice und schnell erblickt man gar noch Helena Bonham Carter im Publikum eines Cricket-Games.

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                      YupYum 30.12.2018, 01:26 Geändert 05.01.2019, 04:02

                      "Die Freibadclique" basiert auf einem autobiographisch gefärbten Roman von Oliver Storz, der selbst Jahrgang 1929 hatte, wie die Jungs im Film. Umstritten bleibt dennoch die ganze Haltung von ihnen zum schon aussichtslosen Krieg im Jahr 1944.Trotzdem ist die gezeigte Desertation sehr packend inszeniert. Dann ist plötzlich Kriegsende und der Film nimmt recht schwer verständliche Züge an, schleppt sich eine Stunde lang (als hidden Krimi) eher konfus dahin und erinnert teilweise beinahe an eine Soap Opera.

                      Positiv vermerkt sind die jungen Schauspieler, die Kostüme und die Ausstattung - auf die vom Computer animierten Bilder (dazwischen) hätte man verzichten können. Der Film lief im Rahmen des Zuschauerpreises 2018 auf "3sat" - zum Geheimtipp reicht es für mich nicht.

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                        YupYum 29.12.2018, 00:07 Geändert 05.01.2019, 04:36

                        Wer noch Nachhilfestunden braucht, um das ABC von unfreiwilliger Komik und echt bescheuerten Logiklöchern (die die Schmerzgrenze ohne jegliche Scham übertreten) zu lernen, hier im Videotheken-Futter "Carjacked" (2011) kommen sie in solchen Massen vor, dass der Film in der Bezeichnung "Trash" alle Kategorien gewinnt. Das zum Fremdschämen verblödete Schauspiel und die hundsmiserable Synchro der unterirdischen Dialogen geben dem (Story-)Stuss noch den Rest. Auch gelungen: Der Trailer verrät einem in exakter Chronologie schon den ganzen Film!

                        Das alles ist zudem ein echter Rückschlag für Feministinnen, denn so verdooft wie sich Maria Bello hier benimmt, ist für's 21 Jahrhundert schon fast mehr als gesellschaftlich unkorrekt. Aber zwei wohlverdiente Punkte für die verdienten hämischen Lacher beim Zuschauer gibt es von mir.

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                          YupYum 26.12.2018, 01:57 Geändert 28.12.2018, 01:34

                          Wer vom vierten, völlig überflüssigen Teil von "Indiana Jones" restlos enttäuscht wurde, wird zum guten Glück bei Lara's Neuauflage vollkommen für diese misslungene und peinliche Einweg-Lappalie (von 2008) entschädigt! Alicia Vikander - die toughe Schwedin mit dem Vikinger-Namen - fiel mir schon früher toll in kleineren Nebenrollen auf (z.B. in "The Man From U.N.C.L.E.", 2015), hier verleiht sie der auferstandenen Figur als Main-Actrice viel frische, emotionale und auch verletzliche Seele. Die geheimnisvolle Investigations-Story ist äusserst aufbauend und fesselnd umgesetzt und hinterlässt bis zum letzten fiesen End-Twist (der nach einer Fortsetzung ruft) grosse Überraschungs- und Spannungsmomente bereit. Mit dem bitterbösen Walton Higgins haben wir einen direkten Widersacher, der an den genialen René Belloq von "Jäger des verlorenen Schatzes" (1981) erinnert: Statt Nazis sind das Feindbild von heute mafiös-strukturierte, multinationale Konzerne. Auch die Szenen in der Gruft sind eine grosse Hommage an Indie, jeder Fehltritt bedeutet eine tödliche Falle. Die oft handgemachte Action wiederum setzt völlig neue und total abwechslungsreiche Szenarien und Akzente frei - keiner muss mir erzählen, er hätte so etwas Spektakuläres wie die Szene am Wasserfall schon mal gesehen - das sind für mich einfach durchkomponierte und atemberaubende Choreographie-Finessen. Die exotischen Schauwerte sind grosser Katalog, gefilmt wurde in Südafrika - und in Kapstadt z.B. hat man Hong Kong völlig authentisch nachempfunden. Anyway, so müssen rasante Blockbuster ohne bescheuerte GCI-Überladung (dafür mit etwas Brit-Humor) heute sein. Und als Tüpfchen auf dem i hat in London gar noch die köstliche Kristin Scott Thomas einen Gastauftritt.

                          Warum der Film fast nur durchschnittliche Wertungen hat, bleibt mir ein Rätsel - mich hat das jedenfalls alles durchgehend grossartig (und ohne jegliche überflüssigen Längen) unterhalten - und mir schlussendlich die (diesmal eher verkorksten) Weihnachten 2018 erst noch gerettet!

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                            YupYum 25.12.2018, 03:05 Geändert 25.12.2018, 03:51

                            If you like to buy the 'Original Soundtrack' as a CD (e.g. on "Discogs")
                            (...was never officially released before 2003!)

                            Karel Svoboda - "Tři Oříšky Pro Popelku"
                            (1973; Supraphon-Records; Czechia)
                            https://www.youtube.com/watch?v=zqamJZ3Jiy4

                            https://www.discogs.com/de/Karel-Svoboda-Drei-Haselnüsse-Für-Aschenbrödel-Three-Nuts-For-Cinderella-Tři-Oř%C3%ADšky-Pro-Popel/release/889928

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                              YupYum 23.12.2018, 23:54 Geändert 28.12.2018, 01:37
                              über Gotti

                              Ich kann mich hier nur allen Kommentatoren anschliessen, von denen wirklich kein einziger ein gutes Haar am Mafia-Bio-Pic "John Joseph Gotti" (von New York) stehen lässt: Der langfädige und todlangweilige Film kommt einem wie eine lose Aneinanderreihung von einzelnen Schnarch-Szenen-Fragmenten vor, die kein homogenes Ganzes einer durchgehenden Story ergeben wollen. Ohne einen einzigen(!) Spannungsmoment und ohne jegliche Action plätschern die meist völlig zusammenhangslosen Dialoge vor sich hin. Etwas Familienbande, dann mal einen Ausschnitt aus einer Gerichtsverhandlung, viel deplatzierte Pseudo- und Befindlichkeits-Psycholgie, wiedermal ein Meuchelmord und schlussendlich das langsame Ableben der Hauptfigur Gotti (mit traurig-primitiven Einspielungen eines unhinterfragt blind-pöbelnden Grieving-Mobs) sind in etwa die drögen Zutaten dieses ungeniessbaren Eintopfs. Weder 80's-Zeitkolorit noch irgendwelche Schauwerte sind auf der Haben-Seite zu vermerken. Die Schauspieler agieren allesamt hölzern. Der billige Soundtrack zweier junger Hip-Hop-Latino-"Komponisten" dazu ist übel nervend. Als Fazit und wohlgemeinte Warnung (auf dass nicht schon wieder das Weihnachtsfest in einer Katastrophe endet!) rate ich Ihnen allen dringend, schlicht die Hände davon zu lassen!

                              Nebenbei vermerkt: Mit John Travolta und Kelly Preston ist das Schwachstrom-Einschlaf-Drama zusätzlich noch voll in der Hand der Psycho-Sekte Scientology.

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                                YupYum 23.12.2018, 02:11 Geändert 24.12.2018, 03:47
                                über Jungle

                                Nicht nur zubeissende Schlangen, lauernde Jaguare, brennende Feuerameisen und brechende Stromschnellen sind Gefahren im Dschungel, sondern eben auch zwischenmenschliche Psychologie und daraus resultierende Aggressionen, Naivität und Blindgläubigkeit, Grossmut und Selbstüberschätzung, und (extern) ebenso unbekannte Drogen, die wüste Halluzinationen auslösen.

                                Der toll ausgestattete und sehr authentisch gespielte Survival-Trip ist jedenfalls nichts für schwache Nerven, unglaublich viel Spannung wird mit jeder neuen Situation generiert. Dass alles auf wahren Begebenheiten beruht, macht das erlösende (Beinahe-)Happy End fast zum Tränendrücker. Die ganze (recht schockierende) Auflösung findet sich hier lediglich noch in den End-Titles wieder - dramaturgisch toll.
                                Auch gut: Interessante Featurettes mit dem (immer am Schauplatz anwesenden) echten Überlebenden Yossi Ghinsberg auf der DVD.

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                                  YupYum 17.12.2018, 02:24 Geändert 24.12.2018, 04:00

                                  Ein schnurgerader (Pseudo-)Polit-Survival-Action-Thailand-B-Reisser, der schnell zur Sache kommt, kaum Verschnaufpausen einlegt und zwei, drei Überraschungen in aussichtslosen Situationen bereithält.

                                  Der politische Hintergrund, den Pierce Brosnan schnell dem blauäugigen Owen Wilson erläutert, ist nur fadenscheiniges Pflicht-Beigemüse - hier will man dem Zuschauer lediglich schnelle und pure Stadt-Guerilla-Überlebenskämpfe, gepaart mit etwas asiatischem Exotismus zeigen. Schnitt, Action, Ausstattung und Schauspiel sind immerhin passabel, doch im Gedächtnis wird nichts Nachhaltiges haften bleiben!

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                                    YupYum 14.12.2018, 01:04 Geändert 09.12.2019, 02:15

                                    "The Univited" (1944) ist ein sehr kurzweiliger Spukhaus-Thriller, bei dem schon zu Beginn die Stringenz der Dialogkunst auffällt und diese bis zum Ende beibehalten wird. Die Filmfiguren sind praktisch alle durch's Band sympathisch und dass hier ein fiktionales Geschwisterpaar (statt Eheleute) gleich die Hauptrollen als Housekeepers innehat, ist ein spezielles Novum - Ruth Hussey ist Klasse! Ebenso wirken sämtliche Protagonisten (mit Ausnahme vielleicht der jungen Gail Russel) seltsam gefasst und über der Sache stehend - die übliche Schreckens-Hysterie findet sich nicht. Der Side-Aspekt einer Privat-Psychiatrie und ihrer zwielichtigen Chefin Cornelia Otis Skinner bringt mystische Abwechslung, ebenso eine Séance mit einem Oui/Ja-Board. Die Auflösung des schwebenden Vergangenheit-Geheimnisses ist recht überraschend.

                                    Die Atmosphäre über den wilden Cliffs von Cornwall ist einzigartig, Kamera und Effekte sind für ihre Zeit beindruckend. Der Film-Oldie hat mich als Fazit gut unterhalten.

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                                      YupYum 12.12.2018, 23:29 Geändert 14.12.2018, 02:18

                                      "Phantom Lady" (1944) empfinde ich als bisher besten Film aus dem neueren "Koch Media-Film Noir"-Box-Set. Der geschliffene Krimi von Robert Siodmark ("Die Wendeltreppe") ist top-gespielt, durchgehend versehen mit immer neuen Side-Aspekten, spielt im damaligen, herrlich atmosphärischen (schon durch viele schöne Neonreklamen versehene) New York, ist spannend und durchaus fesselnd (und ohne überflüssige Längen!) inszeniert und wartet gar mit Varieté-Abwechslung/Jazz-Musik und etwas Psychiatrie-Mystery auf. Zudem ist er durch die Hauptrolle der investigativen, sensiblen aber trotzdem fordernden Ella Raimes hauptsächlich in Frauenhand und für seine Zeit äusserst emanzipatorisch ausgefallen. Auch schön: Zigaretten und Whiskey gehörten in dieser Zeit noch zum guten Ton.

                                      Dass der Zuschauer in der letzten halben Stunde gar noch mehr weiss, als seine Protagonistin (die straight in eine Falle gerät), hätte Hitchcock nicht besser hingekriegt. Der Thriller ist als Fazit ein vergessenes Kleinod mit einer sehr coolen Note obendrein.

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                                        YupYum 12.12.2018, 00:15 Geändert 26.12.2018, 02:55

                                        Bei allem Wohlwollen dafür, dass "Koch Media" einige beinahe vergessene Noir-Filme neu auf DVD aufgegleist hat, "Die blaue Dahlie" (1947) hat einfach hoffnungslos viel Staub angesetzt. Die Krimi-Geschichte ist sehr fahrig erzählt und plagt vor allem gegen den Schluss mit vielen unnötigen Nebentwists und Längen. Die Auflösung ist äusserst mau ausgefallen, die Psychologie der Figuren kaum noch nachvollziehbar, und der Film hat unterm Strich einfach null Suspense. Eine tolle Kamera alleine macht als Fazit noch keinen guten (Chandler-)Krimi.

                                        Immerhin sind eben die Sights des damaligen California atmosphärisch schön eingefangen und die beiden Frauenfiguren bringen etwas Farbtupfer mit ins Geschehen.

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                                          YupYum 11.12.2018, 01:46 Geändert 23.12.2018, 04:29

                                          An Inszenierung, Schnitt, Schauspiel, Dialogen, Synchro und der tollen Spukhaus-Atmosphäre (mit dem ganzen dazugehörenden Karsumpel) gibt es auch nach 70 Jahren bei "The Lost Moment" (1947) nichts auszusetzen. Sämtliche gängigen Gothika-Elemente (bis zum Ausbruch eines Schlussszene-Feuers) werden gestreift. Im Mittelteil gibt es gar einige Spannungsmomente zu verzeichnen.

                                          Doch die Geschichte nach Henry James ("Schloss des Schreckens") ist doch arg konfus geraten: Ein eigentlich nicht ganz wertes Grundmotiv wird zum vermeintlichem Zeit-Ebenen-Geheimnis (Susan Hayward - berühmt in "I Want To Live" (1958) - in Beinahe-Doppelrolle) stilisiert und endet dann in einem puren Melodrama. Doch der Charme der Zeit und die filmische Aesthetik blieb dem Film weitgehend erhalten, obwohl er unterm Strich doch sehr schwerfällig daherkommt.

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                                            YupYum 09.12.2018, 23:37 Geändert 24.12.2018, 00:47

                                            "The Chimneys From Green Knowe" (2009) ist ein urbritisches und sehr theatralisch gehaltenes Roman-Glanzstück in bester Gothika-Tradition, in dem die Geister der Vergangenheit nicht einfach kurz auftauchen, sondern die Geschichte grösstenteils gleich selbst erzählen. Dabei ist schon die grosse Cast um Maggie Smith ein Garant dafür, dass in diesem Dual-Ebene-Stück eigentlich nichts schiefgehen kann. Die Dialoge sind erhaben, die Intrigen und Gemeinheiten perfekt in Szene gesetzt und dem ganzen omnipräsenten Fantasy-Element kann man gut folgen. Die Kamera- und Filter-Technik sind Bilder von schön übertriebenem, nahe gehaltenem bildlichen Kitsch, aber es passt irgendwie.

                                            "Athelhampton House" heisst übrigens die Mansion (und Original-Schauplatz) und es soll wirklich spuken darin. Nur traurig, dass damals in diesen Häusern so viel Geschichte gelebt wurde und man in später Präsenz nur mit viel Wehmut darauf zurück blicken kann.

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                                              YupYum 01.12.2018, 01:27 Geändert 03.12.2018, 01:55

                                              Wäre Mikael Persbrandt nicht Agent Hamilton, wer würde sich schon für die Reihe interessieren, die nach zwei Filmen schon wieder eingestellt wurde. Die Verschwörungsgeschichte ist altbekannt und mit zu vielen Figuren relativ holprig erzählt, die Action wenigstens schön explosiv, Humor fehlt gänzlich und die vielen Schauplätze (wie Somalia und Afghanistan) sind alles Orte, die nicht gerade als Urlaubsziele berühmt sind. Zur Feierabend-Entspannung kann man sich den Thriller (als Eintagsfliege) mal antun, über eine Durchschnitts-Note reicht es aber nicht. Eine vergleichbare (schwedische) Bond-Magie (gemäss Hüllentext) ist jedenfalls eine völlig überflüssige und vergeblich platzierte Metapher.

                                              Aber eben: Mikael Persbrandt ist eine coole Sau und seine Präsenz hebte die Serie "Kommissar Beck" damals weit über den Durchschnitt.

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                                                YupYum 30.11.2018, 01:35 Geändert 07.01.2019, 00:35

                                                "Brighton Rock" (2010) ist ein hochstehendes und atmosphärisch dicht inszeniertes Stück Brit-Kino, das eine Obsession in den Kreisen der lokalen Mafia vom Küstenort Brighton im tollen Sixties-Zeitkolorit erzählt - nach dem Roman von Graham Greene. Das toll ausstaffierte Remake ist äusserst gehaltvoll und mit einer gewissen Schwere inszeniert (immer unterstreicht durch schwebende und düstere Choralmusik) und als Fazit viel diversiver als einfach ein Krimi geworden. Irgendwo zwischen "Bonnie & Clyde" und "Die Krays" angesiedelt, mit einer gehörigen Portion Noir-Spannung und edler Dialog- und Schauspielkunst, inklusive Versatzstücken von Soziologie, Religion, Desillusions-Theorie und der filmischen Einflechtung der berühmten Jugendunruhen der damaligen Mods-Bewegung. Die edle Ausstattung (mit viel Symbolik versehen) alleine ist hier schon ein Blick wert.

                                                Die junge Andrea Riseborough spielt die Protagonistin Rose sehr vielschichtig, man kann sie kaum auf reine Naivität reduzieren. Das Tüpchen auf dem i ist jedoch die kauzige Helen Mirren, die ihre investigative Nase herrlich schön in fremde Angelegenheiten steckt. Das rettende Ende (dank ihr) ist nur vordergründig ein Happy-End, das zeigt nochmals der bitterböse Joke im Schlussbild.
                                                Prädikat: unbedingt ansehen!

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                                                  YupYum 25.11.2018, 02:10 Geändert 01.12.2018, 03:16

                                                  Für eine Romanverfilmung von der grossen Daphne Du Maurier, hat mich diese neue Film-Version doch eher enttäuscht. An der Ausstattung und dem Schauspiel gibt es zwar nichts auszusetzen, dafür aber am Drehbuch: Was im Mittelteil mit Längen plagt, wird in der letzten halben Stunde dann allzu holprig und zu rasant erzählt, die Twists scheinen sich zu überschlagen und das uninspirierte Ende macht ratlos. Die ganze Psychologie der Figuren ist für den Zuschauer jedenfalls schwer nachvollziehbar. Immerhin sind die Dialoge nahe am Buch gehalten und gewohnt brit-edel, aber das Ganze liess mich seltsam gefühlskalt zurück: Eine Ciné-Magie will einfach nicht aufkommen.

                                                  Vorhin hörte ich in den News, dass heute (24.11.2018) Director Nicolas Roeg verstorben ist. Seine bahnbrechende Du Maurier-Verfilmung "Don't Look Now" (1973), die in in Venedig spielt, sei hier zum Thema noch erwähnt.

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                                                    YupYum 13.11.2018, 02:30 Geändert 14.11.2018, 01:04
                                                    über Kind 44

                                                    Tom Hardy, Gary Oldman, Noomi Rapace und Vincent Cassel: Diese hochkarätige Garde des Düsteren alleine lässt erahnen, dass man hier einen Film der sehr beklemmenden und dunklen Sorte serviert bekommt, den niemanden schonen wird. Tatsächlich ist es vor allem die Atmosphäre und Authentizität, die einem hier in ein Kapitel der Geschichte eintauchen lässt, von der die Allgemeinheit eigentlich nicht wirklich allzu viel weiss. Die filmische Aufarbeitung tut also mehr wie Not. Es ist nicht anders zu erklären, dass gerade in linken Szenen immer noch ohne Scheu und mit voller Naivität mit dem Hammer und Sichel-Symbol so locker umgegangen wird, verfügten diese kommunistischen Schreckensherrschaften (bis heute) über die selben Mechanismen wie Nazi-Deutschland, von Bespitzelung, (Psycho-)Terror über Gulags (KZ's), bis Folter und Massenmord. Ein unbehelligter Massenmörder konnte Andrei Romanowitsch Tschikatilo (russisch: Андрей Романович Чикатило - das "Monster von Oblast Rostow") deshalb werden, da die kommunistischen Herrschaften solche Taten immer totgeschwiegen hatten und unter den Tisch wischten, da sie nicht ins Regime passten und für das Weltbild ihrer Wohlfahrts-Gesellschaft (= also der reinen Diktatur) unkonform waren - darum konnte dieser Mann so derart wüten. Er tötete mindestens 53 Kinder und Jugendliche. Der Fall Tschikatilos führte erst in den 90's (nach seiner Aufarbeitung) innerhalb der Sowjetunion als auch international zu entsetzten Reaktionen - natürlich wie immer viel zu spät.

                                                    Dass hier eine (wahre) Serienkiller-Geschichte noch als Aufhänger dient, die tatsächlich wahren Lebensumstände der Menschen von Russland im Post-Kriegs-Zeitalter zu erörtern, ist ein grosses Plus dieses tiefgründigen Thriller-Dramas. Dass diese Rahmenhandlung wiederum in der letzten halben Stunde ein Höchstmass an Spannung generiert, sei am Rande noch positiv erwähnt. Es wird einem selten so hochkarätige Krimi-Kost serviert, die "Frei Haus" noch eine grosse geschichtliche Aufklärungs-Lektion mit sich bringt.

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