colorandi_causa - Kommentare

Alle Kommentare von colorandi_causa

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    colorandi_causa 29.11.2020, 22:26 Geändert 30.11.2020, 16:24
    über Mishima

    +++Dies ist ein Wichtelkommentar für den 1. Advent 2020 im Rahmen der Community-Wichtelaktion, gewünscht von Iamthesword.+++

    "All my life I have been acutely aware of a contradiction in the very nature of my existence. For forty-five years I struggled to resolve this dilemma by writing plays and novels. The more I wrote, the more I realized mere words were not enough. So I found another form of expression."

    Mishima ist auch heute noch aus mindestens zweierlei Gründen ein Werk, das eine große - wenn nicht sogar noch größere (Sog-)Wirkung - bei mir auslöst als bei meiner Erstsichtung. Zum einen wären da die formalistisch-ästhetischen Aspekte, die Schraders Film selbst aus der Menge der sehr guten Filme noch herausragen lässt, zum anderen aber auch seine zeitgenössische und kulturelle Bedeutung, die im Zuge des aktuellen Ikonoklasmus', dessen eintöniger Widerhall auf polarisierender Menschen der Geschichte und Kultur zu langweilen weiß, nicht minder geschätzt werden sollte, weil sich Schraders Version der Aufbereitung Mishimas Lebens und Kunst einer klaren Beurteilung entzieht. Eine wohltuende Abwechslung in Zeiten einer auf Konsens eifernden Kunst, die dem geneigten Betrachter nicht nur eine Schablone zur Hand gibt, sondern auch die Message vollumfänglich und unmissverständlich ausbuchstabiert. Schraders Weg fordert den Zuschauer dazu auf, das Gesehen und Gehörte, die Dualität von Kunst und Künstler auf sich wirken zu lassen und eigene Gedanken zu formulieren und etwaige Dissonanzen auszuhalten.

    Dass Paul Schrader (und sein Bruder) irgendwann auf Yukio Mishima aufmerksam werden würde, war nicht nur angesichts seiner Japanophilie unvermeidlich, sondern auch in seinem eigenen künstlerischen Schaffen begründet. Wer Travis Bickle kennt, wird auch hier Parallelen entdecken können. Schrader sagte einst sinngemäß, dass er diesen Charakter hätte erfinden müssen, hätte es ihn nicht bereits gegeben. Diesen Typus des vormals kleinen Mannes, der über einen selbstzerstörerischen Kraftakt zur Selbsterhöhung neigt und darin vielleicht auch ein Teil seines Selbst findet und offenbart. Gleichwohl beide Figuren andere Enden fanden und der Akt der Selbstzerstörung und Restauration anderen Mechanismen zugrunde liegen, ist die Faszination dieser vermeintlichen Antihelden in der künstlerischen Verarbeitung und Rezeption ungebremst. Das Gefühl, einen Charakter zu kennen bzw. zu durchschauen, aber bei seiner Annahme nie Gewissheit erreichen zu können, ist nicht zuletzt mit dem Joker zu waschechten z.T. kunstfeindlichen Kontroversen gereift, als Kunstfiguren in einigen Texten zu Anstiftern hochgejazzt wurden und dem Zuschauer dadurch gedankliche Insolvenz attestiert worden ist.

    Nun ist der Fall bei Yukio Mishima ein wenig anders gelagert. Es gab ihn. Dreimal war er für den Literaturnobelpreis nominiert und mit 45 Jahren beendete er samt drei seiner Akolythen mit dem rituellen Suizid sein Leben, nachdem der Militärputsch ohne Glanz und Gloria in der Menge der Soldaten verhallte und scheiterte. Wer war dieser Mann? Was trieb ihn an und warum endet sein Leben auf diese tragische Weise? Vieles davon liegt wie immer in der Biografie begraben. Den Schlüssel dazu und zum weiteren Wesenskern enthält jedoch seine Kunst. In Schraders drei ausgewählten Geschichten, welche auf drei Stadien dessen Lebens rekurrieren, können wir durch geschicktes Einsetzen von Schnitt und Erzähler die Assoziationen und Parallelen zum Sein und Selbst von Mishima in Teilen erkennen. Als ehemals isolierte Junge, der bei seiner Oma aufwuchs, die früh den Verlust von Werten und Traditionen beklagte und stets den nahenden Tod vor Augen sah, war das kleine Wunderkind von schmächtiger Natur früh für das Leben geprägt. Auf der einen Seite machten seine Werke schon im zarten Alter von 13 Jahren auf sich aufmerksam, andererseits haderte er sein Leben lang mit seiner Statur, der möglichen Ablehnung insbesondere durch Männern und seinem gesellschaftlichen Rollenbild, welches es zu erfüllen galt. So gesehen verstand er sein eigenes Leben als Kunst; eine Maske, die es zu tragen galt, die nach und nach mit der eigenen Selbsterhöhung, der schieren Arroganz über eigene Wertvorstellungen und dem daraus resultierenden Größenwahn, Stück für Stück abfiel, ehe sie in der Vollendung seines eigenen Theaterstücks im herbeigesehnten Tode enden musste.

    Diese drei Ebenen, von der Aufbereitung der Vergangenheit, der Rahmenhandlung des letzten Tages und der Kunst seiner Werke werden mit großmeisterlicher Raffinesse miteinander verschachtelt und einer klaren Struktur untergeordnet. Nicht umsonst heißt der Zusatztitel "Ein Leben in vier Kapiteln". Die präzisen Schwarz-weiß-Aufnahmen, welche den biografischen Teil abdecken und den Selbstoptimierungsprozess sowie den Reifeprozess seines charmanten Persönlichkeitskultes protokollieren, zeigen uns den Weg eines Menschen, der sich nach und nach eine noch prachtvoller Maske bastelt und aufsetzt. Der eigentliche Tag der Entscheidung wiederum ist ein Wechselbad von Anspannung und Alltag, vor allem aber ein Zeugnis des Irrsinns, welcher sich hinter einem Gebilde einer feinziselierter Machtstruktur und dem wohlformulierten Gedankengut versteckte. Ein Glaube an die Ästhetik, die Tradition, die Verschandelung durch westlich-kapitalistische Erosionen und nicht zuletzt dem Heil beim Tenno, welcher von ihm als Epitom der kulturellen Aufrechterhaltung alter Sitten auserwählt wurde. Dem gegenüber steht der eskapistische Teil seiner literarischen Werke, welche durch Schraders Verfremdungseffekt mittles theaterhaften Bühnenbildern, prunkvollen Sets und Konstruktionen der Realität entzogen wurden und die Säulen der Sehnsüchte widerspiegeln. Die überzogene Virilität, der übersteuerte Körperkult als vermeintliche Befreiung aus der kindlichen Isolation, die Suche zur Nähe zum gleichen Geschlecht und vielleicht sogar zur Abhilfe geschlechtlicher Transformation. Unsicherheiten werden folglich mit klaren Regeln bekämpft, die Reinheit der Ästhetik als Gebot vorgegeben und der Stift nicht mehr länger als das mächtigere Instrument angesehen, sondern die Schärfe der Schwertes vorgezogen. Die angenommene Dualität zwischen Wort und Akt hat sich allmählich aufgelöst. Im Leben wie in der Kunst. Aber was heißt schon Kunst in Anbetracht dieses Lebens? Hiraoka Kimitake, so sein eigentlicher Name, wurde zu Yukio Mishima. Ein Mensch und eine Persönlichkeit, die am Leben gescheitert ist und sich in der Kunst verewigt hat. Paul Schraders Film ist sein Testament und die Zitate des Erzählers der traurige Offenbarungseid seiner Person. "I come out on the stage determined to make people weep. Instead, they burst out laughing."

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    • colorandi_causa 19.11.2020, 21:01 Geändert 25.11.2020, 21:23

      Bin auch wieder am Start.

      E: Für den 4. Advent noch zu haben.

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      • Mittlerweile nicht einmal mehr mit Direktlink zur eigenen Contentseite. (Teilweise ja auch gar nicht vorhanden) Um es mit den Worten eines großen amerikanischen Clowns zu sagen: "SAD!"

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        • colorandi_causa 02.10.2020, 21:24 Geändert 02.10.2020, 23:54

          Damit ist Robert Zemeckis auch nur noch der Oli P. der Filmwelt.

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          • Wer auf sowas steht, sollte sich dringend "The Art of Self-Defense" zu Gemüte führen. Etwas eigenwilliger Stil, der ein wenig an Quentin Dupieux erinnert.

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            • Habe erst "droht" gelesen. Schade, dass es nicht bei dieser Drohung geblieben ist.

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              • Wirklich gruselig wurde es nur in Sekunde 20, als der obligatorische Mike-Flanagan-Filter ins Bild kracht. Purer Horror... schlimmer als jeder Jump-Scare.

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                • colorandi_causa 23.08.2020, 03:13 Geändert 23.08.2020, 03:13

                  Es lohnt sich zu erwähnen, dass zum Zeitpunkt des Teasers nur 25% des Film abgedreht waren. Das reicht aber anscheinend schon um den ganzen Rest des (bisherigen) DC Fandome mühelos in den Schatten zu stellen. Ansonsten gab es außer kleinen, spärlichen Kurzeinblicken nur CGI-Pampe zu sehen.

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                  • Der feine John Williams Score über solch einen Müll... das ganze Jurassic-World-Franchise treibt einem die kindliche Begeisterung für Dinosaurier aus.

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                    • Hätten sie auch einfach "Comet has fallen" nennen können.

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                      • Schade, dass "Oasis" nie über den Piloten hinaus gekommen ist. Hatte imo großes Potenzial und plötzlich kam nix mehr.

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                        • colorandi_causa 21.06.2020, 19:46 Geändert 21.06.2020, 20:55

                          "Bis heute ist Wie der Wind sich hebt Hayao Miyazakis offiziell letzter Film, obgleich es in den letzten Jahren vermehrt Gerüchte gab, dass dem wohl doch nicht so sei." Das sind nicht nur Gerüchte. Das Projekt ist bekannt und entwickelte sich aus einem Kurzfilm, welches er in CG verwirklichen wollte, ehe er sich - mal wieder - umentschied. "Never Ending Man: Hayao Miyazaki" thematisiert diese Schaffensphase und Rastlosigkeit. Dass die Filme jetzt bei Netflix gelandet sind, liegt nicht nur an der Überredungskunst von Suzuki, dass Streaminganbieter nix Schlechtes seien, sondern auch um die Liquidität seines derzeitigen Projektes zu sichern, welches sehr schleppend vorankommt und dementsprechend teuer werden dürfte.

                          Zu "Wie der Wind sich hebt" wiederum passt die Dokumentation "The Kingdom of Dreams and Madness", die ihn bei diesem Projekt begleitet hat. Und es ist nicht einfach nur ein Biopic irgendeines Ingenieurs, sondern dürfte auch stark durch die eigene Vita beeinflusst worden sein, besonders natürlich auch die des Vaters, welcher selbst Luftfahrtingenieur war und eine eigene Firma unterhielt, welche Teile für Militärflugzeuge herstellte. Außerdem beruht der Film in Teilen auf einen (gleichnamigen) japanischen Roman, es gibt aber auch noch weitere Übereinstimmungen mit realen Begebenheiten (mit anderem Ausgang) wie die Tuberkolose der Mutter.

                          Ansonsten steht für Herbst auch ein weiteres Werk von Goro Miyazaki in den Startlöchern, das dort eine TV-Ausstrahlung anpeilt und in 3DCGI daherkommt.

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                          • colorandi_causa 03.06.2020, 19:56 Geändert 03.06.2020, 22:25

                            "Studio Ghibli’s latest feature animation, “Aya to Majo,” (literally, “Aya and the Witch”), will air on NHK during winter 2020, NHK announced today.

                            Based on “Earwig and the Witch,” a children’s novel by Diana Wynne Jones, the film is the first by Ghibli to be animated in 3D3G (sic!). The director is Goro Miyazaki, Hayao Miyazaki’s son, though the elder Miyazaki is credited with planning the project.

                            The date of the broadcast and other details have yet to be revealed. The film is a co-production between Ghibli, NHK and NEP (NHK Enterprises). There are currently no plans to release the film theatrically." https://variety.com/2020/film/asia/studio-ghibli-anime-goro-miyazaki-aya-and-the-witch-nhk-1234624101/

                            Nicht der erste Ausflug in den computergenerierten Animationsbereich hat Goro nämlich bereits bei "Ronja Räubertochter" (26-teilige Serie bei Netflix einzusehen) Regie geführt. Interessanterweise wieder einmal auf einen britischen Roman beruhend. Diana Wynne Jones' Buch "How's Moving Castle" wurde 2004 von seinem Vater adaptiert und ist hierzulande als "Das wandelnde Schloss" bekannt. Wie der Vater so der Sohn.

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                                Dublette - bitte löschen!

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                                • "Stellvertretend für Happy End, den es nicht in Listen gibt." Was meinst du damit? Kannst ihn doch über dessen Detailseite hinzufügen oder übersehe ich etwas?

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                                    • Zu den angeblichen Nachdrehs: “Everybody said we did reshoots! We’ve never done reshoots,” he tells EW over the phone in late February. “And I’ll tell you this: if there hadn’t been a merger, I’m sure we would’ve done reshoots the same way every movie does pickups. We didn’t even do that because by the time the merger was done and everything was settled, everybody’s older.” https://ew.com/movies/the-new-mutants-reshoots-josh-boone-maisie-williams/

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                                      • Da fällt mir wieder unweigerlich eines der besten "Durch die Nacht mit..." ein, in dem der - sehr oft betonte - Künstler Lars Eidinger auf Oskar Roehler trifft. Besonders unangenehm wird es dann, als am Ende noch Oliver Masucci dazukommt und gewissermaßen zwischen die Fronten gerät und nun wirklich alles versucht, um sich aufs Billardspielen zu konzentrieren: https://www.dailymotion.com/video/x6kfmae

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                                        • colorandi_causa 25.02.2020, 16:00 Geändert 25.02.2020, 16:02

                                          Es wäre wünschenswert alle Kommentare aufklappen zu können, statt sie direkt beim zweiten Mal komplett neu laden zu müssen und auf einer Seite zu landen, auf der der Artikel dann nicht mehr einzusehen ist.

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                                          • Wird wahrscheinlich daran liegen, dass Nora Fingscheidt ihren nächsten Film für Netflix produzieren wird. Einen Thriller u.a. mit Sandra Bullock und Viola Davies. Außerdem hat man sich Systemsprenger in vielen anderen Ländern als Exclusive eingekauft und rollt ihn dort morgen aus.

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                                            • Müssen sie ja, schließlich hat Disney auch erst gegen Ende des Jahres wieder frischen Content zu bieten. Für den Europarelease haben sie schlicht und ergreifend nix in petto. So viel zum Netflix-Killer.

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                                              • Für ältere, etwas unbekanntere Titel gibt es ein (legales) Archiv auf Youtube:
                                                https://www.youtube.com/user/KoreanFilm
                                                https://letterboxd.com/hotsake/list/korean-classic-film-youtube-channel/by/rating/

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                                                • Wahnsinn wie viel Quibi in ein Konzept investiert, dass total in die Hose gehen könnte. Aber angeblich haben sie ja schon fast alle Werbeslots verkauft. Die Produktionen sehen soweit ganz wertig aus, aber 5-10min Episoden müssen eben auch völlig neu gedacht werden, damit sie a) wöchentliches Interesse wecken und b) trotzdem als Binge funktionieren.

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                                                  • pino.tarantino in shambles. Jetzt muss er unter den zich (sic!) Artikeln von Moviepilot erklären, wie das überhaupt nicht sein kann. Irgendwas mit Grundschule, Fünfen und Gymnasium.

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