Martin Canine - Kommentare

Alle Kommentare von Martin Canine

  • Es ist offiziell: ich bin ein alter Tatagreis.
    High School Musical, meine große Jugendsünde, ist vor einem Monat 10 Jahre alt geworden. Da ich damals die männliche Variante eines kreischenden 10-jährigen Fangirls war und von daher den Soundtrack noch bei mir stehen hab, kramte ich die CD aus nostalgischen Gründen mal raus, und beschloss, eine retrospektive Review in Angriff zu nehmen. Hier das Ergebnis.

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    • Eminem gilt als einer der großartigsten Musikkünstler der Moderne. Auch ich zähle mich zu seinen Fans - offenbar auch Troublemaker69, der sich eine Review zu einem seiner Alben gewünscht hat. Der Bitte kam ich gerne nach, daher viel Spaß mit dieser Review!

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      • Völlig euphorisch nach ihren drei umwerfenden 2015er Singles kaufte ich mir Rihannas neuestes Album, zuversichtlich, dass es ihr bestes Werk seit Jahren werden würde...

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        • 8 .5

          Ich glaube, Timothy Treadwell sieht man entweder als vollkommen geisteskrank oder als absolutes Idol. Tatsächlich könnte ich mir auch vorstellen, ähnlich wie er zu sein, würde ich so viel a. Angst besitzen und b. von der Großstadt halten. Viele beschreiben Timothys Geschichte als eine tragische. Tatsächlich empfinde ich sie allerdings nicht als solche. Er denke ich mir: er hat genau das gemacht, was er liebte und starb dadurch. Gibt es einen besseren Tod als den durch etwas, was einen im Leben Freude bereitet hat? Nein.

          Timothy Treadwell war ein Aktivist und Dokumentarfilmemacher, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, sich für Grizzlybären einzusetzen und die Menschheit davon zu überzeugen, es ihm gleichzutun und die Jagd auf besagte Geschöpfe einzustellen. Der Tierschützer war aber auch anderen Tieren zugetan. Seine Berufung sah er darin, mit seiner Kamera im Schlepptau einen Großteil seiner Zeit in einem Schutzgebiet zu verbringen und den Leuten das Leben und die Gefühlswelt der Bären näherzubringen.
          Nach 13 friedvollen Jahren wurde Treadwell 2003 von einem Bären getötet. Der Film zeigt gleichberechtigt sowohl ungefiltertes Bildmaterial des Aktivisten als auch postume Interviews mit Freunden, dem Piloten, Personen aus der Umgebung, dem Gerichtsmediziner und anderen.

          Es gibt eine Stelle, an der Timothy meint, er würde für die Tiere sterben. Er wiederholt diesen Satz 3 mal, seine Stimme wird immer bestimmter. Keine Ironie des Schicksals; der Mann wusste, wovon er spricht und er wusste auch, wie gefährlich das war, dass er tat. Das sagt er in der ersten Einstellung und fortlaufend über den Film hinweg. Er hat bewusst gegen Sicherheitsmaßnamen verstoßen, um den Bären näher sein zu können. Er würde von einigen Touristen dafür auch verhöhnt, die wussten, dass er sich irgendwo im Dickicht befindet und beobachtet. Zwar entwickelte der Mann in seiner zeitweiligen Isolation einen leichten Verfolgungswahn, dennoch war er sich seiner Handlungen äußerst bewusst.
          Ein zentraler Punkt der Doku ist ein Band, welches seinen Tod akkustisch aufgezeichnet hat. Wir bekommen es nie zu hören, obwohl es oft besprochen wird. Wir erfahren aber ein essenzielles Stück im Puzzle um das Leben von Timothy Treadwell: als er starb, hat er sich nicht gewehrt, sondern sein Schicksal akzeptiert. Lediglich seine Mitreisende wollte er retten. Es gelang ihm nicht.

          Treadwell konnte wunderschöne bewegte Bilder der Bären einfangen.
          Für mich liegen die wahren kostbaren Augenblicke allerdings in den Momenten mit den Füchsen. Denn hier wird selbst dem stärksten Kritiker klar, dass diese Tiere eine enge Bindung zu Timothy aufgebaut haben. Dass die wilden Tiere Zutraulichkeit, Vertrauen und Kameradschaft verspüren. Sie weichen ihm kaum von der Seite. Und wer schon einmal ein Video aus Oklahoma gesehen hat, wo Hausfüchse erlaubt sind (sofern die Bedingungen stimmen), der weiß auch, dass man diese ungestümen Rabauken zwar nie und nimmer zähmen, sich aber durchaus sehr eng mit ihnen anfreunden kann. Treadwell fing diese enge Freundschaft perfekt ein.
          Leider hatte er den Fehler gemacht, auch den Bären diese Fähigkeit zuzusprechen. Diese Tiere funktionieren jedoch komplett anders. Sie können dulden und nebeneinander leben, aber kaum wirklich Vertrauen fassen.

          Regisseur Werner Herzog widerspricht Treadwell mehr als einmal. Das sagt er offen. Aber er respektiert ihn, und versucht nie, ihn zu widerlegen oder als falsch offen zu legen. Er macht sich nicht über ihn lustig. Im Gegenteil: er hat sehr großen Respekt vor ihm. Und darin liegt auch die Stärke seines Dokumentarfilms. Seine Meinung existiert neben der von Treadwell. Und wer nun recht hat, bleibt dem Zuschauer überlassen. Ein ungemein neutraler Film, obwohl der Erzähler ganz deutlich seine subjektive Meinung preisgibt. Die filmischen Stilmittel offenbaren auf beiden Seiten schlüssige Standpunkte.

          Tatsache ist, der Bär, der Treadwell und seine Freundin getötet hat, gehörte nicht zu denen, die der Tierschützer beobachtete und aufzeichnete, sondern von einer Gruppe Bären, die zum Winterschlaf herkamen. Anders als die Jahre zuvor reiste er nicht mit dem Ende des Sommers ab, sondern blieb bis in den Oktober hinein, da er am Flughafen Probleme hatte. Gibt es also doch unterschiedliche Persönlichkeiten von Bären? Kommt es darauf an, wann man sie kennenlernt? Oder hatte Treadwell davor nur Glück? Ich kann es nicht wissen, denn ich habe selbst nie Zeit mit Bären verbracht und habe es auch nicht vor. Ich habe aber aus der Geschichte mitgenommen, dass etwas, das für den einen ein "tragischer" Todesfall ist, für den anderen, sofern er denn dem Tod ins Auge blicken muss, ideal erscheint. So nehmen die einen "Grizzly Man" als negativ geprägten, deprimierenden Film wahr, andere als einen versöhnlichen. Ich gehöre zur zweiten Gruppe. Und kann vor Timothy Treadwell nur meinen imaginären Hut ziehen.

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            Martin Canine 21.02.2016, 15:18 Geändert 18.02.2017, 02:48

            Quentin Tarantinos „The Hateful Eight“ ist ein radikaler Film, er ist eine zeitweise grenzwertige und zeitweise intelligente, zeitweise witzige und zeitweise verstörende Zurschaustellung bester Filmkunst, auch, wenn ein mancher, selbst, wenn er mit dem nicht gerade für seine Zimperlichkeit berühmten Filmemacher bestens vertraut ist, schockiert sein dürfte. Hier wird niemand geköpft und das Blut spritzt literweise, hier wird einer Frau mehrfach so hart ins Gesicht geschlagen, bis ihre Zähne abbrechen und dem Gegenüber ins Gesicht gespuckt werden. Und wir wissen nicht, ob wir dieser Handlung jubelnd zustimmen oder mit Abscheu entgegentreten sollen. Die hasserfüllten 8 tragen ihren Namen zurecht, denn ihr Hass sitzt so tief, ist so grausam, dass wir jedes Mal, wenn der Hass einer Figur von dem einer anderen niedergewalzt wird, in Konflikt geraten – ist die immense Brutalität, physisch wie mental, wirklich gerechtfertigt? Oder ist sie sogar zwingend notwendig?

            Acht Leute finden sich im späten 19. Jahrhundert während eines Schneesturms in einem Miederwarengeschäft wieder. Zunächst schleppt Kopfgeldjäger John „Der Henker“ Ruth in einer Kutsche die gefährliche Gefangene Daisy Domergue an, die er in der Stadt Red Rock hängen lassen will. Auf dem Weg trifft er einen alten Bekannten, den afroamerikanischen Berufskollegen Major Warren, den er mitnimmt, da er sich entsinnen kann, dass dieser im Besitz eines Briefes von Abraham Lincoln ist. Wenig später steigt der extrovertierte Südstaatler Chris Mannix hinzu, der behauptet, in Red Rock in den Stand eines Sheriffs erhoben zu werden, was ihm aber keiner so recht glauben will. Als sie in dem Laden Rast machen wollen, treffen sie auf den Mexikaner Bob, der meint, Ladenbesitzerin Minnie hätte ihn beauftragt, das Geschäft zu leiten, während sie zu ihrer Mutter gefahren ist. 3 Gäste haben ebenfalls bereits Unterschlupf gesucht: der gebildete Henker Oswaldo Mobray, der introvertierte Cowboy Joe Gage und der rassistische General Sandy Smithers. In der ohnehin bereits klaustrophobischen Atmosphäre macht sich großes Misstrauen breit, als Ruth seinen Verdacht äußert, einer der Männer stecke mit Daisy unter einer Decke, um sie zu befreien – was die Räuberin auch bestätigt...

            Zunächst einmal möchte ich mit einem weitverbreiteten Irrglauben brechen, „The Hateful Eight“ sei einer der schwächeren Tarantinos. Ich halte ihn für einen der besten. Vielleicht sogar besser als 'Inglourious Basterds' und auf einer Augenhöhe mit 'Reservoir Dogs'. Woher kommen die Vergleiche mit 'Jackie Brown', seiner unoriginellsten, glattgebügeltsten und witzlosesten Arbeit?
            „The Hateful Eight“ ist Tarantino in Höchstform. Und das in guter, alter Tarantino-Manier. Mit Tarantino-Dialogen, Tarantino-Figuren, Tarantino-Zynismus. Ja, viel, viiiieeeel Tarantino-Zynismus.

            Zugegebenermaßen sah ich mich von Quentins Vorgängerfilm 'Django Unchained' geringfügig enttäuscht. Zwar besitzt er inhaltlich, schauspielerisch, dramaturgisch und inszenatorisch eine hohe Brillanz, wie man es von dem Ausnahmetalent gewohnt ist, allerdings lässt er das für den Filmemacher so typische Lebensgefühl vermissen. Zu glänzend, zu gestochen scharf, zu geradlinig und viel zu wenig nostalgisch ging er zur Sache - es wirkte wie die Blockbustervariante eines Tarantinos. Das Fehlen jedweden Drecks brachte dem Werk ein steriles Ambiente ein, welches den Charme seiner besten Werke etwas vermissen ließ, und auch die Einflüsse europäischen und asiatischen Kinos waren so gut wie nicht vorhanden. Tatsache ist, er wirkte tatsächlich wie das, was er war: ein US-amerikanischer Film aus den 2010er Jahren. Zusätzlich wirkten einige der durchaus kultverdächtigen Wortgefechte etwas zu ausgedehnt. Ich spreche hier von Meckern auf hohem Niveau (9 Punkte), von Tarantino bin ich allerdings uneingeschränkt höchstes Niveau gewohnt.

            Nun, das Erste, was mir "The Hateful Eight" schon einmal sympathisch gemacht hat: er ist die geballte Ladung Schmutz. Rauer, brodelnder Schmutz. Das Ambiente von Minnies Miederwarenladens erinnert ein wenig an die Bar, die dem Hauptteil der ersten Hälfte seines schmutzigsten Filmes 'Death Proof' einen Handlungsort gab, wobei das Drehbuch jedoch die ausgefeilte Raffinesse und punktgenaue Perfektion seines Meisterwerkes 'Inglourious Basterds' aufweist. Ohne dabei aber so zart zu sein wie der französische Flair von besagtem Nazi-Epos. Wie gewohnt punkten sowohl Skript als auch Regie durch ein absolut grandios gesetztes Timing, was sowohl Witz als auch Ernst angeht. Völlig unvorbereitet bricht sowohl die härteste Gewalt (und ich spreche nicht nur vom Blutgehalt, sondern auch von der Grausamkeit besagter Szenen) als auch der treffsicherste Humor herein.
            Obwohl es sich hier neben 'Reservoir Dogs' um den ernstesten Film des Autorenfilmers handelt, schießt er mit den immer wieder anzutreffenden Gags vollkommen ins Schwarze - weil sie unvorbereitet kommen. Eine sentimentale, pathetisch anmutende Szene mit dem Lincolnbrief findet ein jähes Ende, als Daisy auf das Papier spuckt und Warren sie daraufhin aus der Kutsche schlägt – wodurch John Ruth jedoch aufgrund der Handschellen mitgerissen wird und Beide den Schneehügel hinabrollen. Es hat schon etwas ziemlich Slapstickhaftes. Genauso verhält es sich jedoch auch mit der teils durch horrorähnliche Musik (genial: Ennio Morricones Score) noch verstörender wirkenden Brutalität, in der zum Beispiel ohne Vorwarnung auf eklig realistische Weise zwei Minuten am Stück Blut erbrochen wird, währenddessen eine überaus brutale Schlägerei einer anderen Figur Zähne kostet (siehe erster Absatz). Sequenzen wie diese kommen aus dem Nichts, hallen jedoch nach. Hier findet man keinen Hubbel, der Fahrgästen Gesichter kostet – die Gewalt ist, wie der Titel nahelegt, zutiefst hasserfüllt.

            Weiters flechtet der Film grandios die Rassenfrage ein, denn das Setting unmittelbar nach dem Sezessionskrieg bebildert ein in Lager gespaltenes Amerika, welches sich in Völkergruppen, Hautfarben, Geschlechter und Zugehörigkeiten aufteilt. Doch es gibt noch einen Hoffnungsschimmer. Obwohl sich der Film mit Hass, und zwar auf mehreren Weisen, auseinandersetzt, vergisst er auch nie seinen Unterhaltungswert. Er ist Krimi, Western, Horror und Actionkomödie – vor Allem aber Kammerspiel.

            „The Hateful Eight“ ist brillantes Geschichtenerzählen, und absolute Vollkommenheit, ohne aber in eine zermürbende Sauberkeit abzudriften. Es ist der Tarantino, den wir lieben gelernt haben. Der uns mit 'Pulp Fiction', 'Kill Bill' oder 'Inglourious Basterds' Filme beschert hat, die jeden ansprechen können, egal, ob er nun Arthaus, Trash oder Mainstreamkino mag – letztlich sind seine Filme alles und nichts. Der Regisseur erzeugt einen steten Fluss, dessen reißende Strömung mit ansteigender Laufzeit immer einnehmender wird. Es sind kleine Details, wie die immer wieder von alleine aufgehende Türe, die erst mit 2 Brettern festgenagelt werden muss, oder die Tatsache, dass eine Figur 5 Zuckerstangen kauft, oder aber die Geschichte um ein seit Jahren im Laden hängendes Schild. Es sind genau diese Miniaturideen, die das große Ganze formen. Zeitgleich arbeitet der Film jedoch auch mit größeren Themen, etwa wird besprochen, warum eine Hinrichtung immer ohne Leidenschaft vonstatten gehen muss, oder, was in einem Krieg an Methoden gerechtfertigt ist.
            Dazwischen nimmt sich der Film immer wieder Zeit, in denen er seine Handlung pausiert, um Platz für Episoden zu schaffen, denen wir an den Lippen kleben, und für kurze Zeit deren Kontext vergessen. Nach diesen Szenen sind wir aber gespannt, wohin uns die unvorhersehbare Handlung führt. Eine der eindringlichsten und kaltblütigsten solcher Episoden stammt von Warren, der mit einer eisigen, unbehaglich beruhigenden Stimme ohne an Details auszusparen erzählt, wie er einen Mann getötet hat, und ihn dabei so sehr leiden ließ, wie nur geht. Erst danach fährt die Story fort, und wir werden wieder zurückgeworfen.

            „The Hateful Eight“ ist Tarantino, wie er leibt und lebt, in altbewährter Größe, seiner selbst treu geblieben, und trotzdem frisch und unverbraucht wie eh und je. Eine großartigere Zeit mit Filmen kann man schlicht und ergreifend nicht finden. Das erste Mal seit Jahren fühlte ich wieder dieselbe Euphorie, die ich mit 15 gefühlt habe, als ich begonnen habe, die Filmwelt zu erkunden.

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            • Nach einer eher negativen Review zu einem 2015er Rap-Album... seht hier wie man es richtig macht!

              • 'N neuer Tag, 'ne neue Review!

                Der gute Troublemaker69 hat sich eine Review zu Bushidos letzten Soloalbum "CCN III" gewunschen, da dachte ich mir, warum ihm nicht diesen Wunsch erfüllen?
                Hier also meine Meinung zum Album des Deutschrappers.

                Viel Spaß!

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                • Hallo!
                  Das PopReview-Format geht in die nächste Runde. Mit dem nächsten großen Popstar des 21. Jahrhunderts.
                  Viel Spaß!

                  • Mann ist der Film leicht zu erraten...

                    ...der Wauzi-Film natürlich!

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                    • So, ein mehr oder minder neues Format!

                      Ich habe bereits früher Musikreviews gemacht, wenn ich weniger zum Filmschauen kam, jetzt wurde es von der Kommisektion in ein eigenes Format verwandelt.
                      Statt Punkten vergebe ich zwischen einem und fünf Sternen, inklusive Halbschritten. Ich bewerte innerhalb des Genres, wobei hier trotz des Namens des Fornats nicht nur, wenngleich vorwiegend Popmusik reviewt wird.
                      Man kann mir auch gerne Alben zur Review vorschlagen.
                      Viel Spaß damit!

                      Lg
                      Martin

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                      • 8 .5

                        "Die Schüler der Madame Anne" vereinigt zwei Grundprämissen, die es bereits mehrfach in der Filmgeschichte gab, in allen Farben und Formen, und die es neben einigen gigantischen und hochwertigen Vertretern verdammt schwer haben noch zu überzeugen: zum Einen folgt er dem beliebten Motiv "ein fabelhafter und kreativer Lehrer verändert das Leben einer auf die ein oder anderen Weise verloren geglaubten Klasse", zum Anderen versucht er, an die grausamen Verbrechen der Nationalsozialisten zu erinnern. Ironischerweise funktioniert der Film auf beiden Ebenen, und zwar immer mit Hilfe der anderen. Durch die enge Verbindung der beiden Grundideen, die hier aufeinanderprallen, bekommen alle zwei einen gewissen frischen Touch.

                        Der Film spielt an einem Gymnasium in einem Vorort von Paris, an welchem die soziale Unterschicht, die quasi "hoffnungslosen Fälle", unterrichtet wird. Die Schüler sind unterschiedlicher ethischer Herkunft und kommen oftmals miteinander nicht klar. Unverständnis und Respektlosigkeit anderer Religionen und Kulturen gegenüber bestimmen den Alltag. Da sich eine Lehrerin, Anne Gueguen, allerdings dafür einsetzt, dass man einer als besonders schlimm geltenden Klasse eine wirkliche Chance gibt, sich mit einer Sache intensiv auseinanderzusetzen und im Einklang zu agieren, bietet sie ihr an, an einem Wettbewerb zum Thema "Kinder und Jugendliche in den Konzentrationslagern der Nazis" teilzunehmen. Zunächst wenig begeistert beginnen die Schüler, sich nach erstem Eintauchen in die Materie ambitioniert weiter mit ihr auseinanderzusetzen...

                        In französischen Schulen ist das Tragen jeglicher religiöser Merkmale untersagt. Seien es Kopftücher, Kippas oder Kreuze. Eine Idee, der ich sehr negativ gegenüberstehe. Letztlich gehört es zum individuellen Stil eines jeden, und wer sich religiös zeigen will, soll dies auch tun. Ich protestiere nur gegen religiöse Symbolik, die ganz offiziell in Klassenzimmern hängen, wie etwa Kreuze an der Wand, was Überlegenheit eines Glaubensbekenntnisses suggeriert. Immer wieder ist im Film zu sehen, wie Schülern religiöse Accessoires weggenommen oder untersagt werden. Und diese Anspannung liegt auf dem ganzen Campus, der gerade vor Culture Clash überschäumt. Doch anstatt der Reduzierung der Wichtigkeit von Herkunft und Bekenntnis beginnen die Schüler, dies verbal deutlich zu machen und sich von Personen, die nicht ihrer Ethik oder Religion entsprechen, abzugrenzen. Eine Vermutung meinerseits, richtig nachvollziehen lässt es sich wohl nur, wenn man in den französischen Banlieues lebt.

                        Der große Pluspunkt von "Die Schüler der Madame Anne" lautet: Verzicht auf Künstlichkeit. An pathetischer, märchenhafter Dramaturgie wird gänzlich eingespart, die Figuren sind keine Schablonen, um die Story voranzutreiben, schäumen aber auch vor Dramatik nicht über. Sie wirken tatsächlich wie Schüler einer Schulklasse, und der Zuschauer wird einige Zeit als Beobachter hinzugeschickt. Durch das Einsetzen von unerfahrenen Laiendarstellern als Schüler wird ein glaubhaftes und nicht gestellt und inszeniert erscheinendes Bild erschaffen, bei dem kaum ein Zweifel daran besteht, dass die Schauspieler hier und da improvisierten und ihre eigene Note miteinbrachten.

                        Ein weiterer Triumpf ist die halbdokumentarische Aufarbeitung des Spielfilms, die hier sinnvoll und stilistisch wie inhaltlich passend umgesetzt wird und so für mehr Glaubhaftigkeit sorgt. Es gibt eine Szene, in der die Klasse einem Zeitzeugen der Nazizeit lauscht, der sich selbst verkörpert und seine echte Geschichte erzählt. Hier nimmt sich der Film ausgiebig Zeit und friert die Story einige Minuten ein, in denen wir ausschließlich seiner Geschichte zuhören. Momente wie diese, sowie eine zwar nicht allzu wackelige aber dennoch klar als solche erkennbare Handkamera sorgen für noch mehr Authenzität.
                        Außerdem stellte sich bei mir ein ähnliches Gefühl ein wie bei den Schülern. Wie oben erwähnt stehe ich Filmen mit Holocaust-Thematik generell etwas skeptisch gegenüber, da aus diesem Subgenre mit Filmen wie "Schindlers Liste" oder "Das Leben ist schön" eigentlich bereits das Meiste herausgeholt wurde und es äußerst schwierig ist, hier noch etwas Innovatives zu bringen. Zeitgleich sind derartige Werke enorm wichtig, um niemals zu vergessen, was geschah, und solange es ein solcher Film schafft, negative Gefühle im Publikum auszulösen (sei es Trauer, Belastung oder Wut), ist er eigentlich ein aus rein moralischer Sicht wichtiges Werk. Hier rebelliert der Filmfan gegen den Linksliberalen. Ich hatte die Befürchtung, "Die Schüler der Madame Anne" würde so ein Film werden. Dennoch macht er im Grunde alles richtig, da er das schwere Thema in eine klassische Schultragikomödie einbindet.

                        Zwar schneidet er das Thema nicht nur an, aber er dosiert es richtig und filtert ausschließlich die für einen Spielfilm interessantesten Aspekte heraus, so kalt das auch klingen mag.
                        Es ist immer ein erschütterndes Erlebnis, einem Zeitzeugen zuzuhören (die leider immer weniger werden), und so gibt ihm der Film einen respektablen Anteil seiner Laufzeit, um zu dokumentieren, was er gesagt hat. Auch die Materialien, welche die Schüler analysieren, werden überaus gut eingefangen. Eine Kollage von Bildern der eintätowierten Zahlen auf den Armen der KZ-Insassen führt so zur Frage, wer sich hinter diesen Armen befindet. Ein Graphic Novel mit Auschwitzthematik wird verglichen mit realen Aufnahmen aus den Lagern. Es wird gefragt, warum der Zeichner den Figuren ihre Kleidung ließ, obwohl sie im realen Leben nackt waren.
                        Je weiter sie sich mit dem Thema auseinandersetzt, desto interessierter ist die Klasse. Und je länger ich beim Film zusah, desto mehr mochte ich ihn.

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                        • Hallo, Moviepiloten!

                          Wer kennt es nicht?: ihr seht einen Film und auf einmal ertönt DER Song. Ihr habt ihn zuvor noch nicht gehört, da er extra für dieses Werk aufgenommen wurde, aber danach könnt ihr nicht genug davon bekommen.
                          Auch mir geht es recht oft so und daher präsentiere ich euch nach reichlicher Überlegung meine Top 20 der liebsten Filmsongs. Natürlich nur aus rein subjektiver Perspektive.
                          Viel Spaß!

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                          • ?

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                            Eine EXTREM wichtige Frage hätt ich.
                            Dar ich den Film nicht gesehen habe, nur das gleichnamige Prince-Album besitze, ob der Song "When Doves Cry" auch im Film vorkommt oder nur auf der CD drauf ist. Weiß da jemand was? Im Internet steht nichts genaueres und Videos zu Prince findet man ja ohnehin kaum im Netz...

                            Lg
                            Dingo

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                            • Aha. Und ab wieviel Jahren sind bei euch in Frankreich Requiem for a Dream, Scream, Scarface, Freitag der 13., Django Unchained, Watchmen, Verblendung. From Dusk Till Dawn, Sin City, 300, Kick-Ass, Tanz der Teufel, Ichi the Killer und neuestens Hateful 8 nochmal freigegeben? Interessant.

                              Okay, der Fairness halber muss man sagen, dass das Verbot nur vorrübergehend ist, bis er überprüft wurde. Der wird wahrscheinlich ab 16 bleiben.

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                              • Martin Canine 02.02.2016, 17:48 Geändert 02.02.2016, 17:49

                                Hallo Moviepilot!
                                Ich hätte da mal eine Frage: was sind nach filmischen Kriterien (Story, Schauspieler, Emotionen,...) die besten Pornofilme aller Zeiten?
                                Es soll ja vor Allem in den 70ern einige Porno-Kinofilme gegeben haben, die auch qualitativ und cineastisch hochwertig waren. Was kann man aus diesem Genre empfehlen?
                                Diese Frage ist ernst gemeint.

                                Lg
                                Martin

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                                • HALLO MOVIEPILOT!

                                  Vor einem Monat ging 2015 zu Ende. Genug Zeit, noch einmal darüber zu reflektieren, was sich darin musikalisch so getan hat. Kurz und bündig: hier sind meine 20 liebsten Songs aus dem letzten Jahr.
                                  Diesmal übrigens wieder auf einer einzigen Seite. 20 Videos sins wohl leichter zu verarbeiten als 60^^.

                                  Und was sind eure liebsten Songs aus 2015?

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                                  • Um Gottes Willen, das... ist ein Traum <3
                                    Ich habe zwar nicht alle davon gesehen, aber doch einige als Kind... Nostalgie!!!
                                    Bitte macht was Tolles draus.

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                                    • 8 .5
                                      Martin Canine 28.01.2016, 15:22 Geändert 29.01.2016, 11:36

                                      (SPOILER zum ERSTEN Film)

                                      Filme wie "Rampage: Capital Punishment" legen es geradezu darauf an, kontrovers diskutiert zu werden, und werden bereits mit dem Wissen um die bevorstehenden hitzigen Meinungsaustausche gedreht - ziehen aber genau daraus ihre Konsequenz. Wie bereits beim ersten "Rampage"-Film lässt sich über den Inhalt des Independentwerkes gut und gerne stundenlang diskutieren. Es ist ein Film von hartem Radikalismus und fragwürdiger Moral, wie auch Uwe Boll, der ihn inszeniert und geschrieben hat, selbst eine radikale und umstrittene Person ist. Besonders knifflig wird hierbei die berechtigte Frage, inwiefern Hauptfigur Bill Protagonist bzw. Antagonist der Reihe ist. Er sagt schlüssige Dinge auf psychopathische Weise.

                                      Was ist bisher geschehen?
                                      Nachdem er eines der brutalsten Massaker Amerikas angerichtet hat, gelang es Bill, unerkannt zu fliehen und unterzutauchen. Über Videos bekannte er sich zum Amoklauf und erklärte seine linksextremen Standpunkte: die Menschen beuten den Planeten aus und die Industrie und die Reichen haben zu viel Macht. Durch die Clips hat er sich eine große, aber stille Gefolgschaft angelacht, die ihn online als eine Art Sektenführer vererhrt. Nachdem er 2 Jahre im Verborgenen blieb, begibt sich Bill in ein TV-Studio, nimmt die MitarbeiterInnen als Geisel und verschanzt sich im Keller. Seine Forderung: eine ungeschnittene Fernsehausstrahlung eines seiner Videos und ein Live-Interview.

                                      Trotz intensiver Schießsequenzen ist "Rampage 2" kein Actionfilm. Je nachdem, was man in ihn hineininterpretiert ist er Psychogramm, Psychothriller oder Propagandafilm. Boll lässt seine Hauptfigur Dinge sagen, die vielen aus der Seele sprechen. Im Grunde kritisiert er die Kluft zwischen Arm und Reich, die schlechte Politik, das Waffengesetz, Korruption, die Ressourcenverschwendung, die Wichtigkeit der Medien und die Strukturen und Werte unserer Gesellschaft. Er ist aber dabei keineswegs friedlich - er fordert Gewalt. Man solle die Bösen umbringen, egal, wie viele Leben es kostet. Seine Methoden sind sadistisch und menschenverachtend. Er tötet wahllos Unschuldige, um zu demonstrieren, was man mit dem aktuellen Waffengesetz problemlos machen kann. Er foltert Leute mental - sind sie nach seinen Vorstellungen, lässt er sie am Leben. Wenn nicht, dann nicht. Besonders grenzwertig ist eine Szene, in der Bill eine seiner Geiseln bedroht und ihm befiehlt, eine Frau zu verprügeln, was dieser auch macht. Er soll immer fester zuschlagen. Erst, als sich der Mann letztlich doch weigert, weiterzumachen, gratuliert ihm Bill zu seinem Mut. Beide überleben. Die Sequenz erinnert an Stellen des alten Testaments, als Gott seine Menschen vor Prüfungen stellt.

                                      Natürlich ist "Rampage 2" kontrovers, und gefährlich obendrein. Besonders unangenehm sind jene Monolge in den Videos von Bill, die unbequeme Wahrheiten mit nicht belegbaren Verschwörungstheorien mischen. Das Wort Illuminati fällt nicht, das muss es aber auch nicht, um zu wissen, wovon er spricht.
                                      Ich glaube ja, das Uwe Boll das Richtige meint, und sich so extrem hineinsteigert, dass er jegliche Objektivität verliert. Seinen Frust auf Hollywood (da es mit der eigenen Karriere wohl nicht geklappt hat), seinen Hass auf Pseudoökos und sein Unverständnis für Modetrends und Popkultur drückt er ebenso in Bills Gewaltexzessen aus wie seine berechtigten Zweifel und Sorgen am System. Wer einen feinfühligeren Film von Boll zu diesen Themen sehen will, dem sei zu 'Assault on Wall Street' geraten.

                                      "Rampage 2" ist ein Produkt des puren Zorns. Wie ein Jugendlicher, der sich an Spielen wie 'Grand Theft Auto' abreagiert, selbst aber nie jemanden töten würde. Das hier ist Uwes Katharsis. Mehr noch als Teil 1. Bills Beweggründe werden politischer, und er ruft die Leute auf, es ihm gleichzutun. Anarchie über Demokratie. Die Stimmung soll euphorisch werden wie vor dem ersten Weltkrieg. Und extremer als die RAF.
                                      Gott sei Dank hat Boll noch klare Momente und gab seiner Hauptfigur genug Komplexe und Psychosen, um ihn zumindest für klar denkende Leute als verrückt zu entlarven. Vielleicht ja auch ungewollt.

                                      Ja, letztlich ist "Rampage: Capital Punishment" ein schwerer Film. Und sicher keiner, der jedem empfohlen sei. Schon gar nicht Leuten, die ohnehin wenig von der Gesellschaft halten und gewillt sind, etwas zu ändern. Aber er ist filmisch einfach zu exzellent, um ihn Fans von kontroversem und andersartigem Kino nicht ans Herz zu legen. In jedem Fall ist der Film in höchstem Maße eine intensive und verstörende Erfahrung auf hohem inszenatorischen Niveau. Bei "Rampage: No Mercy" bin ich wieder dabei, auch, wenn mir zugegebenermaßen mulmig zumute ist, wenn ich mir ansehe, wo es im dritten Teil hingehen soll.

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                                        "Unknown User" wurde, wenn man sich so durch die Kommentarsection von Moviepilot liest, mit stark gemischten Gefühlen aufgenommen, und auch externe Ratings und Kritiken nehmen den Film unterschiedlich auf, sodass sich der Schnitt oft ausgleicht. Ich persönlich halte das komplett an einem Laptop spielende Horrordrama für den besten Found-Footage-Film seit 'The Blair Witch Project'. Unter Berücksichtigung des großartigen 'Cloverfield'. Dabei wirkt der Film auch wie eine Zeitkapsel - für meine Generation, die sich in einigen Jahren diesen Streifen ansehen und nostalgisch darauf zurückblicken wird, wie damals alles war. Von Skype zu Chatroulette, Streamingwebsites, Musik-Playlists, Facebook,... das ist ein Abbild der Popkultur der 2010er. Somit ist er in gewisser Weise das "Go!" (der ultimative 90s Film) der heutigen Generation, und ein quintessenzieller Beitrag zum Ära einfangenden Kino.

                                        Zugegeben, die Verwendung eines Computerbildschirms als einzige Kulisse mag erstmal etwas befremdlich wirken - ich hatte ja das Glück, den Film auf eben so einem zu sehen - ist unter den richtigen Voraussetzungen jedoch eine der innovativsten und zeitgleich intensivsten Erfahrungen, die das leider immer ausgereiztere Genre nunmehr zu bieten hat. Generell ist es schwer, im Kino etwas neues zu finden. Und gerade Horror wurde in fast allen Variationen schon dargestellt. Mal mehr, mal weniger gut. 1999 wurde uns eine der letzten wirklich innovativen Ideen, die uns die unheimliche, angespannte Stimmung greifbar nahe bringen sollte. Wenngleich 'Blair Witch' nicht der erste Film mit dieser Technik war, er revolutionierte und bewies ihre Mainstreamtauglichkeit.

                                        Aber wir müssen es einsehen: durch die unzähligen Nachahmer ist Found Footage totgetreten. Es ist genauso durchschaubar geworden wie eine Geistergeschichte oder ein klassischer Slasher. Und - ähnlich wie beim Lachen über eine Komödie - ist Vorhersehbarkeit ein Stimmungskiller im Horrorfilm.

                                        Nun kam "Unknown User" in die Kinos, und wie einst bei 'Blair Witch' wussten die Leute nicht, wo dieser Film einzuordnen ist. Denn er ist neu, und kreativ. Und das mit einer simplen und nicht minder brillanten Prämisse.
                                        Ja, so ein Bisschen hat sich das Horrorgenre immer zurückgehalten, wenn es um das Einbinden des digitalen Zeitalters ging. Zwar gelten 'Poltergeist' und 'Ring' (zurecht) als gelungene Genrevertreter, die sich dem TV und der VHS-Kasette bedienen, aber gerade das Internet wurde in der Hinsicht immer belächelt. Warum aber? Schwer zurückverfolgbare Videos, legendenhafte Creepypastas und herrenlose Blogposts eignen sich doch dazu perfekt. Wie sich das Band von 'Ring' manifestiert hat, ist irrelevant. Gerade das Unerklärliche ist unheimlich und makaber und was, wenn nicht das allgegenwärtige World Wide Web sollte sich dazu eignen?
                                        Dieses unerklärliche Element ist in "Unknown User" ein Mithörer während eines Skype-Gespräches mehrerer Freunde.

                                        Sechs Teenager sind zu Beginn in das Gespräch eingeloggt, bereit, wie gewohnt zu chatten. Doch alle Versuche, den Unknown User durch beenden und wieder anrufen zu entfernen, gehen schief. Da auch die Funktion, ihn regulär aus dem Gespräch zu kicken, nicht angezeigt wird, tut man ihn bald als Fehler von Skype ab (was, wenn man Skype kennt, gar nicht so abwägig wäre). Doch dann erhält eine der Jugendlichen eine Nachricht - und zwar von Laura Barns, die sich ein Jahr zuvor nach der Veröffentlichung eines peinlichen Videos umgebracht hat. Nach und nach werden die 6 Figuren dekonstruiert, und ihre Freundschaft als Konstrukt von Lügen entlarvt - der Unknown User zwingt sie voreinander zur Konfrontation mit ihren Fehlern und Geheimnissen. Dabei werden sie jedoch immer weniger.

                                        Wie einige gute Horrorfilme zieht auch "Unknown User" seine Qualität aus einem Gedanken: einer Art Creepypasta. Man solle einer Nachricht eines Toten nie antworten heißt es dort, und eine nette kurze Anekdote steht dabei, in der erzählt wird, was einer Person passiert ist, die das gemacht hat.
                                        Damit ist die Stimmung für das gesamte Geschehen gesetzt.
                                        Die zweite wichtige Komponente ist, dass der Film sich keine Gedanken machen muss, logisch die Gesetze der Physik zu befolgen. Er spielt in begrenztem Rahmen, auf dem Laptop der Figur Blaire. Wir sehen nur das, was sie sieht, und eben diese Begrenzung ist der große Clou. Im Grunde ist es nicht wichtig, wie die einzelnen Figuren sterben. Wichtig ist, was Blaire davon sieht. Und es gibt keine Erklärung, warum diverse übliche Skype- oder Facebook-Funktionen nicht funktionieren oder erst gar nicht angezeigt werden. Und das ist wichtig. Denn genau deswegen ist es so unheimlich. Selbst die Technik hilft uns nichts mehr. Es kann alles passieren. Horror nach Logik war nie wirkungsvoll. Wirklich gruselig ist es aber, wenn jederzeit alles geschehen kann. Ohne dass es Sinn ergeben muss. Ein Killer, der in ein Haus einbricht und Leute tötet ist die realistischere Gefahr - aber wesentlich mehr Angst bereitet mir der Gedanke, dass hier, während ich das hier schreibe, meine Tastatur von alleine zu tippen beginnen würde. Oder sich mein Handy dann nicht mehr ausschalten ließe. Und Gott sei Dank weiß der Film, dass er dabei keine hohe Brutalität nötig hat. Abgesehen davon ist "Unknown User" ein Meisterwerk des Foreshadowings. Wenn etwas passiert, wird es zynisch bereits vorher angekündigt. Viel Spaß bei der Zweitsichtung.

                                        Schade finde ich es, dass ein solcher Film verhalten aufgenommen wurde und dagegen Werke wie 'The Conjuring', die eine altbewährte Formel mehr oder minder ordentlich umsetzen, als Genrerettung gepriesen werden (freilich bleibt das Horrorgenre eines der subjektivsten, wobei ohnehin jeder Film subjektiv zu bewerten ist).
                                        Natürlich ist "Unknown User" ein Experiment, dass nur einmal funktioniert. Und er wird kein Einzelfall bleiben. Bereits jetzt gibt es Nachahmer und man spricht bereits vom Subgenre des Cyberhorror. Auch Sequels werden nicht ausbleiben. Hin und wieder wird unter den Trittbrettfahrern ein überraschend guter Film sein. Dass ich jedoch noch einmal so positiv davon sprechen werde, hoffe ich zwar, wage ich aber zu bezweifeln.

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                                        • EXTRABLATT!
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                                          • Ich liebe es einfach, wie das Dschungelcamp hier schon seit Jahren entgegen der immer wieder kehrenden Kritik der User gefeiert wird. Weiter so!

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                                            • Also ich stehe voll und ganz hinter der Entscheidung.
                                              Mag vielleicht Political Correctness sein. Ist das was Schlechtes? Es steht der Rolle und der Logik des Universums in keinster Weise im Weg. Was anderes wäre, wenn sie dieses Stück verfilmen würden und die erwachsene Hermine mit einer Schwarzen besetzt. Das würde die Kontinuität stören.
                                              Auf diese Weise erhält man eine rein positive, starke, kluge schwarze weibliche Figur. Und davon gibt es immer noch zu wenig.
                                              Seien wir ehrlich: wenn man einer Minderheit angehört freut man sich immer, wenn ein Vertreter dieser mal derartig dargestellt wird.

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                                              • Hallihallo!

                                                Es war ja abzusehen, dass ich mit den 20 Plätzen nicht auskomme. Ich liebe Musik einfach und aus den 90ern gibt es wesentlich mehr Alben, die ich richtig genial finde und die mir Freude bereiten.
                                                Deshalb habe ich sie, wie bereits zuvor die Liste meiner liebsten Alben aus dem 21. Jahrhundert, auf 40 Plätze erweitert.
                                                Und um ehrlich zu sein, ich bin mir im Nachhinein nicht ganz sicher, ob die Plätze 24-21 nicht doch in meine Top 20 hätten kommen sollen.

                                                Na dann, viel Spaß!

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                                                  In der Ruhe liegt die Stärke von "Hana-Bi". Selbst seine heftigen Gewaltspitzen strahlen eine gewisse Behutsamkeit und Wärme aus; auch, als ein Mann eines seiner Augen mit Essstäbchen ausgestochen bekommt, wirkt es durch die ruckartige Weise, mit der unser Protagonist, der Ex-Polizist und Bankräuber Nishi, vorgeht, als würde er schnell wieder seine Ruhe haben wollen. So, als würde er ein Buch zuklappen, es beiseite legen und einen Spaziergang machen.
                                                  In Nishis Leben geht es gerade nicht sehr sonnig zu. Nachdem ihr Kind gestorben ist, leidet seine Frau an unheilbarem Krebs, er ist hoch bei den Yakuzas verschuldet und bei einer blutigen Auseinandersetzung mit einem Kriminellen verliert einer seiner Kollegen das Leben und ein anderer die Fähigkeit, zu gehen. Letzterer vertreibt sich seine viele freie Zeit mit dem Malen von Bildern. Eines nach dem anderen. Nichts scheint Nishi so wirklich aus der Fassung zu bringen. Mit starrem Blick und nur dann einen Satz sagend, wenn er es wirklich für nötig erachtet, streift er durchs Leben und man könnte meinen, in all dem Leid, das ihm umgibt, sieht er eine Art bizarre, schwarze Komik. Und dabei bleibt die Frage offen, inwiefern er bereits so war, bevor es mit seinem Leben den Bach runterging. Auf dem Gesicht des Mannes, der seine Kollegen verwundet bzw. getötet hat, schießt er sein Magazin leer. Aber er tut es mit Gefasstheit, mit Stille und wortlos. Fast schon obligatorisch.

                                                  Gespielt wird Nishi von Beat Takeshi, dem schauspielenden Alter Ego von Autorenfilmer Takeshi Kitano, den meisten westlichen Zuschauern wohl bekannt durch seine Rolle als Antagonist und Lehrer in 'Battle Royale'.
                                                  Kitano erlitt 1994, 3 Jahre vor Veröffentlichung dieses Films einen Motorradunfall, der seine rechte Gesichtshälfte lähmte. Während der Genesung malte der Filmemacher eine Vielzahl an Bildern. Diese sind im Film als Arbeiten von Nishis verkrüppelten Kollegen zu sehen. Ein großer Trumpf von Kitano ist es auch, deutlich dramatisierte Inhalte so zu erzählen, dass sie wie Hügel und Hubbel des Lebens wirken. Ganz häufig fokussiert er die kleinen Dinge, wie etwa das Plätschern von Wasser auf Füßen oder ein einzelner Feuerwerkskörper, der nicht zünden will.

                                                  Trotz seiner hohen Brutalität und seinen besonders schweren Themen ist "Hana-Bi" ein vergleichsweise leichter Film, der überraschend versöhnlich wirkt. Es gibt tatsächlich Momente in diesem Drama, die so voller Lebensfreude stecken, als würden wir uns auf einer wundervoll schönen Traumreide befinden. Besonders die Momente mit Nishis Frau strahlen Freude und Wärme aus. Das Geld, welches unser Protagonist auf diversen unmoralischen Wegen erhält, gibt er dafür aus, seiner Frau gegen Ende ihres Lebens diverse Ausflüge zu ermöglichen. Derselbe Mann lässt ein paar Szenen zuvor ein Messer über das Gesicht eines am Boden liegenden Yakuzas fallen. Der Gangster fängt das Messer im letzten Moment. Es ist Nishi egal. Ganz gleich, ob es ihn getötet hätte oder nicht, die Reaktion des Ex-Cops wäre dieselbe gewesen.
                                                  Vielleicht ist Nishi aber auch an einem Punkt, an dem ihm schon alles egal ist und er nur mehr für den Moment lebt. Nachdem ihm ringsum gezeigt wird, wie schnell alles vorbei sein kann.

                                                  Takeshi Kitanos Hauptfigur ist trotz ihrer hart einbrechenden Gewalt eine sehr introvertierte Figur. In seinen Augen ist immer eine gewisse Besonnenheit, obwohl man ihm stets genau ansieht, dass er viel Leid durchlebt hat. Wie ein alter Mann, der beide Weltkriege durchlebt, Tod und Verstümmelung gesehen und Familie und Freunde sterben sehen hat, nun aber im Wirtshaus sitzt und genießt, was das Leben ihm bietet, und schlimme Dinge schon fast als Scherz und Laune der Natur ansieht.
                                                  Nur ist Nishi noch nicht alt, und zu verstrickt in Extreme, um sich entsprechend mit der Welt zu einigen.
                                                  Ist er eine gute Person? Schwer zu sagen. Die Gewalt trifft so kalkuliert und kaltblütig ein, aber immer nur auf "böse" Leute. Außergewöhnlich sanft ist er zu denen, die Trost brauchen und weniger besitzen. Er versorgt die Witwe seines getöteten Kollegen und genießt mit seiner Frau die Wunder dieser Welt. Und selbst, wie er diese Zeit mit ihr verbringt wirkt sehr zart: er besichtigt den Fujiyama, er lässt einen Feuerwerkskörper in losgehen, beobachtet Drachensteiger. Im Grunde ist Nishi eine einfühlsame und sensible Figur, aber eine, die vom Leben und der darin vorkommenden Brutalität gezeichnet ist.
                                                  Die farbenprächtigen Bilder erfreuen sich vor Allem an der natürlichen Vielfalt und den Formen, die der Planet zu bieten hat, kontrastiert sie aber mit der japanischen Großstadt, die zeitweise relativ behutsam aber auch relativ groß und auf fremde Weise imposant wirken. Beide Welten haben etwas malerisches und heimisches an sich, was durch die grazile Musik von Joe Hisaishi, hierzulande als Stammkomponist von Hayao Miyazaki bekannt, noch verstärkt wird.

                                                  "Hana-Bi" ist zur Gänze frei von Pathos oder groß angelegtem Trubel, er zieht seine Wirkungskraft aus dem Gemächlichem und einer zurücknehmenden Inszenierung und Erzählung, bei der insbesondere die feine und präzise Ausarbeitung der Figuren und ihrer Situationen im Vordergrund steht. Wer verlernt hat, genau zuzusehen und mitzufühlen, wird meinen, dass hier nicht viel los ist und die wortkarge Inszenierung nicht sonderlich reich an Emotionen ist. Das genaue Gegenteil ist der Fall: im Mikrokosmos eines Augenschlags werden zutiefst authentische Gefühle und Gedanken vermittelt. Und zwar in überschwänglichen Mengen.

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                                                    Eigentlich sollte mir "Der einzige Zeuge" nicht so gut gefallen. Amische sind genau genommen eine Subkultur und ich lehne vehement Filme ab, bei denen Angehörige einer Subkultur meinen, die Darstellung wäre inakkurat. Ich weiß durch Filme wie 'Finsterworld' oder die 'CSI'-Episode 'Der pelzige Rivale' selbst, wie ärgerlich es sein kann. Während ersteres Beispiel "nur" penetrant reißerisch und überdramatisiert ist, ist die Darstellung in zweiterem schlichtweg falsch, fehlinterpretiert und undifferenziert. Vielleicht auch deswegen habe ich ein großes Problem damit, wenn sich Filme, Serien oder Dokus solche Themen vorknöpfen und dann a la Freakshow zur Schau stellen oder schlecht recherchieren. Ich hasse "Wenn die Welt uns gehört" über die Satanistenszene, den ich mit ein paar Klicks widerlegen kann und der kein noch so unschönes Klischee auslässt. Mir ist sauer aufgestoßen, als bei einer Reportage über Cosplayer, bei der selbst vor Begriffen wie "Anime" oder "Manga" das Wort "sogenannter" davorgesetzt wurde, um es möglichst sonderbar darzustellen, obwohl im 21. Jahrhundert sicher jeder weiß, was ein Anime ist. Zumindest wissen sollte.
                                                    Amische haben - wie auch immer das möglich ist, dar sie ja jeglicher moderner Technik entsagen - "Der einzige Zeuge" gesehen und befanden ihn als Zur-Schau-Stellung ihrer Kultur. Ich muss aber sagen, dass ich das nicht so unterschreiben kann.

                                                    In dem Drama, in dem Harrison Ford als John Book in einem Amischdorf untertauchen muss, hat man sich bemüht, möglichst feinfühlig und klischeefrei mit dem Thema umzugehen, und zeitgleich dem nicht mit der Kultur vertrauten Publikum zu vermitteln, was denn einen Amisch ausmacht. So etwas ist natürlich immer eine heikle Sache. Am Idealsten wäre es wohl, würde der Film die Amische gar nicht erst erklären, sondern sie einfach auftreten lassen, in der Annahme, jeder wüsste ohnehin, wer oder was sie sind. Das Problem ist, dass dem eben nicht wirklich so ist. Die meisten, die sie kennen, werden wohl meinen, Amische wären eher eine Sekte, aber das stimmt nicht. Ein Film wie "Der einzige Zeuge" hat freilich immer die Bürde, die dargestellte Community als normal und positiv darzustellen, aber gleichzeitig auch anzuerkennen, dass man sie dem Durchschnittszuschauer erst näherbringen muss.

                                                    Das Bild der Amische ist nicht inakkurat. Es ist gut recherchiert und gibt sich nicht mit Halbwahrheiten zufrieden. Was der Film allerdings macht, ist sehr viele Aspekte der Subkultur auf kleinem Raum zu komprimieren. Es passiert innerhalb der Laufzeit so viel, wie - so vermute ich - wohl in ein paar Monaten passieren würde. John ist während seiner Anwesenheit ständig gefordert und wird mit den Eigenheiten der Amische konfrontiert. Das nicht im negativen Sinn. Und, was als Teil einer Subkultur an solchen Werken immer nervig ist, es wird auf den Aspekt der Diskriminierung eingegangen. So haben die Amische im Film auch Probleme, mit ihren Kutschen in die Großstadt zu fahren, da sich von Außenstehenden über sie lustig gemacht wird und sie zum Teil begafft oder sogar gemobbt werden. Und hier kommt mein Konflikt zum Tragen: ist diese Reaktion realistisch oder nicht? Ich weiß es nicht. Ich kenne persönlich keine Amische und kann es daher nicht beurteilen. Ich weiß aber, wie ärgerlich es ist, anzunehmen, dass ein von der Norm abweichender Lebensstil immer vorwiegend belächelt wird.
                                                    Klammert man diesen Aspekt des Drehbuchs aus, gibt es an der Darstellung der Amische nichts auszusetzen.
                                                    Man war bemüht, dem Publikum zu vermitteln, dass Amische durchaus anders leben als der durchschnittliche westliche Bürger, in ihrer Andersartigkeit allerdings wirklich gut zurechtkommen und einige Stärken vorzuweisen. Dass der amische Lebensstil nicht für jederman ist wird ebenso klar, wie die Tatsache, dass er für viele genau der richtige Weg sein kann.

                                                    John Book wird während seines Aufenthalts in den Alltag der Amischgemeinde eingebunden. Er mag die Zeit, die er dort verbringt und freundet sich mit den Dorfbewohnern und ihren Tätigkeiten und Gegebenheiten an. Er kann nachvollziehen, wieso sich die Angehörigen für diesen Lebensweg entschieden haben und was sie daran finden. Er ist sich aber auch im Klaren, dass es auf Dauer nichts für ihn ist, steht aber letztendlich in einem freundschaftlichen Verhältnis zu den Amischen. Und ich mag diese Darstellung. Denn diese differenzierte Figur ist es letztlich, die "Der einzige Zeuge" versöhnlich und glaubhaft macht. Weder gibt sich der Film hin und lässt John selbst zum Teil der Amischkultur werden, was aufgesetzt und pathetisch gewirkt hätte, noch wird die Gemeinde belächelt oder als Freaks abgestempelt.
                                                    Letzten Endes stehen Stadt- und Amischleben auf einer Stufe und koexistieren nebeneinander, erkennen sich gegenseitig an und gehen ihren eigenen Weg.

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