Chainsaw Charlie - Kommentare
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Alle Kommentare von Chainsaw Charlie
"Der denkwürdige Fall des Mr. Poe" von Regisseur Scott Cooper fängt vielversprechend an. Sein Geheimnis, so hat man das Gefühl, könnte ebenso abschreckend sein wie seine Atmosphäre. Ein frostiger New Yorker Winter begrüßt uns widerwillig, als der Film uns in die 1830er Jahre versetzt, wo ein grausames Verbrechen die Militärakademie West Point erschüttert hat. Ein Kadett wurde tot an einem Baum baumelnd aufgefunden, und als wäre das nicht schon verstörend genug, wurde seine Leiche anschließend in der Leichenhalle geschändet. Jemand hat sein Herz herausgenommen, obwohl keiner weiß, wer und aus welchem Grund.
Der pensionierte Detektiv Augustus Landor (Christian Bale) wird hinzugezogen, um die Angelegenheit aufzuklären. Er muss sich seinen eigenen Dämonen stellen, die aus seiner familiären Vergangenheit herrühren, vor allem dem Tod seiner Frau und der Flucht seiner Tochter, und stellt bald fest, dass er einen Faden entwirrt, der mit Eifersucht, Differenzen und sogar dem Okkulten verwoben ist. Ein unerwarteter Verbündeter taucht an der Akademie in Form eines anderen Kadetten auf, Edgar Allen Poe (Harry Melling), der sein Interesse an den Ermittlungen bekundet und dann beginnt, bei der Aufklärung des Falles zu helfen.
"Der denkwürdige Fall des Mr. Poe" schafft mit seiner Ästhetik aus Historiendrama und Gothic Horror eine faszinierende Aura, und der Film hat eine interessante Konzeption in Form einer filmischen Fiktion, die Ereignisse imaginiert, die die Schwärze der zukünftigen Werke eines Schriftstellers inspirieren. Doch dieser Ausgangspunkt ist nicht so attraktiv, wie man es sich wünschen würde. Der Film beginnt mit einem raffinierten Krimi, der einen in den Bann zieht, dann aber irgendwie nur noch vor sich hindümpelt, bis er das anvisierte Ende erreicht, nur um eine Wendung zu offenbaren, die man nicht ganz schlüssig finden mag, weil sie einfach falsch ist.
"Der denkwürdige Fall des Mr. Poe" schafft es nicht einmal, die makabren Elemente seiner Geschichte zu transportieren oder die Präsenz von Edgar Allan Poe voll auszureizen. Wenn das gesamte Konzept eines Projekts darin besteht, eine erfundene Story um eine bekannte Person herum aufzubauen, dann sollte sich genau diese Figur im Film nicht auswechselbar anfühlen. Selbst wenn die Handlung ins Wanken gerät, bleibt man dank der tollen Leistungen von Christian Bale und vor allem Harry Melling, der seinem Charakter sowohl Herzlichkeit als auch Unbehagen verleiht, bei der Sache. Insgesamt erzeugt der nur durchschnittliche "Der denkwürdige Fall des Mr. Poe" weder intensive Eindrücke, noch ist er spannend, geschweige denn, dass er ein Reinfall ist. Das unstete Voranschreiten hält den Film davon ab, das Optimum aus seinem Faszinosum herauszuholen, und der Film endet schließlich als Mystery-Thriller, der weitaus anspruchsvoller hätte sein können.
"Silent Twins" von Regisseurin Agnieszka Smoczynska basiert auf der wahren Geschichte von June und Jennifer Gibbons (Letitia Wright und Tamara Lawrence), Zwillingsschwestern, die sich weigerten, mit jemandem außer einander zu kommunizieren. Sie werden geächtet und drangsaliert und wegen eines minderschweren Vergehens in die psychiatrische Klinik 'Broadmoor' eingewiesen.
Die ersten Minuten von "Silent Twins" sind äußerst brilliant. Der Film beginnt in der gemeinsamen Fantasiewelt von June und Jennifer Gibbons, die als Kinder mit jugendlicher Sentimentalität von Leah Mondesir-Simmonds und Eva-Arianna Baxter interpretiert werden. Sie durchbrechen die vierte Wand, um den Vorspann zu erzählen, bevor sie mit Autarkie, Fröhlichkeit und Humor eine fiktive Radiosendung moderieren.
Dann schneidet "Silent Twins" in die Realität - ihre Welt ist farbleer, ihre Stimmen sind angestrengt. Ein effizienter Kunstgriff, der in dem englischsprachigen Debüt der polnischen Regisseurin Agnieszka Smoczynska gleich mehrfach zum Tragen kommt. Es geht um Zwillinge, die sich entschieden haben, nur miteinander zu sprechen. Das macht den Betrachter neugierig, wie es zu einem so eklatanten Kontrast zwischen ihrer realen und ihrer imaginären Existenz kommen konnte. Doch trotz der eindringlichen Bilder und der imposanten Performances leidet dieses biografische Drama darunter, dass es diesen Kontext nicht weiter ausarbeitet.
Die Fantasiewelten werden durch prachtvolle Stop-Motion-Animationssequenzen zum Leben erweckt, die alle von den Texten der Schwestern inspiriert sind. Sie sind voller Licht und rosiger Farben, und die düstere Farbpalette des Kameramanns Jakub Kijowski für die reale Welt unterstreicht nur den harten, abstoßenden Blick, den die meisten Außenstehenden auf June und Jennifer haben, wenn die Geschichte weitergeht. Doch die Tatsache, dass sich die Schwestern von der Außenwelt zurückzogen und nur miteinander sprachen, weil sie als eines der wenigen schwarzen Kinder im Wales der 1960er Jahre stark schikaniert wurden, ist ein Detail, das in Andrea Siegels Drehbuch viel öfter hätte explizit angesprochen werden sollen, da es eine entscheidende Rolle dabei spielte, wer sie wurden.
Die engagierten, körperlichen Darbietungen von Letitia Wright und Tamara Lawrence verdienen jedoch unsere Anerkennung. Ob bei schwesterlichen Auseinandersetzungen oder choreografierten Tänzen, sie sind immer im Einklang, auch wenn ihre Figuren es nicht sind. Einige wunderbare visuelle Verzierungen und zwei herausragende Protagonistinnen helfen, die Gedankenwelt der Gibbons-Schwestern zu erhellen. Doch ohne einen wichtigen Bezug bleiben echte Erkenntnisse und ein tieferes Begreifen schwer zu erreichen.
Florence Pugh legt weiterhin starke schauspielerische Darbietungen in einer unterhaltsamen und facettenreichen Vielfalt gut gewählter Rollen hin, die zahlreiche Genres umfassen. Ihr neuestes Werk ist "Das Wunder", ein historisches Drama mit einem psychologischen Thriller-Touch des chilenischen Regisseurs Sebastián Lelio. Der Film spielt im Jahr 1862, als Irland von einer großen und verheerenden Hungersnot heimgesucht wurde. Doch in einem irischen Dorf auf dem Land konnte ein junges Mädchen auf unerklärliche Weise überleben, ohne zu essen. Einige, darunter auch ihre Familie, behaupten, es sei ein Wunder Gottes. Skeptiker glauben, dass die erhöhte Aufmerksamkeit ungerechtfertigt ist und dass es sich um eine Finte handelt.
Sebastián Lelio, der das Drehbuch zusammen mit Emma Donoghue und Alice Birch geschrieben hat, nimmt sich viel Zeit, um die Konflikte zwischen Glaube und Wissenschaft zu erforschen, genauer gesagt, diejenigen, die sich einer Seite verschreiben, ohne die andere zu berücksichtigen. Florence Pugh spielt eine englische Krankenschwester namens Mrs. Elizabeth Wright, die von einem Komitee lokaler Würdenträger (Toby Jones, Ciarán Hinds und Brían F. O'Byrne) in das abgelegene Dorf gerufen wird. Dort wird sie von Schwester Michael (Josie Walker), einer Nonne, unterstützt. Das Komitee möchte, dass die beiden ein 9-jähriges Mädchen namens Anna O'Donnell (Kíla Lord Cassidy) observieren. Nach 14 Tagen sollen sie dem Rat über ihre Befunde berichten, Elizabeth aus medizinischer Sicht, Schwester Michael mit den Augen des christlichen Glaubens. "Ich brauche nichts zu essen."
Vier Monate sollen vergangen sein, seit die scheinbar gesunde junge Anna das letzte Mal Nahrung zu sich genommen hat, und die Stadtbewohner sind baff. Wie kann sie noch am Leben sein? Elizabeth und Schwester Michael beginnen ihre Hospitation in Schichten und sind angewiesen, sich nicht abzusprechen, bevor sie dem Ausschuss Bericht erstatten. Tom Burke verkörpert William Byrne, einen Reporter des 'Londoner Daily Telegraph', der ein besonderes Interesse an dem Mädchen und später an Elizabeth zeigt. Er ist dort, um eine Geschichte zu erschnüffeln. Ist es etwas Wissenschaftliches, das sie noch nicht verstehen, oder ist es etwas Spirituelles und Übernatürliches? "Ich lebe vom Manna des Himmels."
Die Wahrheit kommt langsam ans Licht, während Sebastián Lelio geduldig beginnt, die Teile des Puzzles zusammenzusetzen. Viele davon stammen aus Annas Familie, zu der ihre Mutter Rosaleen (Elaine Cassidy), ihr Vater Malachy (Caolán Byrne) und ihre ältere Schwester Kitty (eine fabelhafte Niamh Algar, die auch die unkonventionelle Erzählerin der Geschichte ist) gehören. Durch sie erfahren wir, dass die O'Donnells tief religiös sind und dass eine gewisse Familientragödie immer noch über ihrem Leben schwebt. Auch Elizabeth hat ihren eigenen, zutiefst verdrängten Schmerz, der sie antreibt, die Wahrheit zu finden.
"Das Wunder" wirft im Laufe des Films einige interessante Fragen auf und beantwortet sie von einem eher pejorativen Aspekt aus. Der letzte Akt ist ein wenig volatil, aber Sebastián Lelio hält ihn zusammen und endet schließlich an einem Ort der Benediktion, während er seine zentrale Botschaft unmissverständlich klar macht. Interessanterweise wird "Das Wunder" durch Szenen aus einem Lagerhausfilm ergänzt, in denen unsere Erzählerin über den Wert und die Überzeugungskraft von Geschichten spricht und den Betrachter auffordert, sich mit ihnen zu beschäftigen. Das ist eine interessante Kapriole, die nicht ganz so funktioniert, wie sie soll.
Der Film mag ein paar Lapsuse haben, aber sie überschatten nicht die vielen Dinge, die "Das Wunder" richtig macht. Sebastián Lelio demonstriert ein nacheifernswertes Einfühlungsvermögen für den richtigen Klang, und das Einfangen und Ausnutzen der damaligen Atmosphäre bereichert die Darstellung in vielerlei Hinsicht. Er weiß auch, was er an Florence Pugh hat, deren eminente Performance sowohl besinnlich als auch fakultativ ist. Sie sorgt dafür, dass "Das Wunder" zentriert und faszinierend bleibt, selbst in den wenigen Momenten, in denen der Film ins Straucheln gerät.
In "Ant-Man and the Wasp: Quantumania" von Regisseur Peyton Reed läuft das Leben gut für Scott Lang (Paul Rudd). Trotz seiner problematischen Vergangenheit als Kleinganove und Einbrecher ist er heute weltberühmt als der Held 'Ant-Man', als Mitglied der 'Avengers' und seit kurzem auch als Schriftsteller einer erfolgreichen Autobiografie. Nachdem die Welt gerettet ist und allmählich zur Normalität zurückkehrt, konzentriert sich Scott Lang vor allem auf die Restaurierung seiner angespannten Situation mit seiner Tochter Cassie (Kathryn Newton).
Als Cassie unter der Lektion von Dr. Hank Pym (Michael Douglas) ein Gerät baut, das Bilder aus dem Quantenbereich erzeugen kann, scheint das revolutionäre Teleskop der Katalysator zu sein, der Vater und Tochter näher zusammenbringt. Dies geschieht auch, allerdings mit dem unerwarteten Effekt, dass Cassie, Scott Lang, Hank Pym, Janet Van Dyn (Michelle Pfeiffer) und Hope Van Dyn (Evangeline Lilly) in die subatomare Welt gezogen werden. Als Scott Lang und Cassie von einer Gruppe von Freiheitskämpfern unter der Führung von Jentorra (Katy O'Brian) gefangen genommen werden, sind sie erstaunt über das Auftauchen von empfindungsfähigem Leben in einer Gegend, die Janet Van Dyn für unwirtlich hielt. Doch die Existenz einer eklektischen Artenvielfalt von intelligenten Spezies war nicht die einzige wichtige Enthüllung, denn die Gruppe der verirrten Reisenden entdeckt bald, dass sie sowohl von einer mechanisierten Tötungsmaschine (Corey Stoll) als auch von einem Kriegsherrn (Jonathan Majors) gejagt werden, der nicht nur das Quantenreich, sondern jedes erdenkliche Universum erobern will.
Der Ant-Man-Haushalt ist ausgesprochen kopflos und salopp, wenn es darum geht, seine Technologie zu missbrauchen, ähnlich wie bei "Iron Man". Es gibt auch niemanden, der sie im Zaum hält, denn die Regierungssoldaten aus den Avengers-Filmen und zuletzt aus "Black Panther: Wakanda Forever" sind unauffindbar. Dies führt zu einer Story, die sich ausschließlich um einen fahrlässigen Unfall dreht, vergleichbar mit "Spider-Man: No Way Home", in dem ein verpfuschter Zauber eine Reihe von Katastrophen in Gang setzt, die den gesamten Film ausmachen werden. Hier wäre Cassies Quanteninterferenz völlig vermeidbar, vor allem, wenn die Pym-Technologie nicht so frei verfügbar wäre, um damit zu spielen. Das ist insbesondere deshalb ennuyant, weil das Fiasko sowohl dämlich als auch völlig unergründlich ist. "Was ist das für ein Ort?"
So aber ist "Ant-Man and the Wasp: Quantumania" konzipiert. Da sie in einer von der Hauptzeitlinie völlig unabhängigen Dimension stattfindet, hat alles, was in der subatomaren Welt geschieht, keine Auswirkungen auf das reguläre Leben. Dies ermöglicht eine unbegrenzte Kreativität, aber auch eine beträchtliche Sinnleere, wenn nichts echte Konsequenzen für die Darsteller hat, kein Ereignis von Belang ist. Darin liegt letztlich eines der Kernprobleme der Quantenwelt und des damit verbundenen Multiversums: Alles kann annulliert oder neu definiert werden, wenn es von vornherein keine Vorschriften gibt. "Mein Leben macht keinen Sinn."
Folglich ist die Handlung hier kolossal trivial. Was die Gestaltung anbelangt, so reichen die Konzepte von Anleihen bei "Bestien lauern vor Caracas", "Die phantastische Reise" und "Caprona - Das vergessene Land" über die Übernahme von Bildern aus dem "Star Wars"-Universum bis hin zur Erinnerung an das Desaster von "Strange World", in dem die glibberigen, blubbernden Visuals keinem Zusammenhang folgen mussten. Genauso wie bei den Charakteren und ihren Superkräften, die ebenfalls nicht spezifiziert sind, gibt es keine Grenzen für das, was sie tun können oder was mit ihren Städten, Waffen und Technologien in der diversen Auswahl der außerirdischen Bevölkerung möglich ist. Ein brokkoliköpfiger Humanoid könnte das mächtigste Wesen auf dem Planeten sein, oder er könnte absolut wertlos sein. Einige wenige Designs sind funktional, aber die meisten dienen nur dazu, für die kurzen Augenblicke, in denen sie auf dem Bildschirm zu sehen sind, zu schillern, ähnlich wie auffällige Star Wars-Kreaturen, die am Rande des Monitors entlanglaufen. "Wovon redet er?"
Das Sci-Fi-Potenzial wird zudem durch die nervigen, inspirationslosen Dialoge gemindert, in denen die meisten Gespräche lediglich abgedroschene Klischees reproduzieren. Und wie es bei Spektakeln üblich ist, weigert sich die eine Figur, die alle Antworten kennt, bis eine Stunde nach Ende des Films Informationen zu geben, unter dem vorgeschobenen Argument der Dringlichkeit der Rettungsplanung. In der Zwischenzeit gibt es jede Menge Action und Explosionen, aber sie ergeben wenig Sinn, wenn nicht klar ist, wofür oder gegen was genau die Helden kämpfen und warum. "Es tut mir leid, dass ich es dir nie gesagt habe."
Es ist auch deprimierend, wenn mehrere Rollen spontan Kostüme anziehen, als würden sie sich um sie herum materialisieren, ähnlich wie Superman, der seinen Arbeitsanzug vom Leib reißt, um die bunte Gewandung zu enthüllen, die immer darunter ist. Kann der Bösewicht nicht einfach schon seine Gruselkleidung tragen? Und dieser neue Bösewicht ist unglaublich poesielos, wenn man bedenkt, dass er ein weiterer in einer langen Reihe von scheinbar unbesiegbaren, allmächtigen, Telekinese nutzenden Superwesen mit unendlichen Ressourcen, Armeen von Truppen und der Fähigkeit ist, Laserstrahlen aus seinen Fingerspitzen zu schießen, die nur Hintergrundfiguren beschädigen. An einer Stelle ist es wichtig, dass er Ant-Man für eine bestimmte Aufgabe einsetzt, aber es ist nicht ersichtlich, warum er es nicht selbst tun kann. Ein Großteil der Handlung basiert jedoch auf genau diesem Prinzip: Nur ein Lebewesen kann eine bestimmte Tätigkeit ausüben, und so werden eine Folge von Missionen und Zielen festgelegt. Oder es wird mit einem Begriff wie 'Wahrscheinlichkeitssturm' um sich geworfen, um zu erklären, warum etwas Erstaunliches passiert. "Sei einfach froh, dass ich dich brauche."
Schwer zu verdauen ist auch M.O.D.O.K., eine Figur, die langjährige Marvel-Fans begeistern könnte, aber sicherlich die Grenzen dessen austesten wird, was Nicht-Fans akzeptieren werden. Da hilft es auch nicht, dass der Film anerkennt, wie blöd diese Scheußlichkeit ist, dass er überhaupt da ist, und sich fast ausschließlich über sein Aussehen lustig macht. Vielleicht bringt es das Dilemma von "Ant-Man and the Wasp: Quantumania" auf den Punkt: Es ist ein Übermaß an visuellem Chaos, das von den absolut schwachsinnigen Ideen ablenken soll. Und es trägt auch nicht dazu bei, dass das Finale ein Durcheinander von sich wiederholenden Patt-Situationen ist, die beweisen, dass niemand wirklich in Schwierigkeiten steckt, während die Schlusssequenzen noch einmal deutlich machen, dass diese Episode im Grunde nur dazu dient, einen neuen Erzfeind einzuführen, der in den kommenden Avengers-Filmen eine wichtige Rolle spielen wird.
"Die Pubertät ist eine schwierige Zeit...", betont Dr. Regina Greenbaum (Swoosie Kurtz) in "Eiskalte Engel" von Regisseur Roger Kumble, während sie ihren Patienten Sebastian Valmont (Ryan Phillippe), einen einstigen Sexsüchtigen, mitfühlend tröstet. Gerade als er gehen will, erhält die Therapeutin einen Anruf von ihrer Tochter Marci (Tara Reid), die im Herbst in 'Princeton' studiert und zufällig Sebastian Valmonts jüngstes Opfer ist, das verführt und dann fotografiert wurde, um im Internet ausgebeutet zu werden. Wie sich herausstellt, ist Sebastian Valmont auch ein Hochstapler, der seinen grenzenlosen Reichtum und die damit verbundenen Beziehungen dazu nutzt, mit jedem Mädchen zu schlafen, das ihm über den Weg läuft.
Unterdessen plant Sebastian Valmonts Stiefschwester Kathryn Merteuil (Sarah Michelle Gellar), ebenfalls unter dem Deckmantel von Anstand und guter Erziehung, den Ruf einer neuen Schülerin an ihrer Eliteschule in Manchester zu ruinieren, einem Mädchen namens Cecile Caldwell (Selma Blair, am wenigsten glaubwürdig und unlogisch unintelligent), um sich für einen flüchtigen Freund zu rächen. Kathryn Merteuil will, dass ihr Stiefbruder das Mädchen untergräbt, aber Sebastian Valmont hat ein schwierigeres Ziel: die Tochter des stellvertretenden Schulleiters, Annette Hargrove (Reese Witherspoon), ein Ausbund an Keuschheit und Tugend, die er deflorieren will. Sie sei eine Nummer zu groß für ihn, versichert ihm Kathryn Merteuil, und lässt sich auf eine Wette ein, bei der es um einen 1956er Jaguar Roadster und eine Nacht der Konkupiszenz zwischen den Stiefgeschwistern geht. Doch Fairplay steht definitiv nicht zur Debatte. "Ich habe es satt, mit diesen geschmacklosen Debütantinnen aus Manhattan zu schlafen."
Inspiriert von dem Roman 'Gefährliche Liebschaften' von Choderlos de Laclos ist "Eiskalte Engel" vielleicht auf verschlagene Weise mit der modernisierten Aktualisierung des Romanklassikers 'Emma' zu "Clueless – Was sonst!" vergleichbar und bietet dem Uneingeweihten die Möglichkeit, sich mit der französischen Literatur um 1700 zu beschäftigen, ob er sie kennt oder nicht. Die meisten Namen und natürlich die Themen wurden beibehalten, aber die neue Version bietet eine überraschend hippe Besetzung, von denen viele ihre familienfreundlichen Rollen beiseite lassen, um sich an extrem krassen, sexuell expliziten Dialogen zu beteiligen, die mit dem heutigen anstößigen Slang und Anzüglichkeiten geziert sind. Das Drehbuch ist der Höhepunkt: Es ist ebenso affektiert und verstockt wie rassistisch und misogyn und adaptiert Gespräche und Handlungen aus dem Original auf maligne Weise und mit vigilantem Humor. "Wir zerstören ein unschuldiges Mädchen. Das ist dir doch klar?"
Auch wenn es keine aufrechte Moral und keine intakten Charaktere gibt - alle sind eher verdorben und korrupt oder korrumpierbar -, so ist es doch amüsant zu sehen, wie missraten und infam die beiden Hauptfiguren sein können, die sich auf teuflische Nötigungs- und Erpressungsversuche einlassen, die ihre jeweiligen Partner zu unterminieren und zu demontieren versuchen und jeden, dem sie begegnen, kontrollieren und instrumentalisieren wollen. All ihre Pläne beinhalten sexuelle Blitzkriege. Es ist ein fickeriges Drama, das sich an den Film "Wild Things" anlehnt und hofft, den Betrachter mit seinen erotisierenden Darstellern, dem aktuellen Soundtrack und den voluptuösen Themen in seinen Bann zu ziehen, auch wenn hier eher verbale als visuelle Interaktionen genutzt werden, um die Bordüren des Jugendschutzes zu erweitern. Doch bei aller Faszination für die Manipulationen und Bigotterien kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass die Stimmung weitgehend verschoben ist. Die jugendlichen Schauspieler können mit den Motiven, den Empirien und letztlich der Quintessenz nicht ganz mithalten. Das Finale kann nicht mit dem Schneid des Auftakts standhalten. Zudem erstreckt sich die Gesamtheit meiner Meinung nach ein Stück weit zu lange. "Menschen ändern sich nicht über Nacht."
Wenn man bedenkt, wie viel Zeit die Serie "Beavis und Butt-Head" seinen Protagonisten widmete, die von ihren eigenen Ständern besessen sind, könnte man meinen, dass dieser Zeichentrickfilm aus den 90ern im Jahr 2022/2023 nicht mehr aktuell ist. Aber "Beavis and Butt-Head Do the Universe" von Regisseur Mike Judge hat nicht nur Bestand, sondern unterstreicht auch die Skurrilität und den urkomischen Nihilismus, der dem jugendlichen Humor von "Beavis und Butt-Head" zugrunde liegt und der trotz aller Veränderungen in der Welt heute noch genauso lustig ist wie beim ersten Mal. Es ist hart sich vorzustellen, wie dieses Comeback noch besser hätte ausfallen können. Hehe heh heh, ich habe 'hart' gesagt.
"Beavis and Butt-Head Do the Universe" bietet in weniger als anderthalb Stunden eine ziemlich umfangreiche Handlung mit einem Science-Fiction-Bogen, in dem die Jungs ins Weltall geschickt werden, durch einen Riss in der Raumzeit fallen (heh heh heh, ich sagte 'Riss') und schließlich von korrupten Regierungsbeamten verfolgt werden. Natürlich ist das Ganze in dem edlen Bestreben begründet, zu punkten. Es wäre wahrscheinlich Zeitverschwendung, den Humor zu analysieren und zu erklären, was genau ihn so lustig macht. Sagen wir einfach, dass ich in einer Szene, in der das Wissenschaftsprojekt des Duos darin besteht, Beavis in die Eier zu treten und zu sehen, was passiert, vor Lachen geweint habe. In erster Linie ist "Beavis und Butt-Head Do the Universe" einfach eine Gelegenheit, die größten Hits wieder aufleben zu lassen: Feuer, Nachos und der Große Cornholio. Es gibt auch clevere Anspielungen auf Memes, die sich vorstellen, wie Beavis und Butt-Head aussehen würden, wenn sie realistischer dargestellt würden oder wenn sie in den Jahren, in denen sie nicht ausgestrahlt wurden, weiter gealtert wären.
Besonders erwähnenswert ist eine Szene, in der die Jungs in einem Universitätsklassenzimmer etwas über das Privileg der Weißen lernen. Diese Art der Parodie von Wortwitz und Kultur kann leicht schief gehen, doch "Beavis and Butt-Head Do the Universe" schafft es, die Aktivisten sanft auf die Schippe zu nehmen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass ignorante Sonderrechte zur Zielscheibe des Spotts werden. Der Film ist kantig, ohne gemein zu sein - ein heikler und beeindruckender Balanceakt für einen so albernen Zeichentrickfilm.
Trotz seiner ungenierten Schrägheit führt "Beavis und Butt-Head Do the Universe" letztlich einen einfachen, aber effektiven Trick aus: Er erklärt, wie die Jungs im Jahr 2022 in demselben Alter ankommen, in dem sie in den 90ern waren, und öffnet damit die Tür für den Neustart ihrer Serie. Und damit beweist Paramount+ den Wert des ganzen Unterfangens, indem es zeigt, dass Beavis und Butt-Head über bloße Nostalgie hinausgeht und viel lustiger ist, als erwachsene Betrachter vielleicht erwarten. "Tu es!"
"The 355" von Regisseur Simon Kinberg beginnt 150 Meilen südlich von Bogota, Kolumbien, wo ein illegales Geschäft über die neue 'Droge' des 21. Jahrhunderts abgewickelt wird: Technologie. Mit einem leistungsfähigen Hackerprogramm auf einem bestimmten Laufwerk, das an einen Laptop angeschlossen ist, kann der Disponent ein Flugzeug zum Absturz bringen oder einen sofortigen landesweiten Stromausfall verursachen. Als der Deal in eine Schießerei ausartet, treffen Bundesagenten ein, angeführt vom kolumbianischen Agenten Luis Santiago Rojas (Edgar Ramirez), der die gefährliche Waffe an sich nimmt.
Kurz darauf reisen die CIA-Agenten Mason Browne (Jessica Chastain) und Nick Fowler (Sebastian Stan) verdeckt als Hochzeitsreisende nach Paris, um sich mit dem Kontaktmann zu treffen, der die Festplatte gegen 3 Millionen Dollar austauschen soll. Leider schnappt sich die deutsche Agentin Marie Schmidt (Diane Kruger), die sich als Kellnerin ausgibt, den Rucksack mit dem Geld und verwechselt ihn mit der Festplatte, was die Mission erheblich behindert. Mit von der Partie sind auch die kolumbianische Psychologin Dr. Graciela Rivera (Penelope Cruz), die MI6-Verbündete und Cybersecurity-Spezialistin Khadijah Adiyeme (Lupita Nyong'o) und eine mysteriöse Frau, Lin Mi Sheng (Bingbing Fan), die die Bewegungen aller verfolgt. "Alles ist korrupt!"
Es gibt eine Andeutung einer Liebesgeschichte zwischen Mason Brown und Nick Fowler, aber sie ist so übereilt, dass sie nie überzeugend wirkt. Und das ist sicherlich keine Priorität. Die rasante Action ist das Hauptgericht, aber auch sie leidet unter der Wahl des Schnitts: Statt glaubwürdige Actionsequenzen zu inszenieren, versuchen hastige Schnitte und ruckelnde Kamerabewegungen, blitzschnelles Können zu suggerieren. Stattdessen hat man das Gefühl, dass die Schauspieler nicht in der Lage sind, zu kämpfen oder sich gegenseitig durch U-Bahnen und überfüllte Straßen zu verfolgen, obwohl diese Art von modernen Thrillern in der Regel eine Menge Kampftraining für ihre Stars beinhaltet.
Allerdings fällt das nicht weiter ins Gewicht. In seinem Streben nach einem cartoonhaften Abenteuer in der Art von James Bond, "3 Engel für Charlie" oder anderen polemischen Spionagefilmen wird jedes erdenkliche Klischee verwendet und überstrapaziert. Der unkonventionelle und uninspirierte Charakter dieses Plots ist erstaunlich. Die Autoren scheinen unzählige andere Actionfilme gesehen zu haben, und anstatt sich von ihnen inspirieren zu lassen, haben sie lediglich Konzepte von ihnen übernommen, wie etwa willkürliche Weltuntergangsvorrichtungen, die die Infrastruktur sofort ausradieren können. "Wir sind die Einzigen, die das verhindern können."
Von fragwürdigen Todesfällen aus dem Off, über wechselnde Identitäten, inoffizielle Racheaktionen, borniert weitreichende Datensammlungen, die jeden mit einem Klick auf eine Computertaste identifizieren können, impulsives Zusammenspiel mit feindlichen Spionen, 'Traue niemandem'-Parolen, zwecklose Weltreisen, unlimitierte Ressourcen, einfache Peilsender und Ablenkungsmanöver, dämlicher Fachjargon, eine Infiltrationsoperation, die ausgefallenes Make-up und Kleidung erfordert - "The 355" ist kaum mehr als eine Ansammlung schlaftrunkener Phrasen, die man schon zigmal gesehen hat. Die Dialoge sind ebenso einschläfernd, und der Umstand, dass es in einem Film, der voller Wendungen sein sollte, keine Überraschungen gibt, ist bedenklich. Warum sollte nicht jemand das Drehbuch mit mindestens einer prägnanten, dem Tod vorausgehenden Zeile oder einer ungewöhnlichen Location oder Requisite für den Showdown aufpolieren? Die Desillusionierungen sind konsequent, der Unterhaltungswert nimmt von den ersten Momenten an stetig ab und zieht sich über zweistündige Langeweile hin. Trotz einer guten Auswahl der Hauptdarstellerinnen ist dies einer der am wenigsten diplomatischen Spionagefilme, die je gedreht wurden.
Oberflächlich betrachtet scheint "The Stranger" von Regisseur Thomas M. Wright zu einer kleinen Gruppe von unverwechselbaren australischen Filmen zu gehören, die sich mit dem realen Verbrechen und der toxischen Männlichkeit beschäftigen, die die alltägliche Gewalt anheizt. "The Stranger", der an Filme wie Rowan Woods "The Boys" und Justin Kurzels "Die Morde von Snowtown" erinnert, kombiniert eine düstere Kameraführung mit einem Schauspielstil und einem Drehbuch, das die banalen und alltäglichen Kommunikationsweisen der Menschen hervorhebt, die umso erschreckender sind, wenn sie beiläufig in Denk- und Verhaltensweisen abgleiten, die so schockierend brutal sind. Aber so sehr "The Stranger" zu dieser Art von sozialrealistischem Thriller gehört, so sehr ist er auch ein komplexer Film über Identität, in dem sich die beiden männlichen Protagonisten so sehr in den Versionen von sich selbst, die sie projizieren wollen, und ihrer wahren Natur verlieren, dass "The Stranger" auch viel mit dem psychologischen Horror vieler Filme von David Lynch oder sogar Ingmar Bergmans "Persona" gemein hat.
Im Mittelpunkt steht zunächst Henry Teague (Sean Harris), ein mysteriöser Kleinkrimineller, der nicht nur sanftmütig und nervös zu sein scheint, sondern auch eine tickende Zeitbombe, die nur darauf wartet, zu explodieren. Auf der Suche nach einem Neuanfang und mit dem starken Wunsch, nichts mit Gewalt zu tun zu haben, freundet sich Henry zunächst mit Paul (Steve Mouzakis) an, der ihn dann in eine kleine kriminelle Organisation einführt, die zuverlässige Arbeitskräfte sucht, die sich unbemerkt in der Welt bewegen können. Als es Paul gelingt, für ein Jahr in einem anderen Bundesstaat unterzutauchen, wird Henry von der Organisation angezogen, um seine Vergangenheit zu begraben. Er wird von Mark (Joel Edgerton), einem lakonischen, schweigsamen Mann, geführt, und die beiden entwickeln langsam eine unwahrscheinliche Freundschaft.
Vieles in "The Stranger" ist so konstruiert, dass der Betrachter zunächst im Unklaren darüber gelassen wird, wer die Figuren sind und wohin der Film führt. An manchen Stellen gibt es Sprünge in die Vergangenheit, die Schnittstellen zwischen den Szenen sind oft abrupt und irritierend, es stellt sich heraus, dass die Charaktere ein völlig anderes Leben führen, als sie ursprünglich vorgestellt wurden, und zusätzlich zu Henrys und Marks Geschichte gibt es eine Erzählung über die polizeilichen Ermittlungen zum realen Mord an dem 13-jährigen Jungen Daniel Morcombe im Jahr 2003. Am Ende ergibt alles einen Sinn, und der Film umgeht die sensiblen Elemente des wirklichen Lebens mit Integrität und Würde, aber die dunkle Reise in die Psyche der Beteiligten ist das, was an "The Stranger" so reichhaltig und faszinierend ist. Sowohl Sean als auch Mark sind nicht wiederzuerkennen, und selbst wenn der Film uns Marks alternatives Leben abseits von Sean zeigt, wird er immer noch als jemand dargestellt, der vielleicht nicht einmal weiß, wer er selbst ist.
Mit einer ähnlichen Dynamik hat sich Thomas M. Wright bereits in seinem 2018 erschienenen Film "Acute Misfortune" auseinandergesetzt, in dem die beiden männlichen Hauptdarsteller ebenfalls in eine Reihe von Katz-und-Maus-Spielen und Statuskämpfen verwickelt waren, angetrieben von Wut, Testosteron und der Suche nach dem authentischen Selbst. In "The Stranger" gräbt Thomas M. Wright noch tiefer, um anzudeuten, wie ähnlich Henry und Sean sein könnten, wie sie eine merkwürdige Art von Freundschaft und Intimität bilden und wie sie beide eine doppelte Realität leben, die aus verschiedenen Formen der Verleugnung als Abwehrmechanismus besteht. Der Film fokussiert sich zunehmend auf Mark und erforscht die mentale Fragilität, die er erfährt, wenn er zwei Leben führt, und die Angst, dass eine der Wirklichkeiten in die andere überfließt.
Ein großer Teil des Erfolgs von "The Stranger" ist auch Sean Harris und Joel Edgerton zu verdanken, die Männer spielen, die der Welt eine emotional abgeschirmte Version ihrer selbst präsentieren, obwohl sie in einem Meer widersprüchlicher Emotionen ertrinken. Beide sind oft geflissentlich schwer auseinanderzuhalten, da sie so enorm weltmüde wirken und ein Großteil ihrer Gesichter durch lange Bärte verdeckt ist, dass sich die Schauspieler oft auf ihre Augen verlassen, um zu vermitteln, was unter der Oberfläche vor sich gehen könnte. Das kumulative Ergebnis ist ein hochentwickelter Film über gebrochene Persönlichkeiten und die Auswirkungen des Traumas eines Gewaltverbrechens, das über den ursprünglichen Vorfall hinaus nachwirkt. Es ist ein extrem spannendes Werk, und viele Szenen spielen sich wie in einem Horrorfilm ab. Dennoch entscheidet sich Thomas M. Wright dafür, auf Gewalt zu verzichten. Gewalttaten werden beschrieben und die Folgen dieser Akte erscheinen im Off, aber das grausame Verbrechen, auf dem "The Stranger" basiert, wird zu keinem Zeitpunkt grafisch dargestellt. Es ist eine wirkungsvolle Demonstration, wie das Kino ohne visuelles Brimborium Horror und Aversion vermitteln kann. Das alles zusammen ergibt einen der erstklassigsten, zum Nachdenken anregenden und letztlich hochgradig berührenden australischen Filme der letzten Jahre.
"Promising Young Woman" von Regisseur Emerald Fennell beginnt damit, dass Jerry (Adam Brody), Jim (Ray Nicholson) und Paul (Sam Richardson) in einem Club über ihre Arbeit fachsimpeln, als sie Cassandra Thomas (Carey Mulligan) bemerken, die sich betrunken allein in einer abgelegenen Ecke auf roten Ledersesseln windet und ihre wohlgeformten Beine unter einem kurzen Rock zur Schau stellt. Als sie ihr Handy nicht finden kann, spricht Jerry sie an und bietet ihr an, sie nach Hause zu fahren. Er hat natürlich Hintergedanken, denn sie ist zu betrunken, um rationale Entscheidungen zu treffen, also lässt er sie vom Taxifahrer zu seiner Wohnung bringen, wo er ihr einen weiteren Drink spendiert, sie auf der Couch küsst und sie ins Schlafzimmer führt. Nachdem er ihr die Unterwäsche ausgezogen hat, stellt er plötzlich fest, dass sie völlig nüchtern und im Vollbesitz ihrer geistigen Kräfte ist. "Solche Mädchen bringen sich selbst in Gefahr."
Cassandras Tagesjob bei 'Make Me Coffee' ist nicht besonders interessant, aber er erfordert auch nicht viel Mühe oder Geschick im Umgang mit den Kunden, da ihre Chefin Gail (Laverne Cox) ihr erlaubt, sich über die üblichen Regeln hinwegzusetzen, zum Beispiel nicht in den Kaffee zu spucken. Es gibt ihr jedoch die Gelegenheit, jede Woche neue Opfer - potenzielle Vergewaltiger - aufzuspüren, deren Namen in einem kleinen Notizbuch landen, nachdem ihnen etwas Unsichtbares, aber womöglich Schreckliches zugestoßen ist - ein Punkt großer Konsternation, weil die Details unklar bleiben, die Wirksamkeit buchstäblich als unzureichend dargestellt wird und die Konsequenzen oder Auswirkungen völlig ignoriert werden. Während sie sich um ihr nächstes Ziel, einen 'netten Kerl' namens Neil (Christopher Mintz-Plasse), kümmert, hat Cassie auch Zeit, mit dem Gedanken zu spielen, sich mit ihrem ehemaligen Klassenkameraden und jetzigen Kinderchirurgen Ryan Cooper (Bo Burnham) auf ein richtiges, normales Date einzulassen. Doch die psychischen Probleme sind groß, zumal die 30-Jährige noch immer bei ihren enttäuschten Eltern (Clancy Brown und Jennifer Coolidge) lebt und kein Interesse zeigt, ihr Leben weiterzuentwickeln. Ihre Wohnsituation ist eine weitere plumpe Komponente des Films, denn Cassandras Eltern sind sich des psychischen Zustands ihrer Tochter durchaus bewusst, was ihre Missbilligung äußerst unglaubwürdig und geradezu taktlos erscheinen lässt.
Da Cassandra in Selbstjustiz-Manier Namen sammelt, hat "Promising Young Woman" etwas von einem Horrorfilm, zumal nicht klar ist, wie weit sie in ihren verschiedenen Episoden gehen wird, um Männern Lektionen zu erteilen. Gleichzeitig entwickelt sich ihre Beziehung zu Ryan Cooper zu einer romantischen Komödie mit den üblichen Höhen und Tiefen, befremdlichen Flirts und beschämenden verbalen Fehltritten. Darüber hinaus ist nicht nur der Grund für ihre rachsüchtigen Missionen rätselhaft, sondern auch die Art und Weise, wie ihre Pläne ausgearbeitet und ausgeführt werden, vor allem, wenn römische Ziffern über den Bildschirm blitzen, die mit weiteren Namen in Cassandras Notizbuch verbunden sind.
Das Setting ist stringent, die Thematik aktuell und die Besetzung ausgezeichnet, einschließlich einiger kurzer, aber starker Nebenrollen. Außerdem wird die Eskalation der Spannung durch einen enthusiastischen Soundtrack unterstützt. Doch diese Rachephilosophie hat auch etwas Unplausibles an sich. Die Verantwortung liegt irgendwo in Cassandras unbegreiflicher Ansammlung von Partnern, ihrem leichtsinnigen und rechtlich inkonsequenten Gang entlang der Grenze zur Gesetzlosigkeit und den vielen übermäßig zufälligen Interaktionen. Die Beweise sind auch nicht ganz kohärent, einige davon sind zu eklatant, um sie einfach abzutun.
Je länger Cassandra auf dem Bildschirm zu sehen ist, desto faszinierender wird ihre Figur, auch wenn ihre Authentizität entsprechend abnimmt. Ihre Fähigkeit, in einem Moment kalkuliert und intentional soziopathisch zu sein und in einem anderen charmant und zurechnungsfähig, ist fast mephistophelisch. Einige Klärungen sind stichhaltig, aber die Stilisierung einiger Sequenzen und der pathetische Höhepunkt destabilisieren den Realismus ebenso wie die mahnende Botschaft oder die erhellenden moralischen Analysen. Auch das zentrale Balzverhalten der Verliebten ist äußerst nebulös und führt aufgrund der gemeinsamen Hintergrundgeschichte zu immensen Handlungslücken. Vielleicht hätte das Werk als Franchemente-Satire besser funktioniert, da einige der Witze ruchbar sind, aber morbides Belustigen wird oft echter Satisfaktion vorgezogen, oder wenn sich das unvorhersehbare Finale nicht wie ein klöteriger Plan anfühlen würde, der durch Zufall prosperiert.
Die Zahl im Filmtitel von "Apollo 10½: Eine Kindheit im Weltraumzeitalter" von Regisseur Richard Linklater bezieht sich auf das Alter des Helden und Erzählers Stan, eines Viertklässlers, der von der 'National Aeronautics and Space Administration' in eine streng geheime Mission gezogen wird. Im Vorfeld der Apollo-11-Mondlandung wird Stan, ein Vorstadtbewohner aus Houston, von zwei Regierungsagenten direkt vom Spielplatz aus rekrutiert, um ein Quasi-Proto-Astronaut zu werden. Das Ganze wirkt auf den ersten Blick absurd, aber Richard Linklater lässt sich nicht beirren und präsentiert Stans Geschichte auf ebenso spannende wie liebevolle Weise, mit einem phantasievollen Ton, der nur selten ins Kitschige abdriftet, und einer visuell sicheren Regie, die die Rigorosität des Animationsfilms schärft und weitaus realistischer daherkommt als die früheren Werke des Filmemachers in dieser Richtung, "Waking Life" und "A Scanner Darkly".
Es ist zu bezweifeln, dass Betrachter im Alter von Richard Linklaters Protagonisten nach dem Prolog, der zu einer ausgedehnten Reminiszenz an das amerikanische Leben in den späten 1960er Jahren wird, viel Aufmerksamkeit auf den Vorort der größten texanischen Stadt richten werden, der dank des dort verankerten Raumfahrtprogramms vor Geld und nationaler Aufmerksamkeit strotzt. Fast der gesamte Film wird kommentiert, und an manchen Stellen hat man das Gefühl, eine elegant geschnittene Diashow von bewegten Bildern zu sehen. Manchmal ist es weniger cineastisch als verbal, die Bildsprache steht meist im Dienste der Worte. Stans Gedanken springen kreuz und quer, und wir erkennen, dass es sich in Wirklichkeit um ein Sammelsurium von Erinnerungen und Sichtweisen eines erwachsenen Mannes handelt, der innerlich immer noch ein Kind ist und dessen persönliche Erfahrungen mit der Popkultur verschmolzen sind, die er konsumiert.
Glücklicherweise gibt es auch Anspielungen auf das, was in den Teilen Amerikas geschah, die sich weniger für das Weltraumrennen interessierten als für das, was in ihrer Nachbarschaft und in ihren Häusern geschah, von der Angst, junge Männer, die nicht viel älter als Stan waren, in den Dschungeln und Reisfeldern Vietnams zu verlieren, bis hin zu den aufkommenden Frauen- und Black-Power-Bewegungen, die sich dagegen wehrten, dass die Bundesregierung Milliarden ausgab, um Weiße auf dem Mond zu landen und ihn den Sowjets zu zeigen, während auf dem Boden Armut und Diskriminierung herrschten.
Richard Linklaters Film kommt nie richtig in Fahrt, und es ist nicht gerade die Art von Film, bei dem man am Ende sagt: "Ich hatte gehofft, dass er nie endet." 90 Minuten und ein paar Zerquetschte sind die Laufzeit, und das fühlt sich angesichts des persönlichen Essaycharakters des Ganzen ziemlich ordentlich an. Doch Stan ist ein ausgesprochen sympathischer Geschichtenerzähler, und in einer Zeit, in der Hollywood an keiner Idee mehr interessiert ist, die nicht auf einem bereits existierenden Film basiert, hat es eine Vorliebe für intime, persönliche Filme, die einen nicht dorthin führen, wo man denkt, dass man hin will. Stattdessen führt ein Film wie der von Richard Linklater in das Bewusstsein eines Menschen, dessen Wahrnehmung der Welt gleichzeitig begrenzt wie auch neugierig und aufgeschlossen für neue Erfahrungen ist.
In der Dokumentation "Gladbeck: Das Geiseldrama" von Regisseur Volker Heise sind einige der Ereignisse ziemlich erschreckend und doch wirken sie wie eine kleine Fernsehserie, bei der man laut sagen würde: 'Das würde nie passieren.' In etwas mehr als 90 Minuten berichtet Volker Heise von 54 Stunden der Krise und den unglaublichen Dingen, die dabei geschahen. Echte Kriminelle, Berichte, Polizisten und Geiseln sind nur eine Armlänge von den Kameras entfernt. Dann, in der Szene, in der die Reporter lachend um Hans-Jürgen Rösner, einen der Geiselnehmer, herumstehen, ist die Dreistigkeit besonders groß. Er besaß die Frechheit, mitten in der ganzen verdammten Chose eine improvisierte Pressekonferenz abzuhalten. Dabei hält er eine Waffe in der Hand und hat den Finger am Abzug.
Der Dokumentarfilm von Volker Heise ist so gewagt, dass er nur Bilder, archivierte Fernseh- und Tonaufnahmen verwendet. So entsteht ein spannendes Tempo, das sich wie ein fiktiver Thriller anfühlt. Hier gibt es keine Interviews oder Expertenaussagen, es wimmelt nur so von Intrigen und moralischen Dilemmata, was das Ergebnis noch stärker macht. Rösner und sein Partner Dieter Degowski teilen eine gefährliche Mischung aus Hybris, Überheblichkeit und Arroganz. Sie haben dieses Chaos live im Fernsehen angerichtet und sind die Stars. Und dann gibt es Reporter, die die grundlegenden Prinzipien, sich in die Geschichte einzubringen und sich selbst zu involvieren, ignorieren. Im Laufe des Films wird der Betrachter selbst zum Publikum, das unterhalten wird und sich fragt, was als Nächstes passieren wird. Würden wir uns nur an die Worte und die Menschlichkeit von Herbert Morrison erinnern, wenn wir uns dem Ende nähern.
"Gladbeck: Das Geiseldrama" fand im August 1988 statt, begann in Westdeutschland, wurde zu einer fahrenden Wanderausstellung und endete brutal in den Niederlanden. War dies der Untergang der Medien? Manche sagen, das sei zwischen den 1980er Jahren und 2000 geschehen. Vielleicht haben sie Recht, denn die Ethik trat in den Hintergrund, um die große Story für das sensationsgeile Fernsehen der 80er Jahre zu bekommen. Soll ich das beweisen? In einer Szene, die mich immer noch an der Humanität der Menschen zweifeln lässt, hält ein Journalist einer weiblichen Geisel ein Aufnahmegerät vor das Gesicht, während Rösner ihr auf unschöne und unangenehme Weise eine Pistole in den Nacken drückt. Und das alles, während die Fotografen und Journalisten um Platz und Blickwinkel kämpfen, um den idealen historischen Moment festzuhalten.
"Gladbeck: Das Geiseldrama" ist ein hochspannender und bildgewaltiger Dokumentarfilm über Ethik, Hochmut von mythischem Kaliber und strukturelle Inkompetenz. Dies war ein bedeutender Wendepunkt, der die journalistische Moral grundlegend in Frage stellte. Volker Heise zeigt, dass sich am Appetit des Betrachters auf das Unersättliche, das Makabre nicht viel geändert hat und dass das Kokettieren mit unserer eigenen moralischen Ambiguität nicht nur Unterhaltung ist, sondern unsere Realität, wie die Motte zum Licht.
"Barbarian" von Regisseur Zach Cregger ist eine moderne Version einer Geisterbahnfahrt, die einen großen Horror bietet, aber auch gerne mit dem Verstand des Betrachters spielt. Bei einer komplexen Geschichte wie dieser sind Spoiler vorprogrammiert, aber ich ziehe es vor, die Neugierigen zu warnen, als all die ruchlosen Geheimnisse zu enthüllen, die sich in und unter einem unscheinbaren Haus in einem sehr heruntergekommenen Vorort von Detroit verbergen.
Tess (Georgina Campbell) kommt in einem gemieteten Air B and B an, um sich auf ihr Vorstellungsgespräch am nächsten Tag vorzubereiten. Sie findet das Haus bereits bewohnt vor, und zwar von Keith (Bill Skarsgård), der ebenfalls angibt, er habe einen wirksamen Mietvertrag. Keith scheint ein wenig zu sehr darauf erpicht zu sein, uns zu gefallen, und als er dann noch behauptet, einen Film von einer von Tess' Freundinnen gesehen zu haben, eine Jazz-Dokumentation unter weiblicher Regie, beginnen wir uns über Keiths Motive Gedanken zu machen. Was immer auch Keith zu verbergen hat, es wird deutlich, dass Tess' Argwohn wohl zu Recht besteht.
"Barbarian" ist keine übernatürliche Geschichte, sondern ein düsterer Thriller, und Zach Creggar wandelt auf einem schmalen Grat, wenn sich die Handlung in Richtung unbequemer häuslicher Gewalt verschiebt. Dennoch ist "Barbarian" gewissermaßen mehr als die Summierung seiner erinnerungswürdigen Komponenten. Der Abstecher in das Leben des frauenfeindlichen Schauspielers Cale (Justin Long) in der Mitte des Films hat einen anderen, satirischen Ton, etabliert ihn aber als aalglatten Charakter, den man aufgrund eines Vergewaltigungsvorwurfs gegen ihn schnell verachten kann. Es wird gemartert, aber nicht so unerbittlich malträtiert und attackiert, wie man es vielleicht vermutet haben könnte. Es ist hervorzuheben, dass der Filmtitel nur eine sehr lose thematische Assoziation mit der Story hat.
"Barbarian" ist ein Film für Menschen, die sich leicht mit den peinlichen Situationen identifizieren und ein kohärentes, durchfeuchtetes Gebiet durchstreifen möchten. "Barbarian" bietet eine ungeahnte Dimension der Dunkelheit, eine "Wohin gehen wir?"-Erzählung, die den Betrachter nicht loslässt, und funktioniert in seinem prägnanten, grüblerischen Auftakt wie ein modernisierter "Psycho", wobei Georgina Campbell und Bill Skarsgård ihr exzentrisches Duo gut verkörpern. Der Weg dorthin ist nicht unbedingt originell, aber der Prozess macht den ganzen Reibach, und wenn man mit der Thematik kompatibel ist, wird man von "Barbarian" begeistert sein.
"Bonnie und Clyde" von Regisseur Arthur Penn verdient nicht nur Anerkennung für seine zentrale Rolle in der Entwicklung der Gewalt im amerikanischen Film, denn hier fließt zum ersten Mal Blut verursacht durch Kugeln, und keine Verletzung bleibt ohne das leuchtende Karminrot der Hollywood-Farbe, sondern auch für seine meisterhaft erzählte Antihelden-Romanze, die von einem Stil und einer Schärfe geprägt ist, die der französischen New-Wave-Bewegung entlehnt sind. Obwohl das unvergessliche Team auf der falschen Seite des Gesetzes steht, sind sie eindeutige Protagonisten, die als realistische Menschen mit vielschichtigen Emotionen und Antrieben dargestellt werden. Die Qualität und der Zauber des Films werden oft von seinem kultigen, over-the-top Ende überschattet, aber die Charakterentwicklung von Bonnie, Clyde und den anderen Mitgliedern der Barrow-Bande ist absolut tadellos.
Texas, 1931: Für Clyde Barrow (Warren Beatty), frisch aus dem Gefängnis für bewaffneten Raubüberfall, und Bonnie Parker (Faye Dunaway), eine Kellnerin auf der Suche nach einem Abenteuer, beginnt ein neues Kapitel der Kriminalität. Die beiden sind ein charmantes Pärchen, das es zu etwas bringen will. Sie sind keine eingefleischten Verbrecher, aber sie sehen nicht ein, dass ihre spontanen, wilden Aktionen etwas Schlechtes sind, also rauben sie Banken und Supermärkte aus und stehlen Autos - alles, um von einem Ort zum anderen zu kommen, ohne sich um etwas zu kümmern. Bald nehmen sie die Hilfe des Automechanikers und Fahrers C.W. Moss (Michael Pollard) in Anspruch, der ebenfalls nach einer Auszeit vom Alltag sucht, und kurz darauf gewinnen sie ungewollt die Hilfe von Clydes Bruder Buck (Gene Hackman) und seiner Frau Blanche (Estelle Parsons). Als die Polizei und der wütende Texas Ranger Frank Hamer (Denver Pyle) den ahnungslosen Dieben auf die Spur kommen, ist die Anspannung groß.
Weder Bonnie noch Clyde scheinen zu verstehen, warum man sie umbringen will, schließlich stehlen sie nur Geld und wollen niemanden verletzen. Ihre Wahrnehmung ihrer Delikte entspricht nicht dem Konzept des Opfers, weshalb sie nicht in der Lage sind, die unvermeidliche Vergeltung zu begreifen, die das Gesetz anstrebt und die die bittere Rache der Menschen ausdrückt, denen sie geschadet haben. Wie eine verdrehte Version von Robin Hoods Männern stehlen sie nur von den Reichen, behalten aber die Beute für sich selbst. Bonnie lernt schließlich, ihre Taten zu bereuen, vor allem angesichts der erwachenden Verachtung ihrer Mutter und, am Rande, ihres ständigen Bedürfnisses nach Zuwendung von Clyde, der dies nicht erwidert. Zu spät bemerkt sie, dass sie nirgendwohin gehen, sondern immer wieder in den Akt des Laufens vertieft sind. Clyde findet das nie heraus und stellt sich stattdessen vor, dass er, wenn er alles noch einmal machen könnte, Banken mit raffinierteren Methoden ausrauben würde.
Mehr als das umfassende Blutvergießen, das vor allem im Finale zu bewundern ist, führt "Bonnie und Clyde" den Betrachter in eine unkonventionelle Liebesgeschichte ein, die von Kameradschaft und Nervenkitzel lebt, aber keine echte Romanze enthält. Warren Beatty und Faye Dunaway bilden eines der eindrucksvollsten und erotischsten Leinwandduos, mit offensichtlicher Chemie und einer ausgesprochen unilateralen Passion. Und wie die galanten Ganoven werden sie auf eine Weise humanisiert, die ihr stark übertriebenes, grausames Schicksal weitgehend ungerechtfertigt wirken lässt. Es gibt auch großartige komödiantische Einlagen - Gene Wilder ist als unschuldiger Zuschauer besonders witzig -, kunstvolle Filmaufnahmen, wie die traumhafte Sequenz, in der Bonnie ihre entfremdete Mutter besucht, und viele rasante Verfolgungsjagden und Schießereien mit Maschinengewehren. Insgesamt ist "Bonnie und Clyde" ein beeindruckendes biografisches Werk, das es wagt, Bösewichte in heldenhafte Figuren zu verwandeln und dabei Gewalt und Sexualität auf revolutionäre Weise in das filmische Schaffen einzubeziehen, was zu 10 Oscar-Nominierungen führen und Auswirkungen auf zahlreiche andere Filme haben sollte.
In Los Angeles im Jahr 2002 ist der 15-jährige Adonis Creed sowohl in den Boxsport vernarrt als auch im Begriff, mit seinem Freund Damian Anderson in Schwierigkeiten zu geraten. Diese einleitende Sequenz von "Creed III" von Regisseur und Hauptdarsteller Michael B. Jordan ist der Beginn einer langen Rückblende, die in Stücke geschnitten und über den ganzen Film verbreitet wird, um dem Betrachter die Beweggründe für den klimatischen Kampf zwischen den Boxern zu erläutern. Aber das Wichtigste wird unnötig lange zurückgehalten, so dass es egal ist, was die Rivalität anheizt, sobald der Kampf angekündigt wird.
Nach einer lukrativen Karriere, die in einem Gürtel für den unangefochtenen Weltmeister im Schwergewicht gipfelte, setzt sich Adonis Creed (Michael B. Jordan) endlich zur Ruhe. Etwa drei Jahre später genießt er das Leben mit seiner Frau Bianca (Tessa Thompson) und der gemeinsamen Tochter Amara (Mila Davis-Kent), trainiert aber immer noch, denn er kann sich nicht ganz von dem Sport trennen, den er liebt. Während er sich auf den nächsten großen Kampf zwischen Felix Chavez (Jose Benavidez) und Viktor Drago (Florian Munteanu) vorbereitet, für den er kräftig Reklame macht, kehrt ein bekanntes Gesicht aus der Vergangenheit zurück: Damian Anderson (Jonathan Majors), der für Furore sorgen wird. Schließlich hat Damian Anderson gerade eine 18-jährige Haftstrafe hinter sich und ist damit viel älter als der herkömmliche Kämpfer, aber er ist fest entschlossen, sich die Chance auf ein Meisterschaftsduell zu sichern. "Lass ihn sparren."
Der größte Teil der Handlung ist ein Familiendrama, von Adonis Creeds gemobbtem Kind über seine kranke Mutter bis hin zu den Karriereproblemen seiner Frau und seinem eigenen Defizit an Hobbys. Es gibt auch viel Smalltalk zwischen den ehemaligen Brüdern, der schließlich in den emotional schwierigen Bereich einer unglücklichen Erziehung führt. Es ist eine Menge Beziehungsdramatik, das das Tempo drosselt und von der einzigen wirklichen Attraktion ablenkt, nämlich der actiongeladenen Choreografie im Ring. Obwohl Adonis Creed darauf besteht, dass es bei diesem Sport um Timing, Konzentration und Kontrolle geht und keinesfalls um Gewalt, ist es zweifelhaft, dass sich jemand von den schachähnlichen Elementen begeistern lässt und stattdessen auf die schweren Schläge und das Zertrümmern von Gesichtern in Zeitlupe gespannt sein wird.
Wird der Betrachter die gleiche Geschichte auch beim x-ten Mal noch schätzen? Nach einer ridikül konstruierten Szene ist die Bühne plötzlich für einen Kampf zwischen Damian Anderson und Felix Chavez bereitet, für den es kaum einen Hype gibt, was ihm eine gewisse Imponderabelkeit verleiht. Wird es ein Martheum oder ein Massaker werden? So oder so, beide sind extrem unsympathisch, was nur dazu führt, dass Adonis Creed gegen Damian Anderson antritt, was natürlich geschehen muss, um die Vergangenheit zu versöhnen - eine Vita, die nicht so diskret verschwiegen wird, bis die komplizierten Familienkrisen einfach ausgeblendet werden, wenn der finale Showdown ansteht. Es steht nicht viel auf dem Spiel, zumal das böse Blut in dieser Fortsetzung nur erfunden und definiert wird und nicht einmal die Signifikanz der Verwandten aus den Rocky-Episoden aufgreift - nicht, dass das sonderlich gewichtig wäre. "Jeder liebt die Geschichte eines Außenseiters."
Ein Schurke wird gebraucht, also wird ein Schurke bestimmt, ein passender Kämpfer wird gebraucht, also wird ein passender Kämpfer beschworen. Mit generischen, leblosen Charakteren und Verhältnissen fühlt sich "Creed III" genau so an, als wäre er nach einer Filmvorlage produziert worden, vollgepackt mit Fistpumping-Montagen, Motivationsreden und reparativen Dialogen, die trotz der guten schauspielerischen Leistungen der Darsteller holzköpfig und nicht glaubhaft wirken. Es mag ein kompetenter Boxfilm sein, aber es ist nur ein weiterer Boxfilm, der absolut nichts Neues zu sagen oder zu zeigen hat. Auch wenn in den letzten Sekunden des Endkampfes noch einmal das charakteristische "Rocky"-Theme erklingt, wird Rocky Balboa mit keinem Wort im Drehbuch erwähnt, was ausgesprochen schlau ist. Er ist hier komplett unwichtig, aber das gilt auch für dieses Creed-Abenteuer, in dem es nur um Zahlen geht. Sollte es eine weitere Fortsetzung geben, sollte diese besser von Adonis Creeds gehörloser Tochter handeln, denn es wäre erfrischend, eine weibliche Hauptfigur in der Arena kämpfen zu sehen.
Viel Action, aber wenig Handlung gibt es in "Furie" von Regisseur Le-Van Kiet, den man als vietnamesische Version von "96 Hours" bezeichnen könnte, nur dass es hier um eine wütende Mutter geht, die die Kidnapper verfolgt, die ihre Tochter entführt haben. Hai Phuong wird von Veronica Ngo gespielt, die bereits in einer Reihe von Hollywood-Blockbustern mitgewirkt hat, vor allem in "Star Wars 8 - Die letzten Jedi", und die sich hier in jeder Hinsicht zu Hause fühlt. Als wir sie schließlich kennen lernen, ist sie eine Schuldeneintreiberin in einer ländlichen vietnamesischen Stadt, die eine reizende, aber launische Tochter namens Mai (Cat Vy) allein aufzieht. Sie kümmert sich liebevoll um das Mädchen, das seine Mutter offensichtlich liebt, obwohl es von seinen Mitschülern wegen Hai Phuongs unsittlichen Praktiken schikaniert wird.
Als Mai auf der Straße von einer Schlägerbande entführt wird, schaltet Hai Phuong nicht nur einige der Entführer mit geschickten Kampfkünsten aus, sondern schnappt sich auch ein Motorrad, um sie zu verfolgen. Und als sie sieht, wie ihr Kind zusammen mit anderen Kindern in einen Lieferwagen gepfercht wird, um nach Saigon transportiert zu werden, springt sie in einen Transporter und verfolgt ihn. Die Stadt ist ihr nicht völlig unbekannt: Sie war früher die Anführerin einer Bande, verließ sie aber, als sie schwanger wurde. Jetzt ist sie zurück und hat nur ein Ziel vor Augen: Mai zu retten, die, wie sie bei einem Besuch auf einem Polizeirevier herausfindet, Opfer eines organisierten Schwarzmarkthandels mit menschlichen Organen geworden ist. Ein Polizist namens Luong (Phan Than Nhien) wird mit dem Fall betraut, aber sie beschließt, ihn auf eigene Faust zu lösen, zumindest vorerst.
Es folgt eine Reihe von Kampfsport-Episoden in Saigon, während Hai Phuong Hinweisen folgt, die sie zu immer ranghöheren Personen in der Schmugglerorganisation führen. Obwohl nicht ganz klar ist, wie sie von einer Ebene zur nächsten gelangt, sind die Actionsequenzen geschickt choreografiert und gedreht und geben Veronica Ngo reichlich Gelegenheit, ihre Kampffähigkeiten zu zeigen, auch wenn sie nicht immer siegreich ist. Schließlich trifft sie sich wieder mit Luong und organisiert zusammen mit seiner Truppe einen letzten Kampf gegen die Bösewichte, angeführt von der fiesen Nu Quai (Thanh Hoa), was zu einem Wiedersehen mit ihrer Tochter und, wie der Abspann verrät, zu einem neuen Leben führt.
"Furie" ist technisch adäquat, aber nicht wesentlich umfangreicher. Die Tristesse des Anfangs wird in den Stadtszenen durch einen in farbiges Licht und Schmutz getauchten Look ersetzt, und der Schnitt von Quyen Ngo ist nicht besonders präzise. Der Einsatz von visuellen Effekten ist spärlich und nicht immer von bester Qualität, aber insgesamt vermeiden die Filmemacher einen übermäßig trübseligen Effekt. "Furie" betritt kaum Neuland: Es ist einfach ein phlegmatischer Actionfilm, ein "96 Hours"-Abklatsch mit einer weiblichen Hauptfigur. Doch Veronica Ngo ist eine charakterstarke Titelheldin, die Liebhaber des Genres mit ihren Kompetenzen beglücken wird.
In "The Banshees of Inisherin" von Regisseur Martin McDonagh führen die Bewohner des verschlafenen irischen Inseldorfs 'Inisherin' ein bescheidenes Leben, das oft darin besteht, zwischen ihrem Haus und dem örtlichen Pub hin und her zu pendeln. Padraic Suilleabhain (Colin Farrell) und Colm Doherty (Brendan Gleeson) sind zwei dieser Männer, die regelmäßig jeden Nachmittag ein Bier in der Bar trinken. Eines Tages im April, als Padraic bei Colm zu Hause ankommt, damit die beiden ihren traditionellen Tavernenbesuch machen können, ignoriert Colm Padraic völlig. Verwirrt über sein ungewöhnliches Verhalten, stellt Padraic Colm in der Kneipe zur Rede und erfährt, dass dieser nie wieder mit ihm sprechen möchte. Konfusion und Ratlosigkeit weichen bald der Trauer, der Angst und schließlich der Gewalt, als die beiden ehemaligen Freunde durch ihre immer unüberlegteren Handlungen nicht nur ihr eigenes Leben, sondern auch das Leben der Menschen in ihrer Umgebung zerstören.
Der größte Teil von "The Banshees of Inisherin" wirkt wie ein Mikrokosmos für die Problematik, mit seiner abrupten Trennung zwischen ehemaligen Freunden und neuen Feinden, dem plötzlichen Aderlass, der die gegnerischen Seiten schockiert, und dem Gefühl, dass diese Meinungsverschiedenheit vielleicht nie wirklich gelöst wird. Es wird sogar Kritik an der Kirche geübt. Besonders bemerkenswert ist die Herangehensweise der beiden Parteien: Der eine versucht krampfhaft, in der Gewohnheit des anderen zu verharren, um ihn wieder in sein früheres Arrangement zu integrieren, während der andere einen sauberen Bruch versucht, in der Hoffnung, durch die Ausübung divergierender Interessen einen Neuanfang zu machen. "Vielleicht mag er dich einfach nicht mehr."
Natürlich ist es auch möglich, dass es sich um eine rein isolierte Studie über eine Freundschaft handelt, die zerfällt, aber dann würden viele der späteren Ereignisse nur um der Skurrilität willen immer absurder werden. In jedem Fall entsteht durch die Verwendung einer Kleinstadt mit gewöhnlichen Menschen, die banalen Tätigkeiten nachgehen, die an völlige Verblödung grenzen, eine hervorragende Persönlichkeitsanalyse, die die erstaunlichen, weitreichenden Konsequenzen einer plötzlichen Ausgrenzung untersucht. Haltungen und Verhaltensmuster verfallen unter dem Druck der drastischen Abweichung von erwarteten Gepflogenheiten, was manchmal durch die spielerischen Wiederholungen und komischen Beobachtungen von Martin McDonaghs Drehbuch zur Hysterie wird - sein Humor ist außergewöhnlich, selbst in diesem nicht so universellen Umfeld, und gelegentlich tragisch, wenn bittere Zurückweisung die Oberhand gewinnt. Der anfängliche Konflikt wird wie ein Rätsel angegangen, wobei die zentralen Rollen langsam, aber sorgfältig mit der Kraft nachvollziehbarer Wechselwirkungen aufgebaut werden, die die Sterblichkeit, das Vergehen der Zeit und das Hinterlassen eines Vermächtnisses kommentieren. Später jedoch wird ihre Begegnung unheilvoll und deutet auf die makabre Natur des titelgebenden Geistes der irischen Folklore hin. "Was ist nur los mit euch allen?"
In der Umgebung einer abgelegenen Insel, wo sich Klatsch und Tratsch schnell verbreiten und Geheimnisse nie von Dauer sind, sind menschliche Beziehungen von entscheidender Bedeutung. Für die beiden Hauptfiguren ist ihre Freundschaft der wahre Sinn des Lebens, denn sie ist für sie das Wichtigste in ihrer bedeutungslosen Existenz. Dank der großartigen Leistung von Colin Farrell, dessen Emotionen auch in langen Sequenzen der Wortlosigkeit, des Smalltalks oder der alkoholisierten Unverschämtheit nicht zu kurz kommen, ist der Anfang von "The Banshees of Inisherin" voller bewegender Betrachtungen, die zeigen, dass ihre Freundschaft ausreicht, um die gesamte Geschichte voranzutreiben - auch Barry Keoghans Nebenrolle ist großartig. Leider geht ein Teil der Botschaft für den Betrachter verloren, wenn bestimmte Demonstrationen zu sehr auf die Spitze getrieben werden oder auffallend filmisch und vielleicht in ihrer Schrägheit undurchschaubar sind und die unbefriedigenden Qualitäten von übertriebener Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit offenbaren. Wenn Martin McDonagh wirklich wollte, dass seine Geschichte das psychologische Leiden eines langjährigen ethnonationalistischen Konflikts widerspiegelt, wird der Betrachter, der mit den historischen Parallelen nicht vertraut ist, noch mehr davon verlieren. "Es gibt Dinge, über die kommt man nicht hinweg."
Das Blut fließt in Bächen, wenn in "Project Wolf Hunting" von Regisseur Kim Hong-sun Kehlen durchstochen, Gliedmaßen abgetrennt und Köpfe zertrümmert werden. Der Film scheint in erster Linie für solche brutalen Sehenswürdigkeiten zu existieren, und in gewisser Weise tut er genau das, was er beabsichtigt. Das ist natürlich nicht viel. Die Prämisse ist, um das Mindeste zu sagen, clever, und es ist überraschend, dass keine der anfänglichen Vorbereitungen wirklich von Bedeutung sind. Die Handlung beginnt mit der Einführung eines Schiffes voller gewalttätiger und extrem gefährlicher Straftäter, die von den Philippinen nach Südkorea ausgeliefert werden.
Sie sind kaltblütige Mörder und ihresgleichen. Obwohl "Project Wolf Hunting" erst im dritten Akt einen Protagonisten offenbart, scheint er sich auf zwei Kriminelle zu konzentrieren: den stark tätowierten Jong-doo (Seo In-guk), der besonders rabiat tötet, und Do-il (Jang Dong-yoon), dessen liebenswürdiges Gesicht und sanfte Art eine bösartige Vergangenheit zu verbergen scheinen. Man sollte sich nicht zu sehr an mindestens einen von ihnen gewöhnen - zusätzlich zu fast jeder anderen Figur, unabhängig davon, wie viel oder wenig Zeit die Geschichte mit ihnen verbringt. Das Drehbuch von Kim Hong-sun macht gleich zu Beginn der Story klar, dass man sich weder mit den Figuren noch mit der Handlung anfreunden soll. Natürlich geschieht das halbwegs Vorhersehbare: Die Gefangenen fliehen und führen eine blutige Meuterei gegen ihre Wärter an. Zwei überlebende Polizeibeamte, gespielt von Park Ho-san und Jung So-min, leiten die Maßnahmen zur Beendigung des Angriffs an.
Alles läuft auf ein turbulentes Schlachtfest hinaus, bei dem Kim Hong-sun in grausamer Gewalt und regelrechten Blutfontänen schwelgt, die überall herausspritzen. Der anfängliche Schock ist nicht zu leugnen, aber wie bei allem, was in moderatem Maße geschieht, lässt die Wirkung dieser Brutalität mit jeder durchgeschnittenen Gurgel oder jeder geplatzten Schusswunde nach. Ohne Charaktere, mit denen man sich identifizieren kann, nicht nur, weil die meisten von ihnen inhuman sind, sondern auch, weil Kim Hong-sun ihnen kaum eine Entwicklung jenseits ihrer Rolle oder eine Vision abseits der gewalttätigen Handlung gibt, ist "Project Wolf Hunting" nur eine Anhäufung barbarischer Bilder. Die große Abweichung in der Mitte des Films betrifft einen übernatürlichen Feind, der an Frankensteins Monster erinnert, den alle bekämpfen oder vor dem sie fliehen müssen. Und auch wenn diese Ausgeburt den Verlauf der Geschichte verändert, ist sie doch vor allem ein Grund, eine praktikablere Gewaltform anzubieten. Schließlich kann er ohne Messer eine Halsschlagader durchtrennen und ohne Hammer einen Thorax zerquetschen.
Das Kernproblem von "Project Wolf Hunting" ist vielleicht, dass Kim Hong-suns Skript zwar den Fokus der Handlung von Action zu Horror wechselt, sein Film aber im gleichen Tempo, Rhythmus und der identischen Ästhetik verharrt. Die erstgenannten Änderungen mögen verhindern, dass der Film redundant erscheint, aber das Endergebnis ist immer noch völlig repetitiv.
Der Film "Aftersun" von Regisseurin Charlotte Wells beginnt mit einem kaleidoskopischen Schnitt, der einen Schlaganfall provoziert, als ein vermeintlich schottischer Vater und seine Tochter in einem Hotel ankommen, um einen sonnigen Urlaub in der Türkei zu verbringen. Sofort gibt es jedoch kleine Unannehmlichkeiten, wie beispielsweise nur ein Einzelbett in ihrem Zimmer, obwohl das Reisebüro bestätigt hatte, dass es zwei geben würde. Sie wollen sich aber auf jeden Fall amüsieren, sich in der Sonne aalen, im Meer schwimmen, einen Vergnügungspark besuchen, in ein Spa gehen und in Restaurants dinieren. Keiner der beiden gibt sich viel Mühe, aber das hält sie nicht davon ab, Spaß zu haben.
Von Anfang an agiert die Kamera fast wie eine weitere Persönlichkeit, die das Geschehen aus nächster Nähe beobachtet, sich aber generell weigert, Gefühle zu diktieren oder aufdringlich zu werden. Es ist so, als ob sich ein Fremder zu einer Gruppe von Menschen an einem Tisch oder am Pool gesellt oder in einer Menschenmenge sitzt und betrachtet und wahrnimmt, aber nichts sagt. Er hält Alltagsaktivitäten und -gespräche fest, gelegentlich auch mit einer Videokamera auf dem Boden, wenn Vater Calum Paterson (Paul Mescal) und die junge Sophie (Frankie Corio) ihren Urlaub mit Filmaufnahmen oder Fotos dokumentieren. In vielerlei Hinsicht ist es so, als würde man sich ein hochwertiges Heimvideo ansehen. Auch das Sounddesign ist vergleichbar und beschränkt sich weitgehend auf zusätzliche Musik zugunsten von Hintergrundgeräuschen und relevanten Soundeffekten im Bild.
Calum Paterson ist geschieden, so dass diese Reise eine Gelegenheit ist, Zeit mit seiner Tochter zu verbringen. Daher stehen die klassischen touristischen Veranstaltungen auf dem Programm, und es gibt nichts besonders Interessantes. Es ist jedoch überaus realistisch, fühlt sich an wie eine Slice-of-Life-Erzählung und ist oftmals schön in seiner Simplizität und Leichtigkeit. Es braucht keine cineastischen Höhen und Tiefen, um zu gefallen und sich authentisch anzufühlen. Diese Zwei-Personen-Show besticht durch ungemein glaubwürdige Darstellungen, die zu keinem Zeitpunkt auch nur annähernd lebensecht wirken. Natürlich wird das Gewöhnliche oder Alltägliche ab einem bestimmten Punkt seltsam, auch wenn die aufkeimende Sexualität ein wenig im Mittelpunkt steht. Wird hier eine Geschichte erzählt? Wird etwas Signifikantes stattfinden? Oder ist das alles nur eine schweigende Träumerei? "Du kannst sein, wer immer du willst. Du hast Zeit."
Je länger "Aftersun" dauert, desto mehr wird die Zeitlinie durch kurze Aufnahmen aus verschiedenen Epochen unterbrochen, so dass der Eindruck entsteht, dass es sich bei dem, was der Betrachter sieht, größtenteils um eine Rückblende handelt, die durch Aufzeichnungen der erwachsenen Sophie ergänzt wird. Doch die Sinnhaftigkeit des Urlaubs nimmt eine ergreifende Wendung, als Sophies Vater darauf besteht, dass sie ihm immer alles erzählen kann - auch über Jungs. Auch die Tatsache, dass sie es vorzieht, gar nichts zu sagen, ist in Ordnung. Das ist ein tröstlicher, emotionaler Gedanke, der nachhallt, auch wenn "Aftersun" ziemlich abrupt endet und einen Teil seiner Bedeutung durch den kryptischen Schnitt und die metaphorischen Bilder versteckt, die andeuten, dass Sophies jugendliche Perspektive nicht alles erfassen kann, was im komplexen Erwachsenenleben ihres Vaters vor sich geht. Es ist auch unwahrscheinlich, dass der Betrachter alle Informationen erkennt, aber das ist sicherlich Teil der Absicht. Aus der Sicht eines Kindes sind die Verantwortung des Erwachsenseins und die Aussicht auf psychischen Stress unvorstellbar. Es ist merkwürdig rührend und eine freudige Exploration einer Vater-Tochter-Beziehung, aber letztlich zu doppelbödig und vergänglich, um wegweisend oder nachhaltig zu sein.
Das düstere isländische Volksmärchen "Lamb" von Regisseur Valdimar Jóhannsson entwickelt sich in einem eisigen Tempo und ist von einer gewissen Kälte durchdrungen. Der Film ist eine leise, geheimnisvolle Fabel über die Gefahren der gierigen Ausbeutung der Natur, die ihr Wissen an unzählige andere Filme weitergibt, die in die gleiche Richtung gehen, und weise darauf verzichtet, das Thema zu verharmlosen. Stattdessen ist der Ansatz so subtil, dass es fast unmöglich ist, "Lamb" zu durchschauen. Die ruhige, frostige Schönheit des Schauplatzes wird durch die emotionale Aufgewühltheit der Protagonisten ausgeglichen, die nur aus der Natur schöpfen, um die Leere in ihren Herzen zu füllen.
Zu Beginn von "Lamb" liegt eine elegische Stimmung über dem Ehepaar Maria (Noomi Rapace) und Ingvar (Hilmir Snaer Gudnason), so konstant wie der Schneefall auf ihrer abgelegenen Schaffarm im ländlichen Island. Der eisige Nebel vor ihrem Haus ist wie eine Verlängerung der frostigen Stille im Inneren, so dicht und beklemmend, dass er sie beide zu verschlucken droht. Sie führen abgestumpfte, oberflächliche Gespräche über die Zusammenarbeit, aber wenn "Lamb" sich Zeit lässt, etwas zu offenbaren, dann deshalb, weil das Private zu schmerzhaft ist, um darüber zu sprechen.
Noomi Rapace brilliert in diesen Momenten der Stille und vermittelt wortlos den Eindruck, dass jede Falte in ihrem Gesicht von der Hand der Trauer selbst verursacht wurde. Während "Lamb" die Ursache für die Misere des Paares andeutet - ein unbenutztes Kinderbett, das im Schuppen steht, eine beiläufige Bemerkung, die eine Sehnsucht nach der Vergangenheit ausdrückt - hängen diese stillen Andeutungen in der Luft und warten darauf, dass der Betrachter sie bemerkt und addiert. Es wird nie explizit etwas angesprochen. Als eines der Schafe des Paares ein ungewöhnliches Lamm zur Welt bringt, macht ein langer Blickkontakt zwischen den beiden klar, dass sie es als ihr eigenes aufziehen wollen.
Das Kind, das sie Ada nennen, ist ein Anblick, der immer verstörender wird, je mehr von seinem Abbild, das durch eine nahtlose Mischung aus Tieren, Schauspielern, Puppenspiel und Computeranimationen entsteht, zum Vorschein kommt. Wie alle frischgebackenen Eltern weigern sich Maria und Ingvar jedoch standhaft, sich mit dem Gedanken auseinanderzusetzen, dass das Kind alles andere als makellos ist. Doch das auf kollektivem Größenwahn aufgebaute Glück kann nicht von Dauer sein, und schon bald wird Marias Schlaf durch Albträume von Schafböcken mit durchdringenden Augen und dem kläglichen Blöken von Adas echter Mutter vor dem Fenster gestört. Das Schaf mit seinem zitternden Mund und den großen, traurigen Augen ist das ergreifendste Bild des Films, das die ungewollte Unmenschlichkeit des Ehepaars veranschaulicht, auch wenn die Agonie ihrer früheren Kinderlosigkeit sie menschlich erscheinen lässt.
Es wird klar, dass bald ein Preis zu zahlen sein wird, und größtenteils nutzt diese pastorale Version der Affenpfote und ihrer Allegorie 'sei vorsichtig, was du dir wünschst' die langen Abschnitte der Stille effektiv, um Spannung zu erzeugen und den Betrachter in den Rhythmus eines Lebens einzutauchen, das so ruhig ist, dass seine Zerrüttung unvermeidlich ist. Es könnte fast ein bäuerliches Familiendrama sein, wäre da nicht dieses eine erschütternde Bild im Zentrum des Geschehens. "Lamb" funktioniert hier am besten, als gut gezeichnetes Porträt einer ordinären Häuslichkeit, mit all ihrer Sanftheit und Wärme, all ihren Familiengeheimnissen und kleinen Eifersüchteleien. Das Regiedebüt von Valdimar Jóhannsson, der den Film gemeinsam mit dem Dichter Sigurjón Birgir Sigurðsson geschrieben hat, ist spannend bis zum kaum überzeugenden Schluss, wobei die abschließende Sequenz fast wie ein Nachgedanke wirkt. Nachdem "Lamb" so lange im Geheimen gebrütet hat, findet er leider immer noch nicht die passenden Worte, um seine Erzählung abzurunden.
In "James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben" von Regisseur Cary Jôji Fukunaga zieht sich James Bond (Daniel Craig) mit seiner neu entdeckten Liebe Madeleine Swann (Lea Seydoux) aufs italienische Land zurück, (Spoiler) nachdem er Ernst Stavro Blofeld (Christoph Waltz), den Chef des riesigen Verbrecherimperiums 'SPECTRE', endlich enttarnt und hinter Gitter gebracht hat. Da James Bond weiß, dass sein Herz nie ganz ihr gehören wird, solange er nicht in der Lage ist, Vesper Lynds Verrat zu verzeihen, schmiedet Madeleine Swann einen Plan, damit er das Grab seiner ehemaligen Flamme besuchen kann. Als James Bonds Feinde wiederkehren und Madeleine Swanns Loyalität in Frage stellen, verlässt der Geheimagent sie und macht sich aus dem Staub. Fünf Jahre vergehen, bis der CIA-Agent Felix Leiter (Jeffrey Wright) den zurückgezogen lebenden ehemaligen Agenten aufspürt und ihn bittet, einen verschwundenen Wissenschaftler zu finden, der Verbindungen zu 'SPECTRE' hat. James Bond nimmt den Auftrag nur widerwillig an und wird schon bald in ein finsteres Komplott gegen einen Wahnsinnigen verwickelt, der 007s Verbündete, Feinde und die Frau, deren Leben er einst gerettet hat, vernichten will.
"James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben" beginnt mit der ikonischen Musik, der Waffenrohrgrafik und der Eröffnungssequenz, aber es ist sofort anders als zuvor. Die Eröffnungsszenen stammen direkt aus einem Horrorfilm, komplett mit all den lächerlichen Elementen, die zu einem solchen Standardwerk gehören. Und dann gibt es noch Romantik, Beziehungsdetails und schnulzige Reminiszenzen und Verweise auf ältere Filmepisoden, die den Anfang so lange aufblähen, dass die schließlich obligatorische Handlung zu einer fast vergessenen Voraussetzung wird, ebenso wie der Titelsong, hier von Billie Eilish, ein vergleichsweise unscheinbares Liedchen. Die längste Einleitung eines Bond-Films ist vielleicht vom längsten aller Bond-Filme zu erwarten, denn dieses Gigantom ist 2 Stunden und 46 Minuten lang.
Endlich werden dem Betrachter Verfolgungsjagden mit Autos und Motorrädern, High-Tech-Gadgets, Explosionen und Schießereien sowie einige emotionale Momente geboten, doch "James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben" begeht mit seiner misslungenen Zuspitzung des Abenteuers den unverzeihlichsten Fehler des Actionfilms. Die ersten paar Verfolgungsjagden und Stunts sind die besten, während der Mittelteil und das Finale nur wenig mannhaft sind. Im Gegensatz zu den vorherigen Filmen, die mit jeder Verfolgungsjagd größer und besser wurden, ist dieser letzte Daniel-Craig-Film enttäuschend illiquid an monumentalen Kulissen. Und das leider zu Gunsten eines quabbeligen, komplizierten, aber letztlich trockenen Biowaffen-Nanotechnologie-Komplotts zur Zerstörung der Welt. Die Zeiten sind passé, in denen sich der berühmteste Geheimdienstagent gegen einen knallharten Bösewicht mit skrupellosen terroristischen Ambitionen wehren konnte.
Abgesehen davon, dass der Schwerpunkt nicht mehr auf der Action liegt, verlassen sich die Filme von Daniel Craig - insbesondere dieser - viel zu sehr auf Ernsthaftigkeit und Intensität und weigern sich, genügend Witze über sich selbst zu machen, um die Bizarrerie der überirdischen Heldentaten von James Bond zu würdigen. Realismus funktioniert bei James Bond grundsätzlich nicht gut. Nörgelnde Politik und todernste Antagonisten übertönen selbst die kleinsten Versuche der Heiterkeit. Eine Außnahme von ihnen ist Ana de Armas, ein ziemlich perfektes Bond-Girl, deren Szenen die einzigen Versuche sind, den Betrachter an die fröhlicheren, ironischen Abenteuer von früher zu erinnern. Die internationalen diplomatischen Probleme kehren zurück, ebenso wie die bewährte 'Traue niemandem!'-Idee, die schockierend offensichtlichen Produktplatzierungen und die Bösewichte mit allzu eigenwilligen Deportationen oder Gesichtsverformungen. Rami Malek als Safin ist nicht schlecht, auch wenn er sicherlich effektiver hätte eingesetzt werden können, aber wenig mahnt an wirklich nostalgische Bond-Formen.
Jüngere Generationen werden sicherlich die Anspielungen auf die aktuelle politische und soziale Korrektheit genießen, während langjährige Fans die verschiedenen Bezüge, Verbindungen und Enthüllungen aufgreifen werden, die in das größere Bond-Universum passen, aber es gibt einfach zu viele sekundäre Handlungen, Charaktere und gleichzeitige Missionen, die das Gefühl der Spannung verderben. "James Bond 007 - Keine Zeit zu sterben" ist nicht nur überladen, er ist virulent inadäquat, wenn man bedenkt, dass das Ende darauf hinausläuft, dass ein Mann und eine Frau gegen einen milliardenschweren bösen Mastermind und seine monströse Festung von bewaffneten Gewalttätern kämpfen müssen. Der Höhepunkt erweist sich als enorm, aber nur in Bezug auf die Relevanz der Resultate, nicht in der Dimension der Showdowns oder Feuergefechte. Wie "James Bond 007 - Skyfall" fühlt sich auch der letzte Ausflug von Daniel Craig nicht wie ein echter James Bond-Actioner an. Stattdessen folgt er dem Prinzip der generischen, impraktikabelen Missionen, die jeden beliebigen Titel hätten tragen können - eventuell einen, der keine besonderen Ansprüche stellt.
In "James Bond 007 - Spectre" von Regisseur Sam Mendes begibt sich der britische Geheimagent James Bond (Daniel Craig) nach Mexiko-Stadt, um nach einem Mitglied einer geheimen kriminellen Organisation zu suchen, nachdem sein ehemaliger Vorgesetzter ein kryptisches Schreiben hinterlassen hat. Dort entdeckt er Mr. White (Jesper Christensen), einen abtrünnigen Agenten, der vor dem Verbrecherverein auf der Flucht ist, und schließt mit dem Überläufer einen Deal ab: Er will seine Tochter Madeleine (Lea Seydoux) beschützen, wenn er im Gegenzug den sinistren Anführer des Konglomerats, Franz Oberhauser (Christoph Waltz), findet. Doch während James Bond seinem Ziel immer näher kommt, nimmt ein mörderischer Auftragskiller (Dave Bautista) den durchtriebenen Agenten ins Visier, während mächtige Kräfte in London versuchen, das 007-Programm von innen heraus zu zerstören.
Es gibt bestimmte wesentliche Elemente, die einen James-Bond-Film ausmachen: die Pre-Credits-Sequenz, der Titelsong, die Bösewichte, die Frauen, die Drehorte, die Autos und die Stunts sind nur einige davon, irgendwo dazwischen muss ein Drink bestellt und der Name James Bond in seiner unverwechselbaren Art ausgesprochen werden. Bei "James Bond 007 - Spectre" deutet schon die Eröffnungsszene auf einen guten Start hin: Die Feierlichkeiten zum Tag der Toten in Mexiko-Stadt bieten sowohl bedrohliche als auch farbenfrohe Kostüme, jede Menge überfüllte Schauplätze für Explosionen, Schießereien und Verfolgungsjagden sowie eine Kamera, die den Bewegungen des Superspions über gefährliches, bröckelndes und mit Kugeln übersätes Gelände perfekt zu folgen scheint. Die Musik ist sensationell, hier von Thomas Newman, aber mit einem Sound, der an 'Junkie XL' denken lässt, mit donnernden Bässen und Percussions, wobei authentische Festivaltöne in die spannungsgeladenen Beats ein- und aussteigen. Der gesamte Aufbau ist einer der besten von James Bond.
Beim Titelsong sieht es leider anders aus. Der Song 'Writing's on the Wall' von Sam Smith wurde zwar viel beachtet und gelobt, klingt aber weder wie ein Bond-Song, noch ist er dynamisch genug, um in späteren Actionszenen immer wieder als musikalisches Motiv durchzugehen. Dies wird durch die Vorstellung von Monica Bellucci wettgemacht, die eine der passendsten Bond-Girls ist, die nie in einem 007-Abenteuer mitgespielt haben. Leider ist ihre Rolle minimal und es scheint, dass sie nur aufgenommen wurde, um entweder die Anzahl der weiblichen Charaktere zu erhöhen und James Bonds Fickbekanntschaften aufzuwerten oder um die Schauspielerin über die Tatsache hinwegzutrösten, dass man es vor Jahrzehnten tragischerweise versäumt hat, sie zu besetzen.
Das größte Problem von "James Bond 007 - Spectre" sind nicht die kleinen Patzer in den obligatorischen Einschüben, wie der übergroße Fiesling, der erwartungsgemäß seine Tötungsfähigkeit unter Beweis stellt oder sich mit dem Geheimagenten in einen Nahkampf begibt, sondern das allgemeine Tempo. Bei seinen umfangreichen Bestrebungen, klassische Bond-Charaktere und -Szenarien neu zu erfinden und einzuführen, lässt das Drehbuch zahlreiche Wartezeiten zu und bietet genug Subplots für mehr als einen Film. Die Kreation von 'SPECTRE' und seine Ausgestaltung in den Kinoverfilmungen der 1960er Jahre brauchte mehrere Filme, um sich vollständig zu etablieren. In diesem Film werden der Zweck und die Geschichte der bösen Organisation vollständig dargelegt, auch wenn man die permanenten Verweise auf Nebenschauplätze aus den letzten drei Episoden nicht nachvollziehen kann. Sam Mendes und sein enormes Autorengespann sind davon überzeugt, dass der Betrachter jede Minute dieses überladenen Projekts in sich aufsaugen wird, ungeachtet der vielen Minuten ereignisloser Exposition, die hauptsächlich mit bürokratischen und politischen Verwicklungen, Romantik oder Drama zu tun haben.
Egal, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass James Bond aus einer scheinbar ausweglosen Situation herauskommt, er übersteht sie ohne Schäden. Vielleicht ist das der Grund, warum trotz der vielen ernsten Momente ein kurzer Stunt mit einer Rettung in letzter Minute durch ein gut platziertes Sofa eine der erinnerungswürdigsten und unterhaltsamsten Szenen des Films ist. Was die restliche Action angeht, so wird viel Wert auf CG-Effekte gelegt, die zugunsten von praktischen Tricks und authentischer Destruktion verschwinden, was den Charme älterer James-Bond-Abenteuer wieder aufleben lässt, in denen es quasi keine Computeranimation gab. Es ist nicht leicht, von der Präzision und Qualität der technischen Leistungen in "James Bond 007 - Spectre" nicht begeistert zu sein, auch wenn der Film nie besser wird als der überaus spektakuläre Vorspann. "Er wird einen Weg finden. Das tut er immer."
"Scream VI" von den Regisseuren Matt Bettinelli-Olpin und Tyler Gillett beginnt mit einem Telefonanruf, denn nur so kann ein "Scream"-Film wirklich beginnen, aber immerhin ist der Schauplatz ein Restaurant und eine Frau nimmt von dort aus einen zweiten Anruf entgegen, was die aus den ersten Filmen bekannte Formel nur geringfügig verändert. "Das ist alles Klischee", sagt diese Frau (Samara Weaving), eine Professorin für Filmwissenschaft, die sich auf Slasher spezialisiert hat, und versucht sofort, dem Drehbuch etwas Selbstbewusstsein einzupflanzen. Wie bei den vorherigen Teilen der Reihe trägt dieses merkwürdige, unkünstlerische Bewusstsein nicht zur Förderung der Handlung bei, sondern verstärkt lediglich die Muster, in der Hoffnung, dass der Betrachter die Überbeanspruchung solcher filmischen Mittel nicht bemerkt, wenn die Figuren ihnen zuvorkommen.
Das minderte nicht die Jubelrufe in dem Kino, in dem ich war, die ihr Bestes taten, um "Scream VI" wie einen traditionellen Slasher erscheinen zu lassen. Doch die Vorkalkulierbarkeit und die Regelmäßigkeit dieser Sequenzen erzeugen nur selten echten Terror - ein messerschwingender Psychopath, der aus dem Schatten tritt, war auch vor fünf Filmen nicht so plakativ. Um die Familiarität weiter zu erhöhen, kehren bekannte Figuren zurück, aber ihre Verstrickungen scheinen weitgehend belanglos. Samantha Carpenter (Melissa Barrera) und ihre Schwester Tara (Jenna Ortega) werden nach wie vor von den Ghostface-Morden geplagt und von der Öffentlichkeit, die Gerüchten über die fragwürdige Beteiligung der Mädchen Glauben schenkt, vielfach verachtet. Sie können kein normales Leben führen, obwohl Tara hofft, ihr Studium an der 'Blackmore University' in New York fortsetzen zu können. Wie Gale Weathers (Courteney Cox) aus der Original-Trilogie sind die Carpenter-Schwestern praktisch ein Magnet für Nachahmungstäter. "Ich habe Vertrauensprobleme."
Die Motive sind unplausibel, ebenso wie die Morde selbst, was ein großes Manko für ein Projekt ist, das den Betrachter so weit mit einbeziehen will, dass er den oder die Mörder errät. Eine Zusammenfassung an dieser Stelle ist mühsam, da so viele Charaktere auf unterschiedlichste Weise miteinander verwandt oder verbunden sind oder als direkte Folge von längst vergessenen Handlungssträngen eingeführt werden. Und da immer wieder Nebenfiguren aus früheren Jahren ausgebuddelt werden, um ihre Rollen neu zu besetzen, wird es immer wichtiger, alle vorherigen Kapitel gesehen zu haben. "Ich bin nicht daran interessiert, in der Vergangenheit zu leben!"
"Sag doch mal was Positives!" In diesem sechsten Teil sind die meisten Angriffe gravierend und absolut tödlich, die Dialoge, die sie begleiten, sind vielleicht schmalzig oder ungeschickt lächerlich, aber die visuelle Bösartigkeit ist viel akzeptabler. Der Humor aus dem ersten Reboot - dem vierten Film - ist so gut wie nicht mehr enthalten, im Gegensatz zu Ghostface's gleichbleibender Begabung, sich aus dem Nichts direkt in geschlossenen Räumen und auf Privatgrundstücken zu manifestieren, um entsetzliche Straftaten zu begehen, während die Behörden für eine Verhaftung immer um Sekunden zu spät kommen - eine Komponente, die weit mehr nervt als begeistert. Da fällt es kaum ins Gewicht, dass die Charaktere so wenig sympathisch sind, dass sie weder glaubwürdig noch realistisch oder gar menschlich wirken, dass es wieder einmal lustiger ist, Ghostface dabei zuzusehen, wie er die Protagonisten massakriert - die Quantität des Fleisches entspricht in etwa den exzessiven Telefonaten. Es ist fast enttäuschend, wenn jemand entwischt. Zudem ist er nicht mehr so unsportlich wie früher, sondern gefühlsarm gegen physikalische Gewalt und manchmal sogar kugelsicher. "Wieso lebst du noch?"
"Es gibt bestimmte Regeln für ein fortlaufendes Franchise." Wenn das unvermeidliche Gerede über die Struktur dieser neuesten Episode kommt, ist es eindeutig, dass "Scream VI" nur für eingefleischte Fans ist (nicht für mich). Das unterstreicht den Kunstgriff, unvorhersehbar zu sein, aber das ist kein großes Verkaufsargument, wenn die Handlung so hohl ist, dass es sich nicht lohnt, darüber nachzugrübeln, wer für all die Morde verantwortlich sein könnte. Die Gewaltrate wurde ohne Zweifel erhöht, wie einer der Charaktere dankenswerterweise warnt, was ein Trend für spätere Fortsetzungen sein dürfte. Allerdings erweisen sich alle Eskalationen in Form von Stichwunden und Gore-Effekten als absolut verzichtbar, um den Unterhaltungswert zu potenzieren. Trotz des erhöhten Blutvergusses ist "Scream VI" kaum von den anderen Produktionen zu unterscheiden. Das Finale zieht sich endlos in die Länge und verbaut sich jede Chance, auch nur im Mindesten im Gedächtnis zu verweilen. "Ich will nicht Teil eines dummen Vermächtnisses sein."
Zu sagen, dass "James Bond 007 - Skyfall" von Regisseur Sam Mendes eine neue Richtung für James Bond darstellt, wäre eine ziemliche Beschönigung. Die Abenteuer dieses 007 sind so weit von den typischen Aufgaben des Superspions entfernt, dass sie sich oft wie eine leere Hülle des legendären Helden anfühlen. Die traditionellen Merkmale der Filmreihe - exotische Schauplätze, aufreizende Frauen und aufwendige Actionsequenzen - kommen zwar vor, aber nur in der notwendigen Weise. Ein Racheplan gegen die Spitze des MI6, ein schwuler krimineller Superschurke und ein rückläufiges Ende sind alles neue, wenn auch fragwürdige Ergänzungen. Es ist verwirrend, wem die Drehbuchautoren es recht machen wollen. Schmerzhaft offensichtliche Bond-Muster tauchen immer wieder auf, während völlig fremde Szenarien den Bildschirm durchdringen. Viele Rückblenden und nicht ganz so subtile Anspielungen auf frühere Teile täuschen Vertrautheit vor, dienen aber eigentlich nur dazu, den Betrachter daran zu erinnern, was alles noch fehlt. Und das ist eine ganze Menge.
Nachdem eine fehlgeschlagene Mission sensible Informationen in die Hände eines Cyber-Terroristen gebracht hat, gerät MI6-Chefin 'M' (Judi Dench) erst unter Druck ihrer Vorgesetzten und dann unter den direkten Angriff eines mysteriösen Widersachers. Der britische Top-Agent James Bond (Daniel Craig) muss einen Attentäter bis nach Shanghai und Macau verfolgen, um Hinweise zu finden, die ihn zu einer entscheidenden Enthüllung und einer gefährlichen Figur aus 'M's Vergangenheit führen werden. James Bond verzichtet auf die diplomatischen Regeln der Kriegsführung und begibt sich auf eine abtrünnige Mission, um 'M' zu schützen und gleichzeitig einen tödlichen Killer anzulocken, der auf Vergeltung sinnt.
"James Bond 007 - Skyfall" beginnt mit einer stuntgeladenen, explosiven Verfolgungsjagd mit Autos, Motorrädern, Zügen und jeder Menge Schießereien. Das ist ein guter Anfang für einen sich repetierenden, abgedroschenen Prozess, einen Action-Helden zu porträtieren, dessen Ironie aus zwei Filmen stammt, die einen hammerharten Neustart einläuteten. Daniel Craigs anfängliches eiskaltes Wesen weicht schließlich feinen Sprüchen, zwanglosem Beischlaf mit mehreren Weibchen und der Etablierung von nicht überzeugend umbesetzten Stammbesetzungen, ähnlich wie bei der genierlichen Aufklärung am Ende von "The Dark Knight Rises". Der Titelsong von Adele ist bedauerlicherweise amnesisch und tritt in die Fußstapfen einiger anderer Beiträge, in denen der Titel ziellos und irreführend eingefügt wird, als ob die Komponisten vor dem Schreiben des Textes nicht wussten, was 'Skyfall' bedeutet. Dazu kommt eine eher geistlose Bildsprache, die an den verzweifelten Versuch eines Dilettanten erinnert, eine James-Bond-Titelsequenz zu kopieren.
Die Weltreise ist zwar passend, aber diese Episode strotzt nur so vor Klischees: Der Grad der Zerstörung ist ebenso hoch wie die Unglaubwürdigkeit der Ereignisse, und beides ohne jeden Grund, außer dem zweckmäßigen visuellen Aspekt. Top-Secret-Listen werden mit Selbstverständlichkeit von bösen Genies eingesehen, die viel intelligenter und finanzkräftiger sind als Regierungsbehörden, und scherzhafte Referenzen an frühere Bond-Filme kommen viel zu oft vor. Außerdem gibt es eine beträchtliche Menge an CG-Kreaturen und -Effekten. Vorbei sind die Zeiten eines Bösewichts mit einem Haken als Hand oder Metallzähnen, der so deplatziert ist wie 'M'. Sie hat viel zu viel Screentime und fungiert fast als Teilhaberin des Geheimagenten, der dafür bekannt ist, dass er keine anderen Partner hat als die Jungfrau in Nöten, von denen es viele gibt. Trotz eines talentierten Regisseurs, wiederkehrender Autoren und einer Oscar-gekrönten Nebenrolle ist die allgemeine Formel für große Explosionen nicht gleichbedeutend mit einem grandiosen Abenteuer. Die Konzepte für James Bond werden immer armseliger, während die Budgets immer gigantischer werden. Und aus einem unbegreiflichen Grund wird die klassische Titelmusik viel zu wenig eingesetzt.
"James Bond 007 - Ein Quantum Trost" von Regisseur Marc Forster ist in vielerlei Hinsicht eine Premiere für die langjährige Bond-Reihe. Es ist der erste Film, der eine direkte Fortsetzung ist; es ist der erste Film, in dem der Titelsong "Another Way to Die" von Jack White und Alicia Keys im Duett gesungen wird; es ist das erste Mal, dass Felix Leiter in zwei aufeinanderfolgenden Filmen von demselben Schauspieler gespielt wird; und es ist auch der bisher kürzeste James-Bond-Film - eine Ironie, denn sein Vorgänger "James Bond 007 - Casino Royale" war der längste. Es ist jedoch nicht der erste Bond-Film, der in einen Trott verfällt, aus dem man nur durch einen Wechsel des Hauptdarstellers wieder herauskommt.
Der Film macht fast unmittelbar da weiter, wo "James Bond 007 - Casino Royale" aufgehört hat, und beginnt sogar mitten in einer Verfolgungsjagd. In "James Bond 007 - Ein Quantum Trost" bringt ein finsterer James Bond (Daniel Craig) Mr. White (Jesper Christensen) zu 'M' (Judi Dench) vom MI6 zu einem inoffiziellen Verhör. Mit Doppelagenten in der Mitte nimmt James Bond bald seine persönlichen Ermittlungen über die Existenz einer mysteriösen kriminellen Organisation wieder auf, die mit dem plötzlichen Ableben seiner einstigen Liebe in Verbindung steht. Seine Suche führt ihn quer über den Globus, bringt ihn mit einer bildschönen Spionin (Olga Kurylenko) zusammen, die ihre eigene Form der Rache sucht, und lässt ihn gegen einen rücksichtslosen Umweltschützer und einen Militärdiktator antreten, der versucht, die Wasserversorgung eines Landes zu kontrollieren.
"James Bond 007 - Ein Quantum Trost" ist im Wesentlichen eine Actionsequenz nach der anderen, lose verbunden mit dem üblichen Unfug von Weltübernahmeplänen hochtechnisierter terroristischer Institutionen, die mit unendlichen Mitteln und Ressourcen ihre Muskeln spielen lassen. Kein Wunder, dass der Film kurz ist: Die hochoktanigen Actionszenen und aufwändigen Stuntchoreografien sind so vollgepackt mit Zerstörung, Requisiten, Fahrzeugen, Ortswechseln und wegwerfbaren Bösewichten, dass das gesamte Budget aufgebraucht ist, bevor überhaupt eine vernünftige Geschichte in Betracht kommt. Zwar waren Bond-Filme noch nie für ihre logischen oder gar sinnvollen Plots bekannt, doch "James Bond 007 - Ein Quantum Trost" versucht es erst gar nicht. Die Prämisse dient nur als Mittel, um von einer exotischen Stuntlocation zur nächsten zu gelangen. Im Mittelpunkt steht James Bond, der Fahrzeuge und Waffen zu Wasser, zu Lande und in der Luft einsetzt, verteilt auf mehrere Länder wie Österreich, Spanien, Chile, Italien und Mexiko.
Alle fünf Minuten gibt es eine weitere rasante Verfolgungsjagd oder ein gewalttätiges Duell, bei dem die Kugeln selbst die ruhigsten Unterhaltungen unterbrechen. Das ist nicht ganz untypisch für die Reihe, aber der Einsatz des Stuntkoordinators von "Das Bourne Ultimatum", Dan Bradley, und die für ihn charakteristische rasche Schnitttechnik machen diesen James Bond schneller, hektischer und visuell schwieriger zu verfolgen. Einige interessante Nebeneinanderstellungen, wie die abwechselnden Aufnahmen einer Oper und einer Schießerei oder die Kombination einer temporeichen Verfolgungsjagd durch unterirdische Tunnel mit Matadoraufnahmen, sind die Lichtblicke im Schnitt, nicht die Momente der Konfusion, die intensiv sein sollen. Selbst dann ist diese Taktik übermäßig gekünstelt, als ob die Bond-Franchise diesen Weg gehen müsste.
Am enttäuschendsten ist vielleicht das Fehlen des originalen James-Bond-Themes, das oft Monty Norman zugeschrieben wird, aber von John Barry arrangiert wurde, und das ebenso wiedererkennbar und kraftvoll ist wie John Williams' Melodien für "Krieg der Sterne" und die "Indiana Jones"-Filme. Wie konnten die Macher von "James Bond 007 - Ein Quantum Trost" nur denken, dass ihre Nichtverwendung von Vorteil wäre, zumal die neue Titelmusik so transusig ist, dass sie nicht einmal als Leitmotiv in den Film zurückgemischt werden konnte? Jeder einzelne Stunt hätte um das Zehnfache gesteigert werden können, wenn nur ein Funke dieses musikalischen Riffs hinzugefügt worden wäre.
Bei all den kinematografischen Modernisierungsmaßnahmen, die die Bond-Filme durchlaufen haben, hat man das Gefühl, dass die Verantwortlichen sich zu sehr bemühen, die vorherigen Filme zu ignorieren. Allerdings gibt es noch einige typische Bond-Merkmale, wenn auch nicht die wesentlichsten. Eine mürrische Kurtisane, die ein Auge auf den Geheimagenten werfen soll, hört auf den Namen 'Strawberry Fields' (Gemma Arterton), eine klassische Reverenz an die Damen von einst. James Bond verführt die feurige Rothaarige prompt - eine Handlung, die in jeder anderen Inkarnation des britischen Agenten nicht sonderbar erscheinen würde, aber angesichts von James Bonds jüngster Beziehung zu Vesper Lynd wirkt sie konstruiert. Und zu allem Prunk gibt es eine Szene, die an die berühmte goldbemalte Venus aus "James Bond 007 - Goldfinger" erinnert und ungewollt an die Defizite von "James Bond 007 - Ein Quantum Trost" appelliert.
Dieser 22. Bond-Film ist Action um der Action willen, was den Betrachtern gefallen dürfte, die Thrill ohne Ende suchen. Aber das pausenlose Rhythmusgebaren verhindert, dass eine einzelne Sequenz hervorsticht. Mit einem bemerkenswerten Minimum an cleveren Witzen, gehirnamputierten Pointen, geschüttelten Martinis und überbordenden Schurken sind die Bösen hier außergewöhnlich eintönig; diese Episode ist schnell vorbeigezogen und wird umgehend aus dem Gedächtnis gelöscht. "James Bond 007 - Ein Quantum Trost" ist auch der erste Bond-Film, in dem das Lieblingsgetränk des legendären Spions, seine Vorliebe für Glücksspiele und sogar sein berühmtes Pistolenlauf-Intro nicht vorkommen. Und sind das nicht einige der unverzichtbaren Elemente, die einen 007-Film ausmachen?
Wie wird der Betrachter auf eine tödlich ernste, rechtschaffene, stahlharte, intensivere Version von James Bond reagieren, die sich besser mit Kampfsportarten auskennt und weniger auf futuristische Hilfsmittel angewiesen ist? Nach dem Erfolg von "Batman Begins" ein Jahr zuvor, der den gleichen Versuch eines düsteren Reboots unternahm, sind die Reaktionen auf "James Bond 007 - Casino Royale" von Regisseur Martin Campbell durchaus positiv. Mit realistischeren, atemberaubenden Stunts, schärferen Texten, aufrichtigeren Schauspielern und einer weniger fantasievollen Handlung ist es unbestreitbar, dass James Bond auf eine neue Art und Weise zurück ist, besser und böser als je zuvor. Er ist kein witziger, ironischer Scherzkeks mehr, sondern eine eiskalte, aggressive Killermaschine, mit Femme Fatale am Arm und geschüttelten, gerührten und mit Früchten dekorierten Drinks.
Die Geschichte ist kompliziert, aber plausibel genug, um ihr zu folgen. Sie beschreibt die frühen Abenteuer von Agent 007, der eine terroristische Organisation von ihren Wurzeln in Uganda bis zu ihren Agenten in Madagaskar verfolgt. Nachdem der MI6-Agent James Bond (Daniel Craig) gewöhnlich alles in die Luft jagt, kommt er auf eigene Faust einem wichtigen Organisator auf die Spur, Alex Dimitrios (Simon Abkarian), der auf den Bahamas Kriminelle rekrutiert, um ein Verkehrsflugzeug zu bombardieren. Von Alex Dimitrios erfährt James Bond, dass der teuflische Bankier Le Chiffre (Mads Mikkelsen) darin verwickelt ist und ein Pokerspiel mit hohem Einsatz in Montenegro plant, um fehlende Terroristengelder zu ersetzen. Aufgrund seiner hervorragenden Kartenspielfähigkeiten und um Le Chiffres Plan zu vereiteln, muss auch James Bond an dem Spiel teilnehmen, das im exquisiten 'Le Casino Royale' stattfindet. Unter dem wachsamen Auge von Vesper Lynd (Eva Green), die den Einsatz der zig Millionen Dollar des MI6 überwacht, muss James Bond alles tun, um zu verhindern, dass Le Chiffre gewinnt, während sein Interesse an Vesper Lynd zusammen mit der Spannung rapide zunimmt, da das Netzwerk intriganter Schurken tückische Taktiken gegen den gewieften Superspion entwickelt.
Auch wenn "James Bond 007 - Casino Royale" versucht, das meiste, was der Betrachter über James Bond weiß, neu zu definieren, so präzisiert er doch nur die Feinheiten. Daniel Craig unterscheidet sich nicht so sehr von den früheren 007-Filmen, sondern holt die Figur auf den Boden der Tatsachen zurück, indem er den Ballast aus den bisherigen Filmen abwirft, um die Figur so geradlinig wie möglich zu spielen, aber dennoch einige clevere Bonmots einstreut. Das überträgt sich auch auf die Handlung. Obwohl sich die Mitte des Films um ein Pokerspiel dreht, das aus dem ursprünglichen Bakkarat-Spiel abgewandelt wurde, wussten die Autoren nur zu gut, dass der Betrachter ein schnelleres Erzähltempo und vereinzelte Gewaltszenen verlangen würde, und so lockern etliche Kämpfe und schmutzige Spiele das auf, was eine öde Aneinanderreihung von Calls und Bluffs hätte werden können.
Der berühmten Tradition denkwürdiger Antagonisten folgend, tritt in "James Bond 007 - Casino Royale" der besonders befremdliche Le Chiffre auf, aus dessen vernarbtem Auge häufig Blutstränen tropfen. Obwohl er nicht körperlich einschüchternd ist, hat ein Bösewicht, der keine Haken, Klauen oder Metallzähne braucht, um furchterregend zu sein, etwas sehr Bedrohliches. In der Folge ist Daniel Craig trotz blondem Haar und babyblauen Augen eine Wucht, mit der man rechnen muss, er bringt die nötige Schwere in die Rolle und einen athletischen Körperbau, den der Film nicht versteckt. Entgegen einer anderen Tradition ist der Vorspann von "James Bond 007 - Casino Royale" in Schwarz-Weiß gehalten, um die Entwicklung von James Bonds Karriere zu zeigen, und er erweist sich als einer der kürzesten und am wenigsten actiongeladenen von allen. Doch die eigentliche Eröffnungsszene wartet mit einer Abfolge von Parkour-Stunts in luftigen Höhen, über explosiven Baustellen und durch schwer bewachte Botschaftskasernen auf, die die Eintönigkeit der Gewöhnlichkeit wieder wettmachen. Passend zu den Vorgängern gibt es den Titelsong "You Know My Name" von Chris Cornell.
Eines der einzigen Probleme des Films ist die Rolle der 'M', erneut gespielt von Judi Dench, die ursprünglich als Ersatz für Bernard Lee in "James Bond 007 - GoldenEye" eingeführt wurde. Wenn man davon ausgeht, dass es sich bei "James Bond 007 - Casino Royale" um eine Art Prequel zum Franchise handelt - immerhin handelt es sich um den ersten Bond-Roman von Ian Fleming - oder um einen Reboot, bleibt unklar, warum Judi Dench noch in der entsprechenden Rolle sein sollte. Angenommen, es gibt keine anderen Bond-Filme, dann könnte dieser Film als kompletter Neustart dienen. Leider ist es bei einem Franchise mit 20 Filmen schwer, so viele Dinge zu ignorieren, die bereits fest etabliert sind. Mit einer Bezugnahme auf den 11. September in einer frühen Szene lebt James Bond plötzlich in der Gegenwart und definiert den Schauplatz als eine Art Sequel. Außerdem stellt sich der CIA-Stammgast Felix Leiter (Jeffrey Wright) als neue Persona vor, die auch ihre ethnische Zugehörigkeit ändert.
Mit seiner neuen Herangehensweise an die Hauptfigur, der Steigerung des Schwierigkeitsgrads und der Rückbesinnung auf das Ausgangsmaterial erweist sich "James Bond 007 - Casino Royale" als die Initialzündung, um die das Bond-Franchise seit "James Bond 007 - Stirb an einem anderen Tag" sehnlichst gewartet hat. Vielleicht war die Entscheidung, das Buch neu zu adaptieren, die beste Wahl, um sich von den vorangegangenen Drehbüchern inspirieren zu lassen. Wahrscheinlich war es auch die beste Lösung, den Regisseur Martin Campbell zurückzuholen, um den veränderten Ton und einen neuen Star zu dirigieren. In jedem Fall ist dieses 21. Abenteuer eine ideale Option zur Revitalisierung einer stagnierenden Anlage.